Bundesgerichtshof Urteil, 13. Dez. 2002 - V ZR 146/02


Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Klägerin, damals unter der Bezeichnung Treuhandanstalt, verkaufte den Beklagten mit notariellen Verträgen vom 24. April und 17. Dezember 1991 verschiedene Grundstücke gegen einen vorläufigen Kaufpreis von 2.454.500 DM und von 575.880 DM. Nach den Verträgen sollte frühestens auf den 1. November 1992, spätestens auf den 1. April 1993 eine Nachbewertung stattfinden, wobei der endgültige Kaufpreis, wenn sich die Parteien nicht einig sein sollten, durch einen öffentlich bestellten, vereidigten Sachverständigen verbindlich festzustellen war. Die Beklagten hatten den danach geschuldeten Betrag "binnen drei Monaten nach Einigung bzw. nach Erhalt des Gutachtens" an die Klägerin zu bezahlen. Der von der Klägerin im Dezember 1992 beauftragte Sachverständige kam zu der Feststellung, daß die verkaufte Fläche einen Verkehrswert von 3.575.669 DM habe. Im Vorprozeß wurden die Beklagten
am 12. März 1998 rechtskräftig verurteilt, an die Klägerin weitere 3.024.349,60 DM zu zahlen.
Die Klägerin hat, gestützt auf den Umstand, daß den Beklagten die Nutzungen der Grundstücke gebührt, die Zahlung gesetzlicher Zinsen für das Jahr 1995 aus dem Betrag von 3.024.349,60 DM verlangt. Die Klage ist in den Tatsacheninstanzen ohne Erfolg geblieben. Mit der Revision, der die Beklagten entgegentreten, verfolgt die Klägerin den Anspruch weiter.
Entscheidungsgründe:
I.
Das Berufungsgericht läßt es offen, ob die in den Verträgen vorgesehene Stundung über drei Monate, wie das Landgericht gemeint hat, auch für den Fall gelten soll, daß eine Partei das Sachverständigengutachten gerichtlich überprüfen läßt. Denn ein Anspruch der Klägerin auf Verzinsung des Kaufpreises nach § 452 BGB a.F. scheitere daran, daß der endgültige Kaufpreis erst mit der Rechtskraft des Urteils vom 12. März 1993 fällig geworden sei. Wegen dieser Frage hat das Berufungsgericht die Revision zugelassen.
II.
Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.
Das Landgericht ist, anders als das Berufungsgericht meint, nicht in er- gänzender, sondern in einfacher Vertragsauslegung (§§ 133, 157 BGB) zu der Auffassung gelangt, die vertragliche Stundungsvereinbarung erfasse auch den Fall der Bestimmung der Leistung durch Urteil (§ 319 Abs. 1 BGB). Denn das Landgericht hat eine Lücke im Vertrag aus der maßgeblichen Sicht der Klägerin als Erklärungsempfängerin (§ 130 BGB) verneint und den Parteiwillen aus dem Sinn des ausdrücklich Vereinbarten erschlossen. Danach sollten die Beklagten den vorläufigen Kaufpreis entrichten und die Grundstücke bis zum Ablauf des dritten Monats nach Abschluß der Nachbewertung zinslos nutzen. Dem schließt sich der Senat an, wozu er, da tatsächliche Feststellungen nicht mehr erforderlich sind, befugt ist (BGHZ 65, 107, 112). Der Vertrag legt die Fälligkeit der Leistung auf einen Zeitpunkt fest, der der verbindlichen Bestimmung der Leistungshöhe, sei es durch Einigung der Parteien, sei es durch die Erklärung des Schiedsgutachters nach § 318 Abs. 1 BGB, mit einer Frist von drei Monaten folgt. Dies gilt auch im Falle der Bestimmung der Leistung durch gerichtliches Gestaltungsurteil (Senatsurt. v. 24. November 1995, V ZR 174/94, NJW 1996, 1054), das, wie hier, die offenbar unbillige Bestimmung des Gutachters ersetzt. Beide Parteien hatten das Schiedsgutachten für offenbar unbillig gehalten. Die gerichtliche Bestimmung war auf die Widerklage der Klägerin (damaliger Beklagten) erfolgt. Erst danach stand fest, was die Beklagten schuldeten. Eine in der Höhe ungewisse Schuld entzog sich der Verzinsung. Auf die Frage nach den Voraussetzungen des § 452 BGB a.F. kommt es mithin nicht an.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Wenzel Tropf Klein Lemke Schmidt-Räntsch

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Die Vorschriften dieses Untertitels über den Kauf von Grundstücken finden auf den Kauf von eingetragenen Schiffen und Schiffsbauwerken entsprechende Anwendung.
Bei der Auslegung einer Willenserklärung ist der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften.
Verträge sind so auszulegen, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.
(1) Soll der Dritte die Leistung nach billigem Ermessen bestimmen, so ist die getroffene Bestimmung für die Vertragschließenden nicht verbindlich, wenn sie offenbar unbillig ist. Die Bestimmung erfolgt in diesem Falle durch Urteil; das Gleiche gilt, wenn der Dritte die Bestimmung nicht treffen kann oder will oder wenn er sie verzögert.
(2) Soll der Dritte die Bestimmung nach freiem Belieben treffen, so ist der Vertrag unwirksam, wenn der Dritte die Bestimmung nicht treffen kann oder will oder wenn er sie verzögert.
(1) Eine Willenserklärung, die einem anderen gegenüber abzugeben ist, wird, wenn sie in dessen Abwesenheit abgegeben wird, in dem Zeitpunkt wirksam, in welchem sie ihm zugeht. Sie wird nicht wirksam, wenn dem anderen vorher oder gleichzeitig ein Widerruf zugeht.
(2) Auf die Wirksamkeit der Willenserklärung ist es ohne Einfluss, wenn der Erklärende nach der Abgabe stirbt oder geschäftsunfähig wird.
(3) Diese Vorschriften finden auch dann Anwendung, wenn die Willenserklärung einer Behörde gegenüber abzugeben ist.
(1) Die einem Dritten überlassene Bestimmung der Leistung erfolgt durch Erklärung gegenüber einem der Vertragschließenden.
(2) Die Anfechtung der getroffenen Bestimmung wegen Irrtums, Drohung oder arglistiger Täuschung steht nur den Vertragschließenden zu; Anfechtungsgegner ist der andere Teil. Die Anfechtung muss unverzüglich erfolgen, nachdem der Anfechtungsberechtigte von dem Anfechtungsgrund Kenntnis erlangt hat. Sie ist ausgeschlossen, wenn 30 Jahre verstrichen sind, nachdem die Bestimmung getroffen worden ist.
Die Vorschriften dieses Untertitels über den Kauf von Grundstücken finden auf den Kauf von eingetragenen Schiffen und Schiffsbauwerken entsprechende Anwendung.
(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.
(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.
(3) (weggefallen)