Bundesgerichtshof Urteil, 19. Juli 2002 - V ZR 240/01

bei uns veröffentlicht am19.07.2002

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
V ZR 240/01 Verkündet am:
19. Juli 2002
K a n i k ,
Justizamtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Die im Fall des entgeltlichen Erwerbs eines Grundstücks bei einem besonders groben
Mißverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung bestehende tatsächliche
Vermutung für eine verwerfliche Gesinnung des Begünstigten ist erschüttert, wenn
sich die Vertragsparteien in sachgerechter, eine Übervorteilung regelmäßig ausschließender
Weise um die Ermittlung eines den Umständen nach angemessenen
Leistungsverhältnisses bemüht haben.
BGH, Urt. v. 19. Juli 2002 - V ZR 240/01 - OLG München
LG Passau
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 19. Juli 2002 durch den Vizepräsidenten des Bundesgerichtshofes
Dr. Wenzel und die Richter Tropf, Dr. Klein, Dr. Lemke und Dr. Gaier

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten und die Anschluûrevision des Klägers wird das Urteil des 8. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 26. April 2001 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung , auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Der 1924 geborene Kläger war Eigentümer mehrerer Grundstücke, die zu einem landwirtschaftlichen Betrieb gehören und von denen eines mit einem Wohnhaus und mit Wirtschaftsgebäuden bebaut ist. Das Eigentum hatte der Kläger nach dem Tod seiner Ehefrau 1995 im Wege der Erbfolge zu ¾ erlangt und anschlieûend die Erbteile seiner Miterben erworben. Mit notarieller Urkunde vom 6. Dezember 1996, teilweise abgeändert durch Nachtragsurkunde vom 11. Dezember 1996, veräuûerte der Kläger, dessen Ehe kinderlos geblieben war, die Grundstücke nebst landwirtschaftlichem Inventar sowie dem Milchkontingent an die Beklagten. Als Barkaufpreis wurden 130.000 DM vereinbart. Au-
ûerdem ist unter dem Abschnitt "Kaufpreis" in der Vertragsurkunde bestimmt, daû die Beklagten die Zahlung einer wertgesicherten Leibrente von monatlich zunächst 1.450 DM, nach Zahlung von insgesamt 70.000 DM nur noch 500 DM, schulden und der Kläger ein alleiniges und ausschlieûliches Wohnungsrecht an der Wohnung im Hauptgebäude sowie ein Mitbenutzungsrecht an den Gemeinschaftseinrichtungen und dem Garten erhält. Zur Sicherung dieser Rechte wurden eine beschränkte persönliche Dienstbarkeit und eine Reallast bestellt. Die Beklagten übernahmen in der notariellen Urkunde ferner die Kosten für die Beerdigung des Klägers und für die Pflege seines Grabes. Sie wurden am 15. Juli 1997 als Eigentümer der Grundstücke in das Grundbuch eingetragen.
Der Kläger macht geltend, der zwischen ihm und den Beklagten geschlossene Vertrag sei wegen Wuchers, in jedem Falle aber wegen Sittenwidrigkeit nichtig. Er hat behauptet, der Wert der Grundstücke und des Inventars habe sich auf mindestens 800.000 DM belaufen, während die Beklagten für die von ihnen geschuldeten Leistungen über die 130.000 DM für den Barkaufpreis hinaus nur noch weitere 270.000 DM hätten aufwenden müssen. Die Beklagten hätten ausgenutzt, daû er zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses physisch und psychisch nicht in der Lage gewesen sei, sachgerechte Entscheidungen zu treffen. Mit dem Hauptantrag hat der Kläger von den Beklagten - jeweils Zug um Zug gegen Rückzahlung des Barkaufpreises und bereits gezahlter Leibrenten in Höhe von zusammen 164.800 DM - verlangt, seiner Wiedereintragung als Eigentümer der Grundstücke im Wege der Grundbuchberichtigung zuzustimmen, hilfsweise, die Grundstücke an ihn aufzulassen. Das Landgericht hat der Klage im Hauptantrag stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht insoweit die Klage abgewiesen, die Beklagten je-
doch auf den Hilfsantrag zur Rückauflassung verurteilt. Mit der Revision verfolgen die Beklagten ihr Ziel vollständiger Klageabweisung weiter. Der Kläger beantragt die Zurückweisung der Revision und erstrebt mit der Anschluûrevision die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils. Die Beklagten beantragen die Zurückweisung der Anschluûrevision.

Entscheidungsgründe:


I.


Das Berufungsgericht bejaht ein grobes Miûverhältnis zwischen der Leistung des Klägers und der Gegenleistung der Beklagten. Es stehe allerdings nicht fest, daû die Beklagten einen Mangel an Urteilsvermögen und eine erhebliche Willensschwäche des Klägers ausgebeutet hätten. Trotz der Zeugenaussage des ihn behandelnden Arztes sei nicht auszuschlieûen, daû der Kläger in dem Bestreben, die Nachfolge in sein Vermögen zu regeln, seine körperlichen und seelischen Beschwerden überwunden und den Vertrag mit den Beklagten bei ausreichendem Urteilsvermögen geschlossen habe. Die Nachtragsbeurkundung zeige, daû der Kläger nicht nur in der Lage gewesen sei, das Ergebnis der Beurkundung zu kontrollieren, sondern auch seine Interessen habe durchsetzen können. Der zwischen den Parteien geschlossene Kaufvertrag sei jedoch als wucherähnliches Geschäft nach § 138 Abs. 1 BGB nichtig. Das besonders grobe Miûverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung lasse den Schluû auf eine verwerfliche Gesinnung der Beklagten zu. Gestützt werde diese Schluûfolgerung namentlich durch den Umstand, daû es dem Kl äger in einer Position der Verhandlungsschwäche und bei zugleich einge-
schränkter körperlicher und psychischer Leistungsfähigkeit nicht gelungen sei, sich von den Wertvorstellungen, die Grundlage der Erbauseinandersetzung gewesen seien, zu lösen. Von den Beklagten sei diese eingeengte Position des Klägers zu ihrem Vorteil ausgenutzt worden.
Dies hält einer revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand.

