Bundesgerichtshof Urteil, 21. März 2017 - X ZR 19/15

bei uns veröffentlicht am21.03.2017
vorgehend
Bundespatentgericht, 6 Ni 47/14, 03.12.2014

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

SprGr.: III
BE: RinBGH Schuster

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X ZR 19/15 Verkündet am:
21. März 2017
Hartmann
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in der Patentnichtigkeitssache
ECLI:DE:BGH:2017:210317UXZR19.15.0

Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 21. März 2017 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Meier-Beck, die Richter Dr. Grabinski und Hoffmann, die Richterin Schuster und den Richter Dr. Deichfuß

für Recht erkannt:
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des 6. Senats (Nichtigkeitssenats) des Bundespatentgerichts vom 3. Dezember 2014 unter Zurückweisung der Berufung der Klägerin abgeändert und wie folgt neu gefasst: Das europäische Patent 944 937 wird mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland dadurch teilweise für nichtig erklärt, dass in Patentanspruch 1 am Ende nach dem Wort "ist" eingefügt wird "und dass das Rücklaufventil (1) als Ventilkolben (3) mit einer Ventilkolbenfläche (4, 5) ausgebildet ist, wobei eine im Verschlusszustand wirksame Teilkolbenfläche im Hinblick auf den gewünschten Maximaldruck ausgelegt ist", Patentanspruch 2 entfällt und sich die Patentansprüche 3 bis 24 unter Wegfall der Rückbeziehung auf Patentanspruch 2 auf den so geänderten Patentanspruch 1 rückbeziehen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Die Beklagte ist eingetragene Inhaberin des mit Wirkung für die Bundes1 republik Deutschland erteilten europäischen Patents 944 937 (Streitpatents), das am 15. Oktober 1998 angemeldet wurde und Prioritäten vom 15. Oktober 1997 und 5. Juni 1998 in Anspruch nimmt. Es umfasst 24 Ansprüche, von denen Patentanspruch 1 wie folgt lautet: "Hydraulisches Pressgerät (2) mit einem Festteil (26) und einem Bewegungsteil (24), wobei das Bewegungsteil (24) durch einen Hydraulikkolben (9) relativ zu dem Festteil (26) bewegt wird und mittels einer Rückstellfeder (10) in eine Ausgangsstellung zurückbewegbar ist, wobei die Rückbewegung in Abhängigkeit von einem vorbestimmten Pressdruck auslösbar ist durch Ansprechen eines Rücklaufventils (1), dadurch gekennzeichnet, dass das selbsttätig ansprechende Rücklaufventil (1) so ausgebildet ist, dass es durch den Druck des zurücklaufenden Öls über den gesamten Rückstellweg des Hydraulikkolbens (9) in der Öffnungsstellung gehalten ist." Die Klägerin hat geltend gemacht, der Gegenstand des Streitpatents sei
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nicht patentfähig. Das Patentgericht hat das Streitpatent teilweise für nichtig erklärt und
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den Ansprüchen die Fassung des erstinstanzlichen Hilfsantrags V der Beklagten gegeben.
Hiergegen richten sich die Berufungen beider Parteien. Die Beklagte ver4 teidigt das Streitpatent in der Fassung des ursprünglichen Hilfsantrags II, wonach Patentanspruch 1 wie folgt lautet (Änderungen gegenüber der erteilten Fassung sind unterstrichen): "Hydraulisches Pressgerät (2) mit einem Festteil (26) und einem Bewegungsteil (24), wobei das Bewegungsteil (24) durch einen Hydraulikkolben (9) relativ zu dem Festteil (26) bewegt wird und mittels einer Rückstellfeder (10) in eine Ausgangsstellung zurückbewegbar ist, wobei die Rückbewegung in Abhängigkeit von einem vorbestimmten Pressdruck auslösbar ist durch Ansprechen
eines Rücklaufventils (1), dadurch gekennzeichnet, dass das selbsttätig ansprechende Rücklaufventil (1) so ausgebildet ist, dass es durch den Druck des zurücklaufenden Öls über den gesamten Rückstellweg des Hydraulikkolbens (9) in der Öffnungsstellung gehalten ist, und dass das Rücklaufventil (1) als Ventilkolben (3) mit einer Ventilkolbenfläche (4, 5) ausgebildet ist, wobei eine im Verschlusszustand wirksame Teilkolbenfläche im Hinblick auf den gewünschten Maximaldruck ausgelegt ist." Im Übrigen begehrt sie Klageabweisung und beantragt hilfsweise, die
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Patentansprüche nach einem der erstinstanzlichen Hilfsanträge III bis VIII zu fassen. Die Klägerin beantragt die vollständige Nichtigerklärung des Streitpatents.

Entscheidungsgründe:


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I. Das Streitpatent betrifft ein hydraulisches Pressgerät. 1. Nach der Patentbeschreibung werden bei bestimmten Fügevorgän7 gen, wie beispielsweise dem Aufpressen von Kabelschuhen auf elektrische Leiter oder der Herstellung von Nietverbindungen, hand- oder motorbetriebene Hydraulikwerkzeuge eingesetzt. Diese verfügten über ein Überdruckventil, welches den Öldruck und damit die Presskraft des beweglichen Kolbens (Bewegungsteils ) auf das zu verpressende Werkstück auf einen Maximalwert begrenze. Das Überdruckventil werde erst bei Erreichen einer vorgegebenen Minimalpresskraft ausgelöst, um die volle benötigte Presskraft zu erreichen. Nach dem Auslösen des Überdruckventils und der Durchführung des Pressvorgangs werde der bewegliche Kolben manuell wieder in eine für den nächsten Pressvorgang geeignete Ausgangsposition, d.h. in die Offenposition zurückgefahren (Abs. 2). Im Stand der Technik, beispielsweise aus den US-amerikanischen Pa8 tenten 2 254 613 und 5 195 354, bekannte Pressgeräte wiesen ein Rücklauf- ventil und ein gesondertes Überlastventil auf. Das Rücklaufventil werde durch Handbetätigung aktiviert. Lediglich bei einem Überdruck spreche das Überlastventil selbsttätig an, das jedoch den Druck nur so weit abbaue, dass die Ansprechgrenze wieder unterschritten werde und eine Teilmenge der Hydraulikflüssigkeit in den Vorratstank zurückfließe. Das Überdruckventil diene bei diesen Geräten nicht zum Zurückfahren des Bewegungsteils. Um dessen Rücklauf zu erreichen, müsse von einem Benutzer der Rücklaufhebel betätigt werden (Abs. 3). 2. Vor diesem Hintergrund betrifft das Streitpatent das technische Prob9 lem, ein funktionssicheres und handhabungstechnisch verbessertes hydraulisches Pressgerät anzugeben (Abs. 4). 3. Zur Lösung schlägt Patentanspruch 1 in der verteidigten Fassung ein
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hydraulisches Pressgerät mit folgenden Merkmalen vor, die im Wesentlichen denen der Gliederung des Patentgerichts entsprechen: 1. Hydraulisches Pressgerät (2) mit 1.1 einem Festteil (26) und 1.2 einem Bewegungsteil (24). 2. Das Bewegungsteil (24) wird 2.1 durch einen Hydraulikkolben (9) relativ zu dem Festteil (26) bewegt und 2.2 ist mittels einer Rückstellfeder (10) in eine Ausgangsstellung zurückbewegbar. 3. Die Rückbewegung ist in Abhängigkeit von einem vorbestimmten Pressdruck durch selbsttätiges Ansprechen eines Rücklaufventils (1) auslösbar. 4. Das Rücklaufventil (1) 4.1 ist so ausgebildet, dass es durch den Druck des zurücklaufenden Öls über den gesamten Rückstellweg des Hydraulikkolbens (9) in der Öffnungsstellung gehalten ist; 4.2 ist als Ventilkolben mit einer Ventilkolbenfläche (4, 5) ausgebildet, 4.2.1 wobei eine im Verschlusszustand wirksame Teilkolbenfläche im Hinblick auf den gewünschten Maximaldruck ausgelegt ist. 4. Einige Merkmale
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des erfindungsgemäßen Pressgeräts, das nebenstehend in einer Ausführungsform dargestellt ist, bedürfen der Erläuterung.
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a) Nach Merkmal 2.1 wird, wenn Öl in den Druckraum gepumpt wird, der Hydraulikkolben 9 durch den Öldruck in Richtung auf das Festteil 26 bewegt, um ein zwischen dem beweglichen Teil und dem Festteil befindliches Werkstück zu verpressen. Die Rückbewegung des Kolbens wird mittels der Rückstellfeder 10 bewirkt (Merkmal 2.2).
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b) Die Rückbewegung wird, abhängig von einem bestimmten Pressdruck , dadurch ausgelöst, dass das Rücklaufventil selbsttätig anspricht (Merkmal 3). Dabei wird die ohnehin vorhandene Rückstellkraft der Rückstellfeder zur Zurückverlagerung des Bewegungsteils genutzt, um das Rücklaufventil über den gesamten Rückverlagerungsweg des Bewegungsteiles offen zu halten (Merkmal 4.1). Nach Abschluss der Rückbewegung liegt kein weiterer Hydraulikdruck an, was automatisch ein Zurückfahren des Rücklaufventils in die Aus- gangsverschlusslage zur Folge hat. Deshalb kann auf eine mechanische Arretierung des Rücklaufventils verzichtet werden (Abs. 6).
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c) Die Angabe in Merkmal 4.1, wonach das Rückstellventil über den gesamten Rückstellweg des Hydraulikkolbens in der Öffnungsstellung gehalten wird, bedeutet, dass der Kolben bzw. das Bewegungsteil vollständig zurück in die Ausgangsstellung fährt (Abs. 6, Sp. 1, Z. 46-49). Der gesamte Rückstellweg ist abgeschlossen, wenn das Bewegungsteil wieder in seine Offenposition gerät , wenn es also das verpresste Werkstück freigibt und in der Lage ist, ein neues zu verpressendes Werkstück aufzunehmen. Das Patentgericht hat zwar wegen der Formulierung in den Absätzen 8 und 20 der Patentbeschreibung, wonach der Hydraulikkolben auch nur partiell zurückgefahren werden kann, angenommen, der gesamte Rückstellweg könne auch ein beliebig kurzer sein, wenn er auch sinnvollerweise durch den mechanischen Endanschlag des Hydraulikkolbens vorgegeben sei. Dies rechtfertigt aber keine einschränkende Auslegung des Anspruchsmerkmals "über den gesamten Rückstellweg". Die Angabe eines partiellen Zurückfahrens bedeutet, wovon auch die Parteien ausgehen, lediglich, dass der Hydraulikkolben nicht notwendigerweise bis zu einem Anschlag zurücklaufen muss, sondern die Ausgangsstellung allein durch die Erschöpfung der Kraft der Rückstellfeder erreichen kann. Diese Möglichkeit kann abhängig von der Art des in dem erfindungsgemäßen Pressgerät verwendeten Werkzeugkopfs zum Tragen kommen, der je nach der Art des beabsichtigten Füge-, Stanz- oder Pressvorgangs für die hydraulischen Pressgeräte eingesetzt wird. Abhängig von der Art des Werkzeugkopfs muss der Hydraulikkolben unterschiedlich weit zurückfahren, um das Werkzeug wieder in die jeweilige Öffnungsstellung zu bringen. Zur Art des verwendeten Werkzeugkopfs enthält Patentanspruch 1 keine Angaben.
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d) Das Rücklaufventil ist als Ventilkolben mit einer Ventilkolbenfläche ausgebildet (Merkmal 4.2). Dies ist, wovon sowohl das Patentgericht als auch das Schweizerische Bundespatentgericht (Urteil vom 7. Oktober 2015 - 02013_006, NK22, S. 38) ausgehen, zutreffend nicht im wörtlichen Sinne, sondern dahingehend zu verstehen, dass das Rücklaufventil einen Ventilkolben mit einer Ventilkolbenfläche aufweist. Aus der Formulierung des Merkmals folgt zudem, dass nur ein (einziger) Ventilkolben vorgesehen ist. Die im Verschlusszustand wirksame Teilkolbenfläche, die im Hinblick auf den gewünschten Maximaldruck ausgelegt ist (Merkmal 4.2.1), ist demzufolge Teil der Oberfläche dieses Ventilkolbens. Dieses Verständnis wird gestützt durch die Ausführungen in der Beschreibung (Abs. 7, Sp. 2, Z. 26-36), wonach das Rücklaufventil im Falle der Ausbildung nach den Merkmalen 4.2 und 4.2.1 bevorzugt aus einem Ventilkolben mit beispielsweise einer Nadelspitze besteht, welche eine mit dem Druckraum verbundene Bohrung verschließt. Die Teilkolbenfläche - die Nadelspitze - wird im Zuge des Pressvorgangs von dem Öl beaufschlagt. Wenn der Öldruck eine durch den Bohrungsdurchmesser vordefinierte Höhe überschreitet , wird über die Teilkolbenfläche der Ventilkolben des Rücklaufventils aus dem Dichtsitz angehoben, wonach eine wesentlich größere Kolbenfläche in Wirkung tritt.
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II. Das Patentgericht hat seine Entscheidung, soweit im Berufungsverfahren noch von Interesse, im Wesentlichen wie folgt begründet:
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Der Gegenstand des Streitpatents in der verteidigten Fassung beruhe nicht auf erfinderischer Tätigkeit. Aus der europäischen Patentanmeldung 636 788 (NK7) sei ein hydraulisches Pressgerät mit den Merkmalen 1 bis 4 bekannt. Der Fachmann, ein Diplomingenieur oder Techniker der Fachrichtung Maschinenbau, der hydraulisch betätigte Presswerkzeuge konstruiere, lese bei der Entgegenhaltung die konstruktiven Details aus der Verwendung des in NK7 vorgestellten Geräts als "pince à sertir" (= Crimpzange) in Verbindung mit der zeichnerischen Darstellung mit. Der Entgegenhaltung NK7 seien über die hydraulische Auslegung des Rücklaufventils zwar keine Einzelheiten zu entnehmen. Bei der Überlegung, wie der in dieser Druckschrift angegebene automatische Rücklauf zustande komme, gelange der Fachmann aber zu dem Ergebnis, dass das Rücklaufventil durch den Druck des zurücklaufenden Öls über den gesamten Rückstellweg des Hydraulikkolbens in der Öffnungsstellung gehalten sei. Eine Auslegung dahingehend, dass die automatische Auslösung nur den Fall einer reinen Überdruckbegrenzung ohne nennenswerte Bewegung betreffe, die Rückbewegung sich dagegen nur auf den Fall der manuellen Betätigung des Hebels 20 beziehe, könne der Entgegenhaltung nicht entnommen werden. Die angestoßene Bewegung beziehe sich offensichtlich auf beide der genannten Möglichkeiten. Die konstruktive Ausgestaltung des Rücklaufventils 18 sei deshalb in der Entgegenhaltung keine andere als beim Streitpatent. Der Vortrag der Beklagten, die Textstelle Spalte 3, Zeilen 45 bis 51 der NK7 müsse anhand des in dieser Druckschrift genannten Standes der Technik nach der französischen Patentanmeldung 2 563 291 (R1) ausgelegt werden, führe zu keinem anderen Ergebnis. Die Beschreibung des Rückstellvorgangs, wie er in R1 wiedergegeben sei (S. 4, Z. 22-27), stimme nicht mit der Beschreibung der NK7 überein. In R1 sei ausschließlich der manuell betätigte Rückstellvorgang beschrieben. Selbst wenn sich dem Fachmann deshalb die Frage stelle, wie bei dem in NK7 beschriebenen Pressgerät der wahlweise auch automatisch bewirkte Rückstellvorgang zustande kommen könne, sei es dem handwerklichen Können des Fachmanns zuzuordnen, die Wirkungsweise der beiden in NK7 dargestellten Steuerkanten des Rücklaufventils 18 zu erkennen und so auszulegen , dass das Ventil so lange in der Öffnungsstellung gehalten werde, bis der Hydraulikkolben vollständig zurückgelaufen sei. Auch die Ausbildung des Rücklaufventils als Ventilkolben, wobei eine im Verschlusszustand wirksame Teilkolbenfläche im Hinblick auf den gewünschten Maximaldruck ausgelegt sei, sei in NK7 offenbart. Durch die in NK7 genannte austarierte Feder und durch den Querschnitt des Entleerungskreises 21, der der genannten Teilkolbenfläche entspreche, sei der Maximaldruck festgelegt, bei dem das Ventil öffne.
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III. Diese Beurteilung hält der Überprüfung imBerufungsverfahren nicht stand.
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Soweit die Beklagte das Streitpatent nicht mehr verteidigt, ist es ohne Sachprüfung für nichtig zu erklären (BGH, Urteil vom 4. Juni 1996 - X ZR 49/94, GRUR 1996, 85 Rn. 46 - Rauchgasklappe; Urteil vom 19. Dezember 2006 - X ZR 236/01, BGHZ 170, 215 = GRUR 2007, 404 Rn. 15 - Carvedilol II). Entgegen der Auffassung des Patentgerichts ist der verteidigte Gegenstand der Erfindung durch die Entgegenhaltung NK7 weder vorweggenommen noch nahegelegt.
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1. NK7 betrifft eine Kolbenförderpumpe, mithin ein hydraulisches Pressgerät, bei dem durch Einbringen einer Flüssigkeit Druck auf einen Arbeitszylinder ausgeübt wird und auf diese Weise ein an einem mobilen Kopf angebrachtes Werkzeug mittels einer linearen hin- und hergehenden Bewegung betätigt werden kann. Sie soll insbesondere zum Betätigen von Crimpzangen (pinces à sertir), Lochstanzen (pinces à poinçonner) und dergleichen bestimmt sein (Sp. 1, Z. 1-7).
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Das nachfolgend anhand eines Ausführungsbeispiels dargestellte Pressgerät besteht aus einem Gehäuse 1' (Festteil) für einen Arbeitszylinder, der mit einem Hydraulikkolben 4 (Bewegungsteil) versehen ist. Der Kolben ist in dem Gehäuse verschiebbar angeordnet und durch eine Druckfeder
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beaufschlagt (Sp. 2, Z. 34-38). Die Druckfeder entspricht der Rückstellfeder 10 des Streitpatents, mit der der Hydraulikkolben in eine Ausgangsstellung zurückbewegt werden kann.
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Die Vorrichtung ist, wie die Beschreibung anmerkt, in bekannter Weise mit einem Entlastungsventil 18 (clapet de décharge), versehen, das durch eine Feder 19 auf seinem Sitz gehalten wird (Sp. 3, Z. 42-44). Dieses Ventil wird weiterhin dahin erläutert, dass es entweder gegebenenfalls automatisch mit einer austarierten Feder (soit éventuellement de manière automatique (ressort taré)) oder durch Bedienung eines abzugsförmigen Hebels (soit par la ma- nœuvre d'un levier 20)betätigt werde, um den Rücklauf (rétraction) des Kol- bens 4 des Zylinders zu steuern (commander), indem das Gehäuse 1 durch eine Entlastungsleitung 21 geleert werde, wobei die Flüssigkeit in den Vorratsbehälter zurückfließe (Sp. 3, Z. 45-51).
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2. Der Gegenstand des Streitpatents ist dieser Lehre gegenüber neu.
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a) Bei der Auslegung von Veröffentlichungen zur Durchführung der Neuheitsprüfung ist nicht der Wortlaut maßgeblich, sondern der Sinngehalt, also diejenige technische Information, die der fachkundige Leser der jeweiligen Quelle vor dem Hintergrund seines Fachwissens unmittelbar und eindeutig entnimmt (BGH, Urteil vom 18. März 2014 - X ZR 77/12, GRUR 2014, 758 - Proteintrennung ; Urteil vom 16. Dezember 2008 - X ZR 89/07, BGHZ 179, 168 = GRUR 2009, 382 Rn. 25, 26 - Olanzapin).
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b) Nach diesem Grundsatz kommt es für das Verständnis der NK7 nicht entscheidend darauf an, ob - rein sprachlich gesehen - an der erwähnten Stelle der Beschreibung beide Auslösungsfälle - automatisch oder durch Betätigung eines Hebels - mit dem Rücklauf des Kolbens in Beziehung gesetzt werden. Aus der Gesamtoffenbarung der Entgegenhaltung folgt vielmehr, dass mit dem dort angesprochenen gegebenenfalls automatisch auslösenden Entlastungsventil das im Stand der Technik unstreitig bekannte Überdruckventil angesprochen ist (so auch die Technische Beschwerdekammer 3.5.02 des Europäischen Patentamts, Entscheidung vom 19. Juni 2007 - T 0861/05, NK5, S. 9-11 zu 2.5, und das Schweizerische Bundespatentgericht, NK22, S. 31-34). Dafür spricht zunächst der allgemeine Hinweis auf die bekannte Vorgehensweise ("manière connue"), der auf im damaligen Stand der Technik, beispielsweise aus der fran- zösischen Patentanmeldung R1, bekannte Ventilgestaltungen hindeutet. Automatisch im Sinne der Entgegenhaltungen NK7 und R1 bedeutet danach, dass bei einem bestimmten Druck, der über die tarierte Feder des Ventils eingestellt ist, das Ventil auslöst. Ob das Ventil unmittelbar nach dem Öffnen nach dem dadurch ausgelösten Druckabfall wieder in den verschlossenen Zustand fällt oder nicht oder unter welchen Bedingungen dies geschehen könnte, wird nicht erwähnt (vgl. Urteil des Schweizerischen Bundespatentgerichts, NK22, S. 34, 1. Abs.). Für diese Sichtweise spricht weiter das zu dem Ausdruck "soit soit" (entweder-oder) hinzugefügte Wort "éventuellement" (gegebenenfalls, unter Umständen), dessen Verwendung an dieser Textstelle dadurch Sinn erhält, dass es sich auf den dem Fachmann geläufigen, gegebenenfalls eintretenden Überdruckfall bezieht. Zudem ist das Vorhandensein eines Hebels für die manuelle Rückstellung sowohl in der genannten Beschreibungsstelle erwähnt als auch in Figur 1 gezeigt. Schließlich deutet auf die vorgenommene Auslegung die umfassend beschriebene Eignung der Vorrichtung auch für Lochzangen hin, bei denen, wie die Beklagte einleuchtend dargelegt hat, ein automatisches Auslösen nur in diesem Überdruckfall in Betracht kommt.
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3. In Übereinstimmung mit der Beschwerdekammer des Europäischen Patentamts (NK5, S. 12 f. zu 3.4) und dem Schweizerischen Bundespatentgericht (NK22, S. 43) ergibt sich aus der NK7 auch keine Anregung zu einer entsprechenden Ausgestaltung des Entlastungsventils.
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Dem Fachmann, den das Patentgericht zutreffend bestimmt hat, stellte sich, wie ausgeführt, das technische Problem, ein funktionssicheres und handhabungstechnisch verbessertes hydraulisches Pressgerät anzugeben (Abs. 4). Dass im Wege dieser Verbesserung eine manuelle Betätigung des Entlastungsventils vermieden werden sollte, um die Bedienung zu vereinfachen und einen Arbeitsschritt einzusparen, kann in die dem Streitpatent zugrunde liegende Aufgabe nicht hineingelesen werden; vielmehr handelt es sich hierbei um eine Folge der erfindungsgemäßen Ausgestaltung und damit um ein Lösungselement. Aus der Entgegenhaltung NK7 ergab sich lediglich ein Hinweis auf die Möglichkeit, durch einen vorbestimmten Pressdruck das automatische Auslösen eines Entlastungsventils zu bewirken. Eine Anregung, das automatische Auslö- sen des Entlastungsventils gleichzeitig zur vollständigen Rückstellung des Hydraulikkolbens zu nutzen, indem das Ventil durch den Druck des zurücklaufenden Öls über den gesamten Rückstellweg in der Öffnungsstellung gehalten wird, findet sich in der Entgegenhaltung nicht (so auch die Entscheidung der Beschwerdekammer, NK5, S. 12 zu 3.4). Dass das Ventil, wie der Parteigutachter der Klägerin Prof. Dr.-Ing. M. (NK13, S. 8) ausführt, zwei Flächen und zwei Steuerkanten aufweist, bedeutet, dass es infolgedessen bei einem hohen Druck öffnet und dann konstruktionsbedingt offen bleibt, bis der Druck um ein Vielfaches abgefallen ist. Über die Funktion, nicht nur als Überdruckventil zu wirken, sondern über den gesamten Rückstellweg in Öffnungsstellung gehalten zu werden, trifft dies für sich genommen jedoch keine Aussage.
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IV. Die Entscheidung des Patentgerichts stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als im Ergebnis richtig dar. Entgegen der Auffassung der Klägerin ist der Gegenstand des Streitpatents in der verteidigten Fassung nicht durch die als solche unstreitig gewordene offenkundige Vorbenutzung des hydraulischen Presswerkzeugs P. vorweggenommen oder nahegelegt. Der Senat kann hierüber in der Sache selbst entscheiden, da dies sachdienlich ist (§ 119 Abs. 1, Abs. 5 Satz 1 PatG).
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1. Das vorbenutzte Presswerkzeug weist ein zweiteiliges Ventilgebilde auf, dessen Teile sich unterschiedlich bewegen. Diese Ausgestaltung ergibt sich aus der als NK8.16 vorgelegten technischen Zeichnung, die die Beklagte in der nachfolgend wiedergegebenen Darstellung des Funktionsablaufs des Geräts anhand Sperr-, Ansprech- und Rücklaufstellung erläutert hat (R12).


