Bundesgerichtshof Urteil, 14. Nov. 2003 - V ZR 102/03

bei uns veröffentlicht am14.11.2003

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
V ZR 102/03 Verkündet am:
14. November 2003
K a n i k,
Justizamtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja
Nds. NachbarrechtsG § 54 Abs. 2; BGB § 910 Abs. 2; BGB § 906 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2
Satz 2 analog; BGB § 1004 Abs. 1

a) Der Eigentümer von Bäumen, die den in § 50 Abs. 1 Nds. NRG vorgeschriebenen
Grenzabstand nicht einhalten, muß sie auf Verlangen des Nachbarn nach dem Ablauf der
Ausschlußfrist des § 54 Abs. 2 Nds. NRG weder auf die zulässige noch auf eine andere
Höhe zurückschneiden.

b) § 910 Abs. 2 BGB gilt auch für den Anspruch des Grundstückseigentümers gegen den
Nachbarn auf Beseitigung herüberragender Zweige nach § 1004 Abs. 1 BGB.

c) Das Abfallen von Laub, Nadeln, Blüten und Zapfen von Sträuchern und Bäumen gehört zu
den "ähnlichen Einwirkungen" im Sinne des § 906 Abs. 1 Satz 1 BGB.

d) Der Eigentümer eines Baumes ist für die von diesem ausgehenden natürlichen
Immissionen (Laub, Nadeln, Blüten, Zapfen) auf benachbarte Grundstücke jedenfalls
dann verantwortlich und damit "Störer" im Sinne des § 1004 Abs. 1 BGB, wenn er sie
unter Verletzung der einschlägigen landesrechtlichen Bestimmungen über den Grenzabstand
unterhält.

e) Dem Nachbarn, der von dem Eigentümer von Bäumen, die den landesrechtlich
vorgeschriebenen Grenzabstand nicht einhalten, deren Zurückschneiden wegen des
Ablaufs der dafür in dem Landesnachbarrecht vorgesehenen Ausschlußfrist nicht mehr
verlangen kann, kann für den erhöhten Reinigungsaufwand infolge des Abfallens von
Nadeln und Zapfen dieser Bäume ein nachbarrechtlicher Ausgleichsanspruch nach § 906
Abs. 2 Satz 2 BGB analog zustehen.
BGH, Urt. v. 14. November 2003 - V ZR 102/03 - LG Stade
AG Cuxhaven
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 14. November 2003 durch den Vizepräsidenten des Bundesgerichtshofes
Dr. Wenzel und die Richter Tropf, Dr. Lemke, Dr. Gaier und
Dr. Schmidt-Räntsch

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Stade vom 18. März 2003 unter Zurückweisung des Rechtsmittels im übrigen im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben , als die auf die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung eines jährlichen Ausgleichsbetrags von 204,52 ! " ! $#% & ' )( *+ , -. von 1.227,10 worden sind.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens , an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Die Parteien sind Grundstücksnachbarn. Auf dem Grundstück der Beklagten stehen nahe der Grundstücksgrenze zwei Kiefern, die bei Klageerhebung ca. 14 m hoch waren. Von einem der Bäume ragten Zweige in einer Höhe
von ca. 9 m ungefähr 2,3 m, von dem anderen Baum ragen Zweige in einer Höhe von ca. 5 m ungefähr 0,4 m auf das Grundstück des Klägers herüber; auch fallen Kiefernnadeln und -zapfen auf sein Grundstück.
Der Kläger behauptet, daß er wegen der abfallenden Nadeln und Zapfen das Dach, die Dachrinnen und Dacheinläufe seines Wohnhauses sowie seinen Garten mehrfach im Jahr säubern müsse; auch habe er wegen des starken Nadelfalls einen Gartenteich verschließen müssen.
Der Kläger hat die Verurteilung der Beklagten zum Zurückschneiden der Kiefern auf die Höhe, die sie fünf Jahre vor der Klageerhebung hatten, und zum künftigen jährlichen Zurückschneiden auf diese Höhe sowie zur Beseitigung der auf sein Grundstück herüberragenden Zweige beantragt; weiter hat er von den Beklagten die Zahlung eines jährlichen Ausgleichsbetrags von (, 0 1' & 2' 34 657 8 -9 ;: 3 )<9= >#@?9 ! A B 204,52 / / hat die Verpflichtung der Beklagten, die Kiefern durch jährliches Zurückschneiden auf einer Höhe von 14 m zu halten, festgestellt; weiter hat es die Beklagten zur Beseitigung der von einem der Bäume in ca. 9 m Höhe auf das Grundstück des Klägers herüberragenden Zweige verurteilt. Im übrigen hat es die Klage abgewiesen.
Nach dem Erlaß dieses Urteils haben die Beklagten die Bäume auf eine Höhe von 10 m bzw. 11 m gekürzt und die in ca. 9 m Höhe auf das Grundstück des Klägers herüberragenden Zweige entfernt.
Die Berufung des Klägers, mit der er seine in erster Instanz abgewiesenen Klageanträge weiterverfolgt und hilfsweise die Verurteilung der Beklagten
beantragt hat, die Kiefern durch jährliches Zurückschneiden auf einer Höhe von 11 m bzw. 12 m zu halten, ist erfolglos geblieben. Die Anschlußberufung der Beklagten hat insoweit Erfolg gehabt, als das Landgericht ihre Verpflichtung zum jährlichen Zurückschneiden der Kiefern aufgehoben und lediglich ihre Verurteilung zur Beseitigung der in ca. 9 m Höhe auf das Grundstück des Klägers herüberragenden Zweige aufrecht erhalten hat.
Mit der in dem Berufungsurteil zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Beklagten beantragen, will der Kläger die Feststellung erreichen, daß der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt ist, soweit die Verurteilung der Beklagten zum Zurückschneiden der Kiefern in der Zeit vom 1. Oktober 2002 bis 15. März 2003 beantragt worden ist; im übrigen verfolgt er seine in der Berufungsinstanz gestellten Anträge weiter.

Entscheidungsgründe:


I.


Nach Auffassung des Berufungsgerichts ist ein Anspruch des Klägers auf Zurückschneiden der Kiefern nach § 54 Abs. 2 des Niedersächsischen Nachbarrechtsgesetzes (Nds.NRG) wegen Fristablaufs ausgeschlossen. Die Vorschrift bezwecke, daß der weitere Wuchs von Bäumen später als fünf Jahre nach Erreichen der gesetzlich zulässigen Höhe von dem Nachbarn nicht mehr verhindert werden könne. Auch aus dem nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnis ergebe sich kein Anspruch des Klägers auf Zurückschneiden der Kiefern oder auf die künftige Einhaltung einer bestimmten Wuchshöhe. Ein Anspruch
auf Beseitigung der in ca. 5 m Höhe herüberragenden Zweige habe der Kläger ebenfalls nicht, weil der Überhang so geringfügig sei, daß hiervon keine bemerkenswerte Beeinträchtigung ausgehe.
Ein Ausgleichsbetrag wegen erhöhten Reinigungsaufwands stehe dem Kläger nicht zu. Es fehle an einer wesentlichen und unzumutbaren Beeinträchtigung seines Grundstücks im Sinne von § 906 BGB. Nach dem Ablauf der in § 54 Abs. 2 Nds.NRG genannten Frist stünden die Bäume rechtmäßig auf dem Grundstück der Beklagten; deshalb seien die Auswirkungen der Anpflanzungen nicht rechtswidrig. Die natürlichen Emissionen der Bäume seien von dem Nachbarn hinzunehmen. Im übrigen stelle die Einwirkung durch Nadelfall keine über das ortsübliche zumutbare Maß hinausgehende Beeinträchtigung des Grundstücks des Klägers dar. Der Nadel- und Zapfenfall sei angesichts der überragenden Nützlichkeit von Bäumen für die Gesellschaft entschädigungslos hinzunehmen.
Das hält revisionsrechtlicher Nachprüfung teilweise nicht stand.

II.


1. Zutreffend verneint das Berufungsgericht einen Anspruch des Klägers auf das Kürzen der Kiefern.

a) Ein auf landesrechtliche Grundlage gestützter Anspruch ist nach § 54 Abs. 2 Nds.NRG, dessen Geltungsbereich sich über den Bezirk eines Oberlan-
desgerichts hinaus erstreckt und deshalb der Nachprüfung durch das Revisionsgericht unterliegt (§ 545 Abs. 1 ZPO), wegen Fristablaufs ausgeschlossen.
aa) Ursprünglich stand dem Kläger der Anspruch zu. Die beiden Kiefern auf dem Grundstück der Beklagten sind unstreitig über die nach § 50 Abs. 1 Nds.NRG in Abhängigkeit von ihrem Abstand zu der Grundstücksgrenze zulässige Höhe hinausgewachsen. Sie hätten daher auf Verlangen des Klägers auf die zulässige Höhe zurückgeschnitten werden müssen, wenn die Beklagten sie nicht beseitigen wollten (§ 53 Abs. 2 Nds.NRG). Der Anspruch ist jedoch ausgeschlossen , weil der Kläger nicht spätestens im fünften auf das Hinauswachsen folgenden Kalenderjahr Klage auf Zurückschneiden erhoben hat (§ 54 Abs. 2 Nds.NRG). Diese Ausschlußfrist (vgl. LG Lüneburg, Nds.Rpfl. 2000, 168, 169; Lehmann, Kommentar zum Niedersächsischen Nachbarrechtsgesetz, 3. Aufl., § 54 Rdn. 9; Pardey, Nds.NRG, 2. Aufl., § 54 Anm. 1) war hier bei Klageerhebung abgelaufen.
bb) Für eine Auslegung der Vorschrift dahin, daß nach Fristablauf zwar kein Zurückschneiden auf die gesetzlich zulässige Höhe, wohl aber verlangt werden kann, daß der Eigentümer die Bäume künftig durch regelmäßiges Zurückschneiden auf der Höhe hält, die sie im Zeitpunkt der Klageerhebung hatten (vgl. AG Winsen/Luhe, Nds.Rpfl. 1999, 317; Hoof/Keil, Das Nachbarrecht in Niedersachsen, 7. Aufl., § 54 Anm. 3), oder daß die Bäume auf die Höhe zurückgeschnitten werden, die sie fünf Jahre vor Klageerhebung hatten (vgl. OLG Celle, AgrarR 1993, 154 f.; AG Göttingen, Nds.RPfl. 1999, 292; für das NachbG NRW: Rammert, Nachbarrecht Nordrhein-Westfalen, 2. Aufl., S. 31 Fn. 75), ist kein Raum. Der Gesetzeswortlaut ist klar und eindeutig; er läßt keine Interpretation zu. Auch Sinn und Zweck der Vorschrift gebieten es, dem
Nachbarn nach Fristablauf jeden Anspruch auf Zurückschneiden der Bäume zu versagen. Denn mit der Ausschlußfrist soll innerhalb eines Zeitraums, der die Interessen des Nachbarn und des Eigentümers der Bäume gleichermaßen berücksichtigt , grundsätzlich eine abschließende Klärung der nachbarlichen Verhältnisse in Bezug auf das Höhenwachstum herbeigeführt werden (vgl. LG Lüneburg , aaO).
Die Frist gibt dem Nachbarn genügend Zeit zu überlegen, ob er seinen Anspruch (§ 53 Abs. 2 Nds.NRG) durchsetzen will. Es ist ihm ohne weiteres möglich, innerhalb von fünf Jahren nach dem Hinauswachsen von Bäumen über die gesetzlich zulässige Höhe hinaus den jährlichen Zuwachs und die daraus gegebenenfalls folgenden Beeinträchtigungen seines Grundstücks wie z.B. den Entzug von Licht, die Bildung von Windzirkulationen und das Abwerfen von Blättern, Nadeln oder Früchten zu beobachten. Auch läßt sich - notfalls mit Hilfe fachmännischer Beratung - ermitteln, wie lange das Wachstum der Bäume andauern wird, so daß auch der Umfang späterer Beeinträchtigungen eingeschätzt werden kann. Der Nachbar kann somit innerhalb der Frist entscheiden , ob er das Zurückschneiden der Bäume verlangen will.

b) Das alles besagt allerdings noch nicht, daß der Eigentümer Bäume auf seinem Grundstück, deren Zurückschneiden der Nachbar nach landesrechtlichen Vorschriften wegen Fristablaufs nicht mehr verlangen kann, bis zum natürlichen Ende ihres Wachstums in eine beliebige Höhe wachsen lassen darf. Vielmehr kommt unter dem Gesichtspunkt des nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnisses in Verbindung mit Treu und Glauben (§ 242 BGB) eine Verpflichtung des Eigentümers in Betracht, die Bäume auf Verlangen des Nachbarn auch nach dem Fristablauf zurückzuschneiden. Davon geht das Be-
rufungsgericht zutreffend aus. Es verneint jedoch zu Recht eine solche Verpflichtung der Beklagten.
aa) Nach ständiger Rechtsprechung des Senats (siehe nur Urteil vom 31. Januar 2003, V ZR 143/02, NJW 2003, 1392 mit umfangreichen Nachweisen ) haben die Rechte und Pflichten von Grundstücksnachbarn insbesondere durch die Vorschriften der §§ 905 ff. BGB und die Bestimmungen der Nachbarrechtsgesetze der Länder eine ins einzelne gehende Sonderregelung erfahren. Daneben kommt eine allgemeine Pflicht zur gegenseitigen Rücksichtnahme aus dem Gesichtspunkt des nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnisses nur dann zum Tragen, wenn ein über die gesetzliche Regelung hinausgehender billiger Ausgleich der widerstreitenden Interessen dringend geboten erscheint. Ist das der Fall, kann die Ausübung gewisser aus dem Eigentum fließender Rechte ganz oder teilweise unzulässig werden (Senat, Urteil vom 11. Juli 2003, V ZR 199/02, NJW-RR 2003, 1313, 1314 m.w.N.).
bb) Die behaupteten Folgen des Höhenwachstums der Kiefern rechtfertigen keine Abweichung von der nachbarrechtlichen Sonderregelung des § 54 Abs. 2 Nds.NRG. Nur wenn der Nachbar wegen der Höhe der Bäume ungewöhnlich schweren und nicht mehr hinzunehmenden Beeinträchtigungen ausgesetzt wäre, könnte er von dem Eigentümer unter dem Gesichtspunkt der Pflicht zur gegenseitigen Rücksichtnahme ihren Rückschnitt auf eine beiden Interessen gerecht werdende Höhe verlangen, wenn dies dem Eigentümer zumutbar ist (vgl. KG, NJW-RR 2000, 160, 161; Pardey, aaO, § 54 Anm. 1.3). Diese Voraussetzungen liegen hier jedoch nicht vor. Zwar sollen die Kiefern den Lichteinfall und die Windzirkulation auf dem Grundstück des Klägers beeinträchtigen ; der Nadel- und Zapfenfall soll zu zusätzlichen Reinigungsarbei-
ten an dem Wohnhaus und dem Garten des Klägers führen, auch habe ein Gartenteich verschlossen werden müssen. Dies reicht jedoch nicht aus, um eine Verpflichtung der Beklagten zum Zurückschneiden der Bäume unter dem Gesichtspunkt des nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnisses anzunehmen.

c) Nach alledem sind die auf das Zurückschneiden der Kiefern gerichteten Anträge des Klägers unbegründet, auch soweit die Beklagten die Bäume künftig auf einer bestimmten Höhe halten sollen. Daraus folgt zugleich, daß die von dem Kläger erstmalig im Revisionsverfahren erklärte Teil-Erledigung der Hauptsache, die der Senat zu berücksichtigen hat (BGHZ 106, 359, 368), ebenfalls unbegründet ist. Die beantragte Teil-Erledigung ist deshalb nicht auszusprechen.
2. Ebenfalls zu Recht verneint das Berufungsgericht einen Anspruch des Klägers nach § 1004 Abs. 1 BGB auf Beseitigung des noch von einer der beiden Kiefern in ca. 5 m Höhe auf sein Grundstück herüberragenden Zweiges. Der Kläger muß nach § 1004 Abs. 2 BGB das Herüberragen dulden, weil dadurch die Benutzung seines Grundstücks nicht beeinträchtigt wird.

a) Nach § 910 Abs. 2 BGB steht dem Grundstückseigentümer das Selbsthilferecht nach Abs. 1 nicht zu, wenn die herüberragenden Zweige die Benutzung des Grundstücks nicht beeinträchtigen. Die Vorschrift gilt auch für den Beseitigungsanspruch nach § 1004 Abs. 1 BGB (vgl. LG Saarbrücken, NJW-RR 1986, 1341; LG Bonn, NJW-RR 1987, 1421; AG Würzburg, NJW-RR 2001, 953; Staudinger/Roth, BGB [2002], § 910 Rdn. 2). In welchen Fällen keine Beeinträchtigung vorliegt, entscheidet nicht das subjektive Empfinden des Grundstückseigentümers; maßgebend ist vielmehr die objektive Beeinträchti-
gung der Grundstücksbenutzung (MünchKomm-BGB/Säcker, 3. Aufl., § 910 Rdn. 6; Staudinger/Roth, aaO, § 910 Rdn. 18). Ob, wovon auch das Berufungsgericht ausgeht, der Nachbar ganz unerhebliche Beeinträchtigungen hinnehmen muß (so OLG Köln, NJW-RR 1989, 1177; 1997, 656; LG Kleve, MDR 1982, 230, 231; LG Saarbrücken, NJW-RR 1986, 1341; MünchKomm-BGB/ Säcker, aaO; Palandt/Bassenge, BGB, 62. Aufl., § 910 Rdn. 3; Staudinger /Roth, aaO, Rdn. 18; a.A. AG Königstein, NJW-RR 2000, 1256; AG Würzburg , aaO), kann offenbleiben. Denn der Zweig, der von einer der beiden Kiefern in ca. 5 m Höhe ungefähr 0,4 m weit auf das Grundstück des Klägers herüberragt , beeinträchtigt dessen Benutzung nicht.

b) Die Darlegungs- und Beweislast dafür, daß von herüberragenden Zweigen keine Beeinträchtigung ausgeht, trägt der Nachbar (Palandt/ Bassenge, aaO; Staudinger/Roth, aaO, Rdn. 33). Das sind hier die Beklagten. Sie haben das Fehlen einer Beeinträchtigung ausreichend dargelegt. Nach ihrem beweisbewehrten Vortrag in der Berufungserwiderung, der auf den erstinstanzlichen Vortrag Bezug nimmt, ragen nicht nur der Zweig, dessen Beseitigung der Kläger verlangt, sondern auch Zweige anderer Bäume auf sein Grundstück herüber; außerdem stehen dort nahe der Grundstücksgrenze mehrere Bäume und Sträucher. Das wird durch die von den Parteien zu den Akten gereichten Lichtbilder bestätigt; danach wachsen auf beiden Seiten der gemeinsamen Grundstücksgrenze Laub- und Nadelgewächse. Darauf stützen die Beklagten ihre Behauptung, daß eine Beeinträchtigung des klägerischen Grundstücks gerade durch den Zweig, dessen Beseitigung der Kläger noch verlangt, ausgeschlossen ist. Die von der Revision erhobene Verfahrensrüge (§ 286 ZPO), das Berufungsgericht habe das Beweisangebot des Klägers zur Erheblichkeit der von den herüberragenden Zweigen ausgehenden Beein-
trächtigungen übergangen, ist unbegründet; es betrifft nicht die von den herüberragenden Zweigen, sondern die von den Kiefern insgesamt ausgehenden Beeinträchtigungen.
3. Zutreffend geht das Berufungsgericht davon aus, daß dem Kläger gegen die Beklagten für den behaupteten erhöhten Reinigungsaufwand ein nachbarrechtlicher Ausgleichsanspruch nach § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB zustehen kann. Es verneint jedoch zu Unrecht das Bestehen eines solchen Anspruchs.