II.


Die Revision wendet sich mit Erfolg gegen die Auffassung des Berufungsgerichts , die Voraussetzungen eines wucherähnlichen, nach § 138 Abs. 1 BGB nichtigen Geschäfts seien gegeben. Die vom Berufungsgericht bislang getroffenen Feststellungen tragen diese Annahme nicht, weshalb das Berufungsurteil , soweit es die Verurteilung der Beklagten auf den Hilfsantrag betrifft, der Aufhebung unterliegt (§ 564 Abs. 1 ZPO a.F.).
1. Allerdings verkennt das Berufungsgericht bei Prüfung des Bereicherungsanspruchs (§ 812 Abs. 1 Satz 1 BGB), der Gegenstand des Hilfsantrags ist, im Ansatz die ständige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes nicht. Danach kann ein auf den entgeltlichen Erwerb eines Grundstücks gerichtetes Rechtsgeschäft, das den Wuchertatbestand des § 138 Abs. 2 BGB nicht in allen Punkten erfüllt, auch dann gegen die guten Sitten verstoûen und damit nach § 138 Abs. 1 BGB nichtig sein, wenn ein auffälliges Miûverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung besteht und weitere Umstände hinzutreten, insbesondere der Begünstigte aus verwerflicher Gesinnung gehandelt hat (vgl. nur Senat, BGHZ 146, 298, 301).

2. Nicht zu beanstanden ist ferner, daû das Berufungsgericht den zwischen den Parteien geschlossenen Vertrag als ein auf Leistungsaustausch gerichtetes Rechtsgeschäft angesehen hat. Eine gemischte Schenkung, von der die Revision ausgehen will, setzt eine Einigung der Parteien über die teilweise Unentgeltlichkeit voraus (BGHZ 82, 274, 281; BGH, Urt. v. 6. März 1996, IV ZR 374/94, NJW-RR 1996, 754, 755). Eine solche Einigung verneint das Berufungsgericht frei von Rechtsfehlern. Die Revision verweist nicht auf Vorbringen in den Tatsacheninstanzen, das eine andere Feststellung tragen könnte. Vielmehr ist im Gegenteil eine Schenkung selbst nach dem Tatsachenvortrag auszuschlieûen, den die Revision anführt. Die Beklagten sollen danach nämlich ein Schenkungsangebot des Klägers ausdrücklich abgelehnt haben, worauf sich die Parteien auf einen Kauf einigten und sich unter Hinzuziehung eines Rechtsanwalts bemühten, einen angemessenen Kaufpreis auszuhandeln.
3. Mit Erfolg rügt die Revision hingegen, daû das Berufungsgericht verfahrensfehlerhaft (§ 286 ZPO) keine Feststellungen zum Wert der Gegenleistung der Beklagten getroffen hat, obwohl dieser Umstand im Hinblick auf die Prüfung eines auffälligen Miûverhältnisses der wechselseitigen Leistungen entscheidungserheblich ist. Schon deshalb kann das Berufungsurteil keinen Bestand haben.
4. Darüber hinaus ist auch die Feststellung des Berufungsgerichts, die Beklagten hätten bei Abschluû des Kaufvertrages mit verwerflicher Gesinnung gehandelt, nicht frei von Rechtsfehlern.

a) Der Senat hält unverändert daran fest, daû für die Sittenwidrigkeit eines wucherähnlichen Geschäfts auch subjektive Merkmale entscheidend sind. Für die Annahme, diese Voraussetzung sei zugunsten eines der "laesio enormis" des gemeinen Rechts entsprechenden Ergebnisses aufgegeben (so Flume , ZIP 2001, 1621; anders aber Lorenz, Anm. zu LM § 138 [D] Nr. 3; Bork, JZ 2001, 1138, 1139), gibt auch das Urteil des Senats vom 19. Januar 2001 (BGHZ 146, 298) keine Grundlage. Die Entscheidung befaût sich im Gegenteil gerade mit der Frage, welche objektiven Umstände den Schluû auf das subjektive Merkmal der verwerflichen Gesinnung zulassen. Eine solche Schluûfolgerung ist aufgrund eines besonders groben Äquivalenzmiûverhältnisses selbst dann möglich, wenn der Begünstigte keine Kenntnis von den Wertverhältnissen hatte (Senat, aaO, 303). Es handelt sich jedenfalls um eine beweiserleichternde tatsächliche Vermutung, die vom Tatrichter im Bereich der Beweiswürdigung zu berücksichtigen ist. Die Voraussetzungen für die Anwendung dieser Regel sind zwar im vorliegenden Fall erfüllt, die tatsächliche Vermutung kann aber durch besondere Umstände erschüttert sein und damit nicht die Schluûfolgerung auf eine verwerfliche Gesinnung eröffnen. Solche Umstände können sich namentlich aus sachgerechten, eine Übervorteilung regelmäûig ausschlieûenden Bemühungen zur Ermittlung eines den Umständen nach angemessenen Leistungsverhältnisses ergeben, wie etwa bei einem (fehlerhaften) Verkehrswertgutachten als Grundlage der Kaufpreisbemessung (Senat, BGHZ 146, 298, 305; Urt. v. 21. März 1997, V ZR 355/95, WM 1997, 1155, 1156).