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Der Vorsteuerkegel, der als Überdruckventil wirkt, spricht auf Druck an und bewirkt, dass der im unteren Bereich der Ventilanordnung befindliche Ventilkolben hochfährt und den Abflussweg für das Hydraulikmittel aus dem Hydraulikzylinder freigibt. Der Vorsteuerkegel hebt kurzfristig ab und fällt dann wieder in die Ausgangsstellung zurück. Der Ventilkolben verbleibt in der angehobenen Stellung und lässt das Hydraulikmittel ablaufen, bis der Hydraulikkolben in seine Ausgangsstellung zurückgefahren ist.
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2. Das vorbenutzte Gerät in dieser Ausgestaltung mag den Gegenstand des Streitpatents in der erteilten Fassung vorwegnehmen. Nach dem erteilten Patentanspruch 1 ist das Rücklaufventil so ausgebildet, dass es durch den Druck des zurücklaufenden Öls über den gesamten Rückstellweg des Hydraulikkolbens in der Öffnungsstellung gehalten ist. Weiterführende Angaben über die Ausgestaltung des Rücklaufventils enthält der erteilte Anspruch nicht, insbesondere ist nicht angegeben, dass das Rücklaufventil aus einem einzigen Element bestehen muss (so auch das Schweizerische Bundespatentgericht, NK22, S. 34, 35).
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Für die verteidigte Fassung des Streitpatents trifft dies jedoch nicht zu. Im Gegensatz zu der Ventilgestaltung in dem erteilten Anspruch kommt in dem verteidigten Patentanspruch 1 in den hinzugefügten Merkmalen 4.2 und 4.2.1, die den kennzeichnenden Merkmalen des erteilten Patentanspruchs 2 entsprechen , die Einteiligkeit der Ventilvorrichtung zum Ausdruck. Wie bereits unter I 4 d ausgeführt, ergibt sich aus der Formulierung dieser Merkmale, gestützt auf die Beschreibung, dass nur ein (einziger) Ventilkolben vorgesehen und die im Verschlusszustand wirksame Teilkolbenfläche, die im Hinblick auf den gewünschten Maximaldruck ausgelegt ist (Merkmal 4.2.1), demzufolge Teil der Oberfläche dieses Ventilkolbens ist.
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3. Der Gegenstand des Streitpatents in der verteidigten Fassung war für den Fachmann durch das vorbenutzte Gerät auch nicht in Kombination mit der Entgegenhaltung NK7 nahegelegt.
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Ausgehend von dem vorbenutzten Gerät sah sich der Fachmann vor die Aufgabe gestellt, ein alternatives Ventil (so das Schweizerische Bundespatentgericht , NK22, S. 43) oder eine Vereinfachung des Ventils im vorbenutzten Gerät zur Kontrolle der automatischen Rückführung des Hydraulikkolbens vorzuschlagen. Selbst wenn der Fachmann den gattungsgemäßen Gegenstand der NK7, bei dem es sich ebenfalls um ein hydraulisches Pressgerät handelt, zu einer möglichen Weiterentwicklung oder Vereinfachung des vorbenutzten Geräts herangezogen hätte, hätte er hieraus weder einen Hinweis noch eine Anregung zur Gestaltung eines Werkzeugs gemäß dem Streitpatent erhalten.
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Die Entgegenhaltung NK7 offenbart, wie unter III 2 bereits dargelegt, ein Überdruckventil, das bei Bestehen eines bestimmten Drucks, der über die tarierte Feder des Ventils eingestellt ist, öffnet. Ob das Ventil unmittelbar nach dem Öffnen nach dem dadurch ausgelösten Druckabfall gleich wieder in den verschlossenen Zustand fällt oder nicht oder unter welchen Bedingungen dies geschehen könnte, wird in der Schrift nicht erwähnt. Aus derEntgegenhaltung ergibt sich auch kein Hinweis an den Fachmann, das Ventil auf diese Weise zu gestalten. Die dortige Lösung besteht darin, dass das Überlastventil bei gegebenenfalls auftretendem Überdruck automatisch anspricht, dass aber die Rückführung des Hydraulikkolbens durch Betätigung eines Hebels per Hand erfolgt. Selbst wenn der Fachmann die Überlegung anstellte, das Ventil des vorbenutzten Geräts mit der Konstruktion der NK7 zu verbinden und damit - entgegen der vorgenommenen Auslegung - die NK7 als Ausgangspunkt gewählt hätte, bestand keine Veranlassung, das Ventil der NK7 so auszulegen, dass es die Funktion des Geräts P. bereitstellt (vgl. auch Schweizerisches Bundespatentgericht , NK22, S. 44). Die unterschiedlichen Funktionen - einerseits die Reaktion auf Überdruck und andererseits die Rückführung des Ventilkolbens - werden bei dem Gerät P. und bei der NK7 auf unterschiedliche Weise ausgeführt. Es handelt sich um getrennte Lösungswege für die Bewältigung einerseits eines auftretenden Überdruckfalles und andererseits der Rückführung des Hydraulikkolbens in die Ausgangsposition. Die Zusammenführung beider getrennten Lösungen auf dem Weg des Streitpatents hat sich dem Fachmann weder durch die Ausgestaltung des vorbenutzten Geräts noch die Kombination der Merkmale dieses Geräts mit dem Gegenstand der NK7 angeboten.
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V. Die Kostenentscheidung beruht auf § 121 Abs. 2 PatG und § 92 Abs. 1 ZPO.
Meier-Beck Grabinski Hoffmann
Schuster Deichfuß
Vorinstanz:
Bundespatentgericht, Entscheidung vom 03.12.2014 - 6 Ni 47/14 (EP) -

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Urteil, 21. März 2017 - X ZR 19/15

Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Urteil, 21. März 2017 - X ZR 19/15

Referenzen - Gesetze

Zivilprozessordnung - ZPO | § 92 Kosten bei teilweisem Obsiegen


(1) Wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jeder Partei zur Hälfte zur Last. (2) Das Ger

Patentgesetz - PatG | § 121


(1) In dem Verfahren vor dem Bundesgerichtshof gelten die Bestimmungen des § 144 über die Streitwertfestsetzung entsprechend. (2) In dem Urteil ist auch über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden. Die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über d

Patentgesetz - PatG | § 119


(1) Ergibt die Begründung des angefochtenen Urteils zwar eine Rechtsverletzung, stellt die Entscheidung selbst aber aus anderen Gründen sich als richtig dar, so ist die Berufung zurückzuweisen. (2) Insoweit die Berufung für begründet erachtet wir
Bundesgerichtshof Urteil, 21. März 2017 - X ZR 19/15 zitiert 4 §§.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 92 Kosten bei teilweisem Obsiegen


(1) Wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jeder Partei zur Hälfte zur Last. (2) Das Ger

Patentgesetz - PatG | § 121


(1) In dem Verfahren vor dem Bundesgerichtshof gelten die Bestimmungen des § 144 über die Streitwertfestsetzung entsprechend. (2) In dem Urteil ist auch über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden. Die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über d

Patentgesetz - PatG | § 119


(1) Ergibt die Begründung des angefochtenen Urteils zwar eine Rechtsverletzung, stellt die Entscheidung selbst aber aus anderen Gründen sich als richtig dar, so ist die Berufung zurückzuweisen. (2) Insoweit die Berufung für begründet erachtet wir

