Bundesgerichtshof Urteil, 01. Aug. 2006 - X ZR 115/04

bei uns veröffentlicht am01.08.2006
vorgehend
Landgericht Köln, 5 O 520/99, 17.12.2002
Oberlandesgericht Köln, 18 U 12/03, 01.07.2004

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X ZR 115/04 Verkündet am:
1. August 2006
Potsch
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
GWB § 97 Abs. 1, 2; VOB/A §§ 21 Nr. 1 Abs. 2, 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. b

a) Die Vorgaben der Ausschreibungsunterlagen für die Angebote sind auch im Verhandlungsverfahren
verbindlich, solange sie nicht vom Auftraggeber transparent
und diskriminierungsfrei gegenüber allen noch in die Verhandlungen einbezogenen
Bietern aufgegeben oder geändert worden sind (Fortführung von Sen.Urt. v.
08.09.1998 - X ZR 99/96, NJW 1998, 3640, 3644; v. 16.12.2003 - X ZR 282/02,
NJW 2004, 2165).

b) Angebote, die eine für die Bieter unzumutbare Vorgabe nicht erfüllen, dürfen nicht
ausgeschlossen werden. Ein Ausschluss kommt danach nicht in Betracht, soweit
die Ausschreibungsbedingungen eine technisch unmögliche Leistung verlangen
(Fortführung von Sen.Beschl. v. 18.02.2003 - X ZB 43/02, NZBau 2003, 293,
295 f.).

c) Werden an den Inhalt der Angebote unerfüllbare Anforderungen gestellt, so muss
die Vergabestelle die Ausschreibung entweder gemäß § 26 Nr. 1 VOB/A aufheben
oder diskriminierungsfrei die Leistungsbeschreibung soweit ändern, wie es erforderlich
ist, um die unerfüllbaren Anforderungen zu beseitigen.
BGB § 276 Fa; VOB/A § 25 Nr. 3

d) Für den Erfolg einer auf positives Interesse gerichteten Schadensersatzklage eines
Bieters nach Erteilung des ausgeschriebenen Auftrags an einen anderen Bieter
ist entscheidend, ob dem klagenden Bieter bei objektiv richtiger Anwendung
der bekanntgemachten Vergabekriterien unter Beachtung des der Vergabestelle
gegebenenfalls zukommenden Wertungsspielraums der Zuschlag erteilt werden
musste (Fortführung von Sen.Urt. v. 05.11.2002 - X ZR 232/00, NZBau 2003, 168;
Urt. v. 16.12.2003 - X ZR 282/02, NJW 2004, 2165).
VOB/A § 25 Nr. 3

e) Bei einer Ausschreibung mit Leistungsprogramm ist es jedenfalls dann unzulässig,
die Preise der Angebote mittels einer Mengenkorrektur zum Zweck der Wertung
vergleichbar zu machen, wenn ein Einfluss der angebotenen Mengen auf die Angebotsbewertung
nicht transparent gemacht worden ist.
BGH, Urt. v. 1. August 2006 - X ZR 115/04 - OLG Köln
LG Köln
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 1. August 2006 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Melullis, den Richter
Keukenschrijver, die Richterinnen Ambrosius und Mühlens und den Richter
Dr. Kirchhoff

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Beklagten wird das am 1. Juli 2004 verkündete Urteil des 18. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln aufgehoben.
Der Rechtsstreit wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Die Klägerin nimmt das beklagte Klinikum auf entgangenen Gewinn wegen Nichterteilung des Auftrags für die Ersatzbeschaffung der Ver- und Entsorgungsanlage (AWT-Anlage) für die medizinischen Einrichtungen der Universität K. in Anspruch.

2
Das Staatliche Bauamt K. I als Vergabestelle schrieb diesen Auftrag im August 1997 europaweit im offenen Verfahren aus. In der "Aufforderung zur Abgabe eines Angebots" waren als Kriterien für die Auftragserteilung unter anderem Preis und Qualität genannt. Der Aufforderung war eine Leistungsbeschreibung mit Leistungsprogramm beigefügt, in der es unter "0.2.1 Pauschalfestpreis" heißt: "Im Rahmen dieses Vertrages ist zum vereinbarten Pauschalpreis in der vereinbarten Zeit eine betrieblich und technisch, nach den Regeln der Technik und nach den baufachlichen Bestimmungen einwandfrei funktionierende Anlage betriebsfertig herzustellen, einzubauen und in Betrieb zu nehmen."
3
Auf diese Ausschreibung gaben außer der Klägerin nur die Unternehmen V. (VA) und D. Angebote ab. Die Angebotssumme aller drei Angebote überstieg jeweils die für die Maßnahme genehmigten Finanzmittel etwa um das Doppelte. Die Vergabestelle hob daraufhin die Ausschreibung auf. Darüber wurden die Bieter mit dem Hinweis informiert, dass nun ein Verhandlungsverfahren durchgeführt werde.
4
In dem Verhandlungsverfahren wurden die drei Bieter aufgefordert, ihre Angebote bei unveränderter Transportaufgabenstellung anhand ihrer fabrikatsspezifischen Besonderheiten zu optimieren und die Anlagenkosten zu minimieren. Ein verändertes Leistungsprogramm wurde nicht erstellt. VA legte ein zweites Angebot mit einer Angebotssumme von 24.237.643,-- DM vor. Das zweite Angebot der Klägerin endete mit einer Angebotssumme von 22.977.414,-- DM, das des dritten Bieters D. mit einem Betrag von 26.145.825,-- DM.

5
Die Vergabestelle hatte die Streithelferin mit der Prüfung der Angebote beauftragt. Die Bewertung der Streithelferin vom 4. Dezember 1997 schloss für die Klägerin und VA jeweils mit dem Fazit: "Unter der Voraussetzung, dass die FTS-spezifischen Forderungen von allen Gewerken erbracht werden, erfüllt das angebotene FTSSystem die gestellten Logistikaufgaben und kann daher empfohlen werden."
6
Hinsichtlich des Angebots von D. kam die Streithelferin zu dem Ergebnis , dass dieses in weiten Teilen nicht den im Leistungsprogramm definierten Anforderungen entspreche.
7
Wegen der Unterschiede zwischen den angebotenen Konzepten der beteiligten Bieter "normierte" die Streithelferin die Angebote zwecks Vergleichbarkeit. Ausgangspunkt waren dafür Mengenansätze, die die Streithelferin aufgrund einer überarbeiteten Planung selbst ermittelt hatte. Soweit die von ihr ermittelten Mengen von den angebotenen Mengen der Bieter abwichen, hat die Streithelferin die Mengendifferenz zu den von dem jeweiligen Bieter angegebenen Einzelpreisen bei den einzelnen Ausschreibungspositionen aus dem Angebotspreis heraus- oder ihm hinzugerechnet. Dies hatte zur Folge, dass sich das Angebot von VA geringfügig, dasjenige der Klägerin hingegen deutlich verteuerte. Daraufhin sprach sich die Streithelferin in ihrer abschließenden Vergabeempfehlung für eine Auftragserteilung an VA aus. Unter dem 16. Dezember 1997 erteilte die Vergabestelle der VA den Auftrag.
8
Die auf Ersatz des infolge Nichterteilung des Auftrags entgangenen Gewinns in Höhe von 1.793.310,26 € gerichtete Klage hat das Landgericht nach Einholung eines Sachverständigengutachtens dem Grunde nach als gerechtfertigt angesehen. Die dagegen gerichtete Berufung des Beklagten wurde zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich der Beklagte mit der vom Senat zugelassenen Revision.

Entscheidungsgründe:


9
Die Revision hat Erfolg. Die Feststellungen des Berufungsgerichts tragen die Verurteilung des Beklagten zum Schadensersatz auf positives Interesse nicht.
10
I. Das Berufungsgericht geht im Einklang mit der Rechtsprechung des Senats davon aus, dass einem Bieter ein Anspruch auf Ersatz des entgangenen Gewinns zustehen kann, wenn er den Auftrag bei ordnungsgemäßer Vergabe hätte erhalten müssen und wenn der ausgeschriebene Auftrag tatsächlich an einen anderen Bieter vergeben worden ist (vgl. Sen.Urt. v. 08.09.1998 - X ZR 99/96, NJW 1998, 3640, 3644; Urt. v. 16.12.2003 - X ZR 282/02, NJW 2004, 2165). Das Berufungsgericht meint, das Angebot der Klägerin sei demjenigen von VA mindestens gleichwertig, so dass dem Angebotspreis maßgebliche Bedeutung zukomme. Die von der Streithelferin vorgenommene "Normierung" der Angebote für den Preisvergleich sei nicht zulässig, weil die Vergabe zu einem Pauschalpreis ausgeschrieben worden sei und infolgedessen der Auftragnehmer das Mengenermittlungsrisiko trage. Bei ordnungsgemäßer Durch- führung des Vergabeverfahrens hätte deshalb der Klägerin der Auftrag erteilt werden müssen.
11
II. Das Berufungsurteil kann keinen Bestand haben. Das Berufungsgericht hat nicht beachtet, dass das Angebot der Klägerin von den Vorgaben der Ausschreibung abweichen kann und nach ständiger Rechtsprechung des Senats gegebenenfalls hätte ausgeschlossen werden müssen. Das Berufungsgericht hätte der Klägerin nicht dem Grunde nach positives Interesse zusprechen dürfen, ohne zuvor die Ausschreibungskonformität ihres Angebots zu prüfen. Anlass zu dieser Prüfung bestand nach dem für die Revision maßgeblichen Sachverhalt unter zwei Aspekten, die jeder für sich gegebenenfalls zu einem Ausschluss des Angebots der Klägerin und zur Abweisung ihrer Schadensersatzklage führen können.
12
1. Der Beklagte hat sowohl vor dem Landgericht wie auch vor dem Berufungsgericht unter Beweisantritt vorgetragen, die Ausschreibung habe ausdrücklich gefordert, dass eine Beendigung der aktuellen Transportaufträge durch die FTS-Fahrzeuge trotz Ausfalls der kompletten Dispositionsebene, also des Rechnersystems, gewährleistet sein müsse; dies sei bei der von der Klägerin gewählten Lösung nach deren Angaben nicht möglich gewesen. Da der Beklagte das auch schon in erster Instanz vorgetragen hatte, stand entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts § 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO der Berücksichtigung dieses Vorbringens nicht entgegen. Sofern es den Ausschluss des Angebots der Klägerin nicht schon wegen Fehlen des Pauschalfestpreises für geboten hielt (dazu unten 2.), hätte das Berufungsgericht deshalb eigene Feststellungen zu der Frage treffen müssen, ob die FTS-Fahrzeuge im Angebot der Klägerin in der Lage sind, ihre Transportaufträge auch bei Rechnerausfall zu beenden. Denn sollte dies nicht der Fall sein, wiche das Angebot der Klägerin von einer zwingenden Anforderung des Leistungsprogramms ab.
13
a) Nach ständiger Rechtsprechung des Senats ist es eine gemäß § 21 Nr. 1 Abs. 2 VOB/A unzulässige Änderung an den Verdingungsunterlagen, wenn das Angebot eines Bieters eine Vorgabe des Leistungsverzeichnisses nicht einhält. Eine solche Abweichung führt - jedenfalls in der Regel - zwingend zum Ausschluss des Angebots von der Wertung gemäß § 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. b VOB/A (vgl. nur Sen.Urt. v. 08.09.1998 - X ZR 85/97, NJW 1998, 3634; Beschl. v. 18.02.2003 - X ZB 43/02, NZBau 2003, 293, 295 f.; zuletzt Urt. v. 24.05.2005 - X ZR 243/02, NZBau 2005, 703). Bei einer funktionalen Ausschreibung tritt an die Stelle des Leistungsverzeichnisses das Leistungsprogramm. Eine Abweichung von dessen verbindlichen Vorgaben stellt nicht anders als eine Abweichung vom Leistungsverzeichnis eine Änderung an den Verdingungsunterlagen dar.
14
Die vom Senat entwickelten Grundsätze zur Behandlung unvollständiger oder geänderter Angebote gelten auch im Verhandlungsverfahren. Zwar ist gemäß § 3a Nr. 1 lit. c VOB/A Wesensmerkmal des Verhandlungsverfahrens, dass der Auftraggeber mit den Bietern über den Auftragsinhalt verhandelt. Transparenz- und Gleichbehandlungsgebot als tragende Grundlagen des Vergaberechts verlangen aber, dass die Anforderungen der Ausschreibungsunterlagen an die Angebote auch im Verhandlung sverfahren verbindlich sind, solange sie nicht vom Auftraggeber transparent und diskriminierungsfrei gegenüber allen noch in die Verhandlungen einbezogenen Bietern aufgegeben oder geändert werden. Für eine Änderung der Anforderungen der Ausschreibung in Bezug auf das Verhalten der FTS-Fahrzeuge bei Rechnerausfall ist auf der Grund- lage des für das Revisionsverfahren maßgeblichen Sachverhalts nichts ersichtlich.
15
Der zwingende Ausschlussgrund der Abweichung von den Verdingungsunterlagen ist im Schadensersatzprozess unabhängig davon zu berücksichtigen , ob sich der Auftraggeber im Vergabeverfahren darauf berufen hat (Sen.Urt. v. 08.09.1998 - X ZR 85/97).
16
b) Das Berufungsgericht wird daher der Klägerin den begehrten Schadensersatz nicht zusprechen können, ohne Feststellungen zum Inhalt der Ausschreibung bezüglich der Fähigkeit der FTS-Fahrzeuge, ihre Transportaufträge bei Rechnerausfall zu beenden, sowie dazu zu treffen, ob das Angebot der Klägerin gegebenenfalls diesen Anforderungen entsprach. Allerdings hat der gerichtliche Sachverständige in seinem vom Berufungsgericht in Bezug genommenen Gutachten die Anforderung zur Beendigung der Fahraufträge bei Rechnerausfall für eine "eigentlich unerfüllbare Forderung" gehalten (GA II 507). War diese Vorgabe der Ausschreibung tatsächlich objektiv nicht erfüllbar, wäre sie für die Bieter unzumutbar mit der Folge, dass Angebote, die sie nicht einhalten, nicht ausgeschlossen werden dürften (vgl. Sen.Beschl. v. 18.02.2003, aaO, 296). Dennoch könnte dann der Klägerin der begehrte Schadensersatz zu versagen sein, wenn sie die Unerfüllbarkeit der Anforderung zur Beendigung der Fahraufträge hätte erkennen müssen. Als Folge davon hätte bei ihr schon vor Abgabe ihres Angebots kein schutzwürdiges Vertrauen mehr darauf bestanden, dass der Beklagte seine für das Leistungsprogramm bestehenden vergaberechtlichen Bindungen einhalten werde. Mangels schutzwürdigen Vertrauens käme dann ein Schadensersatzanspruch der Klägerin nicht in Betracht (Sen. in st. Rspr., vgl. etwa BGHZ 124, 64, 70; Urt. v. 12.06.2001 - X ZR 150/99, NJW 2001, 3698).

17
Sollte es sich bei der Anforderung zur Beendigung der Fahraufträge um eine unerfüllbare Forderung gehandelt haben, begegnet das Ersatzverlangen der Klägerin darüber hinaus einem weiteren Bedenken. In diesem Fall hätte der Beklagte das eingeleitete Vergabeverfahren nicht ohne Weiteres durch Zuschlag beenden dürfen. Er hätte entweder die Ausschreibung gemäß § 26 Nr. 1 VOB/A aufheben oder diskriminierungsfrei das Leistungsprogramm, soweit zur Beseitigung unerfüllbarer Anforderungen erforderlich, ändern und den Bietern angemessene Gelegenheit zur Abgabe neuer Angebote auf der Basis des veränderten Leistungsprogramms geben müssen. In beiden Fällen wäre aber ungewiss , ob die Klägerin danach den Zuschlag erhalten musste, so dass ihr dann auch aus diesem Grund der eingeklagte Schadensersatz nicht zustehen könnte.
18
2. Das Angebot der Klägerin könnte auch unter einem anderen Aspekt zwingend auszuschließen sein. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts , die von keiner Partei in Zweifel gezogen werden, hatten die Bieter das ausgeschriebene Leistungsprogramm zu einem Pauschalpreis anzubieten. Die Revision macht jedoch geltend, der Sachverständige habe ausgeführt, dass sich sowohl die Klägerin als auch VA vorbehalten hätten, erst durch eine Simulation in der Feinplanungsphase die genaue Anzahl der benötigten FTSFahrzeuge zu ermitteln und dann eine Gutschrift oder einen Nachtrag zu erstellen. Die Revision meint zwar, es handele sich insoweit um nicht von dem Pauschalpreis erfasste Zusatzarbeiten. Dafür gibt es jedoch keinen Anhaltspunkt. Vielmehr war die für die betrieblichen Anforderungen des Beklagten erforderliche Anzahl der FTS-Fahrzeuge notwendiger Bestandteil des nachgefragten Leistungsprogramms. Danach war zum vereinbarten Pauschalpreis in der vereinbarten Zeit eine betrieblich und technisch, nach den Regeln der Technik und nach den baufachlichen Bestimmungen einwandfrei funktionierende Anlage betriebsfertig herzustellen, einzubauen und in Betrieb zu nehmen. Das ist ohne die erforderliche Zahl von FTS-Fahrzeugen nicht möglich.
19
Das Berufungsgericht wird daher, sofern es die Klage nicht mangels Erfüllung der Anforderung zur Beendigung der Transportaufträge bei Rechnerausfall abweist, klären müssen, ob die Klägerin zu dem geforderten Pauschalpreis angeboten hat oder ob sie diese Anforderung der Ausschreibung wegen eines Preisvorbehalts hinsichtlich der Zahl der benötigten FTS-Fahrzeuge nicht erfüllt hat. Sollte die Klägerin keinen Pauschalpreis angeboten haben, wäre ihr Angebot zwingend auszuschließen. Es ist nichts dafür dargetan, dass die Angabe eines Pauschalpreises den Bietern im vorliegenden Fall unzumutbar war. Denn sie hätten etwa versuchen können, die benötigte Anzahl der FTS-Fahrzeuge durch Simulationen und Informationsanfragen an den Beklagten zu ermitteln, oder sie hätten in ihr Angebot die erforderlichen Sicherheitsmargen hinsichtlich der Zahl der benötigten Fahrzeuge einkalkulieren können.
20
III. 1. Sollte die Klägerin in schutzwürdiger Weise auf die Einhaltung der VOB/A durch den Beklagten vertraut haben und ihr Angebot nicht auszuschließen sein, so wäre auf der Grundlage des für das Revisionsverfahren maßgeblichen Sachverhalts der Klage ohne Weiteres stattzugeben, ohne dass es auf die von den Parteien erörterten Fragen der Angebotsbewertung ankäme. Denn nach den Feststellungen des Berufungsgerichts steht fest, dass gemäß Ausschreibung ein Hot-stand-by-Rechner gefordert war, VA jedoch (anders als die Klägerin) lediglich einen Cold-stand-by-Rechner angeboten hatte. Das Berufungsgericht erwähnt auch, dass die Streithelferin schon in ihrer ursprünglichen Auswertung bemerkte, dass das Leitstandkonzept von VA mit dem Angebot eines Cold-stand-by-Rechners nicht den gestellten Anforderungen entsprach.
Da das Angebot des dritten Bieters D. laut Angebotsauswertung in weiten Teilen nicht die im Leistungsprogramm definierten Anforderungen erfüllte, wäre in diesem Fall allein das Angebot der Klägerin zu werten gewesen. Nachdem der ausgeschriebene Auftrag jedoch VA erteilt worden ist, wäre der Klägerin dann Schadensersatz in Form des positiven Interesses zuzusprechen, sofern ihr eigenes Angebot gewertet werden durfte und der Beklagte bei ihr schutzwürdiges Vertrauen auf die Einhaltung der VOB/A verletzt hat.
21
2. Im Hinblick auf die vom Berufungsgericht geäußerten Rechtsansichten hält der Senat noch folgende Hinweise für angezeigt:
22
a) Hinsichtlich der Position "1.3.10 Zusatzfördersysteme" meint das Berufungsgericht , die Vergabestelle hätte die Klägerin vor einer abschließenden Entscheidung über die Auftragserteilung darauf hinweisen müssen, dass sie beabsichtige, bei dieser Ausschreibungsposition höhere Anforderungen als nach dem Leistungsprogramm zu stellen. Da dies unterlassen worden sei, hätte die Beklagte die Angebote von VA und der Klägerin insoweit gleich bewerten müssen. Das Leistungsprogramm formuliert zur Position 1.3.10 indes nur Mindestanforderungen. Höhere Leistungen konnten deshalb im Rahmen der qualitativen Bewertung grundsätzlich positiv berücksichtigt werden. Die Qualität der Angebote war in der Aufforderung zur Angebotsabgabe als Vergabekriterium genannt. Der Beklagte hat zu Position 1.3.10 auf eine größere Funktionsfähigkeit und Zuverlässigkeit des Systems von VA infolge redundanter Sicherheitssysteme verwiesen. Allerdings kann die höhere Qualität einer Leistung nur dann wertungsrelevant werden, wenn die angebotene Leistung den Anforderungen der Ausschreibung entspricht und sich nicht als Aliud darstellt. Denn anderenfalls läge eine unzulässige Änderung der Verdingungsunterlagen vor, die jedenfalls bei einem Hauptangebot zum Ausschluss von der Wertung führen müsste.