b) Dies hat das Berufungsgericht nicht beachtet, als es von einem besonders groben Miûverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung auf die verwerfliche Gesinnung der Beklagten geschlossen hat. Zu Recht rügt die Revision , daû von dem Berufungsgericht entgegen § 286 ZPO das - unter Be-
weisantritt gestellte und vom Kläger bestrittene - Vorbringen der Beklagten zu den Umständen des Vertragsschlusses nicht berücksichtigt worden ist. Hiernach soll der Kläger ihnen, den Beklagten, zunächst eine Schenkung angeboten haben, um so - dem Wunsch seiner verstorbenen Ehefrau entsprechend - Erhalt und Fortführung des Hofes zu sichern. Sie hätten die Schenkung jedoch nicht annehmen wollen, worauf der Kläger einen Rechtsanwalt seines Vertrauens gebeten habe, einen für alle akzeptablen Kaufpreis vorzuschlagen. Unter Mitwirkung dieses Rechtsanwalts sei dann auf der Grundlage des vom Kläger selbst genannten und für die Erbauseinandersetzung zugrunde gelegten Nachlaûwerts von 500.000 DM sowie unter Berücksichtigung bereits aus dem Erbe getätigter Schenkungen und Zahlungen die von ihnen geschuldete Gegenleistung ermittelt worden.
Gelingt den beweisbelasteten Beklagten (vgl. Senat, BGHZ 146, 298, 305) hierfür der Beweis, so ist für die Annahme einer verwerflichen Gesinnung der Beklagten kein Raum. Selbst wenn der Kläger nur unter dem Zwang der Verhältnisse oder bei Vorliegen eines der in § 138 Abs. 2 BGB genannten Merkmale, insbesondere unter Beeinträchtigung seiner Entscheidungsfreiheit aus gesundheitlichen Gründen, einen ungünstigen Vertrag abgeschlossen haben sollte, hätten sich die Beklagten der Einsicht dieses Umstands nicht leichtfertig verschlossen. Die Beklagten haben den gesamten Umständen nach die erforderliche Sorgfalt nicht in ungewöhnlich groûem Maûe dadurch verletzt, daû sie schon einfachste, naheliegende Überlegungen unterlassen und das nicht beachtet haben, was im gegebenen Fall jedem einleuchten muûte (vgl. BGHZ 10, 14, 16; 89, 153, 161). Wegen des keineswegs unvernünftigen Motivs des Klägers, insbesondere aber wegen der Beratung durch einen Rechtsanwalt seines Vertrauens und der aus ihrer Sicht vernünftigen und nachvollziehbaren
Ermittlung des Kaufpreises nach dem Nachlaûwert, konnten die Beklagten, ohne sich dem Vorwurf der Leichtfertigkeit auszusetzen, nicht davon ausgehen, daû sich der Kläger nur wegen einer Zwangslage oder einer vergleichbaren Schwächesituation auf das Geschäft mit ihnen einlieû. Zwar will das Berufungsgericht ersichtlich davon ausgehen, daû es dem Kläger gelungen war, bei der Auseinandersetzung mit den anderen Erben einen deutlich zu niedrigen Nachlaûwert zugrunde zu legen, Anhaltspunkte dafür, daû dies den Beklagten auch nur hätte bekannt sein müssen, sind indes nicht festgestellt.

III.


Auf die Anschluûrevision des Klägers ist das angefochtene Urteil auch insoweit aufzuheben, als es die Abweisung der Klage im Hauptantrag zum Gegenstand hat.
1. Die unselbständige Anschluûrevision ist zulässig. Ihrer akzessorischen Natur ist bereits dann Rechnung getragen, wenn sie in einem unmittelbaren rechtlichen oder wirtschaftlichen Zusammenhang mit dem von der Revision erfaûten Streitgegenstand steht (BGHZ 148, 156, 159). Dies zumindest ist vorliegend der Fall, weil Anschluûrevision und Revision den Haupt- bzw. Hilfsantrag einer auf denselben Lebenssachverhalt gestützten Klage zum Gegenstand haben (vgl. BGHZ aaO, 164 f; ähnlich auch BGH, Urt. v. 30. April 2001, II ZR 322/99, NJW-RR 2001, 1177, 1178). Soweit der Entscheidung des Senats vom 26. Januar 2001 (V ZR 462/99, Umdruck S. 13, insoweit in BGHReport 2001, 450 nicht abgedruckt) anderes entnommen werden könnte, wird daran nicht festgehalten.

2. Ohne Erfolg rügt die Anschluûrevision eine Unvollständigkeit der Entscheidungsgründe insoweit, als sich das Berufungsgericht mit dem Hauptantrag des Klägers befaût. Aufgrund welcher Erwägungen das Berufungsgericht die Klage im Hauptantrag für nicht begründet erachtet, kann vielmehr den Entscheidungsgründen entnommen werden. Dort ist nämlich ausgeführt, die Ausbeutung eines Mangels an Urteilsvermögen und einer erheblichen Willensschwäche des Klägers könne nicht festgestellt werden. Dies bezieht sich zweifelsfrei auf die subjektiven Tatbestandsvoraussetzungen des Wuchers (§ 138 Abs. 2 BGB), aus dem der Kläger seinen Hauptantrag mit dem Ziel der Grundbuchberichtigung herleitet.
3. Dagegen sind dem Berufungsgericht bei seiner Würdigung der erhobenen Beweise Rechtsfehler unterlaufen.

a) Allerdings hat das Berufungsgericht entgegen der weiteren Rüge der Anschluûrevision bei Würdigung der Aussage des (sachverständigen) Zeugen Dr. N. nicht gegen § 398 Abs. 1, § 523 ZPO a.F. verstoûen. Zwar ist hiernach die erneute Vernehmung eines Zeugen erforderlich, wenn das Berufungsgericht dessen protokollierte Aussage anders verstehen oder werten will als die Vorinstanz (st. Rechtspr., s. nur BGH, Urt. v. 3. April 2001, XI ZR 223/00, NJW-RR 2001, 1430 m.w.N.). Im vorliegenden Fall ist das Berufungsgericht jedoch nicht im geschilderten Sinne von der Einschätzung des erstinstanzlichen Gerichts abgewichen. Es hat lediglich den Bekundungen des Zeugen keine entscheidenden Erkenntnisse entnehmen können, weil der Kläger sich gegenüber dem Zeugen nicht zu den Problemen bei der Nachfolge in sein Vermögen geäuûert hatte. Dem Berufungsgericht hat danach der objektive
Beweiswert der als wahr unterstellten Aussage des Zeugen Dr. N. nicht ausgereicht , um die Beweisfrage zu bejahen. Unter diesen Umständen war eine Wiederholung der Beweisaufnahme entbehrlich (vgl. BGH, Urt. v. 12. November 1991, VI ZR 369/90, NJW 1992, 741, 742; Urt. v. 2. Juni 1999, VIII ZR 112/98, NJW 1999, 2972, 2974).

