Bundesgerichtshof Urteil, 16. Dez. 2008 - X ZR 89/07

bei uns veröffentlicht am16.12.2008
vorgehend
Bundespatentgericht, 3 Ni 21/04, 04.06.2007

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X ZR 89/07 Verkündetam:
16. Dezember 2008
Wermes
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in der Patentnichtigkeitssache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja
Olanzapin
EPÜ Art. 54; PatG § 3
a) Die Beurteilung, ob der Gegenstand eines Patents durch eine Vorveröffentlichung
neuheitsschädlich getroffen ist, erfordert die Ermittlung des Gesamtinhalts
der Vorveröffentlichung. Maßgeblich ist, welche technische Information
dem Fachmann offenbart wird. Der Offenbarungsbegriff ist dabei kein
anderer, als er auch sonst im Patentrecht zugrunde gelegt wird (Fortführung
des Sen.Urt. v. 16.12.2003 - X ZR 206/98, GRUR 2004, 407 - Fahrzeugleitsystem
).
b) Offenbart kann auch dasjenige sein, was im Patentanspruch und in der Beschreibung
nicht ausdrücklich erwähnt ist, aus der Sicht des Fachmanns jedoch
für die Ausführung der unter Schutz gestellten Lehre selbstverständlich
ist und deshalb keiner besonderen Offenbarung bedarf, sondern "mitgelesen"
wird. Die Einbeziehung von Selbstverständlichem erlaubt jedoch keine
Ergänzung der Offenbarung durch das Fachwissen, sondern dient, nicht
anders als die Ermittlung des Wortsinns eines Patentanspruchs, lediglich
der vollständigen Ermittlung des Sinngehalts, d.h. derjenigen technischen
Information, die der fachkundige Leser der Quelle vor dem Hintergrund seines
Fachwissens entnimmt (Fortführung von BGHZ 128, 270 - Elektrische
Steckverbindung).
c) Mit der Offenbarung einer chemischen Strukturformel sind die unter diese
Formel fallenden Einzelverbindungen grundsätzlich noch nicht offenbart
(Fortführung von BGHZ 103, 150 - Fluoran).
BGH, Urt. v. 16. Dezember 2008 - X ZR 89/07 - Bundespatentgericht
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 16. Dezember 2008 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Melullis,
die Richterin Mühlens und die Richter Prof. Dr. Meier-Beck, Asendorf und
Gröning

für Recht erkannt:
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des 3. Senats (Nichtigkeitssenats ) des Bundespatentgerichts vom 4. Juni 2007 abgeändert. Die Klage wird abgewiesen.
Die Gerichtskosten des Rechtsstreits und die außergerichtlichen Kosten der Beklagten haben die Klägerinnen und die Streithelferinnen der Klägerin zu 1 zu tragen. Ihre eigenen außergerichtlichen Kosten tragen die Klägerinnen und die Streithelferinnen jeweils selbst. Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Die Beklagte ist Inhaberin des am 24. April 1991 unter Inanspruchnahme einer britischen Priorität vom 25. April 1990 angemeldeten und mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 454 436, das 22 Patentansprüche umfasst, von denen die Ansprüche 2, 6, 8, 20 und 21 wie folgt lauten: 2. 2-Methyl-10-(4-methyl-1-piperazinyl)-4H-thieno[2,3-b][1,5]benzodiazepine or a pharmaceutically acceptable acid addition salt thereof.
6. The use of a compound according to claim 2 or 3 for the manufacture of a medicament for the treatment of schizophrenia.
8. The use of a compound according to claim 2 or 3 for the manufacture of a medicament for the treatment of acute mania.
20. A process for producing a compound according to claim 1, which comprises
(a) reacting N-methylpiperazine with a compound of the formula
in which Q is a radical capable of being split off, or
(b) ring-closing a compound of the formula

21. A compound of the formula

in which Q is -NH2, -OH or -SH, and when Q is -NH2 salts thereof.
2
Wegen des Wortlauts der übrigen Patentansprüche wird auf die Streitpatentschrift verwiesen.
3
Die Klägerinnen machen geltend, der Gegenstand des Streitpatents sei nicht patentfähig.
4
Das Patentgericht hat das Streitpatent mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland für nichtig erklärt.
5
Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten, mit der sie den Antrag auf Abweisung der Klage weiterverfolgt.
6
Die Klägerinnen sowie die Streithelferinnen der Klägerin zu 1, die dem Verfahren im zweiten Rechtszug beigetreten sind, treten dem Rechtsmittel entgegen.
7
Als gerichtlicher Sachverständiger hat Professor Dr. Michael Müller, Inhaber des Lehrstuhls für Pharmazeutische und Medizinische Chemie an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg, in der mündlichen Verhandlung ein Gutachten erstattet.

Entscheidungsgründe:


8
Die zulässige Berufung hat Erfolg und führt zur Abweisung der Klage. Das Patentgericht hat das Streitpatent zu Unrecht für nichtig erklärt.
9
I. Das Streitpatent betrifft (in der vom Patentgericht und den Parteien verwendeten Nomenklatur) die Verbindung 2-Methyl-4-(4-methyl-1-piperazinyl )-10H-thieno[2,3-b][1,5]benzodiazepin mit dem Freinamen Olanzapin, ihre Verwendung als Arzneimittel insbesondere als Antipsychotikum zur Behandlung von Schizophrenie und akuter Manie und ein Verfahren zur Herstellung dieser Verbindung.
10
Die Streitpatentschrift schildert, dass seit der Einführung von Antipsychotika zur Behandlung von Störungen des Zentralnervensystems therapiebedingte extrapyramidale Symptome (Störungen der extrapyramidalen motorischen Nebenbahnen des zentralen Nervensystems) beobachtet würden, zu denen Parkinsonismus , akute dystonische Reaktionen, Akathisie, tardive Dyskenisie und tardive Dystonie gehörten. Starke extrapyramidale Symptome träten etwa bei dem häufig angewandten Haloperidol auf.
11
Aus der großen Gruppe trizyklischer Verbindungen sei Clozapin mit dem Anspruch eingeführt worden, frei von solchen extrapyramidalen Wirkungen zu sein. Die Verbindung verursache jedoch bei einigen Patienten Agranulozytose, eine lebensbedrohliche Verringerung der Zahl weißer Blutkörperchen. Die Strukturformel von Clozapin ist die Folgende:
12
Die Streitpatentschrift erörtert sodann eine Gruppe von Thienobenzodiazepinen , die im britischen Patent 1 533 235 (Anl. K 2) beschrieben sei. Die Verbindung 7-Fluor-2-methyl-10-(4-methyl-a-piperazinyl)-4H-thieno[2,3-b][1,5]- benzodiazepin (Flumezapin) aus dieser Gruppe sei bis zur klinischen Anwendung an Schizophreniepatienten entwickelt worden. Jedoch habe die klinische Phase wegen mögliche Toxizität anzeigender erhöhter Enzymgehalte beendet werden müssen. Hinsichtlich der Tendenz zu einem erhöhten Leberenzymgehalt ähnele Flumezapin dem Antipsychotikum Chlorpromazin, das seit längerem verwandt werde, dessen Sicherheit jedoch in Frage gestellt sei.
13
Flumezapin hat die Strukturformel:
14
Aus dieser Kritik am Stand der Technik und der vorgeschlagenen Lösung ergibt sich als das mit den Mitteln des Streitpatents zu lösende technische Problem, eine weitere Verbindung zur Verfügung zu stellen, die als Antipsychotikum wirksam ist, keine extrapyramidalen Symptome erzeugt und in möglichst wenigen Fällen andere gravierende Nebenwirkungen hat.
15
Dieses Problem soll durch die Verbindung Olanzapin mit der folgenden Strukturformel gelöst werden:
16
Olanzapin hat somit wie Clozapin und Flumezapin eine trizyklische Grundstruktur mit einem zentralen Diazepinring (B) und einem ("linken") Phenylring (A); der dritte ("rechte") Ring (C), der bei Clozapin wie der linke ein Phenylring ist, wird bei Olanzapin wie bei Flumezapin durch einen Thiophenring mit einem Methylrest (Thienylring) gebildet. Wie bei Clozapin und Flumezapin ist an den Diazepinring in Position 4 ein Piperazinring mit einem an das Stickstoffatom bindenden Methylrest (Piperazinylring) angebunden. Anders als Clozapin und Flumezapin ist der Phenylring (A) bei Olanzapin weder in Position 7 noch in Position 8 halogeniert.
17
Nach den Angaben der Streitpatentschrift hat Olanzapin überraschende und exzellente Ergebnisse bei Screeningtests zur Untersuchung der Aktivität im zentralen Nervensystem gezeigt. Die Verbindung habe sich als wirksamer Dopamin -Antagonist erwiesen und bei der klinischen Evaluierung bei - mit geringerem Nebenwirkungsrisiko verbundenen - niedrigen Dosierungen hohe antipsychotische Wirkung gezeigt.
18
II. Das Patentgericht hat angenommen, der Gegenstand der Patentansprüche 1 bis 9 sei nicht neu, da durch den Aufsatz "4-Piperaninyl-10Hthieno [2,3-b][1,5]benzodiazepines as Potential Neuroleptics" von Chakrabarti et al in Journal of Medicinal Chemistry (J. Med. Chem.) 1980, 878 (Anl. K 4, Chakrabarti 1980) vorweggenommen. Dies hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Der Gegenstand der (Olanzapin und seine Säureadditionssalze betreffenden ) Patentansprüche 1 bis 3 ist weder durch die Entgegenhaltung Chakrabarti 1980 noch sonst im Stand der Technik offenbart.
19
1. Zur Begründung seiner Auffassung hat das Patentgericht ausgeführt :
20
Die chemische Verbindung 2-Methyl-4-(4-methyl-1-piperazinyl)-10Hthieno [2,3-b][1,5]benzodiazepin sei in K 4 zwar nicht expressis verbis beschrieben. Der Offenbarungsgehalt einer vorveröffentlichten Druckschrift umfasse aber auch solche Abwandlungen, die nach dem Gesamtzusammenhang der Schrift für den Fachmann derart naheliegen, dass sie sich ihm bei aufmerksamer , weniger auf die Worte als ihren erkennbaren Sinn achtenden Lektüre ohne weiteres erschließen, so dass er sie gewissermaßen in Gedanken gleich mitliest , auch wenn er sich dessen nicht bewusst ist. Diese Grundsätze der höchstrichterlichen Rechtsprechung (BGHZ 128, 270, 276 f. - Elektrische Steckverbindung ) seien auch im Bereich der Stoffchemie mit der Maßgabe anzuwenden, dass eine chemische Verbindung dann offenbart sei, wenn dem Fachmann ein konkreter Hinweis auf die betreffende Verbindung vermittelt werde, er also diese Verbindung in Gedanken ohne weiteres mitlese und aufgrund dieses Hinweises ohne weiteres in die Lage versetzt werde, den betreffenden Stoff in die Hand zu bekommen (BGHZ 103, 150 - Fluoran; Sen.Urt. v. 30.5.1978 - X ZR 16/76, GRUR 1978, 696 - α-Aminobenzylpenicillin).
21
Bei der Druckschrift K 4 handele es sich um eine wissenschaftliche Abhandlung , die sich ausweislich ihres Titels mit 4-Piperazinyl-10H-thieno[2,3-b] [1,5]benzodiazepinen als potentiellen Neuroleptika befasse. Das Potential dieser Titelverbindungen zur Anwendung als neuroleptische Wirkstoffe werde exemplarisch anhand von Versuchen mit insgesamt 45 Verbindungen am Tier aufgezeigt und außerdem mit Verbindungen davon zum Teil erheblich abweichender Struktur sowie mit als therapeutisch wirksam anerkannten Standardverbindungen verglichen. Im Textteil setze sich die Druckschrift im Wesentlichen mit der Beziehung zwischen Struktur und Wirkung (structure-activity relationship , SAR) von 4-Piperazinyl-10H-thieno[2,3-b][1,5]benzodiazepinen auseinander ; daneben werde auch deren chemische Synthese beschrieben.
22
Ausgehend von der bereits im Titel benannten Verbindungsgruppe werde der Leser zu der erheblich enger gefassten, besonders bevorzugten pharmakologischen Leitstruktur der Formel I mit ihren beiden variablen Resten R1 und R2, dem eigentlichen Ziel der Studie, hingeführt (S. 878 re. Sp. unten i. V. m. S. 879 re. Sp. "4'-(N-Methylpiperazinyl) compounds are most active"). Tatsächlich stünden damit nicht 4-Piperazinyl-10H-thieno[2,3-b][1,5]benzodiazepine allgemein , sondern speziell die 4'-(N-Methylpiperazinyl)-10H-thieno[2,3b] [1,5]benzodiazepine der Formel I mit den beiden variablen Resten R1 und R2 im Fokus der SAR-Studie. Der aufmerksame Leser könne deshalb auch nicht diejenigen Textstellen übersehen, in denen ausgehend von der vorangestellten Textstelle "4'-(N-Methylpiperazinyl) compounds are most active" zum Rest R1 der Formel I festgestellt werde, dass die Substitution des Phenylrings in Position 7, d.h. der Ersatz des Wasserstoffatoms in 7-Position durch ein Halogenatom (Cl, F) die Aktivität verbessere. Zum variablen Rest R2 werde des Weiteren ausgeführt, dass ein kurzkettiger Alkylrest (Me, Et, i-Pr) als Substituent in Position 2 des Thiophenrings die Aktivität zu erhöhen scheine. Diese Aussagen zur Relation zwischen Struktur und Wirkung (SAR) innerhalb der Gruppe der 4' (N-Methylpiperazinyl)-10H-thieno[2,3-b][1,5]benzodiazepine der Formel I ba- sierten auf den Messwerten am Tier betreffend die Verbindungen der Tabelle 1, soweit sich diese auf die Formel I bezögen (Verbindungen 6 bis 30), in denen für R1 in 7-Position u.a. H, Cl, F und für R2 in 2-Position H, Me, Et, i-Pr stünden.
23
Die Offenbarung zu den Verbindungen der Formel I beschränke sich damit ersichtlich nicht auf die expressis verbis genannten Verbindungen 6 bis 30. Vielmehr stünden die aufgelisteten Verbindungen lediglich exemplarisch für sämtliche, unter Berücksichtigung der verschiedenen Bedeutungen der Reste R1 und R2 unter die allgemeine Formel I fallenden Verbindungen mit der Konsequenz , dass die stoffliche Lehre der K 4 sämtliche Verbindungen der Formel I einbeziehe, die sich aus der Kombination von in der Beschreibung oder in der Tabelle explizit genannten Substituenten R1 und R2 zwanglos ergäben, und zwar davon insbesondere diejenigen, die den exemplarisch tatsächlich hergestellten und auf ihre neuroleptische Aktivität hin untersuchten Verbindungen strukturell unmittelbar benachbart seien. Darüber hinaus werde anhand der Beschreibung aus dem stofflich und zahlenmäßig überschaubaren Kollektiv von Verbindungen der Formel I mit den beiden variablen Resten R1 und R2, das in der Tabelle 1 exemplarisch anhand der Verbindungen 6 bis 30 dargestellt sei, insbesondere jene sehr kleine Gruppe von Verbindungen näher identifiziert, deren Gruppenmitglieder in 7-Position Wasserstoff, Fluor oder Chlor und in 2Position Wasserstoff, Methyl, Ethyl oder Isopropyl aufwiesen, und dadurch gegenüber anderen Verbindungen der Formel I sowie der Tabelle 1 deutlich hervorgehoben. Aus dieser sehr kleinen Gruppe von lediglich zwölf Verbindungen stelle 2-Methyl-4-(4-methyl-1-piperazinyl)-10H-thieno[2,3-b][1,5]benzodiazepin damit eine bereits aus der K 4 unmittelbar zu entnehmende Ausführungsform der pharmakologischen Leitstruktur der allgemeinen Formel I mit der Bedeutung R1 = Wasserstoff in 7-Position und R2 = Methyl in 2-Position dar. Beide Substituenten seien als individuelle Substituenten expressis verbis genannt und in der Kombination 7-H, 2-CH3 als unmittelbar benachbart zu gleich drei expressis verbis beschriebenen Verbindungen, nämlich Nr. 6 (7-H, 2-C2H5), Nr. 8 (7-F, 2-
H) sowie Nr. 9 (7-F, 2-CH3) ohne Weiteres mitzulesen. Zwischen diesen drei unmittelbar benachbarten Verbindungen finde sich quasi eine durch die Verbindung 2-Methyl-4-(4-methyl-1-piperazinyl)-10H-thieno[2,3-b][1,5]benzodiazepin aufzufüllende Lücke oder, photographisch betrachtet, das "Negativ" dieser Verbindung , welches es lediglich zu kopieren gelte.
24
Damit hat das Patentgericht den Bereich des durch Chakrabarti 1980 Offenbarten verkannt.
25
2. Die Beurteilung, ob der Gegenstand eines Patents durch eine Vorveröffentlichung neuheitsschädlich getroffen ist, erfordert die Ermittlung des Gesamtinhalts der Vorveröffentlichung. Maßgeblich ist, welche technische Information dem Fachmann offenbart wird. Der Offenbarungsbegriff ist dabei kein anderer, als er auch sonst im Patentrecht zugrunde gelegt wird (Sen.Urt. v. 16.12.2003 - X ZR 206/98, GRUR 2004, 407, 411 - Fahrzeugleitsystem; Benkard /Melullis, EPÜ, Art. 54 Rdn. 54; PatG, 10. Aufl., § 3 Rdn. 20 f.). Zu ermitteln ist deshalb nicht, in welcher Form der Fachmann etwa mit Hilfe seines Fachwissens eine gegebene allgemeine Lehre ausführen kann oder wie er diese Lehre gegebenenfalls abwandeln kann, sondern ausschließlich, was der Fachmann der Vorveröffentlichung als den Inhalt der gegebenen (allgemeinen) Lehre entnimmt. In der Rechtsprechung des Senats und der Beschwerdekammern des Europäischen Patentamts wird dies auch dahin ausgedrückt, dass maßgeblich ist, was aus fachmännischer Sicht einer Schrift "unmittelbar und eindeutig" zu entnehmen ist (BGHZ 148, 383, 389 - Luftverteiler; Sen.Urt. v. 14.10.2003 - X ZR 4/00, GRUR 2004, 133, 135 - Elektronische Funktionseinheit; Sen.Urt. v. 30.1.2008 - X ZR 107/04, GRUR 2008, 597 Tz. 17 - Betonstraßenfertiger; EPA (GrBK) Amtsbl. 2001, 413 = GRUR Int. 2002, 80; EPA GRUR Int. 2008, 511 - Traction sheave elevator/KONE; s. dazu auch Benkard/Melullis, EPÜ aaO Rdn. 59; Rogge, GRUR 1996, 931, 934).
26
Hierzu steht es nicht in Widerspruch, dass der Senat insbesondere im Hinblick auf den Zweck der (gesonderten) Neuheitsprüfung, Doppelpatentierungen zu vermeiden, eine Ausdehnung des neuheitsschädlich Offenbarten über den "reinen Wortlaut" hinaus für unabdingbar gehalten hat (BGHZ 128, 270, 277 - Elektrische Steckverbindung). Die Erfassung desjenigen, was in den Merkmalen des Patentanspruchs und im Wortlaut der Beschreibung nicht ausdrücklich erwähnt, aus der Sicht des Fachmanns jedoch nach seinem allgemeinen Fachwissen für die Ausführung der unter Schutz gestellten Lehre selbstverständlich oder unerlässlich ist und deshalb keiner besonderen Offenbarung bedarf (BGHZ 128, 270, 276), zielt nicht auf eine Ergänzung der Offenbarung durch das Fachwissen, sondern, nicht anders als bei der Ermittlung des Wortsinns eines Patentanspruchs, auf die Ermittlung des Sinngehalts, d.h. derjenigen technischen Information, die der fachkundige Leser der jeweiligen Quelle vor dem Hintergrund seines Fachwissens entnimmt (Benkard/Melullis aaO Rdn. 75). Nichts anderes gilt für die in der Entscheidung "Elektrische Steckverbindung" weiterhin in den Offenbarungsgehalt einbezogenen Abwandlungen, die nach dem Gesamtzusammenhang der Schrift für den Fachmann derart naheliegen , dass sie sich ihm bei aufmerksamer, weniger auf die Worte als ihren erkennbaren Sinn achtenden Lektüre ohne weiteres erschließen, so dass er sie gewissermaßen in Gedanken gleich mitliest, auch wenn er sich dessen nicht bewusst ist (BGHZ 128, 270, 276 f.). Das Wort "naheliegen" mag in diesem Zusammenhang vordergründig auf den Äquivalenzbereich hinweisen. Der Begriff des Mitlesens macht jedoch deutlich, dass es nicht um die Einbeziehung von Austauschmitteln geht, sondern darum, die technische Information, die der Fachmann durch eine Schrift erhält, in ihrer Gesamtheit zu erfassen (vgl. Rogge , GRUR 1996, 931, 935). Abwandlungen und Weiterentwicklungen dieser Information gehören ebenso wenig zum Offenbarten wie diejenigen Schlussfolgerungen , die der Fachmann kraft seines Fachwissens aus der erhaltenen technischen Information ziehen mag (Benkard/Melullis, EPÜ, aaO Rdn. 68, 71, 77; PatG, aaO Rdn. 35 f.; Busse/Keukenschrijver, PatG, 6. Aufl., § 3 Rdn. 100).
27
Diese Grundsätze gelten, wie das Patentgericht insoweit zutreffend angenommen hat, auch im Bereich der Stoffchemie und insbesondere auch bei der Beurteilung des Informationsgehalts einer Strukturformel. Dass eine chemische Verbindung unter eine vorveröffentlichte Formel fällt, besagt deshalb für die Offenbarung der konkreten Verbindung ebenso wenig wie der Umstand, dass die konkrete Ausführungsform einer Vorrichtung unter einen allgemein formulierten Vorrichtungsanspruch fällt, etwas über die Offenbarung dieser konkreten Ausführungsform aussagt (BGHZ 103, 150, 157 - Fluoran). Maßgeblich ist vielmehr, ob die konkrete Verbindung offenbart wird. Dazu bedarf es Angaben , die den Fachmann ohne weiteres in die Lage versetzen, die eben diese chemische Verbindung betreffende Erfindung auszuführen, d.h. den betreffenden Stoff in die Hand zu bekommen (BGH aaO).
28
Hierbei darf, wiederum nicht anders als bei Vorrichtungspatenten, die Fähigkeit des Fachmanns, mit Hilfe bekannter Verfahren und seines sonstigen Fachwissens eine mehr oder weniger große Anzahl von Einzelverbindungen herzustellen, die unter eine offenbarte Strukturformel fallen, nicht mit der Offenbarung dieser Einzelverbindungen gleichgesetzt werden (Sen.Urt. v. 30.9.1999 - X ZR 168/96, GRUR 2000, 296, 297 - Schmierfettzusammensetzung). Vielmehr stellen die Einzelverbindungen, jedenfalls regelmäßig, Nutzanwendungen der technischen Information dar, die dem Fachmann durch die Offenbarung der Strukturformel oder sonst einer allgemeineren Formel gegeben wird. Durch deren Mitteilung sind die darunter fallenden einzelnen Verbindungen als solche nicht offenbart; um sie dem Fachmann im Sinne der Neuheitsprüfung "in die Hand zu geben", bedarf es in der Regel weitergehender Informationen insbesondere zu ihrer Individualisierung. Soweit der noch zum Patentgesetz 1968 ergangenen Entscheidung "Fluoran", in der der Senat sich im Rechtsbeschwerdeverfahren an die Feststellung des Patentgerichts gebunden gesehen hat, dem Fachmann seien durch eine allgemeine Formel fast 2000 unter die betreffende Formel fallende Einzelverbindungen als herstellbar offenbart, etwas an- deres zu entnehmen sein sollte, wird daran für das geltende Recht nicht festgehalten. Als offenbart kann eine nicht ausdrücklich genannte Einzelverbindung vielmehr nur dann gelten, wenn der Fachmann sie im vorstehend ausgeführten Sinne "mitliest", etwa weil sie ihm als die übliche Verwirklichungsform der genannten allgemeinen Formel geläufig ist und sich ihm daher sofort als jedenfalls auch gemeint aufdrängt, wenn er die allgemeine Formel liest.
29
Der Senat sieht sich mit dieser allgemeinen Beurteilung des Offenbarungsgehalts chemischer Formeln im Wesentlichen in Einklang mit der - auch vom High Court für England und Wales (Floyd J.) in dem das Streitpatent betreffenden Nichtigkeitsverfahren zugrunde gelegten ([2008] EWHC 2345 (Pat)) - Rechtsprechung der Beschwerdekammern des Europäischen Patentamts , nach der nur solche technische Lehren neuheitsschädlich sind, die einen Stoff als zwangsläufiges Ergebnis eines vorbeschriebenen Verfahrens oder in spezifischer, d.h. individualisierter, Form offenbaren (Amtsbl. 1982, 296 - Diastereomere/BAYER; Amtsbl. 1984, 401 - Spiroverbindungen/CIBA GEIGY; Amtsbl. 1988, 381 - Xanthines/DRACO; Amtsbl. 1990, 195 - Enantiomere /HOECHST; Entscheidung vom 19.2.2003 - T 940/98 - Diastereomere des 3Cephem -4-carbonsäure-1-(isopropoxycarbonyloxy)ethylesters/HOECHST).
30
3. Für den Streitfall folgt hieraus:
31
Chakrabarti 1980 gibt mit der nachfolgend wiedergegebenen Formel I auf S. 878 unten eine Strukturformel für 4'-(N-Methylpiperazinyl)-10H-thieno[2,3b ][1,5]benzodiazepine mit den Substituenten R1 und R2 an.
Es kann offenbleiben, ob diese Formel, obwohl die Schrift keine aus32 drücklichen Substituentenlisten enthält, aufgrund der in Tabelle 1 aufgeführten, von den Verfassern tatsächlich verwendeten Substituenten als sogenannte Markush-Formel gelesen werden kann, bei der R1 Wasserstoff, Fluor oder Chlor und R2 Wasserstoff, Methyl, Ethyl oder Isopropyl sein kann. Denn die erfindungsgemäße Verbindung 2-Methyl-4-(4-methyl-1-piperazinyl)-10H-thieno [2,3b ][1,5]benzodiazepin, bei der R1 Wasserstoff und R2 Methyl ist, ist damit noch nicht offenbart. Sie ist lediglich eine von zwölf Verbindungen, die der Fachmann , ein mit Pharmakologen und Medizinern zusammenarbeitender erfahrener organischer oder pharmazeutischer Chemiker, bei der gedanklichen Aufstellung der Substituentenlisten als unter die allgemeine Formel fallend erkennen kann. Sie ist aber weder in Tabelle 1 der Schrift als von den Verfassern hergestellte Einzelverbindung aufgeführt, noch im Text der Abhandlung an irgendeiner Stelle erwähnt.
33
Es lässt sich auch nicht sagen, dass der Fachmann die individuelle Verbindung gleichwohl "mitlese". Das würde voraussetzen, dass sich dem Fachmann beim Lesen der Strukturformel und der (gedachten) Substituentenlisten sogleich die Verbindung 2-Methyl-4-(4-methyl-1-piperazinyl)-10H-thieno[2,3-b] [1,5]benzodiazepin als gemeint aufdrängt. Dafür gibt es weder im Vorbringen der Parteien einen Anhalt, noch haben hierfür die erst- und die zweitinstanzliche Beweisaufnahme etwas erbracht.
34
Die Erwägungen des Patentgerichts tragen diese Annahme ebenfalls nicht. Sie befassen sich, ausgehend von der Formel I und dem Hinweis "4'-(NMethylpiperazinyl ) compounds are most active" mit der Frage, inwieweit der Fachmann Veranlassung hat, sich außer den hergestellten und diskutierten Einzelverbindungen auch mit 2-Methyl-4-(4-methyl-1-piperazinyl)-10H-thieno [2,3-b][1,5]benzodiazepin zu befassen. Das Patentgericht sieht dies deshalb als veranlasst an, weil die Substituenten R1 = H in 7-Position und R2 = CH3 in 2- Position als individuelle Substituenten expressis verbis genannt und in der Kombination 7-H, 2-CH3 unmittelbar benachbart zu gleich drei ausdrücklich beschriebenen Verbindungen, nämlich Nr. 6 (7-H, 2-C2H5), Nr. 8 (7-F, 2-H) sowie Nr. 9 (7-F, 2-CH3) seien. Damit hat das Patentgericht jedoch den Bereich der Ermittlung der Offenbarung der Vorveröffentlichung verlassen und sich der Frage zugewandt, was den Fachmann dazu veranlassen (oder möglicherweise auch drängen) könnte, eine weitere "Ausführungsform" der in Formel I definierten Gruppe von 4'-(N-Methylpiperazinyl)-10H-thieno[2,3-b][1,5]benzodiazepinen in den Blick zu nehmen und damit, wie es das Patentgericht ausgedrückt hat, eine "Lücke" in der Tabelle 1 der Schrift zu füllen. Eine solche Untersuchung ist indessen der Prüfung auf erfinderische Tätigkeit vorbehalten.
35
Dass sich das Patentgericht bei seiner Untersuchung außerhalb des Offenbarungsgehalts der Veröffentlichung bewegt, wird auch daran deutlich, dass sich die Füllung der vermeintlichen Lücke in Tabelle 1 gar nicht bewerkstelligen ließe, ohne die Verbindung 2-Methyl-4-(4-methyl-1-piperazinyl)-10H-thieno[2,3b ][1,5]benzodiazepin zunächst herzustellen und sodann mit ihr diejenigen Versuche auszuführen, die die Verfasser der Abhandlung mit den von ihnen synthetisierten Verbindungen durchgeführt haben. Denn über die in der Tabelle ausgewiesenen experimentellen Werte wie die CAR- und CAT-Werte für Olanzapin könnte der Fachmann nur spekulieren.
36
4. Ebenso wenig ist Olanzapin in der britischen Patentschrift 1 533 235 (Anl. K 2), der dieser Patentschrift zugrunde liegenden Anmeldung 51 240 (Anl. K 35) oder einer der weiteren, auf diese Prioritätsanmeldung zurückgehenden Patentanmeldungen und Patentschriften (der deutschen Offenlegungsschrift 25 52 403 [Anl. RA 1], dem deutschen Patent 25 52 403 [Anl. RA 2 = Anl. N 10] und dem US-Patent 4 115 574 [Anl. K 10]) offenbart. Die in diesen Vorveröffentlichungen enthaltenen allgemeinen Formeln sind jeweils noch weit breiter gefasst als in der Abhandlung Chakrabarti 1980; 2-Methyl-4-(4- methyl-1-piperazinyl)-10H-thieno[2,3-b][1,5]benzodiazepin ist weder hergestellt noch sonst erwähnt worden.
37
Nichts anderes gilt, soweit die britische Patentanmeldung als "preferred compounds falling within the scope of compounds defined in any of formulae (I) - (VII) above … those having one or more of the following charakterictics" erwähnt und unter den insgesamt 14 "Charakteristika" unter (J) die Strukturformeln II oder V, von denen die Formel II das Ringsystem von Olanzapin mit den Substituenten R1 und R2 des Benzolrings und den Substituenten R5 des Diazepinrings aufweist, (E) R1 und R2 mit Wasserstoff,
(I)
R5 als eine Gruppe der Formel N N – R6 wobei R6 Methyl, Carbothoxy oder Phenyl, insbesondere oMethoxyphenyl ist, (K) den Thiophenring als durch eine C1-4-Alkylgruppe wie Ethyl substituiert angibt. Kombiniert man diese "Charakteristika", ist zwar Olanzapin eine der unter diese Kombination fallenden Verbindungen. Dies ändert aber nichts daran, dass die Verbindung als solche nicht offenbart ist und erst erhalten wird, wenn nicht nur die "Charakteristika" J, E, I und K kombiniert werden, sondern auch bei I und K jeweils Methyl ausgewählt wird. Entsprechend verhält es sich bei den Patentansprüchen 2 und 3 des deutschen Patents 25 52 403, die auf Thieno [1,5]benzodiazepine der allgemeinen Formel I' nach Anspruch 1 gerichtet sind, worin R1 und R2 unabhängig voneinander jeweils Wasserstoff, Halogen oder C1-4-Halogenalkyl bedeuten und Y (richtig: R5) eine Gruppe der Formel N N – R6 ist, wobei R6 Methyl bedeutet, und der Thiophenring durch eine C1-4-Alkylgruppe substituiert ist.
38
Auch die Erwähnung von 2-Ethyl-4-(4-methyl-1-piperazinyl)-10Hthieno [2,3-b][1,5]benzodiazepin ("Ethyl-Olanzapin") als erste der für "besonders bevorzugte Verbindungen" genannten mehr als 70 Beispiele (GB 51 240 A, S. 8 Z. 20; DE 25 52 403 C2 S. 7 Z. 15-17) ändert daran nichts. Ein EthylSubstituent ist aus fachmännischer Sicht kein Methyl-Substituent; der Austausch einer Alkylgruppe gegen eine andere ist vielmehr eine Abwandlung der Verbindung, die gegebenenfalls naheliegen oder sich auch geradezu aufdrängen mag, aber nicht Inhalt der Offenbarung einer bestimmten Alkylverbindung ist. Dies gilt zumal im pharmazeutischen Kontext, in dem dem Fachmann, wie der Gutachter Prof. Dr. Dannhardt der Beklagten unwidersprochen dargelegt hat (Anl. B 51, S. 4) und das Gutachten bestätigt, das Prof. Dr. Dr. Mutschler für die Streithelferin zu 2 der Klägerin zu 1 erstattet hat (Anl. RA 3, S. 2 f.), eine Reihe von Verbindungen bekannt sind, die trotz identischer Struktur aufgrund ihrer unterschiedlichen Methyl- bzw. Ethylseitenketten deutlich unterschiedliche biologische Aktivität zeigen.
39
5. Schließlich ist Olanzapin auch nicht in der Abhandlung "A FreeWilson Study of 4-Piperazinyl-10H-thienobenzodiazepine Analogues" von Schauzu und Mager (Pharmazie 38 [1983], 562, Anl. K 6) offenbart.
40
Bei einer Free-Wilson-Analyse handelt es sich um ein mathematisches Verfahren zur Ermittlung des quantitativen Gewichts, das ein einzelner Substituent einer Verbindung an einer gegebenen biologischen Aktivität dieser Verbindung hat.
41
In Tabelle 1 der Abhandlung sind zwar für die analysierte Verbindung 11 als Substituenten R1 und R2 Wasserstoff und Methyl genannt. Die der Tabelle vorangestellte Strukturformel zeigt jedoch keine Piperazinyl-, sondern Piperidinylverbindungen. Es besteht somit ein Widerspruch zwischen Strukturformel und Titel der Arbeit. Der Fachmann wird zumindest aus diesem Grund die in der Arbeit von Schauzu und Mager zitierte Referenz für die zugrunde gelegten experimentellen Daten zu Rate ziehen. Dabei handelt es sich um die Arbeit "Effects of Conformationally Restricted 4-Piperazinyl-10H-thienobenzodiazepine Neuroleptics on Central Dopaminergic and Cholinergic Systems" von Chakrabarti et al. in J. Med. Chem. 1982, 1133 (Anl. B 41, Chakrabarti 1982). Dieser Abhandlung ist auf S. 1135 die - dem Titel der Arbeit von Schauzu entsprechende - Strukturformel für die untersuchten 4-Piperazinyl-10H-thienobenzodiazepine zu entnehmen. Die Verbindungen 1 bis 12 sowie die Vergleichsverbindungen Clozapin und Haloperidol sind - in anderer Reihenfolge - identisch mit den von Schauzu analysierten; die experimentellen IC50-Werte bei Chakrabarti 1982 entsprechen, wie die Beklagte unwidersprochen dargetan hat, (bis auf zwei Rundungsfehler) umgerechnet den Werten in der Spalte "log I50 obtd." bei Schauzu. Aus fachmännischer Sicht ergibt sich somit, dass die fehlerhafte Strukturformel bei Schauzu in Übereinstimmung mit der Strukturformel bei Chakrabarti 1982 zu korrigieren ist.
42
Die Strukturformel in Tabelle 1 bei Chakrabarti 1982 zeigt aber auch, dass der linke Phenylring einen Halogensubstituenten in Gestalt eines 7-Fluorrestes trägt, der bei der ohnehin fehlerhaften Darstellung bei Schauzu am linken Rand der Textspalte "abgeschnitten" ist. Die als Nr. 11 bei Schauzu offenbarte Verbindung ist somit nicht Olanzapin, sondern Flumezapin.
43
III. Verhandlung und Beweisaufnahme haben auch keine zureichenden tatsächlichen Anhaltspunkte dafür ergeben, dass der Gegenstand des Streitpatents dem Fachmann am Prioritätstag durch die Schrift Chakrabarti 1980 oder auf andere Weise nahegelegt war.
44
1. Von Chakrabarti und seinen Mitautoren wird dargelegt, dass bis vor kurzem angenommen worden sei, das Auftreten extrapyramidaler Nebenwirkungen stehe in engem Zusammenhang mit der therapeutischen Wirksamkeit von Neuroleptika. Inzwischen gehe man jedoch davon aus, dass die extrapyramidalen Symptome durch eine Blockade der Dopaminrezeptoren im Striatum hervorgerufen werde, während die antipsychotische Wirkung durch eine ähnliche Interaktion in der mesolimbischen Hirnregion bedingt sei. Daraus wird die Erwartung abgeleitet, dass eine Verbindung mit einer spezifischeren Wirkung auf die dopaminergen Rezeptoren im mesolimbischen System eine geringere Katalepsie bei Tieren bewirken und auch beim Menschen weniger extrapyramidale Symptome hervorrufen werde.
45
Es werden sodann die mit Clozapin gemachten Erfahrungen erörtert. In diesem Zusammenhang heißt es, jüngste Studien deuteten darauf hin, dass Clozapin - wie nach dem Vorstehenden wünschenswert - im mesolimbischen System aktiver als im striatalen sei. Clozapin unterscheide sich chemisch von anderen Neuroleptika der Dibenzozepinreihe durch eine Substitution mit einem Chloratom in Position 8 (Ring A), jedoch nicht in Position 2 (Ring C). Hingegen verhalte sich sein Ring-C-substituiertes 2-Chlor-Isomer wie ein klassisches Neuroleptikum. Ähnliche Veränderungen des Aktivitätsprofils seien auch für Oc- toclothepin und Doclothepin berichtet worden. Für die tiefgreifende Veränderung der Aktivität durch die Transposition der Halogensubstitution gebe es keine eindeutige Erklärung.
46
Die Autoren bilden vor diesem Hintergrund die Hypothese, dass die Ursache für die unterschiedliche Aktivität darin liegen könne, dass die Verschiebung der nuklearen Substitution zu einem elektronischen Ungleichgewicht zwischen den beiden Benzolringen des asymmetrischen trizyklischen Systems führe. Da ähnliche Effekte durch geeignete Heteroarengruppen an Stelle eines Benzolrings erzielt werden könnten, sei es interessant zu untersuchen, ob Verbindungen wie diejenigen der Formel I, bei der der Benzolring C durch einen relativ elektronenreichen Thiophenring ersetzt werde, zu einer ähnlichen biologischen Reaktion wie nicht-klassische Neuroleptika (wie Clozapin) führten.
47
Diesem Ziel dient die Synthese einer Reihe von 4-substituierten 10HThieno [2,3-b][1,5]benzodiazepinen und deren Vergleich mit bekannten Antipsychotika , über die nachfolgend berichtet wird. Dazu wird einleitend weiter erläutert , dass bei den synthetisierten Verbindungen Modifikationen an den Substituenten des Phenylrings und des Thiophenrings sowie geeignete Veränderungen der basischen Seitenkette vorgenommen worden seien, um den Zusammenhang zwischen Struktur und Aktivität zu untersuchen. Die neuroleptische Aktivität sei anhand der Fähigkeit beurteilt worden, bei Mäusen eine Hypothermie zu produzieren und bei Ratten eine konditionierte Vermeidungsreaktion (conditioned avoidance response, CAR) zu blockieren und eine Katalepsie (CAT) hervorzurufen.
48
Die insgesamt 59 synthetisierten Verbindungen und die für diese ermittelten CAR- und CAT-Werte werden in Tabelle 1 wiedergegeben und in dem Kapitel "Structure-Activity Relationships" diskutiert. Es wird dabei als (aufgrund der ermittelten Daten) evident bezeichnet, dass ein basischer und in Position 4 mit dem Thienobenzodiazepinring verbundener Piperanzinring unerlässlich sei.
Am aktivsten seien 4'-(N-Methylpiperazinyl)-Verbindungen. Eine höhere Alkylsubstitution (Et, n-Pr) (Verbindungen 31 bis 33) bewirke eine Reduktion der Aktivität. Dagegen behielten die Verbindungen 34 bis 36 mit 4'-[N-(Hydroxyalkyl)]- gruppen (2-Hydroxyethyl, 3-Hydroxypropyl) eine gute Aktivität. Die Substitution des Phenylrings mit einem Halogenatom (Cl, F) in Position 7 verstärkte die Aktivität. Obwohl die 7,8-Difluorverbindung (Verbindung 29) eine gute Aktivität behalten habe, zeigten die 8-Fluor- und 6,8-Difluor-Positionsisomerverbindungen (27 und 30) eine verminderte Aktivität. Das 8-Methyl-Derivat (28) weise eine mittlere Aktivität auf, wohingegen die Substitution in Position 7 mit NO2, SCH3, SO2CH3 und SO2N(CH3)2 (23 bis 26) keinen Vorteil ergeben habe. Eine kurze Alkylsubstitution (Me, Et, i-Pr) in Position 2 des Thiophenrings scheine die Aktivität zu erhöhen. Verbindungen mit einer sperrigen t-Bu-Gruppe oder einer langen n-Hexankette in dieser Position oder mit 3-Methyl- oder 2,3Dialkylsubstituenten zeigten nur eine minimale Aktivität. Von den beiden Umsetzungsprodukten , die durch Oxidation der Ethylseitenkette von Verbindung 12 entstanden seien, habe Verbindung 15 mit einer 1'-Hydroxylethylkette eine mittelmäßige Aktivität behalten, während die andere Verbindung (16) mit einer elektronenziehenden Acetylgruppe inaktiv gewesen sei.
49
Die berichteten Tests korrelierten mit der Fähigkeit der Verbindung, Dopaminrezeptoren zu blockieren. Einige Verbindungen, z.B. 9, 12, 17, 29 und 34, hätten sich als aktiver als Clozapin erwiesen und eine ähnliche, wenn auch weniger deutliche Trennung der Aktivität im CAR- und CAT-Test gezeigt. Dieses Aktivitätsprofil erfordere, so resümieren die Autoren, eine weitere Entwicklung dieser Klasse von Verbindungen.
50
2. Die Autoren finden somit grundsätzlich die Hypothese bestätigt oder jedenfalls nicht widerlegt, sondern eine weitere Untersuchung rechtfertigend , dass Verbindungen wie diejenigen der Formel I, bei der der Benzolring C durch einen relativ elektronenreichen Thiophenring ersetzt ist, zu einer ähnli- chen biologischen Reaktion wie Clozapin oder andere nicht-klassische Neuroleptika führen (können). Die Verbindungen 9 (= Flumezapin), 12, 17, 29 und 34 werden dafür ausdrücklich nur als Beispiele genannt. Da 4'-(N-Methylpiperazinyl )-Verbindungen als die aktivsten bezeichnet werden, mag dem Patentgericht in der Annahme gefolgt werden, dass der Fachmann, der der Frage nach einer Clozapin-Alternative weiter nachgehen will, Veranlassung hat, sich insbesondere diesen Verbindungen zuzuwenden. Gleichwohl liegt hierin ein erster nicht ganz selbstverständlicher Schritt, da er zum einen voraussetzt, dass der Fachmann überhaupt Chakrabarti 1980 zum Ausgangspunkt weiterer Bemühungen wählt, und zum anderen die Formel I auf S. 878 unten nur beispielhaft genannt wird ("such as I") und die linke Strukturformel in der Oberzeile der Tabelle 1 (zu der die synthetisierten Verbindungen 1-45 gehören) erheblich weiter ist und insgesamt 1.452 Verbindungen umfasst.
51
Diese erste Auswahlentscheidung kann auch nicht mit der Erwägung vernachlässigt werden, dass der Prüfung auf erfinderische Tätigkeit stets der nächstkommende Stand der Technik zugrunde zu legen wäre und dieser hier in den von Chakrabarti beschriebenen 4'-(N-Methylpiperazinyl)-Verbindungen oder gar einer bestimmten Verbindung aus dieser Gruppe läge. Ein solcher Vorrang des "nächstkommenden Standes der Technik" besteht nicht. Erst aus rückschauender Sicht wird erkennbar, welche Vorveröffentlichung der Erfindung am nächsten kommt und wie der Entwickler hätte ansetzen können, um zu der erfindungsgemäßen Lösung zu gelangen. Die Wahl des Ausgangspunktes bedarf daher der Rechtfertigung, die in der Regel in dem Bemühen des Fachmanns liegt, für einen bestimmten Zweck eine bessere Lösung zu finden, als sie der bekannte Stand der Technik zur Verfügung stellt.
52
Bei den 4'-(N-Methylpiperazinyl)-Verbindungen handelt es sich immer noch um eine relativ große Gruppe von Verbindungen, von denen 24 synthetisiert worden sind (Verbindungen 6 bis 30), die jedoch, schon wenn nur die in Tabelle 1 aufgeführten Substituenten berücksichtigt werden, insgesamt (11 x 11 =) 121 Verbindungen umfasst (vgl. Gutachten Prof. Dr. Kleemann [Anl. RA 5, S. 2] und Gutachten Prof. Dr. Ritter [Anl. RA 8, S. 3 f.]). Um 2-Methyl-4-(4-methyl1 -piperazinyl)-10H-thieno[2,3-b][1,5]benzodiazepin als einen Kandidaten für die Synthetisierung und weitere CAR- und CAT-Tests nahezulegen, bedürfte es daher zusätzlicher Hinweise, die dem Fachmann innerhalb der Gruppe der 4' (N-Methylpiperazinyl)-Verbindungen eine Eingrenzung der Kandidaten nach Kriterien erlauben, die 2-Methyl-4-(4-methyl-1-piperazinyl)-10H-thieno[2,3b ][1,5]benzodiazepin einschließen. Solche Hinweise zur Eingrenzung einer engeren Gruppe interessanter Verbindungen sind Chakrabarti 1980 auch zu entnehmen. Sie schließen jedoch Olanzapin nicht ein.
53
Die maßgeblichen Hinweise hat das Patentgericht bereits herausgearbeitet : Sie ergeben sich aus der Bewertung, dass die Substitution des Phenylrings mit einem Halogenatom (Cl, F) in Position 7 die Aktivität verstärkt habe, sowie aus dem vorsichtiger formulierten Hinweis, dass eine kurze Alkylsubstitution (Me, Et, i-Pr) in Position 2 des Thiophenrings die Aktivität zu erhöhen scheine. Der Fachmann wird damit zu den Verbindungen mit einem Halogenatom, namentlich einem Fluoratom, in Position 7 hingelenkt. Andere Substituenten in Position 7 werden als ungünstiger bezeichnet, lediglich von der Verbindung 29 mit dem Substituenten 7,8-F2 heißt es, dass er eine gute Aktivität behalten habe (CAR 3 [10], CAT 3 [25]; in eckigen Klammern ist die Dosierung in Milligramm pro Kilogramm Körpergewicht angegeben: der CAT-Wert wird somit erst bei dem 2,5 fachen der für den CAR-Wert 3 notwendigen Dosierung erreicht). Die Verbindungen mit nicht halogeniertem Benzolring (6 und 7) werden gar nicht erst erwähnt. Dass sie ähnlich der 7,8-Difluorverbindung wenigstens eine gute Aktivität zeigen, erschließt sich dem Fachmann nicht. Chakrabarti 1980 setzt dafür einen CAR-Wert von 3 voraus, wie sich außer an der Verbindung 29 auch daran zeigt, dass die als beispielhaft für mögliche interessante Verbindungen genannten sämtlich einen CAR-Wert von 3 oder 4 (sowie ein günstiges CARCAT -Verhältnis) aufweisen. Für die nicht-halogenierte (im Übrigen aber mit einem Ehthylrest am Thiophen der fluorsubstituierten Verbindung 12 entsprechende ) Verbindung 6 ist jedoch lediglich ein CAR-Wert von 2 [10] (bei CAT 1 [16]) angegeben, der CAR-Wert für die Verbindung 7 ist 0 [10]; sie ist daher auf den CAT-Wert nicht getestet worden.
54
Dem lässt sich auch nicht entgegenhalten, dass der CAR-Wert ein relativ grobes Raster darstelle. Ein Wert von 2 bedeutet, wie Chakrabarti et al. in Fußnote d erläutern, eine Hemmung von 31 bis 50 % des erlernten Verhaltens zur Vermeidung eines unangenehmen Reizes, ein Wert von 3 entspricht einer Hemmung von 51 bis 75 %. Wenn daher, wie die Gutachter Dr. Ellenbroek (Anl. B 53, S. 8), Prof. Dr. Greksch (Anl. B 55, S. 3) und Prof. Dr. Hiemke (Anl. B 56, S. 2 f.) unwidersprochen ausgeführt haben, eine Hemmung von 70 bis 80 % für wichtig gehalten worden ist, lag ein CAR-Wert von 2 deutlich außerhalb desjenigen Bereichs, der dem nacharbeitenden Fachmann nach den gegebenen Informationen für weitergehende Forschungen interessant und erfolgversprechend erscheinen musste.
55
An diesem Befund ändert es auch nichts, dass Chakrabarti et al. die kurze Alkylsubstitution in Position 2 des Thiophenrings, die die Aktivität zu erhöhen "scheine", nicht ausdrücklich zu der Halogenierung des Aromaten in Beziehung setzen. Denn da von den 48 synthetisierten 4-Piperazinylthieno[2,3-b][1,5]benzodiazepinen in Tabelle 1 überhaupt nur zehn keinen Substituenten am Aromaten haben und bei acht von diesen zehn wiederum der Substituent in Position 2 des Thiophenrings Ethyl ist, wird, wie die Erörterung mit dem gerichtlichen Sachverständigen bestätigt hat, aufgrund der durchweg schlechten Aktivität dieser Verbindungen und mangels Vergleichswerten zu nicht alkylsubstituierten Verbindungen ersichtlich, dass die Vermutung von der günstigen Wirkung der kurzen Alkylsubstitution in Position 2 des Thiophenrings auf die Testergebnisse der halogenierten Verbindungen gestützt ist (vgl. auch Gutachten Prof. Dr. Dannhardt, Anl. B 51, S. 5).
56
So zutreffend daher der Hinweis der Klägerinnen und ihrer Streithelferinnen ist, dass die Untersuchung primär nicht auf die Auswirkung der Halogenierung des Benzolrings, sondern auf die Auswirkung eines elektronenreichen Rings wie des Thiophenrings auf das Aktivitätsprofil angelegt ist, so wenig kann außer Betracht bleiben, dass die Ergebnisse der Untersuchung die halogensubstituierten Verbindungen - in Übereinstimmung mit der Bedeutung, die im Prioritätszeitpunkt auch sonst elektronenziehenden Substituenten, wie sie Chlorpromazin , Haloperidol und auch Clozapin haben, häufig beigemessen worden ist (vgl. Kaiser/Setler in Burger's Medicinal Chemistry, 4. Aufl. [Anl. E 16], S. 912; gutachtliche Äußerung Dr. Ellenbroek [Anl. E 18], S. 5 mit Literaturzitaten; gutachtliche Äußerung Prof. Dr. Hippius [Anl. B 52], S. 3; gutachtliche Äußerung Prof. Nichols [Anl. E 12] Tz. 26 ff.; gutachtliche Äußerung Prof. Dr. Oßwald [Anl. K 25], S. 4) - als diejenigen ausweisen, die vornehmlich weitere Aufmerksamkeit verdienen.
57
Zwar mag der Fachmann einen solchen Fokus nicht für zwingend halten. Sieht man von ihm ab, gibt es aber auch keinen zureichenden Grund, sich auf 4'-(N-Methylpiperazinyl)-Verbindungen zu beschränken. Denn auch diese werden zwar als die aktivsten bezeichnet, Alternativen sind deswegen jedoch nicht von vornherein zu verwerfen. Dies wird schon dadurch deutlich, dass die Verbindung 34, bei der R = (CH2)2OH und R1 wiederum Wasserstoff ist und die einen CAR-Wert von 4 [20] bei einem CAT-Wert von 2 [20] aufweist, ebenfalls zu den von den Autoren im Resümee als ein Beispiel für die weiterer Entwicklung bedürftige Stoffgruppe bezeichnet wird.
58
3. Auch unter Berücksichtigung der übrigen in das Verfahren eingeführten Entgegenhaltungen ist der Gegenstand des Streitpatents nicht nahegelegt. Was Hinweise anbelangt, die den Fachmann dazu veranlassen könnten, insbesondere der Gruppe der 4'-(N-Methylpiperazinyl)-Verbindungen weiter nachzugehen und diese Gruppe nach Kriterien einzugrenzen, die 2-Methyl-4-(4methyl -1-piperazinyl)-10H-thieno[2,3-b][1,5]benzodiazepin einschließen, gehen die britische Patentschrift 1 533 235 (K 2) und die weiteren, auf die dieser Patentschrift zugrunde liegende Prioritätsanmeldung zurückgehenden Schriften (die deutsche Offenlegungsschrift 25 52 403 [Anl. RA 1], das deutsche Patent 25 52 403 [Anl. RA 2 = Anl. N 10] und das US-Patent 4 115 574 [Anl. K 10]) über Chakrabarti 1980 nicht hinaus. Auch der gerichtliche Sachverständige hat hierfür keinen Anhaltspunkt gesehen. Der europäischen Patentanmeldung 354 781 (Anl. K 30), die keine Thieno-, sondern Thiazolobenzodiazepine betrifft, und der US-Patentschrift 4 216 148 (Anl. K 34), bei deren Verbindungen der Thienoring nicht substituiert ist, ist dazu ebenfalls nichts Weiterführendes zu entnehmen.
59
4. Die Patentansprüche 4 bis 19 werden von der Patentfähigkeit des Gegenstands der Patentansprüche 1 bis 3 getragen.
60
IV. Auch im Umfang der Patentansprüche 20 bis 22 liegen die Voraussetzungen für eine Nichtigerklärung des Streitpatents nicht vor.
61
1. Das Patentgericht hat hierzu ausgeführt: Die Herstellung von 2Methyl -4-(4-methyl-1-piperazinyl)-10H-thieno[2,3-b][1,5]benzodiazepin erschließe sich dem fachkundigen Leser unmittelbar aus dem in Anl. K 4 (Chakrabarti 1980) angegebenen Syntheseschema I in Verbindung mit Tabelle II sowie den Ausführungen in den Abschnitten "Chemistry" und "Experimental Section". Demnach sei auch eine Zwischenverbindung mit R1 = H in Position 7 des Phenylrings sowie mit R2 = CH3 in Position 2 des Thienylrings als 4-Ketobzw. in tautomerer Form als 4-Hydroxy-Zwischenverbindung in der Tabelle II mitzulesen. Dass anstelle der 4-Keto-Zwischenverbindungen ebenso deren 4Thio -Derivate herstellbar und als Zwischenverbindungen geeignet seien, lasse sich dem experimentellen Teil der K 4 direkt entnehmen. Entsprechendes gelte für ein über diese Zwischenverbindungen führendes Verfahren. In der Bedeutung Q = NH2 sei die 4-Amino-Zwischenverbindung gemäß Patentansprüchen 21 und 22 zwar aus der K 4 nicht expressis verbis zu entnehmen. Sie sei jedoch dem Fachmann als offensichtliche Vorstufe einer 4-Keto-Verbindung ohnehin geläufig. Es könne auch nicht festgestellt werden, dass die Herstellbarkeit des 2-Methyl-4-(4-methyl-1-piperazinyl)-10H-thieno[2,3-b][1,5]benzodiazepins mit den angegebenen Arbeitsweisen nicht ohne Weiteres gegeben sein sollte. Denn die nicht fluorierte Verbindung Nr. 60 aus Tabelle II weise in Position 2 des Thienylrings anstelle der Methylgruppe die strukturell nächstkommende homologe Ethylgruppe auf, so dass in Analogie dazu weder an der Verfügbarkeit der erforderlichen unsubstituierten bzw. anstelle von Ethyl durch Methyl substituierten Edukte noch an dem Gelingen der chemischen Synthese zu den entsprechenden Endprodukten gemäß dem in K 4 angegebenen Syntheseverfahren A auch nur der geringste Zweifel bestehe.
62
2. Diese Ausführungen tragen aus den zu II 3 ausgeführten Gründen nicht die Annahme, das erfindungsgemäße Verfahren sei durch Chakrabarti 1980 vorweggenommen. Sie rechtfertigen aber auch nicht die Annahme, das Verfahren habe für den Fachmann nahegelegen. Ihm mag zwar die theoretische Möglichkeit zur Verfügung gestanden haben, mit den Angaben bei Chakrabarti zum Herstellungsverfahren und zu den dabei erhältlichen Zwischenprodukten auch 2-Methyl-4-(4-methyl-1-piperazinyl)-10H-thieno[2,3-b] [1,5]benzodiazepin herzustellen. Nahegelegt war das Verfahren aber erst dann, wenn für den Fachmann auch Veranlassung zu der Herstellung von 2-Methyl-4 (4-methyl-1-piperazinyl)-10H-thieno[2,3-b][1,5]benzodiazepin bestand. Dies war, wie ausgeführt, im Prioritätszeitpunkt nicht der Fall.
63
Für die Zwischenprodukte des Verfahrens gilt Entsprechendes.
64
V. Die Kostenentscheidung beruht auf § 121 Abs. 2 Satz 2 PatG i.V.m. § 91 Abs. 1, § 100 Abs. 1, § 101 Abs. 2 ZPO (vgl. Sen.Urt. v. 16.10.2007 - X ZR 226/02, GRUR 2008, 60 Tz. 44 - Sammelhefter II).
Melullis Mühlens Meier-Beck
Asendorf Gröning
Vorinstanz:
Bundespatentgericht, Entscheidung vom 04.06.2007 - 3 Ni 21/04 (EU) -