a) Gehen von der ortsüblichen Benutzung eines Grundstücks Einwirkungen im Sinne von § 906 Abs. 1 Satz 1 BGB auf ein anderes Grundstück aus und beeinträchtigen sie dessen Benutzung wesentlich, muß der betroffene Grundstückseigentümer die Einwirkungen dulden, wenn die Beeinträchtigungen nicht durch Maßnahmen verhindert werden können, die Benutzern dieser Art wirtschaftlich zumutbar sind (§ 906 Abs. 2 Satz 1 BGB). In diesem Fall kann der Grundstückseigentümer von dem Benutzer des anderen Grundstücks einen angemessenen Ausgleich in Geld verlangen, wenn die Einwirkungen eine ortsübliche Benutzung seines Grundstücks oder dessen Ertrag über das zumutbare Maß hinaus beeinträchtigen (§ 906 Abs. 2 Satz 2 BGB). Danach kommt es zunächst darauf an, ob das Abfallen von Kiefernnadeln und -zapfen auf ein Nachbargrundstück zu den "ähnlichen Einwirkungen" im Sinne des § 906 Abs. 1 Satz 1 BGB gehört. Davon geht das Berufungsgericht im Anschluß an das Amtsgericht stillschweigend aus. Das ist rechtlich nicht zu beanstanden; es wird auch von der Revision als dem Kläger günstig nicht angegriffen. Die von § 906 BGB erfaßten Einwirkungen stimmen darin überein, daß sie in ihrer Ausbreitung weithin unkontrollierbar und unbeherrschbar sind, in ihrer Intensität schwanken und damit andere Grundstücke überhaupt nicht, unwesentlich oder
wesentlich beeinträchtigen können (Senat, BGHZ 117, 110, 112). Das trifft auf das Abfallen von Laub, Nadeln, Blüten und Zapfen von Sträuchern und Bäumen zu (vgl. BayObLG, AgrarR 1992, 312, 313; OLG Karlsruhe, NJW 1983, 2886; OLG Stuttgart, NJW 1986, 2768; NJW-RR 1988, 204; OLG Frankfurt a.M., NJW 1988, 2618, 2619; NJW-RR 1991, 1364, 1365; MünchKomm/ Säcker, aaO, § 906 Rdn. 81; Palandt/Bassenge, aaO, § 906 Rdn. 13; Staudinger /Roth, aaO, § 906 Rdn. 169; Horst, DWW 1991, 322, 323; Müller, NJW 1988, 2587; zweifelnd OLG Düsseldorf, NJW-RR 1990, 144, 145).

b) Ebenfalls stillschweigend gehen die Vorinstanzen davon aus, daß die Beklagten für das Abfallen der Kiefernnadeln und -zapfen verantwortlich sind. Auch das ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden und wird von der Revision hingenommen. Zwar beruhen die Einwirkungen auf natürlichen Vorgängen. Aber auch durch Naturereignisse ausgelöste Störungen können dem Eigentümer zurechenbar sein. So hat der Senat in den Fällen des Eindringens von Baumwurzeln in die Abwasserleitungen des Nachbarn den Eigentümer für verantwortlich gehalten, weil er den Baum gepflanzt (BGHZ 97, 231; 106, 142; 135, 235; Urt. v. 8.2.1991, V ZR 346/89, NJW 1991, 2826) bzw. unterhalten hat (Urt. v. 21.10.1994, V ZR 12/94, NJW 1995, 395, 396). In dem Froschlärm-Fall hat er darauf abgestellt, dass der Eigentümer mit der auf seinem Willen beruhenden Anlage und Unterhaltung des Gartenteichs die Bedingungen dafür geschaffen hat, daß sich dort Frösche ansiedeln konnten (BGHZ 120, 239, 254). In der Wolläuse – Entscheidung (Urt. v. 7. 7. 1995, V ZR 213/94, NJW 1995, 2633, 2634) hat er die Störereigenschaft des Eigentümers dagegen verneint, weil er die Störung weder durch eigene Handlungen ermöglicht noch durch ein pflichtwidriges Unterlassen herbeigeführt hat, sondern die Einwirkung durch ein zufälliges und zusätzliches Naturereignis ausgelöst wurde. Diese Differenzie-
rung ist in der Literatur auf Kritik gestoßen (Herrmann NJW 1997, 153, 154). Ob und inwieweit sie berechtigt ist, kann in diesem Zusammenhang dahingestellt bleiben. Denn der Senat hat den der Wolläuse – Entscheidung zugrunde liegenden Gedanken, dass beim Einwirken von Naturkräften eine Störung nur bei einem pflichtwidrigen Unterlassen in Betracht kommt, in dem Mehltau-Fall (Urt. v. 16. 2. 2001, V ZR 422/99, WM 2001, 1299) weitergeführt. Er hat dort darauf abgestellt, ob sich aus der Art der Nutzung des Grundstücks, von dem die Störung ausgeht, eine „Sicherungspflicht“, also eine Pflicht zur Verhinderung möglicher Beeinträchtigungen ergibt (vgl. auch Senat, BGHZ 90, 255 - Niederschlagswasser). Das trägt den Ansätzen der Kritik Rechnung (Herrmann aaO; vgl. auch Armbrüster NJW 2003, 3087, 3088 f.). Insoweit gilt für natürliche Immissionen nichts anderes als für Immissionen aufgrund eines technischen Defekts (Senatsurt. v. 30. Mai 2003, V ZR 37/02, NJW 2003, 2377 - Wasserrohrbruch). Ob eine solche Pflicht besteht, ist jeweils an Hand der Umstände des Einzelfalls zu prüfen. Maßgebend sind hierbei vor allem die Konfliktlösungsregeln des öffentlichen und privaten Nachbarrechts sowie die Art der Nutzung der benachbarten Grundstücke und die vorbeugende Beherrschbarkeit der Störung. Dabei ist, wie der Senat in dem Mehltau-Fall ausgeführt hat, bei natürlichen Immissionen u.a. entscheidend, ob die Nutzung des störenden Grundstücks sich im Rahmen ordnungsgemäßer Bewirtschaftung hält. Von diesem Ansatz aus lässt sich auch die Frage beantworten, ob der Laubabwurf oder der Nadelflug eine abwehrbare Beeinträchtigung im Sinne des § 1004 BGB darstellen. Hierbei ist, wie § 907 Abs. 2 BGB zu entnehmen ist, ohne Bedeutung, ob der Baum, Strauch oder die Pflanze, von der die Immission ausgeht, auf natürlichem Wege angewachsen oder von dem Grundstückseigentümer angepflanzt worden ist (Staudinger/Gursky, BGB [1999], § 1004, RdNr. 58). Entscheidend kann nur sein, ob der Bewuchs mit seiner na-
türlichen Emission ordnungsgemäßer Grundstücksbewirtschaftung und dem das Nachbarrecht bestimmenden Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme entspricht. Dies ist hier zu verneinen. Dabei kann offen bleiben, ob schon allein das Anpflanzen oder Unterhalten der Kiefern als Waldbäume in einem Wohngebiet bei der gebotenen Rücksichtnahme auf die Nachbarinteressen ordnungsgemäßer Bewirtschaftung entspricht. Jedenfalls werden sie unter Verletzung der einschlägigen landesrechtlichen Bestimmungen über den Grenzabstand unterhalten. Daß der Kläger wegen Fristablaufs nicht mehr ihre Beseitigung oder das Zurückschneiden auf die zulässige Höhe verlangen kann, hat nicht zur Folge, daß der Bewuchs nunmehr ordnungsgemäßer Bewirtschaftung entspricht. Dann aber sind die Beklagten für die von den Kiefern ausgehenden natürlichen Immission auch verantwortlich.

c) Mit Erfolg rügt die Revision allerdings, daß das Berufungsgericht unter Bezugnahme auf das erstinstanzliche Urteil die von dem Kläger behaupteten Beeinträchtigungen als nicht wesentlich ansieht. Dies ist zunächst eine Tatfrage. Revisionsrechtlich nachprüfbar ist, ob das Berufungsgericht die nötigen Tatsachenfeststellungen verfahrensfehlerfrei getroffen und bei ihrer Würdigung die zutreffenden rechtlichen Gesichtspunkte zugrunde gelegt hat (Senat , BGHZ 120, 239, 254 f.). Das ist hier nicht der Fall.
(1) Die Verfahrensrüge des Klägers (§ 286 ZPO) greift durch. Das Berufungsurteil läßt nicht erkennen, von welchen Auswirkungen des Nadel- und Zapfenfalls das Berufungsgericht ausgeht; entsprechende Feststellungen fehlen. Die Parteien haben dazu gegensätzlich vorgetragen. Damit setzt sich das Berufungsgericht nicht auseinander. Auch ist dem Berufungsurteil nicht zu entnehmen , ob das Berufungsgericht erkannt hat, daß den Beklagten die Darle-
gungs- und Beweislast für die Unwesentlichkeit der Beeinträchtigungen obliegt (vgl. Senat, BGHZ 120, 239, 257). Falls es seine Auffassung, daß der Nadelund Zapfenfall die Benutzung des Grundstücks des Klägers nur unwesentlich beeinträchtigt, auf den in der Berufungserwiderung der Beklagten in Bezug genommenen erstinstanzlichen Vortrag, daß nicht nur die Nadeln und Zapfen ihrer Kiefern, sondern alle pflanzlichen Bestandteile sämtlicher auf dem Grundstück des Klägers und auf den Nachbargrundstücken stehender Bäume auf das Dach, die Dachrinnen und Dacheinläufe des Hauses des Klägers und in seinen Garten fallen, und die von den Beklagten vorgelegten Lichtbilder stützt, wäre wegen des dem entgegenstehenden Vortrags des Klägers eine Beweisaufnahme erforderlich gewesen. Falls das Berufungsgericht jedoch meint, daß sich schon aus dem Vortrag des Klägers die Unwesentlichkeit der behaupteten Einwirkungen ergibt, so daß es keiner Beweisaufnahme bedurfte, hätte es den Begriff der Wesentlichkeit verkannt. Bei der Beurteilung, ob eine Beeinträchtigung wesentlich im Sinne des § 906 BGB ist, muß auf das Empfinden eines "verständigen Durchschnittsmenschen" und das, was diesem unter Würdigung anderer öffentlicher und privater Belange zuzumuten ist, abgestellt werden (Senat, BGHZ 148, 261, 264 m.w.N.). Damit können auch wertende Momente, wie z.B. die Beachtung des Naturschutzes und des Umweltbewußtseins der Bevölkerung, in die Beurteilung einbezogen werden (vgl. Senat, BGHZ 120, 239, 255). Dieser Gedanke liegt dem Berufungsurteil offensichtlich zugrunde. Er kann jedoch nicht dazu führen, die Wesentlichkeit auch dann zu verneinen, wenn die Einwirkungen von dem Nachbargrundstück objektiv feststellbare physische Auswirkungen auf das Eigentum des betroffenen Grundstückseigentümers haben (vgl. Senat, Urteil vom 20. November 1998, V ZR 411/97, WM 1999, 554, 555). In einem solchen Fall ist die Grenze von der Unwesentlichkeit zur Wesentlichkeit der Beeinträchtigungen überschritten. So kann es hier sein.
Nach dem Vortrag des Klägers verstopfen die von den Kiefern der Beklagten abfallenden Nadeln die Dachrinnen und Dacheinläufe seines Wohnhauses. Führt das zu Schäden, liegt eine wesentliche Beeinträchtigung vor (vgl. OLG Frankfurt a.M., NJW 1988, 2688). Auch hat der Kläger vorgetragen, daß er wegen des Nadelfalls seinen Gartenteich verschließen mußte. Trifft das zu, wäre auch das eine wesentliche Beeinträchtigung. Insoweit bedarf die Sache also weiterer Aufklärung.
(2) Ebenfalls rechtlich nicht haltbar ist die von dem Berufungsgericht übernommene Auffassung des Amtsgerichts, daß die Auswirkungen einer nicht abwehrbaren Bepflanzung auf die Nachbarschaft nicht rechtswidrig sein können. Damit verkennen die Vorinstanzen in einem entscheidenden Punkt die Voraussetzungen des Ausgleichsanspruchs nach § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB. Er kommt in Betracht, wenn der Grundstückseigentümer wesentliche Einwirkungen dulden muß, die von einer im übrigen rechtmäßigen Nutzung des Nachbargrundstücks ausgehen. Deshalb läßt sich die Wesentlichkeit der Beeinträchtigungen mit der von dem Berufungsgericht gegebenen Begründung ebenfalls nicht verneinen.

d) Wenn der Nadel- und Zapfenfall die Benutzung des Grundstücks des Klägers wesentlich beeinträchtigt, hängt die Begründetheit des Anspruchs nach § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB weiter davon ab, daß die Beeinträchtigung auf eine ortsübliche Benutzung des Grundstücks der Beklagten zurückzuführen ist und nicht durch wirtschaftlich zumutbare Maßnahmen verhindert werden kann. Zweifel an der Ortsüblichkeit der Grundstücksbenutzung bestehen bereits deshalb , weil die Kiefern den nach § 50 Abs. 1 Nds.NRG gebotenen Grenzabstand nicht einhalten. Die Frage der Ortsüblichkeit und der Verhinderbarkeit braucht
hier jedoch nicht entschieden zu werden. Denn selbst wenn sie zu verneinen wäre und der Kläger die Einwirkungen deshalb grundsätzlich nicht dulden müßte, sondern sie nach § 1004 Abs. 1 BGB abwehren könnte, käme ein nachbarrechtlicher Ausgleichsanspruch nach § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB analog in Betracht. aa) Ein solcher Anspruch ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes gegeben, wenn von einem Grundstück im Rahmen privatwirtschaftlicher Benutzung auf ein benachbartes Grundstück Einwirkungen ausgehen, die zwar rechtswidrig sind und deshalb nicht geduldet werden müßten, der betroffene Eigentümer jedoch aus besonderen Gründen gehindert ist, solche Störungen nach § 1004 Abs. 1 BGB zu unterbinden; der Anspruch setzt voraus, daß der Betroffene hierdurch Nachteile erleidet, die das zumutbare Maß einer entschädigungslos hinzunehmenden Beeinträchtigung übersteigen (siehe nur Senat, Urt. v. 30. Mai 2003, V ZR 37/02, WM 2003, 1969, 1970 m.w.N.). Dieser allgemein für das Nachbarrecht entwickelte Grundsatz ist nicht etwa nur auf andere als die von § 906 Abs. 1 BGB erfaßten Einwirkungen beschränkt , wie z.B. auf Grobimmissionen (BGHZ 58, 149, 158 f.; 111, 158, 162), Vertiefungsschäden (BGHZ 72, 289, 292; 85, 375, 384), Abschwemmung von Unkrautvernichtungsmitteln (Senat, BGHZ 90, 255 ff.), Wasserschaden infolge Rohrbruchs auf dem Nachbargrundstück (Senat, Urt. v. 19. Mai 1985, V ZR 33/84, WM 1985, 1041; Urt. v. 30. Mai 2003, aaO) oder durch technischen Defekt an elektrischen Leitungen verursachter Brandschaden an dem benachbarten Haus (Senat, Urt. v. 11. Juni 1999, V ZR 377/98, WM 1999, 2168, 2169); er gilt ebenso für Einwirkungen im Sinne dieser Vorschrift, wenn der beeinträchtigte Eigentümer eine solche Einwirkung trotz ihrer Rechtswidrigkeit nicht verhindern kann, denn maßgeblicher Gesichtspunkt ist in diesen Fällen nicht die Art der Einwirkung, sondern der Umstand, daß eine unzumutbare Be-
einträchtigung des Eigentums eintritt (Senat, BGHZ 90, 255, 262 f.). Dieser Gedanke liegt auch dem § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB zugrunde.
bb) Einen Abwehranspruch hätte hier der Kläger zwar unter der Voraussetzung , daß eine wesentliche Beeinträchtigung der Benutzung seines Grundstücks auf die nicht ortsübliche Benutzung des Grundstücks der Beklagten zurückzuführen wäre und/oder von ihnen durch wirtschaftlich zumutbare Maßnahmen verhindert werden könnte. Aber der Kläger wäre aus Rechtsgründen daran gehindert, die Einwirkungen zu unterbinden. Eine andere Möglichkeit zur Störungsbeseitigung als die, daß die den Beklagten gehörenden Kiefern entfernt oder so weit gekürzt werden, daß das Abfallen von Nadeln und Zapfen auf das Grundstück des Klägers nahezu ausgeschlossen ist, ist nämlich nicht ersichtlich. Darauf hat der Kläger jedoch wegen Ablaufs der Ausschlußfrist (§ 54 Abs. 2 Nds.NRG) keinen Anspruch mehr; er muß das Höhenwachstum der Bäume dulden (siehe vorstehend unter II. 1.).
cc) Ob der Kläger die Beeinträchtigungen entschädigungslos hinnehmen muß, bedarf ebenfalls der Klärung durch das Berufungsgericht. Es wird zu ermitteln haben, in welchem Verhältnis der von dem Kläger behauptete zusätzliche Reinigungsaufwand zu dem Aufwand steht, den er für die Reinigung seines Grundstücks von Laub, Nadeln u.ä. sowieso hat. Dabei ist zu berücksichtigen , daß sich beide Grundstücke in einem seit vielen Jahren gewachsenen Wohngebiet mit teilweise hohem Baumbestand befinden, weshalb das Grundstück des Klägers - wie auch die benachbarten Grundstücke - dem Abfallen von Laub, Nadeln, Zapfen und anderen pflanzlichen Bestandteilen der eigenen und fremden Bäume und Sträucher ausgesetzt ist. Deshalb muß der Kläger - ebenso wie seine Nachbarn - Reinigungsarbeiten auf seinem Grundstück
vornehmen, um das Laub u.ä. zu entfernen. Dabei müssen auch die Dachrinne und die Dacheinläufe gesäubert werden. Der zeitliche Aufwand dafür hängt von der Art und Größe der eigenen und umliegenden Anpflanzungen, der Jahreszeit sowie den Witterungsverhältnissen ab. Dazu muß der Kläger noch vortragen. Bei der dann erforderlichen Abwägung können allerdings Gesichtspunkte wie der, daß derjenige, der die mit dem "Wohnen im Grünen" verbundenen Annehmlichkeiten wie z.B. den auf Bäume und Sträucher zurückzuführenden Sicht-, Schall- und Windschutz sowie reine und sauerstoffreiche Luft in Anspruch nimmt, bis zu einem gewissen Grad auch die damit verbundenen Nachteile, jedenfalls soweit sie auf natürlichen Gegebenheiten beruhen, in Kauf nehmen müsse (vgl. OLG Frankfurt a.M., NJW 1988, 2618, 2620 m.w.N.; NJW-RR 1991, 1364, 1366 f.; OLG Düsseldorf, NJWE-MietR 1996, 2, 3), oder das gewachsene Umweltbewußtsein weiter Kreise der Bevölkerung, welches das Anpflanzen und Halten von Bäumen auch in Wohngebieten als erstrebenswert ansieht, keine Rolle spielen. Denn hier verstoßen die Beklagten dadurch , daß die Bäume nicht den gesetzlich vorgegebenen Grenzabstand einhalten , gegen das Gebot der ordnungsgemäßen Bewirtschaftung ihres Grundstücks. Dies kann durch die genannten Gesichtspunkte nicht kompensiert werden. Inwiefern sie zu berücksichtigen wären, wenn das störende Grundstück ordnungsgemäß bewirtschaftet und rechtmäßig genutzt würde, bedarf hier keiner Entscheidung.
dd) Der Umfang des Ausgleichsanspruchs bestimmt sich nach den Grundsätzen, die für die Bemessung der Enteignungsentschädigung gelten; diese unterscheidet sich vom Schadenersatz darin, daß nicht der Zustand herzustellen ist, der bestünde, wenn die Störung nicht eingetreten wäre, vielmehr beschränkt sich der Ausgleich auf die Beseitigung der durch die Störung ein-
getretenen Vermögenseinbuße (Senat, BGHZ 147, 45, 53). Deshalb kann der Kläger höchstens den Betrag erhalten, den er für die zusätzliche Reinigung durch ein Unternehmen aufwenden müßte.
4. Nach alledem ist das Berufungsurteil unter Zurückweisung des erfolglosen Teils der Revision (vorstehend II. 1. und 2.) im Kostenpunkt und insoweit aufzuheben, als die Zahlungsanträge des Klägers abgewiesen worden sind. In diesem Umfang ist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung , auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht
zurückzuverweisen. Es muß aufklären, ob die von dem Kläger behaupteten Einwirkungen die ortsübliche Benutzung seines Grundstücks wesentlich beeinträchtigen und ob ihm nicht zugemutet werden kann, daß er die daraus herrührenden Nachteile entschädigungslos hinzunehmen hat. Für das alles trägt der Kläger die Darlegungs- und Beweislast.
Wenzel Tropf Lemke Gaier Schmidt-Räntsch

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Urteil, 14. Nov. 2003 - V ZR 102/03

Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Urteil, 14. Nov. 2003 - V ZR 102/03

Referenzen - Gesetze

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 242 Leistung nach Treu und Glauben


Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 286 Freie Beweiswürdigung


(1) Das Gericht hat unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu erachten sei.