b) Die Würdigung der Aussage des Zeugen Dr. N. durch das Berufungsgericht verstöût auch nicht gegen die Denkgesetze. Das Berufungsgericht hat nicht etwa, wie die Anschluûrevision meint, aus dem Umstand, daû der Kläger mit dem ihn behandelnden Arzt keine Gespräche über seine Vermögensnachfolge führte, den Schluû gezogen, er habe seine physische und psychische Schwäche überwunden. Vielmehr ist das Berufungsgericht nur davon ausgegangen, daû die Aussage des Zeugen mangels solcher Unterredungen ein ausreichendes Urteilsvermögen des Klägers bei Regelung seiner Vermögensfragen nicht ausschlieûen könne.

c) Die Beweiswürdigung ist jedoch deshalb rechtsfehlerhaft, weil sich das Berufungsgericht - was der Senat von Amts wegen zu prüfen hat - mit dem Sachverhalt und den Beweisergebnissen nicht widerspruchsfrei auseinandergesetzt hat (vgl. Senat, Urt. v. 9. Juli 1999, V ZR 12/98, NJW 1999, 3481, 3482; BGH, Urt. v. 14. Januar 1993, IX ZR 238/91, NJW 1993, 935, 937). Bei Erörterung der subjektiven Voraussetzungen des Wuchers gelangt das Berufungsgericht zu dem Ergebnis, der Kläger habe bei Vertragsschluû seine Lage "vernünftig und sachgerecht" beurteilen können, das "Ergebnis kontrolliert" und "hinreichend starken Willen" gehabt, seine Interessen durchzusetzen. Das Berufungsgericht ist hiernach davon ausgegangen, daû der Kläger nicht nur über genügende Willensstärke, sondern auch über ausreichendes Urteilsvermögen
verfügte, so daû eine Schwächesituation im Sinne des Wuchertatbestandes ausgeschlossen war. Damit läût sich nicht vereinbaren, daû das Berufungsgericht bei Prüfung des subjektiven Merkmals der Sittenwidrigkeit, für das die in § 138 Abs. 2 BGB genannten Umstände in ihren Auswirkungen auf die freie Willensentschlieûung ebenfalls Bedeutung erlangen (vgl. Senat, BGHZ 146, 298, 302; Urt. v. 21. März 1997, V ZR 355/95, WM 1997, 1155, 1157), feststellt , der Kläger habe sich wegen seiner "Position der Verhandlungsschwäche" und seiner "zugleich eingeschränkten körperlichen und psychischen Leistungsfähigkeit" nicht von den - nun für ihn nachteiligen - Wertvorstellungen lösen können, die Grundlage der von ihm betriebenen Erbauseinandersetzung gewesen seien. Dies besagt aber nichts anderes, als daû der Kläger unfähig war, die Vor- und Nachteile des Vertrages mit den Beklagten vernünftig zu bewerten , also - entgegen der zuvor getroffenen Feststellung - doch ein Mangel an Urteilsvermögen bestand (vgl. Staudinger/Sack, BGB [1996], § 138 Rdn. 209; Erman/Palm, BGB, 10. Aufl., § 138 Rdn. 23).

IV.


Nach alledem ist das Berufungsurteil insgesamt aufzuheben. Die Sache ist an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, damit es unter Beachtung der aufgezeigten rechtlichen Erwägungen die notwendigen Feststellungen treffen kann. Hierbei wird das Berufungsgericht den Beweisangeboten der Beklagten auf Vernehmung der Zeugen H. B. , E. K. , R. K. , Dr. F. und F. P. nachgehen müssen. Können die Beklagten den ihnen obliegenden Beweis erbringen, so wäre damit auch der Wuchertatbestand ausgeschlossen. Die Beklagten waren sich dann nämlich einer etwaigen
Schwächesituation des Klägers jedenfalls nicht bewuût, so daû die subjektiven Voraussetzungen des § 138 Abs. 2 BGB nicht erfüllt sind (vgl. Senat, Urt v. 24. Mai 1985, V ZR 47/84, NJW 1985, 3006, 3007; BGH, Urt. v. 8. Februar 1994, XI ZR 77/93, NJW 1994, 1275). Angesichts der Rügen der Revision weist der Senat für das weitere Verfahren ferner darauf hin, daû die Feststellungen
zum Wert der drei im Berufungsurteil erörterten Grundstücke frei von Rechtsfehlern getroffen sein dürften.
Wenzel Tropf Klein Lemke Gaier

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Urteil, 19. Juli 2002 - V ZR 240/01

Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Urteil, 19. Juli 2002 - V ZR 240/01

Referenzen - Gesetze

Zivilprozessordnung - ZPO | § 286 Freie Beweiswürdigung


(1) Das Gericht hat unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu erachten sei.

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 812 Herausgabeanspruch


(1) Wer durch die Leistung eines anderen oder in sonstiger Weise auf dessen Kosten etwas ohne rechtlichen Grund erlangt, ist ihm zur Herausgabe verpflichtet. Diese Verpflichtung besteht auch dann, wenn der rechtliche Grund später wegfällt oder der mi

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 138 Sittenwidriges Rechtsgeschäft; Wucher


(1) Ein Rechtsgeschäft, das gegen die guten Sitten verstößt, ist nichtig. (2) Nichtig ist insbesondere ein Rechtsgeschäft, durch das jemand unter Ausbeutung der Zwangslage, der Unerfahrenheit, des Mangels an Urteilsvermögen oder der erheblichen W

Zivilprozessordnung - ZPO | § 564 Keine Begründung der Entscheidung bei Rügen von Verfahrensmängeln


Die Entscheidung braucht nicht begründet zu werden, soweit das Revisionsgericht Rügen von Verfahrensmängeln nicht für durchgreifend erachtet. Dies gilt nicht für Rügen nach § 547.
Bundesgerichtshof Urteil, 19. Juli 2002 - V ZR 240/01 zitiert 7 §§.

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(1) Das Gericht hat unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu erachten sei.