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Urteil, 16. Dez. 2008 - X ZR 89/07

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Referenzen - Gesetze

Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

Zivilprozessordnung - ZPO | § 91 Grundsatz und Umfang der Kostenpflicht


(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung um

Zivilprozessordnung - ZPO | § 100 Kosten bei Streitgenossen


(1) Besteht der unterliegende Teil aus mehreren Personen, so haften sie für die Kostenerstattung nach Kopfteilen. (2) Bei einer erheblichen Verschiedenheit der Beteiligung am Rechtsstreit kann nach dem Ermessen des Gerichts die Beteiligung zum Ma

Zivilprozessordnung - ZPO | § 101 Kosten einer Nebenintervention


(1) Die durch eine Nebenintervention verursachten Kosten sind dem Gegner der Hauptpartei aufzuerlegen, soweit er nach den Vorschriften der §§ 91 bis 98 die Kosten des Rechtsstreits zu tragen hat; soweit dies nicht der Fall ist, sind sie dem Nebeninte
Bundesgerichtshof Urteil, 16. Dez. 2008 - X ZR 89/07 zitiert 7 §§.

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(1) In dem Verfahren vor dem Bundesgerichtshof gelten die Bestimmungen des § 144 über die Streitwertfestsetzung entsprechend. (2) In dem Urteil ist auch über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden. Die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über d

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(1) Eine Erfindung gilt als neu, wenn sie nicht zum Stand der Technik gehört. Der Stand der Technik umfaßt alle Kenntnisse, die vor dem für den Zeitrang der Anmeldung maßgeblichen Tag durch schriftliche oder mündliche Beschreibung, durch Benutzung od

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BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL X ZR 9/06 Verkündet am: 28. Juli 2009 Wermes Justizamtsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle in der Patentnichtigkeitssache Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtsho

Referenzen

(1) Eine Erfindung gilt als neu, wenn sie nicht zum Stand der Technik gehört. Der Stand der Technik umfaßt alle Kenntnisse, die vor dem für den Zeitrang der Anmeldung maßgeblichen Tag durch schriftliche oder mündliche Beschreibung, durch Benutzung oder in sonstiger Weise der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden sind.

(2) Als Stand der Technik gilt auch der Inhalt folgender Patentanmeldungen mit älterem Zeitrang, die erst an oder nach dem für den Zeitrang der jüngeren Anmeldung maßgeblichen Tag der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden sind:

1.
der nationalen Anmeldungen in der beim Deutschen Patent- und Markenamt ursprünglich eingereichten Fassung;
2.
der europäischen Anmeldungen in der bei der zuständigen Behörde ursprünglich eingereichten Fassung, wenn mit der Anmeldung für die Bundesrepublik Deutschland Schutz begehrt wird und die Benennungsgebühr für die Bundesrepublik Deutschland nach Artikel 79 Abs. 2 des Europäischen Patentübereinkommens gezahlt ist und, wenn es sich um eine Euro-PCT-Anmeldung (Artikel 153 Abs. 2 des Europäischen Patentübereinkommens) handelt, die in Artikel 153 Abs. 5 des Europäischen Patentübereinkommens genannten Voraussetzungen erfüllt sind;
3.
der internationalen Anmeldungen nach dem Patentzusammenarbeitsvertrag in der beim Anmeldeamt ursprünglich eingereichten Fassung, wenn für die Anmeldung das Deutsche Patent- und Markenamt Bestimmungsamt ist.
Beruht der ältere Zeitrang einer Anmeldung auf der Inanspruchnahme der Priorität einer Voranmeldung, so ist Satz 1 nur insoweit anzuwenden, als die danach maßgebliche Fassung nicht über die Fassung der Voranmeldung hinausgeht. Patentanmeldungen nach Satz 1 Nr. 1, für die eine Anordnung nach § 50 Abs. 1 oder Abs. 4 erlassen worden ist, gelten vom Ablauf des achtzehnten Monats nach ihrer Einreichung an als der Öffentlichkeit zugänglich gemacht.

(3) Gehören Stoffe oder Stoffgemische zum Stand der Technik, so wird ihre Patentfähigkeit durch die Absätze 1 und 2 nicht ausgeschlossen, sofern sie zur Anwendung in einem der in § 2a Abs. 1 Nr. 2 genannten Verfahren bestimmt sind und ihre Anwendung zu einem dieser Verfahren nicht zum Stand der Technik gehört.

(4) Ebenso wenig wird die Patentfähigkeit der in Absatz 3 genannten Stoffe oder Stoffgemische zur spezifischen Anwendung in einem der in § 2a Abs. 1 Nr. 2 genannten Verfahren durch die Absätze 1 und 2 ausgeschlossen, wenn diese Anwendung nicht zum Stand der Technik gehört.

(5) Für die Anwendung der Absätze 1 und 2 bleibt eine Offenbarung der Erfindung außer Betracht, wenn sie nicht früher als sechs Monate vor Einreichung der Anmeldung erfolgt ist und unmittelbar oder mittelbar zurückgeht

1.
auf einen offensichtlichen Mißbrauch zum Nachteil des Anmelders oder seines Rechtsvorgängers oder
2.
auf die Tatsache, daß der Anmelder oder sein Rechtsvorgänger die Erfindung auf amtlichen oder amtlich anerkannten Ausstellungen im Sinne des am 22. November 1928 in Paris unterzeichneten Abkommens über internationale Ausstellungen zur Schau gestellt hat.
Satz 1 Nr. 2 ist nur anzuwenden, wenn der Anmelder bei Einreichung der Anmeldung angibt, daß die Erfindung tatsächlich zur Schau gestellt worden ist und er innerhalb von vier Monaten nach der Einreichung hierüber eine Bescheinigung einreicht. Die in Satz 1 Nr. 2 bezeichneten Ausstellungen werden vom Bundesminister der Justiz und für Verbraucherschutz im Bundesanzeiger bekanntgemacht.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X ZR 206/98 Verkündet am:
16. Dezember 2003
Wermes
Justizhauptsekretär
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in der Patentnichtigkeitssache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Fahrzeugleitsystem
EPÜ Art. 83, Art. 138 Abs. 2; IntPatÜG Art. II § 6 Abs. 2; PatG § 84; GVG § 184

a) Anders als für die Bejahung der Ausführbarkeit einer Erfindung genügt es für
die Zulässigkeit einer Beschränkung auf eine bestimmte Ausführungsform
nicht, daß der Fachmann erst dann zu dieser die Ausführung der Erfindung
gestattenden Ausgestaltung kommt, wenn er sich nähere und weiterführende
Gedanken über die Ausführbarkeit macht und dabei durch die Beschreibung
nicht vermittelte Informationen mit seinem Fachkönnen aus seinem Fachwissen
ergänzt, auch wenn dies erfinderische Überlegungen nicht erfordert.

b) Die Bestimmung des § 184 GVG über die Gerichtssprache steht der beschränkten
Verteidigung eines europäischen Patents in der maßgeblichen
Verfahrenssprache (hier: Englisch) im deutschen Patentnichtigkeitsverfahren
nicht entgegen.
BGH, Urt. v. 16. Dezember 2003 - X ZR 206/98 - Bundespatentgericht
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Ver-
handlung vom 14. Oktober 2003 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Melullis,
den Richter Keukenschrijver, die Richterin Mühlens und die Richter Dr. MeierBeck
und Asendorf

für Recht erkannt:
Die Berufung gegen das Urteil des 3. Senats (Nichtigkeitssenats ) des Bundespatentgerichts vom 2. Juli 1998 wird auf Kosten des Beklagten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Der Beklagte war eingetragener Inhaber des am 5. Januar 1979 unter Inanspruchnahme der ("inneren") Priorität einer europäischen Patentanmeldung vom 4. Dezember 1978 angemeldeten europäischen Patents 0 011 880 (Streitpatents ), das während des Nichtigkeitsverfahrens abgelaufen ist. Das Streitpatent betrifft "a vehicle guidance system" (ein Fahrzeugleitsystem) und umfaßt in der Fassung der nach Abschluß des europäischen Einspruchsverfahrens (Beschwerdeentscheidung T 251/84 vom 30.10.1987, nicht im Druck veröffentlicht) herausgegebenen neuen europäischen Patentschrift zwei Patentansprüche, die in der Verfahrenssprache Englisch wie folgt lauten:
"1. Vehicle guidance system comprising - (a) memory means for storing groups of binary data, in which each group includes a coded distance, instruction and direction signal, (b) means (SUR) for addressing the memory means, (c) a register (CMR) for storing one of said groups of binary data selected by said addressing means, (d) means for generating a signal representing a distance travelled , (e) comparator means (UDC) responsive to the coded distance signal in the register (CMR) and to the signal representing distance travelled for generating a signal representing the difference between the coded distance and the distance travelled, (f) means responsive to the signal from the comparator means for switching through the instruction and direction signal in the register (CMR) to an instruction and direction unit (IAD), (g) means (SPT) for generating a signal representing a change of course of the vehicle, and (h) control means (SCU) responsive to signals from the instruction and direction unit (IAD), the register (CMR) and the signal representing the change of course of the vehicle for checking whether the driver correctly followed the instruction and direction, and for triggering the addressing means (SUR) to select the next group of data if the driver has followed the instruction and direction correctly , characterised in that the control means (SCU) is so arranged that if the driver does not follow the instruction and direction signal correctly , the system instructs the driver to make a U-turn to bring the vehicle back to the point where the error occurred and then issues the correct instruction. 2. A vehicle guidance system according to Claim 1 in which means are provided for producing one pulse for each meter of the distance travelled." Als deutsche Fassung dieser Patentansprüche enthält die neue europäische Patentschrift folgenden Text:
"1. Fahrzeugleitsystem bestehend aus:
a) Speichermöglichkeiten für binäre Datengruppen. Jede Gruppe enthält eine kodierte Strecke, ein Anweisungs- und ein Richtungszeichen.
b) Möglichkeiten (SUR) zur Eingabe des Speichers.
c) ein Register (CMR) zur Speicherung eine der obengenannten binären Datengruppen gewählt über die erwähnten Eingabemöglichkeiten ,
d) Möglichkeiten zur Erzeugung eines Signals zur Wiedergabe des zurückgelegten Weges.
e) Ein Vergleicher (UDC) reagierend auf die kodierte abzufahrende Strecke im Register (CMR) und auf das Signal des zurückgelegten Weges. Der Vergleicher erzeugt ein Signal, das die Abweichung zwischen der eingegebenen Strecke und dem zurückgelegten Weg anzeigt.
f) Die Angabesignale des Vergleichers geben Anweisungen mittels Anweisungs- und Richtungssignale aus dem Register (CMR) an eine Anweisungs- und Richtungseinheit (IAD).
g) Möglichkeiten (SPT) um ein Signal zu erzeugen, das eine Kursänderung des Fahrzeugs anzeigt und
h) Steuerbefehle reagierend auf Signale der Anweisungs- und Richtungseinheit (IAD), des Registers (CMR) das Signal, das die Kursänderung des Wagens darstellt zur Prüfung ob der Fahrer den Anweisungen und der Strecke richtig folgt, und für das Löschen der Adressen um die folgenden binären Datengruppen zu wählen, wenn der Fahrer die Anweisung und Richtung richtig ausgeführt hat. Kennzeichnend ist das die Steuerglieder (SCU) so geordnet sind, dass bei nicht genau folgen des Anweisungs- und Richtungssignals das System den Fahrer auffordert umzudrehen und das Fahrzeug zurückzubringen zu dem Punkt wo der Fehler gemacht wurde und dann wieder die richtigen Anweisungen erteilt. 2. Ein Fahrzeugleitsystem gemäss Forderung I mit Vorrichtungen um einen Puls für jeden zurückgelegten Meter Weg zu erzeugen." Die Klägerin, der gegenüber der Beklagte nach Ablauf der Schutzdauer des Streitpatents u.a. hat erklären lassen, er halte sie wegen Verletzung des Streitpatents für schadensersatzpflichtig, hat geltend gemacht, der Gegenstand des Streitpatents gehe über den Inhalt der ursprünglich eingereichten Anmel-
dung hinaus, die Erfindung sei im Streitpatent nicht so deutlich und vollständig offenbart, daß ein Fachmann sie ausführen könne, und der Gegenstand des Streitpatents sei gegenüber dem Stand der Technik nicht patentfähig. Hierzu hat sich die Klägerin im wesentlichen auf die britische Patentschrift 1 414 490, die US-Patentschriften 3 505 749 und 3 845 289 sowie eine Veröffentlichung von French und Lang in IEEE Transactions On Vehicular Technology aus Mai 1973 gestützt. Der Beklagte ist dem entgegengetreten.
Das Bundespatentgericht hat das Streitpatent wegen mangelnder Ausführbarkeit für nichtig erklärt. Seine Entscheidung ist bei Bausch, Nichtigkeitsrechtsprechung in Patentsachen, Bd. II, S. 406 veröffentlicht.
Mit der Berufung verteidigt der Beklagte das Streitpatent in erster Linie in der Fassung der neuen europäischen Patentschrift. Er beantragt, das Urteil des Bundespatentgerichts aufzuheben und die Klage abzuweisen. Hilfsweise verteidigt er das Streitpatent in der Weise, daß am Ende des Patentanspruchs 1 angefügt werden soll: "before the vehicle again reaches the point where the error occured" (Hilfsantrag 1), weiter hilfsweise (Hilfsantrag 2) in der Weise, daß die Merkmale (a) – (c) des Patentanspruchs 1 wie folgt lauten sollen: "(a) a punch card for storing groups of binary data, in which each group includes a coded distance, instruction and direction signal, (b) a step up relay (SUR) for addressing the punch card, (c) a register (CMR) for storing one of said groups of binary data selected by the step up relay," Höchst hilfsweise verteidigt er das Patent mit einer Fassung des Patentanspruchs 1, die beide vorgenannten Änderungen aufweist (Hilfsantrag 3).
Die Klägerin tritt dem Rechtsmittel entgegen. Sie hält die hilfsweise verteidigten Fassungen schon deshalb für unzulässig, weil die Regelungen über die Gerichtssprache nicht eingehalten seien.
Im Auftrag des Senats hat Prof. Dr.-Ing. W. M. , Leiter des Instituts A. Bauwesen der Universität ... , ein schriftliches Gutachten erstattet, das er in der mündlichen Verhandlung erläutert und ergänzt hat.