23
b) Das Berufungsgericht meint, dass die von der Streithelferin für die Vergabestelle vorgenommene "Normierung" der Angebote zwecks Vergleichbarkeit vergaberechtlich unzulässig war. Das überzeugt im Ergebnis, jedoch nicht in allen Teilen der Begründung.
24
Das Berufungsgericht hebt entscheidend auf den Charakter der Vergabe als funktionale Ausschreibung mit Pauschalpreis ab, bei der nach Auftragserteilung Mengenänderungen nicht zu Preisänderungen führten. Die Frage, ob es aufgrund der Art des ausgeschriebenen Vertrags nach dessen Abschluss zu Preisänderungen kommen kann, ist jedoch zu unterscheiden von der Frage, welchem Angebot der Zuschlag gebührt. Auch bei einer funktionalen Ausschreibung mit Pauschalpreis kann es geboten sein, qualitativ unterschiedliche Angebote auf angemessene Weise vergleichbar zu machen. Das ist der Fall, wenn der Preis nicht alleiniges Vergabekriterium ist, sondern etwa auch die Qualität der Leistung. Der Auftraggeber ist dann nicht gehindert, den Zuschlag auf ein ausschreibungskonformes, qualitativ besseres Angebot mit höherem Preis zu erteilen. Um eine objektive Bewertung der Angebote sicher zu stellen, ist es in diesem Fall eine zulässige Methode, Qualitätsunterschiede in geeigneter Weise zu bepreisen und in Form von Zuschlägen oder Abschlägen auf den Angebotspreis zu berücksichtigen.
25
Die im vorliegenden Fall für die Vergabestelle vorgenommene "Normierung" ist jedoch vergaberechtlich unzulässig, weil in intransparenter Weise Preisanpassungen allein auf der Grundlage den Bietern nicht offen gelegter Vergleichszahlen für die nachgefragten Mengen von Systemkomponenten erfolgten. Bei einer Ausschreibung mit Leistungsprogramm ist es jedenfalls dann unzulässig, die Preise der Angebote mittels einer Mengenkorrektur zum Zweck der Wertung vergleichbar zu machen, wenn ein Einfluss der angebotenen Mengen auf die Angebotsbewertung von der Vergabestelle nicht transparent gemacht worden ist. Das Berufungsgericht weist insoweit zutreffend darauf hin, dass bei einer solchen Ausschreibung der Bieter das Mengenermittlungsrisiko trägt, weil er für die Erfüllung der Anforderungen des Leistungsprogramms einzustehen hat. Sollte der nach dem Leistungsprogramm geschuldete Erfolg mit den angebotenen Mengen nicht zu erreichen sein, wäre der erfolgreiche Bieter zur Lieferung der benötigten Menge verpflichtet, ohne dafür eine Anpassung der Vergütung verlangen zu können. Eine zulässige qualitative Bewertung der Angebote kann in der für die Vergabestelle vorgenommenen "Normierung" der Angebote nicht erkannt werden. Eine unterschiedliche Qualität der Angebote wurde vorliegend gerade nicht bepreist.
26
c) Nach Auffassung des Berufungsgerichts muss sich die Vergabestelle an der ursprünglich für sie von der Streithelferin vorgenommenen Angebotsbewertung im Schadensersatzprozess festhalten lassen. Das trifft nicht zu. Zwar ist es, wie der Senat wiederholt entschieden hat, unzulässig, nachträglich weitere Vergabekriterien einzuführen (vgl. Sen.Urt. v. 17.02.1999 - X ZR 101/97, NJW 2000, 137, 139; Urt. v. 03.06.2004 - X ZR 30/03, NZBau 2004, 517). Jedoch ist für den Erfolg einer auf positives Interesse gerichteten Schadensersatzklage eines Bieters nach Erteilung des ausgeschriebenen Auftrags an einen anderen Bieter Voraussetzung, dass dem klagenden Bieter bei objektiv richtiger Anwendung der bekanntgemachten Vergabekriterien unter Beachtung des der Vergabestelle gegebenenfalls zukommenden Wertungsspielraums (vgl. Sen.Urt. v. 06.02.2002 - X ZR 185/99, NJW 2002, 1952, 1954) der Zuschlag erteilt werden musste. Der Vergabestelle ist es nicht verwehrt, sich im Prozess auf die objektiv richtige Bewertung zu berufen.
27
d) Zutreffend hält das Berufungsgericht das Verhandlungsverfahren der Vergabestelle für mangelhaft, weil der Ablauf der Verhandlungen den Bietern nicht mitgeteilt und insbesondere nicht offen gelegt wurde, bis zu welchem Zeitpunkt die Vergabestelle Änderungen akzeptieren werde. Das ist mit dem vergaberechtlichen Transparenzgebot, das auch schon vor Inkrafttreten des § 97 GWB n.F. zu beachten war, unvereinbar.
28
IV. Der Rechtsstreit ist daher zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, dem auch die Entscheidung über die Kosten, einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Streithelferin, übertragen ist.
Melullis Keukenschrijver Ambrosius
Mühlens Kirchhoff
Vorinstanzen:
LG Köln, Entscheidung vom 17.12.2002 - 5 O 520/99 -
OLG Köln, Entscheidung vom 01.07.2004 - 18 U 12/03 -

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Urteil, 01. Aug. 2006 - X ZR 115/04

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Zivilprozessordnung - ZPO | § 531 Zurückgewiesene und neue Angriffs- und Verteidigungsmittel


(1) Angriffs- und Verteidigungsmittel, die im ersten Rechtszuge zu Recht zurückgewiesen worden sind, bleiben ausgeschlossen. (2) Neue Angriffs- und Verteidigungsmittel sind nur zuzulassen, wenn sie1.einen Gesichtspunkt betreffen, der vom Gericht

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 276 Verantwortlichkeit des Schuldners


(1) Der Schuldner hat Vorsatz und Fahrlässigkeit zu vertreten, wenn eine strengere oder mildere Haftung weder bestimmt noch aus dem sonstigen Inhalt des Schuldverhältnisses, insbesondere aus der Übernahme einer Garantie oder eines Beschaffungsrisikos

Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen - GWB | § 97 Grundsätze der Vergabe


(1) Öffentliche Aufträge und Konzessionen werden im Wettbewerb und im Wege transparenter Verfahren vergeben. Dabei werden die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und der Verhältnismäßigkeit gewahrt. (2) Die Teilnehmer an einem Vergabeverfahren sind
Bundesgerichtshof Urteil, 01. Aug. 2006 - X ZR 115/04 zitiert 5 §§.

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(1) Öffentliche Aufträge und Konzessionen werden im Wettbewerb und im Wege transparenter Verfahren vergeben. Dabei werden die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und der Verhältnismäßigkeit gewahrt.

(2) Die Teilnehmer an einem Vergabeverfahren sind gleich zu behandeln, es sei denn, eine Ungleichbehandlung ist aufgrund dieses Gesetzes ausdrücklich geboten oder gestattet.

(3) Bei der Vergabe werden Aspekte der Qualität und der Innovation sowie soziale und umweltbezogene Aspekte nach Maßgabe dieses Teils berücksichtigt.

(4) Mittelständische Interessen sind bei der Vergabe öffentlicher Aufträge vornehmlich zu berücksichtigen. Leistungen sind in der Menge aufgeteilt (Teillose) und getrennt nach Art oder Fachgebiet (Fachlose) zu vergeben. Mehrere Teil- oder Fachlose dürfen zusammen vergeben werden, wenn wirtschaftliche oder technische Gründe dies erfordern. Wird ein Unternehmen, das nicht öffentlicher Auftraggeber oder Sektorenauftraggeber ist, mit der Wahrnehmung oder Durchführung einer öffentlichen Aufgabe betraut, verpflichtet der öffentliche Auftraggeber oder Sektorenauftraggeber das Unternehmen, sofern es Unteraufträge vergibt, nach den Sätzen 1 bis 3 zu verfahren.

(5) Für das Senden, Empfangen, Weiterleiten und Speichern von Daten in einem Vergabeverfahren verwenden Auftraggeber und Unternehmen grundsätzlich elektronische Mittel nach Maßgabe der aufgrund des § 113 erlassenen Verordnungen.

(6) Unternehmen haben Anspruch darauf, dass die Bestimmungen über das Vergabeverfahren eingehalten werden.

(1) Der Schuldner hat Vorsatz und Fahrlässigkeit zu vertreten, wenn eine strengere oder mildere Haftung weder bestimmt noch aus dem sonstigen Inhalt des Schuldverhältnisses, insbesondere aus der Übernahme einer Garantie oder eines Beschaffungsrisikos, zu entnehmen ist. Die Vorschriften der §§ 827 und 828 finden entsprechende Anwendung.

(2) Fahrlässig handelt, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht lässt.

(3) Die Haftung wegen Vorsatzes kann dem Schuldner nicht im Voraus erlassen werden.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X ZR 282/02 Verkündet am:
16. Dezember 2003
Wermes
Justizhauptsekretär
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
VOB/A § 26; VOL/A § 26; BGB § 276 Fc

a) Wird eine Ausschreibung aufgehoben, ohne daß einer der in § 26
VOB/A, § 26 VOL/A genannten Gründe vorliegt, so setzt der auf Ersatz auch
des entgangenen Gewinns gerichtete Schadensersatzanspruch aus culpa in
contrahendo nicht nur voraus, daß dem Bieter bei Fortsetzung des Verfahrens
der Zuschlag hätte erteilt werden müssen, weil er das annehmbarste
Angebot abgegeben hat; er setzt vielmehr darüber hinaus auch voraus, daß
der ausgeschriebene Auftrag tatsächlich erteilt worden ist.

b) Nimmt die öffentliche Hand von der Vergabe des ausgeschriebenen Auftrags
Abstand und bleibt sie bei der vor der Ausschreibung praktizierten Art
des Betriebs eines Gebäudes oder des zu seinem Betrieb erforderlichen Leistungsbezugs
, ohne daß dieser von der Ausschreibung miterfaßt worden ist,
liegt bei der gebotenen wirtschaftlichen Betrachtungsweise in der Fortsetzung
oder Wiederaufnahme der vor der Ausschreibung geübten Praxis keine
zum Ersatz des positiven Interesses verpflichtende Vergabe des ausgeschriebenen
Auftrags.
BGH, Urt. v. 16. Dezember 2003 - X ZR 282/02 - Kammergericht
LG Berlin
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 16. Dezember 2003 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Melullis, den
Richter Keukenschrijver, die Richterin Mühlens und die Richter Dr. Meier-Beck
und Asendorf

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 27. Zivilsenats des Kammergerichts vom 27. August 2002 aufgehoben.
Der Rechtsstreit wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung , auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Die Klägerin begehrt von der beklagten Bundesrepublik Deutschland (nachfolgend Beklagte) Schadensersatz wegen der Aufhebung einer Ausschreibung und der nachfolgenden Auftragserteilung an einen mitbietenden Konkurrenten.
Die Klägerin betreibt unter anderem Anlagen zur dezentralen Energiegewinnung. Die Beklagte betreibt auf dem Grundstück S. in
B. ein Bundeswehrkrankenhaus, das zuvor zunächst von der Volkspolizei und danach als Lazarett des Ministeriums für Abrüstung und Verteidigung der vormaligen DDR genutzt wurde. Nachdem zunächst unklar war, ob das Grundstück der Bundesrepublik Deutschland oder dem Land B. vermögensrechtlich zuzuordnen war, hat die Oberfinanzdirektion B. am 3. April 1998 das Grundstück als Verwaltungsvermögen der Bundesrepublik Deutschland zugeordnet. Die Versorgung des Bundeswehrkrankenhauses mit Elektrizität und Wärme erfolgte durch die BE. . Die Versorgung des Krankenhauses mit Kälte wurde von der Beklagten in Eigenleistung erbracht.
Noch während der laufenden Auseinandersetzung um die vermögensrechtliche Zuordnung des Grundstücks ließ das Bundesministerium der Verteidigung durch das Bundesbauamt B. III die Errichtung einer Technikzentrale als Blockheizkraftwerk zur Versorgung des Krankenhauses mit Wärme, Strom und Kälte in einem nichtoffenen Verfahren parallel als Generalunternehmerleistung für den betriebsfertigen Bau einer Technikzentrale mit den genannten Leistungen (Bekanntmachung der Ausschreibung Teil A) und als Betreiberleistungen zur Lieferung der genannten Energie (Betreibermodell, Laufzeit 20 Jahre , Bekanntmachung der Ausschreibung Teil B) ausschreiben. Daneben waren andere Varianten sowie Nebenangebote - von den Parteien als "Teil C" der Ausschreibung bezeichnet - ausdrücklich zugelassen (Amtsblatt von Berlin Nr. 63, Seite 4972). Auf die Ausschreibung gab auch die BE. ein Nebenangebot ab, das die Versorgung mit Strom aus dem B. Mittelspannungsnetz , mit Fernwärme aus dem Netz B. -Mitte und mit Kälte aus drei Kälteaggregaten vorsah und die Kosten für die Errichtung der Energieversorgungsanlage mit 5 bis 10 Millionen DM angab. Nach Ablauf der Ausschreibungsfrist erklärte die BE. in einem Schreiben vom 15. Mai 1996 gegenüber der Wehrbereichsverwaltung , daß nicht wie in ihrem Angebot 5 bis 10 Millionen DM zu-
sätzlich zu den Energiepreisen für die Errichtung der Technikzentrale verlangt würden, sondern dieser Betrag in den Energiepreisen "mitkalkuliert" sei.
Die Auswertung der Angebote ergab, daß das Angebot der Klägerin in Teil B, Version 2, das wirtschaftlichste war, so daß die Vergabestelle der Wehrbereichsverwaltung vorschlug, der Klägerin auf dieses Angebot den Zuschlag zu erteilen. Die Einbeziehung des Schreibens der BE. vom 15. Mai 1996 lehnte die Vergabestelle ab, weil sie darin ein unzulässiges Nachverhandeln im Sinne von § 24 Nr. 2 VOL/A sah. Die Wehrbereichsverwaltung erteilte den Zuschlag nicht, sondern teilte der Klägerin mit Schreiben vom 11. September 1996 die Aufhebung der Ausschreibung mit.
Die Klägerin hat bei der Vergabeprüfstelle des Bundes die Überprüfung der Aufhebung der Ausschreibung beantragt. Die Vergabeprüfstelle hielt die Aufhebung der Ausschreibung für rechtmäßig. Auf Beschwerde der Klägerin hat der Vergabeüberwachungsausschuß des Bundes mit Beschluß vom 14. April 1997 - 1 VÜ 27/96 - festgestellt, daß die Entscheidung der Vergabeprüfstelle rechtswidrig war.
Am 9. Januar 1997 hat die Beklagte einen Vertrag zur Versorgung des Bundeswehrkrankenhauses mit Elektroenergie und Wärme mit der BE. abgeschlossen, der durch eine Vereinbarung vom 23. Januar 1998 ergänzt wurde. Am 17. September 1998 hat die Beklagte einen mit dem genannten Versorgungsvertrag im wesentlichen identischen Vertrag mit der BE. abgeschlossen. Die Versorgung des Krankenhauses mit Kälte führt die Beklage in Eigenleistung durch, wofür sie Elektroenergie von der BE. bezieht.
Die Klägerin hat geltend gemacht, die von der Beklagten nach Aufhebung der Ausschreibung mit der BE. geschlossenen Verträge entsprächen einer der Varianten der Ausschreibung. Deshalb stehe ihr - der Klägerin - Schadensersatz zu, der auch den Ersatz entgangenen Gewinns umfasse.
Das Landgericht hat den Klageanträgen im Umfang der eingetretenen Entscheidungsreife durch Teilurteil entsprochen. Die dagegen eingelegte Berufung der Beklagten hat das Berufungsgericht zurückgewiesen. Mit der zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf Klageabweisung weiter. Die Klägerin ist der Revision entgegengetreten.

Entscheidungsgründe:


Die zulässige Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und Zurückverweisung der Sache zu erneuter Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht.
I. 1. Das Berufungsgericht ist in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Senats davon ausgegangen, daß mit der Ausschreibung und der Beteiligung des Bieters am Ausschreibungsverfahren ein vertragsähnliches Vertrauensverhältnis zustande kommt, das die Parteien zur gegenseitigen Rücksichtnahme verpflichtet und auf beiden Seiten Sorgfaltspflichten begründet , deren Verletzung Schadensersatzansprüche aus culpa in contrahendo auslösen kann (BGHZ 120, 281; Sen.Urt. v. 26.10.1999 - X ZR 30/98, NJW 2000, 661; Sen.Urt. v. 16.10.2001 - X ZR 100/99, ZfBR 2002, 184 m.w.N.). Diese Ersatzpflicht findet ihren Grund in der Verletzung des Vertrauens der Bieter darauf, daß das Vergabeverfahren nach den einschlägigen Vorschriften des
Vergaberechts abgewickelt wird und dementsprechend regelmäßig mit der Erteilung des Zuschlags an einen der Teilnehmer an dem Verfahren endet.
Das Berufungsgericht ist weiter in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Senats davon ausgegangen, daß Schadensersatzansprüche des sich an einer Ausschreibung beteiligenden Bieters aus culpa in contrahendo auch dann in Betracht kommen, wenn die öffentliche Hand eine Ausschreibung aufhebt, ohne daß einer der in § 26 VOB/A oder § 26 VOL/A genannten Aufhebungsgründe vorliegt (BGHZ 139, 259, 261; 139, 280, 283). Nach dieser Rechtsprechung steht dem Bieter, der bei Fortsetzung des Verfahrens und Vergabe des Auftrags den Zuschlag erhalten hätte, grundsätzlich ein Anspruch auf Ersatz der mit der Teilnahme am Verfahren verbundenen Aufwendungen zu (Ersatz des negativen Interesses). Demgegenüber setzt der weitergehende Anspruch auf Ersatz auch des entgangenen Gewinns nicht nur voraus, daß dem Bieter bei Fortsetzung des Verfahrens der Zuschlag hätte erteilt werden müssen , weil er das annehmbarste Angebot abgegeben hat; er setzt darüber hinaus vielmehr auch voraus, daß der ausgeschriebene Auftrag tatsächlich erteilt worden ist (BGHZ 139, 259, 268; 139, 280, 284). Dieser Ausgangspunkt des Berufungsgerichts läßt einen Rechtsfehler nicht erkennen und wird von der Revision nicht in Zweifel gezogen.
2. Auch der weitere Ausgangspunkt des Berufungsgerichts, daß die Aufhebung der Ausschreibung rechtswidrig war, läßt einen Rechtsfehler nicht erkennen. Wie der Vergabeüberwachungsausschuß des Bundes mit Beschluß vom 14. April 1997 festgestellt hat, lag ein Aufhebungsgrund im Sinne der § 26 VOB/A, § 26 VOL/A nicht vor. Die Revision zieht dies nicht in Zweifel; auch insoweit tritt ein Rechtsfehler nicht zutage.
II. Demgegenüber sind die weiteren Erwägungen, mit denen das Beru- fungsgericht einen Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte auf Ersatz des entgangenen Gewinns bejaht hat, nicht frei von Rechtsfehlern.
1. Das Berufungsgericht hat ausgeführt, der von der Beklagten mit der BE. nach Aufhebung der Ausschreibung abgeschlossene Versorgungsvertrag sei aus den Gründen des landgerichtlichen Urteils mit einer der ausgeschriebenen Varianten der Energieversorgung für das Bundeswehrkrankenhaus bei der gebotenen wirtschaftlichen Betrachtung identisch. Da die Klägerin im Rahmen des Ausschreibungsverfahrens das annehmbarste Angebot abgegeben habe, hätte sie den Zuschlag erhalten müssen. Der Klägerin stehe daher Anspruch auf Ersatz des positiven Interesses zu.
2. Das hält der revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. Die Revision rügt zu Recht, daß die Feststellungen des Berufungsgerichts den von den Vorinstanzen gezogenen Schluß, die von der Beklagten nach der Aufhebung der Ausschreibung geschlossenen Versorgungsverträge beträfen bei der gebotenen wirtschaftlichen Betrachtungsweise den gleichen Auftragsgegenstand wie die ausgeschriebenen Leistungen, nicht tragen.

a) Dem Berufungsgericht ist im Ausgangspunkt darin beizupflichten, daß zur Beurteilung der Frage, ob die ausgeschriebenen Leistungen nach Aufhebung der Ausschreibung unter Verletzung vergaberechtlicher Vorschriften an einen anderen Auftragnehmer - sei es auf der Grundlage einer neuen Ausschreibung oder freihändig - vergeben worden sind, eine wirtschaftliche Betrachtungsweise geboten ist (Sen.Urt. v. 8.9.1998 - X ZR 99/96, NJW 1998, 3640 unter II, 2 der Gründe, insoweit in BGHZ 139, 280 nicht abgedruckt). Auf dieser Grundlage sind die ausgeschriebenen und die tatsächlich in Auftrag ge-
gebenen Leistungen zu vergleichen, nicht dagegen die vor der Ausschreibung bestehenden Verhältnisse mit denen, die sich durch die Auftragsvergabe ergeben. Denn der Bieter wird in dem Vertrauen geschützt, daß der ausgeschriebe- ne Auftrag nach den Regelungen des Vergaberechts vergeben wird. Nimmt die öffentliche Hand von der Vergabe des ausgeschriebenen Auftrags Abstand und bleibt sie bei der vor der Ausschreibung praktizierten Art des Betriebs eines Gebäudes oder des zu seinem Betrieb erforderlichen Leistungsbezugs, ohne daß dieser von der Ausschreibung miterfaßt worden ist, dann liegt bei der gebotenen wirtschaftlichen Betrachtungsweise in der bloßen Fortsetzung oder Wiederaufnahme der vor der Ausschreibung geübten Praxis keine zum Ersatz des positiven Interesses verpflichtende Vergabe der ausgeschriebenen Leistungen , sondern die - möglicherweise vergaberechtswidrige - Erteilung eines anderen als des ausgeschriebenen Auftrags. Wie der Senat bereits ausgesprochen hat, ist mit der Ausschreibung kein Kontrahierungszwang verbunden. Den Vorschriften der VOB kann in gleicher Weise wie den Vorschriften der VOL weder nach ihrem Wortlaut noch nach ihrem Regelungszusammenhang ein allgemeiner Anspruch auf Erteilung des Zuschlags in allen Fällen, in denen ein Aufhebungsgrund nach § 26 VOB/A, § 26 VOL/A nicht gegeben ist, entnommen werden (Sen.Urt. v. 8.9.1998 - X ZR 99/96, NJW 1998, 3640 unter II, 1 der Gründe). Die öffentliche Hand ist daher nicht gehalten, den Betrieb eines Gebäudes und/oder den Bezug der zu seinem Betrieb erforderlichen Leistungen in der bis zur Ausschreibung geübten Praxis einzustellen, um Schadensersatzansprüche auf das positive Interesse zu vermeiden, wenn und solange die bis zur Ausschreibung geübte Praxis nicht zum Gegenstand der Ausschreibung und der auf sie abzugebenden Gebote, zu denen auch Nebenangebote rechnen, gemacht worden ist.