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(1) Ein Rechtsgeschäft, das gegen die guten Sitten verstößt, ist nichtig. (2) Nichtig ist insbesondere ein Rechtsgeschäft, durch das jemand unter Ausbeutung der Zwangslage, der Unerfahrenheit, des Mangels an Urteilsvermögen oder der erheblichen W

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Die Entscheidung braucht nicht begründet zu werden, soweit das Revisionsgericht Rügen von Verfahrensmängeln nicht für durchgreifend erachtet. Dies gilt nicht für Rügen nach § 547.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 398 Wiederholte und nachträgliche Vernehmung


(1) Das Prozessgericht kann nach seinem Ermessen die wiederholte Vernehmung eines Zeugen anordnen. (2) Hat ein beauftragter oder ersuchter Richter bei der Vernehmung die Stellung der von einer Partei angeregten Frage verweigert, so kann das Proze

Zivilprozessordnung - ZPO | § 523 Terminsbestimmung


(1) Wird die Berufung nicht nach § 522 durch Beschluss verworfen oder zurückgewiesen, so entscheidet das Berufungsgericht über die Übertragung des Rechtsstreits auf den Einzelrichter. Sodann ist unverzüglich Termin zur mündlichen Verhandlung zu besti

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(1) Ein Rechtsgeschäft, das gegen die guten Sitten verstößt, ist nichtig.

(2) Nichtig ist insbesondere ein Rechtsgeschäft, durch das jemand unter Ausbeutung der Zwangslage, der Unerfahrenheit, des Mangels an Urteilsvermögen oder der erheblichen Willensschwäche eines anderen sich oder einem Dritten für eine Leistung Vermögensvorteile versprechen oder gewähren lässt, die in einem auffälligen Missverhältnis zu der Leistung stehen.

Die Entscheidung braucht nicht begründet zu werden, soweit das Revisionsgericht Rügen von Verfahrensmängeln nicht für durchgreifend erachtet. Dies gilt nicht für Rügen nach § 547.

(1) Wer durch die Leistung eines anderen oder in sonstiger Weise auf dessen Kosten etwas ohne rechtlichen Grund erlangt, ist ihm zur Herausgabe verpflichtet. Diese Verpflichtung besteht auch dann, wenn der rechtliche Grund später wegfällt oder der mit einer Leistung nach dem Inhalt des Rechtsgeschäfts bezweckte Erfolg nicht eintritt.

(2) Als Leistung gilt auch die durch Vertrag erfolgte Anerkennung des Bestehens oder des Nichtbestehens eines Schuldverhältnisses.

(1) Ein Rechtsgeschäft, das gegen die guten Sitten verstößt, ist nichtig.

(2) Nichtig ist insbesondere ein Rechtsgeschäft, durch das jemand unter Ausbeutung der Zwangslage, der Unerfahrenheit, des Mangels an Urteilsvermögen oder der erheblichen Willensschwäche eines anderen sich oder einem Dritten für eine Leistung Vermögensvorteile versprechen oder gewähren lässt, die in einem auffälligen Missverhältnis zu der Leistung stehen.

(1) Das Gericht hat unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu erachten sei. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.

(2) An gesetzliche Beweisregeln ist das Gericht nur in den durch dieses Gesetz bezeichneten Fällen gebunden.

(1) Ein Rechtsgeschäft, das gegen die guten Sitten verstößt, ist nichtig.

(2) Nichtig ist insbesondere ein Rechtsgeschäft, durch das jemand unter Ausbeutung der Zwangslage, der Unerfahrenheit, des Mangels an Urteilsvermögen oder der erheblichen Willensschwäche eines anderen sich oder einem Dritten für eine Leistung Vermögensvorteile versprechen oder gewähren lässt, die in einem auffälligen Missverhältnis zu der Leistung stehen.

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vom 8. Januar 2001 durch den Vorsitzenden Richter Dr. h.c. Röhricht
und die Richter Prof. Dr. Henze, Prof. Dr. Goette, Dr. Kurzwelly und die Richterin
Münke