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 1004 Beseitigungs- und Unterlassungsanspruch


(1) Wird das Eigentum in anderer Weise als durch Entziehung oder Vorenthaltung des Besitzes beeinträchtigt, so kann der Eigentümer von dem Störer die Beseitigung der Beeinträchtigung verlangen. Sind weitere Beeinträchtigungen zu besorgen, so kann der

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 906 Zuführung unwägbarer Stoffe


(1) Der Eigentümer eines Grundstücks kann die Zuführung von Gasen, Dämpfen, Gerüchen, Rauch, Ruß, Wärme, Geräusch, Erschütterungen und ähnliche von einem anderen Grundstück ausgehende Einwirkungen insoweit nicht verbieten, als die Einwirkung die Benu
Bundesgerichtshof Urteil, 14. Nov. 2003 - V ZR 102/03 zitiert 8 §§.

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Zivilprozessordnung - ZPO | § 545 Revisionsgründe


(1) Die Revision kann nur darauf gestützt werden, dass die Entscheidung auf einer Verletzung des Rechts beruht. (2) Die Revision kann nicht darauf gestützt werden, dass das Gericht des ersten Rechtszuges seine Zuständigkeit zu Unrecht angenommen

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 910 Überhang


(1) Der Eigentümer eines Grundstücks kann Wurzeln eines Baumes oder eines Strauches, die von einem Nachbargrundstück eingedrungen sind, abschneiden und behalten. Das Gleiche gilt von herüberragenden Zweigen, wenn der Eigentümer dem Besitzer des Nachb

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 907 Gefahr drohende Anlagen


(1) Der Eigentümer eines Grundstücks kann verlangen, dass auf den Nachbargrundstücken nicht Anlagen hergestellt oder gehalten werden, von denen mit Sicherheit vorauszusehen ist, dass ihr Bestand oder ihre Benutzung eine unzulässige Einwirkung auf sei

Referenzen - Urteile

Bundesgerichtshof Urteil, 14. Nov. 2003 - V ZR 102/03 zitiert oder wird zitiert von 29 Urteil(en).

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Bundesgerichtshof Urteil, 31. Jan. 2003 - V ZR 143/02

bei uns veröffentlicht am 31.01.2003

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL V ZR 143/02 Verkündet am: 31. Januar 2003 K a n i k, Justizamtsinspektorin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein

Bundesgerichtshof Urteil, 30. Mai 2003 - V ZR 37/02

bei uns veröffentlicht am 30.05.2003

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Bundesgerichtshof Urteil, 11. Juli 2003 - V ZR 199/02

bei uns veröffentlicht am 11.07.2003

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL V ZR 199/02 Verkündet am: 11. Juli 2003 K a n i k, Justizamtsinspektorin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BG
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Bundesgerichtshof Urteil, 15. Juli 2011 - V ZR 277/10

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Bundesgerichtshof Urteil, 14. Juni 2019 - V ZR 102/18

bei uns veröffentlicht am 14.06.2019

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL V ZR 102/18 Verkündet am: 14. Juni 2019 Langendörfer-Kunz Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: ne

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(1) Der Eigentümer eines Grundstücks kann Wurzeln eines Baumes oder eines Strauches, die von einem Nachbargrundstück eingedrungen sind, abschneiden und behalten. Das Gleiche gilt von herüberragenden Zweigen, wenn der Eigentümer dem Besitzer des Nachbargrundstücks eine angemessene Frist zur Beseitigung bestimmt hat und die Beseitigung nicht innerhalb der Frist erfolgt.

(2) Dem Eigentümer steht dieses Recht nicht zu, wenn die Wurzeln oder die Zweige die Benutzung des Grundstücks nicht beeinträchtigen.

(1) Der Eigentümer eines Grundstücks kann die Zuführung von Gasen, Dämpfen, Gerüchen, Rauch, Ruß, Wärme, Geräusch, Erschütterungen und ähnliche von einem anderen Grundstück ausgehende Einwirkungen insoweit nicht verbieten, als die Einwirkung die Benutzung seines Grundstücks nicht oder nur unwesentlich beeinträchtigt. Eine unwesentliche Beeinträchtigung liegt in der Regel vor, wenn die in Gesetzen oder Rechtsverordnungen festgelegten Grenz- oder Richtwerte von den nach diesen Vorschriften ermittelten und bewerteten Einwirkungen nicht überschritten werden. Gleiches gilt für Werte in allgemeinen Verwaltungsvorschriften, die nach § 48 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes erlassen worden sind und den Stand der Technik wiedergeben.

(2) Das Gleiche gilt insoweit, als eine wesentliche Beeinträchtigung durch eine ortsübliche Benutzung des anderen Grundstücks herbeigeführt wird und nicht durch Maßnahmen verhindert werden kann, die Benutzern dieser Art wirtschaftlich zumutbar sind. Hat der Eigentümer hiernach eine Einwirkung zu dulden, so kann er von dem Benutzer des anderen Grundstücks einen angemessenen Ausgleich in Geld verlangen, wenn die Einwirkung eine ortsübliche Benutzung seines Grundstücks oder dessen Ertrag über das zumutbare Maß hinaus beeinträchtigt.

(3) Die Zuführung durch eine besondere Leitung ist unzulässig.

(1) Wird das Eigentum in anderer Weise als durch Entziehung oder Vorenthaltung des Besitzes beeinträchtigt, so kann der Eigentümer von dem Störer die Beseitigung der Beeinträchtigung verlangen. Sind weitere Beeinträchtigungen zu besorgen, so kann der Eigentümer auf Unterlassung klagen.

(2) Der Anspruch ist ausgeschlossen, wenn der Eigentümer zur Duldung verpflichtet ist.

(1) Der Eigentümer eines Grundstücks kann Wurzeln eines Baumes oder eines Strauches, die von einem Nachbargrundstück eingedrungen sind, abschneiden und behalten. Das Gleiche gilt von herüberragenden Zweigen, wenn der Eigentümer dem Besitzer des Nachbargrundstücks eine angemessene Frist zur Beseitigung bestimmt hat und die Beseitigung nicht innerhalb der Frist erfolgt.

(2) Dem Eigentümer steht dieses Recht nicht zu, wenn die Wurzeln oder die Zweige die Benutzung des Grundstücks nicht beeinträchtigen.

(1) Wird das Eigentum in anderer Weise als durch Entziehung oder Vorenthaltung des Besitzes beeinträchtigt, so kann der Eigentümer von dem Störer die Beseitigung der Beeinträchtigung verlangen. Sind weitere Beeinträchtigungen zu besorgen, so kann der Eigentümer auf Unterlassung klagen.

(2) Der Anspruch ist ausgeschlossen, wenn der Eigentümer zur Duldung verpflichtet ist.

(1) Der Eigentümer eines Grundstücks kann die Zuführung von Gasen, Dämpfen, Gerüchen, Rauch, Ruß, Wärme, Geräusch, Erschütterungen und ähnliche von einem anderen Grundstück ausgehende Einwirkungen insoweit nicht verbieten, als die Einwirkung die Benutzung seines Grundstücks nicht oder nur unwesentlich beeinträchtigt. Eine unwesentliche Beeinträchtigung liegt in der Regel vor, wenn die in Gesetzen oder Rechtsverordnungen festgelegten Grenz- oder Richtwerte von den nach diesen Vorschriften ermittelten und bewerteten Einwirkungen nicht überschritten werden. Gleiches gilt für Werte in allgemeinen Verwaltungsvorschriften, die nach § 48 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes erlassen worden sind und den Stand der Technik wiedergeben.

(2) Das Gleiche gilt insoweit, als eine wesentliche Beeinträchtigung durch eine ortsübliche Benutzung des anderen Grundstücks herbeigeführt wird und nicht durch Maßnahmen verhindert werden kann, die Benutzern dieser Art wirtschaftlich zumutbar sind. Hat der Eigentümer hiernach eine Einwirkung zu dulden, so kann er von dem Benutzer des anderen Grundstücks einen angemessenen Ausgleich in Geld verlangen, wenn die Einwirkung eine ortsübliche Benutzung seines Grundstücks oder dessen Ertrag über das zumutbare Maß hinaus beeinträchtigt.

(3) Die Zuführung durch eine besondere Leitung ist unzulässig.

(1) Wird das Eigentum in anderer Weise als durch Entziehung oder Vorenthaltung des Besitzes beeinträchtigt, so kann der Eigentümer von dem Störer die Beseitigung der Beeinträchtigung verlangen. Sind weitere Beeinträchtigungen zu besorgen, so kann der Eigentümer auf Unterlassung klagen.

(2) Der Anspruch ist ausgeschlossen, wenn der Eigentümer zur Duldung verpflichtet ist.

(1) Der Eigentümer eines Grundstücks kann die Zuführung von Gasen, Dämpfen, Gerüchen, Rauch, Ruß, Wärme, Geräusch, Erschütterungen und ähnliche von einem anderen Grundstück ausgehende Einwirkungen insoweit nicht verbieten, als die Einwirkung die Benutzung seines Grundstücks nicht oder nur unwesentlich beeinträchtigt. Eine unwesentliche Beeinträchtigung liegt in der Regel vor, wenn die in Gesetzen oder Rechtsverordnungen festgelegten Grenz- oder Richtwerte von den nach diesen Vorschriften ermittelten und bewerteten Einwirkungen nicht überschritten werden. Gleiches gilt für Werte in allgemeinen Verwaltungsvorschriften, die nach § 48 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes erlassen worden sind und den Stand der Technik wiedergeben.

(2) Das Gleiche gilt insoweit, als eine wesentliche Beeinträchtigung durch eine ortsübliche Benutzung des anderen Grundstücks herbeigeführt wird und nicht durch Maßnahmen verhindert werden kann, die Benutzern dieser Art wirtschaftlich zumutbar sind. Hat der Eigentümer hiernach eine Einwirkung zu dulden, so kann er von dem Benutzer des anderen Grundstücks einen angemessenen Ausgleich in Geld verlangen, wenn die Einwirkung eine ortsübliche Benutzung seines Grundstücks oder dessen Ertrag über das zumutbare Maß hinaus beeinträchtigt.

(3) Die Zuführung durch eine besondere Leitung ist unzulässig.

(1) Die Revision kann nur darauf gestützt werden, dass die Entscheidung auf einer Verletzung des Rechts beruht.

(2) Die Revision kann nicht darauf gestützt werden, dass das Gericht des ersten Rechtszuges seine Zuständigkeit zu Unrecht angenommen oder verneint hat.

Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
V ZR 143/02 Verkündet am:
31. Januar 2003
K a n i k,
Justizamtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja

a) Ein nachbarliches Gemeinschaftsverhältnis kann auch durch spätere Parzellierung
eines bebauten Gesamtgrundstücks entstehen, durch die vorhandene Gebäude
rechtlich von ihrer bisherigen Abwasserentsorgung abgeschnitten werden.

b) Das nachbarliche Gemeinschaftsverhältnis kann in einem solchen Fall auch dann
zur weiteren Duldung der Abwasserdurchleitung verpflichten, wenn das begünstigte
Grundstück nicht an das belastete angrenzt.
BGH, Urt. v. 31. Januar 2003 - V ZR 143/02 - OLG Hamm
LG Essen
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 31. Januar 2003 durch den Vizepräsidenten des Bundesgerichtshofes
Dr. Wenzel und die Richter Tropf, Dr. Klein, Dr. Lemke und Dr. SchmidtRäntsch

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 5. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 25. Februar 2002 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als es zum Nachteil der Beklagten erkannt hat.
Im Umfang der Aufhebung wird die Berufung des Klägers gegen das Urteil der 18. Zivilkammer des Landgerichts Essen vom 27. August 2001 zurückgewiesen und die Klage im übrigen abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten der Rechtsmittelverfahren.
Von Rechts wegen

Tatbestand


Das Grundstück des Klägers und die Grundstücke der Beklagten waren ursprünglich Teile eines ungeteilten Hanggrundstücks in E. . Sie sind durch die späteren Parzellierung dieses Grundstücks entstanden. Das Areal liegt an der Straße S. und fällt in einem langen Hang ab zur Straße Am Sch. .
1953 ließ die damalige Eigentümerin von der Straße S. aus hangabwärts Stichstraßen anlegen und an diesen Häuser errichten. Die Häuser der Beklagten liegen an einer dieser Stichstraßen. Zur Entsorgung der Abwässer dieser Häuser hatte die damalige Eigentümerin von dem am tiefsten gelegenen Haus durch das darunter liegende Wiesengelände ein Abwasserrohr zum öffentlichen Abwasserkanal in der Straße Am Sch. verlegen lassen. In den 70er Jahren wurde das Areal an einen Immobilienhändler veräußert und von diesem parzelliert. Hierbei entstanden u. a. aus Flächen, auf denen die Häuser der Beklagten stehen, einzelne Hausgrundstücke, die später an die Beklagten veräußert wurden. Das am Fuß des Hangs an der Straße Am Sch. gelegene Wiesengelände wurde dabei ebenfalls parzelliert und später an Erwerber zur Bebauung verkauft. Einer dieser Erwerber ist der Kläger.
Als der Kläger im Jahre 2000 die Baugrube für sein Einfamilienhaus ausheben ließ, fiel das Abwasserrohr auf. Der Kläger ließ das Rohr zunächst teilweise umlegen, um die Baugrube für seinen Neubau ausheben zu können. Er verlangte von den Beklagten Erstattung der für die Umlegung des Rohrs entstandenen Kosten sowie seine Entfernung, weil er seiner Verlegung und Unterhaltung nicht zugestimmt habe und dieses Rohr auch nicht dulden müsse, hilfsweise, die Einleitung von Abwässern auf sein Grundstück zu unterlassen. Dies lehnten die Beklagten unter Hinweis darauf ab, daß das Rohr durch den seinerzeitigen Eigentümer angelegt worden sei und seitdem dort liege.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat dem Entfernungsbegehren entsprochen, die Berufung hinsichtlich des Zahlungsantrags indes zurückgewiesen. Mit der Revision beantragen die Beklag-
ten, ihre Verurteilung zur Entfernung des Rohrs aufzuheben und die Klage ins- gesamt abzuweisen. Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe


I.


Nach Ansicht des Berufungsgerichts beeinträchtigen die Beklagten das Grundeigentum des Klägers dadurch, daß sie ihre Hausabwässer in dem Rohr durch das Grundstück des Klägers in den öffentlichen Kanal leiten. Das müsse der Kläger nicht dulden. Seine Pflicht zur Duldung des Rohrs und der Ableitung der Hausabwässer lasse sich auch nicht unter dem Gesichtspunkt des Notwegrechts begründen. Denn die Beklagten könnten ihre Hausabwässer in die am oberen Hangende verlaufende Straße S. entsorgen. Die Kosten für die Errichtung der dazu erforderlichen Abwasserhebeanlage sei den Beklagten zuzumuten.

II.


Diese Erwägung halten einer revisionsrechtlichen Prüfung nicht stand.
1. Der Kläger kann von den Beklagten weder die Entfernung des Abwasserrohrs verlangen, noch daß diese ihre Hausabwässer nicht mehr in sein Grundstück einleiten. Die Voraussetzungen des als Grundlage für diese Ansprüche allein in Betracht kommenden § 1004 BGB sind unbeschadet der Frage einer Störung durch die Beklagten jedenfalls deshalb nicht gegeben, weil die Beklagten von dem Kläger die Duldung des Abwasserrohrs und seine Nutzung zur Durchleitung der Abwässer verlangen können.