Entscheidungsgründe:

A. Die Berufung ist zulässig. Dem steht nicht entgegen, daß das Streitpatent während des Berufungsverfahren abgelaufen ist. Der Beklagte berühmt sich, aus dem Streitpatent gegen die Klägerin Schadensersatzansprüche herleiten zu können. Damit kann die Klägerin ein Rechtsschutzbedürfnis an der Nichtigerklärung weiterhin in Anspruch nehmen.
B. Das Rechtsmittel bleibt im Ergebnis ohne Erfolg.
I. 1. Das Streitpatent betrifft ein System (Fahrzeugleitsystem), das Richtungsanweisungen erteilt, wodurch es einem Fahrzeugführer ermöglicht werden soll, sein Fahrzeug zu einem gewünschten Bestimmungsort zu steuern, auch wenn er die Fahrstrecke noch nicht kennt.
Die Beschreibung des Streitpatents schildert als aus der britischen Patentschrift 1 297 644 bekannt eine mechanische Streckenfortschrittsanzeigevorrichtung , bei der ständig eine Position entlang einer vorherbestimmten Strecke angezeigt wird und Anweisungen erteilt werden, welches Verhalten bei Errei-
chen einer bestimmten Position erforderlich sei. Dazu werde bei der Streckenfortschrittsanzeigevorrichtung mit einem am Armaturenbrett zu befestigenden Gehäuse über ein Vorschubrad auf einer Führungsbahn ein Bahnmaterial bewegt. Zugleich würden Angaben über die Position entlang der Fahrstrecke angezeigt , während bestimmte Kalibrierungen Anweisungen erteilten, wie weiter zu fahren sei. Der Vorschub erfolge mittels eines Untersetzungsgetriebes mit einem Hauptantriebsgetriebe, das wiederum als Geschwindigkeitsmeßantriebseinheit ausgebildet sei. Hieran bemängelt das Streitpatent, daß ein Fehler des Fahrers diesen in die gleiche Lage versetze, wie wenn ein Leitsystem nicht vorhanden wäre (Beschreibung Sp. 1 Z. 30 - 58).
Als aus der britischen Patentschrift 1 414 490 bekannt bezeichnet die Beschreibung des Streitpatents Navigationshilfen für Landfahrzeuge, bei denen codierte Entfernungssignale und verbale Anweisungen zum Befolgen einer ausgewählten Strecke auf Band aufgenommen sind und die Anweisungen unter Überwachung der zurückgelegten Entfernung durch Vergleich der bekannten Entfernungsdaten mit Signalen der zurückgelegten Entfernung durch eine entsprechende Einrichtung hörbar ausgegeben werden. Dieses System weise Mittel zum Aufzeichnen und Wiedergeben von Datensignalen auf, die einer zurückzulegenden Entfernung und Ausmaß und Richtung einer Richtungsänderung entsprächen, weiter einen Kompaß und Mittel zur Erzeugung von Richtungsänderungssignalen sowie Mittel zum Vergleichen dieser Signale mit den aufgezeichneten Richtungsänderungssignalen, auf die aufgezeichneten bekannten Entfernungssignale ansprechende Mittel zur Auslösung der Richtungsvergleichsmittel und von einem Entfernungsmeßgerät gesteuerte Mittel, die den korrekten Richtungsfortschritt an den ausgewählten Punkten bestätigten oder bei einem inkorrekten Vorgang ein Alarmsignal erzeugten (Beschreibung Sp. 2 Z. 8 - 45). Falls ein Abbiegen nicht korrekt erfolgt sei, werde die mangelnde
Übereinstimmung der Signale registriert und es werde ein Alarmsignal ausgegeben ; die weitere Ausgabe hörbarer Anweisungen werde unterdrückt, bis eine manuelle Rücksetzsteuerung betätigt werde. Der Fahrer könne die inkorrekte Strecke zurückverfolgen und die Rücksetzsteuerung betätigen. Auch dieses System weise den Nachteil auf, daß ein Fehler des Fahrers diesen in die gleiche Lage versetze wie einen Fahrer ohne Leitsystem (Beschreibung Sp. 3 Z. 9 - 41).
2. Durch das Streitpatent soll demgegenüber, wie sich dem Gesamtzusammenhang der Beschreibung entnehmen läßt, ein Fahrzeugleitsystem zur Verfügung gestellt werden, das den Fahrer möglichst sicher zum gewählten Ziel führt.
3. Als Lösung schlägt Patentanspruch 1 ein Leitsystem mit ("comprising" , d.h. umfassend, und nicht wie in der deutschen Fassung des Patentanspruchs in der Patentschrift "bestehend aus") den in den Merkmalen des Patentanspruchs unter (a) bis (h) genannten Komponenten vor, die das Bundespatentgericht ohne sachliche Abweichung in die Merkmale 1 - 8 gegliedert hat, wobei
(i) die Steuermittel (SCU; h) so ausgestaltet sind, daß der Fahrer eine Aufforderung zum Wenden und zur Rückkehr an den Ort, an dem der Fehler geschah, erhält, wenn das Anweisungs- und Richtungssignal nicht richtig befolgt wurde, und
(j) dem Fahrer dann die richtige Anweisung erteilt wird.
4. Dabei erschließen sich die einzelnen Schritte des Systems (einer durch logische Verknüpfungen einzelner Meß-, Verarbeitungs-, Schalt- und Ausgabeelemente gekennzeichneten komplexen Vorrichtung) teilweise näher durch den Rückgriff auf den in der Beschreibung näher abgehandelten Stand der Technik, insbesondere die britische Patentschrift 1 414 490.
Jedoch enthält die Beschreibung des Streitpatents keinen ausdrücklichen Hinweis darauf, wie das Merkmal (j) zu verstehen ist, daß nach dem Umkehren durch das System die "richtige" Anweisung erteilt wird. Die Beschwerdekammer des Europäischen Patentamts hat in der Beschwerdeentscheidung T 251/84 hierzu ausgeführt (Entscheidungsgründe unter 7.3.5), allein auf Grund des Wortlauts der Anspruchsformulierung beständen Zweifel, ob diese Anweisung gleich nach der Wendeanweisung, nach Durchführung des Wendemanövers oder erst bei Ankunft des Fahrzeugs an die Stelle der Wegabweichung erteilt werde. Nach dem Gesamtzusammenhang könne die Formulierung jedoch nur dahin verstanden werden, daß eine Anweisung, die den Fahrer wieder auf den rechten Weg bringe, notwendig nach dem Wendemanöver, aber vor Erreichen der Stelle der Abweichung erfolgen müsse. Das sachkundig besetzte Bundespatentgericht ist dem mit der zusätzlichen Überlegung beigetreten, die Ausgabe der regulären Anweisung (erst) nach oder bei Wiedererreichen der Stelle der Abweichung sei derjenige Stand der Technik, dessen Nachteile durch das Streitpatent gerade überwunden werden sollten. Auch der Beklagte hat die Lehre des Streitpatents in der Berufungsbegründung in dieser Weise interpretiert. Schon zu dem Wortlaut des Patentanspruchs steht dies in einem gewissen Widerspruch ; danach kommt als "richtige" Anweisung jegliche Anweisung in Betracht , die den Fahrer nach dem Wenden wieder auf den richtigen Weg bringt, mithin also auch die Anweisung, das Fahrzeug wieder in eine Position zu bringen , die es eingenommen hat, bevor der Fehler geschehen ist, und die nicht
befolgte Anweisung dann nochmals zu erteilen. Der Beschreibung des Streit- patents ist, soweit sich diese mit dem Geschehen nach dem Fehler befaßt, nichts Näheres zu entnehmen; dort heißt es nur (in der deutschen Übersetzung ): "Falls dagegen die Anweisung nicht richtig befolgt worden ist, so erfaßt das System diesen Fehler und erteilt die Anweisung zum Wenden, um das Fahrzeug zurückzubringen zu dem Punkt, an dem der Fehler ursprünglich geschah. Es erteilt dann die richtige Anweisung". Diese Formulierung könnte allenfalls darauf hindeuten, daß die "richtige" Anweisung erst nach dem Wiedererreichen der Fehlerstelle erteilt wird; sie bietet dagegen keinen Hinweis darauf, daß vom Patentanspruch ausschließlich der Fall erfaßt sein soll, die "richtige" Anweisung werde bereits vor oder spätestens bei Erreichen der Fehlerstelle erteilt. Die gegenteilige, nur ganz pauschal begründete Auffassung der Beschwerdekammer des Europäischen Patentamts findet in der Beschreibung des Streitpatents keine hinreichende Stütze. Daß, worauf der Beklagte in der mündlichen Verhandlung nochmals hingewiesen hat, nach der Beschreibung des Streitpatents die Anweisungen von der Anweisungs- und Richtungseinheit (IAD) analysiert und anschließend von der Systemsteuereinheit darauf überprüft werden , ob die Anweisung befolgt worden ist, besagt entgegen der Auffassung des Beklagten nicht, daß schon bei dem Analyseschritt eine Erfassung des Fahrfehlers oder gar dessen Zuordnung zu einem bestimmten Fehlertyp erfolgen müßte; die Fehlerfeststellung erfolgt nach der Beschreibung des Streitpatents nämlich erst in der Systemsteuereinheit (SCU) (Beschreibung Sp. 4 Z. 12 - 20). Danach enthält der Hinweis auf die Analyse in der Anweisungs- und Richtungseinheit jedenfalls keinen eindeutigen Aussagegehalt dahin, daß durch die Analyse Informationen ermittelt werden, die es ermöglichen, bereits die vor Erreichen der Fehlerstelle "richtige" Anweisung darzustellen. Die zusätzliche Überlegung des Bundespatentgerichts, daß die Ausgabe der richtigen Anweisung nach oder bei Wiederreichen der Fehlerstelle derjenige Stand der Technik wä-
re, dessen Nachteile durch das Streitpatent überwunden werden sollen, ist demgegenüber nicht überzeugend. Das Bundespatentgericht scheint nämlich einen Erfahrungssatz unterstellen zu wollen, daß ein Patent jedenfalls im Zweifel einen Überschuß gegenüber einem in der Beschreibung abgehandelten Stand der Technik tatsächlich aufweise, für den der Senat aber keine Grundlage sieht. Auch der gerichtliche Sachverständige hat in der mündlichen Verhandlung auf wiederholtes und eingehendes Befragen angegeben, daß der Fachmann das Merkmal jedenfalls nicht nur in der einschränkenden Weise verstehen werde, daß die "richtige" Anweisung im Sinn des Patentanspruchs nur die Anweisung sei, die vor dem nochmaligen Erreichen der Fehlerstelle die richtige ist, sondern daß auch die Wiederholung der nicht befolgten Anweisung unter das Merkmal des Patentanspruchs fällt. Dieser Beurteilung tritt der Senat schon deshalb bei, weil es für die Annahme eines engeren Verständnisses des Fachmanns an jeglicher tragfähigen sachlichen Rechtfertigung fehlt. Ob dabei auch der Auffassung des gerichtlichen Sachverständigen beizutreten ist, daß es sich bei dem maßgeblichen Fachmann um einen Universitätsabsolventen und nicht - wie vom Bundespatentgericht angenommen - um einen erfahrenen Fachhochschulabsolventen der Elektrotechnik, des Maschinenbaus, der Informatik oder benachbarter Disziplinen handelt, kann dabei dahingestellt bleiben, weil sich diese Frage auf das Verständnis des Fachmanns nicht auswirkt.
Keinerlei Hinweis enthält das Streitpatent ferner darauf, ob zur Erteilung der "richtigen" Anweisung auch der "Up and down counter" (UDC) (in der Übersetzung der Patentansprüche in der Patentschrift "Vergleicher", in der Übersetzung der Beschreibung "Rauf- und Runter-Zähler") verwendet werden soll. Dieses Mittel ist in der Beschreibung nämlich lediglich unter dem Gesichtspunkt der Ermittlung der zurückgelegten Strecke im Verhältnis zu der zurückzulegenden, d.h. der vorgegebenen, genannt (Beschreibung Sp. 3 Z. 63 bis Sp. 4 Z. 7); ein
Hinweis auf eine Bedeutung dieses Mittels beim Verlassen der vorgesehenen Strecke ist weder in der Beschreibung noch in den Patentansprüchen enthalten. Allerdings erscheinen Lösungen, bei denen dies geschieht, denkbar, und sie könnten ebenfalls unter das Patent fallen.
Schließlich ist die Lehre nach Patentanspruch 1 des Streitpatents nicht auf solche Fälle beschränkt, bei denen die "richtige" Anweisung ohne einen zusätzlichen menschlichen Eingriff, etwa ein Wiederingangsetzen des zuvor angehaltenen Systems, erteilt wird. Zwar bezeichnet die Beschreibung des Streitpatents eine Vorrichtung als bekannt, bei der eine Wiederbetätigung vorgenommen werden muß, auch insoweit finden sich in der Beschreibung aber keine hinreichenden Anhaltspunkte, die diese unter den Wortlaut des Patentanspruchs fallende Möglichkeit als nicht erfaßt anzusehen gestatten könnten. Daß zur nächsten Anweisung weitergegangen wird, ist nämlich nur für den Fall beschrieben , daß festgestellt wird, die Anweisung sei korrekt befolgt worden (Beschreibung Sp. 4 Z. 15 - 20); in der in der Beschreibung unmittelbar anschließenden Passage, die den Fall betrifft, daß die Anweisung nicht korrekt ausgeführt wurde, findet sich ein derartiger Hinweis dagegen nicht. Dies schließt es aus, eine derartige Beschränkung in den Patentanspruch hineinzulesen.
II. Allerdings vermag der Senat der Beurteilung des Bundespatentgerichts nicht beizutreten, daß das Streitpatent die Erfindung nicht so deutlich und vollständig offenbare, daß ein Fachmann sie ausführen kann (Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 2 IntPatÜG; Art. 138 Abs. 1 Nr. 2 EPÜ). Auch dies entspricht der Auffassung des gerichtlichen Sachverständigen in der mündlichen Verhandlung.
1. Merkmal (j), gemäß dem das System dem Fahrer nach dem Wendevorgang die "richtige" Anweisung erteilt, enthält für den Fachmann eine jeden-
falls unter günstigen äußeren Bedingungen, insbesondere in einem einfachen Straßennetz mit rechtwinkligen Kreuzungen und ohne Abbiege- und Wendeverbote , ohne erfinderischen Aufwand nachvollziehbare Lehre. Deren Verwirklichung setzt dann, wenn das Fahrzeug zunächst an die Stelle vor dem Begehen des Fahrfehlers zurückgebracht wird, lediglich voraus, die nicht befolgte Anweisung nochmals anzuzeigen. Wie dies geschehen kann, zeigt zum Beispiel die britische Patentschrift 1 414 490. Aber auch die vom Wortlaut des Patentanspruchs weiter umfaßte Lehre, daß nach dem Umkehren, aber vor dem Wiedererreichen der Fehlerstelle die nicht mit der nicht befolgten Anweisung übereinstimmende , sondern zu dieser komplementäre "richtige" Anweisung erteilt und nicht die ursprüngliche, aber nicht befolgte Anweisung wiederholt wird, ist nach Auffassung des Senats deshalb ausführbar, weil der Fachmann die im Streitpatent nicht genannten weiteren Maßnahmen auf Grund seines Fachkönnens und Fachwissens auffinden und ausführen kann. Schon mit einfachen Überlegungen kann, wie der gerichtliche Sachverständige in der mündlichen Verhandlung auf Fragen des Senats überzeugend bestätigt hat, der Fachmann nämlich erkennen, daß sich die Fehler in einem einfachen Straßensystem typisieren lassen und jedem Fehler eine bestimmte richtige Anweisung bei Wiederannäherung an die Fehlerstelle zugeordnet werden kann. So ist etwa in dem Fall, daß eine Anweisung zum Rechtsabbiegen nicht beachtet und statt dessen geradeaus weitergefahren wurde, nach dem Wenden bei Erreichen der versäumten Abbiegestelle mit einem Linksabbiegevorgang fortzufahren. Hierfür genügt es zwar nicht, gespeicherte Streckendaten abzuarbeiten, sondern das System muß, wie das Bundespatentgericht im Ansatz zutreffend ausgeführt hat, als "intelligentes" System ausgestaltet sein und aus den systemgemäß erfaßten Daten die "richtige", den gespeicherten binären Datengruppen nicht zu entnehmende Anweisung selbst errechnen können. Wie dies zu geschehen hatte, konnte der Fachmann auch ohne nähere Angaben in der Patentschrift erken-
nen. Voraussetzung war nämlich lediglich, nicht nur die Tatsache der Abweichung der eingeschlagenen Fahrtrichtung von der vorgegebenen festzustellen, sondern zusätzlich zu analysieren, welcher Art die Abweichung war (im vorstehenden Fall also anstatt rechts entweder geradeaus oder links oder gewendet), worauf die Beschreibung des Streitpatents in Sp. 2 Z. 10 - 12 unmittelbar hinweist und was mit den aus dem Stand der Technik bekannten Richtungsdetektoren ohne weiteres möglich war, und dem auf diese Weise klassifizierten Fehler die konkrete komplementäre "richtige" Anweisung zuzuordnen (im Beispielsfall entweder links oder geradeaus oder rechts). Eine derartige Auswertung und einen derartigen Vergleich in das System zu implementieren und das Ergebnis anzuzeigen, konnte dem Fachmann auch zum Prioritätszeitpunkt keine Schwierigkeiten bereiten.
2. Allerdings können - wie sich auch aus dem Gutachten des gerichtlichen Sachverständigen ergibt - Zweifel daran bestehen, daß die Erfindung, wie sie im Streitpatent beschrieben ist, marktreif war, so z.B. deshalb, weil, wie der gerichtliche Sachverständige eingehend dargelegt hat und wovon auch der Senat überzeugt ist, mit ihr nur Standardsituationen in einem einfachen Straßennetz bewältigt werden können. Das steht der Ausführbarkeit jedoch nicht entgegen (vgl. zur insoweit nicht abweichenden Rechtslage im Gebrauchsmusterrecht Sen.Beschl. vom 28.4.1999 - X ZB 12/98, GRUR 1999, 920 - Flächenschleifmaschine , vgl. weiter Benkard, EPÜ, Art. 83 Rdn. 49).
III. Es kann dahinstehen, ob der Gegenstand des Patentanspruchs 1 des Streitpatents durch die ursprüngliche Offenbarung in den Anmeldeunterlagen gedeckt ist. Wollte man die Auslegung des Bundespatentgerichts zugrunde legen, die sich maßgeblich auf die Überlegung stützt, daß sich das Streitpatent vom Stand der Technik abheben wolle, beständen diesbezüglich allerdings
schon deshalb Bedenken, weil ein konkreter Stand der Technik in den ur- sprünglichen Unterlagen noch nicht angegeben war und die Beschreibung insoweit erst nach dem Anmeldezeitpunkt ergänzt worden ist.
IV. Es kann dahinstehen, ob der Gegenstand des Patentanspruchs 1 des Streitpatents neu ist. Er beruht jedenfalls gegenüber dem nächstkommenden Stand der Technik, als den der Senat in Übereinstimmung mit der Technischen Beschwerdekammer des Europäischen Patentamts die britische Patentschrift 1 414 490 ansieht, von der auch das Streitpatent ausgeht, nicht auf erfinderischer Tätigkeit.
Die Abweichungen des Streitpatents gegenüber dieser Veröffentlichung beschränken sich - abgesehen von der für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit nicht bedeutsamen Frage, welche Mittel jeweils konkret beschrieben sind - auf die Merkmale (i) und (j). Dabei besteht der Unterschied hinsichtlich des Merkmals (i) lediglich darin, daß nach der britischen Patentschrift 1 414 490 allgemein ein Warnsignal erzeugt wird (s. z.B. Patentanspruch 1: "giving an error warning"; Patentanspruch 2: "where in the error warning includes an inhibit signal which stops further functioning"), während nach dem Streitpatent eine Anweisung zum Umkehren erteilt wird. Das ist nichts anderes als ein Warnsignal , jedoch verknüpft mit einem konkreteren Bedeutungsinhalt. Ein technischer Beitrag zur Lehre des Patents wird mit der Zuweisung eines besonderen Bedeutungsinhalts zu einem Warnsignal nicht geleistet; deshalb kann dieser (zudem hier sich ohne weiteres aufdrängende und - auch ohne druckschriftlichen Nachweis - naheliegende Bedeutungsinhalt, anstatt eines bloßen Alarms die entsprechende Anweisung zum Umkehren zu erteilen) zur Stützung der erfinderischen Tätigkeit nicht herangezogen werden (vgl. zur Problematik Sedlmair Mitt. 2002, 448, 450; Anders GRUR 2001, 555, 560; Melullis, Festschrift für Willi
Erdmann, 2002, 401, 418 f.; Keukenschrijver, Festschrift für Reimar König, 2003, 255 ff., 263 f.). Es kommt hinzu, daß auch die US-Patentschrift 3 505 749 das Alarmsignal mit einem Bedeutungsinhalt ("off-course-indicator" 46) verknüpft ; auch das belegt, daß ein Alarmsignal letztlich mit einem beliebigen Aussagegehalt verbunden werden kann.
Merkmal (j) besagt, daß dem Fahrer nach Rückkehr an den Ort, an dem der Fehler geschah, die richtige Anweisung erteilt wird.
Soweit dieses Merkmal die Möglichkeit umfaßt, daß das Fahrzeug zunächst an eine Stelle zurückgebracht wird, die vor der Fehlerstelle, d.h. der Stelle, an der die vorgesehene Anweisung nicht ausgeführt wurde, ist dies - auch in Zusammenschau mit den übrigen Merkmalen - durch die britische Patentschrift 1 414 490 zumindest nahegelegt, denn dort ist ausgeführt, daß der Fahrer, der erkennt, daß er den Richtungswechsel an der vorherbestimmten Stelle versäumt hat, nun die inkorrekte Strecke zurückverfolgen kann, bis er den vorgesehenen Abbiegevorgang durchführen kann, und dann über eine Wiederbetätigung die Datenaufzeichnungen reaktivieren kann, worauf die Einrichtung ihren Betrieb wieder aufnimmt (Beschreibung S. 2 Z. 47 - 55: "If the driver recognises that he has missed the turn at the preselected point, he may now retrace his incorrect route until he can make the appropriate turn and operate the reset-control to re-activate the recording of the verbal instructions and associated data signal, whereupon the equipment resumes its regular function" ). Dies läßt allenfalls offen, ob vorgesehen ist, auch die nicht befolgte Anweisung zu wiederholen oder erst mit der nächsten Anweisung einzusetzen. Der Fachmann sieht aber ohne weiteres, daß es eine deutliche Beeinträchtigung des Systems darstellt, wenn die nicht befolgte Anweisung nicht wiederholt wird, und wird deshalb die Möglichkeit ins Auge fassen, auch diese Anweisung,
die noch befolgt werden muß, zu wiederholen, d.h. die Aufzeichnung vor den Fehler zurückzusetzen. Das hat auch der gerichtliche Sachverständige in der mündlichen Verhandlung bestätigt. Damit ist jedenfalls eine von Patentanspruch 1 des Streitpatents erfaßte Lehre für den Fachmann naheliegend gewesen; dies führt dazu, das das Streitpatent mit Patentanspruch 1 in der Fassung der neuen europäischen Patentschrift keinen Bestand haben kann.
Soweit das Merkmal die Möglichkeit umfaßt, daß die "richtige" Anweisung nicht die Wiederholung der versäumten, sondern die sich aus dem Versäumen ergebende (komplementäre) Anweisung ist, wobei ersichtlich nur das Verhalten nach dem Umkehren gemeint sein kann, weil das Umkehrsignal bereits in Merkmal (i) enthalten ist (also z.B. bei Rechtsabbiegen anstelle von Linksabbiegen die Anweisung, nach dem Umkehren an der Fehlerstelle geradeaus zu fahren), ist es dem Fachmann ein Leichtes zu erkennen, daß jedem definierten Fahrfehler eine ebenso definierte "richtige" Anweisung zuzuordnen ist. Ebenfalls ohne weiteres erkennbar ist, daß die Zuordnung von Fahrfehlern und "richtigen" Anweisungen tabellarisch erfaßt werden kann und daß es lediglich der Analyse des Fahrfehlers bedarf, um diesem die richtige Anweisung zuzuordnen. Eine derartige Fehleranalyse sieht z.B. die vorveröffentlichte, ein besonderes Leitsystem bei der Zeitungszustellung betreffende US-Patentschrift 3 845 289 vor (Beschreibung Übersetzung S. 29 ff., 61 f., 74). Dem hoch qualifizierten Fachmann konnte zum Anmeldezeitpunkt des Streitpatents zugetraut werden, dieses Problem routinemäßig zu lösen. Die Mittel zur Umsetzung einer solchen Anweisung sind nicht Gegenstand der in der Patentschrift offenbarten Lehre, sondern bleiben dem Fachmann überlassen.
Die vom Streitpatent insoweit vorausgesetzte, im Stand der Technik so nicht angesprochene Darstellung der danach ermittelten "richtigen" Anweisung
bereitete ihm keinen besonderen Aufwand. Insoweit bot ihm die USPatentschrift 3 845 289 Anregungen, weil dort die Einzelheiten des Fehlers ausgedruckt und dem Fahrer mitgeteilt werden können (Beschreibung deutsche Übersetzung S. 61 f. = Patentschrift Sp. 26 Z. 53 ff.; S. 74 f. = Patentschrift Sp. 31 Z. 60 ff.). Demnach wird der nächste Ort angegeben, an dem der Fehler beseitigt werden kann ("giving the next location at which a recovery can be made" , Sp. 26 Z. 57/58). Ein weiterer Hinweis findet sich dort, wenn (Sp. 32 Z. 32 - 34 = Übersetzung S. 75 Z. 18 - 21) ausgeführt wird: "... the driver may, after aligning his vehicle with the location which has been printed ..."; demnach dient die ausgedruckte Ortsangabe hier als Richtungsanweisung, ohne allerdings notwendigerweise selbst eine solche darzustellen.
V. Patentanspruch 2 des Streitpatents fügt der Lehre des Patentanspruchs 1 nach den insoweit überzeugenden Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen den Einsatz eines Pulsgebers für die zurückgelegte Strecke hinzu, der z.B. in Form eines Radumdrehungszählers (Odometers) zum Stand der Technik gehörte (vgl. wiederum die US-Patentschrift 3 845 289). Eine erfinderische Leistung kann hierin auch in Kombination mit den Merkmalen des Patentanspruchs 1 nicht gesehen werden.
VI. 1. Der Berücksichtigung der hilfsweise verteidigten Fassungen des Patentanspruchs 1 des Streitpatents steht entgegen der Auffassung der Klägerin nicht entgegen, daß diese Einfügungen enthalten, die nicht in deutscher Sprache, sondern in der Verfahrenssprache Englisch erfolgt sind. Wie der Senat bereits vor längerer Zeit entschieden hat, ist es zwar möglich, ein europäisches Patent im Nichtigkeitsverfahren vor deutschen Gerichten auch dann durch eine in deutscher Sprache gehaltene einschränkende Neufassung der Patentansprüche beschränkt zu verteidigen, wenn Deutsch nicht die Verfah-
renssprache des Erteilungsverfahrens war (BGHZ 118, 121 - Linsenschleif- maschine). Der Patentinhaber ist jedoch nicht gehindert, die beschränkte Verteidigung durch eine eingeschränkte Neufassung des in der maßgeblichen Verfahrenssprache erteilten Patentanspruchs vorzunehmen (Sen.Urt. v. 8.6.1993 - X ZR 121/90, Schulte-Kartei 81-85 Nr. 151 - Schließvorrichtung/ locking device). Dem ist das Schrifttum einhellig gefolgt (Rogge in Benkard, PatG 9. Aufl. § 22 Rdn. 58a; ders. in Benkard, EPÜ, Art. 138 Rdn. 30, und in GRUR 1993, 284, 287; Schulte PatG 6. Aufl. § 81 Rdn. 127 f.; Schennen in Singer/Stauder EPÜ 2. Aufl., Art. 138 Rdn. 19; Keukenschrijver in Busse, PatG, 5. Aufl., Art. II § 6 IntPatÜG Rdn. 6; ders. GRUR 2001, 571, 575 und in Das Patentnichtigkeits- und Nichtigkeitsberufungsverfahren, 2003, Rdn. 164). Dabei ergibt sich die Verbindlichkeit der Fassung des europäischen Patents in der Verfahrenssprache auch für die nationalen Folgeverfahren aus Art. 70 Abs. 1 EPÜ (vgl. Rogge in Benkard EPÜ Art. 70 Rdn. 7). Die Bestimmung über die Gerichtssprache in § 184 GVG steht dem nicht entgegen, denn diese gilt nur, soweit sie nicht durch spezielle andere Regelungen durchbrochen wird, wie dies hier der Fall ist (vgl. Manfred Wolf in MünchKomm/ZPO 2. Aufl., § 184 GVG Rdn. 7; vgl. weiter zu der vergleichbaren Regelung der Amtssprache in § 126 PatG, Sen.Beschl. v. 19.11.2002 - X ZB 23/01, GRUR 2003, 226, 227 - Läägeünnerloage, zur Veröffentlichung in BGHZ 153, 1 vorgesehen).
2. Das nach Hilfsantrag 1 angefügte Merkmal
(k) wonach die Anweisung erteilt wird, bevor das Fahrzeug die Stelle, an der der Fehler unterlief, wieder erreicht, ist in den ursprünglichen Unterlagen nicht offenbart. Dem steht es nicht entgegen , daß, wie oben ausgeführt, der Fachmann in der Lage ist, eine solche Ausführungsform auf Grund der Offenbarung in den ursprünglichen Unterlagen
ohne erfinderisches Zutun zu entwickeln. Zwar ist der Offenbarungsbegriff grundsätzlich ein einheitlicher (vgl. Busse, PatG, 6. Aufl., § 3 Rdn. 92; zur früheren Rechtslage BGHZ 80, 323, 328 - Etikettiermaschine; zum Verhältnis Neuheitsprüfung - Identitätsprüfung zuletzt Sen.Urt. v. 14.10.2003 - X ZR 4/00 - elektrische Funktionseinheit, Umdruck S. 16, zur Veröffentlichung vorgesehen ). Allerdings darf die unterschiedliche Funktion der Offenbarung etwa im Kontext der Neuheitsprüfung, der Ausführbarkeitsprüfung, der Identitätsprüfung oder der Prüfung der Beschränkungsmöglichkeit nicht außer acht gelassen werden. Zwar hat der Senat - noch zu § 26 Abs. 4 PatG 1968 - als zur Beschränkung ausreichend eine solche Offenbarung verstanden, die eine Benutzung durch andere Sachverständige als möglich erscheinen läßt (BGHZ 111, 21, 26 - Crackkatalysator I). Er hat weiter - ebenfalls noch zur früheren Rechtslage - dahin erkannt, daß die Feststellung genüge, nach dem Gesamtinhalt der Beschreibung solle zumindest auch eine bestimmte Ausgestaltung der Erfindung geschützt sein (BGH, Beschl. v. 6.10.1994 - X ZB 4/92, GRUR 1995, 113 - Datenträger). Daran fehlt es hier jedoch. Es kann nämlich - anders als für die Bejahung der Ausführbarkeit (vgl. hierzu BGH, Beschl. v. 20.11.2001 - X ZB 3/00, Mitt. 2002, 176 - Gegensprechanlage) - für die Zulässigkeit einer Beschränkung auf eine bestimmte Ausführungsform nicht genügen, daß der Fachmann nicht durch die bloße Lektüre der Patentschrift, sondern erst dann zu dieser die Ausführung der Erfindung gestattenden Ausgestaltung kommt, wenn er sich nähere und weiterführende Gedanken über die Ausführbarkeit der Erfindung macht und dabei durch die Beschreibung nicht vermittelte Informationen mit seinem Fachkönnen aus seinem Fachwissen ergänzt, auch wenn dies erfinderische Überlegungen nicht erfordert. Die die Beschränkung ermöglichende Offenbarung muß vielmehr auch nach geltendem Recht ihre Stütze in einer dem Gesamtinhalt der maßgeblichen Unterlagen entnehmbaren bestimmten Ausgestaltung finden. Einen Hinweis darauf, die "richtige" Anweisung bereits
vor Erreichen der Fehlerstelle nach dem Umkehren zu erteilen, geben die ur- sprünglichen Unterlagen indessen ebensowenig wie das erteilte Patent; es fehlt vielmehr an jeglichem Hinweis auf diese Maßnahme. Damit kann sich der Beklagte auf einen solchermaßen eingeschränkt formulierten Gegenstand nicht zurückziehen.
3. Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 2 führt bestimmte allgemeine Begriffe (Speichermöglichkeiten bzw. -mittel; Möglichkeiten bzw. Mittel; Eingabemöglichkeiten bzw. -mittel), deren Ursprungsoffenbarung zweifelhaft ist, auf konkretere Begriffe, wie sie in den ursprünglichen Unterlagen genannt sind (punch card - Lochkarte, step up relay - Schrittschaltrelais) zurück. Damit versucht der Beklagte, Bedenken hinsichtlich der ursprünglichen Offenbarung Rechnung zu tragen, auf die es indessen wegen der mangelnden Patentfähigkeit des Gegenstands des Patentanspruchs 1 nicht ankommt. Daß sich aus der Rückführung auf die konkreteren Angaben eine andere Beurteilung der Schutzfähigkeit ergeben könnte, ist weder erkennbar noch geltend gemacht.
4. Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 3 kann jedenfalls aus den zu Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 1 genannten Gründen, die hier gleichermaßen zutreffen, nicht zum Erfolg führen.
C. Die Kostenentscheidung folgt aus dem nach Art. 29 des 2. PatG˜ndG für den vorliegenden Fall noch maßgeblichen § 110 Abs. 3 PatG in der vor Inkrafttreten des 2.PatGÄndG geltenden Fassung in Verbindung mit § 97 ZPO.
Melullis Keukenschrijver Mühlens
Meier-Beck Asendorf