Referenzen - Urteile

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Referenzen

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II. Das Streitpatent ist, nachdem es jedenfalls auch in einer zulässigerweise eingeschränkten Fassung verteidigt wird, in dem Umfang, in dem es nicht mehr verteidigt wird, ohne weitere Sachprüfung für nichtig zu erklären (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Urt. v. 04.06.1996 - X ZR 49/94, GRUR 1996, 857, 858 - Rauchgasklappe; insoweit nicht in BGHZ 133, 57 abgedruckt). Aber auch mit den Patentansprüchen 1 und 2 in den hauptsächlich und hilfsweise verteidigten Fassungen hat das Streitpatent keinen Bestand.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X Z R 7 7 / 1 2 Verkündet am:
18. März 2014
Anderer
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in der Patentnichtigkeitssache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Proteintrennung
Eine Patentnichtigkeitsklage ist nicht schon deshalb als rechtsmissbräuchlich
anzusehen, weil sich der Nichtigkeitskläger einer früheren, von einer zusammen
mit ihm wegen Verletzung des Streitpatents in Anspruch genommenen Partei
erhobenen Klage nicht als Streitgenosse oder Streithelfer angeschlossen, sondern
zunächst den Ausgang dieses Verfahrens abgewartet hat.
EPÜ Art. 54; PatG § 3
a) Durch eine Vorveröffentlichung offenbart kann auch dasjenige sein, was im
Patentanspruch und in der Beschreibung nicht ausdrücklich erwähnt, aus der
Sicht des Fachmanns jedoch für die Ausführung der unter Schutz gestellten
Lehre selbstverständlich ist und deshalb keiner besonderen Offenbarung bedarf
, sondern "mitgelesen" wird. Die Einbeziehung von Selbstverständlichem
erlaubt jedoch keine Ergänzung der Offenbarung durch das Fachwissen,
sondern dient lediglich der vollständigen Ermittlung des Sinngehalts, d.h. derjenigen
technischen Information, die der fachkundige Leser der Quelle vor
dem Hintergrund seines Fachwissens entnimmt (Bestätigung von BGH, Urteil
vom 16. Dezember 2008 - X ZR 89/07, BGHZ 179, 168 = GRUR 2009, 382 -
Olanzapin).
b) Ergibt sich für den Fachmann aus der Beschreibung eines Verfahrens zur
Herstellung eines zum therapeutischen Einsatz geeigneten Proteinkonzentrats
, dass es weiterer Verfahrensschritte bedarf, um die therapeutische Einsetzbarkeit
herbeizuführen, so ist eine Maßnahme, die im Prioritätszeitpunkt
das in der Praxis allgemein übliche Mittel war, um dieses Ziel zu erreichen,
vom Offenbarungsgehalt der Veröffentlichung umfasst.
BGH, Urteil vom 18. März 2014 - X ZR 77/12 - Bundespatentgericht
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 18. März 2014 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Meier-Beck,
die Richter Gröning, Dr. Bacher und Dr. Deichfuß sowie die Richterin Dr. KoberDehm

für Recht erkannt:
Auf die Berufung der Kläger wird das am 27. März 2012 verkündete Urteil des 3. Senats (Nichtigkeitssenats) des Bundespatentgerichts abgeändert.
Das europäische Patent 359 593 wird mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland für nichtig erklärt.
Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Die Beklagte ist Inhaberin des mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 359 593 (Streitpatents), das am 8. Februar 1989 unter Inanspruchnahme einer Priorität vom 7. Juni 1988 in der Verfahrenssprache Französisch angemeldet worden ist und die chromatographische Trennung von Plasmaproteinen, insbesondere Faktor VIII, vonWillebrand -Faktor, Fibronectin und Fibrinogen betrifft. Patentanspruch 1, auf den sich elf weitere Patentansprüche zurückbeziehen, hat in einem vorangegangenen Nichtigkeitsverfahren durch Urteil des Bundesgerichtshofs vom 13. Juli 2010 (Xa ZR 10/07, juris, nachfolgend: Berufungsurteil) folgende Fassung erhalten (Änderungen gegenüber der Fassung, die das Patent im Einspruchsverfahren erhalten hatte, sind hervorgehoben): "1. Verfahren zur Trennung der Proteine Faktor VIII, Fibrinogen, Fibronectin und von-Willebrand-Faktor aus menschlichem oder tierischem Plasma und zur Herstellung von Konzentraten dieser Proteine zum therapeutischen Gebrauch , dadurch gekennzeichnet, dass es folgende Schritte umfasst: - Man verwendet als Ausgangsmaterial die Kryopräzipitatfraktion des Plasmas, die im Wesentlichen aus Fibrinogen, Fibronectin, vonWillebrand -Faktor und Faktor VIII besteht; - man unterzieht das wieder in wässrige Lösung gebrachte Kryopräzipitat einer einzigen Trennung durch Chromatographie auf einem Anionenaustauscherharz von vergleichsweise gemäßigtem ionischem Charakter, dessen Matrix ein Gel vom Typ eines makroretikulären Vinylpolymers ist, das aufgrund seiner Porosität und Hydrophobieeigenschaften in der Lage ist, den Komplex aus Faktor VIII und vonWillebrand -Faktor zurückzuhalten; - man gewinnt die verschiedenen Proteine selektiv durch sukzessive Erhörung der Ionenstärke des Elutionspuffers - und eine erhaltene Faktor-VIII-Lösung wird gefriergetrocknet."
2
Die Klägerinnen zu 1 und 2, die wegen Verletzung des Streitpatents rechtskräftig verurteilt worden sind, und der Kläger zu 3, der als Geschäftsfüh- rer der Klägerin zu 1 und als Mitglied des Verwaltungsrats der Klägerin des ersten Nichtigkeitsverfahrens gerichtlich in Anspruch genommen wird und erstinstanzlich verurteilt worden ist, haben geltend gemacht, der Gegenstand des Streitpatents gehe über den Inhalt der ursprünglich eingereichten Unterlagen hinaus und sei nicht patentfähig. Die Beklagte hat das Streitpatent in erster Linie in der geltenden Fassung und hilfsweise in elf geänderten Fassungen verteidigt.
3
Das Patentgericht hat die Klage abgewiesen. Dagegen richtet sich die Berufung der Kläger, die weiterhin die Nichtigerklärung des Streitpatents anstreben , ihr Begehren aber nur noch auf den Nichtigkeitsgrund der fehlenden Patentfähigkeit stützen. Die Beklagte tritt dem Rechtsmittel entgegen und verteidigt das Streitpatent hilfsweise mit ihren bereits in erster Instanz gestellten sowie sieben weiteren Hilfsanträgen.

Entscheidungsgründe:


4
Die zulässige Berufung führt zur Nichtigerklärung des Streitpatents.
5
I. Zu Recht hat das Patentgericht die Klage als zulässig angesehen.
6
1. Das Patentgericht hat seine Entscheidung insoweit im Wesentlichen wie folgt begründet:
7
Entgegen der Auffassung der Beklagten seien die Kläger nicht verpflichtet gewesen, sich der Klage im ersten Nichtigkeitsverfahren als Streitgenossen oder Streithelfer anzuschließen. Die Zulässigkeit der Klage werde auch nicht durch die gesellschaftsrechtlichen Verbindungen der Kläger zur Klägerin des ersten Verfahrens in Frage gestellt. Eine bloße Konzernverbundenheit bewirke keine Rechtskrafterstreckung. Anhaltspunkte dafür, dass die jetzigen Kläger im Auftrag und im ausschließlichen Interesse der früheren Klägerin handelten, seien nicht ersichtlich.
8
2. Dies hält der Überprüfung im Berufungsverfahren stand.
9
a) Wie das Patentgericht zutreffend dargelegt hat und auch die Beklagte nicht verkennt, erstreckt sich die Rechtskraft des Urteils aus dem ersten Nichtigkeitsverfahren nicht auf die Kläger des vorliegenden Rechtsstreits. Diese sind mit der Klägerin des ersten Verfahrens weder identisch noch deren Rechtsnachfolger.
10
b) Zutreffend ist das Patentgericht ferner zu dem Ergebnis gelangt, dass jeder der an den beiden Nichtigkeitsverfahren beteiligten Kläger ein eigenes wirtschaftliches und rechtliches Interesse an der Nichtigerklärung des Streitpatents hat und deshalb nicht als Strohmann der früheren Klägerin angesehen werden kann.
11
c) Entgegen der Auffassung der Beklagten fehlt es dem Kläger zu 3 auch dann nicht an dem nach Erlöschen des Streitpatents erforderlichen Rechtsschutzbedürfnis, wenn sich ein anderer Beklagter des Verletzungsrechtsstreits ihm gegenüber verpflichtet hat, ihn im Innenverhältnis von der Verantwortung für die Verletzung des Streitpatents freizustellen.
12
Selbst wenn es eine solche Vereinbarung gibt, hat sie keine Auswirkung auf die Verantwortlichkeit des Klägers zu 3 im Verhältnis zur Beklagten. Die daraus resultierende Möglichkeit einer rechtlichen Inanspruchnahme des Klägers zu 3 für Verletzungshandlungen, an denen er mitgewirkt hat, begründet auch dann ein hinreichendes rechtliches Interesse an einer Nichtigkeitsklage, wenn der Kläger die wirtschaftlichen Folgen einer Verurteilung im Verletzungsrechtsstreit nicht zu tragen hat.
13
d) Entgegen der Auffassung der Beklagten ist die im vorliegenden Rechtsstreit erhobene Klage nicht als rechtsmissbräuchlich anzusehen.
14
Dabei kann dahingestellt bleiben, ob und unter welchen Voraussetzungen es als Rechtsmissbrauch angesehen werden kann, wenn mehrere Personen, die wegen Verletzung eines Patents gerichtlich in Anspruch genommen werden, das Schutzrecht mit getrennten und zeitlich gestaffelten Nichtigkeitsklagen angreifen. Der Umstand, dass einer der Betroffenen zunächst die Entscheidung über die von einem anderen erhobene Nichtigkeitsklage abwartet und erst nach rechtskräftiger (Teil-)Abweisung dieser Klage seinerseits die Nichtigerklärung des Patents beantragt, reicht jedenfalls nicht aus, um einen solchen Vorwurf zu begründen.
15
aa) Der Beklagte eines Patentverletzungsrechtsstreits ist nicht gezwungen , das Patent, auf das die Verletzungsklage gestützt ist, mit einer Nichtigkeitsklage anzugreifen. Ihm steht es grundsätzlich frei, ob und zu welchem Zeitpunkt er eine solche Klage erhebt.
16
Entschließt er sich erst relativ spät für eine Nichtigkeitsklage, so kann dies dazu führen, dass eine Aussetzung des Verletzungsrechtsstreits gemäß § 148 ZPO nur noch unter engen Voraussetzungen angeordnet wird (vgl. BGH, Beschluss vom 28. September 2011 - X ZR 68/10, GRUR 2012, 93 Rn. 5 f. - Klimaschrank ; Beschluss vom 17. Juli 2012 - X ZR 77/11, GRUR 2012, 1072 Rn. 2 - Verdichtungsvorrichtung). Damit steigt das Risiko einer rechtskräftigen Verurteilung, die bei späterer Nichtigerklärung des Patents nur noch mit der Restitutionsklage entsprechend § 580 Nr. 6 ZPO anfechtbar ist.
17
Auf die Zulässigkeit der Nichtigkeitsklage hat ein solches Vorgehen aber keinen Einfluss. Für die Einreichung einer solchen Klage ist in §§ 81 ff. PatG keine Frist vorgesehen. Eine Fristsetzung durch den Patentinhaber sieht das Gesetz ebenfalls nicht vor. Angesichts dessen würde es der gesetzlichen Konzeption zuwiderlaufen, eine Nichtigkeitsklage schon deshalb als missbräuchlich anzusehen, weil der Nichtigkeitskläger auf eine gegen ihn erhobene Verletzungsklage nicht zeitnah reagiert hat.
18
bb) Für den Fall, dass mehrere Personen gemeinsam wegen Verletzung des Patents in Anspruch genommen werden, kann grundsätzlich nichts anderes gelten.
19
Auch für diese Konstellation sieht das Gesetz keine Möglichkeit vor, anderen Personen eine Frist zu setzen, innerhalb der eine Nichtigkeitsklage spätestens zu erheben ist. Angesichts dessen darf der Umstand, dass einer der Beklagten des Verletzungsrechtsstreits die Nichtigerklärung des Patents beantragt , ebenfalls nicht ohne weiteres dazu führen, dass die übrigen Beklagten ihre Klagemöglichkeit verlieren, wenn sie sich diesem Schritt nicht zeitnah anschließen.
20
Der Umstand, dass der Verletzungsrechtsstreit gegen mehrere Beklagte gemeinsam geführt wird, kann grundsätzlich nicht zu einer abweichenden Beurteilung führen. Gemäß § 61 ZPO gereicht die Handlung eines Streitgenossen den anderen weder zum Vorteil oder zum Nachteil. Auch aus diesem Grund darf die Entscheidung eines Beklagten, das Patent mit einer Nichtigkeitsklage anzugreifen, grundsätzlich nicht dazu führen, dass die in § 81 PatG eröffnete Klagemöglichkeit für die anderen Streitgenossen beschränkt wird.
21
cc) Dass der Patentinhaber damit einem hohen Kostenrisiko ausgesetzt sein kann, weil er damit rechnen muss, nach einem für ihn erfolgreichen Ausgang des ersten Nichtigkeitsverfahrens erneut mit einer Nichtigkeitsklage überzogen zu werden, vermag für sich gesehen ebenfalls nicht zur Bejahung eines Rechtsmissbrauchs führen.
22
Das in Rede stehende Kostenrisiko ist der gesetzlichen Regelung in §§ 81 ff. PatG immanent. Während der Laufzeit des Patents ist grundsätzlich jedermann befugt, eine Nichtigkeitsklage zu erheben. Der Umstand, dass eine erfolgreiche Nichtigkeitsklage zugunsten der Allgemeinheit wirkt, eine Abweisung der Klage aber nur gegenüber dem jeweiligen Kläger Rechtskraftwirkung entfaltet, ist eine Folge dieser gesetzlichen Regelung und deshalb vom Patentinhaber , dem mit der Erteilung des Schutzrechts rechtliche Befugnisse gegenüber der Allgemeinheit eingeräumt wurden, grundsätzlich hinzunehmen.
23
dd) Ob im Einzelfall ein Rechtsmissbrauch anzunehmen sein kann, wenn mehrere potentielle Nichtigkeitskläger ihre Angriffe gegen das Patent so koordinieren , dass die rechtliche Auseinandersetzung möglichst in die Länge gezogen und der Patentinhaber mit unzumutbaren finanziellen Risiken belastet wird, bedarf im Streitfall keiner Entscheidung.
24
Im Streitfall sind die finanziellen Risiken, die der Beklagten aus dem zweiten Nichtigkeitsverfahren drohen, schon deshalb zumutbar, weil jedenfalls dem Kläger zu 3 nicht zuzumuten war, sich dem ersten Nichtigkeitsverfahren anzuschließen. Die Verletzungsklage gegen ihn ist mehr als vier Jahre nach der ersten Verletzungsklage erhoben worden. Zu diesem Zeitpunkt war das erste Nichtigkeitsverfahren bereits in der Berufungsinstanz anhängig. In dieser Situation konnte ihm nicht angesonnen werden, einem Verfahren beizutreten, auf das er nur noch in relativ geringem Maße Einfluss nehmen konnte.
25
Die Mehrkosten, die daraus entstehen, dass die zweite Nichtigkeitsklage auch von den Klägerinnen zu 1 und 2 erhoben wurde, sind im Vergleich zu den Gesamtkosten des Verfahrens nicht so hoch, dass deren Beteiligung am neuen Rechtsstreit als rechtsmissbräuchlich angesehen werden könnte, zumal ein Beitritt zum ersten Verfahren ebenfalls zu Mehrkosten geführt hätte.
26
II. Das Streitpatent betrifft die chromatographische Trennung von vier Proteinen, nämlich Faktor VIII, von-Willebrand-Faktor (vWF), Fibronectin und Fibrinogen, aus menschlichem oder tierischem Blutplasma.
27
1. Die genannten Proteine sind von Bedeutung für die Blutgerinnung. Bei Hämophilie A steht der Faktor VIII nicht in ausreichendem Maß zur Verfügung. Zur Behandlung der Krankheit muss dieses Protein verabreicht werden. Hierzu muss es in hoch gereinigter Form vorliegen, d.h. frei von vielen anderen Blutbestandteilen sein, die unerwünschte Nebenwirkungen auslösen würden. Die Anwesenheit des von-Willebrand-Faktors ist demgegenüber vorteilhaft. Er bildet mit dem Faktor VIII ein schützendes Aggregat (Assoziat), das verhindert, dass der Faktor VIII im Organismus schnell abgebaut und damit unwirksam wird.
28
2. Im Stand der Technik waren verschiedene Verfahren zur Herstellung von Faktor-VIII-Konzentraten bekannt. Als am weitesten verbreitet wird in der Streitpatentschrift die Ausfällung bei niedriger Temperatur genannt, die mit der Zugabe von Fällungsmitteln kombiniert werden kann. Die Reinheit solcher Konzentrate liegt nach den Ausführungen in der Streitpatentschrift oft in der Größenordnung von 1 IE/mg (d.h. auf ein Milligramm aller im Konzentrat enthaltenen Proteine entfällt diejenige Menge des gewünschten Proteins, die in einem Milliliter normalen Blutplasmas enthalten ist) und überschreitet im Allgemeinen nicht die Grenze von 10 bis 20 IE/mg. Als weitere Möglichkeiten werden sterische Ausschlusschromatographie und molekulare Filtration genannt, die mit niedriger Ausbeute ein Produkt lieferten, dessen spezifische Aktivität 30 IE/mg nicht überschreite und das einen Zusatz von Albumin als Stabilisator erfordere, wodurch die spezifische Aktivität auf ungefähr 3 bis 5 IE/mg abgesenkt werde. Bei einem neueren Verfahren werde der Faktor VIII mit Hilfe von auf einem chromatographischen Träger immobilisierten Antikörpern gereinigt. Diese Technik sei leistungsfähig, erfordere aber den Gebrauch von drastischen Lösungen. Deshalb sei eine Ultrafiltration erforderlich, die der biologischen Aktivität des Faktors VIII schade. Außerdem sei die Zugabe eines Stabilisators erforderlich , wodurch die spezifische Aktivität des Faktors VIII von 1000 bis 3000 IE/mg auf 3 bis 5 IE/mg verringert werde. Ferner werde auch die Ionenaustauschchromatographie eingesetzt. Diese Techniken eigneten sich wegen der Kompliziertheit der Arbeitsvorgänge und der niedrigen Ausbeuten jedoch nur für die Anwendung im Labormaßstab.
29
Erwähnt wird ferner das Verfahren nach der unter der Nummer 343 275 nachveröffentlichten europäischen Patentanmeldung (K6a), bei dem das durch Fällung bei niedriger Temperatur erhaltene Ausgangsmaterial mit Heparin und Aluminiumhydroxid behandelt und einer Gelpermeationschromatographie auf einem Ionenaustauscherharz des hydrophilen Typs wie Typ Fraktogel-DEAE unterzogen werde. Dieses Verfahren ist nach den Ausführungen in der Streitpatentschrift durch eine spezielle Vorstufe gekennzeichnet, die insbesondere auf die Ethanolbehandlung verzichtet.
30
Das Streitpatent betrifft vor diesem Hintergrund das technische Problem, eine Methode zur Gewinnung von Konzentraten der eingangs genannten Proteine zu entwickeln, die im industriellen Maßstab anwendbar ist und hochreine, insbesondere von Antikörpern tierischen Ursprungs freie Produkte mit hoher Aktivität liefert.
31
3. Zur Lösung dieses Problems wird in Patentanspruch 1 des Streitpatents in der geltenden Fassung ein Verfahren vorgeschlagen, dessen Merkmale der Bundesgerichtshof bereits im ersten Nichtigkeitsverfahren wie folgt gegliedert hat: 1. Das Verfahren dient
a) der Trennung der Proteine Faktor VIII, Fibrinogen, Fibronectin und von-Willebrand-Faktor aus menschlichem oder tierischem Plasma und
b) zur Herstellung von Konzentraten dieser Proteine zum therapeutischen Gebrauch.
2. Als Ausgangsmaterial wird eine Plasmafraktion verwendet, die
a) bei niedriger Temperatur gefällt worden ist (Kryopräzipitat),
b) im Wesentlichen aus Fibrinogen, Fibronectin, von-WillebrandFaktor und Faktor VIII besteht
c) und wieder in wässrige Lösung gebracht worden ist.
3. Das Ausgangsmaterial wird einer einzigen (unique) Trennung durch Chromatographie auf einem Anionenaustauscherharz von vergleichsweise gemäßigtem ionischen Charakter unterzogen ,
a) dessen Matrix ein Gel von der Art eines makroretikulären Vinylpolymers ist,
b) das aufgrund seiner Porosität und Hydrophobieeigenschaften in der Lage ist, den Komplex aus Faktor VIII und von-WillebrandFaktor zurückzuhalten.
4. Die verschiedenen Proteine werden selektiv gewonnen, indem die Ionenstärke des Elutionspuffers sukzessiv erhöht wird.
5. Eine erhaltene Faktor-VIII-Lösung wird gefriergetrocknet.
32
III. Das Patentgericht hat zur Begründetheit der Klage im Wesentlichen folgendes ausgeführt:
33
Die Anmeldung des Streitpatents und die Inanspruchnahme der Priorität einer früheren französischen Anmeldung seien wirksam. Die Beklagte habe mit den von ihr vorgelegten Dokumenten (HL12 bis HL15) belegt, dass sie mit der Anmelderin beider Verfahren identisch sei.
34
Der Gegenstand von Patentanspruch 1 sei neu. Der Vortrag der Kläger gebe keinen Anlass, von der Entscheidung des Bundesgerichtshofs im ersten Nichtigkeitsverfahren abzurücken, nach dessen Auffassung das Merkmal 5 in der nach dem Prioritätstag veröffentlichten europäischen Patentanmeldung K6a nicht eindeutig und unmittelbar offenbart sei. Den Klägern sei zwar einzuräumen , dass sich der Fachmann an den Anforderungen des Deutschen Arzneibuchs orientiere. Dieses ermögliche aber ein Abweichen von den darin aufgezeigten Herstellungswegen.
35
Der Gegenstand von Patentanspruch 1 beruhe auch auf erfinderischer Tätigkeit. Das darin geschützte Verfahren sei dem Fachmann, einem promovierten Chemiker oder Biochemiker mit mehrjähriger beruflicher Erfahrung auf dem Gebiet der Isolierung von Plasmaproteinen, auch nicht durch die erstmals im vorliegenden Nichtigkeitsverfahren eingereichten Entgegenhaltungen K20 (Hynes et al., Blood 34 (1969), 601-609) und K32 (US-Patentschrift 4 508 709) nahegelegt gewesen.
36
IV. Diese Beurteilung hält der Überprüfung im Berufungsverfahren in einem entscheidenden Punkt nicht stand.
37
1. Der Gegenstand von Patentanspruch 1 in der geltenden Fassung ist nicht neu.
38
a) Die Beurteilung, ob der Gegenstand eines Patents durch eine Vorveröffentlichung neuheitsschädlich getroffen ist, erfordert die Ermittlung des Gesamtinhalts der Vorveröffentlichung. Maßgeblich ist, welche technische Information dem Fachmann offenbart wird. Der Offenbarungsbegriff ist dabei kein anderer, als er auch sonst im Patentrecht zu Grunde gelegt wird. Zu ermitteln ist deshalb nicht, in welcher Form der Fachmann etwa mit Hilfe seines Fachwissens eine gegebene allgemeine Lehre ausführen kann oder wie er diese Lehre gegebenenfalls abwandeln kann, sondern ausschließlich, was der Schrift aus fachmännischer Sicht unmittelbar und eindeutig zu entnehmen ist (vgl. nur BGH, Urteil vom 16. Dezember 2008 - X ZR 89/07, BGHZ 179, 168 = GRUR 2009, 382 Rn. 25 - Olanzapin).
39
Zu dem danach Offenbarten gehört allerdings nicht nur dasjenige, was im Wortlaut der Veröffentlichung ausdrücklich erwähnt wird. Nicht anders als bei der Ermittlung des Wortsinns eines Patentanspruchs ist vielmehr der Sinngehalt der Veröffentlichung maßgeblich, also diejenige technische Information, die der fachkundige Leser der jeweiligen Quelle vor dem Hintergrund seines Fachwis- sens entnimmt (BGHZ 179, 168 = GRUR 2009, 382 Rn. 26 - Olanzapin). Hierzu gehören auch Abwandlungen und Ergänzungen, die nach dem Gesamtzusammenhang der Schrift für den Fachmann derart naheliegen, dass sie sich ihm bei aufmerksamer, weniger auf die Worte als ihren erkennbaren Sinn achtenden Lektüre ohne Weiteres erschließen, so dass er sie gleichsam mitliest, auch wenn er sich dessen nicht bewusst ist (BGH, Beschluss vom 17. Januar 1995 - X ZB 15/93, BGHZ 128, 270, 276 f. = GRUR 1995, 330, 332 - Elektrische Steckverbindung). Die Berücksichtigung solcher Umstände zielt nicht auf eine Ergänzung der Offenbarung durch das Fachwissen, sondern auf die Erfassung der technischen Information, die der Fachmann durch eine Schrift erhält, in ihrer Gesamtheit. Abwandlungen und Weiterentwicklungen dieser Information gehören ebenso wenig zum Offenbarten wie diejenigen Schlussfolgerungen, die der Fachmann kraft seines Fachwissens aus der erhaltenen technischen Information ziehen mag (BGHZ 179, 168 = GRUR 2009, 382 Rn. 26 - Olanzapin).
40
b) Wie der Bundesgerichtshof bereits im ersten Nichtigkeitsverfahren dargelegt hat, erschloss sich dem Fachmann bei der Lektüre von K6a, dass es weiterer Verfahrensschritte bedarf, damit ein nach dem dort beschriebenen Verfahren hergestelltes Faktor-VIII-Konzentrat für den therapeutischen Einsatz geeignet ist (Berufungsurteil Rn. 62). Die hiergegen von der Beklagten erhobenen Einwände führen nicht zu einer abweichenden Beurteilung.
41
Entgegen der Auffassung der Beklagten wurde in K6a nicht offengelassen, ob das nach dem dort offenbarten Verfahren hergestellte Faktor-VIII-Präparat zu therapeutischen Zwecken oder ausschließlich zur Verwendung im Labor eingesetzt werden soll. Im Zusammenhang mit der Darstellung bekannter Verfahren wird vielmehr auf Probleme hingewiesen, die bei der Verabreichung von auf diese Weise hergestellten Präparaten an Patienten auftreten können (K6a Sp. 1 Z. 19 bis 22). Daraus ergibt sich hinreichend deutlich, dass das nach dem in K6a offenbarten Verfahren hergestellte Präparat jedenfalls auch für therapeu- tische Zwecke einsetzbar sein soll. Damit erschloss sich dem Fachmann zugleich , dass es weiterer Verfahrensschritte bedarf.
42
Aus den von der Beklagten zitierten Darlegungen in K6a zu dem dort geschilderten Ausführungsbeispiel 4, wonach die gesammelten Fraktionen mit einem aus Natriumcitrat, Glycin, Lysin und Calciumchlorid bestehenden Puffer verdünnt, auf einen pH-Wert von 6,9 bis 7,1 eingestellt, filtriert und abschließend einer Sterilfiltration unterzogen werden (K6a Sp. 4 Z. 43 bis 52), ergibt sich nichts Abweichendes. Dem in diesem Zusammenhang verwendeten Ausdruck "abschließend" ist zwar zu entnehmen, dass das in K6a beschriebene Konzentrat nach den genannten Schritten in seiner stofflichen Zusammensetzung nicht mehr verändert wird. Daraus kann aber nicht die Schlussfolgerung gezogen werden, zwischen der Fertigstellung des Konzentrats und dessen Verabreichung an den Patienten dürfe kein weiterer Verfahrensschritt liegen, der die inhaltliche Zusammensetzung des Konzentrats unberührt lässt, aber dessen therapeutische Anwendung ermöglicht.
43
c) Der Bundesgerichtshof hat den Verfahrensschritt der Gefriertrocknung im ersten Nichtigkeitsverfahren nicht als in K6a unmittelbar und eindeutig offenbart angesehen, weil es aus technischer Sicht mehrere Möglichkeiten gab, um das Präparat für therapeutische Zwecke einsatzfähig zu machen (Berufungsurteil Rn. 62). Er hat hierzu insbesondere auf die in K6a mehrfach zitierte europäische Anmeldung 238 701 (K10 Sp. 2 Z. 27 bis 39) Bezug genommen, in der ausgeführt wird, das flüssige Präparat könne nach Absolvierung weiterer Zwischenschritte in üblicher Weise in Ampullen gefüllt und therapeutisch eingesetzt werden (Berufungsurteil Rn. 61).
44
Diese Beurteilung wird durch die Ausführungen der Kläger zur rechtlichen Bedeutung des Arzneimittelbuchs nicht in Frage gestellt.
45