2. Die Duldungspflicht des Klägers ergibt sich aus dem Gesichtspunkt des nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnisses. Die Rechte und Pflichten von Grundstücksnachbarn haben insbesondere durch die Vorschriften der §§ 905 ff. BGB und die Bestimmungen der Nachbarrechtsgesetze der Länder eine ins einzelne gehende Sonderregelung erfahren. Auch auf sie ist allerdings der allgemeine Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) anzuwenden; daraus folgt für die Nachbarn eine Pflicht zur gegenseitigen Rücksichtnahme, deren Auswirkungen auf den konkreten Fall man unter dem Begriff des nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnisses zusammenfaßt (z. B. Senat BGHZ 28, 110, 114; Senat BGHZ 42, 374, 377; BGHZ 58, 149, 157; BGHZ 88, 344, 351; BGHZ 113, 384, 389; Senatsurt. v. 26. April 1991, V ZR 346/89, NJW 1991, 2826, 2827 u. v. 6. Juli 2001, V ZR 246/01, NJW 2001, 3119, 3120; Soergel/ J. F. Baur, 13. Aufl. [2002] § 903 Rdn. 51 jeweils m. w. Nachw.). Eine solche Pflicht zur Rücksichtnahme ist zwar mit Rücksicht auf die nachbarrechtlichen Sonderregelungen eine Ausnahme und kann nur dann zur Anwendung kommen , wenn ein über die gesetzliche Regelung hinausgehender billiger Ausgleich der widerstreitenden Interessen dringend geboten erscheint (Senat BGHZ 28, 110, 114; BGHZ 42, 374, 377; BGHZ 58, 149, 157; BGHZ 88, 344, 351; Senatsurt. v. 26. April 1991, V ZR 346/89, NJW 1991, 2826, 2827). Wenn diese Bedingungen vorliegen, ist die Ausübung eines Anspruchs aus § 1004 Abs. 1 BGB unter Berücksichtigung vorrangiger Interessen des Störers unzulässig (vgl. Senat BGHZ 28, 225, 229 f.; 68, 350, 353 ff.; BGHZ 113, 384, 389; Urt. v 26. April 1991, V ZR 346/01, NJW 1991, 2826, 2827, u. v. 6. Juli 2001, V ZR 246/01, NJW 2001, 3119, 3120 f. ) .
3. Ein solcher Ausnahmefall liegt hier vor. Die Beklagten können auf Grund der Umstände, die zu dem vom Kläger beanstandeten Zustand geführt haben, und auf Grund des langen Zeitraums, während dessen dieser Zustand bis zu dem Streit der Parteien unangefochten bestanden hat, darauf vertrauen, daß dieser Zustand auch künftig erhalten bleibt. Dieses Bestandsschutzinteresse der Beklagten hat Vorrang vor dem Interesse des Klägers an einer Veränderung dieses Zustands. Dies kann der Senat auch selbst entscheiden, weil das Berufungsgericht die dazu erforderlichen Feststellungen getroffen hat.

a) Die Grundstücke der Parteien sind im Wege der Parzellierung aus einem einheitlichen Gesamtgrundstück hervorgegangen. Auf diesem Gesamtgrundstück hatte dessen ursprünglicher Eigentümer die Siedlung errichten lassen , zu der auch die Häuser der Beklagten gehören. Die Abwässer dieser Häuser wurden nach den von dem Berufungsgericht rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen auf Veranlassung des damaligen Eigentümers von Anfang an in dem streitigen Rohr hangabwärts durch die Wiesenfläche des Gesamtareals in den Abwasserkanal der Straße Am Sch. am Fuß des Hanges entsorgt. Dieses so bebaute Gesamtareal wurde später in dem Zustand parzelliert , in dem es sich damals befand. Das Rohr ist bei dieser Parzellierung nicht dinglich abgesichert worden. Es ist nichts dafür ersichtlich, daß dem die Absicht zugrunde lag, den bestehenden Zustand zu ändern. Das Areal sollte vielmehr nur aufgeteilt und an Erwerber veräußert werden. Das 20 Jahre zuvor angelegte Rohr ist damals übersehen worden. Es wäre auch erhalten geblieben , wenn es rechtzeitig entdeckt worden wäre.

b) Die Beklagten haben ihre Häuser seinerzeit mit der heute vorhandenen Abwasserentsorgung erworben. Da die Grundstücke alle zu einem einheit-
lichen Areal gehört hatten, durften sie auch davon ausgehen, daß sich daran nichts ändern würde. In ihrer Erwartung sind sie dadurch gestärkt worden, daß dieser Zustand nahezu 30 Jahre lang unangefochten blieb und auch die von dem Rohr ebenfalls betroffenen anderen Erwerber keine Einwände erheben.

c) Dieses Vertrauen der Beklagten wiegt stärker als das Interesse des Klägers an der Beendigung der Durchleitung der Abwässer. Der Kläger hat die von ihm jetzt beanstandete Lage bei Erwerb vorgefunden und sein Grundstück mit diesem situationsbedingten Nachteil erworben. Das Abwasserrohr liegt in einem Streifen seines Grundstücks, der wegen der einzuhaltenden Abstandsflächen nur eingeschränkt nutzbar ist. Er könnte zudem von den Beklagten nach Treu und Glauben verlangen, daß sie einer Verlegung des Rohrs zustimmen , wenn es eine künftige Nutzung seines Grundstücks durch den Kläger an der gegenwärtigen Ausübungsstelle in nicht zumutbarer Weise beeinträchtigen sollte.

d) Das Grundstück des Klägers grenzt allerdings nicht unmittelbar an die Grundstücke der Beklagten. Das hindert aber die Entstehung eines nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnisses zwischen den Parteien nicht. Die Pflicht der Parteien zur Rücksichtnahme beruht darauf, daß die Grundstücke zu einem Gesamtgrundstück gehört haben und die Beklagten auf den Forbestand des tatsächlichen Entsorgungszustands vertrauen können, der bei Parzellierung vorhanden war. Es kommt deshalb nur auf die tatsächlichen Verhältnisse an; zu welchem Grundstückszuschnitt die Parzellierung geführt hat, ist unerheblich. Ohne Bedeutung ist deshalb auch, ob die heutigen Grundstücksgrenzen durch eine Parzellierung in einem Zuge entstanden sind oder ob dies in mehreren Parzellierungsschritten geschehen ist, wie der Kläger vorträgt.


e) Nach dem Vortrag des Klägers ist das Abwasserrohr nicht an der Stelle verlegt worden, die in den damaligen Plänen angeben war. Es soll auch weder im Baulastenverzeichnis oder in einem Abwasserkataster enthalten sein. Dieser Vortrag könnte die Duldungspflicht des Klägers nur in Frage stellen, wenn sich aus ihm ableiten ließe, daß das Rohr seinerzeit rechtswidrig angelegt wurde. Das ist nicht der Fall. Für die angeblichen Abweichungen von den ursprünglichen Planungen folgt das schon daraus, daß die Duldungspflicht nicht an die Planung, sondern an den tatsächlichen Zustand anknüpft, in dem sich das Areal bei Parzellierung befand. Da lag das Rohr aber an der beanstandeten Stelle. Aus dem gleichen Grund kommt es auch nicht auf das Fehlen einer Baulast an, die zudem seinerzeit auch nicht begründet werden konnte, weil sich das Rohr in eigenem Grund befand. Die fehlende Eintragung des Rohrs in ein Abwasserkataster besagt über die Rechtmäßigkeit einer Abwasserleitung nichts. Ein solches Kataster dient allein einer Bestandsaufnahme und erfaßt gewöhnlich auch nur die Leitungen von öffentlichen Netzen.
4. Keiner Entscheidung bedarf im vorliegenden Fall, ob der Kläger das Abwasserrohr und seine weitere Nutzung durch die Beklagten ohne Ausgleich hinzunehmen oder ob die Beeinträchtigung das zumutbare Maß einer entschädigungslos hinzunehmenden Einwirkung übersteigt und dem Kläger deshalb ein nachbarrechtlicher Ausgleichsanspruch zuzubilligen ist (vgl. Senatsurt. v. 11. Juni 1999, V ZR 377/98, NJW 1999, 2896 u. v. 23. Februar 2001, V ZR 389/99, NJW 2001, 1865, 1866). Denn der Kläger hat einen solchen Ausgleich nicht beantragt.

III.


Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 und § 97 Abs. 1 ZPO.
Wenzel Tropf Klein Lemke Schmidt-Räntsch

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
V ZR 199/02 Verkündet am:
11. Juli 2003
K a n i k,
Justizamtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
BGB §§ 242 D, 1004 Abs. 1 Satz 2
Wird ein einheitlich (hier: mit einer Burganlage) bebautes Grundstück so geteilt, daß
auf jedem der beiden neu entstandenen Grundstücke ein Gebäude steht, kann der
Erwerber des einen Grundstücks nach den Grundsätzen des nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnisses
verpflichtet sein, bauliche Änderungen an seinem Gebäude
in einer die Belange des anderen (teilenden) Grundstückseigentümers möglichst
wenig beeinträchtigenden Weise zu verwirklichen.
BGH, Urt. v. 11. Juli 2003 - V ZR 199/02 - OLG Koblenz
LG Koblenz
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 11. Juli 2003 durch den Vizepräsidenten des Bundesgerichtshofes
Dr. Wenzel und die Richter Tropf, Dr. Klein, Dr. Lemke und Dr. SchmidtRäntsch

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Kläger wird das Urteil des 3. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Koblenz vom 14. Mai 2000 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Die Parteien sind Eigentümer benachbarter Grundstücke, auf denen sich jeweils unmittelbar aneinander grenzende Gebäude der als "geschütztes Kulturdenkmal" ausgewiesenen Burg A. in B. H. befinden. Ursprünglich waren die Kläger Eigentümer der gesamten Anlage. Im Jahr 1995 wurde das Grundstück auf Veranlassung der Kläger geteilt. Im darauf folgenden Jahr übertrugen sie eines der neu entstandenen Flurstücke auf ihre Tochter und ihren Schwiegersohn, die dieses mit notariell beurkundetem Vertrag vom 4. März 1998 an die Beklagten verkauften. Die Kläger bewohnen auf ihrem
Grundstück weiterhin das Haupthaus der Burganlage, die Beklagten einen auf ihrem Grundstück stehenden niedrigeren Anbau. Die Beklagten beabsichtigen, auf dem Dach ihres Gebäudes direkt vor der angrenzenden Wand des Hauses der Kläger einen Wintergarten zu errichten. Die dafür erforderliche Brandmauer würde zwei Fenster des Hauses der Kläger verschließen. Die Baubehörde hat das Vorhaben der Beklagten genehmigt ; der von den Klägern dagegen eingelegte Widerspruch ist zurückgewiesen worden. Das von ihnen angestrengte Verwaltungsgerichtsverfahren ist noch nicht abgeschlossen.
Die Kläger verlangen von den Beklagten die Unterlassung der geplanten Baumaßnahme. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Kläger ist erfolglos geblieben. Mit der Revision, deren Zurückweisung die Beklagten beantragen, verfolgen sie ihren Unterlassungsanspruch weiter.

Entscheidungsgründe:

I.


Nach Auffassung des Berufungsgerichts ist zugunsten der Kläger kein Lichtrecht gemäß § 34 Abs. 2 NRG Rheinland-Pfalz entstanden, weil die Beklagten nicht schriftlich in den Einbau der Fenster eingewilligt haben; nur wenn sie die Einwilligung erteilt hätten, wäre es ihnen verwehrt, den Fenstern das Licht zu nehmen. Im Zeitpunkt des Fenstereinbaus habe erkennbar kein Fall des § 34 NRG Rheinland-Pfalz vorgelegen, da das Grundstück damals ungeteilt und somit eine Grenze nicht existent gewesen sei. Auch durch die Grundstücksteilung sei keine konkludente Einräumung eines Fensterrechts erfolgt
und damit im Gegenzug kein Lichtrecht entstanden; eine entsprechende schuldrechtliche "Fensterabrede" sei nicht erkennbar. Den Klägern stehe auch kein Anspruch aus dem nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnis zu. Innerhalb der Grenzen seines Grundstücks dürfe jedermann grundsätzlich mit seinem Eigentum nach Belieben verfahren. Die gegenseitigen Rechte und Pflichten benachbarter Grundstückseigentümer folgten aus den gesetzlichen Bestimmungen des Nachbarrechts; sie hätten dort eine ins einzelne gehende Sonderregelung erfahren. § 242 BGB habe demgegenüber für das nachbarliche Zusammenleben hauptsächlich einschränkende und ausgleichende Bedeutung. Seine Anwendung beschränke sich auf krasse Ausnahmefälle. Für einen derartigen - über die landesgesetzliche Regelung des § 34 NRG Rheinland-Pfalz hinausgehenden - zwingenden billigen Ausgleich der widerstreitenden Interessen fehle es an hinreichenden Anhaltspunkten.
Das hält revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht in allen Punkten stand.

II.


1. Zutreffend nimmt das Berufungsgericht allerdings an, daß den Klägern kein Lichtrecht nach § 34 Abs. 2 NRG Rheinland-Pfalz zusteht, kraft dessen die Beklagten verpflichtet sind, mit der beabsichtigten Errichtung des Wintergartens einen Abstand von 2 m von den Fenstern in dem Gebäude der Kläger einzuhalten. Es fehlt an der nach § 34 Abs. 1, Abs. 2 S. 1, Abs. 3 S. 1 NRG Rheinland-Pfalz erforderlichen schriftlichen Einwilligung der Beklagten in den Einbau der Fenster. Entgegen der Ansicht der Revision macht die von den Klägern veranlaßte Grundstücksteilung diese Einwilligung nicht entbehrlich. Es
liegt auf der Hand, daß für den Einbau der Fenster, der spätestens Anfang des 20. Jahrhunderts erfolgte, keine Einwilligung im Sinne des § 34 Abs. 1 NRG Rheinland-Pfalz erforderlich war. Im Zeitpunkt der Grundstücksteilung im Jahr 1995 konnte die Einwilligung ebensowenig erteilt werden wie bei den späteren Veräußerungen des nunmehr den Beklagten gehörenden Grundstücks, weil da die Fenster bereits vorhanden waren, die Einwilligung jedoch vor dem Anbringen von Fenstern erteilt werden muß. Das ergibt sich bereits aus der Legaldefinition des Begriffs "Einwilligung" in § 183 BGB als vorherige Zustimmung; außerdem gestattet § 34 Abs. 1 NRG Rheinland-Pfalz das Anbringen von Fenstern unter dort näher beschriebenen Voraussetzungen nur dann, wenn der Nachbar seine Einwilligung erteilt hat. Ist somit hier die Einwilligung eines Nachbarn nicht möglich gewesen, konnte für die Kläger kein Lichtrecht nach § 34 Abs. 2 S. 1 NRG Rheinland-Pfalz entstehen.
Für die Kläger ist auch kein Lichtrecht nach § 36 NRG Rheinland-Pfalz entstanden. Nach dieser Vorschrift ist der Anspruch auf Beseitigung eines Fensters, das einen geringeren als den in § 34 Abs. 1 NRG Rheinland-Pfalz vorgeschriebenen Abstand einhält, ausgeschlossen, wenn der Nachbar nicht innerhalb von zwei Jahren nach dem Anbringen des Fensters Klage auf Beseitigung erhoben hat. Das begründet lediglich eine Duldungspflicht des Nachbarn.
2. Zu Recht versagt das Berufungsgericht den Klägern auch einen Unterlassungsanspruch nach §§ 906 Abs. 1, 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB.

a) Eine unmittelbare Anwendung dieser Bestimmungen scheidet aus.
aa) Die Errichtung des Wintergartens an der vorgesehenen Stelle hätte für die Kläger zwar negative Folgen. Zum einen würde dem Raum, in welchem sich die durch die Brandmauer verschlossenen Fenster befinden, das Licht teilweise entzogen; zum anderen wäre den Klägern der Ausblick aus den Fenstern versperrt. Aber solche negativen Einwirkungen sind keine Einwirkungen im Sinne des § 906 Abs. 1 BGB; hierunter sind nur positiv die Grundstücksgrenze überschreitende, sinnlich wahrnehmbare Wirkungen zu verstehen (Senat, BGHZ 88, 344, 345 f.; 113, 384, 386; Urt. v. 12. Juni 1992, V ZR 106/91, WM 1992, 1669, 1671).
bb) Ebenfalls nicht als Eigentumsbeeinträchtigung abwehrbar sind ideelle Einwirkungen, die durch Handlungen auf dem eigenen Grundstück hervorgerufen werden, welche das ästhetische Empfinden des Nachbarn verletzen und/oder den Verkehrswert des Nachbargrundstücks mindern (Senat, BGHZ 51, 396, 398 f.; 54, 60 f.; 95, 307, 310). Deshalb können die Kläger auch unter dem Gesichtspunkt einer ästhetischen Beeinträchtigung des Gesamtbilds der Burganlage die Unterlassung der Errichtung des Wintergartens nicht verlangen.

b) Eine analoge Anwendung der §§ 906, 1004 BGB auf den vorliegenden Sachverhalt scheidet ebenfalls aus. Das Gesetz enthält hinsichtlich der sog. negativen Einwirkungen keine Lücke, sondern beläßt es insoweit bewußt bei der Freiheit des Grundstückseigentümers, seine Sache im Rahmen der Gesetze nach Belieben zu benutzen (§ 903 BGB), solange er die Grenzen zu dem Nachbargrundstück nicht durch das Zuführen unwägbarer Stoffe überschreitet (Senat, BGHZ 88, 344, 348). Daran ändert nichts die von der Revision hervorgehobene Wertminderung, welches das Grundstück der Kläger durch die Er-
richtung des Wintergartens erleiden würde. Dieser Gedanke der Beeinträchtigung spielt hier keine Rolle. Für die ideellen Einwirkungen gilt nichts anderes.
3. Entgegen der Auffassung der Revision haben die Kläger keinen Unterlassungsanspruch nach § 907 Abs. 1 Satz 1 BGB. Nach dieser Vorschrift kann ein Grundstückseigentümer nur die Errichtung solcher Anlagen verhindern , die in sinnlich wahrnehmbarer Weise über die Grundstücksgrenze auf das Nachbargrundstück unmittelbar positiv einwirken können; dagegen müssen Anlagen, die sich auf der Grundfläche des Grundstücks, auf dem sie errichtet werden sollen, halten und nicht unmittelbar und positiv in das Gebiet des Nachbargrundstücks hinübergreifen, sondern dieses nur negativ beeinträchtigen , geduldet werden (vgl. Senat, BGHZ 113, 384, 386). Dabei kommt es auch hier nicht darauf an, ob und in welchem Maß die negativen Einwirkungen zu einer Wertminderung des Nachbargrundstücks führen. Den Entzug von Licht und das Versperren der Aussicht durch das Zumauern der Fenster können die Kläger daher auch nach dieser Norm nicht verhindern. Soweit sie sich auf unzulässige Einwirkungen im Sinne der Vorschrift berufen, haben sie nicht ausreichend dargelegt, daß der Wintergarten eine Anlage ist, von der mit Sicherheit vorauszusehen ist, daß ihr Bestand oder ihre Benutzung eine unzulässige Einwirkung auf das Grundstück der Kläger zur Folge hätte. Ihre in der Klageschrift aufgestellte Behauptung, die von den Beklagten geplante Errichtung der Grenzwand könne zu erheblichen Schäden an der Giebelwand des Gebäudes der Kläger infolge des Eintritts von Feuchtigkeit führen, haben die Kläger in der Berufungsinstanz nicht wiederholt. Statt dessen haben sie dort behauptet, daß die beabsichtigte Bauausführung zu einer Substanzverletzung des Gebäudes der Kläger infolge bauphysikalischer und bautechnischer Nachteile führen könne , weil ernsthafte Bedenken bezüglich der Brandsicherheit und Funktion der
Brandwand bestünden. Darauf kommt es indes nicht an. Eine unzulässige Einwirkung im Sinne des § 907 Abs. 1 Satz 1 BGB ist nur dann mit Sicherheit zu erwarten, wenn sie die Folge des normalen Zustands und ordnungsmäßiger Benutzung der Anlage ist (Senat, BGHZ 51, 396, 399). Auf die Folgen eines eventuellen Brandfalls können sich die Kläger somit nicht mit Erfolg berufen.
4. Fehlerhaft verneint das Berufungsgericht jedoch einen Unterlassungsanspruch der Kläger nach den Grundsätzen des nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnisses.