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X ZR 4/00 Verkündet am:
14. Oktober 2003
Wermes
Justizhauptsekretär
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in der Patentnichtigkeitssache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ : nein
BGHR : ja
Elektronische Funktionseinheit
EPÜ Art. 87, 88
Priorität für einen Anspruch in einer europäischen Patentanmeldung
gemäß Art. 88 EPÜ kann nur dann in Anspruch
genommen werden, wenn der Fachmann den Gegenstand des Patentanspruchs
unter Heranziehung des allgemeinen Fachwissens
unmittelbar und eindeutig der früheren Anmeldung als
Ganzes entnehmen kann; es muß sich um dieselbe Erfindung
handeln. Für die Beurteilung der identischen Offenbarung
gelten die Prinzipien der Neuheitsprüfung.
BGH, Urt. v. 14. Oktober 2003 - X ZR 4/00 - Bundespatentgericht
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Ver-
handlung vom 22. Juli 2003 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Melullis, die
Richter Prof. Dr. Jestaedt und Scharen, die Richterin Mühlens sowie den Richter
Dr. Meier-Beck

für Recht erkannt:
Auf die Berufung der Klägerin wird unter Zurückweisung der Berufung der Beklagten das am 22. Juli 1999 verkündete Urteil des 3. Senats (Nichtigkeitssenats) des Bundespatentgerichts abgeändert : Das europäische Patent 0 624 272 wird mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland dadurch teilweise für nichtig erklärt, daß Patentanspruch 1 folgende Fassung erhält: "Elektrische Funktionseinheit (PC) und Röhrenbildschirmgerät (M) mit jeweiligen Anschlußpunkten für Verbindungsleitungen einer Standardschnittstelle (SS) zum Versorgen des Röhrenbildschirmgerätes mit für dessen grundlegende Funktion entsprechenden Signalen ausgehend von der elektrischen Funktionseinheit und aufeinander abgestimmten Mitteln (VC, PSBDC ) zur Übertragung einer Nachricht seitens der elektrischen Funktionseinheit an das Röhrenbildschirmgerät zur Steuerung des Röhrenbildschirmgeräts in einen Energiesparzustand d a d u r c h g e k e n n z e i c h n e t , daß die genannten Mittel der Standardschnittstelle zugeordnet sind und Einrichtungselemente zum Erzeugen, Übertragen und Auswerten der Nachricht umfassen, die Einrichtungselemente zum Erzeugen der Nachricht in der elektrischen Funktionseinheit angeordnet sind, die Einrichtungselemente zum Auswerten der Nachricht im Röhrenbildschirmgerät angeordnet sind und die Einrichtungselemente derart betrieben werden, daß zum Einstellen des Röhrenbildschirmgerätes in einen vorbestimmten Energiesparzustand eine kodierte Nachricht erzeugt und ausgewertet wird, wodurch das Röhrenbildschirmgerät zunächst einen ersten vorbestimmten Energiesparzustand und zu einem späteren Zeitpunkt einen zweiten vorbestimmten Energiesparzustand einnimmt, wobei die elektrische Funktionseinheit (PC) eine Einrichtung zum Abschalten der Funktion der Übertragung der den Energiesparzustand des Röhrenbildschirmgerätes (M) steuernden Nachricht (PSB) aufweist und die Einrichtung zum Abschalten der Funktion der Übertragung der den Energiesparzustand des Röhrenbildschirmgerätes (M) steuernden Nachricht (PSG) durch einen Benutzer des Steuergerätes (PC) wahlfrei bedienbar ist." Von den Kosten des Rechtsstreits haben die Beklagte 4/5 und die Klägerin 1/5 zu tragen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Die Beklagte ist eingetragene Inhaberin des am 25. Januar 1993 ange- meldeten und u.a. mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 0 624 272 (Streitpatents), für das die Prioritäten der deutschen Patentanmeldungen 42 02 793 und 42 02 794 sowie der deutschen Gebrauchsmuster-Anmeldung 92 01 166, jeweils vom 31. Januar 1992, in Anspruch genommen worden sind. Das Streitpatent, das eine "elektrische Funktionseinheit mit in Energiesparzustände schaltbarem Röhrenbildschirmgerät" betrifft und vom Deutschen Patent- und Markenamt unter der Nummer 593 00 827 geführt wird, umfaßt in der in der Verfahrenssprache Deutsch erteilten Fassung drei Patentansprüche. Patentanspruch 1 hat folgenden Wortlaut: "1. Elektrische Funktionseinheit (PC) und Röhrenbildschirmgerät (M) mit jeweiligen Anschlußpunkten für Verbindungsleitungen einer Standardschnittstelle (SS) zum Versorgen des Röhrenbildschirmgerätes mit für dessen grundlegende Funktion entsprechenden Signalen ausgehend von der elektrischen Funktionseinheit und mit aufeinander abgestimmten Mitteln (VC, PSB-DC) zur Übertragung einer Nachricht seitens der elektrischen Funktionseinheit an das Röhrenbildschirmgerät zur Steuerung des Röhrenbildschirmgerätes in einen Energiesparzustand,
d a d u r c h g e k e n n z e i c h n e t , daß
die genannten Mittel der Standardschnittstelle zugeordnet sind und Einrichtungselemente zum Erzeugen, Übertragen
und Auswerten der Nachricht umfassen, daß die Einrichtungselemente zum Erzeugen der Nachricht in der elektrischen Funktionseinheit und zum Auswerten der Nachricht im Röhrenbildschirmgerät angeordnet sind und daß die Einrichtungselemente derart betrieben werden, daß zum Einstellen des Röhrenbildschirmgerätes in einem vorbestimmten Energiesparzustand eine kodierte Nachricht erzeugt und ausgewertet wird, wodurch das Röhrenbildschirmgerät zunächst einen ersten vorbestimmten Energiesparzustand und zu einem späteren Zeitpunkt wenigstens einen zweiten vorbestimmten Energiesparzustand einnimmt."
Wegen des Wortlauts der auf Patentanspruch 1 unmittelbar oder mittelbar zurückbezogenen Patentansprüche 2 und 3 wird auf die Streitpatentschrift verwiesen.
Die Klägerin hat geltend gemacht, der Gegenstand des Streitpatents sei nicht patentfähig. Er sei gegenüber den ursprünglichen Anmeldungsunterlagen vom 25. Januar 1993 in unzulässiger Weise erweitert; denn dort sei nur "mindestens ein erster Energiesparzustand", nicht aber "ein erster und zu einem späteren Zeitpunkt wenigstens ein zweiter Energiesparzustand" offenbart. Darüber hinaus sei der Gegenstand des Streitpatents gegenüber der PCT-Anmeldung PCT/US 93/11579 (= WO 94/12969) mit der Priorität vom 2. Dezember 1992 nicht neu, da die Beklagte die Prioritäten vom 31. Januar 1992 zu Unrecht in Anspruch genommen habe.
Die Klägerin hat beantragt,
das europäische Patent 0 624 272 mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland für nichtig zu erklären.
Die Beklagte hat um Klageabweisung gebeten. Hilfsweise hat sie das Streitpatent mit vier Hilfsanträgen verteidigt.
Das Bundespatentgericht hat unter Abweisung der weitergehenden Klage das europäische Patent 0 624 272 teilweise für nichtig erklärt und das Streitpatent in der Fassung des 4. Hilfsantrages der Beklagten neu formuliert. Dagegen wenden sich die Berufungen beider Parteien. Die Beklagte beantragt,
unter Abänderung des Urteils des Bundespatentgerichts die Nichtigkeitsklage mit der Maßgabe abzuweisen, daß das Wort "wenigstens" im Patentanspruch 1 entfällt.
Hilfsweise verteidigt sie Patentanspruch 1 des Streitpatents mit sechs zum Teil neuen Hilfsanträgen.
Die Klägerin beantragt,
1. die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
2. unter Abänderung des angefochtenen Urteils das Streitpatent in vollem Umfang für nichtig zu erklären.

Die Beklagte bittet um Zurückweisung des gegnerischen Rechtsmittels.
Als gerichtlicher Sachverständiger hat Prof. Dr. techn. J. S.
, ein schriftliches Gutachten erstattet, das er in der mündlichen Verhandlung erläutert und ergänzt hat. Die Klägerin hat Gutachten des Prof. Dr.-Ing. N. F. , , und des Prof. Dr. H. M. , , vorgelegt.

Entscheidungsgründe:


Die zulässige Berufung der Klägerin hat zum Teil Erfolg. Sie führt unter Abänderung des angefochtenen Urteils zur weiteren Teilnichtigerklärung des Streitpatents; hingegen ist das Rechtsmittel der Beklagten unbegründet (Art. 138 Abs. 1 lit. a EPÜ, Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 1 IntPatÜG).

I.


1. Das Streitpatent betrifft eine elektrische Funktionseinheit und ein Röhrenbildschirmgerät , das in Energiesparzustände geschaltet werden kann. Diese etwa in Form von Personalcomputer (PC) und Monitor (M) bekannten Geräte laufen an Arbeitsplätzen meist im Dauerbetrieb, obwohl sie häufig nur zu einem Bruchteil der Betriebszeit benutzt werden. Dabei verbraucht der Monitor unnötig Strom und erzeugt Wärme. Neben den vermeidbaren höheren Energiekosten verursacht die mit der Verlustleistung verbundene Wärmebildung eine be-
schleunigte Alterung des Monitors und seiner Bestandteile und verringert damit die Lebensdauer des Gerätes. Der nachteilige Energieverbrauch bei Nichtgebrauch läßt sich durch Abschalten des Geräts vermeiden. Ein völliges Abschalten bei kürzeren Nutzungspausen verbietet sich aber deshalb, weil das zu einem häufigen Ab- und Anschalten des Bildschirms führt, das dessen Bauteile wiederum altern läßt. Die genannten Nachteile können deutlich gemildert werden , wenn der Monitor während der Nutzungspausen lediglich in Zustände mit geringerem Energieverbrauch geschaltet wird.
Die Streitpatentschrift schildert einleitend Möglichkeiten, den Monitor bei längeren Ruhephasen in einen Energiesparzustand zu schalten (Sp. 1 Z. 16 bis 23). Danach ist bei fest miteinander verbundenen Geräten eine Steuerung der Energiesparzustände wegen der genauen gegenseitigen Abstimmung der Geräte problemlos möglich, weil z.B. die Synchronisierungssignale des Monitors abgeschaltet werden können. Die für diese Lösung erforderliche feste Verbindung schließt es - wie sich aus der Kritik der Streitpatentschrift am Stand der Technik ergibt - jedoch aus, Funktionseinheit und Monitor - wie insbesondere im Personalcomputerbereich üblich - frei auszuwählen; deren Kombination ist vielmehr durch die Funktion vorgegeben. Bei einer "offenen Anordnung", bei der Geräte unterschiedlicher Hersteller mit einer Standardschnittstelle betrieben werden, kann eine solche Steuerung in einen Energiesparzustand über die Standardschnittstelle nicht durchgeführt werden, weil nicht zur Anordnung gehörende Monitore ein nicht synchronisiertes Flimmerbild erzeugen würden (Sp. 1 Z. 24 ff.).
Nach den weiteren Ausführungen der Streitpatentschrift (Sp. 1 Z. 35 ff.) ist aus der europäischen Offenlegungsschrift 0 456 923 ein Bildschirmanzeigesystem mit einer Recheneinheit bekannt, das außer der üblichen Schnittstelle
für den Monitor eine zusätzliche serielle Schnittstelle für kodierte Signale zwischen Rechner und Monitor aufweist. Diese Druckschrift behandelt ebenso wie die amerikanische Patentschrift 5,059,961, bei der eine Dunkelschaltung des Bildschirms über ein Zeitüberwachungssystem bewirkt wird, nicht das Problem der Steuerung des Monitors in einen vorgegebenen Energiesparzustand. Der aus dem Abstract der japanischen Offenlegungsschrift 1 269 979 bekannte Monitor besitzt zwar eine Wartestellungsfunktion, wobei in einer Tastatursignalleitung eine Signalauswertungsschaltung vorgesehen ist, über die mittels eines Unterbrechungsschalters die Stromversorgung des Monitors abgeschaltet wird. Durch die Totalabschaltung bzw. die Aus- und Einschaltzyklen unterliegen die Bauteile des Monitors aber einem erheblichen Verschleiß. Zudem besteht bei Aufrechterhaltung der Röhrenheizung die Gefahr einer "Kathodenvergiftung". Aus dem deutschen Gebrauchsmuster 90 12 582 und der britischen Offenlegungsschrift 2 007 471 ist bekannt, zur Steuerung einer Wartestellungsfunktion des Bildschirms die Leitungsverbindungen, insbesondere die Videosignalleitung , einer Standardschnittstelle zum Betreiben des Monitors zu benutzen. Dabei ist nur eine Dunkelsteuerung der Bildröhre möglich, wodurch zwar ein Einbrennen der Bildröhreninnenfläche verhindert, jedoch wegen des ansonsten vollen Betriebszustandes keine Schonung der Bauteile durch Leistungsreduzierung oder Abschaltung erreicht wird. Die deutsche Patentschrift 38 37 620 schließlich regelt die Dunkelschaltung des Bildschirms über einen Näherungsschalter , der die Steuerung einer Wartestellungsfunktion unabhängig von der eigentlichen Steuerung des Monitors ermöglicht, den vollen Betriebszustand aber beibehält, so daß auch hier keine Schonung der Bauteile durch Reduzierung der Leistung oder durch Abschaltung erreicht wird. 2. Daraus ergibt sich das dem Streitpatent in der erteilten Fassung zugrundeliegende technische Problem, mit einer elektrischen Funktionseinheit (PC) das über die Standardschnittstelle angeschlossene Röhrenbildschirmgerät
(M) (stufenweise) in einen ersten und zu einem späteren Zeitpunkt in einen zweiten Energiesparzustand steuern (und später komplett abschalten) zu können.
3. Dies wird gemäß Patentanspruch 1 mit folgenden Merkmalen erreicht:
1. Elektrische Funktionseinheit (PC) und Röhrenbildschirmgerät (M)
1.1 mit jeweiligen Anschlußpunkten für Verbindungsleitungen einer Standardschnittstelle (SS) zum Versorgen des Röhrenbildschirmgerätes mit für dessen grundlegende Funktion entsprechenden Signalen ausgehend von der elektrischen Funktionseinheit und 1.2 aufeinander abgestimmten Mitteln (VC, PSB-DC) zur Übertragung einer Nachricht seitens der elektrischen Funktionseinheit an das Röhrenbildschirmgerät zur Steuerung des Röhrenbildschirmgerätes in einen Energiesparzustand ; 2.1 die genannten Mittel sind der Standardschnittstelle zugeordnet und 2.2 umfassen Einrichtungselemente zum Erzeugen, Übertragen und Auswerten der Nachricht; 2.2.1 die Einrichtungselemente zum Erzeugen der Nachricht sind in der elektrischen Funktionseinheit angeordnet ,
2.2.2 die Einrichtungselemente zum Auswerten der Nach- richt sind im Röhrenbildschirmgerät angeordnet: 2.2.3 die Einrichtungselemente werden derart betrieben, daß zum Einstellen des Röhrenbildschirmgerätes in einen vorbestimmten Energiesparzustand eine kodierte Nachricht erzeugt und ausgewertet wird, 2.2.3.1 wodurch das Röhrenbildschirmgerät zunächst einen ersten vorbestimmten Energiesparzustand und zu einem späteren Zeitpunkt wenigstens einen zweiten vorbestimmten Energiesparzustand einnimmt.
Nach der von der Beklagten im Berufungsverfahren mit Hauptantrag verteidigten Fassung des Streitpatents ist in Merkmal 2.2.3.1 das Wort "wenigstens" gestrichen. 4. Die in Patentanspruch 1 des Streitpatents beschriebene Lehre betrifft die Realisierung einer Energiezustandssteuerung zur Bauteileschonung (nicht zur reinen Minimierung des Energieverbrauchs) über eine unveränderte Standardschnittstelle , wobei auch bei einer Kombination einer beliebigen elektrischen Funktionseinheit (PC) mit einem beliebigen Röhrenbildschirmgerät (M) ("offene" Anordnung) eine unbeeinträchtigte Nutzung der Grundfunktion der Bilddarstellung sichergestellt ist (Sp. 3 Z. 54 ff.). Die Zusatzfunktion der Energiezustandssteuerung wird dabei dadurch erreicht, daß sowohl die Funktionseinheit als auch der Monitor entsprechend der Lehre des Streitpatents modifiziert sind. Fehlt es daran bei einem der beiden zusammenwirkenden Geräte, verbleibt es bei den eine Schaltung in einen Energiesparzustand nicht ein-
schließenden Grundfunktionen, die insbesondere mit der Darstellung des jeweiligen Bildes auf dem Monitor jedoch uneingeschränkt zur Verfügung stehen. Bei der patentgemäßen Ausgestaltung ist darüber hinaus im Steuergerät und im Monitor eine Erweiterung der mit der Standardschnittstelle verbundenen Schaltungsteile vorgesehen, die eine Übertragung einer in der Funktionseinheit erzeugten, kodierten Nachricht zur Steuerung der Energiesparzustände erlaubt. Dabei werden die Mittel, die in der Funktionseinheit die Nachricht erzeugen, diese über die Standardschnittstelle übertragen und die im Monitor diese empfangen und auswerten, nur ihrer Funktion nach beschrieben. Die Lehre des Patentanspruchs 1 umfaßt alle möglichen Übertragungen über eine Standardschnittstelle. Als ein Beispiel der technischen Umsetzung dieser Informationsübertragung wird im beschreibenden Teil der Streitpatentschrift anhand der Zeichnung erläutert (Sp. 4 Z. 53 ff.), daß die die Standardschnittstelle ansteuernde Schaltung in der Funktionseinheit um einen Videocoder (VC) erweitert wird, der die Standardsignale (VS, HSYNC und VSYNC) so verändert, daß neben der Grundfunktion der Bilddarstellung auch eine Übertragung der zusätzlichen Nachricht ermöglicht wird. Als Beispiele werden das Einfügen der Nachricht während des Strahlrücklaufs (Austastlücke) und auch die vollständige oder teilweise Abschaltung der Synchronisierungssignale genannt. Die an der Standardschnittstelle angeschlossene Empfängerschaltung des Monitors wird um einen Power-Stand-By-Decoder (PSB-DC) erweitert, der die Nachricht aus den empfangenen Signalen herausfiltert (Sp. 5 Z. 6 ff.). Die Bauteile schonenden Energiesparzustände sind dahin beschränkt, daß der Monitor zunächst den ersten vorbestimmten Energiesparzustand und zu einem späteren Zeitpunkt einen zweiten vorbestimmten Energiesparzustand einnimmt. Dabei besteht die Möglichkeit, nach einer ersten Zeitspanne nur diejenigen Teile des Monitors abzuschalten, deren Abschaltung einem schnellen Wiederstart nicht entgegen-
steht. Nach einer zweiten Zeitspanne kann der Monitor dann "komplett abgeschaltet werden, womit eine einhundertprozentige Energieeinsparung erzielt wird" (Sp. 3 Z. 46 bis 53). Der Senat hat in der mündlichen Verhandlung mit den Parteien und dem gerichtlichen Sachverständigen den Begriff "Energiesparzustand" im Sinne der Lehre des Patentanspruchs 1 des Streitpatents vor allem im Hinblick auf den in Merkmal 2.2.3.1 vorgesehenen "zweiten vorbestimmten Energiesparzustand" eingehend erörtert. Nach den Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen geht der Senat davon aus, daß der hier einschlägige Fachmann, ein an einer Fachhochschule oder Universität ausgebildeter Diplom-Ingenieur der Elektrotechnik mit der Fachrichtung der Nachrichtentechnik (Informationstechnik ) und mehrjähriger Erfahrung in einem Entwicklungslabor, den Begriff "Energiesparzustand" im Sinne des Streitpatents von seiner Funktion her versteht: Es sollen jeweils nur diejenigen Bauteile des Monitors abgeschaltet werden, die schnell etwa durch eine Dateneingabe wieder zu aktivieren sind, wenn eine erneute Benutzung des Gerätes gewünscht wird. Demgegenüber wird das völlige Abschalten der Geräte, bei dem jede Energiezufuhr unterbrochen wird, als Grenzfall verstanden, der eher nicht unter den Begriff des Energiesparzustandes im Sinne des Streitpatents subsumiert wird, weil es ein mechanisches Einschalten des Geräts erfordert, eine erneute Aktivierung aber nicht durch bloße Benutzung zu erreichen ist. In diesem Verständnis bestätigt sieht sich der Fachmann dadurch, daß in Spalte 3 Zeilen 23 ff. der Streitpatentschrift ausgeführt wird, es solle die Möglichkeit bestehen, durch Aussenden einer Nachricht an den Monitor durch Leistungsreduzierung oder Abschaltung einen ersten und zu einem späteren Zeitpunkt einen zweiten vorgegebenen, möglichst viele Bauteile schonenden Energiesparzustand des Monitor zu steuern. Daraus entnimmt der Fachmann, daß der Monitor stufenweise heruntergefahren werden soll, aber gleichwohl eine schnelle Reaktivierungsmöglichkeit verbleiben soll,
um bei Bedarf eine bequeme Reaktivierung durch den Benutzer zu ermöglichen. Dies ist nur möglich, wenn eine Stand-By-Schaltung verbleibt. Dagegen spricht auch nicht die in der Streitpatentschrift genannte japanische Offenlegungsschrift 1 269 979. Auch bei dieser Vorrichtung wird, wie in der mündlichen Verhandlung mit Hilfe des gerichtlichen Sachverständigen klargestellt worden ist, der Monitor nicht vollständig abgeschaltet. Vielmehr wird das Gerät bei Nichtbenutzung bis zum Stand-By-Zustand mit dem Ziel heruntergefahren , es bei Erfordernis aktivieren zu können (S. 3 Abs. 2 und 3 der Übersetzung).