Nach dem Vorbringen der Kläger führt der Umstand, dass im deutschen und im österreichischen Arzneimittelbuch Faktor-VIII-Präparate nur in gefriergetrockneter Form aufgeführt sind, zwar dazu, dass ein Arzneimittel in anderer Form nur dann zulassungsfähig ist, wenn der Nachweis geführt wird, dass die abweichende Herstellungsmethode zu den gleichen Ergebnissen führt. Für die Frage, welcher Offenbarungsgehalt der Veröffentlichung K6a aus Sicht des Fachmanns zukommt, wäre dies indes nur dann von Bedeutung, wenn im Stand der Technik keine Verfahren als geeignete Alternative in Betracht gekommen wären, der Fachmann, dem die Notwendigkeit eines weiteren Verfahrensschritts bekannt war, diesen also zwangsläufig mit der Maßnahme des Gefriertrocknens gleichgesetzt hätte. An dieser Voraussetzung fehlt es, wenn in anderen Veröffentlichungen Alternativmaßnahmen aufgezeigt werden, deren Zulassungsfähigkeit jedenfalls nicht ohne weiteres verneint werden kann.
46
d) Die der Entscheidung im ersten Nichtigkeitsverfahren zugrunde liegende Einschätzung, dass K10 eine solche Veröffentlichung darstellt, beruht jedoch auf der Prämisse, die Abfüllung als Flüssigkeit in Ampullen stelle eine Alternative zu der im Arzneimittelbuch als einzige Maßnahme aufgeführten Gefriertrocknung dar.
47
Diese Prämisse erweist sich auf der Grundlage des Parteivortrags im vorliegenden Rechtsstreit als unzutreffend.
48
aa) Nach dem Vortrag der Kläger wird ein Faktor-VIII-Präparat bei dem im Stand der Technik üblichen Verfahren erst gefriergetrocknet, nachdem es bereits in Ampullen abgefüllt worden ist. Die Beklagte hat dies nicht in Zweifel gezogen. Sie hat lediglich geltend gemacht, eine solche Vorgehensweise sei weder in K6a noch in K10 offenbart. Daraus ergibt sich nicht, dass es am Prioritätstag gängige Verfahren gab, bei denen das Konzentrat schon vor dem Abfüllen in Ampullen gefriergetrocknet wurde. Sonstige Umstände, die für das Be- stehen einer solchen Alternative sprechen könnten, sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.
49
bb) Bei Berücksichtigung dieses zusätzlichen Umstandes ist die Gefriertrocknung durch K6a offenbart.
50
(1) Wenn sich das in K10 beschriebene Abfüllen in Ampullen und eine Gefriertrocknung nicht gegenseitig ausschließen und eine Gefriertrocknung im Prioritätszeitpunkt das in der Praxis allgemein übliche Mittel war, um die nicht nur kurzfristige therapeutische Einsetzbarkeit zu gewährleisten, gehört dieser Schritt zu den Maßnahmen, deren Notwendigkeit sich dem Fachmann bei der Lektüre von K6a ohne Weiteres erschloss.
51
(2) Entgegen der Auffassung der Beklagten ist in diesem Zusammenhang irrelevant, dass nach den Erkenntnissen am Prioritätstag ein zeitnaher therapeutischer Einsatz auch ohne Gefriertrocknung möglich war.
52
K6a hebt als Vorteil des dort offenbarten Verfahrens hervor, es ermögliche die Herstellung eines hochreinen Antihämophiliefaktors in hohen Ausbeuten und mit einer bisher nicht erreichten spezifischen Aktivität (K6a Sp. 2 Z. 12 bis 16). Daraus geht hervor, dass das mit dem offenbarten Verfahren hergestellte Präparat nicht nur für besondere Anwendungsfälle, sondern auch für einen therapeutischen Einsatz in größerem Umfang geeignet sein soll. Dies setzt voraus, dass das Präparat über einen Zeitraum hinweg lagerfähig gehalten werden kann, der für therapeutische Zwecke allgemein als erforderlich angesehen wird. Zur Gewährleistung dieses Einsatzzwecks wurde am Prioritätstag nach dem insoweit von der Beklagten nicht in Zweifel gezogenen Vortrag der Kläger bei als Arzneimittel zugelassenen Präparaten ausschließlich auf Gefriertrocknung zurückgegriffen.
53
Soweit die Beklagte andere Maßnahmen aufgezeigt hat, sind diese bei am Markt verfügbaren Präparaten nicht zur Anwendung gekommen. Dies gilt auch für das flüssige Präparat Octaliquid, das die Klägerin zu 1 nach ihrem nicht in Zweifel gezogenen Vortrag erst in den 1990er Jahren zu entwickeln versuchte und das sich als nicht marktfähig erwiesen hat. Ob Octaliquid in den 1990er Jahren zum Markt zugelassen wurde, ist unerheblich, weil diese Zulassung jedenfalls nach dem Prioritätstag erfolgt wäre.
54
Soweit die Beklagte darüber hinaus das Vorbringen der Kläger pauschal bestreitet, ist ihr Vortrag nicht geeignet, Zweifel an der Richtigkeit des Klägervortrags zu begründen. Die Kläger haben im Einzelnen dargelegt, welche Präparate am Prioritätstag zur allgemeinen therapeutischen Anwendung zur Verfügung standen. Angesichts dessen lag es an der Beklagten, Anhaltspunkte dafür aufzuzeigen, dass aus Sicht des Fachmanns andere Verfahren für die praktische Anwendung in Betracht kamen. Die von ihr aufgezeigten Alternativen werden dieser Anforderung nicht gerecht. Dass es darüber hinaus andere verfügbare Präparate am Markt gegeben hat, ist weder konkret vorgetragen noch sonst ersichtlich.
55
(3) Vor diesem Hintergrund ist unerheblich, dass am Prioritätstag andere Verfahren - insbesondere ein dauerhaftes Einfrieren ohne Trocknung - bekannt waren, die theoretisch ebenfalls hätten genutzt werden können.
56
Wie bereits dargelegt war K6a zu entnehmen, dass das dort offenbarte Präparat auch in größerem Maßstab therapeutisch einsetzbar sein soll. Wenn sich daraus für den Fachmann ohne weiteres ergab, dass es weiterer Verfahrensschritte bedurfte und dass diese Schritte - unabhängig von Vorhandensein und Anzahl möglicher Zwischenschritte - in der Praxis stets auch das Gefriertrocknen umfassten, gehörte diese Erkenntnis ebenfalls zu dem Informationsgehalt , der sich dem Fachmann aus dem Sinngehalt von K6a erschloss.
57
(4) Die weiteren von der Beklagten angeführten Veröffentlichungen führen nicht zu einer abweichenden Beurteilung.
58
Den Ausführungen in K10, das flüssige Präparat könne in üblicher Weise in Ampullen gefüllt und therapeutisch eingesetzt werden, ist nicht zu entnehmen , dass ein Gefriertrocknen auch für den therapeutischen Einsatz in größerem Umfang entbehrlich ist. Dem Hinweis auf übliche Verfahrensweisen ist vielmehr zu entnehmen, dass die für den jeweiligen Einsatzzweck gebräuchlichen Maßnahmen ergriffen werden sollen. Zu diesen gehörte für den Fachmann am Prioritätstag das Gefriertrocknen, sofern das Präparat für den nicht nur zeitnahen therapeutischen Einsatz verwendet werden soll.
59
Aus Veröffentlichungen, in denen der Schritt des Gefriertrocknens nur als fakultativ erwähnt wird, ergibt sich nichts Abweichendes. Diesen Ausführungen kann nur entnommen werden, dass das Gefriertrocknen nicht für jeden Einsatzzweck erforderlich ist. In keiner dieser Entgegenhaltungen finden sich aber Hinweise darauf, dass das Gefriertrocknen auch für den therapeutischen Einsatz als am Markt verfügbares Arzneimittel entbehrlich sein könnte.
60
cc) Entgegen der Auffassung der Beklagten ergab sich für den Fachmann aus K6a nicht deshalb ein anderes Verständnis, weil ein Gefriertrocknen nach dem Kenntnisstand am Prioritätstag zwingend die Zugabe von Albumin oder einem vergleichbaren Protein als Stabilisator erfordert hätte.
61
Den Ausführungen in K6a ist nicht zu entnehmen, dass dem dort offenbarten Konzentrat vor seiner therapeutischen Anwendung weitere Stoffe zugesetzt werden müssen. In K6a wird detailliert beschrieben, welche Stoffe den eingesetzten Lösungen und Puffern im Einzelnen zuzusetzen sind und welchen Verarbeitungsschritten das Ausgangsmaterial zur Gewinnung des angestrebten Konzentrats zu unterziehen ist. Zudem wird der in Ausführungsbeispiel 4 geschilderte Verfahrensschritt der Sterilfiltration (K6a Sp. 4 Z. 43 bis 52) wie be- reits erwähnt ausdrücklich als abschließend bezeichnet. Hieraus ergab sich aus fachmännischer Sicht die Schlussfolgerung, dass das in K6a beschriebene Konzentrat in seiner stofflichen Zusammensetzung auch dann nicht abzuändern ist, wenn es zum Zwecke des therapeutischen Einsatzes gefriergetrocknet wird.
62
Der Umstand, dass bei dem in der deutschen Offenlegungsschrift 34 32 083 (K15) offenbarten Verfahren vor dem Gefriertrocknen Albumin zugesetzt wird, führt vor diesem Hintergrund nicht zu einer abweichenden Beurteilung. Für den Fachmann ergab sich weder aus K15 noch aus sonstigen Entgegenhaltungen , dass die Zugabe von Albumin oder vergleichbaren Proteinen vor dem Gefriertrocknen schlechthin unerlässlich war. So wird in der Veröffentlichung von Hynes et al. (Citrate Stabilization of Chromatographically Purified Factor VIII, Blood 34 (1969), 601 bis 609, K20) mit Citrat eine Stofffamilie als geeigneter Stabilisator benannt (K20 S. 607 unten), die auch in K6a eingesetzt wird. Der Fachmann hatte angesichts dessen keinen Anlass zu der Annahme, das in K6a offenbarte Konzentrat sei ohne Zugabe von Albumin für einen therapeutischen Einsatz in Form eines gefriergetrockneten Präparats nicht geeignet.
63
2. Hinsichtlich der mit den Hilfsanträgen verteidigten Fassungen des Streitpatents ergibt sich keine abweichende Beurteilung.
64
a) Nach Hilfsantrag 1 soll Merkmalsgruppe 3 um ein zusätzliches Merkmal 3 c ergänzt werden, wonach das Harz Gruppen vom DEAE-Typ an dem Vinylpolymer aufweist.
65
Dieses Merkmal ist, wie auch die Beklagte nicht in Zweifel zieht, in K6a ebenfalls offenbart. Das dort als Fractogel-DEAE bezeichnete Austauscherharz weist, wie der Bundesgerichtshof im ersten Nichtigkeitsverfahren näher dargelegt hat, alle Merkmale der Merkmalsgruppe 3 auf (Berufungsurteil Rn. 48 bis 51). Für das mit Hilfsantrag 1 zusätzlich vorgesehene Merkmal gilt nichts ande- res. Fractogel-DEAE besteht aus einem Vinylpolymer, auf dem funktionelle Gruppen aus dem Material DEAE (Diethylaminoethyl) aufgebracht sind.
66
b) Nach Hilfsantrag 2 soll Merkmal 2 b dahin ergänzt werden, dass als Ursprungsmaterial ein nicht nach der Blutgruppe ausgewähltes Plasma verwendet wird.
67
Dieses zusätzliche Teilmerkmal ist in K6a ebenfalls offenbart. Zwar wird es dort nicht ausdrücklich erwähnt. Aus dem in K6a enthaltenen Hinweis, es werde handelsübliches Kryopräzipitat eingesetzt, ergibt sich für den Fachmann jedoch unmittelbar und eindeutig, dass das dort offenbarte Verfahren jedenfalls auch mit Plasma ausgeführt werden kann, das nicht nach der Blutgruppe ausgewählt worden ist. Dabei kann offenbleiben, ob, wie die Klägerin unwidersprochen dargelegt hat, am Prioritätstag aus fachmännischer Sicht ausschließlich diese Art von Plasma als "handelsüblich" angesehen wurde. Selbst wenn beide Arten am Markt verfügbar waren, ergab sich aus dem in K6a enthaltenen Hinweis auf die Handelsüblichkeit, dass das dort offenbarte Verfahren insoweit keinen Beschränkungen unterliegt.
68
c) Nach Hilfsantrag 3 sollen in Merkmal 1 a die Worte "oder tierischem" entfallen.
69
Auch mit der daraus resultierenden Beschränkung auf Verfahren zur Bearbeitung menschlichen Plasmas ist der Gegenstand von Patentanspruch 1 durch K6a vollständig offenbart. In K6a wird zwar nicht ausdrücklich erwähnt, ob das eingesetzte Plasma menschlichen oder tierischen Ursprungs ist. Auch insoweit ist mit dem Hinweis, es könne handelsübliches Kryopräzipitat eingesetzt werden, jedoch eindeutig und unmittelbar offenbart, dass jedes am Markt gängige Produkt als Ausgangsmaterial herangezogen werden kann. Dazu gehörte am Prioritätstag auch menschliches Plasma.
70
d) Nach den Hilfsanträgen 4 und 4a soll Merkmal 4 dahin ergänzt werden , dass die Ionenstärke ein erstes Mal erhöht wird, wodurch ein großer - nach Hilfsantrag 4a der größte - Teil des von-Willebrand-Faktors desorbiert wird, und dann ein zweites Mal erhöht wird.
71
Diese Ergänzung führt ebenfalls nicht zu einer abweichenden Beurteilung. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob das zusätzliche Merkmal in den ursprünglich eingereichten Unterlagen als zur Erfindung gehörend offenbart ist. Es ist jedenfalls durch K6a vorweggenommen.
72
Bei einem der in der Beschreibung des Streitpatents geschilderten Ausführungsbeispiele wird die erste Erhöhung der Ionenstärke dadurch erreicht, dass die Konzentration von Natriumchlorid von 0,11 M auf 0,15 M erhöht wird. Dies führt dazu, dass der größte Teil des von-Willebrand-Faktors und des Fibronectins eluiert wird (Abs. 43); im nachfolgenden Schritt wird die Konzentration bis auf den Endwert von 0,25 M erhöht (Abs. 44). In einem anderen Beispiel, das die Gewinnung eines Konzentrats des von-Willebrand-Faktors betrifft, wird die Natriumchlorid-Konzentration ebenfalls von 0,11 M auf 0,15 M erhöht, um die den von-Willebrand-Faktor enthaltende Fraktion zu eluieren (Abs. 65).
73
Diese Vorgehensweise ist auch in K6a offenbart. In dem dort geschilderten Ausführungsbeispiel beträgt die Natriumchlorid-Konzentration bei dem der Elution vorausgehenden Waschschritt 110 mM (Sp. 3 Z. 57), also 0,11 M. Danach werden zwei Elutionsschritte mit einer Konzentration von 160 mM und 250 mM durchgeführt (Sp. 4 Z. 20 und 27). Dies entspricht im Wesentlichen der Vorgehensweise nach dem Streitpatent.
74
Dass in K6a nicht ausdrücklich erwähnt wird, welche Bestandteile beim ersten Elutionsschritt gewonnen werden, ist unerheblich. Nach den Ausführungen in der Beschreibung des Streitpatents führt die Erhöhung der Natriumchlorid -Konzentration von 0,11 M auf 0,15 M dazu, dass der größte Teil des von- Willebrand-Faktors ausgewaschen wird. Für die in K6a offenbarte Erhöhung von 0,11 M auf 0,16 M kann danach nichts anderes gelten.
75
e) Nach den Hilfsanträgen 5 und 5a soll Patentanspruch 1 in der Fassung von Hilfsantrag 4 zusätzlich dadurch ergänzt werden, dass bei der ersten Erhöhung der Ionenstärke das Fibronectin und ein großer bzw. der größte Teil des von-Willebrand-Faktors desorbiert wird.
76
Dies führt ebenfalls nicht zu einer abweichenden Beurteilung.
77
Wie bereits im Zusammenhang mit Hilfsantrag 4 dargelegt wurde, führt die Erhöhung der Natriumchlorid-Konzentration von 0,11 M auf 0,15 M dazu, dass neben dem größten Teil des von-Willebrand-Faktors auch Fibronection eluiert wird. Entsprechendes muss dann für die in K6a offenbarte Erhöhung von 0,11 M auf 0,16 M gelten.
78
f) Nach den Hilfsanträgen 6 und 6a soll Patentanspruch 1 in der Fassung von Hilfsantrag 4 bzw. 4a dahin ergänzt werden, dass vor der ersten Erhöhung der Ionenstärke die Säule bei einer Ionenstärke gewaschen wird, bei der Fibrinogen ausgewaschen wird.
79
Diese Änderung führt ebenfalls nicht zu einer abweichenden Beurteilung.
80
Bei einem der in der Beschreibung des Streitpatents geschilderten Ausführungsbeispiele wird die Säule vor dem ersten Elutionsschritt mit einer Lösung gewaschen, deren Natriumchlorid-Konzentration 0,1 M beträgt. Danach wird mit einem Puffer mit einer Natriumchlorid-Konzentration von 0,11 M äquilibriert (Abs. 39). Hierdurch wird im Wesentlichen Fibrinogen ausgewaschen (Abs. 42).
81
Diese Vorgehensweise ist auch in K6a offenbart. Bei dem dort geschilderten Ausführungsbeispiel wird die Säule zunächst mit einer Lösung mit einer Natriumchlorid-Konzentration von 100 mM und anschließend mit einem Puffer mit einer Natriumchlorid-Konzentration von 110 mM gewaschen (K6a Sp. 3 Z. 52 bis 57). Dass dabei nicht offenbart wird, welche Bestandteile hierdurch ausgewaschen werden, ist aus den bereits im Zusammenhang mit Hilfsantrag 4 dargelegten Gründen unerheblich.
82
g) Nach den Hilfsanträgen 7 und 7a sollen die in den Hilfsanträgen 5 und 6 bzw. 5a und 6a vorgesehenen Merkmale miteinander kombiniert werden.
83
Dies führt nicht zu einer abweichenden Beurteilung, weil alle diese Merkmale in K6a auch in ihrer Kombination offenbart sind.
84
h) Nach Hilfsantrag 8 soll Patentanspruch 1 in der Fassung von Hilfsantrag 7 in Merkmal 4 dahin ergänzt werden, dass das erhaltene Konzentrat von Faktor VIII eine spezifische Aktivität von mehr als 100 IE/mg aufweist.
85
Dies vermag ebenfalls nicht zu einer abweichenden Beurteilung zu führen.
86
Nach der Beschreibung des Streitpatents wird die in Rede stehende Eigenschaft des Faktor-VIII-Konzentrats durch Ausführung eines Verfahrens mit den in der geltenden Fassung von Patentanspruch 1 aufgeführten Merkmalen erreicht. Ein solches Verfahren ist auch in K6a offenbart. Dass dort nicht mitgeteilt wird, welche spezifische Aktivität das gewonnene Faktor-VIII-Konzentrat aufweist, ist unerheblich.
87
i) Nach den Hilfsanträgen 9 und 9a soll Patentanspruch 1 in der Fassung von Hilfsantrag 4 bzw. 4a dahin ergänzt werden, dass mit der zweiten Erhöhung der Ionenstärke der Faktor VIII eluiert wird.
88
Dies führt ebenfalls nicht zu einer abweichenden Beurteilung.
89
Wie bereits dargelegt wird die Natriumchlorid-Konzentration sowohl bei dem im Streitpatent geschilderten als auch bei dem in K6a offenbarten Ausführungsbeispiel im zweiten Schritt auf 0,25 M erhöht. Damit führt das Verfahren nach K6a ebenso wie dasjenige nach dem Streitpatent dazu, dass im zweiten Erhöhungsschritt Faktor VIII eluiert wird.
90
j) Nach Hilfsantrag 10 soll Patentanspruch 1 in der Fassung von Hilfsantrag 7 dahin ergänzt werden, dass das erhaltene Konzentrat von Faktor VIII frei ist von menschlichen Blutgruppenantikörpern oder nur geringste Mengen davon enthält.
91
Auch damit wird lediglich ein Ergebnis beansprucht, das durch ein Verfahren mit den Merkmalen der geltenden Fassung von Patentanspruch 1 erzielt wird und in K6a zwar nicht offenbart ist, wegen der Übereinstimmung der Verfahrensschritte aber dennoch eintritt.
92
k) Nach Hilfsantrag 11 soll zwischen den Merkmalsgruppen 2 und 3 ein zusätzliches Merkmal eingefügt werden, wonach das Ausgangsmaterial einer Virusinaktivierungsbehandlung durch Solvens-Detergens in Gegenwart von Tween® TNBP unterzogen wird.
93
Dieser Verfahrensschritt ist, wie die Beklagte nicht verkennt, in K6a ebenfalls offenbart (Sp. 2 Z. 44 bis 47).
94
l) Nach Hilfsantrag 12 soll Merkmal 5 dahin ergänzt werden, dass das Gefriertrocknen ohne Zugabe eines Stabilisators mit Proteincharakter erfolgt.
95
Auch mit dieser Ergänzung ist der Gegenstand des Streitpatents durch K6a offenbart.
96
Wie bereits oben (1 d cc) ausgeführt wurde, finden sich in K6a keine Hinweise darauf, dass dem dort offenbarten Faktor-VIII-Konzentrat vor dem Gefriertrocknen Albumin oder sonstige Proteine als Stabilisator zugesetzt werden.
97
Angesichts dessen kann dahingestellt bleiben, ob der erstmals in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat gestellte Hilfsantrag 12 prozessual zulässig ist und ob die mit ihm verteidigte Fassung von Patentanspruch 1 dem in Art. 84 EPÜ niedergelegten Gebot der Klarheit entspricht.
98
m) Nach Hilfsantrag 13 soll Patentanspruch 1 in der Fassung von Hilfsantrag 12 dahin geändert werden, dass die Worte "mit Proteincharakter" entfallen.
99
Diese Änderung führt ebenfalls nicht zu einer abweichenden Beurteilung.
100
Dabei kann dahingestellt bleiben, ob der Gegenstand des Streitpatents durch diese Änderung im Vergleich zu der mit Hilfsantrag 12 verteidigten Fassung zusätzlich eingeschränkt wird. Selbst wenn es nach der mit Hilfsantrag 13 verteidigten Fassung ausgeschlossen wäre, der im Streitpatent offenbarten Faktor-VIII-Lösung vor dem Gefriertrocknen irgendeinen weiteren Stoff hinzuzufügen , wäre der Gegenstand des Streitpatents in K6a vollständig offenbart.
101
Wie bereits oben ausgeführt wurde, ist den Ausführungen in K6a zu entnehmen , dass das dort offenbarte Faktor-VIII-Konzentrat ohne Änderung der stofflichen Zusammensetzung gefriergetrocknet werden kann. Damit ist die mit Hilfsantrag 13 verteidigte Lehre vollständig vorweggenommen.
102
V. Die Kostenentscheidung beruht auf § 121 Abs. 2 PatG und § 91 Abs. 1 ZPO.
Meier-Beck Gröning Bacher
Deichfuß Kober-Dehm