b) Die Revision rügt zu Recht, daß das Berufungsurteil nach diesen Maßstäben keinen Bestand haben kann.
Das Berufungsgericht hat nicht festgestellt, daß Gegenstand der von der Beklagten mit der BE. nach Aufhebung der Ausschreibung geschlossenen Verträge die einheitliche Versorgung des Bundeswehrkrankenhauses mit elektrischer Energie, Fernwärme und Kälte ist. Es hat lediglich unter Bezugnahme auf die Ausführungen im Urteil des Landgerichts gemeint, der Vertragsgegenstand sei mit der Ausschreibung identisch, wobei das Landgericht davon ausgegangen ist, daß die Beklagte von der BE. lediglich mit Fernwärme und elektrischer Energie versorgt wird und der Bezug von Elektroenergie auch dazu dient, mit Hilfe der bereits vor der Ausschreibung vorhandenen Aggregate Kälte in Eigenleistung zu erzeugen. Dabei hat das Landgericht dem Umstand, daß die Beklagte das Krankenhaus mit Hilfe der vorhandenen Aggregate die Kälteversorgung in Eigenregie erbringt und es damit bei der vor der Ausschreibung geübten Praxis verblieben ist, ausdrücklich keine Bedeutung für die Entscheidung der Frage beigemessen, ob die nach Aufhebung der Ausschreibung mit der BE. geschlossenen Verträge den gleichen Auftrag betreffen wie die ausgeschriebenen Leistungen. Das Landgericht hat zwar zu der Frage Beweis erhoben, ob die von der Beklagten mit der BE. geschlossenen Verträge inhaltlich das gleiche Vorhaben und den gleichen Auftragsgegenstand betreffen wie die Ausschreibung; nach seinem Beweisbeschluß sollte der Sachverständige jedoch unberücksichtigt lassen, daß in der Ausschreibung die Belieferung des Krankenhauses auch mit Kälte vorgesehen ist, diese jedoch gegenwärtig von der Beklagten selbst erzeugt wird. Dem ist das Berufungsgericht gefolgt, indem es einerseits davon ausgegangen ist, daß Gegenstand der Ausschreibung die Versorgung des Bundeswehrkrankenhauses mit Wärme, Elektroenergie und Kälte gewesen sei, und dem ohne weiteres den Bezug von Wärme und
Elektroenergie von Dritten und die Erzeugung von Kälte mit Hilfe der vorhandenen Aggregate in Eigenleistung nach der bis zur Ausschreibung geübten Praxis der Beklagten gleichgestellt hat.
Damit fehlt dem vom Berufungsgericht gezogenen Schluß, der nach Aufhebung der Ausschreibung erteilte Auftrag entspreche auf der Grundlage einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise dem ausgeschriebenen Auftrag, die tatsächliche Grundlage. Die Klägerin macht zwar zu Recht geltend, daß der Wortlaut der Bekanntmachung der Ausschreibung die Annahme nahelegen kann, daß der Abgabe von Nebenangeboten erheblicher Raum eingeräumt worden sei, so daß auch die Abgabe von Nebenangeboten von der Ausschreibung zugelassen worden sein könnte, die eine Fortsetzung der Energiebelieferung nach der bis zur Ausschreibung geübten Praxis zum Gegenstand haben. Solange jedoch nicht anhand der Ausschreibungsunterlagen festgestellt ist, welche Art von Nebenangeboten zugelassen war und daß auch Nebenangebote abgegeben werden konnten, die die Belieferung des Bundeswehrkrankenhauses nach Art und Umfang der bis zur Ausschreibung geübten Praxis zum Gegenstand haben, kann die Fortsetzung der bis zur Ausschreibung geübten Praxis des Leistungsbezugs nach Aufhebung der Ausschreibung nicht ohne weiteres als Erteilung eines bei wirtschaftlicher Betrachtung der Ausschreibung entsprechenden Auftrags gewertet werden.
Mangels der danach erforderlichen Feststellungen zum Gegenstand der ausgeschriebenen Leistung ist für das Revisionsverfahren das - bestrittene - Vorbringen der Beklagten zugrunde zu legen, daß Gegenstand der Ausschreibung auch bezüglich anderer Varianten und Nebenangebote (von den Parteien als "Teil C" der Ausschreibung bezeichnet) nicht die weitere Belieferung des Bundeswehrkrankenhauses mit Elektroenergie und Wärme nach der bis zur
Ausschreibung geübten Praxis war, sondern die einheitliche Belieferung mit Elektroenergie, Wärme und Kälte, wobei diese Leistungen zum Betrieb des Krankenhauses "gebrauchsfertig" an der Gebäudegrenze in das Verteilersystem der Liegenschaft einzuspeisen waren. Hatte die Ausschreibung einen solchen Inhalt, dann entspricht der nach der Aufhebung der Ausschreibung erteilte Auftrag nicht dem ausgeschriebenen Auftrag, so daß der Klägerin zwar Ansprüche auf Ersatz des negativen Interesses zustehen können, nicht jedoch Ansprüche auf Schadensersatz unter Einbeziehung des entgangenen Gewinns (positives Interesse).
III. Auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen ist dem Senat eine abschließende Entscheidung nicht möglich. Der Rechtsstreit ist daher unter Aufhebung des angefochtenen Urteils an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Das Berufungsgericht wird anhand der Ausschreibungsunterlagen und gegebenenfalls ergänzendem Sachvortrag der Parteien die Frage zu prüfen haben, mit welchem Inhalt Nebenangebote nach den von den Parteien als "Teil C" der Ausschreibung bezeichneten Unterlagen der Ausschreibung zugelassen waren. Sollte sich ergeben, daß die Ausschreibung den von der Klägerin behaupteten Inhalt hatte und Nebenangebote zugelassen hat, die die Belieferung des Bundeswehrkrankenhauses auf der Grundlage der bis zur Ausschreibung geübten Praxis zum Gegenstand haben - Lieferung von Wärme und Energie ohne Lieferung von Kälte und ohne Errichtung oder Betrieb einer Technikzentrale - wird weiter zu prüfen sein, ob der Klägerin auch unter dieser Voraussetzung als günstigster Bieterin der Zuschlag hätte erteilt werden müssen. Sollte sich in dem erneuten Berufungsverfahren ergeben, daß der der BE. nach Aufhebung der Ausschreibung erteilte Auftrag bei der gebotenen wirtschaftlichen Betrachtung nicht den ausgeschriebenen Leistungen entsprochen hat, wird den Parteien Gelegenheit zu geben sein, zu dem hilfsweise geltend
gemachten Anspruch auf Ersatz des negativen Interesses ergänzend vorzutragen.
Melullis Keukenschrijver Mühlens
Meier-Beck Asendorf

(1) Angriffs- und Verteidigungsmittel, die im ersten Rechtszuge zu Recht zurückgewiesen worden sind, bleiben ausgeschlossen.

(2) Neue Angriffs- und Verteidigungsmittel sind nur zuzulassen, wenn sie

1.
einen Gesichtspunkt betreffen, der vom Gericht des ersten Rechtszuges erkennbar übersehen oder für unerheblich gehalten worden ist,
2.
infolge eines Verfahrensmangels im ersten Rechtszug nicht geltend gemacht wurden oder
3.
im ersten Rechtszug nicht geltend gemacht worden sind, ohne dass dies auf einer Nachlässigkeit der Partei beruht.
Das Berufungsgericht kann die Glaubhaftmachung der Tatsachen verlangen, aus denen sich die Zulässigkeit der neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel ergibt.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
X ZB 43/02
vom
18. Februar 2003
in dem Vergabenachprüfungsverfahren
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja
Auch wenn ein öffentlicher Auftraggeber die Ausschreibung für einen öffentlichen
Bauauftrag bereits aufgehoben hat, kann ein Bewerber noch in zulässiger
Weise die Vergabekammer anrufen und geltend machen, durch Nichtbeachtung
der die Aufhebung der Ausschreibung betreffenden Vergabevorschrift in
seinen Rechten nach § 97 Abs. 7 GWB verletzt zu sein.
BGH, Beschl. v. 18. Februar 2003 - X ZB 43/02 - OLG Dresden
Vergabekammer des Freistaates
Sachsen
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 18. Februar 2003
durch den Vorsitzenden Richter Dr. Melullis sowie die Richter Prof.
Dr. Jestaedt, Scharen, Keukenschrijver und Asendorf

beschlossen:
Die mit dem am 3. Dezember 2002 verkündeten Beschluß des Ver- gabesenats des Oberlandesgerichts Dresden erfolgte Vorlage der Sache ist unzulässig.

Gründe:


I. Im August 2001 schrieb das als Auftraggeber verfahrensbeteiligte Land im offenen Verfahren den Bau der Jugendstrafanstalt R. aus. An der den Rohbau betreffenden Ausschreibung beteiligten sich Bieter mit Angeboten , deren Bruttosummen zwischen 12.809.964,60 ermittelt wurden. Das Angebot der Antragstellerin belief sich auf ! $ ! '& -, 0/ 3 13.493.848,28 " # % ( *)+ ".). ()21-
Die Absicht des Auftraggebers, den Auftrag dem an erster Stelle eingeordneten Bieter zu erteilen, der den Rohbau im Rahmen eines Generalunter-
nehmervertrags errichten wollte, führte zu einem Nachprüfungsverfahren, das zum Ergebnis hatte, daß das Angebot des Generalunternehmers auszuschließen war. Die Absicht des Auftraggebers, nunmehr den zweitplazierten Bieter mit der rechnerisch nächstgünstigen Angebotssumme zu beauftragen, führte zu einem weiteren Nachprüfungsverfahren und der Anweisung des mit sofortiger Beschwerde angerufenen Oberlandesgerichts, über den Auftrag ohne Berücksichtigung des Angebots dieses Bieters zu entscheiden.
Nach erneuter Prüfung dreier verbliebener Angebote teilte der Auftraggeber den betreffenden Bietern mit Schreiben vom 27. Juni 2002 mit, das offene Verfahren aufgrund § 26 Nr. 1 a VOB/A aufgehoben zu haben.
Mit Schreiben vom 1. Juli 2002 rügte die Antragstellerin die Aufhebung der Ausschreibung, weil zumindest sie ein Angebot abgegeben habe, das den Ausschreibungsbedingungen entspreche. Nach weiterem Schriftverkehr mit dem Auftraggeber hat die Antragstellerin sodann mit am 18. Juli 2002 bei der Vergabekammer eingegangenem und begründetem Antrag um Einleitung des Nachprüfungsverfahrens gebeten.
Die Vergabekammer hat diesen Antrag für zulässig gehalten, die Aufhebung der Ausschreibung aufgehoben und den Auftraggeber verpflichtet, das Angebot der Antragstellerin in der vierten Wertungsstufe erneut unter Beachtung der Rechtsauffassung der Vergabekammer zu werten. Diese Auffassung geht dahin, daß zumindest die Antragstellerin ein Angebot abgegeben habe, das den Ausschreibungsunterlagen entspreche. Die Antragstellerin habe es zwar unterlassen, in den Ausschreibungsunterlagen geforderte Typenbezeich-
nungen anzugeben. Da die Angabe des Herstellers nicht fehle, habe jedoch zum einen die Antragstellerin sich entsprechend der Vorgabe des Leistungs- verzeichnisses verpflichtet, Produkte einer bestimmten Güte zu verwenden, und zum anderen der Auftraggeber die Möglichkeit, die Tauglichkeit und Identität der verwendeten Produkte jederzeit sicher zu überprüfen. Eine übertrieben formalistische Betrachtungsweise sei deshalb nicht angezeigt. Die gegenteilige "haarspalterische" Beurteilung der Angebote, zu welcher der Auftraggeber nunmehr gekommen sei, stehe auch im Widerspruch zur früheren Wertung. Das Fehlen von Typenangaben habe der Auftraggeber zunächst über Monate der Wertung hinweg nicht problematisiert.
Gegen diesen am 23. August 2002 zugestellten Beschluß hat der Auftraggeber am 5. September 2002 beim Oberlandesgericht sofortige Beschwerde erhoben. Er meint, der Nachprüfungsantrag sei bereits unzulässig, weil eine Aufhebung das Vergabeverfahren abschließe. Der Nachprüfungsantrag sei aber auch unbegründet, weil es vergaberelevant und Wertungsvoraussetzung sei, daß die Bieter die geforderten Erklärungen zu Fabrikat, Hersteller und Typ der verschiedenen zum Einbau vorgesehenen Produkte wahrheitsgemäß und umfassend in den Angeboten benennten. Für die ausgeschriebenen Leistungen gebe es schließlich bei den verschiedenen Herstellern verschiedene Produkte und Qualitäten. Die Wertung, daß die verbliebenen Angebote § 25 Nr. 1 b VOB/A unterfielen, sei daher zutreffend. Sie habe zum Ausschluß dieser Angebote führen müssen, so daß kein den Ausschreibungsbedingungen entsprechendes Angebot mehr vorhanden sei. In der mündlichen Verhandlung vor dem Oberlandesgericht hat der Auftraggeber der Antragstellerin gegenüber ferner erklärt, die Aufhebungsentscheidung auch deswegen getroffen zu ha-
ben, weil bei Annahme eines Angebots der verbliebenen Bieter eine Einhaltung der genehmigten Gesamtbaukosten für die Baumaßnahme nicht mehr gewährleistet und damit die haushaltsrechtliche Voraussetzung für eine Auftragserteilung nicht mehr gegeben gewesen seien.
Das Oberlandesgericht hat das Verfahren dem Bundesgerichtshof zur Entscheidung vorgelegt (Beschl. abgedr. ZfBR 2003, 189). Es entnimmt dem bereits von der Vergabekammer herangezogenen Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 18. Juni 2002 zur Nachprüfbarkeit des Widerrufs der Ausschreibung (Rs. C-92/00, ZfBR 2002, 604), daß die EG-Vergaberichtlinien insoweit lediglich die Zulässigkeit eines Nachprüfungsverfahrens verlangten, in dem die Aufhebung der Ausschreibung auf Verstöße gegen das Gemeinschaftsrecht im Bereich des öffentlichen Auftragswesens oder gegen die einzelstaatlichen Vorschriften überprüft werden könnten, die dieses Recht umsetzen. Das vorlegende Oberlandesgericht möchte deshalb an eine von ihm als einhellig vertreten bezeichnete Meinung in der bisherigen Rechtsprechung der Vergabesenate anknüpfend den Nachprüfungsantrag als unzulässig zurückweisen. Denn er verlange eine Rechtmäßigkeitskontrolle der Aufhebung anhand von § 26 VOB/A. Bei dieser Regelung handele es sich aber nicht um transformiertes Gemeinschaftsrecht.
An der beabsichtigten Entscheidung sieht sich das vorlegende Oberlandesgericht durch den Beschluß des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg vom 4. November 2002 in Sachen 1 Verg 3/02 (ZfBR 2003, 186) gehindert. Darin habe dieses Oberlandesgericht gemeint, nach der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 18. Juni 2002 bestehe grundsätzlich die
Möglichkeit, eine getroffene Aufhebungsentscheidung dem Nachprüfungsverfahren zu unterziehen. Dieses Oberlandesgericht habe deshalb den bei ihm angebrachten Nachprüfungsantrag für zulässig erachtet.
II. Die Vorlage ist nicht zulässig.
Nach § 124 Abs. 2 Satz 1 GWB legt ein Oberlandesgericht, das über eine sofortige Beschwerde gegen eine Entscheidung einer Vergabekammer zu befinden hat, die Sache dem Bundesgerichtshof vor, wenn es von einer Entscheidung eines anderen Oberlandesgerichts oder des Bundesgerichtshofs abweichen will. Das ist der Fall, wenn das vorlegende Gericht als tragende Begründung seiner Entscheidung einen Rechtssatz zu Grunde legen will, der mit einem die Entscheidung eines anderen Oberlandesgerichts oder des Bundesgerichtshofs tragenden Rechtssatz nicht übereinstimmt (vgl. ständ. Rspr. des BVerwG, z.B. Beschl. v. 11.08.1998 - 2 B 74/98, NVwZ 1999, 406 m.w.N.). Im Hinblick auf die Frage der Zulässigkeit des Nachprüfungsantrags, derentwegen das Oberlandesgericht Dresden die Sache dem Bundesgerichtshof vorgelegt hat, kann eine solche Divergenz jedoch nicht festgestellt werden.
Das Hanseatische Oberlandesgericht Hamburg hat keinen Fall entschieden , in dem sich die Zulässigkeitsfrage in gleicher Weise wie im Streitfall stellt. Im tatbestandlichen Teil des Beschlusses des Hanseatischen Oberlandesgerichts vom 4. November 2002 heißt es, die Antragsgegnerin habe den Beteiligten unter dem 27. Juni 2002 mitgeteilt, daß sie die europaweite Ausschreibung der Bereederung von deutschen Forschungsschiffen aufhebe. Zuvor habe die Antragstellerin, nachdem ihr die Aufhebungsabsicht bekannt ge-
worden sei, Vergaberüge erhoben und Nachprüfungsantrag gestellt. Das Hanseatische Oberlandesgericht hat mithin einen Nachprüfungsantrag für zulässig gehalten, der bereits vor der Aufhebung der Ausschreibung bei der Vergabekammer angebracht worden war. Einen solchen Sachverhalt hat das vorlegende Oberlandesgericht nicht zu beurteilen. Im Streitfall ist der Nachprüfungsantrag erst nach der Entscheidung des Auftraggebers über die Aufhebung der Ausschreibung gestellt worden. Das vorlegende Oberlandesgericht hat auch nur für den Fall nachträglicher Anrufung der Vergabekammer die Frage der Zulässigkeit des Antrags problematisiert. Ausgangspunkt seiner Überlegungen ist die These, die Aufhebung einer Ausschreibung beende ungeachtet der Frage ihrer Rechtmäßigkeit das Vergabeverfahren jedenfalls wirksam, ein statthaftes Nachprüfungsverfahren setze aber voraus, daß bei seinem Beginn das Vergabeverfahren noch nicht abgeschlossen sei (S. 5 d. Beschl. v. 03.12.2002). Das läßt auch nicht den Schluß zu, das vorlegende Oberlandesgericht vertrete - anders als das Hanseatische Oberlandesgericht - die Rechtsauffassung, ein schon vor der Aufhebung der Ausschreibung im Hinblick auf diese beabsichtigte Maßnahme angebrachter Nachprüfungsantrag könne unstatthaft sein.
Aber auch wenn man den Unterschied im zu beurteilenden Sachverhalt außer Betracht läßt, ergibt sich eine Divergenz der tragenden Grundlagen nicht. Das Hanseatische Oberlandesgericht hat seiner Entscheidung die Auffassung zu Grunde gelegt, nach der Entscheidung des EuGH vom 18. Juni 2002 bestehe grundsätzlich die Möglichkeit, die Aufhebungsentscheidung des öffentlichen Auftraggebers dem Nachprüfungsverfahren zu unterziehen; die Nachprüfung sei dahin möglich, ob Verstöße gegen das Gemeinschaftsrecht
oder gegen einzelstaatliche Vorschriften vorliegen, die dieses Recht umsetzen. Den Rechtssatz, daß die Aufhebung der Ausschreibung durch den öffentlichen Auftraggeber auf Verstöße gegen das Gemeinschaftsrecht und gegen dieses Recht umsetzende einzelstaatliche Vorschriften hin im Nachprüfungsverfahren überprüft werden kann, will aber auch das vorlegende Oberlandesgericht seiner beabsichtigten Entscheidung zu Grunde legen. Die unterschiedliche Beantwortung der Zulässigkeitsfrage hat mithin ihren Grund lediglich in der Anwendung dieses Grundsatzes im jeweiligen Einzelfall.
III. Im Hinblick hierauf hält der Senat folgende Hinweise für angezeigt:
Gemäß § 102 GWB unterliegt die Vergabe öffentlicher Aufträge, für die nach § 100 GWB der vierte Teil dieses Gesetzes gilt, der Nachprüfung durch die Vergabekammern. Gemeint ist damit nicht nur die Nachprüfung von Maßnahmen des öffentlichen Auftraggebers, welche die eigentliche Vergabe, also den Zuschlag, betreffen; wie § 107 Abs. 2 Satz 1 GWG entnommen werden kann, ist das Verfahren vor der Vergabekammer eröffnet, wenn die Einhaltung von Vergabevorschriften nachzuprüfen sein kann, deren Nichtbeachtung Unternehmen in ihren Rechten nach § 97 Abs. 7 GWB verletzen kann. Damit kann auch die Aufhebung einer im offenen Verfahren erfolgten Ausschreibung eines öffentlichen Bauauftrags nicht außerhalb der Nachprüfung im Verfahren nach §§ 107 ff. GWB stehen. Diese Maßnahme kann nämlich der Regelung in §§ 26 Nr. 1, 26 a Nr. 1 VOB/A Abschnitt 2 widersprechen, bei der es sich um eine Bestimmung über das Vergabeverfahren handelt, auf deren Einhaltung Unternehmen nach § 97 Abs. 7 GWB Anspruch haben. Insoweit besteht Einigkeit, daß jedenfalls solche Bestimmungen § 97 Abs. 7 GWB unterfallen, die (auch)
zum Schutz wohlberechtigter Interessen von am Vergabeverfahren teilnehmenden oder daran interessierten Unternehmen aufgestellt worden sind (vgl. Begr. z. Regierungsentwurf BT-Drucks. 13/9340, S. 14). Um solch eine Be- stimmung handelt es sich bei der Regelung in §§ 26 Nr. 1, 26 a Nr. 1 VOB/A Abschnitt 2. § 26 Nr. 1 mag zwar ursprünglich allein aus haushaltsrechtlichen Gründen Aufnahme in die VOB/A gefunden haben, um haushaltsrechtlich gebundenen Auftraggebern eine kostenfreie Loslösung von einer einmal eingeleiteten Ausschreibung zu ermöglichen. Jedenfalls durch die Verbindlichkeit, die §§ 26 Nr. 1, 26 a Nr. 1 VOB/A Abschnitt 2 infolge § 6 VgV für Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge im Anwendungsbereich des § 100 GWB erlangt hat, beinhaltet diese Regelung jedoch in diesem Bereich ein vergaberechtliches Gebot, ein Vergabeverfahren nur aus den dort genannten Gründen aufzuheben. Dieses Gebot hat bieterschützende Wirkung. Es dient dazu sicherzustellen , daß die Aufhebung der Ausschreibung nicht als Maßnahme der Diskriminierung einzelner Bieter mißbraucht werden kann, weil hiernach die Aufhebung der Ausschreibung nur in ganz engen Ausnahmefällen (vgl. Sen.Urt. v. 12.06.2001 - X ZR 150/99, NJW 2001, 3698) vergaberechtlich zulässig ist. Außerdem hat außerhalb dieser Ausnahmefälle der Ausschreibende jedenfalls dann die Kosten der Vorbereitung des Angebots oder der Teilnahme an den Vergabeverfahren zu tragen, wenn die weiteren Voraussetzungen des § 126 GWB vorliegen.
Die vorstehend erörterten Umstände gebieten, daß im Nachprüfungsverfahren gemäß §§ 107 ff. GWB geltend gemacht werden kann, die Aufhebung der Ausschreibung verletze den Antragsteller in seinen Rechten, weil sie gegen §§ 26 Nr. 1, 26 a Nr. 1 VOB/A Abschnitt 2 verstoße. Dies bedeutet zu-
gleich, daß ein entsprechender Antrag (auch) noch in zulässiger Weise angebracht werden kann, nachdem der Ausschreibende die Entscheidung bereits getroffen hat, die Ausschreibung aufzuheben. Nach §§ 26 Nr. 2, 26 a Nr. 1 VOB/A Abschnitt 2 müssen die Bieter und gegebenenfalls die Bewerber erst nach der Aufhebung der Ausschreibung von dieser Maßnahme unterrichtet werden. Ein Unternehmen, das seine Rechte durch die Aufhebung der Ausschreibung verletzt erachtet, kann mithin in aller Regel die Vergabekammer erst nachträglich anrufen. Der Rechtsschutz, der nach Sinn und Zweck des vierten Abschnitts des GWB eröffnet sein soll, wäre deshalb nicht gewährleistet , wenn die Anrufung der Vergabekammer nach Aufhebung der Ausschreibung bereits deshalb unzulässig wäre, weil der nach § 107 Abs. 1 GWB nötige Antrag erst zu dieser Zeit angebracht worden ist.
Auch noch nach einer Aufhebung eines Ausschreibungsverfahrens unter den Voraussetzungen der §§ 107 Abs. 2 u. 3, 108 Abs. 1 und 2 GWB gem. § 107 Abs. 1 GWB auf ein Nachprüfungsverfahren antragen zu können, steht nicht im Widerspruch zu § 114 Abs. 2 Satz 2 GWB. Diese Vorschrift ordnet nicht an, daß die Aufhebung der Ausschreibung das durch diese eingeleitete Vergabeverfahren endgültig beendet. Eine solche Regel wäre auch sachfremd. Denn die Aufhebung der Ausschreibung kann ohne Zustimmung Dritter rückgängig gemacht werden, indem der Ausschreibende das Verfahren wieder aufnimmt und fortführt. Dementsprechend gehört auch eine hierauf gerichtete Anordnung zu den Maßnahmen, welche die Vergabekammer nach § 114 Abs. 1 GWB treffen kann. Durch diese Möglichkeiten unterscheidet sich die Aufhebung der Ausschreibung von der Erteilung des Zuschlags innerhalb geltender Bindefrist. Der Zuschlag beinhaltet die Annahme des Angebots des ausge-
wählten Bieters und kann nicht mehr einseitig rückgängig gemacht werden. Deshalb ordnet § 114 Abs. 2 Satz 1 GWB auch nur hinsichtlich eines bereits erteilten Zuschlags an, daß seine Aufhebung nicht zu den Maßnahmen gehört, die der Vergabekammer im Rahmen des Nachprüfungsverfahrens zu Gebote stehen.
§ 114 Abs. 2 Satz 2 GWB kann auch nicht entnommen werden, daß eine Aufhebung der Ausschreibung zwingend zur Erledigung eines zum Zeitpunkt dieser Maßnahme bereits anhängigen Nachprüfungsverfahrens führe, mit der Folge, daß ein erst nach der Aufhebung der Ausschreibung erhobener Vorwurf einer Rechtsverletzung von vornherein in einem Nachprüfungsverfahren nicht geprüft werden könnte. Die Vorschrift besagt ihrem Wortlaut nach lediglich, welche Entscheidung der Vergabekammer noch möglich ist, wenn das Nachprüfungsverfahren sich beispielsweise durch Aufhebung der Ausschreibung erledigt hat.
Auch vom Tatsächlichen her muß eine Aufhebung der Ausschreibung nicht zwangsläufig zur Erledigung des bereits anhängigen Nachprüfungsverfahrens führen, wenn dies auch häufig der Fall sein wird. Weil ein Nachprüfungsverfahren bereits anhängig ist, wird in ihm regelmäßig um ein Verhalten des Ausschreibenden gestritten werden, zu dem es vor der Aufhebung der Ausschreibung gekommen ist. Wird die Aufhebung der Ausschreibung dann nicht ihrerseits in Zweifel gezogen, besteht nach dieser Entscheidung des Ausschreibenden im Hinblick auf das gerügte Verhalten allerdings nur noch Interesse an der Feststellung, ob insoweit eine Rechtsverletzung vorgelegen hat. Will der Antragsteller hingegen auch die Aufhebung der Ausschreibung nicht
hinnehmen, wird er nicht den nach § 114 Abs. 2 Satz 2 GWB nötigen Antrag stellen, sondern geltend machen, das anhängige Nachprüfungsverfahren habe sich nicht erledigt, weil nunmehr auch wegen der Aufhebung der Ausschreibung eine Verletzung von Rechten durch Nichtbeachtung von Vergabevorschriften geltend gemacht werde. Eine solche Erweiterung der Rügen begegnet keinen rechtlichen Bedenken. Angesichts des Wortlauts des § 114 Abs. 2 Satz 2 GWB läßt sich dem vierten Abschnitt des GWB nicht entnehmen, daß eine solche Reaktion auf veränderte Umstände im Rahmen eines bereits anhängigen Nachprüfungsverfahrens nicht zulässig sein könnte. Auch in der Rechtsprechung der Oberlandesgerichte wird vertreten, daß der Antragsteller eines Nachprüfungsverfahrens neue Umstände in dieses Verfahren einführen könne (OLG Jena NZBau 2000, 349, 350; OLG Celle NZBau 2000, 105; OLG Stuttgart NZBau 2000, 301).
Der Zulässigkeit eines erst nach einer Aufhebung der Ausschreibung angebrachten Nachprüfungsantrags, der sich gegen die Aufhebung wendet, steht schließlich auch nicht entgegen, daß ein öffentlicher Auftraggeber ein Ausschreibungsverfahren nicht mit einem Zuschlag an einen geeigneten Bieter beenden muß. Allerdings hat der Senat schon wiederholt (BGHZ 139, 259, 268 f.; Urt. v. 05.11.2002 - X ZR 232/00, ZfBR 2003, 194 f.) darauf hingewiesen , daß aus Gründen des allgemeinen Vertragsrechts, in dessen Rahmen auch ein einen öffentlicher Bauauftrag ausschreibender öffentlicher Auftraggeber rechtsgeschäftlich tätig wird, aus dem Umstand der Ausschreibung nicht abgeleitet werden kann, daß ein Ausschreibender, der nach den maßgeblichen Vergabevorschriften keinen Grund zur Aufhebung des Ausschreibungsverfahrens hat, gezwungen werden kann und darf, einen der Ausschreibung entspre-
chenden Auftrag an einen geeigneten Bieter zu erteilen. Es liegt damit auch nicht in der Kompetenz der Vergabekammer, im Rahmen des § 114 Abs. 1 GWB zur Beseitigung einer Rechtsverletzung eine Maßnahme zu treffen, die für einen öffentlichen Auftraggeber, der trotz Einleitung eines Vergabeverfahrens einen Auftrag nicht mehr erteilen will, einen rechtlichen oder tatsächlichen Zwang bedeutete, sich doch vertraglich zu binden. Das zwingt jedoch nicht zugleich dazu, Unternehmen, die trotz der Aufhebung der Ausschreibung noch Interesse an der Erteilung des ausgeschriebenen Auftrags haben, eine Nachprüfung der Aufhebung der Ausschreibung überhaupt zu versagen. Dieser Schluß könnte nur erwogen werden, wenn die Aufhebung der Ausschreibung gleichsam Ausdruck unabänderbaren Willens des Ausschreibenden wäre, den ausgeschriebenen Auftrag nicht zu vergeben. Hiervon kann jedoch nicht von vornherein ausgegangen werden. So kann ein Ausschreibender auf der Grundlage der eigenen Prüfung zu der Meinung gelangt sein, wegen Mißachtung des in § 21 Abs. 1 Satz 1 VOB/A bestimmten Gebots alle Bieter ausschließen zu müssen, obwohl er durchaus bereit war und auch noch ist, einem Bieter den Auftrag zu erteilen, weil ihm die vorgekommenen Abweichungen im Hinblick auf die eigenen Interessen als Auftraggeber nicht gewichtig erscheinen. Die wegen § 25 Nr. 1 Abs. 1 b) VOB/A ausgesprochene Aufhebung der Ausschreibung wieder rückgängig zu machen, kann in einem solchen Fall durchaus eine geeignete Maßnahme sein, welche die wegen der Aufhebung der Ausschreibung angerufene Vergabekammer nach § 114 Abs. 1 GWB treffen kann, ohne die aus dem allgemeinen Vertragsrecht folgende Befugnis des Ausschreibenden zu tangieren. Gerade im Falle einer Aufhebung einer Ausschreibung mag zwar fallweise eine Anordnung an den Ausschreibenden nicht in Betracht kommen, mit dem Ausschreibungsverfahren unter Beachtung der
Rechtsauffassung der Vergabekammer fortzufahren. Das betrifft jedoch nur die Gestaltungsmöglichkeiten der Vergabekammer im Einzelfall und kann die Zulässigkeit ihrer Anrufung nicht in Frage stellen. Ob nach einer Aufhebung der Ausschreibung ein solcher Fall beschränkter Einflußmöglichkeit tatsächlich gegeben ist, bedarf der Erörterung und Klärung. Nach dem bisher Gesagten besteht kein Grund, hierzu - wie auch sonst bei Streit über die Verletzung von Vergabevorschriften und die sachgerechte Reaktion hierauf - die Möglichkeiten des Nachprüfungsverfahrens nicht nutzen zu können. Sollte sich in diesem Verfahren im Einzelfall herausstellen, daß wegen der eingangs dieses Abschnitts beschriebenen Möglichkeit des Ausschreibenden, von einer Auftragsvergabe endgültig Abstand zu nehmen, die wegen des festgestellten Vergaberechtsverstoßes eigentlich notwendig erscheinenden Maßnahmen nicht getroffen werden können, kann die Vergabekammer sodann jedenfalls feststellen, daß die Aufhebung der Ausschreibung Vergabevorschriften verletzte.
Das vorstehend den §§ 107 ff. GWB entnommene Verständnis entspricht auch den europarechtlichen Vorgaben. Dies folgt aus der Rechtsprechung des für die Auslegung des Gemeinschaftsrechts zuständigen Europäischen Gerichtshofs. Diese Rechtsprechung geht davon aus, daß der Grundsatz der Gleichbehandlung, der den EG-Vergaberichtlinien zugrunde liegt, eine Verpflichtung zur Transparenz einschließt und daß diese es ermöglichen soll, die Beachtung dieses Grundsatzes zu überprüfen (EuGH, Urt. v. 18.06.2002 - Rs. C-92/00, ZfBR 2002, 604, unter 45. m.w.N.). Die Richtlinie 89/665/EWG vom 21. Dezember 1989 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Anwendung der Nachprüfungsverfahren im Rahmen der Vergabe öffentlicher Liefer- und Bauaufträge ihrerseits ist danach darauf gerichtet,
vorhandene Mechanismen zur Durchsetzung der EG-Vergaberichtlinien zu stärken, und zwar vor allem dann, wenn Verstöße noch beseitigt werden können (EuGH, aaO, unter 52.), aber - was aus dieser Art der Hervorhebung unmittelbar folgt - auch dann, wenn diese Möglichkeit nicht mehr besteht. Hiermit hat es der Europäische Gerichtshof als unvereinbar angesehen, wenn die öffentlichen Auftraggeber die Ausschreibung für einen öffentlichen Dienstleistungsauftrag widerrufen könnten, ohne daß dies dem Verfahren der gerichtlichen Nachprüfung unterläge (EuGH, aaO, unter 53.). Grund hierfür war ausweislich Erwägungsgrund 37 des Urteils vom 18. Juni 2002, daß die Aufhebung der Ausschreibung eine Entscheidung der Vergabebehörde ist, die den Regelungen des Gemeinschaftsrechts im Bereich des öffentlichen Auftragswesens unterliegt und deshalb gegen sie verstoßen kann. Hiernach ist es also bereits die Möglichkeit eines Verstoßes gegen das Gemeinschaftsrecht im Bereich des öffentlichen Auftragswesens oder - was der Europäische Gerichtshof in seinen Ausführungen dem gleichsetzt - gegen die dieses Recht umsetzenden einzelstaatlichen Vorschriften, die gemäß Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie 89/665/EGW erfordert, daß die Entscheidung des öffentlichen Auftraggebers, die Ausschreibung eines der Richtlinie unterfallenden öffentlichen Auftrags zu widerrufen, hieraufhin überprüft und gegebenenfalls aufgehoben werden kann. Die Erwähnung der Aufhebung kann dabei nicht bedeuten, daß in jedem Fall, in dem die Aufhebung der Ausschreibung den gemeinschaftsrechtlich beachtlichen Regeln nicht entsprochen hat, von dem insoweit zuständigen Spruchkörper diese Maßnahme auch ergriffen werden müßte. Im Zusammenhang mit der Richtlinie 93/37/EWG vom 14. Juni 1993 zur Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge ist der Europäische Gerichtshof nämlich davon ausgegangen , daß auch nach Gemeinschaftsrecht der Auftraggeber nicht zur Auf-
tragsvergabe gezwungen werden kann. Dies ergibt sich aus der Feststellung des Europäischen Gerichtshofs, die Befugnis des Auftraggebers, auf die Vergabe eines öffentlichen Bauauftrags, für den eine Ausschreibung stattgefunden hat, zu verzichten, sei weder auf Ausnahmefälle begrenzt noch auf Fälle, in denen die Entscheidung auf schwerwiegende Gründe gestützt werden könne (EuGH, aaO, unter 40. sowie unter Hinweis auf Urt. v. 16.09.1999 - Rs. C-27/98, NZBau 2000, 153, unter 23. u. 25.). Würde eine Aufhebung der beanstandeten Entscheidung des Ausschreibenden, die zur Beseitigung eines Verstoßes gegen das Gemeinschaftsrecht im Bereich des öffentlichen Auftragswesens oder gegen eine dieses Recht umsetzende innerstaatliche Vorschrift an sich geboten erscheint, für den Ausschreibenden im Einzelfall den ausweglosen Zwang bedeuten, den Auftrag zu vergeben, kann deshalb auch nach dem Gemeinschaftsrecht die Überprüfung der Aufhebung einer Ausschreibung im Nachprüfungsverfahren nur zu einer weniger einschneidenden Maßnahme, gegebenenfalls lediglich zu der Feststellung einer Vergaberechtsverletzung führen.
Im Übrigen kann dem vorlegenden Oberlandesgericht auch nicht in der Meinung beigetreten werden, die Geltendmachung eines Verstoßes gegen §§ 26 Nr. 1, 26 a Nr.1 VOB/A Abschnitt 2 erfordere keine Überprüfung auf Verstöße gegen das Gemeinschaftsrecht im Bereich des öffentlichen Auftragswesens oder gegen die dieses Recht umsetzenden einzelstaatlichen Vorschriften. Eine Aufhebung der Ausschreibung im offenen Verfahren kann dazu eingesetzt werden, einen unerwünschten Bieter, dem der ausgeschriebene Auftrag erteilt werden müßte, zu übergehen und in einem anschließenden Verhandlungsverfahren einen genehmen Bieter auszuwählen. Sie berührt deshalb den Grund-
satz der Gleichbehandlung und die Regelung in §§ 26 Nr. 1, 26 a Nr.1 VOB/A Abschnitt 2, welche die Aufhebung der Ausschreibung auf Ausnahmefälle beschränkt , dient damit dem in Art. 6 Abs. 6 der Richtlinie 93/37/EWG zur Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge normierten Diskriminierungsverbot , das durch § 97 Abs. 2 GWB in das nationale Recht umgesetzt worden ist.
IV. Sollte das vorliegende Oberlandesgericht in Anbetracht der Ausführungen des Senats zu III. im weiteren Verlauf des Nachprüfungsverfahrens zur Frage der Begründetheit des Nachprüfungsantrags der Antragstellerin gelangen , wird die von der Vergabekammer hierzu vertretene Rechtsauffassung einer kritischen Überprüfung zu unterziehen sein. Dabei wird folgendes zu beachten sein:
Der Wortlaut von § 25 Nr. 1 Abs. 1 VOB/A Abschnitt 2 ("ausgeschlossen werden") weist aus, daß der öffentliche Auftraggeber bei Vorliegen der dort aufgestellten Voraussetzungen kein Recht zu einer wie auch immer gearteten großzügigen Handhabe hat, sondern gezwungen ist, das betreffende Angebot aus der Wertung zu nehmen (Sen.Urt. v. 08.09.1998 - X ZR 85/97, NJW 1998, 3634). Im Falle des Fehlens geforderter Erklärungen ändert hieran auch nichts, daß § 21 Nr. 1 Satz 2 VOB/A Abschnitt 2 nur als Sollvorschrift formuliert ist. Dies erklärt sich aus der Handlungsfreiheit, die außerhalb bereits bestehender rechtlicher Beziehungen in Anspruch genommen werden kann. Sie schließt ein, nicht zur Abgabe eines bestimmten Angebots verpflichtet zu sein. Gleichbehandlung aller Bieter, die § 97 Abs. 2 GWB von dem Ausschreibenden verlangt , ist jedoch nur gewährleistet, soweit die Angebote die geforderten Erklä-
rungen enthalten. Da der öffentliche Auftraggeber sich durch die Ausschreibung dem Gleichbehandlungsgebot unterworfen hat, darf er deshalb nur solche Angebote werten.
Der Ausschlußtatbestand des § 25 Nr. 1 Abs. 1 b VOB/A Abschnitt 2 ist daher auch nicht etwa erst dann gegeben, wenn das betreffende Angebot im Ergebnis nicht mit den anderen abgegebenen Angeboten verglichen werden kann. Ein transparentes, auf Gleichbehandlung aller Bieter beruhendes Vergabeverfahren ist nur zu erreichen, wenn lediglich in jeder sich aus den Verdingungsunterlagen ergebenden Hinsicht vergleichbare Angebote gewertet werden (vgl. Sen.Urt. v. 07.01.2003 - X ZR 50/01, Umdr. S. 10 f.). Dies erfordert, daß hinsichtlich jeder Position der Leistungsbeschreibung alle zur Kennzeichnung der insoweit angebotenen Leistung geeigneten Parameter bekannt sind, deren Angabe den Bieter nicht unzumutbar belastet, aber ausweislich der Ausschreibungsunterlagen gefordert war, so daß sie als Umstände ausgewiesen sind, die für die Vergabeentscheidung relevant sein sollen.
Im Streitfall wird daher zu berücksichtigen sein, daß die Ausschreibungsunterlagen bezüglich mehr als 120 Positionen die Aufforderung enthielten , neben dem Fabrikat/Hersteller auch den Typ des angebotenen Produkts anzugeben. Da sich beispielsweise den Positionen 5.1.190 oder 5.5.150 auch zweifelsfrei entnehmen ließ, wie die gewünschten Angaben gemacht werden sollten, wird deshalb anhand des aufgezeigten Maßstabs zu würdigen sein, daß die Antragstellerin gleichwohl nur bei ganz wenigen dieser Positionen auch eine Typenbezeichnung angegeben hat. Das Fehlen dieser Angabe im Übrigen könnte nicht bereits deshalb ohne weiteres als im Rahmen des § 25
Nr. 1 b) VOB/A Abschnitt 2 unerheblich angesehen werden, weil es innerhalb der Produktpalette des angegebenen Fabrikats/Herstellers ein Modell gibt, das die in den Ausschreibungsunterlagen ansonsten verlangten Kriterien erfüllt. Sobald der benannte Hersteller unter dem angegebenen Fabrikat mehrere geeignete Produkte anbietet, wie es der Auftraggeber behauptet, ist nämlich weder die erforderliche Vergleichbarkeit mit den entsprechenden Positionen in einem insoweit vollständigen Angebot eines anderen Bieters gewährleistet noch die Möglichkeit von nachträglichen Manipulationen ausgeschlossen.
Sollte die Prüfung ergeben, daß das Angebot der Antragstellerin dem § 21 Nr. 1 Abs. 1 VOB/A Abschnitt 2 nicht entspricht, wird der Nachprüfungsantrag unabhängig davon keinen Erfolg haben können, ob auch die Angebote der anderen verbliebenen Bieter § 21 Nr. 1 Abs. 1 VOB/A Abschnitt 2 nicht genügen. Ist das Angebot der Antragstellerin nach § 25 Nr. 1 Abs. 1 b) VOB/A Abschnitt 2 auszuschließen, kann die Aufhebung der Ausschreibung Interessen der Antragstellerin nicht mehr berühren. Die Antragstellerin kann deshalb auch durch eine etwaige Nichtbeachtung der für die Aufhebung der Ausschreibung geltenden Vergaberegel nicht in ihren Rechten nach § 97 Abs. 7 GWB verletzt
sein. Der vom Senat für einen auf Ersatz des positiven Interesses wegen anderweitiger Vergaberechtsverletzung herausgearbeitete Grundsatz (Urt. v. 16.04.2002 - X ZR 67/00, NJW 2002, 2558) gilt auch im vorliegenden Zusammenhang. Es wird deshalb auch keine Rolle spielen können, daß der Auftraggeber möglicherweise den nach § 25 Nr. 1 Abs. 1 b) VOB/A Abschnitt 2 gegebenen Ausschlusstatbestand zunächst nicht erkannt und/oder bei früheren Wertungen der abgegebenen Angebote nicht berücksichtigt hatte.
Melullis Jestaedt Scharen
Keukenschrijver Asendorf

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X ZR 243/02 Verkündet am:
24. Mai 2005
Wermes
Justizhauptsekretär
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
GWB § 97 Abs. 2; VOB/A § 25 Nr. 1 Abs. 1 Buchst. b, § 21 Nr. 1 Abs. 1

a) Damit ein Angebot gewertet werden kann, ist jeder in der Leistungsbeschreibung
vorgesehene Preis so wie gefordert vollständig und mit dem Betrag
anzugeben, der für die betreffende Leistung beansprucht wird. Ein Angebot
, das die erforderlichen Erklärungen nicht enthält, ist regelmäßig von
der Wertung auszuschließen.

b) Der Umstand, daß das Auftragsvolumen den bisherigen Jahresumsatz des
Bieters übersteigt, rechtfertigt für sich genommen grundsätzlich nicht den
Schluß auf mangelnde Leistungsfähigkeit des Bieters.
BGH, Urt. v. 24. Mai 2005 - X ZR 243/02 - OLG Naumburg
LG Magdeburg
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 24. Mai 2005 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Melullis, den Richter
Scharen, die Richterin Mühlens und die Richter Prof. Dr. Meier-Beck und Asendorf

für Recht erkannt:
Die Revision gegen das am 10. Oktober 2002 verkündete Urteil des 2. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Naumburg wird auf Kosten des Beklagten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Der Kläger ist Innungsmeister der Sanitär-, Heizungs-, Klima-Innung in A. und betreibt in dieser Branche ein Einzelunternehmen. Er verlangt vom Beklagten Schadensersatz wegen fehlerhafter Vergabe eines öffentlichen Auftrags.
Der beklagte Landkreis führte im Juni 2002 eine europaweite Ausschreibung betreffend das Gewerk Sanitär für das Kreiskrankenhaus A. ,

2. Bauabschnitt, durch. Es wurden 13 Angebote abgegeben, darunter waren ein Angebot des Klägers und ein Angebot der K. GmbH. Das rechnerisch günstigste Angebot (Angebotssumme 1.884.536,52 DM) machte die K. GmbH, das Angebot des Klägers war - zunächst - das drittgünstigste; es schloß mit einer Angebotssumme von 1.915.734,18 DM. Das zweitgünstigste Angebot wurde später wegen eines Rechenfehlers korrigiert; dadurch rückte das des Klägers an die zweite Stelle. In dem Angebot der K. GmbH war für die Ausschreibungsposition 10.004 - Wartungspauschale - kein Preis angegeben. Die übrigen Bieter hatten diese Position zu einem Preis von durchschnittlich 11.445,96 DM angeboten.
In einer Sitzungsvorlage für den Bau- und Vergabeausschuß des Beklagten wurde diesem empfohlen, dem - zunächst - zweitgünstigsten Bieter den Zuschlag zu erteilen. Zur Begründung wurde ausgeführt, das günstigste Angebot der K. GmbH sei wegen fehlender Preisangabe für die Wartungspauschale auszuschließen; dem sodann günstigsten Angebot des Klägers solle der Zuschlag nicht erteilt werden, weil der Jahresumsatz des Klägers in krassem Mißverhältnis zur Auftragssumme stehe. Der Kläger hatte seinen Jahresumsatz auf entsprechende Anfrage des Beklagten mit 1,5 Mio. DM angegeben und mitgeteilt , er beschäftige acht Mitarbeiter, einen Meister sowie eine Angestellte.
Nach dem Submissionstermin teilte die K. GmbH dem Beklagten schriftlich mit, sie habe die Position 10.004 im Angebot deshalb nicht mit einem Preis versehen, weil sie diese Leistung aus Kulanz für zwei Jahre kostenlos erbringen wolle.
Entgegen dem Vorschlag des Bau- und Vergabeausschusses des Beklagten erteilte dieser der K. GmbH den Zuschlag. Die Preisdifferenz zwi-

schen dem Angebot der K. GmbH und dem Angebot des Klägers betrug ca. 31.000,-- DM.
Der Kläger ist der Auffassung, er habe den Zuschlag erhalten müssen. Die K. GmbH habe wegen der fehlenden Preisangabe zu Position 10.004 von der Vergabe ausgeschlossen werden müssen. Sein Angebot dagegen habe nicht wegen fehlender Leistungsfähigkeit unberücksichtigt bleiben dürfen. Er sei ohne Probleme in der Lage gewesen, mit weiteren, kurzfristig einzusetzenden qualifizierten Arbeitnehmern den Auftrag qualitäts- und fristgerecht auszuführen. Der Kläger beansprucht entgangenen Gewinn.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat der Klage in vollem Umfang stattgegeben. Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte seinen Klageabweisungsantrag weiter.
Der Kläger tritt dem Rechtsmittel entgegen.