II.


1. Der Gegenstand des Streitpatents in der mit Hauptantrag verteidigten Fassung geht nicht über die Gesamtheit der Anmeldungsunterlagen in der ursprünglichen Fassung vom 25. Januar 1993 hinaus.
In Patentanspruch 1 der PCT-Anmeldung PCT/DE 93/00056 wird Schutz begehrt für eine Geräteanordnung bestehend aus einer elektrischen Funktionseinheit und einem Röhrenbildschirmgerät "mit jeweiligen Anschlußpunkten für Verbindungsleitungen einer Standardschnittstelle zum Versorgen des Röhrenbildschirmgerätes für dessen grundlegende Funktion mit entsprechenden Signalen ausgehend von der Funktionseinheit" (Merkmal 1.1) und "mit aufeinander abgestimmten Mitteln zur Übertragung einer Nachricht seitens der elektrischen Funktionseinheit an das Röhrenbildschirmgerät zur Steuerung des Röhrenbildschirmgerätes in einen Energiesparzustand" (Merkmal 1.2). Diese Geräteanordnung ist dadurch gekennzeichnet, "daß die Mittel Einrichtungselemente zur Erzeugung in der elektrischen Funktionseinheit (PC), zur Übertragung und zur Auswertung im Röhrenbildschirmgerät (M) der den Energiespar-
zustand des Röhrenbildschirmsgerätes (M) steuernden Nachricht (PSB) in kodierter Form umfassen" (Merkmale 2.1 - 2.2.3.). Nach der Beschreibung der PCT-Anmeldung wird durch diese Steuerung des Röhrenbildschirmgerätes in einen Energiesparzustand die Möglichkeit geschaffen, "nach einer ersten Zeitspanne nur diejenigen Teile des Röhrenbildschirmgerätes abzuschalten, die für einen schnellen Wiederstart nicht erforderlich sind. Damit ist ein Bauteile schonender Energiesparbetrieb möglich. Nach einer zweiten Zeitspanne kann das Röhrenbildschirmgerät dann komplett abgeschaltet werden, womit eine einhundertprozentige Energieeinsparung erzielt wird" (S. 3 Z. 20 bis 30). Als Ausführungsbeispiel dieser Lehre werden in den Figuren 1 bis 7 eine Standardschnittstelle SS bestehend aus drei Leitungsverbindungen beschrieben, von denen zwei für die Übertragung von Synchronisiersignalen HSYNC, VSYNC in X- bzw. Y-Richtung des Bildschirms des Monitors und die dritte für die Übertragung eines Videosignals VS dienen können. Es wird darauf hingewiesen, daß aber auch beliebig andere Standardschnittstellen denkbar sind (S. 4 Z. 33 bis S. 5 Z. 3). Nach dem Beispiel gemäß Figur 3 wird die Nachricht zur Steuerung des Energiesparzustandes des Monitors in kodierter Form auf den Leitungsverbindungen der Standardschnittstelle übertragen, wobei nach entsprechenden Veränderungen des Steuergerätes PC und des Monitors M beispielsweise die Nachricht während des Strahlrücklaufs (Austastlücke) eingefügt werden kann.
Nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung ist der Gegenstand des Patentanspruchs 1 des Streitpatents gegenüber der Offenbarung der PCT-Anmeldung jedenfalls nicht erweitert. Denn diese enthält ebenso wie Patentanspruch 1 des Streitpatents die Aussagen, daß eine Nachricht in der Funktionseinheit (PC) erzeugt, übertragen und im Röhrenbildschirmgerät (M) ausgewertet wird und daß diese Nachricht (PSB, Power Stand-By) den Energiesparzustand des Röhrenbildgerätes (M) in mehreren Stufen steuert. Der gerichtliche Sach-
verständige hat überzeugend ausgeführt, daß der einschlägige Fachmann den Begriff "Energiesparzustand" im Zusammenhang der genannten Beschreibungsstelle der PCT-Anmeldung (S. 3 Z. 20 bis 30) in einem allgemeinen Sinn als einen Bauteile schonenden Zustand versteht, in dem Energie gespart wird, wobei unterschiedliche Stufen des Energiesparens in diesem Begriff zusammengefaßt werden. Ausgehend von ihrer Funktion sehe der Fachmann, so der gerichtliche Sachverständige, auch eine komplette Abschaltung als Energiesparzustand im Sinne dieser Druckschrift an, wobei trotz des Hinweises, mit der kompletten Abschaltung des Röhrenbildschirmgerätes könne eine hundertprozentige Energieeinsparung erzielt werden (S. 3 Z. 29 f.), auch hier nur an ein Herunterfahren bis zur Stand-By-Position gedacht sei; denn auch bei der Lehre der PCT-Anmeldung gehe es um ein Bauteile schonendes Energiesparen mit der Möglichkeit eines bequemen und schnellen Wiederstarts. Ein völliges Abschalten schone Bauteile aber nicht.
2. Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 in der verteidigten Fassung ist aber nicht neu (Art. 52 EPÜ); er ist durch die PCT-Anmeldung PCT/US 93/11579 (= WO 94/12969) neuheitsschädlich getroffen, weil das Streitpatent die Prioritäten der deutschen Patentanmeldungen 42 02 793 und 42 02 794 sowie der deutschen Gebrauchsmuster-Anmeldung 92 01 166, jeweils vom 31. Januar 1992, nicht in Anspruch nehmen kann.

a) Art. 87 Abs. 1 EPÜ gewährt jedermann für die Anmeldung derselben Erfindung zum europäischen Patent während einer Frist von zwölf Monaten nach der Einreichung der ersten Anmeldung ein Recht auf Inanspruchnahme der Priorität (Prioritätsrecht). Priorität für einen Anspruch in einer europäischen Patentanmeldung gemäß Art. 88 EPÜ kann jedoch nur dann in Anspruch genommen werden, wenn der Fachmann den Gegenstand des Anspruchs unter
Heranziehung des allgemeinen Fachwissens unmittelbar und eindeutig der frü- heren Anmeldung als Ganzes entnehmen kann. Der Gegenstand der beanspruchten Erfindung muß im Prioritätsdokument identisch offenbart sein; es muß sich um dieselbe Erfindung handeln (EPA GBK - G 2/98 - GRUR Int. 2002, 80; EPA ABl. 1993, 40). Dabei ist die Offenbarung des Gegenstandes der ersten Anmeldung jedoch nicht auf die dort formulierten Ansprüche beschränkt; vielmehr ist dieser aus der Gesamtheit der Anmeldungsunterlagen zu ermitteln. Maßgeblich ist das Verständnis der Fachmanns zum Zeitpunkt der Einreichung der (prioritätsbeanspruchenden) europäischen Patentanmeldung. Für die Beurteilung der identischen Offenbarung gelten die Prinzipien der Neuheitsprüfung (EPA GBK - G 2/98 - GRUR Int. 2002, 80; EPA ABl. 1990, 250; EPA ABl. 1993, 40; vgl. auch Sen.Urt. v. 11.9.2001 - X ZR 168/98, BGHZ 148, 383 = GRUR 2002, 146 - Luftverteiler; Benkard/Ullmann/Grabinski, EPÜ, Art. 88 Rdn. 8).

b) Diese Voraussetzungen sind nicht gegeben. Die deutsche Patentanmeldung 42 02 793 betrifft wie das Streitpatent eine sog. offene "Geräteanordnung" , bei dem ein Steuergerät mit einem Röhrenbildschirmgerät über eine Standardschnittstelle verbunden ist. Diese Geräteanordnung ist dadurch gekennzeichnet , "daß zwischen dem Steuer- (PC) und dem Röhrenbildschirmgerät (M) Mittel für eine von der Funktion der Standardschnittstelle (SS) unabhängige Übertragung einer die Wartestellungsfunktion des Röhrenbildschirmgerätes (M) steuernden Nachricht (PSB) seitens des Steuergerätes (PC) an das Röhrenbildschirmgerät (M) vorgesehen sind". Über die Ausgestaltung der Nachricht oder die Wartestellungsfunktion enthält die Patentanmeldung allerdings keine expliziten Informationen. Zwar wird einleitend in der Beschreibung (S. 1 Z. 9 ff.) auf die Notwendigkeit hingewiesen, den Energieverbrauch während der Benutzungspausen zu reduzieren. Jedoch wird in der Patentan-
meldung nur von einer "Wartestellung", die nach den Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen inhaltlich dem in der Streitpatentschrift offenbarten "Energiesparzustand" entspricht, und von einer "Wartestellungsfunktion" gesprochen. In der Beschreibung heißt es, Aufgabe der Erfindung sei, "eine Geräteanordnung der eingangs genannten Art anzugeben, bei der die Möglichkeit besteht, seitens des Steuergerätes die Wartestellungsfunktion des Röhrenbildschirmgerätes zu steuern, ohne daß damit die Verwendung der Einzelgeräte auf eine Anordnung beschränkt ist, bei der sowohl das Steuergerät die Wartestellung des Röhrenbildschirmgerätes steuern kann, als auch das Röhrenbildschirmgerät bezüglich einer Wartestellungsfunktion steuerbar ist" (S. 2 Z. 1 bis 9). Zum Ausführungsbeispiel in Figur 1 wird ausgeführt, daß eine zur Steuerung der Wartestellungsfunktion des Monitors M maßgebende Nachricht seitens des Steuergerätes PC an den Monitor M unabhängig von der Standardschnittstelle SS auf der Leitungsverbindung ZV übertragen werden kann und der Monitor M auf Grund der Nachricht nach Ablauf einer vorgegebenen Zeitspanne in eine Wartestellung schaltet (S. 3 Z. 27 bis 34). In Figur 3, die dem einzigen Ausführungsbeispiel der Streitpatentschrift entspricht, wird die Nachricht zur Steuerung der Wartestellungsfunktion des Monitors M in kodierter Form auf den Leitungsverbindungen der Standardschnittstelle SS übertragen, so daß außer den Leitungsverbindungen der Standardschnittstelle SS keine weiteren Leitungsverbindungen benötigt werden (S. 4 Z. 10 ff.). Dazu ist das Steuergerät mit einem Videocoder VC ausgestattet, der die Nachricht kodiert und in das Videosignal integriert. Der Monitor M weist einen "Power-Stand-By"-Decoder PSB-DC auf, der aus den übertragenen Signalen eine für die Steuerung der Wartestellungsfunktion maßgebende Nachricht PSB herausfiltert. Als vorteilhaft wird geschildert, wenn die Steuereinheit eine Einrichtung zum Abschalten der den PSB-Decoder steuernden Funktion aufweist, die z.B. von einem Benutzer des Steuergeräts wahlfrei bedient werden kann (S. 4 Z. 32 bis 38).
Nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung, insbesondere den ergänzenden und klarstellenden Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen , ist der Senat davon überzeugt, daß die deutsche Patentanmeldung 42 02 793 dem einschlägigen Fachmann explizit nur eine Wartestellung offenbart. Dieser hatte auch keine Veranlassung, aus der ausdrücklichen Erwähnung einer eine Wartestellung bzw. Wartestellungsfunktion steuernden Nachricht auf mehrere mögliche Nachrichten und mehrere Wartestellungen zu schließen. Ein Hinweis in dieser Richtung ergibt sich weder aus dem Wortlaut der Ansprüche und der Beschreibung der Patentanmeldung noch aus einer speziellen Interpretation der Fachbegriffe "Nachricht" und "Wartestellungsfunktion". Zwar ist nach Auffassung des gerichtlichen Sachverständigen das Ein- und Ausschalten des Monitors als Teil der Wartestellungsfunktion anzusehen und in den Unteransprüchen 9 und 10 auch ausdrücklich erwähnt. Mehrere Zustände seien auch denkbar, etwa bei Benutzung der in dem Ausführungsbeispiel Figur 3 ausdrücklich genannten SYNC-Signale. Zwingend sei dies für den Fachmann aber nicht und auch nicht aus der Patentanmeldung zu entnehmen.
Die Patentanmeldung 42 02 794, die ein Röhrenbildschirmgerät betrifft, und das deutsche Gebrauchsmuster 92 01 166, das eine elektrische Funktionseinheit zum Gegenstand hat, kommen für die Beurteilung der Priorität nicht in Betracht, weil sie ebenfalls nicht dieselbe Erfindung wie das Streitpatent betreffen.
c) Die von der Klägerin allein entgegengehaltene PCT-Anmeldung PCT/US 93/11579 (= WO 94/12929), die am 9. Juni 1994 nach dem Anmeldetag des Streitpatents veröffentlicht worden ist, ist bei der Neuheitsprüfung des Streitpatents als Stand der Technik zu berücksichtigen (Art. 54 Abs. 2 und 3
EPÜ), weil sie wirksam die Priorität der US-Anmeldung 07/984,370 vom 2. Dezember 1992 in Anspruch genommen hat.
Auf Grund der eingehenden Erörterung in der mündlichen Verhandlung sieht der Senat als erwiesen an, daß die PCT/US 93/11579, die ein "Stand-BySystem mit niedrigem Energieverbrauch für einen Monitor" betrifft, alle Merkmale des Patentanspruchs 1 des Streitpatents in der verteidigten Fassung des Hauptantrages neuheitsschädlich vorwegnimmt. Diese Druckschrift befaßt sich mit einem Computer, der über eine beliebige Schnittstelle und ein Kabel mit einem Monitor verbunden ist, wobei der Computer horizontale SYNC- (HSYNC) und vertikale SYNC- (VSYNC) sowie Videosignale an den Monitor sendet, um dort ein Bild herzustellen. Bei Bedarf kann der Monitor in unterschiedliche Energieverbrauchszustände (Energiesparzustände) geschaltet werden. Für die Steuerung dieser Zustände werden zunächst die Zeiten der Inaktivität seit der letzten Aktivität des Benutzers gemessen. Die Steuerung erfolgt sodann durch Signale über eine Standardschnittstelle (VGA-Kabel) an den Monitor. Nach dem Ausführungsbeispiel 2 B sind zwei Energiesparzustände vorgesehen. Durch Abschalten von Schaltkreisen wird in einem ersten Schritt (Niveau Zwei der Signalleitung ) der Energieverbrauch des Bildschirms um 80 bis 90 % reduziert und sodann der Verbrauch in einem zweiten Schritt (Niveau Eins) durch weiteres Abschalten mit Ausnahme des Microcontrollers um mehr als 90 % abgesenkt (S. 9 Abs. 1 der Übersetzung).

III.

Patentanspruch 1 des Streitpatents ist auch in den Fassungen der Hilfsanträge 1, 3 a, 3 b und 4 nicht patentfähig.
1. Von Patentanspruch 1 in der Fassung des Hauptantrages unterscheidet sich Hilfsantrag 1 lediglich durch folgenden (markierten) Zusatz zu Merkmal 2.2.3.1: "wodurch das Röhrenbildschirmgerät zunächst in einen ersten vorbestimmten Energiesparzustand und zu einem späteren Zeitpunkt einen zweiten vorbestimmten Energiesparzustand einnimmt , der ein Abschaltzustand sein kann".
Hilfsantrag 1 enthält damit keine Beschränkung des Gegenstandes des Patentanspruchs 1 gegenüber der Fassung des Hauptantrages. Vielmehr wird der zweite Energiesparzustand nur erläuternd in einer Form beschrieben, die den Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen zufolge in Merkmal 2.2.3.1 der verteidigten Fassung enthalten ist. Wie bereits oben ausgeführt, versteht der einschlägige Fachmann das Abschalten des Monitors als Grenzfall des Energiesparzustandes. Entscheidend kommt hinzu, daß die Erläuterung lediglich eine mögliche Ausführungsform beschreibt, die wiederum nicht ausschließt , daß der weite Zustand auch ein bloßer Stand-By-Zustand und damit eine zweite Wartestellung sein kann. Damit gelten für die rechtliche Bewertung die gleichen Grundsätze wie für den Hauptantrag, von dem sich der erste Hilfsantrag insoweit sachlich nicht unterscheidet.
2. Nach Hilfsantrag 3 a erhält Merkmal 2.2.3 folgende Fassung:
"und die Einrichtungselemente derart betrieben werden, daß zum Einstellen des Röhrenbildschirmgerätes in einen vorbestimmten Energiesparzustand eine von der Funktion der Standardschnittstelle (SS) unabhängige kodierte Nachricht erzeugt , übertragen und ausgewertet wird, wobei zur Auswer-
tung der an den Monitor (M) übertragenen Nachricht der Monitor (M) einen Decoder (PSB-DC) aufweist, der durch vollständigen oder teilweisen Entzug der SYNC-Signale aktiviert wird".
Es kann dahinstehen, ob diese Ergänzung des Merkmals mangels Bestimmtheit unzulässig ist. Jedenfalls ist Patentanspruch 1 in dieser beanspruchten Fassung nicht offenbart. Zwar wird in der Beschreibung des Streitpatents (Sp. 5 Z. 6 bis 14) und der internationalen Anmeldung PCT/DE 93/00056 (S. 6 Z. 19 bis 25) ein Monitor dargestellt, der einen "Power-StandBy" -Decoder (PSB-DC) aufweist. Dieser soll zum einen in der Lage sein, aus den übertragenen Signalen eine für die Steuerung des Energiesparzustandes maßgebende Nachricht PSB herauszufiltern. Zum anderen soll er durch vollständiges oder teilweises Abschalten der SYNC-Signale dazu veranlaßt werden können, einen "Power-Stand-By"-Zustand zu aktivieren. Nicht offenbart ist hingegen , daß zur Steuerung der Energiesparzustände eine von der Funktion der Standardschnittstelle unabhängige kodierte Nachricht erzeugt werden soll und daß der Decoder durch vollständigen oder teilweisen Entzug der SYNC-Signale aktiviert werden soll.
3. Hilfsantrag 3 b ergänzt Merkmale 2.2.3 und 2.2.3.1 wie folgt: "und die Einrichtungselemente derart betrieben werden, daß zum Einstellen des Röhrenbildschirmgerätes in einen vorbestimmten Energiesparzustand eine kodierte Nachricht in Form von vollständigem oder teilweisem Entzug der SYNC-Signale erzeugt, von der Funktion der Standardschnittstelle (SS) unabhängig übertragen und ausgewertet wird, wobei zur Aus-
wertung der an den Monitor (M) übertragenen Nachricht der Monitor (M) einen Decoder (PSB-DC) aufweist 2.2.3.1. und infolge der Nachricht das Röhrenbildschirmgerät zunächst in einen ersten vorbestimmten Energiesparzustand und zu einem späteren Zeitpunkt in einen zweiten vorbestimmten Energiesparzustand steuert".
Der Hilfsantrag ist zulässig. Patentanspruch 1 in der Fassung dieses Hilfsantrages ist in der Streitpatentschrift (Sp. 5 Z. 6 bis 14) und in der internationalen Anmeldung PCT/DE 93/00056 (S. 6 Z. 19 bis 25) offenbart. Danach kann die kodierte Nachricht, welche die beiden Energiesparzustände steuert, in Form von vollständigem oder teilweisem Entzug der SYNC-Signale erzeugt, von der Funktion der Standardschnittstelle unabhängig übertragen und von einem PSB-Decoder des Monitors mit der Folge ausgewertet werden, daß das Röhrenbildschirmgerät zunächst in einen ersten vorbestimmten Energiesparzustand und zu einem späteren Zeitpunkt in einen zweiten vorbestimmten Energiesparzustand gesteuert wird. Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 in der Fassung des Hilfsantrags 3 b ist aber ebenfalls nicht neu. Auch er kann die Priorität der deutschen Patentanmeldung 42 02 793 nicht in Anspruch nehmen, weil durch ihn - anders als in der Patentanmeldung - zwei Energiesparzustände beansprucht werden. Neuheitsschädlich steht damit auch ihm die internationale Anmeldung PCT/US 93/11579 entgegen. Wie bereits oben dargestellt, offenbart diese ein System für einen Universalrechner, welcher mit Hilfe der SYNC-Signale dem Monitor signalisiert , verschiedene Zustände anzunehmen, wobei in einem Ausführungsbeispiel zwei Sparzustände genannt werden (S. 9 Abs. 1 der Übersetzung). Das System umfaßt Zeitmeßmittel zur Messung von Perioden der Inaktivität sowie
"Mittel zum Abschalten der Synchronisation für die Unterbrechung von wenigstens einem der beiden Signale HSYNC und VSYNC zum Monitor in Abhängigkeit der Überlaufzustände der Zeitmeßmittel" (S. 3 Abs. 2 der Übersetzung). Bei einer bevorzugten Ausführungsform wird geschildert, daß das Signal zum Bildschirm auf der Unterbrechung eines der beiden HSYNC- oder VSYNC-Signale basiert (S. 6 Abs. 1 der Übersetzung). Damit nimmt diese Druckschrift die mit Hilfsantrag 3 b beanspruchten Merkmale vorweg. Auf mögliche Bedenken gegenüber dem in dieser Fassung des Anspruchs enthaltenen Merkmal, "von der Standardschnittstelle unabhängig", auf dessen Aufnahme die Beklagte hilfsweise verzichtet hat, kommt es daher in diesem Zusammenhang nicht an.
4. Nach Hilfsantrag 4 wird der Gegenstand des Patentanspruchs 1 in der Fassung des Hauptantrags durch Merkmal 3 in folgender Fassung ergänzt:
"wobei die Nachricht zur Steuerung des Energiesparzustandes des Monitors (M) in kodierter Form auf den Leitungsverbindungen für das Videosignal (VS) und für die beiden Synchronisiersignale (HSYNC und VSYNC) der Standardschnittstelle (SS) übertragen wird."
Mit diesem Hilfsantrag wird eine spezielle Übertragungsart zum Gegenstand des Patentanspruchs 1 des Streitpatents gemacht. Dieser Gegenstand ist jedenfalls in Figur 1 der Streitpatentschrift und in Figur 3 der internationalen Anmeldung PCT/DE 93/00056 offenbart. Da auch hier zwei Energiesparzustände beansprucht werden, kann er ebenfalls die Priorität der deutschen Patentanmeldung 42 02 793 nicht für sich in Anspruch nehmen. Auch dieser Fassung des Patentanspruchs 1 steht die internationale Anmeldung PCT/US 93/11579 neuheitsschädlich entgegen. Diese bereits genannte Druck-
schrift schildert ein Stand-By-System mit niedrigem Energieverbrauch für einen Monitor, bei dem die Nachricht zur Steuerung der Energiesparzustände des Monitors über die Leitungsverbindungen für das Videosignal und für die SYNCSignale der Standardschnittstelle übertragen werden können (S. 10 der Übersetzung und Fig. 3).