Vorinstanz:
Bundespatentgericht, Entscheidung vom 27.03.2012 - 3 Ni 32/10 (EP) -
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2. Die Beurteilung, ob der Gegenstand eines Patents durch eine Vorveröffentlichung neuheitsschädlich getroffen ist, erfordert die Ermittlung des Gesamtinhalts der Vorveröffentlichung. Maßgeblich ist, welche technische Information dem Fachmann offenbart wird. Der Offenbarungsbegriff ist dabei kein anderer, als er auch sonst im Patentrecht zugrunde gelegt wird (Sen.Urt. v. 16.12.2003 - X ZR 206/98, GRUR 2004, 407, 411 - Fahrzeugleitsystem; Benkard /Melullis, EPÜ, Art. 54 Rdn. 54; PatG, 10. Aufl., § 3 Rdn. 20 f.). Zu ermitteln ist deshalb nicht, in welcher Form der Fachmann etwa mit Hilfe seines Fachwissens eine gegebene allgemeine Lehre ausführen kann oder wie er diese Lehre gegebenenfalls abwandeln kann, sondern ausschließlich, was der Fachmann der Vorveröffentlichung als den Inhalt der gegebenen (allgemeinen) Lehre entnimmt. In der Rechtsprechung des Senats und der Beschwerdekammern des Europäischen Patentamts wird dies auch dahin ausgedrückt, dass maßgeblich ist, was aus fachmännischer Sicht einer Schrift "unmittelbar und eindeutig" zu entnehmen ist (BGHZ 148, 383, 389 - Luftverteiler; Sen.Urt. v. 14.10.2003 - X ZR 4/00, GRUR 2004, 133, 135 - Elektronische Funktionseinheit; Sen.Urt. v. 30.1.2008 - X ZR 107/04, GRUR 2008, 597 Tz. 17 - Betonstraßenfertiger; EPA (GrBK) Amtsbl. 2001, 413 = GRUR Int. 2002, 80; EPA GRUR Int. 2008, 511 - Traction sheave elevator/KONE; s. dazu auch Benkard/Melullis, EPÜ aaO Rdn. 59; Rogge, GRUR 1996, 931, 934).