Entscheidungsgründe:


Die zulässige Revision hat keinen Erfolg. Das Berufungsgericht hat zu Recht einen Anspruch des Klägers gegen den Beklagten auf Ersatz des entgangenen Gewinns wegen Verschuldens bei Vertragsschluß bejaht.
1. Das Berufungsgericht hat angenommen, der Beklagte habe der K. GmbH den Zuschlag zu Unrecht erteilt. Die Vergabeentscheidung verstoße gegen § 25 Nr. 1 Abs. 1 b VOB/A. Nach dieser Vorschrift seien Angebote aus-

geschlossen, die § 21 Nr. 1 Abs. 1 und 2 VOB/A nicht entsprächen. Das sei bei dem Angebot der K. GmbH wegen unvollständiger Angabe eines für die Vergabeentscheidung wesentlichen Preises der Fall gewesen. Aus § 25 Nr. 1 Abs. 1 b VOB/A folge im Umkehrschluß, daß der Bieter die Preise und die geforderten Erklärungen abgeben müsse. Bei der von der K. GmbH nicht ausgepreisten Wartungspauschale handele es sich nicht um eine Position, deren Fehlen den Wettbewerb zwischen den Bietern nicht habe gefährden können. Der Vorsprung der K. GmbH vor den anderen Bietern, insbesondere vor dem Kläger, sei nicht dermaßen evident gewesen, daß die Erteilung des Zuschlags an einen anderen Bieter schlechterdings auszuschließen gewesen sei. Eine hoch angesetzte Wartungspauschale seitens der K. GmbH sei bereits geeignet gewesen, zu einer Änderung der Biete rreihenfolge zu führen. Dabei sei zu berücksichtigen, daß die Kalkulation einer derartigen Wartungspauschale auch von der technischen Qualität der gelieferten Anlage abhänge und beispielsweise bei einer besonders wartungsintensiven Anlage ein deutlich höherer Betrag für die Wartungspauschale anzusetzen sei als bei einer Anlage, die von vornherein auf Wartungsfreundlichkeit ausgerichtet sei.
2. Diese Beurteilung hält im Ergebnis revisionsrechtlicher Überprüfung stand. Das Angebot der K. GmbH war nach § 25 Nr. 1 Abs. 1 b in Verbindung mit § 21 Nr. 1 Abs. 1 und 2 VOB/A von der Wertung auszuschließen.
In seiner Entscheidung vom 8. September 1998 - X ZR 85/97, NJW 1998, 3634 ff. hat der Senat die Frage offengelassen, welche Verstöße gegen Vorschriften der VOB/A zwingend zu einem Ausschluß von Angeboten führen. Er hat aber bereits in dieser Entscheidung darauf hingewiesen, daß § 21 Nr. 1 Abs. 1 VOB/A sicherstellen soll, daß das Angebot den ausgeschriebenen Leistungen und den sonstigen Verdingungsunterlagen entspricht, damit der durch

die öffentliche Ausschreibung eröffnete Wettbewerb der Bieter gewährleistet werden kann und vergleichbare Angebote vorgelegt werden. Das Berufungsgericht hat deshalb zu Recht aus § 25 Nr. 1 Abs. 1 b VOB/A gefolgert, daß der Bieter die Preise und die geforderten Erklärungen angeben muß (BayObLGZ 1999, 398, 393; NZBau 2001, 643, 644; OLG Oldenburg NJW-RR 1997, 661; Heiermann/Riedl/Rusam, VOB, 10. Aufl., § 21 Rdn. 7; Ingenstau/Korbion/ Kratzenberg, VOB, 15. Aufl., § 21 Rdn. 8; Weyand, Vergaberecht, § 21 VOB/A Rdn. 4135; Leinemann, Die Vergabe öffentlicher Aufträge, 3. Aufl., Rdn. 470; Prieß in Pietzcker, VOB-Kommentar A, Rdn. 21).
Der Senat hat sodann wiederholt entschieden, daß Angebote, die dem § 21 Nr. 1 Abs. 1 und 2 VOB/A nicht entsprechen, weil ihnen geforderte Erklärungen fehlen, zwingend von der Vergabe auszuschließen sind (§ 25 Nr. 1 Abs. 1 b VOB/A). Dem steht nicht entgegen, daß § 21 Nr. 1 Abs. 1 Satz 3 VOB/A als Sollvorschrift formuliert ist. Nach der Rechtsprechung des Senats ist der Ausschlußtatbestand nicht etwa erst dann gegeben, wenn das betreffende Angebot wegen fehlender Erklärungen im Ergebnis nicht mit den anderen abgegebenen Angeboten verglichen werden kann. Ein transparentes, gemäß § 97 Abs. 2 GWB auf Gleichbehandlung aller Bieter beruhendes Vergabeverfahren, wie es die VOB/A gewährleisten soll, ist nur zu erreichen, wenn in jeder sich aus den Verdingungsunterlagen ergebenden Hinsicht und grundsätzlich ohne weiteres vergleichbare Angebote abgegeben werden. Damit ein Angebot gewertet werden kann, ist deshalb jeder in der Leistungsbeschreibung vorgesehene Preis so wie gefordert vollständig und mit dem Betrag anzugeben, der für die betreffende Leistung beansprucht wird (Sen.Urt. v. 16.04.2002 - X ZR 67/00, NJW 2002, 2558; Urt. v. 07.01.2003 - X ZR 50/01, BGHZ 154, 32, 45; Beschl. v. 18.05.2004 - X ZB 7/04, NJW-RR 2004, 1570, zur Veröffentlichung in BGHZ vorgesehen). Ein Angebot, das die erforderlichen Erklärungen nicht enthält, ist

daher regelmäßig nach § 25 Nr. 1 Abs. 1 b in Verbindung mit § 21 Nr. 1 Abs. 1 und 2 VOB/A von der Wertung auszuschließen.
Auf die Rüge der Revision, das Berufungsgericht habe das Recht des Beklagten auf rechtliches Gehör verletzt, weil es angenommen habe, die Wartungspauschale sei eine Position, deren fehlende Auspreisung den Wettbewerb zwischen den Bietern habe gefährden können, kommt es daher nicht an.
3. Soweit die Revision es als widersprüchlich rügt, daß das Berufungsgericht aus dem Jahresumsatz des Klägers keine Rückschlüsse auf dessen mangelnde Leistungsfähigkeit gezogen habe, weil es aus dem Auftrag die Materialkosten herausgerechnet habe, beim Jahresumsatz des Klägers jedoch die durchlaufenden Kosten in Form von Materialkosten unberücksichtigt gelassen habe, hat auch diese Rüge keinen Erfolg. Die Regelungen der VOB/A sind darauf angelegt, die Vergabeentscheidungen für die betroffenen Bieter durchsichtig und gerichtlich überprüfbar zu machen (Sen.Urt. v. 26.10.1999 - X ZR 30/98, NJW 2000, 661, 662). Schon dieser Zweck schließt die Berücksichtigung von Umständen aus, die nicht auf einer gesicherten eigenen Erkenntnis des Ausschreibenden beruhen. Für die Erteilung des Zuschlags auf ein preislich höheres Angebot als das des Klägers wäre erforderlich gewesen, daß der Ausschreibende berücksichtigungsfähige Gründe gehabt hätte, die ihn veranlaßt hätten, den Zuschlag nicht auf das preislich günstigste, sondern auf ein anderes Angebot zu erteilen (Sen.Urt. v. 26.10.1999, aaO, 663). Solche Gründe waren dem Vorbringen des Beklagten nicht zu entnehmen.
Das Berufungsgericht hat insoweit angenommen, bei der gegebenen Sachlage habe vor dem Hintergrund des konkreten Auftrags aus der Anzahl der im Unternehmen des Klägers beschäftigten Mitarbeiter in Verbindung mit dem

Jahresumsatz nicht auf fehlende Leistungsfähigkeit des Klägers geschlossen werden können. Der Kläger habe nachvollziehbar dargelegt, die in ca. 20 Monaten zu erbringende Gesamtarbeitsleistung mit den zur Verfügung stehenden Mitarbeitern bewältigen und daneben auch andere Aufträge bearbeiten zu können. Dies gelte entsprechend für die Annahme des Beklagten, aus dem das Auftragsvolumen überschreitenden Jahresumsatz des Klägers in Höhe von 1,5 Mio. DM habe auf mangelnde Leistungsfähigkeit des Klägers geschlossen werden können. Der Kläger habe unbestritten vorgetragen, daß im Nettoangebotsvolumen von ca. 1,6 Mio. DM 3/4 Materialkosten enthalten gewesen seien. Zuverlässige Rückschlüsse auf die Fähigkeit des Klägers zur Vorfinanzierung des Auftrags, insbesondere der Materialbeschaffung, ließen sich aus dem Jahresumsatz des Klägers nicht ziehen. Dieser sei nur eine grobe Orientierungsmarke für die Frage der Leistungsfähigkeit eines Unternehmens und lasse keine zuverlässigen Rückschlüsse auf die Ausstattung des Unternehmens mit Kapital und Sachmitteln und die wirtschaftliche Lage des Unternehmens im übrigen zu. Hieran ändere auch die unter Sachverständigenbeweis gestellte Behauptung des Beklagten nichts, es bestehe ein Erfahrungssatz bzw. eine Vermutung dahingehend, daß ein Bieter, der den Jahresumsatz des Auftragsvolumens unterschreite, nicht als leistungsfähig angesehen werden könne. Diese Behauptung sei pauschal, nicht durch Tatsachenvortrag unterlegt und damit dem Sachverständigenbeweis nicht zugänglich. Der Beklagte habe auch vor diesem Hintergrund nicht nachvollziehbar dargelegt, daß aus dem Jahresumsatz des Klägers auf dessen mangelnde finanzielle Leistungsfähigkeit geschlossen werden könne.
Das läßt keinen Rechtsfehler erkennen. Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, daß eine bestimmte Relation zwischen Auftragsvolumen und bisherigem Jahresumsatz des Bieters grundsätzlich schon deshalb

nicht ausreicht, den Schluß auf mangelnde Leistungsfähigkeit des Bieters zu rechtfertigen, weil sich aus der Art der Leistung unterschiedliche Anforderungen an Fähigkeiten und Kapazitäten des Bieters ergeben können. In diesem Sinne ist auch der Hinweis des Berufungsgerichts auf den hohen Materialkostenanteil des Angebotsvolumens zu verstehen. Daß der Beklagte in den Tatsacheninstanzen konkrete Umstände vorgetragen hätte, die Zweifel an der Leistungsfähigkeit des Klägers begründen könnten und die das Berufungsgericht bei seiner tatrichterlichen Würdigung hätte berücksichtigen müssen, legt die Revision nicht dar.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.
Melullis Scharen Mühlens
Meier-Beck Asendorf

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X ZR 150/99 Verkündet am:
12. Juni 2001
Wermes
Justizhauptsekretär
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
VOL/A
VOB/A
Die an der Vergabe öffentlicher Aufträge interessierten Bieter dürfen grundsätzlich
darauf vertrauen, daß der öffentliche Auftraggeber das Verfahren über
die Vergabe seiner Aufträge ordnungsgemäß und unter Beachtung der für ihn
geltenden Bedingungen einleitet und durchführt; eine Verletzung dieses Vertrauens
kann zu einer Haftung nach den Grundsätzen des Verschuldens bei
Vertragsschluß führen.
VOL/A § 26
VOB/A § 26
An den schwerwiegenden Grund, der eine Aufhebung des Ausschreibungsverfahrens
ermöglicht, sind strenge Maßstäbe anzulegen. Er ist ohne weiteres
nicht schon deshalb gegeben, weil der Ausschreibende bei der Einleitung oder
der Durchführung des Verfahrens fehlerhaft gehandelt hat.
BGH, Urteil vom 12. Juni 2001 - X ZR 150/99 - Hanseatisches Oberlandesgericht
Hamburg
LG Hamburg
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 12. Juni 2001 durch den Vorsitzenden Richter Rogge, die Richter
Dr. Melullis, Scharen, die Richterin Mühlens und den Richter Dr. Meier-Beck

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das am 22. Juli 1999 verkündete Urteil des 13. Zivilsenats des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als darin auf die Berufung der Beklagten die Klage abgewiesen worden ist.
Der Rechtsstreit wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung , auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Die Klägerin begehrt von der Beklagten Schadensersatz mit der Begründung , ihr sei ein Auftrag zur Verschrottung von U-Bahnwaggons rechtswidrig vorenthalten worden.
Die Klägerin, die sich nach ihren Angaben mit der Verwertung von Rohstoffen befaßt, war in den Jahren 1993 und 1995 von der Beklagten mit der Verschrottung von Schienenfahrzeugen beauftragt worden. Unter Bezugnahme auf diese Geschäftsbeziehung bot ihr die Beklagte mit Schreiben vom 13. März 1996 weitere insgesamt 81 U-Bahn-Waggons zunächst zum Kauf an, wobei zugleich die Möglichkeit einer Verschrottung für den Fall angedeutet wurde, daß ein Verkauf nicht möglich sein sollte. Für die Abgabe von Angeboten wurde in dem Schreiben eine Frist bis zum 22. April 1996 gesetzt. Bis zu diesem Termin ging bei der Beklagten ein Angebot der Klägerin zur Verschrottung der Waggons ein, für die von der Beklagten eine Zuzahlung verlangt wurde. Weitere Offerten hatte die Beklagte nach Angaben der Klägerin bis zu diesem Zeitpunkt nicht erhalten.
Einige Wochen nach diesem Termin erteilte die Beklagte der Klägerin zunächst einen Teilauftrag über die Verschrottung von vier Diesellokomotiven; eine Entscheidung über den die U-Bahn-Waggons betreffenden Auftrag behielt die Beklagte sich demgegenüber vor. Nach dem Vorbringen der Klägerin stand die Beklagte zu diesem Zeitpunkt in Verhandlungen über einen möglichen Verkauf dieser Waggons nach Argentinien. Mit Rücksicht auf diese Bemühungen habe sie die Klägerin zunächst im Juli 1996 um die Verlängerung der Bindungsfrist für deren Gebot bis zum 15. August 1996 gebeten. Die Klägerin hat dem nach ihren Angaben nach einigem Zögern zugestimmt und in diesem Zusammenhang ihr Gebot für die Verschrottung von insgesamt 120 U-Bahn-
Waggons, um die es mittlerweile gegangen sei, auf einen Preis von 16.500,-- DM je Waggon reduziert. Nachdem sich einige Zeit darauf die Verkaufsverhandlungen der Beklagten mit dem argentinischen Abnehmer zerschlagen hatten, machte ein dritter Anbieter noch vor dem 31. Juli 1996 der Beklagten ein Angebot zur Verschrottung der Waggons zu einem Preis von 11.000,-- DM je Waggon. Dieses Angebot nahm die Beklagte in der Folge an.
Die Klägerin meint, bei rechtmäßigem und ordnungsgemäßem Vorgehen hätte sie den Zuschlag für die Verschrottung erhalten müssen. Sie hat daher die Beklagte auf Ersatz ihres entgangenen Gewinns in Anspruch genommen, den sie für die gesamte Zahl von 120 U-Bahn-Waggons mit insgesamt 928.067,35 DM beziffert hat. Nachdem außergerichtliche Bemühungen der Parteien gescheitert waren, hat die Klägerin die Beklagte auf Zahlung dieses Betrages nebst Zinsen in Anspruch genommen. Dieser Klage hat das Landgericht dem Grunde nach stattgegeben, sie zur Höhe jedoch insoweit abgewiesen , als die Klägerin entgangenen Gewinn für die Verschrottung von mehr als 89 U-Bahn-Waggons begehrt hat. Die gegen diese Entscheidung gerichtete Berufung der Klägerin hat das Berufungsgericht zurückgewiesen; auf das Rechtsmittel der Beklagten hat es die erstinstanzliche Entscheidung auch im übrigen abgeändert und die Klage insgesamt abgewiesen. Hiergegen richtet sich die Revision der Klägerin, mit der diese die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung begehrt. Die Beklagte tritt dem Rechtsmittel entgegen.

Entscheidungsgründe:



Die zulässige Revision hat in der Sache Erfolg. Sie führt im Umfang der Anfechtung, mit der die Klägerin allein die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung begehrt, zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
1. Das Berufungsgericht meint, die Klägerin könne ihr Ersatzbegehren auf die Nichteinhaltung einer Zusage über die Vergabe des Auftrages schon deshalb nicht mit Erfolg stützen, weil sie eine solche Zusage nicht habe nachweisen können.
Eine Verletzung der Vorschriften über die Vergabe öffentlicher Aufträge habe im vorliegenden Fall einen derartigen Anspruch ebenfalls nicht begründen können, weil die Beklagte hinsichtlich des hier in Frage stehenden Auftrages an diese Vorschriften nicht gebunden gewesen sei. Das Schreiben der Beklagten , auf das die Klägerin ihrerseits die Annahme eines Auftrages zur Verschrottung der Wagen angeboten habe, stelle lediglich eine Aufforderung zur Abgabe von Angeboten und zum Abschluß eines Vertrages dar, bei dem es sich - trotz des mißverständlichen Ausdrucks "Verkauf" - um einen Werkvertrag über die Verschrottung der Wagen habe handeln sollen. Dieser Aufforderung habe die Klägerin nicht entnehmen können, daß sich die Beklagte bei Vergabe und Abwicklung des Auftrages an die Regeln der VOL/A habe binden wollen. Für deren Geltung gebe der Text der Aufforderung nichts her. Der von der Klägerin zur Begründung ihres gegenteiligen Standpunktes angeführte Beschluß des Senats der Freien und Hansestadt Hamburg, nach dem bei öffentlichen Aufträgen grundsätzlich die Geltung der jeweils maßgeblichen Verdingungsordnung vereinbart werden solle, könne für die Auslegung des Schreibens der
Beklagten nicht herangezogen werden, da er zum einen nicht amtlich bekannt gemacht worden und zum anderen so allgemein gehalten und damit unpräzise sei, daß er keine geeignete Auslegungsgrundlage bilde. Zudem habe die Klägerin nicht einmal geltend gemacht, daß ihr dieser Beschluß vor der Vergabe des Auftrages bekannt geworden sei. Ein allgemeiner Rechtssatz des Inhalts, daß die Beklagte als wesentlich von der Freien und Hansestadt Hamburg beeinflußte Kapitalgesellschaft Aufträge stets im Wege einer an die VOL gebundenen Ausschreibung vergeben müsse, bestehe nicht. Ebensowenig ergebe sich eine solche Bindung aus gesetzlichen Vorschriften. Die Regelung des § 57 a Abs. 1 HGrG betreffe ebenso wie die aufgrund dieser Vorschrift erlassene Vergabeverordnung das hier vorliegende Geschäft nicht, da der angestrebte Vertrag weder einen Liefer- noch einen Bauvertrag darstelle und die genannten Vorschriften des Vergaberechts auf solche Verträge beschränkt seien. Die Richtlinie 92/50/EWG des Rates vom 18. Juni 1992 könne nicht zur Anwendung kommen, da die Beklagte als juristische Person des Privatrechts nicht in den persönlichen Anwendungsbereich dieser Richtlinie falle. Die Richtlinie 93/38/EWG des Rates vom 14. Juni 1993 richte sich zwar auch an von der öffentlichen Hand kontrollierte Privatunternehmen wie die Beklagte und erfasse ihrem Gegenstand nach neben Bau- und Lieferverträgen auch Dienstleistungsaufträge ; sie betreffe in diesem Kontext jedoch nicht das hier vorliegende Verschrottungsgeschäft. Im übrigen seien die Richtlinien, soweit ihre Anwendung in Betracht gezogen werden kann, zum Zeitpunkt der Aufforderung und der Auftragserteilung nicht in nationales Recht umgesetzt gewesen.
2. Diese Würdigung hält den Angriffen der Revision nicht vollen Umfanges stand.

a) Im rechtlichen Ansatz ist das Berufungsgericht zunächst zutreffend davon ausgegangen, daß insbesondere bei der Vergabe öffentlicher Aufträge in deren Vorfeld ein Vertrauensverhältnis entstehen und dessen Verletzung Ersatzpflichten des öffentlichen Auftraggebers auslösen kann (Sen.Urt. v. 08.09.1998 - X ZR 99/96, NJW 1998, 3640, st. Rspr.). Diese können den entgangenen Gewinn eines nicht zum Zuge gekommenen Anbieters einschließen, insbesondere dann, wenn er ein berechtigtes und schutzwürdiges Vertrauen darauf hatte entwickeln können, den Auftrag zu erhalten, insbesondere dann, wenn ihm bei rechtmäßigem Vorgehen des Ausschreibenden der Auftrag hätte erteilt werden müssen (vgl. Sen.Urt. v. 08.09.1998 - X ZR 48/97, MDR 1998, 1408 = NJW 1998, 3636).
Gegenstand des in diesem Zusammenhang zugunsten der möglichen Auftragnehmer geschützten Vertrauens ist insbesondere die Einhaltung der Regelungen über die Vergabe öffentlicher Aufträge. Auf dieser Grundlage geschützt wird jedoch nur das Vertrauen in die Einhaltung solcher Regelungen, die der öffentliche Auftraggeber im jeweiligen Einzelfall zu beachten verpflichtet ist. Daß er sich darüber hinaus Bindungen unterwirft, für die es an einer rechtlichen Grundlage fehlt, kann der Bewerber um einen solchen Auftrag nicht ohne weiteres erwarten; ein hierauf gerichtetes Vertrauen wäre daher regelmäßig nicht schutzwürdig.