a) Nach ständiger Rechtsprechung des Senats (s. nur Urt. v. 31. Januar 2003, V ZR 143/02, NJW 2003, 1392 m. umfangr. Nachw.) haben die Rechte und Pflichten von Grundstücksnachbarn insbesondere durch die Vorschriften der §§ 905 ff. BGB und die Bestimmungen der Nachbarrechtsgesetze der Länder eine ins Einzelne gehende Sonderregelung erfahren. Auch auf sie ist allerdings der allgemeine Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) anzuwenden; daraus folgt für die Nachbarn eine Pflicht zur gegenseitigen Rücksichtnahme , deren Auswirkungen auf den konkreten Fall man unter dem Begriff des nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnisses zusammenfaßt. Eine solche Pflicht ist zwar mit Rücksicht auf die nachbarrechtlichen Sonderregelungen eine Ausnahme und kann nur dann zur Anwendung kommen, wenn ein über die gesetzliche Regelung hinausgehender billiger Ausgleich der widerstreitenden Interessen dringend geboten erscheint. Wenn diese Voraussetzungen vorliegen, kann die Ausübung gewisser aus dem Eigentum fließender Rechte aber ganz oder teilweise unzulässig werden (Senat, BGHZ 113, 384, 389; 148, 261, 268).

b) So kann es auch hier sein. Die Grundstücke der Parteien sind 1995 im Wege der Parzellierung aus einem einheitlichen Gesamtgrundstück hervorgegangen. Die beiden Fenster in dem von den Klägern bewohnten Gebäude waren bereits vorher vorhanden, nämlich seit Beginn des 20. Jahrhunderts. Bei der Grundstücksteilung bestand für die Kläger kein Anlaß, dafür Sorge zu tragen , daß diese Fenster nicht zugebaut werden, weil die Kläger Eigentümer der beiden neu gebildeten Grundstücke waren. Auch bei dem Verkauf des einen Grundstücks an ihre Tochter und ihren Schwiegersohn stellte sich den Klägern im Hinblick auf die Fenster die Frage der Absicherung des vorhandenen Zustands durch eine schuldrechtliche Abrede mit den Käufern oder durch das Verlangen nach der Bestellung einer Dienstbarkeit nicht. Denn angesichts des Umstands, daß es sich bei den Gebäuden um eine als “geschütztes Kulturdenkmal“ ausgewiesene Burganlage handelt, brauchten sie nicht damit zu rechnen, daß die Käufer oder etwaige Rechtsnachfolger auf ihrem Grundstück bauliche Veränderungen vornehmen würden, die ein Zumauern von zwei Fenstern zur Folge haben. Umgekehrt konnten die Erwerber nicht damit rechnen , daß ihnen solche Veränderungen genehmigt werden würden.

c) Die beabsichtigte Errichtung des Wintergartens entsprechend der bisherigen Bauplanung hätte nach der Behauptung der Kläger im Berufungsrechtszug eine Wertminderung ihres Grundstücks zwischen 46.000 ! " # $% '& ( ) * $% + -,. / ) $0 61.000 mit wirtschaftlich zumutbaren Maßnahmen möglich, den Wintergarten entsprechend einer von den Klägern vorgelegten Alternativplanung so zu errichten, daß die Interessen beider Parteien ausreichend gewahrt würden, könnten die Kläger von den Beklagten nach § 242 BGB diese Rücksichtnahme verlangen. Auch wenn es keinen allgemeinen Rechtssatz gibt, daß ein Grundstücksei-
gentümer beim Bestehen verschiedener gleichwertiger Möglichkeiten für die Nutzung seines Grundstücks stets diejenige wählen muß, die seinen Nachbarn nicht schädigt, so ist doch nach den Umständen des Einzelfalls zu entscheiden , ob eine Einschränkung des an sich bestehenden Rechts des Eigentümers , sein Grundstück nach seinem Ermessen auszunutzen, ausnahmsweise mit Rücksicht auf die sonst den Nachbarn treffenden ungewöhnlich schweren Nachteile bejaht werden muß (Senat, Urt. v. 10. April 1953, V ZR 115/51, LM BGB § 903 Nr. 2). Daran ändert nichts der Umstand, daß die Kläger im Zusammenhang mit der Grundstücksteilung eine Vereinigungsbaulast bestellt haben, so daß die Bauwerke nach dem Bauplanungsrecht keinen Abstand von der Grundstücksgrenze einhalten müssen. Diese Baulast war nämlich wegen der vorhandenen Bebauung Voraussetzung für die Zulässigkeit der Teilung des Grundstücks; sie stand nach den Vorstellungen der Kläger jedoch nicht im Zusammenhang mit einer künftigen Grenzbebauung.

d) Das Berufungsgericht hat bisher die von den Klägern behauptete Möglichkeit einer den Beklagten zumutbaren und die Kläger begünstigenden Alternativplanung nicht berücksichtigt. Das wird es nachzuholen haben. Erst wenn sich ergeben sollte, daß sie in zumutbarer Weise nicht zu verwirklichen ist, eine die Nachteile für die Kläger vermeidende oder mildernde Rücksichtnahme der Beklagten bei der Ausübung ihrer Eigentümerbefugnisse also nicht möglich ist, kann ihnen der geplante Bau des Wintergartens nicht mehr verwehrt werden, zumal dem Raum, in welchem sich die beiden Fenster befinden, durch die Maßnahme nicht das gesamte Licht entzogen wird; denn er besitzt noch zwei weitere Fenster, die einen ausreichenden Lichteinfall gewährleisten.

III.


Nach alledem ist das Berufungsurteil aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Die Sache ist zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO), damit es die erforderlichen Feststellungen treffen kann.
Wenzel Tropf Klein Lemke Schmidt-Räntsch

(1) Wird das Eigentum in anderer Weise als durch Entziehung oder Vorenthaltung des Besitzes beeinträchtigt, so kann der Eigentümer von dem Störer die Beseitigung der Beeinträchtigung verlangen. Sind weitere Beeinträchtigungen zu besorgen, so kann der Eigentümer auf Unterlassung klagen.

(2) Der Anspruch ist ausgeschlossen, wenn der Eigentümer zur Duldung verpflichtet ist.

(1) Der Eigentümer eines Grundstücks kann Wurzeln eines Baumes oder eines Strauches, die von einem Nachbargrundstück eingedrungen sind, abschneiden und behalten. Das Gleiche gilt von herüberragenden Zweigen, wenn der Eigentümer dem Besitzer des Nachbargrundstücks eine angemessene Frist zur Beseitigung bestimmt hat und die Beseitigung nicht innerhalb der Frist erfolgt.

(2) Dem Eigentümer steht dieses Recht nicht zu, wenn die Wurzeln oder die Zweige die Benutzung des Grundstücks nicht beeinträchtigen.

(1) Wird das Eigentum in anderer Weise als durch Entziehung oder Vorenthaltung des Besitzes beeinträchtigt, so kann der Eigentümer von dem Störer die Beseitigung der Beeinträchtigung verlangen. Sind weitere Beeinträchtigungen zu besorgen, so kann der Eigentümer auf Unterlassung klagen.

(2) Der Anspruch ist ausgeschlossen, wenn der Eigentümer zur Duldung verpflichtet ist.

(1) Das Gericht hat unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu erachten sei. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.

(2) An gesetzliche Beweisregeln ist das Gericht nur in den durch dieses Gesetz bezeichneten Fällen gebunden.

(1) Der Eigentümer eines Grundstücks kann die Zuführung von Gasen, Dämpfen, Gerüchen, Rauch, Ruß, Wärme, Geräusch, Erschütterungen und ähnliche von einem anderen Grundstück ausgehende Einwirkungen insoweit nicht verbieten, als die Einwirkung die Benutzung seines Grundstücks nicht oder nur unwesentlich beeinträchtigt. Eine unwesentliche Beeinträchtigung liegt in der Regel vor, wenn die in Gesetzen oder Rechtsverordnungen festgelegten Grenz- oder Richtwerte von den nach diesen Vorschriften ermittelten und bewerteten Einwirkungen nicht überschritten werden. Gleiches gilt für Werte in allgemeinen Verwaltungsvorschriften, die nach § 48 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes erlassen worden sind und den Stand der Technik wiedergeben.

(2) Das Gleiche gilt insoweit, als eine wesentliche Beeinträchtigung durch eine ortsübliche Benutzung des anderen Grundstücks herbeigeführt wird und nicht durch Maßnahmen verhindert werden kann, die Benutzern dieser Art wirtschaftlich zumutbar sind. Hat der Eigentümer hiernach eine Einwirkung zu dulden, so kann er von dem Benutzer des anderen Grundstücks einen angemessenen Ausgleich in Geld verlangen, wenn die Einwirkung eine ortsübliche Benutzung seines Grundstücks oder dessen Ertrag über das zumutbare Maß hinaus beeinträchtigt.

(3) Die Zuführung durch eine besondere Leitung ist unzulässig.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
V ZR 37/02 Verkündet am:
30. Mai 2003
K a n i k ,
Justizamtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja

a) Wird durch den Bruch einer von den Stadtwerken privatrechtlich betriebenen
Wasserversorgungsleitung das benachbarte Grundstück überschwemmt, so haben
die Stadtwerke für die Schäden des Eigentümers oder Grundstücksnutzers
einen angemessenen Ausgleich in Geld zu leisten (Bestätigung der bisherigen
Senatsrechtsprechung).

b) Der nachbarrechtliche Ausgleichsanspruch wird durch die Anlagenhaftung gemäß
§ 2 Abs. 1 Satz 1 HaftpflG nicht ausgeschlossen.
BGH, Urt. v. 30. Mai 2003 - V ZR 37/02 - OLG Hamm
LG Essen
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 30. April 2003 durch den Vizepräsidenten des Bundesgerichtshofes
Dr. Wenzel und die Richter Prof. Dr. Krüger, Dr. Klein, Dr. Gaier und
Dr. Schmidt-Räntsch

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 15. November 2001 unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Feststellung getroffen worden ist, daß die Beklagte der Klägerin schadensersatzpflichtig ist.
Im Umfang der Aufhebung wird auf die Berufung der Klägerin das Urteil der 9. Zivilkammer des Landgerichts Essen vom 3. Dezember 1999 abgeändert.
Es wird festgestellt, daß die Beklagte verpflichtet ist, alle weiteren Schäden aus dem Ereignis vom 19. Mai 1992 angemessen auszugleichen.
Die weitergehende Klage wird abgewiesen. Die weitergehende Berufung der Klägerin wird zurückgewiesen.
Die Kosten des ersten Rechtszugs werden gegeneinander aufgehoben. Die Beklagte trägt die Kosten der Rechtsmittelverfahren.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Am 19. Mai 1992 brach die unter der Straße L. in E. - St. verlegte Hauptwasserleitung. Die Leitung ist Teil des örtlichen Wasserversorgungsnetzes , das die Beklagte, eine Aktiengesellschaft, unterhält. Das ausfließende Wasser überflutete u.a. das Grundstück H. H. 30/30a und richtete an dem Grundstück, dem aufstehenden Gebäude und den in dem Gebäude aufgestellten Maschinen erheblichen Schaden an. Eigentümerin des Grundstücks ist der Ehemann der Klägerin. Er hatte Grundstück, Gebäude und Maschinen der Klägerin zum Betrieb eines Textilveredelungsunternehmens verpachtet. Durch das Schadensereignis kam es zu erheblichen Beeinträchtigungen des von der Klägerin betriebenen Unternehmens. Zum Ausgleich des der Klägerin, ihrem Ehemann und weiteren Geschädigten entstandenen Schadens leistete die Beklagte im Rahmen der Höchstbetragsregelung von § 10 HaftPflG a.F. Ersatz.
Die Klägerin hat aus eigenem und von ihrem Ehemann abgetretenem Recht beantragt, die Beklagte zur Zahlung von 463.780,71 DM zuzüglich Zinsen zu verurteilen und festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet sei, ihr alle weiteren Schäden aus dem Ereignis vom 19. Mai 1992 zu ersetzen. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Mit der Berufung hat die Klägerin den Zahlungsantrag in Höhe von 215.851,33 DM zuzüglich Zinsen und den Feststellungsantrag weiter verfolgt. Das Oberlandesgericht hat den Anträgen mit Ausnahme eines Teils der verlangten Zinsen stattgegeben. Mit der Revision erstrebt die Beklagte die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.

Entscheidungsgründe:

I.

Das Berufungsgericht sieht das Zahlungsverlangen der Klägerin in Höhe des verlangten Betrages als begründet an. Es meint, die Beklagte habe auch die über die Haftungsgrenze von § 10 HaftPflG hinausgehenden Schäden der Klägerin und ihres Ehemanns aus dem Ereignis vom 19. Mai 1992 zu ersetzen. Das folge zwar nicht aus §§ 823, 836 BGB; die Beklagte sei jedoch in entsprechender Anwendung von § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB zahlungspflichtig. Das Entstehen weiterer Schäden sei nicht auszuschließen.
Das hält der revisionsrechtlichen Prüfung im wesentlichen stand.

II.


1. Die Revision nimmt die Feststellung des Berufungsgerichts als ihr günstig hin, daß eine Haftung der Beklagten wegen Verschuldens am Eintritt des Schadensereignisses nicht in Betracht kommt. Rechtsfehler sind insoweit auch nicht ersichtlich.
2. Entgegen der Meinung der Revision ist die Beklagte der Klägerin jedoch nach den Grundsätzen des verschuldensunabhängigen nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruchs in entsprechender Anwendung des § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB verantwortlich.

a) Die Klägerin ist aktivlegitimiert. Der nachbarrechtliche Ausgleichsanspruch steht ihr einerseits aufgrund der erfolgten Abtretung wegen der ihrem
Ehemann als Eigentümer des Grundstücks und der Betriebseinrichtung entstandenen Beeinträchtigung zu. Andererseits ist die Klägerin wegen der Beeinträchtigung ihres pachtrechtlichen Besitzrechts aus eigenem Recht anspruchsberechtigt. Wie der Bundesgerichtshof bereits mehrfach entschieden hat, erstreckt sich der nachbarrechtliche Ausgleichsanspruch sowohl bei unmittelbarer als auch bei entsprechender Anwendung des § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB auf den Besitzer (BGHZ 70, 212, 220; Senat, BGHZ 147, 45, 50 m. w. Nachw.). Denn der Ausgleichsanspruch dient als Kompensation für den Ausschluß primärer Abwehransprüche (Senat, BGHZ 111, 158, 162; 122, 283, 284; 144, 200, 209), die auch dem Besitzer zustehen (§ 862 Abs. 1 BGB) und ihm einen den Rechten des Eigentümers aus § 1004 Abs. 1 BGB ähnlichen Schutz gegen Störungen bieten (MünchKomm-BGB/Joost, 3. Aufl., § 862 Rdn. 1).

b) Die Beklagte ist als Nutzerin des Straßengrundstücks passivlegitimiert. Der nachbarrechtliche Ausgleichsanspruch richtet sich nämlich nicht nur gegen den Eigentümer des beeinträchtigenden Grundstücks, sondern auch gegen den Nutzer als denjenigen, der die Nutzungsart dieses Grundstücks bestimmt (Senat, BGHZ 113, 384, 392; Senat, Urt. v. 20. November 1998, V ZR 411/97, NJW 1999, 1029; Urt. v. 24. Januar 2003, V ZR 172/02, Umdruck S. 10; Staudinger/Roth, BGB [2001], § 906 Rdn. 70; Erman/Hagen/Lorenz, BGB, 10. Aufl., § 906, Rdn. 35). Wird ein Grundstück von mehreren Personen zu unterschiedlichen Zwecken genutzt, dann richtet sich der Ausgleichsanspruch ebenso wie der Abwehranspruch, an dessen Stelle er tritt, gegen den für die beeinträchtigende Nutzungsart Verantwortlichen. Es kommt daher entgegen der Meinung der Revision nicht darauf an, ob die Nutzung des Straßengrundstücks durch die von der Beklagten unterhaltene Wasserleitung "geprägt“
wurde. Entscheidend ist vielmehr, daß die Nutzung des Straßengrundstücks der Beklagten überlassen worden ist, soweit sie die Verlegung und Unterhaltung der Rohrleitung zum Gegenstand hat, und allein die Beklagte darüber zu befinden hatte, ob sie von dieser Möglichkeit Gebrauch machte. Denn Störer ist auch derjenige, der die Anlage hält, von der die Einwirkung ausgeht (Senatsurt. v. 24. Januar 2003, V ZR 172/02, Umdruck S. 10).