(1) Ergibt die Begründung des angefochtenen Urteils zwar eine Rechtsverletzung, stellt die Entscheidung selbst aber aus anderen Gründen sich als richtig dar, so ist die Berufung zurückzuweisen.

(2) Insoweit die Berufung für begründet erachtet wird, ist das angefochtene Urteil aufzuheben. Wird das Urteil wegen eines Mangels des Verfahrens aufgehoben, so ist zugleich das Verfahren insoweit aufzuheben, als es durch den Mangel betroffen wird.

(3) Im Falle der Aufhebung des Urteils ist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Patentgericht zurückzuverweisen. Die Zurückverweisung kann an einen anderen Nichtigkeitssenat erfolgen.

(4) Das Patentgericht hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung zugrunde gelegt ist, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.

(5) Der Bundesgerichtshof kann in der Sache selbst entscheiden, wenn dies sachdienlich ist. Er hat selbst zu entscheiden, wenn die Sache zur Endentscheidung reif ist.

(1) In dem Verfahren vor dem Bundesgerichtshof gelten die Bestimmungen des § 144 über die Streitwertfestsetzung entsprechend.

(2) In dem Urteil ist auch über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden. Die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Prozeßkosten (§§ 91 bis 101) sind entsprechend anzuwenden, soweit nicht die Billigkeit eine andere Entscheidung erfordert; die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über das Kostenfestsetzungsverfahren (§§ 103 bis 107) und die Zwangsvollstreckung aus Kostenfestsetzungsbeschlüssen (§§ 724 bis 802) sind entsprechend anzuwenden.

(1) Wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jeder Partei zur Hälfte zur Last.

(2) Das Gericht kann der einen Partei die gesamten Prozesskosten auferlegen, wenn

1.
die Zuvielforderung der anderen Partei verhältnismäßig geringfügig war und keine oder nur geringfügig höhere Kosten veranlasst hat oder
2.
der Betrag der Forderung der anderen Partei von der Festsetzung durch richterliches Ermessen, von der Ermittlung durch Sachverständige oder von einer gegenseitigen Berechnung abhängig war.