b) Zu Recht hat das Berufungsgericht daher weiter angenommen, daß die Klägerin auf eine Vergabe des Auftrages zur Verschrottung der Fahrzeuge unter Beachtung der Vorschriften über Ausschreibung und Vergabe öffentlicher Aufträge nur dann hätte vertrauen können und dürfen, wenn die Beklagte zu einer solchen Ausschreibung und Einhaltung dieser Regelungen verpflichtet
war. Die daran anschließende Würdigung des Berufungsgerichts, daß eine solche Pflicht nicht bestanden habe, ist jedoch nicht frei von Rechtsfehlern.
aa) Keinen durchgreifenden Bedenken begegnet allerdings die Auffassung des Berufungsgerichts, die Geltung der Verdingungsordnung sei zwischen den Parteien nicht vereinbart worden. Zu diesem Ergebnis ist das Berufungsgericht im Wege einer Auslegung der Erklärungen der Beteiligten, insbesondere der der Beklagten gelangt, die der revisionsgerichtlichen Überprüfung standhält. Diese ist, da die Würdigung und Auslegung von Willenserklärungen in erster Linie Aufgabe des Tatrichters ist, auf die Feststellung von Rechtsfehlern beschränkt. Solche werden von der Revision nicht aufgezeigt.
Zutreffend hat das Berufungsgericht zunächst darauf hingewiesen, daß der Inhalt des Aufforderungsschreibens der Beklagten keinerlei Anhaltspunkte für einen auf die Geltung der Verdingungsordnung gerichteten Willen erkennen läßt. In diesem Schreiben (Anl. K 1) hat die Beklagte vielmehr im einzelnen die Bedingungen festgelegt, unter denen sie zur Abgabe der Waggons und zur Erteilung eines Auftrages über deren Verschrottung bereit war, und in diesem Zusammenhang ergänzend auf ihre Geschäftsbedingungen über den Verkauf von in ihrem Eigentum stehenden Gegenständen Bezug genommen. Die daran anschließende Würdigung des Berufungsgerichts, daß daneben für eine zumindest hilfsweise Geltung der VOL kein Raum mehr sei, ist jedenfalls vertretbar und muß im Revisionsverfahren hingenommen werden.
bb) Auch die weitere Annahme des Berufungsgerichts, daß diese Beurteilung durch den Beschluß des Senats der Freien und Hansestadt Hamburg nicht berührt werde, nach dem die von dem Bundesland abhängigen oder von
ihm kontrollierten privatrechtlichen Unternehmen Aufträge nur unter Einschluß der jeweiligen Verdingungsordnung zu erteilen hätten, begegnet keinen rechtlichen Bedenken. Zutreffend hat das Berufungsgericht in diesem Zusammenhang ausgeführt, daß dieser Beschluß das von der Klägerin entwickelte Vertrauen nur dann hätte beeinflussen können, wenn er ihr in den maßgeblichen Zeiträumen bekannt gewesen wäre. Ein schutzwürdiges Vertrauen auf das Vorhandensein eines bestimmten Umstandes setzt voraus, daß dieser demjenigen , der das Vertrauen entwickelt, auch bekannt ist. Eine solche Kenntnis hat das Berufungsgericht in tatrichterlicher Würdigung des Vorbringens der Parteien verneint. Die Revision zeigt nicht auf, daß und welche Rechtsfehler ihm bei dieser Gelegenheit unterlaufen sind.
cc) Zu Recht hat es das Berufungsgericht schließlich auch abgelehnt, daraus Ansprüche zugunsten der Klägerin herzuleiten, daß diese sich auf Bitten der Beklagten mit einer Verlängerung der Bindungsfrist für ihr Gebot einverstanden erklärt hat. Ein schutzwürdiges Vertrauen darauf, den Auftrag in der Folge zu erhalten, konnte die Klägerin hieraus um so weniger herleiten, als die Beklagte mit ihrer Bitte gerade zum Ausdruck gebracht hatte, den Auftrag - noch - nicht zu vergeben.

c) Zu Recht hat das Berufungsgericht die Beklagte nicht bereits unmittelbar aufgrund des Beschlusses des Senats der Freien und Hansestadt Hamburg als zur Durchführung einer Ausschreibung und zur Einhaltung der Bindungen aus der Verdingungsordnung für Leistungen verpflichtet angesehen. Insoweit kann mit dem Berufungsgericht offengelassen werden, ob der Senat der Freien und Hansestadt Hamburg als Organ des Mehrheitsaktionärs der Beklagten für den Vorstand im internen Verhältnis dieser Beteiligten verbindli-
che Weisungen aussprechen kann. Eine unmittelbare Auswirkung käme einer solchen Weisung auch dann nicht zu. Als Aktiengesellschaft ist die Beklagte eine eigenständige und selbständige rechtsfähige juristische Person des Privatrechts. Im Außenverhältnis wird sie durch ihre Organe vertreten, zu denen der Mehrheitsgesellschafter und dessen Organe nicht gehören.
Im Verhältnis zur Klägerin wäre die Beklagte an den Beschluß des Senats der Freien und Hansestadt Hamburg nur dann gebunden, wenn dieser nicht allein das interne Verhältnis zwischen ihren Organen und ihren Anteilsinhabern beträfe, sondern eine außerhalb dieses Verhältnisses ergangene allgemeine Regelung zum Gegenstand hätte, die Verbindlichkeit beanspruchen kann. Dazu müßte ihm Gesetzeskraft zukommen, die das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei schon im Hinblick auf die mangelnde Bekanntmachung des Beschlusses des Senats der Freien und Hansestadt Hamburg verneint hat. Hier kommt weiter hinzu, daß es insoweit nach den Feststellungen des Berufungsgerichts auch an einer Verordnungsermächtigung fehlt, die der der Exekutive zuzurechnende Senat der Freien und Hansestadt Hamburg für einen mit Gesetzeskraft ausgestatteten Beschluß benötigt.

d) Im Ergebnis zu Recht beanstandet die Revision jedoch die Auffassung des Berufungsgerichts, die Beklagte sei auch aufgrund der Regelungen in den Richtlinien des Rates und der Kommission der Europäischen Gemeinschaften zur Vergabe öffentlicher Aufträge nicht zur Ausschreibung der Verschrottung der U-Bahn-Waggons verpflichtet gewesen. Dabei kann dahinstehen , ob - wie das Berufungsgericht meint - für das vorliegende Verfahren davon ausgegangen werden kann, daß die Richtlinie 92/50/EWG des Rates über die Koordinierung des Verfahrens zur Vergabe öffentlicher Dienstleistungsauf-
träge vom 18. Juni 1992 (ABl. EG Nr. L 209 v. 24.06.1992 S. 1) auf die Beklagte als Unternehmen des Privatrechts nicht anzuwenden ist, und auch von einer solchen mangelnden Anwendbarkeit insbesondere ohne Einholung einer Vorabentscheidung des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften ausgegangen werden kann. Einer solchen Vorabentscheidung bedurfte es jedenfalls vor einer Verneinung der Anwendbarkeit der Regelungen aus der Richtlinie 93/38/EWG zur Koordinierung der Auftragsvergabe durch Auftraggeber im Bereich der Wasser-, Energie- und Verkehrsversorgung sowie im Telekommunikationssektor vom 14. Juni 1993 (ABl. EG Nr. L 199 v. 09.08.1993 S. 84).
Insoweit ist das Berufungsgericht zunächst rechtsfehlerfrei davon ausgegangen , daß diese Richtlinie nach ihrem Art. 2 Abs. 1 lit. a auch auf die Beklagte als öffentliches Unternehmen im Sinne der Regelung anzuwenden ist und als solche auch die Verschrottung von U-Bahn-Waggons erfassen kann. Das Berufungsgericht hat die Anwendbarkeit dieser Richtlinie in erster Linie deshalb verneint, weil die Verschrottung der alten Waggons nicht unter den Katalog des Art. 2 Abs. 2 der Richtlinie falle, auf den ihre Geltung für Unternehmen des Privatrechts nach Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie beschränkt sei. Diese Auslegung ist nach dem Wortlaut der Vorschrift denkbar; sie ist jedoch nicht zwingend. Zu Recht weist die Revision darauf hin, daß die Verschrottung der Waggons lediglich das spiegelbildliche Gegenstück zur Beschaffung der für den Betrieb des Verkehrsnetzes erforderlichen Einrichtungen darstelle, die - obwohl ebenfalls in Art. 2 Abs. 2 lit. c der Richtlinie nicht ausdrücklich erwähnt - nach Sinn und Zweck der Regelung in den Katalog der ausschreibungspflichtigen Geschäfte einbezogen werden muß. Die vom Berufungsgericht angeführte Erwägung, daß die Verwertung ausgemusterter Fahrzeuge auch auf andere Weise als durch Verschrottung erfolgen könne, zwingt nicht
zu dem von ihm vollzogenen Schluß. Auch der Erwerb von Neufahrzeugen kann auf unterschiedliche Weise erfolgen, wie Kauf, Miete, Leasing und Selbstbau in eigenen Werkstätten, ohne daß deswegen davon ausgegangen werden kann, daß er schlechthin einer Verpflichtung zur Ausschreibung entzogen wäre.
Die danach mit Blick auf die nicht eindeutige Rechtslage nach dem europäischen Gemeinschaftsrecht gebotene Einholung einer Vorabentscheidung des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften ist auch nicht aufgrund der Hilfserwägung des Berufungsgerichts entbehrlich, die Beklagte sei, auch wenn das Gemeinschaftsrecht die förmliche Ausschreibung des Verschrottungsauftrages verlange, zu deren Durchführung nicht verpflichtet gewesen, weil der nationale Gesetzgeber die entsprechenden Richtlinien nicht bis zur Erteilung des Auftrages in nationales Recht umgesetzt habe.
Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften sind die nationalen Gerichte gehalten, auch vor einer solchen Umsetzung des Gemeinschaftsrechts in Vorschriften des nationalen Rechts - gleich, ob sie vor oder nach der Richtlinie ergangen sind - bei ihrer Auslegung jedenfalls dann, wenn die Richtlinie unbedingt und hinreichend bestimmt ist (vgl. dazu EuGH, Urt. v. 14.07.1994 - Rs C-91/92, NJW 1994, 2473 = EuZW 1994, 498), sich soweit wie möglich an Wortlaut und Zweck der Richtlinie auszurichten , so daß das mit dieser verfolgte Ziel in größtmöglichem Umfang erreicht wird (vgl. EuGH, Urt. v. 27.06.2000 - verbundene Rechtssachen Rs C-240/98 bis C-244/98, EuZW 2000, 506; s.a. EuGH, Urt. v. 13.11.1990 - Rs C-106/81, Slg. 1990, S. I-4135 u. Urt. v. 17.09.1997 - Rs C-54/96, NJW 1997, 3365). Das gilt auch für die Anwendung von Vorschriften im Verhältnis
privater Rechtsteilnehmer untereinander (EuGH, Urt. v. 27.06.2000 u. 14.07.1994, aaO; vgl. a. Henze, FS z. 50jährigen Bestehen des Bundesgerichtshofes , S. 144; Markus Lutter, Europäisches Unternehmensrecht, 4. Aufl., 1996, S. 19 f., jeweils m.w.N.). Daß in einem Fall wie dem vorliegenden, in dem die Richtlinien aus dem europäischen Gemeinschaftsrecht nicht fristgerecht in nationale Vorschriften umgesetzt worden sind, auch Ersatzansprüche der Betroffenen gegen den aus der Sicht des Gemeinschaftsrechts säumigen Mitgliedstaat bestehen können, führt insoweit zu keiner anderen Beurteilung. Diese Grundsätze sind auch im Zusammenhang mit der Dienstleistungs- und der Sektorenrichtlinie heranzuziehen, die beide eine unbedingte und hinreichend genau bestimmte Verpflichtung zur Ausschreibung insbesondere auch für Dienstleistungsaufträge Privater zum Gegenstand haben. In Anwendung der vom Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften entwickelten Grundsätze ist danach, soweit die Regelungen aus den Richtlinien auch Verträge wie den hier vorliegenden betreffen, die in den Verdingungsordnungen eröffnete Möglichkeit einer Ausschreibung und die daran anschließende Durchführung des Vergabeverfahrens als bindende Verpflichtung zu verstehen mit der Folge, daß ihre Verletzung Ersatzpflichten zugunsten der betroffenen Bieter auslösen kann.
3. Nach dem gegenwärtigen Sach- und Streitstand kommt die Einholung einer Vorabentscheidung des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften jedoch derzeit deshalb nicht in Betracht, weil die weiteren Voraussetzungen eines an die Verletzung einer Verpflichtung zur Ausschreibung anknüpfenden Ersatzanspruchs mit dem von der Klägerin verfolgten Ziel nicht hinreichend geklärt sind.
Auf die Frage, wie die Regelungen in der Sektoren- und der Dienstleistungsrichtlinie zu verstehen sind, kommt es nicht an, wenn Ersatzansprüche der Klägerin aus anderen Gründen ausscheiden sollten. Das ist nach dem derzeitigen Sach- und Streitstand nicht abschließend zu beurteilen.
Das nach der gefestigten Rechtsprechung des Senats durch die Ausschreibung begründete Vertrauensverhältnis zwischen dem Ausschreibenden und den am Vergabeverfahren beteiligten Unternehmen, in dessen Rahmen die Verletzung eines berechtigten und schutzwürdigen Vertrauens Ersatzansprüche zugunsten des Betroffenen auslösen kann (vgl. etwa Sen.Urt. v. 08.09.1998 - X ZR 109/96, NJW 1998, 3644 = MDR 1998, 1407; X ZR 85/97, NJW 1998, 3634 = DB 1998, 2365; X ZR 48/97, NJW 1998, 3636 = MDR 1998, 1408 u. X ZR 99/96, NJW 1998, 3640), betrifft nicht allein die Einhaltung der Vorschriften und Regeln über die Vergabe innerhalb des durch die Ausschreibung eingeleiteten Verfahrens; jedenfalls die an der Vergabe öffentlicher Aufträge interessierten Bieter dürfen grundsätzlich auch darauf vertrauen, daß der öffentliche Auftraggeber das Verfahren über die Vergabe selbst ordnungsgemäß einleitet und insbesondere die dafür auf seiner Seite geltenden Bindungen beachtet hat. Eine von ihm zu vertretende Verletzung dieser Regeln kann ebenfalls zu Ersatzansprüchen nach den Regeln über das Verschulden bei Vertragsschluß führen.
Die Schutzwürdigkeit des dieser Haftung zugrundeliegenden Vertrauens ergibt sich aus der - auch verfassungsrechtlich bestimmten - Bindung der öffentlichen Verwaltung an Gesetz und Recht, die aus der Sicht ihrer Vertragspartner auch bei privatrechtlichen Geschäften der öffentlichen Hand und der von ihr getragenen Unternehmen die Erwartung rechtfertigt, daß von diesen die
für sie geltenden Regeln und Vorschriften beachtet und eingehalten werden. Bei diesem Ansatz entfällt die Schutzwürdigkeit eines solchen Vertrauens jedoch dann, wenn der Geschäftspartner der öffentlichen Hand vor seiner jeweiligen Entscheidung über den Vertragsschluß oder dessen Vorbereitung erkannt hat oder ohne weiteres hätte erkennen müssen und k önnen, daß sein Vertragspartner von den für ihn geltenden Regeln abweicht oder abgewichen ist. Wer erkannt hat oder bereits bei Anwendung geringer Sorgfalt ohne weiteres hätte erkennen müssen, daß die andere Seite sich an das geltende Recht nicht hält, kann nicht damit gehört werden, er habe ein mit Recht und Gesetz übereinstimmendes Verhalten der Gegenseite erwartet. Schutzwürdig ist ein solches Vertrauen nur dort, wo nach dem gegebenen Sachverhalt die Erwartung auf Einhaltung dieser Regeln berechtigt erscheint.
Ob nach diesen Grundsätzen im vorliegenden Fall eine Haftung der Beklagten in Betracht kommt, ist nach dem festgestellten Sachverhalt nicht abschließend zu beurteilen. Für das Revisionsverfahren ist davon auszugehen, daß die mangels einer Klärung dieser Frage durch die Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften als rechtlich notwendig zu unterstellende Ausschreibung stattgefunden hat. Deren Durchführung hat das Berufungsgericht im Tatbestand seiner Entscheidung festgestellt. Diese Feststellung wird gestützt von dem Inhalt des an die Klägerin gerichteten Aufforderungsschreibens , auf dessen zweiter Seite die Bedingungen einer Ausschreibung ausdrücklich aufgeführt werden. Auch die Klägerin hat in ihrer Klage darauf hingewiesen, daß bis zum Ablauf der von der Beklagten in ihrer Aufforderung gesetzten Frist keine weiteren Gebote eingegangen seien, ohne daß die Beklagte dem entgegengetreten ist. Auch das deutet auf eine zumindest beschränkte Ausschreibung durch die Beklagte hin. Soweit das Berufungsgericht
im weiteren Gang des Tatbestandes und der Entscheidungsgründe das Vorliegen einer Ausschreibung verneint, scheint das die rechtliche Wertung einer Geltung der VOL/A zu betreffen.
Hat eine Ausschreibung stattgefunden, leidet sie nach den tatrichterlichen Feststellungen des Berufungsgerichts rechtlich allein daran, daß die Beklagte ihre Absicht, die Wagen zu verkaufen oder zu verschrotten, vor der Einleitung des Verfahrens nicht allgemein bekannt gemacht, und damit der auch im Rahmen einer beschränkten Ausschreibung bestehenden Notwendigkeit nicht Rechnung getragen hat, anderen die Teilnahme an dem Verfahren zu ermöglichen. Darin liegt ein Verstoß gegen die die Beklagte vor Beginn der Ausschreibung treffenden Verpflichtungen, der eine Haftung aus dem Gesichtspunkt der culpa in contrahendo auslösen kann und in deren Rahmen eine Haftung auch auf den entgangenen Gewinn auslösen kann, wenn die Klägerin berechtigterweise auf die Erteilung des Zuschlags hätte vertrauen können und dürfen. Insoweit ist nach dem festgestellten Sachverhalt indessen nicht abschließend zu beurteilen, ob und in welchem Umfang ein solches Vertrauen der Klägerin sowohl auf die Einhaltung der Regeln als auch die Erteilung des Zuschlages schutzwürdig ist, insbesondere ob ihr bekannt oder unbekannt war, daß die Regelungen über die notwendige Bekanntmachung der Absicht einer beschränkten Ausschreibung von der Beklagten nicht eingehalten worden sind. Für eine solche Kenntnis könnte sprechen, daß der Klägerin von der Beklagten in der Vergangenheit bereits entsprechende Aufträge erteilt worden sind, wobei die Beklagte nach ihrer Darstellung im wesentlichen in gleicher Weise vorgegangen sein soll.
Demgegenüber würde es an dem für die Begründung der Haftung erforderlichen schutzwürdigen Vertrauen auf seiten der Klägerin fehlen, wenn für diese erkennbar eine Ausschreibung nicht stattgefunden hat oder ihr bekannt war, daß die Beklagte für sie geltende Regeln eines Ausschreibungsverfahrens nicht eingehalten hat.
4. Soweit die weitere Prüfung durch das Berufungsgericht zu dem Ergebnis führen sollte, daß die Voraussetzungen einer Haftung der Beklagten zumindest dem Grunde nach gegeben sind, entfällt diese nicht notwendig aus dem Gesichtspunkt des rechtmäßigen Alternativverhaltens. Zu Unrecht meint die Revisionserwiderung, daß eine Haftung der Beklagten schon deshalb nicht in Betracht komme, weil sie wegen des Fehlers im Vorfeld der Ausschreibung jedenfalls berechtigt gewesen sei, die eingeleitete Ausschreibung aufzuheben und ein neues Verfahren einzuleiten.
War die Beklagte, was in diesem Zusammenhang für das Revisionsverfahren zunächst zu unterstellen ist, gemeinschaftsrechtlich zur Durchführung einer Ausschreibung verpflichtet, kann sie sich in diesem Zusammenhang nicht mit Erfolg auf die der Ausschreibung beigefügten Bedingungen berufen, nach denen sie jederzeit von einer Vergabe des Auftrages hat absehen können. Ihre Bestimmung wäre schon wegen der Verletzung der aus dem Gemeinschaftsrecht fließenden Verpflichtungen jedenfalls nach § 9 Abs. 1 AGBG unwirksam, der auch im Verhältnis der Parteien Anwendung findet (§ 24 AGBG). Gestützt werden könnte eine solche Aufhebung allenfalls auf den Rechtsgedanken des § 26 Abs. 1 VOL/A, der - von den hier nicht vorliegenden Fällen der §§ 26 Abs. 1 lit. a und b abgesehen - eine solche Aufhebung an das Vorliegen schwerwiegender Gründe knüpft (§ 26 Abs. 1 lit. c VOL/A). Zu deren Annahme
genügt nicht, daß der Ausschreibende im Verlauf des Verfahrens rechtlich oder tatsächlich fehlerhaft gehandelt hat. Bei der Prüfung des schwerwiegenden Grundes im Sinne der Vorschrift sind vielmehr strenge Maßstäbe anzulegen (vgl. für die inhaltsgleiche Regelung in der VOB/A Rusam in Heiermann /Riedl/Rusam, VOB, 9. Aufl., § 26 VOB/A Rdn. 8 m.w.N.). Dafür kann ein Fehler des Ausschreibenden schon deshalb nicht ohne weiteres genügen, weil er es anderenfalls in der Hand hätte, nach seiner freien Entscheidung durch Verstöße gegen das Vergaberecht den bei der Vergabe öffentlicher Aufträge bestehenden Bindungen zu entgehen. Eine solche Folge wäre mit Sinn und Zweck des Ausschreibungsverfahrens, das - insbesondere auch im Hinblick auf die Vorgaben des Rechts der Europäischen Gemeinschaften - zu einer größeren Klarheit und Überprüfbarkeit von Vergabeentscheidungen der öffentlichen Hände führen sollte, nicht zu vereinbaren. Berücksichtigungsfähig sind daher grundsätzlich nur solche Mängel, die die Durchführung des Verfahrens und die Vergabe des Auftrages selbst ausschließen, wie etwa das Fehlen der Bereitstellung der öffentlichen Mittel durch den Haushaltsgesetzgeber (vgl. dazu Sen.Urt. v. 08.09.1998 - X ZR 48/97, NJW 1998, 3636 = MDR 1998, 1408; X ZR 99/96, NJW 1998, 3640). Im einzelnen bedarf es für die Feststellung eines schwerwiegenden Grundes einer Interessenabwägung, für die maßgeblich die Verhältnisse des jeweiligen Einzelfalls sind. Danach kann ein rechtlicher Fehler des Vergabeverfahrens zu einem schwerwiegenden Mangel in diesem Sinne führen, wenn er einerseits von so großem Gewicht ist, daß eine Bindung des öffentlichen Auftraggebers mit Gesetz und Recht nicht zu vereinbaren wäre und andererseits von dem an den öffentlichen Ausschreibungsverfahren teilnehmenden Unternehmen, insbesondere auch mit Blick auf die Schwere dieses Fehlers, erwartet werden kann, daß sie auf diese rechtlichen und tatsächlichen
Bindungen des Ausschreibenden Rücksicht nehmen. Auch für diese Würdigung reichen die bisher getroffenen tatrichterlichen Feststellungen nicht aus.
Angesichts der damit verbleibenden tatsächlichen Unsicherheiten kommt nach dem derzeitigen Sach- und Streitstand die Einholung einer Vorabentscheidung durch den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften nicht in Betracht. Die angefochtene Entscheidung ist daher aufzuheben und die Sache zur weiteren Aufklärung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, das je
nach dem Ergebnis seiner Aufklärung auch die Möglichkeit einer eigenen Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften zu prüfen haben wird.
Rogge Melullis Scharen
Mühlens Meier-Beck

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X ZR 30/03 Verkündet am:
3. Juni 2004
Wermes
Justizhauptsekretär
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 3. Juni 2004 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Melullis, den
Richter Scharen, die Richterinnen Ambrosius und Mühlens und den Richter
Dr. Meier-Beck

für Recht erkannt:
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des 2. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Rostock vom 5. Februar 2003 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Tatbestand:


Das klagende Unternehmen verlangt von der beklagten Stadt Ersatz entgangenen Gewinns, weil sie nicht den Zuschlag für die landwirtschaftliche Verwertung von Klärschlamm erhalten hat.
Die Beklagte schrieb die Verwertung des in ihrer Kläranlage anfallenden Klärschlamms im Jahre 1998 für den Zeitraum vom 1. Januar 1999 bis zum 31. Dezember 2003 europaweit im Offenen Verfahren nach der Verdingungsordnung für Leistungen Teil A (VOL/A) aus. Die Bewerbungsbedingungen be-
gannen mit dem Hinweis, daß der Auftraggeber nach der VOL/A verfahre. In der Ausschreibung hieß es, daß der Zuschlag gemäß § 25 Abs. 3 VOL/A auf das Angebot erteilt werde, das unter Berücksichtigung aller technischen, wirtschaftlichen und umweltverträglichen Gesichtspunkte sowie der Verwertungssicherheit als das annehmbarste erscheine. Ausweislich des Leistungsverzeichnisses war der Klärschlamm vom Auftragnehmer abzutransportieren, erforderlichenfalls zwischenzulagern und auf von ihm zu akquirierende landwirtschaftliche Nutzflächen aufzubringen. In den Vorbemerkungen zum Leistungsverzeichnis hieß es unter anderem: "Grundlage für die Klärschlammverwertung ist die Klärschlammverordnung ...". Der zu verwertende Klärschlamm wurde unter anderem wie folgt charakterisiert: "Der Klärschlamm kann gekalkt oder ungekalkt angeboten werden."
Die Klägerin bot die Entsorgung sowohl mit als auch ohne Zwischenlagerung zum Preis von 40,50 DM/t an. Ein weiterer Anbieter, die O. & V. GmbH, verlangte 41,00 DM/t bei Direktverwertung des Klärschlamms und 43,00 DM/t bei Zwischenlagerung. Nach Ablauf der Angebotsfrist erfragte die Beklagte bei den Bietern, in welchem Umfang die Bereitstellung gekalkten Klärschlamms gewünscht werde. Sie wies zugleich darauf hin, daß bei einer Kalkzugabe aus technischen Gründen ein Minimum von 20 % zugesetzt werden müsse. Die O. & V. GmbH gab an, während der gesamten Vertragslaufzeit nur 30 % der Abnahmemenge gekalkt zu benötigen. Die Klägerin antwortete der Beklagten mit Schreiben vom 26. Oktober 1998, daß sie in Kenntnis der derzeitigen Bodenwerte in den umliegenden Landkreisen ca. 70 % gekalkten Klärschlamm und 30 % ungekalkten Klärschlamm benötige. Obwohl aus ihrer Sicht eine Kalkzugabe von 5 - 6 % ausreichend sei, beziehe sie in ihre Planung
ein, daß es aus technischen Gründen in jedem Fall ca. 20 % sein müßten. Bei einer 20 %igen Kalkzugabe ändere sich der Bedarf an Klärschlamm im Jahre 2001 auf ca. 60 % gekalkten Klärschlamm und 40 % ungekalkten Klärschlamm.
Die Beklagte erteilte am 16. November 1998 der O. & V. GmbH den Zuschlag. Sie bewertete deren Angebot unter Berücksichtigung des höheren Angebotspreises einerseits und der niedrigeren Kalkungskosten andererseits als das wirtschaftlichere.
Auf Antrag der Klägerin stellte die Vergabeprüfstelle des Innenministeriums Mecklenburg-Vorpommern fest, daß die Vergabe rechtsfehlerhaft erfolgt sei. Die Klägerin meint, die Kalkungskosten hätten bei der Bewertung der Angebote keine Rolle spielen dürfen, weil sich dieses Kriterium nicht aus den Vergabeunterlagen ergeben habe. Bei Zugrundelegung des reinen Angebotspreises hätte sie als günstigste Bieterin den Zuschlag erhalten müssen. Sie verlangt deshalb Ersatz des ihr entgangenen Gewinns, den sie mit 675.000,-- DM beziffert.
Die Klage ist in den Vorinstanzen ohne Erfolg geblieben. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihre Klage weiter.

Entscheidungsgründe:


Die Revision hat keinen Erfolg.
I. Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung wie folgt begründet: Die Beklagte habe bei der Erteilung des Zuschlages ihre vorvertraglichen Pflichten nicht verletzt. Das Angebot der O. & V. GmbH sei wegen deren geringeren Kalkungsbedarfs wirtschaftlicher gewesen als das der Klägerin, welches nicht nur zu höheren Kalkungskosten, sondern auch zu einer größeren Menge des zu entsorgenden Klärschlamms geführt und im Gesamtvergleich Mehrkosten von 132.021,80 DM verursacht hätte. Die Beklagte habe den Faktor "Kalkungskosten" auch berücksichtigen dürfen. Denn der mit der Materie vertraute Bieter habe den Ausschreibungsunterlagen entnehmen können und müssen, daß bei der betriebswirtschaftlichen Preis-Leistungs-Analyse der Angebote, die aufgrund des ausdrücklich genannten Zuschlagskriteriums der "Wirtschaftlichkeit" durchzuführen war, die Kalkungskosten eine Rolle spielen konnten. Dies sei für die auf Klärschlammentsorgung spezialisierten Bieter schon aus der ausdrücklich in Bezug genommenen Klärschlammverordnung erkennbar gewesen , weil nach dieser die Beklagte als "Produzent" des Klärschlamms für eine dem Kalkbedarf der Aufbringungsflächen entsprechende Aufkalkung des Klärschlamms rechtlich verantwortlich geblieben sei. Die Relevanz der Kalkungskosten habe sich überdies aus der Vorbemerkung zur Leistungsbeschreibung ergeben, daß Klärschlamm gekalkt oder ungekalkt angeboten werden könne und auf Wunsch des Auftragnehmers gekalkter Schlamm zusätzlich untersucht werde, wenn es das Verwertungsziel erforderlich mache. Ebensowenig habe die Beklagte gegen ihre Pflicht zur Leistungsbeschreibung nach § 8 Nr. 1 (1) VOL/A verstoßen, da die Zufügung von Kalk keine Leistung des Auftragnehmers , sondern eine Vorleistung der Beklagten gewesen sei. Auch das Transpa-
renzgebot sei nicht verletzt worden, weil wegen der explizit angesprochenen Möglichkeit der Kalkbeimengung für die Bieter offenkundig gewesen sei, daß die Beklagte je nach Qualität der Böden die erforderliche Kalkmenge zusetzen werde und ihr dadurch Betriebskosten entstehen mußten. Die Beklagte habe auch nicht gegen das Gebot zur Gleichbehandlung aller Bieter verstoßen. Denn sie habe alle Bieter nach der erforderlichen Kalkbeimengung gefragt. Die Bieter hätten durch ihre Antwort nicht etwa den angebotenen Preis nachträglich beeinflußt, sondern lediglich pflichtgemäß das Vertragsrisiko der Beklagten offengelegt.
II. Diese Ausführungen halten im Ergebnis der rechtlichen Nachprüfung stand. Ohne Rechtsfehler hat das Berufungsgericht entschieden, daß die Beklagte nicht gegen ihre Pflicht zur Leistungsbeschreibung verstoßen habe. Allerdings hätte die Beklagte ihre Kalkungskosten nicht als Vergabekriterium anwenden dürfen, weil die Ausschreibung insoweit unklar war. Eben wegen dieser Unklarheit durfte die Klägerin aber nicht auf ihr eigenes Verständnis vertrauen , so daß ihr im Ergebnis trotz des Vergabefehlers kein Schadensersatzanspruch zusteht.
1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats kommt bei verfahrensfehlerhaft durchgeführten Ausschreibungen für den übergangenen erstrangigen Bieter ein Schadensersatzanspruch wegen Verschuldens bei den Vertragsverhandlungen in Betracht. Aufgrund der öffentlichen Ausschreibung besteht ein vorvertragliches Vertrauensverhältnis zwischen dem Auftraggeber und den Bietern, das bei einer Verletzung der Ausschreibungsregeln und -bedingungen einen Schadensersatzanspruch des übergangenen Bieters we-
gen Verschuldens bei den Vertragsverhandlungen begründen kann, wenn der Bieter in seinem berechtigten und schutzwürdigen Vertrauen enttäuscht worden ist, das Vergabeverfahren werde nach den maßgeblichen Bestimmungen abgewickelt (vgl. nur Sen.Urt. v. 06.02.2002 - X ZR 185/99, NJW 2002, 1952 unter I 1; v. 16.12.2003 - X ZR 282/02, unter I 1). Der Anspruch richtet sich grundsätzlich auf Ersatz des Vertrauensschadens (negatives Interesse), d.h. auf Erstattung der nutzlosen Aufwendungen für die Erstellung des Angebots, ausnahmsweise jedoch auf Ersatz des entgangenen Gewinns (positives Interesse ), falls der ausgeschriebene Auftrag tatsächlich erteilt wurde und bei ordnungsgemäßem Verfahrensablauf dem übergangenen Bieter hätte zugeschlagen werden müssen (Sen.Urt. v. 05.11.2002 - X ZR 232/00, BauR 2003, 240 unter III a).
Als Verfahrensfehler kommt hier nur ein Verstoß gegen die Bestimmungen der VOL/A in der damals geltenden Ausgabe 1997 (künftig: VOL/A) in Betracht. Die Beklagte wies in den Bewerbungsbedingungen ausdrücklich darauf hin, daß sie nach der VOL/A verfahre. Falls sie deren Bestimmungen entgegen ihrer Zusage nicht einhielt, verletzte sie also ihre vorvertraglichen Pflichten.
2. Zu Recht beanstandet die Revision eine Verletzung des Gebots, bei der Wertung der Angebote nach § 25 VOL/A nur solche Kriterien zu berücksichtigen , die in den Verdingungsunterlagen angegeben waren.

a) Dieses Gebot ergibt sich schon aus der wegen Überschreitung des EG-Schwellenwerts von 200.000 ECU gebotenen richtlinienkonformen Auslegung der VOL/A. Die Richtlinie 92/50/EWG des Rates über die Koordinierung
der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Dienstleistungsaufträge vom 18. Juni 1992 will eine Gleichbehandlung aller Bewerber um öffentliche Aufträge und eine Vergabe allein nach sachlichen und willkürfreien Kriterien sicherstellen. Mit diesem Zweck ist die Berücksichtigung erst nachträglich gebildeter, aus der Ausschreibung selbst nicht hervorgehender Zuschlagskriterien unvereinbar. Könnte der Auftraggeber nachträglich den Kriterienkatalog beliebig ändern oder anders gewichten, wäre die nach dem Zweck der Regelung erforderliche Überprüfbarkeit seiner Vergabeentscheidung nach objektiven Kriterien nicht mehr gewährleistet. Es würden vielmehr nachträgliche Veränderungen im Anforderungsprofil ermöglicht, mit deren Hilfe der Auftraggeber einen dem Gebot der Chancengleichheit widersprechenden Einfluß auf die Vergabeentscheidung nehmen könnte, der mit Sinn und Zweck der europarechtlichen Vorgaben zum Vergaberecht unvereinbar wäre. Es ist deshalb unabdingbar, daß die Wertung der Angebote nur auf solche Kriterien gestützt wird, die vorher, d.h. bei der Aufforderung zur Angebotsabgabe, bekanntgemacht worden sind. Nur dann ist auch dem Gebot der Rechtsstaatlichkeit genügt, zu dem die Vorhersehbarkeit und Transparenz staatlichen Handelns gehören (Sen.Urt. v. 17.02.1999 - X ZR 101/97, NJW 2000, 137 unter II 2 c).

b) Die Bekanntmachung setzt voraus, daß der Auftraggeber den Bietern die Zuschlagskriterien hinreichend klar und deutlich vor Augen geführt hat. Der Auftraggeber darf zwar bei der Gestaltung seiner Ausschreibung genügenden Sachverstand der Bieter voraussetzen. Er muß die Ausschreibung und insbesondere die Vergabekriterien jedoch so klar formulieren, daß jedenfalls fachkundige Bieter keine Verständnisschwierigkeiten haben (Daub/Eberstein/ Zdzieblo, VOL/A, 5. Aufl., § 8 Rdn. 29). Auch ein mißverständlich formuliertes
Kriterium ist daher nicht hinreichend bekanntgemacht und darf deshalb bei der Wertung der Angebote nicht berücksichtigt werden.

c) Die demnach entscheidende Frage, ob das Kriterium der Kalkungskosten der Beklagten aus den ursprünglichen Verdingungsunterlagen klar genug erkennbar war, ist zu verneinen. Der gegenteilige Standpunkt des Berufungsgerichts , wonach es für die Bieter offensichtlich gewesen sei, daß die Kalkungskosten der Beklagten ein Vergabekriterium darstellen sollten, ist nicht frei von Rechtsfehlern.
(1) Dabei kann hier dahinstehen, ob ihm eine der revisionsgerichtlichen Überprüfung nur begrenzt unterliegende tatrichterliche Auslegung zugrunde liegt oder diese Auslegung der uneingeschränkten revisionsgerichtlichen Überprüfung unterworfen ist. Auch wenn es sich um eine ursprünglich dem Tatrichter vorbehaltene Auslegung handeln sollte, kann sie mit Blick auf den festzustellenden Rechtsfehler, der dem erkennenden Senat die eigene Auslegung eröffnet (st. Rspr. des BGH, vgl. nur Urt. v. 14.12.1990 - V ZR 223/89, NJW 1991, 1180 unter 2), keinen Bestand haben.
(2) Bei seiner Würdigung hat das Berufungsgericht den vorliegenden Sachverhalt nicht ausgeschöpft.
aa) Rechtlich bedenkenfrei hat das Berufungsgericht aus der Vorbemerkung zur Leistungsbeschreibung, in welcher die Beklagte den Klärschlamm gekalkt oder ungekalkt anbot, allerdings den Schluß gezogen, daß die mit der Materie vertrauten, auf Klärschlammentsorgung spezialisierten Bieter erkennen
konnten und mußten, daß die Beklagte in Befolgung der gesetzlichen Pflicht nach der Klärschlammverordnung (AbfKlärV v. 15.04.1992, BGBl. I 1992, 912) zur Aufkalkung bedürftiger Böden, die gleichermaßen zu beachten hat, wer Abwasserbehandlungsanlagen betreibt und Klärschlamm zum Aufbringen auf landwirtschaftlich genutzte Böden abgibt und wer Klärschlamm auf landwirtschaftlich genutzte Böden aufbringt (§§ 1 Abs. 1, 4 Abs. 9 AbfKlärV), je nach Bedarf und Wahl des Auftragnehmers Kalk zusetzen werde. Unbegründet ist die Rüge der Revision, das Berufungsgericht habe sich nicht mit dem Vortrag der Klägerin auseinandergesetzt, sie habe den Hinweis, der Klärschlamm könne gekalkt oder ungekalkt angeboten werden, dahin verstanden, daß die Beklagte den Kalk im eigenen Interesse, nämlich zwecks besserer Handhabung, mit Kalk versetzen wolle und sie, die Klägerin, den Kalk daher nehmen müsse, "wie es kommt". Da ein solches Mißverständnis der Klägerin dem vom Berufungsgericht zutreffend ermittelten objektiven Erklärungsinhalt widersprochen hätte, kommt es darauf nicht an. Ebenfalls keinen Erfolg hat die in diesem Zusammenhang erhobene weitere Rüge der Revision, das Berufungsgericht sei rechtswidrig davon ausgegangen, eine nach den einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen erforderliche Kalkung habe zwingend durch Kalkzugaben zum Klärschlamm erfolgen müssen und sei daher von der Beklagten zu veranlassen gewesen. Es trifft zwar zu, daß der Kalk auch unmittelbar auf die Entsorgungsflächen aufgebracht werden kann und deshalb die Kalkung auch vom Abnehmer des Klärschlamms vorgenommen werden darf. Ein etwaiger diesbezüglicher Irrtum des Berufungsgerichts war für das Ergebnis seiner Auslegung jedoch nicht kausal. Für das Berufungsgericht war entscheidend, daß die Beklagte für eine ausreichende Kalkung der Aufbringungsflächen rechtlich ver-
antwortlich blieb. Ob neben der Beklagten auch die Klägerin verantwortlich war, spielte keine Rolle.
Auch die weitere Schlußfolgerung des Berufungsgerichts, für die Bieter sei gleichfalls offenkundig gewesen, daß der - Material und Arbeit erfordernde - Kalkzusatz die Betriebskosten der Beklagten vermehren und außerdem die Menge des zu entsorgenden Klärschlamms vergrößern und damit die von der Beklagten zu zahlende, nach einem Einheitspreis pro Tonne Klärschlamm zu errechnende Gesamtvergütung erhöhen werde, kann nach der Fachkunde der Bieter erwartet werden.
bb) Durchgreifenden rechtlichen Bedenken begegnet hingegen die Annahme des Berufungsgerichts - die es, wenn überhaupt, auch nur konkludent geäußert hat -, die Beklagte habe ferner hinreichend deutlich zum Ausdruck gebracht, daß ihre Kalkungskosten ein Vergabekriterium seien. Dem Berufungsgericht hat hierfür die von ihm zugrunde gelegte, für die Bieter ersichtliche Tatsache genügt, daß eine Kalkung die Kosten der Beklagten erhöhte.
Die vom Berufungsgericht aufgeworfene Grundsatzfrage, inwieweit offensichtliche Faktoren, die sich auf die Kosten des Auftraggebers auswirken, über die bloße Erwähnung des Wirtschaftlichkeitsfaktors hinaus als Zuschlagskriterium genannt werden müssen, stellt sich nicht. Das Berufungsgericht hat jedoch verkannt, daß eine ausreichende Deutlichkeit des Vergabekriteriums der Kalkungskosten allenfalls dann zugrunde gelegt werden kann, wenn die Bieter aufgrund dieses Wissens davon ausgehen müssen und insgesamt deshalb auch davon ausgehen, daß diese Kosten in die Bewertung des annehm-
barsten Gebots einfließen werden. Eine Klarheit in diesem Sinne schafft die hier vorliegende Ausschreibung nicht. Mit der Bedeutung dieser Kosten befassen sich die Ausschreibungsunterlagen nicht; sie stellen vielmehr die Auswahl zwischen gekalktem und ungekalktem Klärschlamm ohne jede Einschränkung in die Entscheidung des Abnehmers. Für den unbefangenen Leser verbleibt auch vor dem Hintergrund des vom Berufungsgericht angenommenen Wissenstandes der Bieter auf ihrer Seite die nach dem Wortlaut nicht fernliegende Möglichkeit, daß es dem Ausschreibenden auf diese Kosten nicht ankomme, etwa weil sie im konkreten Fall nicht ins Gewicht fallen oder durch anderweitige Vorteile wie eine kostengünstige Entsorgung von kalkhaltigem Material kompensiert werden. Daß es sich für die Beklagte bei diesen Kosten um einen Umstand von Bedeutung handeln kann, ist mit der nötigen Klarheit erst durch ihre der Ausschreibung nachfolgende Anfrage bei den in Aussicht genommenen Bietern hervorgetreten, in welchem Umfang sie die Lieferung von gekalktem Schlamm benötigten. Diese Anfrage konnte jedoch aufgrund des Zeitpunkts, zu dem sie erfolgt ist, die bis zum Ende der Ausschreibungsfrist bestehende und dort der Beurteilung zugrundeliegende Unklarheit nicht beseitigen. Der erkennende Senat hat bereits entschieden, daß es genügt, wenn zweifelsfrei zu erkennen war, daß bestimmte Kosten bei der Auftragserteilung eine Rolle spielen würden (Urt. v. 06.02.2002, aaO). So lag es hier aber gerade nicht. Weil die Frage nach dem Kalkungsbedarf fehlt, muß den Bewerbern auch die entgegengesetzte Verständnismöglichkeit eingeräumt werden, daß nämlich die Beklagte nicht nur die gewünschte Kalkung kostenlos vornehmen, sondern darüber hinaus darauf verzichten wolle, die individuellen Kalkungswünsche der Bewerber bei der Wirtschaftlichkeitsprüfung der Angebote in ihre Berechnung einzustellen. Die Bieter brauchten diese Möglichkeit nicht etwa wegen der
mutmaßlichen Höhe der Kalkungskosten und/oder der Pflicht der Beklagten zur Berücksichtigung ihrer sämtlichen Kosten bei der Wirtschaftlichkeitsprüfung auszuscheiden. Solche Überlegungen haushaltsrechtlicher Art oblagen vielmehr allein der Beklagten. Beide Verständnismöglichkeiten waren somit vertretbar. Dann aber war das Vergabekriterium der Kalkungskosten aus den Ausschreibungsunterlagen nicht klar genug ersichtlich.
Nach alledem hat die Beklagte mit der Berücksichtigung ihrer Kalkungskosten bei der Vergabeentscheidung gegen das öffentliche Vergaberecht (§ 25 VOL/A) verstoßen.
3. Trotz diesem Verstoß ist die Schadensersatzforderung der Klägerin nicht begründet.
Dies ergibt sich daraus, daß die Schadensersatzpflicht des Auftraggebers , die ihren Grund in der Verletzung des Vertrauens des Bieters darauf findet , daß das Vergabeverfahren nach den einschlägigen Vorschriften des Vergaberechts abgewickelt wird (Sen.Urt. v. 16.12.2003, aaO unter I 1), ein berechtigtes und schutzwürdiges Vertrauen voraussetzt (BGHZ 124, 64, 70; Sen.Urt. v. 12.06.2001 - X ZR 150/99, NJW 2001, 3698 unter 3; v. 16.04.2002 - X ZR 67/00, NJW 2002, 2558 unter 2 e; v. 28.10.2003 - X ZR 248/02, NZBau 2004, 166 unter 1 d). Die Schutzwürdigkeit des Vertrauens entfällt, wenn der Bieter bei der ihm im jeweiligen Fall zumutbaren Prüfung erkannt hat oder hätte erkennen müssen, daß der Auftraggeber von den für ihn geltenden Regeln abweicht (BGHZ aaO; Sen.Urt. v. 12.06.2001, aaO). Darüber hinaus verdient sein Vertrauen aber auch dann keinen Schutz, wenn sich ihm die ernsthafte Gefahr
eines Regelverstoßes des Auftraggebers aufdrängen muß, ohne daß die Abweichung schon sicher erscheint. Aus diesem Grund war im vorliegenden Fall das Vertrauen der Klägerin, die Beklagte werde ihre - ersichtlich anfallenden, aber nicht zum Vergabekriterium erklärten - Kalkungskosten bei der Wertung der Angebote außer acht lassen, nicht berechtigt. Dazu war die Ausschreibung in diesem Punkt unklar. Eben weil das Angebot der Beklagten, den Klärschlamm nach Wahl des Auftragnehmers zu kalken, mehrdeutig war, also verschiedene , auch entgegengesetzte Verständnismöglichkeiten eröffnete - was ein fachkundiger Bieter auch erkennen mußte -, hätte die Klägerin sich nicht ohne weiteres auf die ihr günstigere Auslegungsmöglichkeit verlassen dürfen, sondern damit rechnen müssen, daß die Beklagte ihre Kalkungskosten doch zum Wertungskriterium machen wolle.
Es braucht deshalb nicht entschieden zu werden, ob der Anspruch der Klägerin auf Ersatz ihres entgangenen Gewinns auch am Gesichtspunkt des sogenannten rechtmäßigen Alternativverhaltens scheitert.
4. Einen Anspruch auf Ersatz ihres negativen Interesses, d.h. ihrer nutzlosen Aufwendungen für die Teilnahme an der Ausschreibung, hat die Klägerin im vorliegenden Rechtsstreit nicht, auch nicht hilfsweise, geltend gemacht.
Melullis Scharen Ambrosius
Mühlens Meier-Beck