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Beklagten zu 1 und die Anschlußrevision des Klägers wird das Urteil des 22. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 28. September 1999 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als der Beklagte zu 1 nach dem Hilfsantrag verurteilt und der gegen ihn gerichtete Hauptantrag abgewiesen wurde.
Der Kläger trägt die außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 2 im Revisionsverfahren.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die weiteren Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Der Kläger, Konkursverwalter der Is. AG (i.f.: Gemeinschuldnerin), nimmt den Beklagten (früher Beklagter zu 1; nach rechtskräftigem Ausscheiden des früheren Mitbeklagten zu 2 aus dem Rechtsstreit jetzt der alleinige Beklagte) auf Schadenersatz in Anspruch; als Vorstandsmitglied der Gemeinschuldnerin und zugleich Geschäftsführer der von der Gemeinschuldnerin beherrschten Is. G. GmbH B. : Objekt W. (i.f.: W. GmbH) habe er einen für die W. GmbH nachteiligen Beratervertrag geschlossen, der zu einem Schaden der Gemeinschuldnerin geführt habe.
Der Beklagte war vom 1. Februar 1991 bis 31. August 1993 Vorstand der Gemeinschuldnerin und ab Mai 1992 zugleich Geschäftsführer der - zwischenzeitlich ebenfalls in Konkurs gefallenen - W. GmbH.
Am 6. Mai 1992 schloß die W. GmbH mit der Is. M. GmbH einen Vertrag, wonach diese bestimmte Marketingleistungen für den GewerbeparkB. -W. zu erbringen hatte. Kurz darauf, am 1. Juni 1992, beauftragte die W. GmbH, vertreten durch den Beklagten und seinen früheren Mitbeklagten, auch eine Fa. I. GmbH (i.f.: I. ), deren Alleingesellschafterin und Geschäftsführerin die Zeugin S. war, mit Marketingleistungen für das genannte Objekt. Die I. ihrerseits schloß am 21. Oktober 1992 auch einen Beratervertrag mit dem Beklagten, der jedoch am 30. November 1992 wieder aufgehoben wurde. Von August 1992 bis einschließlich Mai 1993 bezahlte die W.
GmbH der I. das im Vertrag vom 1. Juni 1992 vereinbarte monatliche Honorar von 12.000,-- DM zzgl. Mehrwertsteuer, insgesamt 164.760,-- DM, ferner Spesen in Höhe von 28.669,95 DM. Am 18. November 1993 hoben die I. , die W. GmbH - nun nicht mehr durch den Beklagten vertreten - und die Gemeinschuldnerin den Vertrag vom 1. Juni 1992 wieder auf; im Zuge dieser Vereinbarung erhielt die I. eine Abfindung von 151.800,-- DM. Insgesamt leistete die W. GmbH an die I. damit Zahlungen in Höhe von 345.229,95 DM.
Der Kläger sieht in diesen Zahlungen der W. GmbH einen Schaden (auch) der Gemeinschuldnerin, weil diese der W. GmbH die genannten Beträge darlehensweise zur Verfügung gestellt habe. Eine Rückzahlung seitens der W. GmbH sei wegen deren zwischenzeitlichen Konkurses ausgeschlossen. Der die Ansprüche der I. begründende Beratervertrag mit der W. GmbH sei überflüssig gewesen, denn es habe keine sachliche Notwendigkeit bestanden, neben der Is. M. GmbH noch ein weiteres Marketing-Unternehmen einzuschalten. Der zusätzliche Vertrag sei vielmehr allein mit finanziellen bzw. persönlichen Interessen des Beklagten und seines früheren Mitbeklagten zu erklären, die ihn der I. bzw. deren Alleingesellschafterin S. "zugeschanzt" hätten. Dementsprechend habe die I. auch keine (nennenswerten) Leistungen erbracht.
Der Kläger nimmt deshalb den Beklagten aus § 93 Abs. 2 Satz 1 AktG wegen Verletzung seiner Pflichten als Vorstand der Gemeinschuldnerin in Anspruch. Der Kläger stützt seinen Anspruch ferner darauf, die W. GmbH habe ihre Schadenersatzansprüche aus § 43 Abs. 2 GmbHG an die Gemeinschuldnerin abgetreten.
Das Landgericht hat der - auf Leistung an den Kläger gerichteten - Klage in vollem Umfang stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht , nachdem der Kläger in zweiter Instanz einen Hilfsantrag auf Leistung an die W. GmbH gestellt hatte, die gegen den früheren Beklagten zu 2 gerichtete Klage insgesamt und die gegen den Beklagten zu 1 im Hauptantrag abgewiesen, mithin nur dem Hilfsantrag stattgegeben. Gegen dieses Urteil haben sowohl der Kläger wie auch der Beklagte zu 1 Revision eingelegt ; der Kläger mit dem Ziel auch der Verurteilung des Beklagten zu 2 nach dem Hilfsantrag, der Beklagte zu 1 mit dem Ziel einer Klageabweisung in vollem Umfang. Nach Nichtannahme der Revision des Klägers und Annahme der Revision des Beklagten zu 1 hat der Kläger Anschlußrevision eingelegt, mit der er sich gegen die Abweisung seines gegen den Beklagten zu 1 gerichteten Hauptantrags wendet.

Entscheidungsgründe:


Die Rechtsmittel der Parteien führen zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I. Das Berufungsgericht hat den auf Zahlung an den Kläger gerichteten Hauptantrag in Anlehnung an die Grundsätze des Senatsurteils vom 10. November 1986 (II ZR 140/85, ZIP 1987, 29, 32 ff.) mit der Begründung abgewiesen , durch den Abschluß des Beratervertrages zwischen der W. GmbH und der I. habe der Beklagte zwar aus eigennützigen finanziellen Motiven und zudem in der Absicht, die Zeugin S. z u begünstigen, sowohl seine
Pflichten als Geschäftsführer der W. GmbH als auch als Vorstandsmitglied der Gemeinschuldnerin verletzt. Durch diese schuldhafte Pflichtverletzung sei jedoch unmittelbar nur der W. GmbH, nicht aber auch der Gemeinschuldnerin ein Schaden, dessen Ersatz der Kläger verlangen könne, entstanden. Die Gemeinschuldnerin als Muttergesellschaft der W. GmbH habe lediglich einen mittelbaren Schaden erlitten, der grundsätzlich nur durch Ersatzleistung in das Vermögen der geschädigten Tochtergesellschaft auszugleichen sei. Voraussetzung für einen eigenen Schaden sei, daß die Muttergesellschaft den Schaden ihrer Tochtergesellschaft endgültig unter Verzicht auf Aufwendungsersatz und Rückzahlung ausgeglichen habe. Diese Voraussetzung sei im vorliegenden Fall nicht erfüllt. Der von der Gemeinschuldnerin zur Befriedigung der Forderungen der I. gezahlte Betrag sei der W. GmbH nur als Darlehen zur Verfügung gestellt worden, das zudem angesichts der wirtschaftlichen Situation der W. GmbH eigenkapitalersetzenden Charakter gehabt habe und damit lediglich der allgemeinen Kapitalzufuhr gedient habe. Überdies komme das Verlangen, der Beklagte als Schädiger solle der Gemeinschuldnerin Ersatz für die von der W. GmbH getätigten Aufwendungen leisten , im Ergebnis der Forderung nach einer durch §§ 30, 31, insbesondere § 31 a GmbHG (gemeint wohl § 32 a GmbHG) verbotenen Rückzahlung eines eigenkapitalersetzenden Darlehens gleich.
II. Diese Ausführungen halten den Angriffen der Revision in mehrfacher Hinsicht nicht stand.
Das Berufungsgericht hat die Bedeutung des von der Gemeinschuldnerin zum Ausgleich des der W. GmbH entstandenen Schadens hingegebenen - wie für die Revisionsinstanz zu unterstellen - eigenkapitalersetzenden
Darlehens für die Entstehung eines eigenen ersatzfähigen Schadens der Gemeinschuldnerin nicht zutreffend gewürdigt.
Infolge der Eigenkapitalersatzfunktion werden die vom Gesellschafter als Darlehen eingeschossenen Mittel zugunsten der Gesellschaft und ihrer Gläubiger wie haftendes Eigenkapital behandelt. Dies gilt zwar zunächst nur für die Dauer der Krise der Gesellschaft bis zu einer nachhaltigen Wiederherstellung ihres Stammkapitals, führt also im Ergebnis nur zu einer (Zwangs-)Stundung. Wenn jedoch wie im vorliegenden Fall die Empfängerin der eigenkapitalersetzenden Leistung in Konkurs gefallen ist, kann nach aller Wahrscheinlichkeit nicht mehr mit ihrer nachhaltigen Gesundung gerechnet werden. Die als eigenkapitalersetzende Darlehen eingeschossenen Mittel sind damit nicht anders als ein - auch als solcher deklarierter - Eigenkapitalnachschuß verloren. Da ein solcher Nachschuß nach der auch vom Berufungsgericht herangezogenen Rechtsprechung des Senats einen eigenen ersatzfähigen Schaden des Mutterunternehmens begründen würde, kann für das infolge Eingreifens der Eigenkapitalersatzregeln in gleicher Weise gebundene Darlehen im Ergebnis nichts anderes gelten.
Da die zugunsten der W. GmbH geleisteten Zahlungen der Gemeinschuldnerin gezielt zum Ausgleich des dieser Gesellschaft von dem Beklagten zugefügten Schadens erfolgten, kann auch an dem Bestehen eines adäquaten Kausalzusammenhangs zwischen der Schädigung der W. GmbH durch den Beklagten, der Leistung dieser Mittel in das Vermögen der W. GmbH zum Ausgleich dieser Schädigung und dem endgültigen Verlust dieser Mittel kein ernsthafter Zweifel bestehen. Jedenfalls bei Hingabe eigenkapitalersetzender Mittel zum Ausgleich eines entstandenen Verlustes ist stets mit deren endgülti-
ger Bindung zu rechnen. Ob dasselbe auch für ein zum Verlustausgleich hingegebenes Darlehen zu gelten hätte, das einer gesunden Tochtergesellschaft, die erst später aufgrund von Umständen, mit denen im Zeitpunkt der Darlehensgewährung nicht zu rechnen war, in Vermögensverfall geraten ist, braucht an dieser Stelle nicht entschieden zu werden.
Jedenfalls unter den im vorliegenden Fall gegebenen Umständen setzt die Geltendmachung eines unmittelbaren Ausgleichsanspruchs des Klägers gegen den Beklagten diesen auch nicht der Gefahr einer doppelten Inanspruchnahme aus. Infolge der Nichtrückzahlbarkeit der von der Gemeinschuldnerin zum Ausgleich des Schadens der W. GmbH geleisteten Mittel ist ein Schaden der W. GmbH, den diese gegen den Beklagten geltend machen könnte, nicht mehr vorhanden.
Überdies ist, wie das Berufungsgericht selber ausführt, ein eigener zusätzlicher Schadenersatzanspruch der W. GmbH auch schon aufgrund der Besonderheiten des vorliegenden Falles ausgeschlossen.
Nur schwer verständlich ist die Annahme des Berufungsgerichts, die Leistung von Schadenersatz an den Kläger verstieße gegen die Eigenkapitalersatzregeln (§§ 30, 31 GmbHG in entsprechender Anwendung; § 32 a GmbHG). Diese Regeln bezwecken ausschließlich die Erhaltung des für die Befriedigung der Gläubiger der Gesellschaft zur Verfügung stehenden Gesellschaftsvermögens. Durch eine Ersatzleistung des Beklagten an den Kläger fließen aus dem Vermögen der W. GmbH keine Mittel ab, die anderenfalls zur Befriedigung der Gläubiger dieser Gesellschaft zur Verfügung stünden. Aus den oben bereits ausgeführten Gründen ist auch nicht zu besorgen, daß durch
eine Ersatzleistung des Beklagten an den Kläger eigene Schadenersatzansprüche der W. GmbH gegen den Kläger untergehen und auf diesem Wege die den Gläubigern der W. GmbH zur Verfügung stehende Haftungsmasse verringert würde.
Nach alledem ist für eine Verurteilung des Beklagten nach dem auf Schadenersatzleistung an die W. GmbH gerichteten (durch das Berufungsgericht selbst veranlaßten) Hilfsantrag kein Raum, so daß das angegriffene Urteil schon aus diesem Grunde keinen Bestand haben kann.
III. Bei dieser Sach- und Rechtslage muß auch die Anschlußrevision Erfolg haben, die sich gegen die Abweisung des auf Zahlung an den Kläger als Konkursverwalter über das Vermögen der Gemeinschuldnerin gerichteten Hauptantrages wendet.
Die Anschlußrevision ist zulässig. Sie ist zwar, weil nach Ablauf der Revisionsfrist eingelegt, unselbständig. Nach Lage des Falles kann ihre Zulässigkeit jedoch nicht daran scheitern, daß die Abweisung des Hauptantrages bereits rechtskräftig geworden und damit einer Revision nicht mehr zugänglich wäre. Sowohl der Haupt- als auch der Hilfsantrag haben letztlich ein und dasselbe Klagebegehren zum Gegenstand, nämlich die Verurteilung des Beklagten auf Leistung von Schadenersatz zugunsten der Gemeinschuldnerin wegen schuldhafter Verletzung seiner Vorstandspflichten (§ 93 Abs. 2 AktG). Mit beiden Anträgen wird also derselbe Schadenersatzanspruch gegen denselben Beklagten geltend gemacht, einmal in Form der Kompensation des Schadens der Muttergesellschaft durch Zahlung direkt an sie (wenn sie das Vermögen
der Tochter zwischenzeitlich aus eigenen Mitteln aufgefüllt hatte), zum anderen durch Ausgleich des Schadens der Muttergesellschaft durch Wiederauffüllung des Vermögens der Tochtergesellschaft.
Die Begründetheit auch der Anschlußrevision folgt bereits aus den Ausführungen oben unter II; danach kommt nach dem im Revisionsverfahren zu unterstellenden Sachverhalt nur eine Verurteilung des Beklagten zur Leistung an den Kläger als Konkursverwalter der Gemeinschuldnerin entsprechend dem vom Kläger gestellten Hauptantrag in Betracht.
IV. Die danach erforderliche Zurückverweisung der Sache gibt dem Berufungsgericht zugleich Gelegenheit, sich auch mit den Angriffen der Revision gegen die Annahme einer schuldhaften Pflichtverletzung des Beklagten und eines dadurch entstandenen Schadens auseinanderzusetzen. Dies gilt insbesondere für die von der Revision erhobene Beanstandung, das Gericht habe den umfangreichen Vortrag des Beklagten zu den von der Zeugin S. ausgeübten Tätigkeiten, namentlich was eine Zusammenarbeit mit den benannten Zeugen Mi. und T. anbelangt, übergangen. Träfe dieses Vorbringen zu, hätte die Zeugin umfangreiche Tätigkeiten für die W. GmbH erbracht, die mit der Annahme einer Pflichtverletzung schwer in Einklang zu bringen wären. Zwar mögen die entsprechenden Behauptungen in den umfangreichen Schriftsätzen vom 7. und 8. Juni 1999 (GA IV, 804 ff. bzw. 832 ff. jeweils mit zahlreichen Anlagen) erst auffällig spät vorgebracht worden sein (vgl. GA IV, 872 ff.); gleichwohl hätte sich das Berufungsgericht mit ihrem Inhalt (und gegebenenfalls mit ihrer Auffälligkeit auch unter Berücksichtigung der anfänglichen Verteidigung des Beklagten) auseinandersetzen und die angebotenen Zeugen hören müssen. Dabei wäre dann auch der Behauptung des Klägers nachzuge-
hen gewesen, die Tätigkeiten der I. seien nicht im Zusammenhang mit dem Beratervertrag mit der W. GmbH, sondern dem Makleralleinauftrag erbracht worden (vgl. z.B. GA IV, 878); gleiches gilt für die Frage, inwiefern das Vorbringen des Beklagten mit der Aussage der Zeugin S. vor dem Landgericht in Einklang zu bringen ist (GA IV, 880). Geboten war auch eine Auseinandersetzung mit dem Vorbringen des Beklagten zur Notwendigkeit einer Koordination zwischen den Aktivitäten in B. und D. .
Zu Recht weist die Revision ferner darauf hin, die von der W. GmbH geleisteten Honorarzahlungen könnten nur dann einen Schaden darstellen, wenn diese sie zweimal aufzubringen hätte. Unterstellt man die vom Beklagten behaupteten umfangreichen Tätigkeiten derI. , läge in deren Bezahlung ein Schaden nur dann, wenn die Marketing GmbH für entsprechende Tätigkeiten ebenfalls Leistungen erhalten oder noch zu beanspruchen hätte. Den diesbezüglichen Vortrag (etwa GA IV, 842) hätte das Berufungsgericht nicht übergehen dürfen. Auch die auf die Aufhebungsvereinbarung vom 18. November 1993 an die I. geleistete Abfindungszahlung von 151.800,-- DM kann mit der bisherigen Begründung nicht ohne weiteres als ersatzfähiger Schaden betrachtet werden. Wenn die Zeugin S. wirklich unqualifiziert war und keine (nennenswerten ) Tätigkeiten zu erbringen hatte bzw. erbrachte, dann wäre es der W. GmbH ohne weiteres möglich gewesen, sich kurzfristig von diesem
Vertrag zu lösen. Unterstellt man hingegen, die I. habe nennenswerte Tätigkeiten erbracht, dann ist es zwar plausibel, wenn der Zeuge L. , um den Schaden der W. GmbH gering zu halten, einen Aufhebungsvertrag abschloß ; fraglich ist jedoch, ob in diesem Falle noch von einer Pflichtverletzung des Beklagten ausgegangen werden kann.