c) Der nachbarrechtliche Ausgleichsanspruch ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes gegeben, wenn von einem Grundstück im Rahmen privatwirtschaftlicher Benutzung rechtswidrige Einwirkungen auf ein anderes Grundstück ausgehen, die der Eigentümer oder Besitzer des betroffenen Grundstücks nicht dulden muß, aus besonderen Gründen jedoch nicht gemäß §§ 1004 Abs. 1, 862 Abs. 1 BGB unterbinden kann, sofern er hierdurch Nachteile erleidet, die das zumutbare Maß einer entschädigungslos hinzunehmenden Beeinträchtigung übersteigen (BGHZ 58, 149, 158; Senat, BGHZ 62, 361, 366 f.; 72, 289, 291; 85, 375, 384; 90, 255, 262; 111, 158, 162 f.; 142, 66, 67; BGHZ 142, 227, 235; Senat, BGHZ 147, 45, 49 f.).
aa) Unter diesen Voraussetzungen gewährt die Rechtsprechung den Ausgleichsanspruch über die Immissionsfälle des § 906 BGB hinaus außer bei Vertiefungen (vgl. Senat, BGHZ 72, 289, 292; 85, 375, 384; 90, 255, 262; 147, 45, 50) auch bei Grobimmissionen (vgl. Senat, BGHZ 111, 158, 162 - Schrotblei ; Urt. v. 19. April 1985, V ZR 33/84, WM 1985, 1041 - Wasserrohrbruch). Der Anspruch ist jedoch wie in den Fällen des § 906 BGB subsidiär, setzt also voraus, daß der Eigentümer oder Besitzer aus besonderen Gründen gehindert ist, die Einwirkungen gemäß §§ 1004 Abs. 1, 862 Abs. 1 BGB rechtzeitig zu unterbinden. Ein faktischer Duldungszwang genügt. Er kann sich u. a. daraus
ergeben, daß der Betroffene die abzuwehrende Gefahr nicht rechtzeitig erkannt hat und auch nicht erkennen konnte (Senat, BGHZ 111, 158, 163).
Die analoge Anwendung des § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB auf rechtswidrige Grobimmissionen, die aus tatsächlichen Gründen nicht rechtzeitig abgewehrt werden können, dient wie die unmittelbare Anwendung der Vorschrift dem Ausgleich gleichrangiger Nachbarinteressen als Ausdruck der Situationsgebundenheit der Grundstücke und beruht auf dem Gedanken, daß im nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnis der betroffene Eigentümer oder Nutzer bei einer nicht abwehrbaren, vom Nachbargrundstück ausgehenden rechtswidrigen Einwirkung auf sein Grundstück nicht schlechter stehen darf als bei einer rechtmäßigen Einwirkung. Deswegen hat der Senat sowohl die durch einen technischen Defekt an elektrischen Leitungen verursachten Brandschäden an dem benachbarten Haus (Senatsurt. v. 11. Juni 1999, V ZR 377/98, NJW 1999, 2896, 2897) als auch die Wasserschäden infolge eines Rohrbruchs auf dem Nachbargrundstück (Senatsurt. v. 19. Mai 1985, V ZR 33/84, WM 1985, 1041) für ausgleichspflichtig angesehen.
bb) An dieser Rechtsprechung hält der Senat gegen die kritischen Stimmen in der Literatur (vgl. Littbarski, EWiR 1999, 947, 948; Roth, in: Roth/Lemke/Krohn, Der bürgerlich-rechtliche Aufopferungsanspruch als Problem der Systemgerechtigkeit im Schadensersatzrecht, 2001, S. 1, 23 ff.; ders. LM BGB § 906 Nr. 101; Schimikowski, r+s 1999, 409) fest. Es geht in diesen "technischen Unfallschadensfällen" von der Interessenlage her nicht um die Einführung einer Gefährdungshaftung für eine gefährliche Einrichtung im Verhältnis zwischen Nachbarn (so aber Roth aaO S. 25), also nicht um das Einstehen für Schäden, die allein auf das rechtmäßige Vorhandensein einer Anla-
ge oder eine erlaubte Tätigkeit zurückzuführen sind, sondern um die Haftung für rechtswidrige Störungen aus einer bestimmungsgemäßen Grundstücksnutzung , die von dem beeinträchtigten Nachbarn aus tatsächlichen Gründen nicht abgewehrt werden können. Dieser typisch nachbarrechtliche Nutzungskonflikt ist in § 906 Abs. 2 BGB nicht geregelt, hätte aber vom Regelungsplan des Gesetzgebers her zu dem gleichen Abwägungsergebnis geführt. Daß der Wasserrohrbruch auch von § 2 Satz 2 HPflG erfaßt wird, steht dem ebenso wenig entgegen wie die Verschuldenshaftung. Denn für die Frage einer Gesetzesanalogie zu § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB ist es nicht von Bedeutung, ob auch noch ein nach Voraussetzung und Rechtsfolge anders gelagerter Haftungstatbestand erfüllt ist. In dem für das private Nachbarrecht maßgeblichen dreiteiligen Haftungsrecht von Gefährdungshaftung, Verschuldenshaftung und verschuldensunabhängiger Störerhaftung kann das Bestehen einer Gesetzeslücke in dem einen Haftungstatbestand nicht damit verneint werden, daß ein anderer Haftungstatbestand eingreift. Entscheidend ist vielmehr, daß die verschuldensunabhängige Störerhaftung in dem Regelungssystem des § 906 BGB eine Lücke enthält, die durch eine entsprechende Anwendung des Absatzes 2 Satz 2 zu schließen ist. Davon zu trennen ist die andere Frage, ob § 2 HaftPflG für Schäden aus Rohrleitungsbrüchen die verschuldensunabhängige Störerhaftung ausschließt (dazu unter 4).
cc) Der analogen Anwendung des § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB auf Wasserrohrbruchschäden steht auch nicht entgegen, daß der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes bei dem Bruch einer öffentlich-rechtlich betriebenen Wasserleitung eine verschuldensunabhängige Haftung unter dem Gesichtspunkt des enteignungsgleichen Eingriffs abgelehnt und allein die Verschuldenshaftung gemäß § 836 BGB für anwendbar gehalten hat (BGHZ 55, 229, 231; 125,
19, 21). Zwar steht der an privatrechtliche Einwirkungen anknüpfende nachbarrechtliche Ausgleichsanspruch nach Inhalt und Funktion den Ansprüchen aus enteignendem oder enteignungsgleichem Eingriff durch hoheitliche Maßnahmen nahe (Senat, Urt. v. 18. November 1994, V ZR 98/93, NJW 1995, 714, 715). Er ist jedoch seinen Voraussetzungen nach mit diesen Ansprüchen nicht identisch (Senat, BGHZ 62, 361, 366). Während es im öffentlich-rechtlichen Entschädigungsrecht bei der wertenden Zurechnung der Schadensfolgen nach Verantwortungsbereichen und Risikosphären (BGHZ 125, 19, 21) wesentlich auf die Unmittelbarkeit des Eingriffs ankommt, stellt das Haftungssystem des privaten Nachbarrechts auf die Störereigenschaft im Sinne der §§ 1004 Abs. 1, 862 Abs. 1 BGB ab. Diese folgt nach ständiger Rechtsprechung des Senats nicht allein aus dem Eigentum oder dem Besitz an dem Grundstück, von dem die Einwirkung ausgeht, und setzt auch keinen unmittelbaren Eingriff voraus. Vielmehr ist ausreichend, aber auch erforderlich, daß die Beeinträchtigung des Nachbargrundstücks wenigstens mittelbar auf den Willen des Eigentümers oder Besitzers zurückgeht. Ob dies der Fall ist, kann nicht begrifflich, sondern nur in wertender Betrachtung von Fall zu Fall festgestellt werden (Senat, BGHZ 142, 66, 69; Urt. v. 7. Juli 1995, V ZR 213/94, NJW 1995, 2633, 2634, jeweils m. w. Nachw.). Entscheidend ist, ob es jeweils Sachgründe gibt, dem Grundstückseigentümer oder Nutzer die Verantwortung für ein Geschehen aufzuerlegen (Senat, BGHZ 142, 66, 69 f.).
Dies hat der Senat im Fall des Eindringens von Wasser infolge eines Rohrbruchs im Duschraum des Nachbarhauses aus § 836 BGB abgeleitet (Senat , Urt. v. 19. April 1985, V ZR 33/84, WM 1985, 1041; zustimmend Palandt /Bassenge, BGB, 62. Aufl., § 1004 Rdn. 22), weil der Bruch als "Ablösung von Teilen“ eines mit dem Grundstück verbundenen Werks im Sinne dieser
Bestimmung anzusehen ist (BGHZ 55, 229, 235; BGH, Urt. v. 17. März 1983, III ZR 116/81, VersR 1983, 588). Das ist bei einer in einem Straßengrundstück verlegten Wasserleitung nicht anders. Ein Rohrbruch und die hierdurch verursachte Überschwemmung ist vermeidbar und nicht die Folge eines von niemandem zu beherrschenden Naturereignisses (vgl. Senat, BGHZ 122, 283, 284 f. - Sturmschaden durch umstürzende Bäume; Urt. v. 7. Juli 1995, V ZR 213/94, NJW 1995, 2633, 2634 - Wolläuse). Der Betreiber muß nur für einen Zustand sorgen, der eine von seinem Grundstück ausgehende Überschwemmung des Nachbargrundstücks oder ein Übergreifen des Brands verhindert. Insoweit besteht kein Unterschied zum Niederschlagswasserfall (Senat, BGHZ 90, 255; dazu Roth, aaO, S. 15 f.). Der gefährdete Nachbar dürfte jeweils die Immission im Wege einer vorbeugenden Unterlassungsklage in dem Augenblick abwehren, in dem objektiv die drohende Gefahr eines die Immission ermöglichenden Defekts sich konkret abzeichnet und ein Einschreiten erfordert. Da er diese Gefahr aber nicht erkennen kann und deswegen die Einwirkung dulden muß, steht ihm der Anspruch auf angemessenen Ausgleich für die erlittenen Schäden zu. Daß der Unterlassungsanspruch mit dem Abschluß des Geschehens aus dem Wasserrohrbruch erlischt, ist unerheblich (a.A. Roth aaO S. 28). Der Ausgleich wird dafür geschuldet, daß der primäre Abwehranspruch nicht verfolgt werden konnte. Daher sprechen auch die Gesichtspunkte der Veranlassung, der Gefahrenbeherrschung und der Vorteilsziehung dafür, die Beklagte als Störerin anzusehen und ihr eine an die Stelle der faktisch undurchsetzbaren primären Abwehransprüche gemäß §§ 1004 Abs. 1, 862 Abs. 1 BGB tretende Ausgleichspflicht aufzuerlegen (vgl. Hagen, in: Festschrift für Hermann Lange, 1992, S. 483, 501).
3. Gemessen an diesen Grundsätzen ist die Beklagte verpflichtet, der Klägerin die aus dem Wasserrohrbruch entstandenen Schäden angemessen auszugleichen. Sie und ihr Ehemann hatten tatsächlich keine Möglichkeit, die durch den Wasserrohrbruch verursachte Überschwemmung des Grundstücks H. H. 30/30a durch die Geltendmachung von Abwehransprüchen gemäß §§ 1004 Abs. 1, 862 Abs. 1 BGB zu verhindern. Die hierdurch an dem Grundstück, dem Gebäude und an der Betriebseinrichtung verursachten Sachschäden belaufen sich - ohne Berücksichtigung des der Klägerin entstandenen Verdienstausfallschadens - nach den insoweit nicht angefochtenen Feststellungen des Berufungsgerichts auf 205.041,85 DM und übersteigen damit das zumutbare Maß einer entschädigungslos hinzunehmenden Einwirkung. Die Beeinträchtigung beruht auch auf einer privatwirtschaftlichen Nutzung des Straßengrundstücks. Die Beklagte nimmt als Trägerin der örtlichen Wasserversorgung zwar eine Aufgabe der öffentlichen Daseinsvorsorge war, sie ist als Aktiengesellschaft aber privatrechtlich organisiert. Damit ist ihre Tätigkeit insgesamt dem Privatrecht zuzurechnen (vgl. Senat, Beschl. v. 21. November 1996, V ZB 19/96, NJW 1997, 744; Filthaut, VersR 1992, 150, 156).
4. Zuzustimmen ist dem Berufungsgericht schließlich darin, daß der nachbarrechtliche Ausgleichsanspruch entsprechend § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB nicht durch die Anlagenhaftung gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 HaftPflG ausgeschlossen wird (ebenso OLG Düsseldorf, VersR 1992, 326, 327; Filthaut, VersR 1992, 150, 152; ders., Haftpflichtgesetz, 5. Aufl., § 12 Rdn. 244; Staudinger /Kohler, BGB [2001], § 2 HaftPflG Rdn. 41).

a) Die Gefährdungshaftung nach dem Haftpflichtgesetz bezweckt den Schutz der Öffentlichkeit vor den von bestimmten Anlagen und Einrichtungen
ausgehenden Gefahren und greift daher grundsätzlich zugunsten jedes Geschädigten Platz (Amtliche Begründung zum Gesetz zur Änderung des Reichshaftpflichtgesetzes vom 15. August 1943 [RGBl. I S. 489], DJ 1943, 430). Um das mit dieser weiten Ausdehnung der Haftung verbundene Risiko für den Schädiger überschaubar zu halten, sind die Schadensersatzansprüche gemäß § 10 HaftPflG der Höhe nach beschränkt (Begründung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung schadensersatzrechtlicher Vorschriften, BT-Drucks. 8/108, S. 6). Dagegen steht der auf Entschädigung nach enteignungsrechtlichen Grundsätzen gerichtete (Senat, BGHZ 90, 255, 263 m. w. Nachw.) nachbarrechtliche Ausgleichsanspruch nur den Eigentümern und Besitzern der von schädigenden Einwirkungen betroffenen Grundstücke wegen solcher die Zumutbarkeitsschwelle überschreitender Schäden zu, die an dem Grundstück selbst entstanden sind oder sich aus der Beeinträchtigung der Substanz oder der Nutzung des betroffenen Grundstücks entwickelt haben (BGHZ 92, 143, 145; 147, 45, 50). Da er der Kompensation für den Ausschluß an sich gegebener , aber undurchsetzbarer primärer Abwehransprüche dient (Senat, BGHZ 147, 45, 50), fehlt es an einem Grund für eine Haftungsbegrenzung.

b) Im Hinblick auf die persönlichen und sachlichen Beschränkungen, denen der nachbarrechtliche Ausgleichsanspruch unterliegt, führt seine Anwendung neben der Ersatzpflicht aus § 2 HaftPflG nicht dazu, daß die gesetzliche Anlagenhaftung bedeutungslos wäre. Auch der Schutzzweck des Haftpflichtgesetzes steht der Anerkennung konkurrierender Anspruchsgrundlagen nicht entgegen. Allerdings ist der Gesetzgeber bei der zum 1. Januar 1978 in Kraft getretenen Neufassung von § 2 HaftPflG im Hinblick auf das Urteil BGHZ 55, 229 ff. davon ausgegangen, daß ein Ersatzanspruch wegen der durch den Bruch einer Wasserrohrleitung verursachten Schäden nur aus § 836 BGB her-
geleitet werden könne und daß die Geltendmachung dieses Anspruchs wegen der Möglichkeit des Entlastungsbeweises vielfach erfolglos bleibe. Diese Schutzlücke sollte durch die Einführung einer allgemeinen Gefährdungshaftung für Rohrleitungsschäden geschlossen werden (BT-Drucks. 8/108, S. 11 f.). Erkennt man für den Bereich privatwirtschaftlich genutzter Wasserrohrleitungen einen verschuldensunabhängigen nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruch an, ist die Schutzlücke zwar kleiner als vom Gesetzgeber angenommen. Die Anerkennung eines solchen Anspruchs neben § 2 HaftPflG entspricht aber gerade der vom Gesetzgeber verfolgten Absicht eines möglichst umfassenden Opferschutzes (vgl. BT-Drucks. 8/108, S. 7, 14).

c) Das kommt insbesondere durch § 12 HaftPflG deutlich zum Ausdruck. Das Reichshaftpflichtgesetz vom 7. Juni 1871 begründete eine verschuldensunabhängige Haftung zunächst nur für Personenschäden, die auf den Betrieb einer Eisenbahn zurückgehen (§ 1 RHaftPflG 1871). Ziel des Gesetzes war es, die Ersatzansprüche der Geschädigten gegenüber den landesrechtlichen Vorschriften zu erweitern. Soweit ein Geschädigter auch nach diesen Vorschriften Ersatz verlangen konnte, blieben die so begründeten Ansprüche daher unberührt (§ 9 RHaftPflG 1871). Die Aufhebung des Landesrechts mit dem Inkrafttreten des Bürgerlichen Gesetzbuchs änderte hieran nur insoweit etwas, als an die Stelle der nach § 9 RHaftPflG unberührt bleibenden landesrechtlichen Gesetze "die gesetzlichen Vorschriften" traten (Biermann, Reichshaftpflichtgesetz, § 9 Anm. I). Soweit die Haftung des Betreibers einer Eisenbahn nach reichsgesetzlichen Vorschriften über die Haftung nach dem Reichshaftpflichtgesetz hinausging, sollte diese Haftung keine Einschränkung erfahren (Biermann, aaO.).
Dieser Grundsatz wurde bei der Einbeziehung der Ersatzpflicht für Personenschäden und bei der Erstreckung der Haftung auf Sachschäden aus dem Betrieb von elektrischen oder Gasleitungen nicht eingeschränkt. Auch nach § 9 a RHaftPflG 1943 blieb die Haftung der Inhaber der Energieversorgungsanlagen nach anderen "reichsgesetzlichen Vorschriften" von der Haftung nach dem Reichshaftpflichtgesetz "unberührt".
Die 1978 erfolgte Novellierung des Haftpflichtgesetzes hat hieran nichts geändert. Die Einbeziehung weiterer gefahrenträchtiger Sachverhalte in die Haftung diente allein dazu, den als unzureichend empfundenen Schutz der Geschädigten für Rohrleitungsschäden durch § 836 BGB zu erweitern (BTDrucks. 8/108 S. 11 f). §§ 9, 9 a RHaftPflG 1943 wurden zu § 12 HaftPflG zusammengeführt. Eine abschließende Regelung der Haftung für derartige Schäden durch das Haftpflichtgesetz sollte nicht erfolgen. Insoweit verhält es sich anders als in den Fällen der wasserrechtlichen Anlagenhaftung gemäß § 22 Abs. 2 WHG (BGHZ 142, 227, 236) und der Verpflichtung zum Ersatz von Bergschäden gemäß §§ 114 ff. BBergG (BGHZ 148, 39, 53).

d) Etwas anderes folgt auch nicht aus der summenmäßigen Begrenzung der Anlagenhaftung gemäß § 10 HaftPflG. Der Erwägung, die Haftungsbegrenzung sei Voraussetzung dafür, das Risiko zu kalkulieren und zu tragbaren Bedingungen abzusichern, ist bereits der Gesetzgeber mit dem Hinweis darauf entgegengetreten, daß eine an den Haftungshöchstgrenzen orientierte Versicherung lediglich das Risiko aus der Gefährdungshaftung abdecke, während für die vielfach daneben bestehenden Ansprüche aus unerlaubter Handlung, die keine summenmäßige Beschränkung kennen, ohnehin Vorsorge getroffen werden müsse. Darüber hinaus sähen ausländische Rechtsordnungen eine
summenmäßige Haftungsbegrenzung im allgemeinen nicht vor, ohne daß dies zu unüberwindlichen Schwierigkeiten geführt habe (BT-Drucks. 8/108, S. 7). Angesichts der vom Gesetzgeber selbst geäußerten Zweifel an der Berechtigung einer Haftungsbegrenzung und des ausdrücklichen Hinweises darauf, daß die in § 10 HaftPflG normierte Haftungsbegrenzung nur gelte, soweit Ansprüche ausschließlich aus dem Gesichtspunkt der Gefährdungshaftung hergeleitet werden könnten (BT-Drucks. 8/108, S. 6), kann keine Rede davon sein, die entsprechende Anwendung von § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB unterlaufe die vom Gesetzgeber gewollte Haftungsbegrenzung.

III.


1. Der Senat hat die Angriffe der Revision gegen die Feststellung des Berufungsgerichts, die Klägerin habe durch die Überschwemmung ihrer Betriebsräume bis zur Aufgabe des Geschäftsbetriebs einen Verdienstausfallschaden in Höhe von 179.930 DM erlitten, geprüft. Die Rügen der Revision sind nicht begründet. Von der Darstellung wird gemäß § 565 a ZPO a.F. abgesehen.
2. Dem Berufungsgericht kann jedoch insoweit nicht gefolgt werden, als es die Feststellung trifft, die Beklagte sei verpflichtet, der Klägerin Schadensersatz zu leisten, soweit das Schadensereignis vom 19. Mai 1992 zu weiteren Schäden führe. Die Anspruch der Klägerin aus eigenem Recht und der ihr abgetretene Anspruch gehen nicht auf Schadensersatz, sondern auf Ausgleich der Beeinträchtigung, den die Klägerin bzw. ihr Ehemann aufgrund des Ereignisses vom 19. Mai 1992 erlitten haben oder noch erleiden können.
Der nachbarrechtliche Ausgleichsanspruch ist auf eine angemessene Entschädigung in Geld gerichtet. Seine Höhe ist nach den Grundsätzen über die Enteignungsentschädigung zu bestimmen (Senat, BGHZ 85, 375, 386; 90, 255, 263; Urt. v. 18. November 1994, V ZR 98/93, NJW 1995, 714, jeweils m. w. Nachw.). Besteht die Einwirkung in einer Substanzschädigung, kann der Entschädigungsanspruch auf vollen Schadensersatz gehen (Senat, BGHZ 142, 66, 70 f.; Senat, Urt. v. 19. April 1985, V ZR 33/84, WM 1985, 1041; Urt. v. 4. Juli 1997, V ZR 48/96, NJW-RR 1997, 1374 m. w. Nachw.) und den Ausgleich der Folgen umfassen, die sich aus der Beeinträchtigung der Nutzung des betroffenen Grundstücks entwickeln (BGHZ 58, 149, 161; 92, 143, 145).
Dies ist bei der Beeinträchtigung der gewerblichen Nutzung eines Grundstücks, um die es hier geht, regelmäßig die Ertragseinbuße, die aus dem Schadensereignis folgt (Senat, BGHZ 147, 45, 53 m. w. Nachw.). Auch in diesem Fall ist die Verpflichtung zur Ausgleichsleistung nach den Grundsätzen des Nachbarrechts mit einem Schadensersatzanspruch jedoch nicht notwendig deckungsgleich. Es besteht vielmehr Raum für eine wertende Entscheidung, die zu einem Zurückbleiben des Ausgleichsanspruchs hinter einem Anspruch auf Schadensersatz führen kann. Das muß im Tenor des Feststellungsausspruchs Berücksichtigung finden.