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
GRUNDURTEIL
X ZR 185/99 Verkündet am:
6. Februar 2002
Potsch
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ : nein
BGHR : ja
VOB/A § 24 Nr. 3
Reduziert der öffentliche Auftraggeber im Einverständnis mit einem Bieter einen
Einzelpreis in dessen Angebot mit der Folge, daß der Bieter in der Gesamtwertung
der Angebote eine günstigere Position einnimmt, so handelt es
sich hierbei nicht um eine unschädliche "Klarstellung" des Angebots, sondern
um eine nachträgliche, nach § 24 Nr. 3 VOB/A unzulässige Preisänderung, die
bei der Bewertung der Angebote nicht berücksichtigt werden darf.
BGH, Urt. v. 6. Februar 2002 - X ZR 185/99 - Kammergericht
LG Berlin
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Ver-
handlung vom 6. Februar 2002 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Melullis, die
Richter Prof. Dr. Jestaedt, Scharen, Keukenschrijver und Asendorf

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das am 28. September 1999 verkündete Urteil des 27. Zivilsenats des Kammergerichts aufgehoben.
Auf die Berufung der Klägerin wird das am 2. September 1998 verkündete Urteil der 23. Zivilkammer des Landgerichts Berlin abgeändert.
Die Klage ist dem Grunde nach gerechtfertigt.
Im übrigen wird der Rechtsstreit zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens , an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Die Beklagte schrieb im offenen Verfahren für die Herrichtung des Bundesministeriums der Justiz in Berlin sanitärtechnische Anlagen aus. In der Verdingungsverhandlung am 16. September 1997 lagen insgesamt 29 Angebote vor. Nach dem Ergebnis der rechnerischen Prüfung wurde das Angebot der Klägerin mit 1.788.347,77 DM als das preisgünstigste ermittelt, gefolgt von dem der B. B. GmbH und dem der S. GmbH. Alle in die nähere Auswahl genommenen fünf Bieter hat die Beklagte nach Leistungsfähigkeit und Sachkompetenz gleich eingeschätzt.
In der Position 1.2.670 des Leistungsverzeichnisses war die provisorische Dachentwässerung anzubieten, die in den Unterbeschreibungen 01 bis 05 näher erläutert wurde. Einheitspreis und Gesamtpreis waren nur je Einheit Dachentwässerung anzugeben (insgesamt 5), hingegen nicht für die einzelnen (erläuternden) Unterbeschreibungen. Das ungeprüfte Angebot der B. B. GmbH betrug 1.818.386,90 DM. In diesem Angebot gab sie einen Einheitspreis von 168,-- DM, einen Gesamtbetrag von 840,-- DM und für die Unterpositionen 01 bis 05 jeweils einzelne Beträge mit einer Gesamtsumme von 25.670,-- DM an. Der rechnerische Gesamtbetrag der Position 1.2.670 betrug danach 26.494,-- DM. Vor der Preisprüfung korrigierte das von der Beklagten beauftragte Architektenbüro (Streithelferin zu 1) durch die von ihr unterbeauftragte Ingenieurgesellschaft (Streithelferin zu 2) die in den Unterpositionen genannten Beträge und brachte für die Position 1.2.670 nur einen Betrag von 840,-- DM in Ansatz. Damit belief sich das Angebot der B. B. GmbH auf 1.788.976,80 DM.
Bei dem Bietergespräch am 22. Oktober 1997 wurde mit den Bietern insbesondere über die Verschiebung des Termins für die Gesamtfertigstellung gesprochen. Zumindest mit der Klägerin und der B. B. GmbH wurde auch über die Bindung an die angebotenen Einheitspreise über den in der Leistungsbeschreibung genannten Fertigstellungstermin (9. August 1999) hinaus verhandelt. Die Klägerin lehnte eine Zustimmung für die Zeit nach dem 15. Dezember 1999 nicht ab, bestand aber auf einer Preisanpassungsklausel. Die B. B. GmbH war dagegen mit einer Einheitspreisbindung bis zum 31. Juli 2000 einverstanden.
Mit Schreiben vom 4. November 1997 erteilte die Bundesbaudirektion der B. B. GmbH den Auftrag. Bei der Vergabe wurde berücksichtigt, daß die im Leistungsverzeichnis als Bedarfspositionen anzugebenden Einheitspreise für die Wartung bei dieser am günstigsten waren. Eine Änderung der Ausführungsfrist erfolgte nicht. Das Bundesbauministerium für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau - Vergabeprüfstelle - stellte im Bescheid vom 9. Dezember 1997 fest, daß das Vergabeverfahren der Beklagten rechtswidrig gewesen sei.
Die Klägerin verlangt Ersatz des ihr infolge der Versagung des Zuschlags entstandenen Schadens einschließlich des entgangenen Gewinns, der Ausschreibungskosten und der Anwaltskosten in Höhe von insgesamt 132.424,04 DM. Sie hat die Auffassung vertreten, der B. B. GmbH sei der Auftrag zu Unrecht erteilt worden, weil sie unter Berücksichtigung der Bedarfspositionen für Wartung das wirtschaftlich günstigste Angebot abgegeben habe.
Die Beklagte ist dem entgegengetreten.
Das Landgericht Berlin hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin hatte keinen Erfolg. Mit ihrer Revision verfolgt die Klägerin ihren Schadensersatzanspruch weiter. Die Beklagte bittet um Zurückweisung des Rechtsmittels.

Entscheidungsgründe:


Die Revision der Klägerin hat Erfolg.
I. 1. Das Berufungsgericht hat im Ansatz zutreffend angenommen, daß aufgrund der öffentlichen Ausschreibung der Beklagten zwischen den Parteien ein vorvertragliches Vertrauensverhältnis bestanden hat, das bei Verletzung der Ausschreibungsregeln und -bedingungen zu einem Schadensersatzanspruch aus Verschulden bei Vertragsschluß führen kann, weil der Bieter in seinem Vertrauen enttäuscht wird, das Vergabeverfahren werde nach den maßgeblichen Bestimmungen der VOB/A abgewickelt. Dies entspricht der ständigen Rechtsprechung des Senats (Urt. v. 8.9.1998 - X ZR 99/96, NJW 1998, 3640, 3641; Urt. v. 8.9.1998 - X ZR 109/96, NJW 1998, 3644, 3645; Urt. v. 17.2.1999 - X ZR 101/97, BauR 1999, 736, 738; Urt. v. 26.10.1999 - X ZR 30/98, WM 2000, 86, 87) und wird von der Revision nicht angegriffen.
2. a) Das Berufungsgericht hat sodann aber eine Verletzung der Ausschreibungsregeln verneint und dazu ausgeführt: Ein Verstoß gegen das Verhandlungsverbot des § 24 Nr. 3 VOB/A liege nicht vor. Eine nach dieser Vorschrift unzulässige Änderung der festgelegten Ausführungsbedingungen und Termine sei nicht erfolgt. Insbesondere sei in der bloßen Anfrage während des
Bietergesprächs am 22. Oktober 1997 keine Verlängerung der Leistungsfrist zu sehen; denn Sinn des Verbots sei es, den Wettbewerb unter gleichen Bedingungen für alle Bieter aufrechtzuerhalten. Erfolge eine Änderung der Bedingungen jedoch nicht, könne das bloße Gespräch über mögliche andere Fertigstellungstermine und eine bloße Preisbindung nicht zu einem Einfluß auf die Lage der einzelnen Bieter in dem Verfahren geführt haben.

b) Dies greift die Revision im Ergebnis ohne Erfolg an.
Der Revision ist zwar einzuräumen, daß das Berufungsgericht bei der Beurteilung des Bietergesprächs vom 22. Oktober 1997 erheblichen Tatsachenvortrag nicht berücksichtigt hat (§ 286 ZPO), indem es den vorgetragenen Inhalt der Protokolle nicht - jedenfalls nicht erkennbar - verwertet hat. Es ist auch davon auszugehen, daß die Beklagte in den Gesprächen um eine erhebliche Verlängerung der im Angebot vorgesehenen Leistungsfrist bis Ende 2000 und um die Bindung der angebotenen Preise bis zu diesem Zeitpunkt gebeten und daß sie unter Verletzung des Verhandlungsverbots nach § 24 Nr. 3 VOB/A eine Änderung der Ausführungsbedingungen mit der B. B. GmbH vereinbart hat. Diese Verletzung der Ausschreibungsregeln hatte aber nicht den Ausschluß des der B. B. GmbH aus dem Vergabeverfahren zur Folge, sondern führte nur dazu, daß die vereinbarten Änderungen der festgelegten Ausführungsbedingungen bei der Bewertung des Angebots nicht berücksichtigt werden durften.
3. a) Das Berufungsgericht hat einen Verstoß gegen § 24 Nr. 3 VOB/A auch hinsichtlich der "Korrektur" der Position 1.2.670 des Angebots der B. B. GmbH verneint. Hierin liege, so hat es ausgeführt, keine Änderung des ange-
botenen Preises. Maßgeblich habe nur der Einheitspreis der Position 1.2.670 in Höhe von 168,-- DM/Stunde sein sollen. Die in den Unterpositionen von der B. B. GmbH angegebenen Preise seien nicht erforderlich und nicht maßgeblich gewesen. In dem Gespräch sei lediglich klargestellt worden, daß auch tatsächlich der - maßgebliche - genannte Preis von 840,-- DM gelten sollte. Dies habe dann die rechnerisch notwendige Reduzierung der Gesamtsumme um ca. 25.600,-- DM erfordert. Es habe auch keine unzulässige Splittung vorgelegen, die zu einem Ausschluß des Bieters aus dem Verfahren hätte führen müssen. Die B. B. GmbH habe zwar in den Unterpositionen andere Preise angegeben, die mit dem in Position 1.2.670 angegebenen Einheitspreis nicht übereinstimmten. Diese Unterpositionen hätten nach Auskunft der GmbH aber nicht Bestandteil des Angebots sein sollen.

b) Ohne Erfolg rügt die Revision, das Berufungsgericht habe übersehen, daß die B. B. GmbH unter Verstoß gegen § 21 Nr. 1 Abs. 1 und 2 VOB/A mit ihren Eintragungen zu Position 1.2.670 von den Verdingungsunterlagen abgewichen sei und daß die Eintragungen mehrdeutig seien. Die Eindeutigkeit werde auch nicht durch Nr. 6 ZVB (§ 23 Nr. 3 Abs. 1 VOB/A) geschaffen. Die B. B. GmbH habe deshalb nach § 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. b VOB/A aus dem Verfahren ausgeschlossen werden müssen.
aa) § 21 Nr. 1 VOB/A betrifft den Inhalt des Angebots. Abs. 1 Satz 1 enthält den Grundsatz, daß das Vertragsangebot klar, vollständig und in jeder Hinsicht zweifelsfrei sein muß. Deshalb verlangt die Vorschrift, daß die Angebote nur die Preise und die geforderten Erklärungen enthalten sollen. Entsprechend ist es nach § 6 Nr. 1 VOB/A erforderlich, daß der Bieter im Angebot nicht nur einen sogenannten Gesamtpreis nennt, sondern auch die jeweils gefor-
derten Einzelpreise angibt. Aus gleichen Gründen sind Änderungen des Bieters an seinen Eintragungen im Leistungsverzeichnis untersagt. Die Vornahme von nachträglichen Änderungen (etwa Streichungen und dergleichen) durch den Bieter begründet besonders die Gefahr von Mißverständnissen, die es zu vermeiden gilt.
bb) Nach diesen Grundsätzen ist ein Verstoß gegen § 21 Nr. 1 VOB/A nicht gegeben. Das Berufungsgericht hat rechtsfehlerfrei festgestellt, daß die B. B. GmbH bei der Position 1.2.670 "Provisorische Dachentwässerung" in der Leitbeschreibung einen Einheitspreis von 168,-- DM angegeben und für fünf Stunden einen Gesamtpreis von 840,-- DM gebildet hat. Ferner hat sie in den Unterbeschreibungen 01 bis 05 Einzelbeträge vermerkt, die zusammen mit dem Stundenpreis von 840,-- DM eine Gesamtsumme von 26.494,-- DM ergeben. Die B. B. GmbH hat zwar durch das Einsetzen der Kalkulationsposten in den Unterbeschreibungen mehr getan, als von ihr verlangt war. Dadurch ist ihr Angebot aber weder im Sinne des § 21 Nr. 1 VOB/A geändert worden, noch hat sie Änderungen vorgenommen. Das Angebot war auch in sich nicht mißverständlich , da der geforderte Preis 26.494,-- DM ohne weiteres aus den Einzelpositionen zu errechnen war.

c) Die Revision kann auch nicht mit Erfolg geltend machen, das Berufungsgericht habe nicht berücksichtigt, daß der B. B. GmbH durch das fehlerhafte Ausfüllen des Leistungsverzeichnisses ermöglicht worden sei, die erforderliche Klärung je nach der Positionierung ihres Angebotes im Bieterfeld vorzunehmen. Zwar können Rechenfehler, die bewußt von einem Bieter in ein Vergabeverfahren eingeschmuggelt werden, als Zeichen der Unzuverlässigkeit des betreffenden Bieters gewertet werden (BGH, Urt. v. 14.10.1993
- VII ZR 96/92, BGHR VOB/A § 25 Nr. 2 Abs. 1 - Zuverlässigkeit). Es ist jedoch nicht festgestellt, daß die B. B. GmbH bewußt fehlerhafte oder mißverständliche Zahlenangaben gemacht hat. Die Revision zeigt auch nicht auf, daß das Berufungsgericht in diesem Zusammenhang Sachvortrag der Klägerin übergangen hätte.

d) Mit Erfolg rügt die Revision hingegen, das Berufungsgericht habe die Tragweite des Verbots des § 24 Nr. 3 VOB/A verkannt.
Die B. B. GmbH hat ausweislich ihres Leistungsverzeichnisses für die Position 1.2.670 einen Gesamtpreis von 26.494,-- DM angeboten. Dieser Gesamtpreis war damit verbindlicher Gegenstand ihres Vertragsangebots. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hat die B. B. GmbH während des Bietergesprächs am 22. Oktober 1997 erklärt, daß nur der Preis der Leitbeschreibung (840,-- DM) gelten solle. Sie hat damit ihr Angebot nachträglich verändert. Hiervon ausgehend hat das für die Beklagte handelnde Ingenieurbüro daraufhin 25.600,-- DM nebst Mehrwertsteuer von dem Angebotsgesamtpreis der B. B. GmbH mit der Folge abgesetzt, daß im Gesamtvergleich der Angebote diese von der dritten Stelle an die zweite Stelle rückte. Dabei handelte es sich bei ungezwungener Betrachtung nicht um eine "Klarstellung" des Preises, sondern um eine einverständliche Preisänderung, wodurch die Vergleichbarkeit der Angebote gestört worden ist. Die B. B. GmbH hat sich in Kenntnis der Angebote der anderen Bieter im Einvernehmen mit der Ingenieurgesellschaft durch Veränderung ihres Preises eine günstigere Position in der Bieterreihe verschaffen können.
Wegen dieses Verstoßes gegen § 24 VOB/A hätte die Preisreduzierung im Angebot der B. B. GmbH bei der Bewertung der Angebote nicht berücksichtigt werden dürfen. Da die Beklagte, wie das Berufungsgericht festgestellt hat, von gleicher Eignung der fünf in die nähere Wahl gelangter Bieter und von gleicher Qualität ihrer Leistungen ausgegangen ist, hätte sie im Rahmen des § 25 Nr. 3 Abs. 3 VOB/A den Zuschlag dem Bieter mit dem annehmbarsten Angebot erteilen müssen (Sen.Urt. v. 26.10.1999 - X ZR 30/98, WM 2000, 86, 88).
4. a) Das Berufungsgericht hat nicht beanstandet, daß die Beklagte bei der Beurteilung des annehmbarsten Bieters die Wartungskosten einbezogen hat. Diese Einbeziehung sei bei der Abwägung der Interessen im Sinne des § 25 Nr. 3 Abs. 3 VOB/A sachgerecht, weil die Wartungskosten einen die Interessen der Beklagten berührenden Gesichtspunkt darstellten und als sogenannte Bedarfspositionen anzugeben gewesen seien. Die Einbeziehung der Wartungskosten wäre im übrigen auch nicht ausgeschlossen, wenn hierauf in der Ausschreibung nicht hingewiesen worden wäre.

b) Die Revision kann sich nicht mit Erfolg darauf berufen, das Berufungsgericht habe übersehen, daß die Ausschreibung im offenen Verfahren nach der VOB/A Anhang B erfolgt sei, so daß zwar nicht § 25 a VOB/A, wohl aber der wort- und inhaltsgleiche § 25 b Nr. 1 VOB/A zur Anwendung komme.
Nach § 25 b Nr. 1 VOB/A dürfen bei der Wertung der Angebote nur die Kriterien berücksichtigt werden, die in der Bekanntmachung oder in den Vergabeunterlagen genannt sind. Damit ist dem Gebot der Rechtsstaatlichkeit, zu der auch die Vorhersehbarkeit, Meßbarkeit und Transparenz staatlichen Handelns gehört, ausreichend Genüge getan (vgl. Sen.Urt. v. 17.2.1999
- X ZR 101/97, BauR 1999, 736, 739). Die Kosten der Wartung waren, wie das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei festgestellt hat, nach den Ausschreibungsunterlagen von den Bietern anzugeben. Dabei ist es entgegen der Ansicht der Revision unschädlich, daß in der Angebotsaufforderung die in den Allgemeinen Kriterien für die Auftragserteilung vorgesehene Rubrik "Wartung" nicht angekreuzt war. Die Kosten der Wartung waren von den Bietern im Leistungsverzeichnis als Bedarfspositionen anzugeben, so daß zweifelsfrei zu erkennen war, daß die Wartung bei der Auftragserteilung eine Rolle spielen werde.
5. Das Berufungsgericht hat einen Schadensersatzanspruch der Klägerin auch dann verneint, daß der Beklagten keine schuldhafte Verletzung des Vertrauensverhältnisses bei der Durchführung des Vergabeverfahrens vorzuwerfen wäre. Die Klägerin habe nicht ausreichend dargetan, daß ihr aufgrund des behaupteten schuldhaften Verhaltens der Beklagten der geltend gemachte Schaden entstanden sei. Dieser wäre nur dann eingetreten, wenn der Klägerin bei ordnungsgemäßer Durchführung des Vergabeverfahrens der Zuschlag hätte erteilt werden müssen. Die Klägerin habe die Wartungskosten der S. GmbH (Drittplazierte) darlegen müssen. Hierzu fehle Vortrag der Klägerin.
Auch dies greift die Revision mit Recht an. Das Berufungsgericht hat zwar im Ansatz zutreffend angenommen, daß die Klägerin die Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruchs aus Verschulden bei Vertragsschluß vorzutragen und gegebenenfalls zu beweisen hat. Es hat jedoch nicht ausgeführt, welcher weitere Vortrag der Klägerin nach seiner Meinung erforderlich gewesen wäre. Soweit das Berufungsgericht Vortrag der Klägerin hinsichtlich des Angebots der Drittplazierten vermißt, war ein derartiger Vortrag schon deshalb
nicht veranlaßt, weil die Beklagte nicht geltend gemacht hat, das Angebot der S. GmbH habe preislich günstiger gelegen als das der Klägerin.
II. Das angefochtene Urteil erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig (§ 561 ZPO).
Der Ausschreibende hat die Angebote vor seiner Zuschlagsentscheidung zu bewerten; dabei steht ihm ein Beurteilungsspielraum zu. Der in den Angeboten genannte Preis gewinnt für die Vergabeentscheidung allerdings dann ausschlaggebende Bedeutung, wenn die auf eine öffentliche Ausschreibung eingereichten Angebote hinsichtlich der für die Vergabeentscheidung nach den Vergabebedingungen maßgebenden Kriterien sachlich und im Hinblick auf den Inhalt des Angebots in technischer, gestalterischer und funktionsbedingter Hinsicht gleichwertig sind. Als das annehmbarste Angebot, auf das nach § 25 Abs. 3 Satz 2 VOB/A der Zuschlag erteilt werden soll, ist in einem solchen Fall das Gebot mit dem niedrigsten Angebotspreis anzusehen. Zwar ist der Ausschreibende - wie sich aus § 25 Nr. 3 Satz 3 VOB/A ergibt - nicht verpflichtet , dem Angebot mit dem niedrigsten Preis in jedem Fall den Vorzug zu geben. Der Zuschlag ist nach § 25 Nr. 3 Satz 2 VOB/A aber auf das unter Berücksichtigung aller technischen, wirtschaftlichen, gegebenenfalls auch gestalterischen und funktionsbedingten Gesichtspunkten annehmbarste Angebot zu erteilen (Sen.Urt. v. 26.10.1999 - X ZR 30/98, NJW 2000, 661).
Nach dem vorgelegten Bescheid der Vergabeprüfstelle des Bundesministeriums für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau vom 9. Dezember 1997 war das Angebot der Klägerin unter Berücksichtigung der Preisbindung und Wartung noch um etwa 8.500,-- DM preisgünstiger als das um 25.600,-- DM
berichtigte Angebot der B. B. GmbH. Da nicht ersichtlich ist, welche Gesichts- punkte bei der Abwägung gegen den günstigeren Preis noch hätten berücksichtigt werden können und dürfen, hätte die Beklagte bei pflichtgemäßem Handeln den Zuschlag nicht der B. B. GmbH, sondern der Klägerin erteilen müssen.
III. Die Klägerin ist infolge der Pflichtverletzung der Beklagten ein Schaden entstanden. Da nur ihr der Zuschlag hätte erteilt werden dürfen, kann sie Ersatz ihres positiven Interesses beanspruchen. Sie kann Ersatz des Gewinnausfalls und der Rechtsanwaltskosten verlangen (Sen.Urt. v. 8.9.1998 - X ZR 109/96, NJW 1998, 3636; Urt. v. 17.2.1999 - X ZR 101/97, BauR 1999, 736, 739; Urt. v. 26.10.1999 - X ZR 30/98, WM 2000, 86, 88).
Allerdings ist der Rechtsstreit hinsichtlich der Höhe des Schadensersatz -anspruchs noch nicht zur Entscheidung reif. Die bisherigen Feststellungen des Berufungsgerichts rechtfertigen insoweit keine abschließende Entscheidung.
IV. Das angefochtene Urteil ist deshalb aufzuheben. Da die Klage dem Grunde nach zur Entscheidung reif ist, ist insoweit unter Abänderung des landgerichtlichen Urteils durch Grundurteil zu erkennen (§ 304 ZPO). Hinsichtlich der Höhe ist der Rechtsstreit zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten, an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
Bei der erneuten Befassung wird das Berufungsgericht die Höhe des geltend gemachten Anspruchs unter Berücksichtigung des Vortrags der Parteien festzustellen haben. Dabei greifen zugunsten der Klägerin die Beweiserleichterungen der §§ 252 BGB a.F. und 287 ZPO ein.
Melullis Jestaedt Scharen
Keukenschrijver Asendorf

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(6) Unternehmen haben Anspruch darauf, dass die Bestimmungen über das Vergabeverfahren eingehalten werden.