Röhricht Henze Goette
Kurzwelly Münke

(1) Ein Rechtsgeschäft, das gegen die guten Sitten verstößt, ist nichtig.

(2) Nichtig ist insbesondere ein Rechtsgeschäft, durch das jemand unter Ausbeutung der Zwangslage, der Unerfahrenheit, des Mangels an Urteilsvermögen oder der erheblichen Willensschwäche eines anderen sich oder einem Dritten für eine Leistung Vermögensvorteile versprechen oder gewähren lässt, die in einem auffälligen Missverhältnis zu der Leistung stehen.

(1) Das Prozessgericht kann nach seinem Ermessen die wiederholte Vernehmung eines Zeugen anordnen.

(2) Hat ein beauftragter oder ersuchter Richter bei der Vernehmung die Stellung der von einer Partei angeregten Frage verweigert, so kann das Prozessgericht die nachträgliche Vernehmung des Zeugen über diese Frage anordnen.

(3) Bei der wiederholten oder der nachträglichen Vernehmung kann der Richter statt der nochmaligen Beeidigung den Zeugen die Richtigkeit seiner Aussage unter Berufung auf den früher geleisteten Eid versichern lassen.

(1) Wird die Berufung nicht nach § 522 durch Beschluss verworfen oder zurückgewiesen, so entscheidet das Berufungsgericht über die Übertragung des Rechtsstreits auf den Einzelrichter. Sodann ist unverzüglich Termin zur mündlichen Verhandlung zu bestimmen.

(2) Auf die Frist, die zwischen dem Zeitpunkt der Bekanntmachung des Termins und der mündlichen Verhandlung liegen muss, ist § 274 Abs. 3 entsprechend anzuwenden.

(1) Ein Rechtsgeschäft, das gegen die guten Sitten verstößt, ist nichtig.

(2) Nichtig ist insbesondere ein Rechtsgeschäft, durch das jemand unter Ausbeutung der Zwangslage, der Unerfahrenheit, des Mangels an Urteilsvermögen oder der erheblichen Willensschwäche eines anderen sich oder einem Dritten für eine Leistung Vermögensvorteile versprechen oder gewähren lässt, die in einem auffälligen Missverhältnis zu der Leistung stehen.