IV.


Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91, 97 Abs. 1, 92, 269 Abs. 3 ZPO.
Wenzel Krüger Klein Gaier Schmidt-Räntsch

(1) Wird das Eigentum in anderer Weise als durch Entziehung oder Vorenthaltung des Besitzes beeinträchtigt, so kann der Eigentümer von dem Störer die Beseitigung der Beeinträchtigung verlangen. Sind weitere Beeinträchtigungen zu besorgen, so kann der Eigentümer auf Unterlassung klagen.

(2) Der Anspruch ist ausgeschlossen, wenn der Eigentümer zur Duldung verpflichtet ist.

(1) Der Eigentümer eines Grundstücks kann verlangen, dass auf den Nachbargrundstücken nicht Anlagen hergestellt oder gehalten werden, von denen mit Sicherheit vorauszusehen ist, dass ihr Bestand oder ihre Benutzung eine unzulässige Einwirkung auf sein Grundstück zur Folge hat. Genügt eine Anlage den landesgesetzlichen Vorschriften, die einen bestimmten Abstand von der Grenze oder sonstige Schutzmaßregeln vorschreiben, so kann die Beseitigung der Anlage erst verlangt werden, wenn die unzulässige Einwirkung tatsächlich hervortritt.

(2) Bäume und Sträucher gehören nicht zu den Anlagen im Sinne dieser Vorschriften.

(1) Das Gericht hat unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu erachten sei. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.

(2) An gesetzliche Beweisregeln ist das Gericht nur in den durch dieses Gesetz bezeichneten Fällen gebunden.

(1) Der Eigentümer eines Grundstücks kann die Zuführung von Gasen, Dämpfen, Gerüchen, Rauch, Ruß, Wärme, Geräusch, Erschütterungen und ähnliche von einem anderen Grundstück ausgehende Einwirkungen insoweit nicht verbieten, als die Einwirkung die Benutzung seines Grundstücks nicht oder nur unwesentlich beeinträchtigt. Eine unwesentliche Beeinträchtigung liegt in der Regel vor, wenn die in Gesetzen oder Rechtsverordnungen festgelegten Grenz- oder Richtwerte von den nach diesen Vorschriften ermittelten und bewerteten Einwirkungen nicht überschritten werden. Gleiches gilt für Werte in allgemeinen Verwaltungsvorschriften, die nach § 48 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes erlassen worden sind und den Stand der Technik wiedergeben.

(2) Das Gleiche gilt insoweit, als eine wesentliche Beeinträchtigung durch eine ortsübliche Benutzung des anderen Grundstücks herbeigeführt wird und nicht durch Maßnahmen verhindert werden kann, die Benutzern dieser Art wirtschaftlich zumutbar sind. Hat der Eigentümer hiernach eine Einwirkung zu dulden, so kann er von dem Benutzer des anderen Grundstücks einen angemessenen Ausgleich in Geld verlangen, wenn die Einwirkung eine ortsübliche Benutzung seines Grundstücks oder dessen Ertrag über das zumutbare Maß hinaus beeinträchtigt.

(3) Die Zuführung durch eine besondere Leitung ist unzulässig.

(1) Wird das Eigentum in anderer Weise als durch Entziehung oder Vorenthaltung des Besitzes beeinträchtigt, so kann der Eigentümer von dem Störer die Beseitigung der Beeinträchtigung verlangen. Sind weitere Beeinträchtigungen zu besorgen, so kann der Eigentümer auf Unterlassung klagen.

(2) Der Anspruch ist ausgeschlossen, wenn der Eigentümer zur Duldung verpflichtet ist.

(1) Der Eigentümer eines Grundstücks kann die Zuführung von Gasen, Dämpfen, Gerüchen, Rauch, Ruß, Wärme, Geräusch, Erschütterungen und ähnliche von einem anderen Grundstück ausgehende Einwirkungen insoweit nicht verbieten, als die Einwirkung die Benutzung seines Grundstücks nicht oder nur unwesentlich beeinträchtigt. Eine unwesentliche Beeinträchtigung liegt in der Regel vor, wenn die in Gesetzen oder Rechtsverordnungen festgelegten Grenz- oder Richtwerte von den nach diesen Vorschriften ermittelten und bewerteten Einwirkungen nicht überschritten werden. Gleiches gilt für Werte in allgemeinen Verwaltungsvorschriften, die nach § 48 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes erlassen worden sind und den Stand der Technik wiedergeben.

(2) Das Gleiche gilt insoweit, als eine wesentliche Beeinträchtigung durch eine ortsübliche Benutzung des anderen Grundstücks herbeigeführt wird und nicht durch Maßnahmen verhindert werden kann, die Benutzern dieser Art wirtschaftlich zumutbar sind. Hat der Eigentümer hiernach eine Einwirkung zu dulden, so kann er von dem Benutzer des anderen Grundstücks einen angemessenen Ausgleich in Geld verlangen, wenn die Einwirkung eine ortsübliche Benutzung seines Grundstücks oder dessen Ertrag über das zumutbare Maß hinaus beeinträchtigt.

(3) Die Zuführung durch eine besondere Leitung ist unzulässig.

(1) Wird das Eigentum in anderer Weise als durch Entziehung oder Vorenthaltung des Besitzes beeinträchtigt, so kann der Eigentümer von dem Störer die Beseitigung der Beeinträchtigung verlangen. Sind weitere Beeinträchtigungen zu besorgen, so kann der Eigentümer auf Unterlassung klagen.

(2) Der Anspruch ist ausgeschlossen, wenn der Eigentümer zur Duldung verpflichtet ist.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
V ZR 37/02 Verkündet am:
30. Mai 2003
K a n i k ,
Justizamtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja

a) Wird durch den Bruch einer von den Stadtwerken privatrechtlich betriebenen
Wasserversorgungsleitung das benachbarte Grundstück überschwemmt, so haben
die Stadtwerke für die Schäden des Eigentümers oder Grundstücksnutzers
einen angemessenen Ausgleich in Geld zu leisten (Bestätigung der bisherigen
Senatsrechtsprechung).

b) Der nachbarrechtliche Ausgleichsanspruch wird durch die Anlagenhaftung gemäß
§ 2 Abs. 1 Satz 1 HaftpflG nicht ausgeschlossen.
BGH, Urt. v. 30. Mai 2003 - V ZR 37/02 - OLG Hamm
LG Essen
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 30. April 2003 durch den Vizepräsidenten des Bundesgerichtshofes
Dr. Wenzel und die Richter Prof. Dr. Krüger, Dr. Klein, Dr. Gaier und
Dr. Schmidt-Räntsch

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 15. November 2001 unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Feststellung getroffen worden ist, daß die Beklagte der Klägerin schadensersatzpflichtig ist.
Im Umfang der Aufhebung wird auf die Berufung der Klägerin das Urteil der 9. Zivilkammer des Landgerichts Essen vom 3. Dezember 1999 abgeändert.
Es wird festgestellt, daß die Beklagte verpflichtet ist, alle weiteren Schäden aus dem Ereignis vom 19. Mai 1992 angemessen auszugleichen.
Die weitergehende Klage wird abgewiesen. Die weitergehende Berufung der Klägerin wird zurückgewiesen.
Die Kosten des ersten Rechtszugs werden gegeneinander aufgehoben. Die Beklagte trägt die Kosten der Rechtsmittelverfahren.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Am 19. Mai 1992 brach die unter der Straße L. in E. - St. verlegte Hauptwasserleitung. Die Leitung ist Teil des örtlichen Wasserversorgungsnetzes , das die Beklagte, eine Aktiengesellschaft, unterhält. Das ausfließende Wasser überflutete u.a. das Grundstück H. H. 30/30a und richtete an dem Grundstück, dem aufstehenden Gebäude und den in dem Gebäude aufgestellten Maschinen erheblichen Schaden an. Eigentümerin des Grundstücks ist der Ehemann der Klägerin. Er hatte Grundstück, Gebäude und Maschinen der Klägerin zum Betrieb eines Textilveredelungsunternehmens verpachtet. Durch das Schadensereignis kam es zu erheblichen Beeinträchtigungen des von der Klägerin betriebenen Unternehmens. Zum Ausgleich des der Klägerin, ihrem Ehemann und weiteren Geschädigten entstandenen Schadens leistete die Beklagte im Rahmen der Höchstbetragsregelung von § 10 HaftPflG a.F. Ersatz.
Die Klägerin hat aus eigenem und von ihrem Ehemann abgetretenem Recht beantragt, die Beklagte zur Zahlung von 463.780,71 DM zuzüglich Zinsen zu verurteilen und festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet sei, ihr alle weiteren Schäden aus dem Ereignis vom 19. Mai 1992 zu ersetzen. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Mit der Berufung hat die Klägerin den Zahlungsantrag in Höhe von 215.851,33 DM zuzüglich Zinsen und den Feststellungsantrag weiter verfolgt. Das Oberlandesgericht hat den Anträgen mit Ausnahme eines Teils der verlangten Zinsen stattgegeben. Mit der Revision erstrebt die Beklagte die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.

Entscheidungsgründe:

I.

Das Berufungsgericht sieht das Zahlungsverlangen der Klägerin in Höhe des verlangten Betrages als begründet an. Es meint, die Beklagte habe auch die über die Haftungsgrenze von § 10 HaftPflG hinausgehenden Schäden der Klägerin und ihres Ehemanns aus dem Ereignis vom 19. Mai 1992 zu ersetzen. Das folge zwar nicht aus §§ 823, 836 BGB; die Beklagte sei jedoch in entsprechender Anwendung von § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB zahlungspflichtig. Das Entstehen weiterer Schäden sei nicht auszuschließen.
Das hält der revisionsrechtlichen Prüfung im wesentlichen stand.

II.


1. Die Revision nimmt die Feststellung des Berufungsgerichts als ihr günstig hin, daß eine Haftung der Beklagten wegen Verschuldens am Eintritt des Schadensereignisses nicht in Betracht kommt. Rechtsfehler sind insoweit auch nicht ersichtlich.
2. Entgegen der Meinung der Revision ist die Beklagte der Klägerin jedoch nach den Grundsätzen des verschuldensunabhängigen nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruchs in entsprechender Anwendung des § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB verantwortlich.

a) Die Klägerin ist aktivlegitimiert. Der nachbarrechtliche Ausgleichsanspruch steht ihr einerseits aufgrund der erfolgten Abtretung wegen der ihrem
Ehemann als Eigentümer des Grundstücks und der Betriebseinrichtung entstandenen Beeinträchtigung zu. Andererseits ist die Klägerin wegen der Beeinträchtigung ihres pachtrechtlichen Besitzrechts aus eigenem Recht anspruchsberechtigt. Wie der Bundesgerichtshof bereits mehrfach entschieden hat, erstreckt sich der nachbarrechtliche Ausgleichsanspruch sowohl bei unmittelbarer als auch bei entsprechender Anwendung des § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB auf den Besitzer (BGHZ 70, 212, 220; Senat, BGHZ 147, 45, 50 m. w. Nachw.). Denn der Ausgleichsanspruch dient als Kompensation für den Ausschluß primärer Abwehransprüche (Senat, BGHZ 111, 158, 162; 122, 283, 284; 144, 200, 209), die auch dem Besitzer zustehen (§ 862 Abs. 1 BGB) und ihm einen den Rechten des Eigentümers aus § 1004 Abs. 1 BGB ähnlichen Schutz gegen Störungen bieten (MünchKomm-BGB/Joost, 3. Aufl., § 862 Rdn. 1).

b) Die Beklagte ist als Nutzerin des Straßengrundstücks passivlegitimiert. Der nachbarrechtliche Ausgleichsanspruch richtet sich nämlich nicht nur gegen den Eigentümer des beeinträchtigenden Grundstücks, sondern auch gegen den Nutzer als denjenigen, der die Nutzungsart dieses Grundstücks bestimmt (Senat, BGHZ 113, 384, 392; Senat, Urt. v. 20. November 1998, V ZR 411/97, NJW 1999, 1029; Urt. v. 24. Januar 2003, V ZR 172/02, Umdruck S. 10; Staudinger/Roth, BGB [2001], § 906 Rdn. 70; Erman/Hagen/Lorenz, BGB, 10. Aufl., § 906, Rdn. 35). Wird ein Grundstück von mehreren Personen zu unterschiedlichen Zwecken genutzt, dann richtet sich der Ausgleichsanspruch ebenso wie der Abwehranspruch, an dessen Stelle er tritt, gegen den für die beeinträchtigende Nutzungsart Verantwortlichen. Es kommt daher entgegen der Meinung der Revision nicht darauf an, ob die Nutzung des Straßengrundstücks durch die von der Beklagten unterhaltene Wasserleitung "geprägt“
wurde. Entscheidend ist vielmehr, daß die Nutzung des Straßengrundstücks der Beklagten überlassen worden ist, soweit sie die Verlegung und Unterhaltung der Rohrleitung zum Gegenstand hat, und allein die Beklagte darüber zu befinden hatte, ob sie von dieser Möglichkeit Gebrauch machte. Denn Störer ist auch derjenige, der die Anlage hält, von der die Einwirkung ausgeht (Senatsurt. v. 24. Januar 2003, V ZR 172/02, Umdruck S. 10).

c) Der nachbarrechtliche Ausgleichsanspruch ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes gegeben, wenn von einem Grundstück im Rahmen privatwirtschaftlicher Benutzung rechtswidrige Einwirkungen auf ein anderes Grundstück ausgehen, die der Eigentümer oder Besitzer des betroffenen Grundstücks nicht dulden muß, aus besonderen Gründen jedoch nicht gemäß §§ 1004 Abs. 1, 862 Abs. 1 BGB unterbinden kann, sofern er hierdurch Nachteile erleidet, die das zumutbare Maß einer entschädigungslos hinzunehmenden Beeinträchtigung übersteigen (BGHZ 58, 149, 158; Senat, BGHZ 62, 361, 366 f.; 72, 289, 291; 85, 375, 384; 90, 255, 262; 111, 158, 162 f.; 142, 66, 67; BGHZ 142, 227, 235; Senat, BGHZ 147, 45, 49 f.).
aa) Unter diesen Voraussetzungen gewährt die Rechtsprechung den Ausgleichsanspruch über die Immissionsfälle des § 906 BGB hinaus außer bei Vertiefungen (vgl. Senat, BGHZ 72, 289, 292; 85, 375, 384; 90, 255, 262; 147, 45, 50) auch bei Grobimmissionen (vgl. Senat, BGHZ 111, 158, 162 - Schrotblei ; Urt. v. 19. April 1985, V ZR 33/84, WM 1985, 1041 - Wasserrohrbruch). Der Anspruch ist jedoch wie in den Fällen des § 906 BGB subsidiär, setzt also voraus, daß der Eigentümer oder Besitzer aus besonderen Gründen gehindert ist, die Einwirkungen gemäß §§ 1004 Abs. 1, 862 Abs. 1 BGB rechtzeitig zu unterbinden. Ein faktischer Duldungszwang genügt. Er kann sich u. a. daraus
ergeben, daß der Betroffene die abzuwehrende Gefahr nicht rechtzeitig erkannt hat und auch nicht erkennen konnte (Senat, BGHZ 111, 158, 163).
Die analoge Anwendung des § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB auf rechtswidrige Grobimmissionen, die aus tatsächlichen Gründen nicht rechtzeitig abgewehrt werden können, dient wie die unmittelbare Anwendung der Vorschrift dem Ausgleich gleichrangiger Nachbarinteressen als Ausdruck der Situationsgebundenheit der Grundstücke und beruht auf dem Gedanken, daß im nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnis der betroffene Eigentümer oder Nutzer bei einer nicht abwehrbaren, vom Nachbargrundstück ausgehenden rechtswidrigen Einwirkung auf sein Grundstück nicht schlechter stehen darf als bei einer rechtmäßigen Einwirkung. Deswegen hat der Senat sowohl die durch einen technischen Defekt an elektrischen Leitungen verursachten Brandschäden an dem benachbarten Haus (Senatsurt. v. 11. Juni 1999, V ZR 377/98, NJW 1999, 2896, 2897) als auch die Wasserschäden infolge eines Rohrbruchs auf dem Nachbargrundstück (Senatsurt. v. 19. Mai 1985, V ZR 33/84, WM 1985, 1041) für ausgleichspflichtig angesehen.
bb) An dieser Rechtsprechung hält der Senat gegen die kritischen Stimmen in der Literatur (vgl. Littbarski, EWiR 1999, 947, 948; Roth, in: Roth/Lemke/Krohn, Der bürgerlich-rechtliche Aufopferungsanspruch als Problem der Systemgerechtigkeit im Schadensersatzrecht, 2001, S. 1, 23 ff.; ders. LM BGB § 906 Nr. 101; Schimikowski, r+s 1999, 409) fest. Es geht in diesen "technischen Unfallschadensfällen" von der Interessenlage her nicht um die Einführung einer Gefährdungshaftung für eine gefährliche Einrichtung im Verhältnis zwischen Nachbarn (so aber Roth aaO S. 25), also nicht um das Einstehen für Schäden, die allein auf das rechtmäßige Vorhandensein einer Anla-
ge oder eine erlaubte Tätigkeit zurückzuführen sind, sondern um die Haftung für rechtswidrige Störungen aus einer bestimmungsgemäßen Grundstücksnutzung , die von dem beeinträchtigten Nachbarn aus tatsächlichen Gründen nicht abgewehrt werden können. Dieser typisch nachbarrechtliche Nutzungskonflikt ist in § 906 Abs. 2 BGB nicht geregelt, hätte aber vom Regelungsplan des Gesetzgebers her zu dem gleichen Abwägungsergebnis geführt. Daß der Wasserrohrbruch auch von § 2 Satz 2 HPflG erfaßt wird, steht dem ebenso wenig entgegen wie die Verschuldenshaftung. Denn für die Frage einer Gesetzesanalogie zu § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB ist es nicht von Bedeutung, ob auch noch ein nach Voraussetzung und Rechtsfolge anders gelagerter Haftungstatbestand erfüllt ist. In dem für das private Nachbarrecht maßgeblichen dreiteiligen Haftungsrecht von Gefährdungshaftung, Verschuldenshaftung und verschuldensunabhängiger Störerhaftung kann das Bestehen einer Gesetzeslücke in dem einen Haftungstatbestand nicht damit verneint werden, daß ein anderer Haftungstatbestand eingreift. Entscheidend ist vielmehr, daß die verschuldensunabhängige Störerhaftung in dem Regelungssystem des § 906 BGB eine Lücke enthält, die durch eine entsprechende Anwendung des Absatzes 2 Satz 2 zu schließen ist. Davon zu trennen ist die andere Frage, ob § 2 HaftPflG für Schäden aus Rohrleitungsbrüchen die verschuldensunabhängige Störerhaftung ausschließt (dazu unter 4).
cc) Der analogen Anwendung des § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB auf Wasserrohrbruchschäden steht auch nicht entgegen, daß der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes bei dem Bruch einer öffentlich-rechtlich betriebenen Wasserleitung eine verschuldensunabhängige Haftung unter dem Gesichtspunkt des enteignungsgleichen Eingriffs abgelehnt und allein die Verschuldenshaftung gemäß § 836 BGB für anwendbar gehalten hat (BGHZ 55, 229, 231; 125,
19, 21). Zwar steht der an privatrechtliche Einwirkungen anknüpfende nachbarrechtliche Ausgleichsanspruch nach Inhalt und Funktion den Ansprüchen aus enteignendem oder enteignungsgleichem Eingriff durch hoheitliche Maßnahmen nahe (Senat, Urt. v. 18. November 1994, V ZR 98/93, NJW 1995, 714, 715). Er ist jedoch seinen Voraussetzungen nach mit diesen Ansprüchen nicht identisch (Senat, BGHZ 62, 361, 366). Während es im öffentlich-rechtlichen Entschädigungsrecht bei der wertenden Zurechnung der Schadensfolgen nach Verantwortungsbereichen und Risikosphären (BGHZ 125, 19, 21) wesentlich auf die Unmittelbarkeit des Eingriffs ankommt, stellt das Haftungssystem des privaten Nachbarrechts auf die Störereigenschaft im Sinne der §§ 1004 Abs. 1, 862 Abs. 1 BGB ab. Diese folgt nach ständiger Rechtsprechung des Senats nicht allein aus dem Eigentum oder dem Besitz an dem Grundstück, von dem die Einwirkung ausgeht, und setzt auch keinen unmittelbaren Eingriff voraus. Vielmehr ist ausreichend, aber auch erforderlich, daß die Beeinträchtigung des Nachbargrundstücks wenigstens mittelbar auf den Willen des Eigentümers oder Besitzers zurückgeht. Ob dies der Fall ist, kann nicht begrifflich, sondern nur in wertender Betrachtung von Fall zu Fall festgestellt werden (Senat, BGHZ 142, 66, 69; Urt. v. 7. Juli 1995, V ZR 213/94, NJW 1995, 2633, 2634, jeweils m. w. Nachw.). Entscheidend ist, ob es jeweils Sachgründe gibt, dem Grundstückseigentümer oder Nutzer die Verantwortung für ein Geschehen aufzuerlegen (Senat, BGHZ 142, 66, 69 f.).
Dies hat der Senat im Fall des Eindringens von Wasser infolge eines Rohrbruchs im Duschraum des Nachbarhauses aus § 836 BGB abgeleitet (Senat , Urt. v. 19. April 1985, V ZR 33/84, WM 1985, 1041; zustimmend Palandt /Bassenge, BGB, 62. Aufl., § 1004 Rdn. 22), weil der Bruch als "Ablösung von Teilen“ eines mit dem Grundstück verbundenen Werks im Sinne dieser
Bestimmung anzusehen ist (BGHZ 55, 229, 235; BGH, Urt. v. 17. März 1983, III ZR 116/81, VersR 1983, 588). Das ist bei einer in einem Straßengrundstück verlegten Wasserleitung nicht anders. Ein Rohrbruch und die hierdurch verursachte Überschwemmung ist vermeidbar und nicht die Folge eines von niemandem zu beherrschenden Naturereignisses (vgl. Senat, BGHZ 122, 283, 284 f. - Sturmschaden durch umstürzende Bäume; Urt. v. 7. Juli 1995, V ZR 213/94, NJW 1995, 2633, 2634 - Wolläuse). Der Betreiber muß nur für einen Zustand sorgen, der eine von seinem Grundstück ausgehende Überschwemmung des Nachbargrundstücks oder ein Übergreifen des Brands verhindert. Insoweit besteht kein Unterschied zum Niederschlagswasserfall (Senat, BGHZ 90, 255; dazu Roth, aaO, S. 15 f.). Der gefährdete Nachbar dürfte jeweils die Immission im Wege einer vorbeugenden Unterlassungsklage in dem Augenblick abwehren, in dem objektiv die drohende Gefahr eines die Immission ermöglichenden Defekts sich konkret abzeichnet und ein Einschreiten erfordert. Da er diese Gefahr aber nicht erkennen kann und deswegen die Einwirkung dulden muß, steht ihm der Anspruch auf angemessenen Ausgleich für die erlittenen Schäden zu. Daß der Unterlassungsanspruch mit dem Abschluß des Geschehens aus dem Wasserrohrbruch erlischt, ist unerheblich (a.A. Roth aaO S. 28). Der Ausgleich wird dafür geschuldet, daß der primäre Abwehranspruch nicht verfolgt werden konnte. Daher sprechen auch die Gesichtspunkte der Veranlassung, der Gefahrenbeherrschung und der Vorteilsziehung dafür, die Beklagte als Störerin anzusehen und ihr eine an die Stelle der faktisch undurchsetzbaren primären Abwehransprüche gemäß §§ 1004 Abs. 1, 862 Abs. 1 BGB tretende Ausgleichspflicht aufzuerlegen (vgl. Hagen, in: Festschrift für Hermann Lange, 1992, S. 483, 501).
3. Gemessen an diesen Grundsätzen ist die Beklagte verpflichtet, der Klägerin die aus dem Wasserrohrbruch entstandenen Schäden angemessen auszugleichen. Sie und ihr Ehemann hatten tatsächlich keine Möglichkeit, die durch den Wasserrohrbruch verursachte Überschwemmung des Grundstücks H. H. 30/30a durch die Geltendmachung von Abwehransprüchen gemäß §§ 1004 Abs. 1, 862 Abs. 1 BGB zu verhindern. Die hierdurch an dem Grundstück, dem Gebäude und an der Betriebseinrichtung verursachten Sachschäden belaufen sich - ohne Berücksichtigung des der Klägerin entstandenen Verdienstausfallschadens - nach den insoweit nicht angefochtenen Feststellungen des Berufungsgerichts auf 205.041,85 DM und übersteigen damit das zumutbare Maß einer entschädigungslos hinzunehmenden Einwirkung. Die Beeinträchtigung beruht auch auf einer privatwirtschaftlichen Nutzung des Straßengrundstücks. Die Beklagte nimmt als Trägerin der örtlichen Wasserversorgung zwar eine Aufgabe der öffentlichen Daseinsvorsorge war, sie ist als Aktiengesellschaft aber privatrechtlich organisiert. Damit ist ihre Tätigkeit insgesamt dem Privatrecht zuzurechnen (vgl. Senat, Beschl. v. 21. November 1996, V ZB 19/96, NJW 1997, 744; Filthaut, VersR 1992, 150, 156).
4. Zuzustimmen ist dem Berufungsgericht schließlich darin, daß der nachbarrechtliche Ausgleichsanspruch entsprechend § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB nicht durch die Anlagenhaftung gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 HaftPflG ausgeschlossen wird (ebenso OLG Düsseldorf, VersR 1992, 326, 327; Filthaut, VersR 1992, 150, 152; ders., Haftpflichtgesetz, 5. Aufl., § 12 Rdn. 244; Staudinger /Kohler, BGB [2001], § 2 HaftPflG Rdn. 41).

a) Die Gefährdungshaftung nach dem Haftpflichtgesetz bezweckt den Schutz der Öffentlichkeit vor den von bestimmten Anlagen und Einrichtungen
ausgehenden Gefahren und greift daher grundsätzlich zugunsten jedes Geschädigten Platz (Amtliche Begründung zum Gesetz zur Änderung des Reichshaftpflichtgesetzes vom 15. August 1943 [RGBl. I S. 489], DJ 1943, 430). Um das mit dieser weiten Ausdehnung der Haftung verbundene Risiko für den Schädiger überschaubar zu halten, sind die Schadensersatzansprüche gemäß § 10 HaftPflG der Höhe nach beschränkt (Begründung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung schadensersatzrechtlicher Vorschriften, BT-Drucks. 8/108, S. 6). Dagegen steht der auf Entschädigung nach enteignungsrechtlichen Grundsätzen gerichtete (Senat, BGHZ 90, 255, 263 m. w. Nachw.) nachbarrechtliche Ausgleichsanspruch nur den Eigentümern und Besitzern der von schädigenden Einwirkungen betroffenen Grundstücke wegen solcher die Zumutbarkeitsschwelle überschreitender Schäden zu, die an dem Grundstück selbst entstanden sind oder sich aus der Beeinträchtigung der Substanz oder der Nutzung des betroffenen Grundstücks entwickelt haben (BGHZ 92, 143, 145; 147, 45, 50). Da er der Kompensation für den Ausschluß an sich gegebener , aber undurchsetzbarer primärer Abwehransprüche dient (Senat, BGHZ 147, 45, 50), fehlt es an einem Grund für eine Haftungsbegrenzung.

b) Im Hinblick auf die persönlichen und sachlichen Beschränkungen, denen der nachbarrechtliche Ausgleichsanspruch unterliegt, führt seine Anwendung neben der Ersatzpflicht aus § 2 HaftPflG nicht dazu, daß die gesetzliche Anlagenhaftung bedeutungslos wäre. Auch der Schutzzweck des Haftpflichtgesetzes steht der Anerkennung konkurrierender Anspruchsgrundlagen nicht entgegen. Allerdings ist der Gesetzgeber bei der zum 1. Januar 1978 in Kraft getretenen Neufassung von § 2 HaftPflG im Hinblick auf das Urteil BGHZ 55, 229 ff. davon ausgegangen, daß ein Ersatzanspruch wegen der durch den Bruch einer Wasserrohrleitung verursachten Schäden nur aus § 836 BGB her-
geleitet werden könne und daß die Geltendmachung dieses Anspruchs wegen der Möglichkeit des Entlastungsbeweises vielfach erfolglos bleibe. Diese Schutzlücke sollte durch die Einführung einer allgemeinen Gefährdungshaftung für Rohrleitungsschäden geschlossen werden (BT-Drucks. 8/108, S. 11 f.). Erkennt man für den Bereich privatwirtschaftlich genutzter Wasserrohrleitungen einen verschuldensunabhängigen nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruch an, ist die Schutzlücke zwar kleiner als vom Gesetzgeber angenommen. Die Anerkennung eines solchen Anspruchs neben § 2 HaftPflG entspricht aber gerade der vom Gesetzgeber verfolgten Absicht eines möglichst umfassenden Opferschutzes (vgl. BT-Drucks. 8/108, S. 7, 14).

c) Das kommt insbesondere durch § 12 HaftPflG deutlich zum Ausdruck. Das Reichshaftpflichtgesetz vom 7. Juni 1871 begründete eine verschuldensunabhängige Haftung zunächst nur für Personenschäden, die auf den Betrieb einer Eisenbahn zurückgehen (§ 1 RHaftPflG 1871). Ziel des Gesetzes war es, die Ersatzansprüche der Geschädigten gegenüber den landesrechtlichen Vorschriften zu erweitern. Soweit ein Geschädigter auch nach diesen Vorschriften Ersatz verlangen konnte, blieben die so begründeten Ansprüche daher unberührt (§ 9 RHaftPflG 1871). Die Aufhebung des Landesrechts mit dem Inkrafttreten des Bürgerlichen Gesetzbuchs änderte hieran nur insoweit etwas, als an die Stelle der nach § 9 RHaftPflG unberührt bleibenden landesrechtlichen Gesetze "die gesetzlichen Vorschriften" traten (Biermann, Reichshaftpflichtgesetz, § 9 Anm. I). Soweit die Haftung des Betreibers einer Eisenbahn nach reichsgesetzlichen Vorschriften über die Haftung nach dem Reichshaftpflichtgesetz hinausging, sollte diese Haftung keine Einschränkung erfahren (Biermann, aaO.).
Dieser Grundsatz wurde bei der Einbeziehung der Ersatzpflicht für Personenschäden und bei der Erstreckung der Haftung auf Sachschäden aus dem Betrieb von elektrischen oder Gasleitungen nicht eingeschränkt. Auch nach § 9 a RHaftPflG 1943 blieb die Haftung der Inhaber der Energieversorgungsanlagen nach anderen "reichsgesetzlichen Vorschriften" von der Haftung nach dem Reichshaftpflichtgesetz "unberührt".
Die 1978 erfolgte Novellierung des Haftpflichtgesetzes hat hieran nichts geändert. Die Einbeziehung weiterer gefahrenträchtiger Sachverhalte in die Haftung diente allein dazu, den als unzureichend empfundenen Schutz der Geschädigten für Rohrleitungsschäden durch § 836 BGB zu erweitern (BTDrucks. 8/108 S. 11 f). §§ 9, 9 a RHaftPflG 1943 wurden zu § 12 HaftPflG zusammengeführt. Eine abschließende Regelung der Haftung für derartige Schäden durch das Haftpflichtgesetz sollte nicht erfolgen. Insoweit verhält es sich anders als in den Fällen der wasserrechtlichen Anlagenhaftung gemäß § 22 Abs. 2 WHG (BGHZ 142, 227, 236) und der Verpflichtung zum Ersatz von Bergschäden gemäß §§ 114 ff. BBergG (BGHZ 148, 39, 53).

d) Etwas anderes folgt auch nicht aus der summenmäßigen Begrenzung der Anlagenhaftung gemäß § 10 HaftPflG. Der Erwägung, die Haftungsbegrenzung sei Voraussetzung dafür, das Risiko zu kalkulieren und zu tragbaren Bedingungen abzusichern, ist bereits der Gesetzgeber mit dem Hinweis darauf entgegengetreten, daß eine an den Haftungshöchstgrenzen orientierte Versicherung lediglich das Risiko aus der Gefährdungshaftung abdecke, während für die vielfach daneben bestehenden Ansprüche aus unerlaubter Handlung, die keine summenmäßige Beschränkung kennen, ohnehin Vorsorge getroffen werden müsse. Darüber hinaus sähen ausländische Rechtsordnungen eine
summenmäßige Haftungsbegrenzung im allgemeinen nicht vor, ohne daß dies zu unüberwindlichen Schwierigkeiten geführt habe (BT-Drucks. 8/108, S. 7). Angesichts der vom Gesetzgeber selbst geäußerten Zweifel an der Berechtigung einer Haftungsbegrenzung und des ausdrücklichen Hinweises darauf, daß die in § 10 HaftPflG normierte Haftungsbegrenzung nur gelte, soweit Ansprüche ausschließlich aus dem Gesichtspunkt der Gefährdungshaftung hergeleitet werden könnten (BT-Drucks. 8/108, S. 6), kann keine Rede davon sein, die entsprechende Anwendung von § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB unterlaufe die vom Gesetzgeber gewollte Haftungsbegrenzung.

III.


1. Der Senat hat die Angriffe der Revision gegen die Feststellung des Berufungsgerichts, die Klägerin habe durch die Überschwemmung ihrer Betriebsräume bis zur Aufgabe des Geschäftsbetriebs einen Verdienstausfallschaden in Höhe von 179.930 DM erlitten, geprüft. Die Rügen der Revision sind nicht begründet. Von der Darstellung wird gemäß § 565 a ZPO a.F. abgesehen.
2. Dem Berufungsgericht kann jedoch insoweit nicht gefolgt werden, als es die Feststellung trifft, die Beklagte sei verpflichtet, der Klägerin Schadensersatz zu leisten, soweit das Schadensereignis vom 19. Mai 1992 zu weiteren Schäden führe. Die Anspruch der Klägerin aus eigenem Recht und der ihr abgetretene Anspruch gehen nicht auf Schadensersatz, sondern auf Ausgleich der Beeinträchtigung, den die Klägerin bzw. ihr Ehemann aufgrund des Ereignisses vom 19. Mai 1992 erlitten haben oder noch erleiden können.
Der nachbarrechtliche Ausgleichsanspruch ist auf eine angemessene Entschädigung in Geld gerichtet. Seine Höhe ist nach den Grundsätzen über die Enteignungsentschädigung zu bestimmen (Senat, BGHZ 85, 375, 386; 90, 255, 263; Urt. v. 18. November 1994, V ZR 98/93, NJW 1995, 714, jeweils m. w. Nachw.). Besteht die Einwirkung in einer Substanzschädigung, kann der Entschädigungsanspruch auf vollen Schadensersatz gehen (Senat, BGHZ 142, 66, 70 f.; Senat, Urt. v. 19. April 1985, V ZR 33/84, WM 1985, 1041; Urt. v. 4. Juli 1997, V ZR 48/96, NJW-RR 1997, 1374 m. w. Nachw.) und den Ausgleich der Folgen umfassen, die sich aus der Beeinträchtigung der Nutzung des betroffenen Grundstücks entwickeln (BGHZ 58, 149, 161; 92, 143, 145).
Dies ist bei der Beeinträchtigung der gewerblichen Nutzung eines Grundstücks, um die es hier geht, regelmäßig die Ertragseinbuße, die aus dem Schadensereignis folgt (Senat, BGHZ 147, 45, 53 m. w. Nachw.). Auch in diesem Fall ist die Verpflichtung zur Ausgleichsleistung nach den Grundsätzen des Nachbarrechts mit einem Schadensersatzanspruch jedoch nicht notwendig deckungsgleich. Es besteht vielmehr Raum für eine wertende Entscheidung, die zu einem Zurückbleiben des Ausgleichsanspruchs hinter einem Anspruch auf Schadensersatz führen kann. Das muß im Tenor des Feststellungsausspruchs Berücksichtigung finden.

IV.


Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91, 97 Abs. 1, 92, 269 Abs. 3 ZPO.
Wenzel Krüger Klein Gaier Schmidt-Räntsch

(1) Der Eigentümer eines Grundstücks kann die Zuführung von Gasen, Dämpfen, Gerüchen, Rauch, Ruß, Wärme, Geräusch, Erschütterungen und ähnliche von einem anderen Grundstück ausgehende Einwirkungen insoweit nicht verbieten, als die Einwirkung die Benutzung seines Grundstücks nicht oder nur unwesentlich beeinträchtigt. Eine unwesentliche Beeinträchtigung liegt in der Regel vor, wenn die in Gesetzen oder Rechtsverordnungen festgelegten Grenz- oder Richtwerte von den nach diesen Vorschriften ermittelten und bewerteten Einwirkungen nicht überschritten werden. Gleiches gilt für Werte in allgemeinen Verwaltungsvorschriften, die nach § 48 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes erlassen worden sind und den Stand der Technik wiedergeben.

(2) Das Gleiche gilt insoweit, als eine wesentliche Beeinträchtigung durch eine ortsübliche Benutzung des anderen Grundstücks herbeigeführt wird und nicht durch Maßnahmen verhindert werden kann, die Benutzern dieser Art wirtschaftlich zumutbar sind. Hat der Eigentümer hiernach eine Einwirkung zu dulden, so kann er von dem Benutzer des anderen Grundstücks einen angemessenen Ausgleich in Geld verlangen, wenn die Einwirkung eine ortsübliche Benutzung seines Grundstücks oder dessen Ertrag über das zumutbare Maß hinaus beeinträchtigt.

(3) Die Zuführung durch eine besondere Leitung ist unzulässig.