IV.


Bestand hat Patentanspruch 1 des Streitpatents hingegen in der Fassung des 5. Hilfsantrages, bei dem der Fassung des Hauptantrages die weiteren Merkmale 3 und 4 mit folgendem Wortlaut angefügt sind:
"3. wobei die elektrische Funktionseinheit eine Einrichtung zum Abschalten der Funktion der Übertragung der den Energiesparzustand des Röhrenbildschirmgerätes (M) steuernden Nachricht (PSB) aufweist
4. und die Einrichtung zum Abschalten der Funktion der Übertragung der den Energiesparzustand des Röhrenbildschirmgerätes (M) steuernden Nachricht (PSB) durch einen Benutzer des Steuergerätes (PC) wahlfrei bedienbar ist."
Diese Fassung beschränkt den Gegenstand des Patentanspruchs 1 durch kumulative Aufnahme der in den Patentansprüchen 2 und 3 der erteilten Fassung beanspruchten Ausführungsbeispiele. Danach soll die Funktion der Übertragung der den Energiesparzustand des Monitors steuernden Nachricht mit einer Einrichtung des Computers abgeschaltet (Merkmal 3) und ferner dem Benutzer die Möglichkeit eröffnet werden, die Einrichtung zum Abschalten
wahlfrei zu bedienen. Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 in dieser Fas- sung ist auch nicht unzulässig gegenüber der PCT-Anmeldung 93/00056 erweitert , weil der Gegenstand der Unteransprüche 2 und 3 der erteilten Fassung in den Unteransprüchen 9 und 10 der ursprünglichen Fassung enthalten und in der Anmeldung (S. 6 Z. 24 ff.) beschrieben ist. In der Fassung des Hilfsantrages 5 kann Patentanspruch 1 ebenso wie die erteilte Fassung des Streitpatents die Priorität der deutschen Anmeldung 42 02 793 nicht für sich in Anspruch nehmen, weil anders als bei dieser zwei Energiesparzustände vorgesehen sind. Patentanspruch 1 in der Fassung des Hilfsantrages 5 ist aber gegenüber der bereits erwähnten internationalen Anmeldung PCT/US 93/11579 neu (Art. 52 EPÜ). Diese Druckschrift schildert alternative Ausführungsbeispiele, die es dem Benutzer erlauben, die Steueroperation über Befehlsschritte, wie z.B. Menüs, Dialogboxen oder Kommandozeilen zu steuern. Solche Steuerungen können das bewußte Abschalten der Bildschirmenergie durch Drücken einer "Spezialtaste", durch Eingabe einer Kommandozeile oder eines anderen Programmschnittstellenschritts , einschließen. Andere Eigenschaften können dem Benutzer erlauben, die Ruhezeit, die benötigt wird, um das Bildschirmenergieemanagement (MPM) auszulösen, zu verändern und die MPM-Überwachung ein- oder auszuschalten. Die internationale Anmeldung offenbart damit zwar Mittel, auf die Zeitdauer einzuwirken, die Ruhezeit, die benötigt wird, um das Bildschirmenergiemanagement auszulösen, zu verändern, sowie Mittel, um die MPM-Überwachung ein- und auszuschalten. Die Druckschrift enthält aber keinen Hinweis dahin, das den Energiezustand im Monitor steuernde Signal bei seinem Entstehen durch Einrichtungen in der elektrischen Funktionseinheit abzuschalten und die Einrichtung hierfür durch den Benutzer wahlfrei bedienbar zu machen.
Patentanspruch 1 in der vorliegenden Fassung beruht auch auf erfinderi- scher Tätigkeit (Art. 56 EPÜ). Das Patentamt und das Bundespatentgericht haben dies festgestellt. Entgegenstehenden Stand der Technik haben die Parteien nicht in das Verfahren eingeführt.

V.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 92 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO, 110 Abs. 3 PatG.
Melullis Jestaedt Scharen
Mühlens Meier-Beck

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X ZR 107/04 Verkündet am:
30. Januar 2008
Potsch
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in der Patentnichtigkeitssache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Betonstraßenfertiger
EPÜ Art. 87 Abs. 1, 88 Abs. 4
Der wirksamen Inanspruchnahme des Prioritätsrechts steht es nicht entgegen, dass
in dem auf die Nachanmeldung erteilten Patent eine technische Wirkung beansprucht
ist, die in der Prioritätsanmeldung nicht angegeben ist, wenn die Erzielung der Wirkung
aus der Sicht des Fachmanns bei der Nacharbeitung der offenbarten Erfindung
selbstverständlich erscheint.
BGH, Urt. v. 30. Januar 2008 - X ZR 107/04 - Bundespatentgericht
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 30. Januar 2008 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Melullis und die
Richter Keukenschrijver, Prof. Dr. Meier-Beck, Asendorf und Gröning

für Recht erkannt:
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 11. Mai 2004 verkündete Urteil des 3. Senats (Nichtigkeitssenats) des Bundespatentgerichts abgeändert: Das europäische Patent 0 756 654 wird mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland für nichtig erklärt, soweit es über folgende Fassung seiner Patentansprüche hinausgeht: 1. Maschine (1) zum Planieren von Beton, bei der ausgeschütteter Beton über eine vorherbestimmte Breite verteilt wird und wobei dieser Beton in einer bestimmten Höhe abgestrichen wird, wobei die Maschine (1) in der Breite einstellbar ist und einen Wagen (45) umfasst, der eine Hin- und Herbewegung in der Breite ausführen kann, indem er über eine Führung bewegt wird, wobei an dem Wagen (45) ein Polierteil (57) angebracht ist und wobei die Länge der Führung in Abhängigkeit von der erforderlichen Arbeitsbreite verstellt werden kann, d a d u r c h g e - k e n n z e i c h n e t , dass die Führung eine Schienenkonstruktion (36) ist, die aus zwei teleskopisch ineinander verschiebbaren Schienenkonstruktionsteilen (26, 27) besteht, die jeweils an Säulen (10) befestigt sind, unter denen die Raupen (11) der Fortbewegungsmittel der Maschine (1) angebracht sind, dass jedes der Schienenkonstruktionsteile (26, 27) mit Rippen (37, 38; 39, 40) versehen ist, mit denen Laufräder (41-44) zusammenwirken können, die zu diesem Zweck an der Unterseite und der Oberseite des Wagens (45) angebracht sind, und dass jedes der Laufräder (41-44) zwei nebeneinander angeordnete Umfangsnuten (46, 47) aufweist, die mit den Rippen (37, 38) des einen Schienenkonstruktionsteils (26), bzw. mit den Rippen (39, 40) des anderen Schienenkonstruktionsteils (27) zusammenwirken können, so dass der Wagen (45) eine kontinuierliche Bewegung über die gesamte Länge der Schienenkonstruktion (36) vollziehen kann, ohne dass der Übergang oder Übergänge zwischen den verschiedenen Teilen der teleskopischen Führung (26, 27) ein Hindernis darstellen. 2. Maschine nach Anspruch 1, d a d u r c h g e k e n n z e i c h - n e t , dass der Wagen (45) mit einem Motor (48) ausgestattet ist, der ein Kettenrad (49) antreibt, das über eine Kette (50) läuft, wobei diese Kette (50), einerseits und anderseits, an den Schienenkonstruktionsteilen (26, 27) befestigt ist, so dass der Wagen (45) mittels des Motors (48) und durch das Verrollen des Kettenrads (49) entlang der Schienenkonstruktion (36) hinund herbewegt werden kann. 3. Maschine nach Anspruch 1, d a d u r c h g e k e n n z e i c h - n e t , dass das Polierteil (57) und spezieller die Polierplatte (16) in einem Winkel eingestellt werden können. 4. Maschine nach Anspruch 3, d a d u r c h g e k e n n z e i c h - n e t , dass das Polierteil (57) mittels eines nach unten hängenden Hebels (68) am Wagen (45) befestigt ist, welcher Hebel mittels eines horizontalen Drehzapfens (69) schwenkbar am Wagen (45) angebracht ist, dass dieser Hebel (68) an seinem freien unteren Ende frei drehbar mittels eines Zapfens (70) mit nach unten gerichteten Armen (71, 72) verbunden ist, die in Bezug zueinander einen stumpfen Winkel bilden und unter denen die Polierplatte (16) montiert ist und dass die Polierplatte (57) mit einem Antrieb versehen ist, der den Hebel (68) um den Zapfen hin- und herschwenkt. 5. Maschine nach einem der Ansprüche 1 bis 4, d a d u r c h g e k e n n z e i c h n e t , dass das Polierteil (57) mit einer Polierplatte (16) versehen ist, die hin- und herschwenkt, wobei die Polierplatte (16) so aufgehängt ist, dass sie frei verschiebbar ist, vorzugsweise mittels koaxial angebrachter Stangen (75, 76), die mit der Polierplatte (16) verbunden sind und die in Buchsen (73, 74) frei verschiebbar sind. 6. Maschine nach einem der Ansprüche 1 bis 5, d a d u r c h g e k e n n z e i c h n e t , dass das Polierteil (57) mit einer Polierplatte (16) versehen ist, deren Gewicht mittels einer darüber montierten Zugfeder (81) etwas kompensiert wird.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des ersten Rechtszugs werden gegeneinander aufgehoben , die des Berufungsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Die Beklagte ist eingetragene Inhaberin des am 11. April 1995 unter Inanspruchnahme der Priorität der belgischen Patentanmeldung 94 00 398 vom 19. April 1994 angemeldeten, in der Verfahrenssprache Englisch mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 0 756 654 (Streitpatents). Es umfasst nach der im europäischen Einspruchsverfahren aufrechterhaltenen Fassung 15 Patentansprüche, deren erster lautet: "1. Machine for levelling concrete, of the type whereby poured concrete (2) is spread over a predetermined width and whereby this concrete (2) is skimmed off at a certain height, said machine (1) being adjustable in width and contains an element which can make a to- and-fro-movement in the width by being moved over a guide (36), c h a r a c t e r i s e d i n that the length of said guide (36) can be telescopically adjusted as a function of the required working width of the machine, whereby said element can make a continuous movement over the entire length of the guide (36) without the transition or transitions between the different telescopic guide parts (26, 27) being an obstacle."
2
Die Klägerin hat mit ihrer Nichtigkeitsklage geltend gemacht, der Gegenstand des Streitpatents sei nicht patentfähig. Ihm fehle es an der Neuheit, und zwar infolge offenkundiger Vorbenutzung durch die Ausstellung des Betonstraßenfertigers "D. Paver 2500" - dessen Übereinstimmung mit der patentierten Erfindung die Beklagte nicht in Abrede stellt - auf der INTERMATMesse in Paris vom 19. bis 24. April 1994. Die Priorität der belgischen Patentanmeldung 94 00 398 könne die Beklagte ni cht in Anspruch nehmen. Außerdem hat die Klägerin fehlende erfinderische Tätigkeit geltend gemacht und sich dafür unter anderem auf folgende Druckschriften gestützt: US-Patentschrift 3 970 405 (D 1) US-Patentschrift 4 446 757 (D 4) US-Patentschrift 5 061 115 (D 7) US-Patentschrift 4 392 574 (D 8) deutsche Offenlegungsschrift 21 38 923 (D 9).
3
Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und das Streitpatent hilfsweise beschränkt verteidigt.
4
Durch das angefochtene Urteil hat das Bundespatentgericht das Streitpatent in vollem Umfang für das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland für nichtig erklärt.
5
Mit ihrer Berufung, deren Zurückweisung die Klägerin beantragt, verteidigt die Beklagte das Streitpatent beschränkt mit den aus dem Tenor ersichtlichen Ansprüchen; im Übrigen verfolgt sie ihren erstinstanzlichen Klageabweisungsantrag weiter.
6
Die Klägerin stützt sich für ihren Antrag auf Zurückweisung der Berufung ergänzend auf das belgische Patent 882 845.

Entscheidungsgründe:


7
Die Berufung, die das Streitpatent in zulässiger Weise beschränkt verteidigt , hat Erfolg; lediglich in dem Umfang, in dem das Schutzrecht nicht mehr verteidigt wird, ist es - ohne weitere Sachprüfung - für nichtig zu erklären (st. Rspr., vgl. BGHZ 170, 215 - Carvedilol II).
8
I. Das Streitpatent bezieht sich in seiner verteidigten Fassung auf eine Betonplaniermaschine (auch: Betonstraßen- oder Gleitschalungsfertiger), die mit einer Poliervorrichtung zum Glätten des verarbeiteten Betons versehen ist. Solche mobilen Maschinen sind der Streitpatentschrift zufolge zum Zwecke der Herstellung von Betonfahrbahnen an ihrer Unterseite mit Werkzeugen versehen , um den vor die Maschine gegossenen Beton mehr oder weniger zu planieren (in der Höhe abzustreichen), zu rütteln und schließlich zu glätten (in der Diktion des Streitpatents: zu polieren), so dass nach der Durchfahrt der Maschine eine Fahrbahn vollständig fertiggestellt ist. Die Vorrichtungen herkömmlicher Maschinen müssen, wie weiter ausgeführt wird, an jede unterschiedliche Bahnbreite durch Anbringen oder Abmontieren von Zusatzteilen kostenintensiv und aufwendig und dabei ohne die Möglichkeit einer gleitenden Feinabstimmung angepasst werden. Adäquatere Systeme, wie sie unter anderem aus der USPatentschrift 3 970 405 bekannt seien, verfügten über die Möglichkeit der automatischen Breiteneinstellung der Betonplaniermaschinen.
9
Zum Zwecke der weiteren Verbesserung und universellen Anwendbarkeit lehrt Patentanspruch 1 in der verteidigten Fassung eine Maschine zum Planieren von Beton (1), 1. bei der ausgeschütteter Beton 1.1 über eine vorherbestimmte Breite verteilt und 1.2 in einer bestimmten Höhe abgestrichen wird, 2. die in der Breite einstellbar ist, 3. die über an Säulen (10) angebrachte Fortbewegungsmittel mit Raupen (11) verfügt und 4. die einen Wagen (45) umfasst, 4.1 der über eine Führung eine Hin- und Herbewegung in der Breite ausführen kann, 4.2 an dem ein Polierteil (57) und 4.3 an dessen Unter- und Oberseite Laufräder (41-44) angebracht sind, 4.4 die jeweils zwei nebeneinander angeordnete Umfangsnuten (46, 47) aufweisen, wobei 5. die Führung eine Schienenkonstruktion (36) ist, die 5.1 in Abhängigkeit von der erforderlichen Arbeitsbreite in ihrer Länge verstellbar ist, 5.2 aus zwei teleskopisch ineinander verschiebbaren Schienenkonstruktionsteilen (26, 27) besteht, 5.3 die jeweils an den Säulen (10) befestigt sind, unter denen sich die Raupen der Fortbewegungsmittel (11) der Maschine (1) befinden, 6. jedes der Schienenkonstruktionsteile mit Rippen (37-40) versehen ist und 7. die Umfangsnuten jedes der Laufräder (41-44) mit den Rippen (37, 38) des einen Schienenkonstruktionsteils bzw. mit den Rippen (39, 40) des anderen Schienenkonstruktionsteils zusammenwirken können, so dass der Wagen (45) eine kontinuierliche Bewegung über die gesamte Länge der Schienenkonstruktion (36) vollziehen kann, ohne dass der Übergang oder Übergänge zwischen den verschiedenen Teilen der teleskopischen Führung (26, 27) ein Hindernis darstellen.
10
Die nachfolgend abgebildete Figur 4 zeigt schematisch die Führung einer solchen Maschine mit Wagen und Polierteil in perspektivischer Sicht; die Figuren 7 und 8 veranschaulichen das Zusammenwirken der Führungsrippen mit den Laufrädern:
11
II. Der Gegenstand des Streitpatents in der verteidigten Fassung ist neu.
12
1. Seine Lehre ist in keiner der Entgegenhaltungen vollständig beschrieben. Das gilt namentlich für die US-Patentschrift 3 970 405. Nach ihrer Lehre gebaute Gleitschalungsfertiger verfügen bereits nicht über ein dem Streitpatent entsprechendes Polierteil, sondern weisen lediglich eine - im vorderen Bereich des Fertigers angebrachte - Montageeinheit (Bezugszeichen 550) zum Verteilen des Betons auf. Diese Verteilerschaufel wird zwar quer zur Fahrtrichtung der Maschine über deren volle Arbeitsbreite hin- und herbewegt. Dies geschieht jedoch nicht an der Führung, an der die Fortbewegungsmittel angebracht sind und mit der die (Spur-)Breite der Maschine verstellt wird, sondern dafür ist ein gesondertes, am Unterbau des Fertigers angebrachtes Teil vorgesehen (vgl. Fig. 22 und 25).
13
Die US-Patentschrift 5 061 115 offenbart zwar ein mit dem Polierwerkzeug des Streitpatents nahezu identisches Kellenelement zum Betonglätten, das quer über die gesamte Arbeitsbreite der zugehörigen Maschine hin- und herbewegt werden kann. Anders als beim Streitpatent wird dieses Kellenelement jedoch nicht an einem Wagen bewegt, sondern an einer Laufkatze. Die Maschine kann ihre Fahrbahn- und Arbeitsbreite überdies nicht gleitend durch teleskopische Führungen variieren, sondern muss zu diesem Zweck umgebaut werden.
14
Das belgische Patent Nr. 882 845 und das seine Priorität in Anspruch nehmende US-Patent 4 392 574 betreffen Turmdrehkräne mit teleskopischen, zweiteiligen Laufkatzenauslegern. Durch Ausfahren der Auslegerspitze kann die Transportreichweite der Kräne - ähnlich wie die Arbeitsbreite des Polierteils beim Streitpatent - variiert werden. Die Neuheit der Lehre des verteidigten Streitpatents wird durch diese beiden Schriften ebenfalls nicht in Frage gestellt. Abgesehen davon, dass sie einen anderen Gegenstand betreffen als das Streitpatent in seiner verteidigten Fassung, stimmen auch mehrere Merkmale nicht überein. So ist an der - an die Stelle des Wagens tretenden - Laufkatze kein dem Polierteil entsprechendes Gerät befestigt, sondern daran hängt das zum Bewegen und Verladen von Lasten dienende Kranseil. Die Rollen der Laufkatze weisen keine Rillen (Nuten) auf, welche mit Rippen auf den Schienenführungen der Auslegerteile zusammenwirken, sondern sie laufen plan auf Metallprofilen (vgl. Fig. 3 des belgischen Patents 882 845).
15
Der in der deutschen Offenlegungsschrift 21 38 923 offenbarte Teleskopausleger für Kräne ist vom verteidigten Streitpatent noch weiter entfernt. Um ein erschütterungsfreies Verfahren einer Last über Auslegerfuß und -spitze zu ermöglichen, weist Ersterer eine Laufbahn für eine Laufkatze mit Lasttrageund Hebeeinrichtung auf und Letztere eine höhenversetzte Bahn für einen Schlitten mit einem Laufbahnabschnitt, der direkt mit dem freien Ende der Bahn des Auslegerfußes fluchtet, um die Laufkatze zu übernehmen.
16
2. Neuheitsschädlich ist auch nicht die Ausstellung der Maschine vom Typ "D. Paver 2500" auf der INTERMAT-Messe 1994. Denn entgegen der Ansicht der Klägerin kann die Priorität der belgischen Anmeldung 94 00 398 beansprucht werden.
17
a) Bei Anmeldung eines Patents kann das Prioritätsrecht einer vorangegangenen Anmeldung in Anspruch genommen werden, wenn beide dieselbe Erfindung betreffen (Art. 87 Abs. 1 EPÜ). Diese Voraussetzung ist nach der Rechtsprechung des Senats erfüllt, wenn die mit der Nachanmeldung beanspruchte Merkmalskombination in der Voranmeldung in ihrer Gesamtheit als zu der angemeldeten Erfindung gehörend offenbart ist (BGHZ 148, 383 - Luftverteiler; vgl. auch Busse/Keukenschrijver, PatG 6. Aufl. § 40 Rdn. 16; Benkard/Ullmann/Grabinski, EPÜ Art. 88 Rdn. 9). Der Gegenstand der Erfindung ist bei der prioritätsbeanspruchenden Anmeldung aus den Patentansprüchen zu ermitteln, bei der prioritätsbegründenden aus der Gesamtheit der Anmeldungsunterlagen. Ebenso wenig wie eine Beschränkung des Gegenstands der Erfindung in der Nachanmeldung dessen Identität mit dem (weiteren) Gegenstand der prioritätsbegründenden Anmeldung aufhebt (vgl. Benkard /Ullmann/Grabinski aaO Art. 88 Rdn. 10 m.w.N.), wird das Prioritätsrecht der Nachanmeldung davon berührt, dass ihr Gegenstand erst nach Patenterteilung infolge nachträglicher Beschränkung deckungsgleich mit der prioritätsbegründenden Anmeldung wird (vgl. Sen.Urt. v. 14.10.2004 - X ZR 4/00, GRUR 2004, 133 - elektronische Funktionseinheit). Entscheidend ist, dass der beschränkte Gegenstand in der Nachanmeldung enthalten war und insoweit mit der ersten Anmeldung übereinstimmt. Dabei muss der Gegenstand der beanspruchten Erfindung der früheren Anmeldung in ihrer Gesamtheit unmittelbar und eindeutig entnommen werden können. Für die Beurteilung der identischen Offenbarung gelten die Prinzipien der Neuheitsprüfung (vgl. BGHZ 148, 383 - Luftverteiler; Senat GRUR 2003, 133 - elektronische Funktionseinheit, jew. mwN). Aus diesem engen Verständnis des Begriffs "derselben Erfindung" folgt indes nicht, dass die Identität bei jeder äußerlichen Inkongruenz von Text oder Zeichnung der prioritätsbegründenden und -beanspruchenden Anmeldung entfällt. Wenn beide nur deshalb nicht deckungsgleich sind, weil in Letzterer erkennbar lediglich sprachliche oder zeichnerische Unvollkommenheiten der Ersteren behoben worden sind, ohne dass unterschiedliche Erfindungsgegenstände oder Erweiterungen vorliegen, ist die erforderliche unmittelbare und eindeutige Übereinstimmung gewahrt.
18
b) Die Gegenstände der belgischen Anmeldung und des Streitpatents in der verteidigten Fassung sind identisch in diesem Sinne.
19
aa) Ohne Erfolg macht die Klägerin geltend, die Voranmeldung beziehe sich allein auf eine Glättvorrichtung (Polierteil), während es sich beim Streitpatent um eine Maschine mit drei Werkzeugen zum Verteilen, Abstreichen und Polieren des Betons handele. Dafür, ob die für das Prioritätsrecht erforderliche Übereinstimmung der nachträglich beanspruchten Merkmalskombination mit der Voranmeldung besteht, sind Bedeutung und Tragweise der Ersteren durch Auslegung der Patentansprüche zu ermitteln (BGHZ 150, 149 - Schneidmesser I). Mit Patentanspruch 1 in der verteidigten Fassung wird kein Schutz für Betonstraßenfertiger beansprucht, soweit sie (lediglich) mit Vorrichtungen zum Verteilen und Abstreichen von Beton ausgestattet sind. Patentschutz wird vielmehr allein für die zusätzliche Ausstattung dieser Maschinen mit Vorrichtungen gemäß den Merkmalen 4 bis 7 der obigen Merkmalsgliederung begehrt.
20
Nicht anders verhält es sich bei der belgischen Patentanmeldung. Auch wenn sie sich ihrem Wortlaut nach auf "Verbesserungen an BetonNivelliermaschinen" bezieht, ergibt die Auslegung der Beschreibung, dass dort weder abstrakt eine isolierte Glättvorrichtung offenbart ist noch erfindungsgemäß der Betonstraßenfertiger nicht mit den - üblichen - Arbeitsmitteln zum Verteilen und Abstreichen des Betons ausgestattet sein soll. Wie beim Streitpatent bezieht sich die Voranmeldung auf eine an einem solchen Betonstraßenfertiger zusätzlich angebrachte Vorrichtung (S. 1 unten: "De huidige uitvinding heeft dan ook betrekking op verbeteringen aan betonnivelleermachines, m.a.w. op middelen die, nadat het beton gestort en afgestrekken is, dit beton zeer effen kunnen polijsten zodanig dat een zeer mooi gelijkmatig opperflak wordt bekomen").
21
bb) Unschädlich für die Inanspruchnahme des Prioritätsrechts ist, dass der mit dem Polierteil (57) versehene Wagen (45) nach dem Wortlaut des verteidigten Patentanspruchs 1, anders als in der Voranmeldung, nicht ausdrücklich der hinteren Schienenführung zugeordnet ist. Nach dem Gesamtinhalt der Patentschrift bezieht sich die offenbarte Erfindung aus der Sicht des Fachmanns allein auf die Anbringung des Wagens an der hinteren Führung. Der Arbeitsgang des Polierens bzw. Glättens der Betonoberfläche ist der letzte Arbeitsgang , der von Gleitschalungsfertigern nach dem Verteilen, Abstreichen und Rütteln des Betons durchgeführt wird. Wäre das Polierteil gleichwohl an der vorderen Schienenführung angebracht, hieße dies, dass die Arbeitsmittel für die Verteilung, das Abstreichen und das Rütteln des Betons davor angebracht werden müssten, was mit einem technisch sinnlosen konstruktiven Aufwand verbunden wäre und aus der Sicht des Fachmanns deshalb auszuschließen ist. Denkbar wäre daneben nur noch die Anbringung unter der Maschine. Das aber zwänge, wie der Sachverständige erläutert hat, wegen des vertikalen Platzbedarfs der Glättvorrichtung dazu, den Unterbau proportional anzuheben, was aus fachmännischer Sicht technisch ebenfalls als so unvorteilhaft erscheint, dass es nicht ernsthaft in Erwägung gezogen wird. Dementsprechend erläutert die Beschreibung die Figur 4 der Zeichnung im Übrigen auch als die schematische Darstellung einer Betonplaniermaschine, die "hinten" mit einer Poliervorrichtung versehen ist (vgl. Sp. 4 Ziff. 14 ff.).
22
cc) Dass die Erläuterung "…so dass der Wagen (45) eine kontinuierliche Bewegung über die gesamte Länge der Schienenkonstruktion (36) vollziehen kann, ohne dass der Übergang oder Übergänge zwischen den verschiedenen Teilen der teleskopischen Führung (26, 27) ein Hindernis darstellen", in der Voranmeldung fehlt, steht der Annahme der erforderlichen Übereinstimmung zwischen ihr und dem Streitpatent in der verteidigten Fassung ebenfalls nicht entgegen.
23
Trotz dieser Abweichung im Wortlaut liegt weder ein Aliud noch sonst eine die Inanspruchnahme der Priorität hindernde Abweichung vor. Aus der Sicht des durchschnittlich befähigten und bewanderten Fachmanns, bei dem es sich um einen Fachhochschul- bzw. Hochschulabsolventen der Fachrichtung Maschinenbau mit mehrjähriger Berufserfahrung auf dem Gebiet der Konstruktion von Straßenbaumaschinen und Zusatzkenntnissen im Straßenbau handelt, ist der belgischen Anmeldung auch ohne den in den verteidigten Hauptanspruch aufgenommenen Zusatz zu entnehmen, dass es um die Erzielung einer erschütterungsfreien Vertikalbewegung des Wagens über die gesamte jeweilige Länge der Schienenkonstruktion hinweg unabhängig davon geht, ob deren Elemente (Bezugszeichen 9, 13 und 10, 11 der belgischen Anmeldung) auseinandergezogen sind oder nicht. Das steht nach der Erörterung mit dem Sachverständigen in der mündlichen Verhandlung zur Überzeugung des Senats fest. Die Erfindung betrifft einen jedem Fachmann bewussten, neuralgischen Punkt der Herstellung von Betonfahrdecken, nämlich die Gefahr, dass nach dem Fertigungsprozess Unebenheiten im Belag zurückbleiben, was aufwendige Gewährleistungsarbeiten nach sich ziehen kann. Der Anmeldung ist ohne Weiteres zu entnehmen, dass sie auf die Herstellung einer möglichst gleichmäßigen Fahrbahnoberfläche ("een zeer mooi gelijkmatig oppervlak", Beschreibung S. 1 unten) zielt. Die technische Wirkungsweise der vorgeschlagenen Lösung ist für den Fachmann, wie der Sachverständige erläutert hat, anhand der Figuren 4 und 5 der Zeichnung nachzuvollziehen. Dem vertikalen Schnitt durch eines der Laufräder auf Höhe der Achse in Figur 4 ist zu entnehmen, dass die den beiden Rippen der Schienenkonstruktionsteile jeweils zugeordneten Spurrillen der Laufräder nicht unterschiedlich tief sind. Daraus ergibt sich, dass die Rippen beider Teile zwangsläufig auf gleichem Niveau verlaufen müssen. Die Figuren 1, 2 und insbesondere 3, die nach Ansicht der Klägerin gerade nicht auf ein gleiches Niveau der Führungsrippen beider Schienenkonstruktionsteile, sondern im Gegenteil auf Höhenunterschiede hindeuten, sind demgegenüber unter einem ganz anderen Blickwinkel zu betrachten. Sie geben dem Fachmann einen perspektivischen Überblick über die gesamte vorgesehene Anordnung; diese Figuren dienen aber nicht dazu, Aufschluss über die Wirkungsweise einzelner Elemente der Erfindung zu geben. Der in den verteidigten Anspruch 1 aufgenommene Zusatz stellt deshalb kein neues, prioritätsschädliches Merkmal dar, sondern beschreibt nur eine aus der Sicht des Fachmanns auch mit der Voranmeldung angestrebte Wirkung.
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dd) Die von der Klägerin in der Voranmeldung vermisste Offenbarung eines teleskopisch veränderbaren Maschinenrahmens, der teleskopischen Veränderung der Werkzeugbreite bei unveränderter Spur- und/oder Rahmenbreite oder der automatischen Kopplung von teleskopisch modifizierbarer Werkzeugund Rahmenbreite sowie einer teleskopisch veränderbaren Führung des Werkzeugs , die nicht an den Stützen der Fortbewegungsvorrichtungen befestigt ist, betrifft entgegen der Ansicht der Klägerin nicht den Gegenstand von Anspruch 1 in der verteidigten Fassung. Patentanspruch 1 schreibt nach dieser Fassung lediglich vor, dass die Maschine in der Breite einstellbar ist. Die verschiedenen Möglichkeiten zur Verbreiterung der Straßenbaumaschine und ihrer sonstigen Arbeitsmittel sind nicht Gegenstand des Patentanspruchs; auf ihre Ursprungsoffenbarung kommt es daher nicht an. Technisch identisch sind im Übrigen die in der Voranmeldung bezeichneten "Stützen der Fortbewegungsvorrichtungen der Maschine" mit den Säulen, unter denen "die Raupen der Fortbewegungsmittel angebracht sind", wobei die Raupen selbst die Fortbewegungsmittel sind.
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III. Der Senat vermag nicht die Überzeugung zu gewinnen, dass sich der Gegenstand des verteidigten Patentanspruchs 1 für einen Fachmann in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik ergeben hat.
26
1. Die US-Patentschrift 3 970 405 gab dem Fachmann keine Anregung für die Ausgestaltung der Erfindung nach dem verteidigten Patentanspruch 1. Dessen Merkmal, die ausziehbaren Stützen, an denen die Fortbewegungsmittel der Maschine aufgehängt sind und mit denen ihre Breite variiert werden kann, zugleich als Aufhängung für den mit dem Polierteil versehenen Wagen zu nutzen , so dass dieser stets über die aktuell gefahrene Arbeitsbreite bewegt werden kann, ist in der US-Patentschrift unabhängig davon nicht angelegt, dass sie kein Polierteil betrifft, sondern eine im vorderen Bereich der Maschine vorgesehene Montageeinheit zum Verteilen des Betons (Bezugszeichen 550). Die ausziehbaren Strebenelemente (48, 52) ermöglichen allein eine Verbreiterung der Fahrspur (Fig. 3). Die Verteilerschaufel ist aber nicht an diesen Elementen, sondern an der Unterbaueinheit aufgehängt, die ihrerseits aus zwei miteinander verschraubten Hälften besteht (Fig. 22, 23, 25). Soll der Unterbau entsprechend der Spurweite der Maschine verbreitert werden, müssen grundsätzlich zunächst die (Schraub-)Verbindungen ihrer beiden Hälften gelöst und der entstehende Zwischenraum durch einzusetzende Teile überbrückt werden.
27
Soweit in Unteranspruch 38 eine seitlich erweiterbare Führung für das Schaufelelement gelehrt wird ("…a laterally expandable track assembly…"), mag dies den Fachmann dazu anregen, die entstehende Lücke durch ineinander verschiebbare Führungsteile zu schließen. Damit wäre aber das eigentliche technische Problem nicht gelöst, eine Konstruktion zu schaffen, die es ermöglicht , das Polierteil trotz des Absatzes am Übergang der beiden teleskopierbaren Führungselemente erschütterungsfrei und ebenmäßig über die gesamte jeweilige Arbeitsbreite fahren zu lassen. Dafür jedenfalls gab die USPatentschrift keine Anregung.
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2. Das belgische Patent 882 845 und das die Priorität seiner Anmeldung in Anspruch nehmende US-Patent 4 392 574 führen ebenfalls nicht zur patentgemäßen Lösung.
29
a) Der Fachmann zieht diese Schriften, wie der Sachverständige bestätigt hat, nicht heran, weil Turmdrehkräne einer gänzlich anderen Sparte des Baumaschinenbereichs zuzuordnen sind und anderen Anforderungen unterliegen , als Betonstraßenfertiger. Die Domäne der Turmdrehkräne ist nicht der Straßen-, sondern naturgemäß der Hochbau, wo sie als Hebemaschinen große Lasten (Baustoffe und -materialien) unter Einwirkung entsprechender Zugkräfte in kontrolliert langsamem Bewegungsablauf umsetzen. Anregungen für die Lösung seiner konstruktiven Probleme erwartet der Fachmann aus der Krantechnik deshalb nicht. Der spartenübergreifenden Zusammenschau des beiderseitigen Know-hows in den Konstruktions- und Entwicklungsabteilungen der Straßenbaumaschinen -Anbieter steht dabei außerdem deren vom Sachverständigen bestätigte ausgeprägte Spezialisierung entgegen.
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b) Den verschiedenen Grundanforderungen der Maschinen entsprechen daher auch deutlich divergierende technische Umsetzungen der konkreten Lösung. Bei Teleskopauslegern gemäß dem belgischen Patent wird zum Lastentransport eine Laufkatze verwendet, die sich horizontal mit Rädern auf aus Profilleisten flach geformten Rollbahnen abstützt, um das Transportgut mit möglichst kleinen Pendelbewegungen unter Zug am Kranseil zu bewegen. Beim Streitpatent geht es demgegenüber um die fortwährende mechanische Hin- und Herbewegung eines Arbeitsgeräts, das an einem vertikal geführten Wagen angebracht ist, welcher mit Hilfe von mit Nuten versehenen Zwillingsrollen (Lauf- rädern) auf korrespondierend ausgeformten Rippen der Führungsteile läuft und dazu dient, den verteilten Beton mit behutsamem Andruck zu glätten. Gerade die Druckeinstellung ist, wie der Sachverständige erläutert hat, besonders heikel , weil schon geringfügig zu hoher Anpressdruck im frischen Beton Spuren des Polierteils hinterlassen würde.
31
Zwar wirken bei beiden Lösungen Doppelrollen in der Weise mit an teleskopierbaren Elementen vorgesehenen Führungen (Rillen, Profile) zusammen , dass beide Rollen auf den Führungen beider Teile dieser Elemente laufen, soweit sie ineinander geschoben sind und sich deshalb überlagern und dass jeweils nur eine Rolle auf der Führung des teleskopierten Teils läuft, wenn sich der Wagen/die Laufkatze in auseinandergezogenem Zustand der Elemente allein auf diesem befindet. In Anbetracht der gattungsmäßigen Ferne von Betonstraßenfertigern zu Turmdrehkränen und der unterschiedlichen Einsatzgebiete sowie der beträchtlichen Abweichungen in der technischen Umsetzung kann die im Streitpatent aufgefundene Lösung nicht als naheliegende Umsetzung eines allgemein anwendbaren Konzepts angesehen werden.
32
IV. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 91, 92 Abs. 1 ZPO i.V. mit § 121 Abs. 2 PatG.
Melullis Keukenschrijver Meier-Beck
Asendorf Gröning
Vorinstanz:
Bundespatentgericht, Entscheidung vom 11.05.2004 - 3 Ni 37/02 (EU) -

(1) In dem Verfahren vor dem Bundesgerichtshof gelten die Bestimmungen des § 144 über die Streitwertfestsetzung entsprechend.

(2) In dem Urteil ist auch über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden. Die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Prozeßkosten (§§ 91 bis 101) sind entsprechend anzuwenden, soweit nicht die Billigkeit eine andere Entscheidung erfordert; die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über das Kostenfestsetzungsverfahren (§§ 103 bis 107) und die Zwangsvollstreckung aus Kostenfestsetzungsbeschlüssen (§§ 724 bis 802) sind entsprechend anzuwenden.

(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.

(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.

(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.

(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.

(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.

(1) Besteht der unterliegende Teil aus mehreren Personen, so haften sie für die Kostenerstattung nach Kopfteilen.

(2) Bei einer erheblichen Verschiedenheit der Beteiligung am Rechtsstreit kann nach dem Ermessen des Gerichts die Beteiligung zum Maßstab genommen werden.

(3) Hat ein Streitgenosse ein besonderes Angriffs- oder Verteidigungsmittel geltend gemacht, so haften die übrigen Streitgenossen nicht für die dadurch veranlassten Kosten.

(4) Werden mehrere Beklagte als Gesamtschuldner verurteilt, so haften sie auch für die Kostenerstattung, unbeschadet der Vorschrift des Absatzes 3, als Gesamtschuldner. Die Vorschriften des bürgerlichen Rechts, nach denen sich diese Haftung auf die im Absatz 3 bezeichneten Kosten erstreckt, bleiben unberührt.

(1) Die durch eine Nebenintervention verursachten Kosten sind dem Gegner der Hauptpartei aufzuerlegen, soweit er nach den Vorschriften der §§ 91 bis 98 die Kosten des Rechtsstreits zu tragen hat; soweit dies nicht der Fall ist, sind sie dem Nebenintervenienten aufzuerlegen.

(2) Gilt der Nebenintervenient als Streitgenosse der Hauptpartei (§ 69), so sind die Vorschriften des § 100 maßgebend.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
Verkün
in der Patentnichtigkeitssache
X ZR 226/02
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Sammelhefter II

a) Wird von mehreren, ein Ausführungsbeispiel der Erfindung beschreibenden
Merkmalen nur eines in den Patentanspruch aufgenommen, das die mit
dem Ausführungsbeispiel erzielte technische Wirkung angibt, liegt darin
auch dann keine unzulässige Erweiterung, wenn ein anderer Weg zur Erzielung
derselben Wirkung nicht offenbart ist.

b) Wer dem Patentnichtigkeitsverfahren auf Seiten des Klägers beitritt, gilt als
Streitgenosse des Klägers (Abweichung vom Sen.Urt. v. 30.9.1997
- X ZR 85/94, GRUR 1998, 382, 387 - Schere).
BGH, Urteil vom 16. Oktober 2007 - X ZR 226/02 - Bundespatentgericht
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 16. Oktober 2007 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Melullis, den
Richter Keukenschrijver, die Richterin Mühlens und die Richter Prof. Dr. MeierBeck
und Gröning

für Recht erkannt:
Die Berufung der Klägerin und die Anschlussberufung der Beklagten gegen das Urteil des 2. Senats (Nichtigkeitssenats) des Bundespatentgerichts vom 25. Juni 2002 werden zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens werden zu 4/5 der Klägerin und ihrer Streithelferin und zu 1/5 der Beklagten auferlegt.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Die Beklagte ist eingetragene Inhaberin des am 16. Mai 1986 unter Inanspruchnahme der Priorität einer Schweizer Anmeldung vom 4. Juni 1985 angemeldeten und im Laufe des Berufungsverfahrens durch Zeitablauf erlosche- nen deutschen Patents 36 16 566 (Streitpatents). Das Streitpatent ist mit sechs Patentansprüchen erteilt worden, von denen Patentanspruch 1 lautet: "Sammelhefter mit Anlegestationen, welche im Maschinentakt angetrieben und an einer Sammelstrecke mit sattelförmiger Auflage für die darauf rittlings abgelegten Druckbogen angeordnet sind, wobei die Sammelstrecke mit längs der Auflage zu einem Heftapparat wirksamen Mitnehmern versehen ist, d a d u r c h g e k e n n - z e i c h n e t , dass der Sammelhefter in Kombination folgende Merkmale aufweist:
a) parallel zur erwähnten Sammelstrecke ist wenigstens eine weitere Sammelstrecke mit Mitnehmern (6) vorhanden,
b) mit jedem Maschinentakt beschicken die Anlegestationen (7, 8, 19) nacheinander jede der Sammelstrecken mit einem Druckbogen , wobei bei allen Sammelstrecken die Druckbogen mit der offenen Seite voran gegen die Sammelstrecke gefördert und aufgespreizt werden und
c) der Heftapparat (9) wenigstens zwei benachbarten Sammelstrecken in deren Wirkbereich zugeordnet ist und je Sammelstrecke mindestens einen Heftkopf (12, 13, 33) aufweist."
2
Im Einspruchsbeschwerdeverfahren hat Patentanspruch 1 durch Beschluss des Bundespatentgerichts vom 19. September 1994 (11 W (pat) 45/92) folgende Fassung erhalten: "Sammelhefter mit Anlegestationen, welche im Maschinentakt angetrieben und an einer Sammelstrecke mit sattelförmiger Auflage für die darauf rittlings abgelegten vereinzelten Druckbogen angeordnet sind, wobei die Sammelstrecke mit längs der Auflage wirksamen Mitnehmern versehen ist, welche die abgelegten Druckbogen von Anlegestation zu Anlegestation und dann zu einem im Wirkbereich der Sammelstrecke vorgesehenen Heftapparat transportieren , d a d u r c h g e k e n n z e i c h n e t , dass der Sammelhefter in Kombination folgende Merkmale aufweist:
a) parallel zur erwähnten Sammelstrecke ist wenigstens eine weitere gleich aufgebaute Sammelstrecke vorhanden, wobei die Sammelstrecken symmetrisch zu einer Achse (1) und um diese drehend angeordnet sind,
b) mit jedem Maschinentakt beschicken die Anlegestationen (7, 8, 19) die sattelförmige Auflage (3) einer der Sammelstrecken mit einem Druckbogen, und die Sammelstrecken drehen sich um den Winkelabstand zwischen zwei Sammelstrecken weiter,
c) der Heftapparat (9) ist wenigstens zwei benachbarten Sammelstrecken in deren Wirkbereich zugeordnet und weist je Sammelstrecke mindestens einen Heftkopf (12, 13, 33) auf, wobei im Wirkbereich des Heftapparates (9) die zusammengetragenen Druckbogen relativ zu den Sammelstrecken stillstehen und die Heftköpfe (12, 13, 33) beim Heftvorgang während eines Bewegungsweges den Sammelstrecken im Gleichlauf folgen."
3
Mit der Nichtigkeitsklage hat die Klägerin, die rechtskräftig wegen Verletzung des Streitpatents verurteilt ist, dieses im Umfang der Patentansprüche 1 bis 3 und 6 angegriffen. Sie macht geltend, der Gegenstand des geltenden Patentanspruchs 1 gehe über den Inhalt der Anmeldung hinaus und der Schutzbereich dieses Patentanspruchs sei gegenüber der erteilten Fassung des Patents erweitert. Ferner ergebe sich der Gegenstand des Streitpatents in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik.
4
Das Bundespatentgericht hat das Streitpatent unter Abweisung der weitergehenden Klage dadurch teilweise für nichtig erklärt, dass Patentanspruch 1 folgende Fassung erhält, auf welche die Patentansprüche 2, 3 und 6 rückbezogen sind: "Sammelhefter mit Anlegestationen, welche im Maschinentakt angetrieben und an einer Sammelstrecke mit sattelförmiger Auflage für die darauf rittlings abgelegten vereinzelten Druckbogen angeordnet sind, wobei die Sammelstrecke mit längs der Auflage wirksamen Mitnehmern versehen ist, welche die abgelegten Druckbo- gen von Anlegestation zu Anlegestation und dann zu einem im Wirkbereich der Sammelstrecke vorgesehenen Heftapparat transportieren , d a d u r c h g e k e n n z e i c h n e t , dass der Sammelhefter in Kombination folgende Merkmale aufweist:
a) parallel zur erwähnten Sammelstrecke ist wenigstens eine weitere gleich aufgebaute Sammelstrecke vorhanden, wobei die Sammelstrecken symmetrisch zu einer Achse (1) und um diese drehend angeordnet sind,
b) mit jedem Maschinentakt beschicken die Anlegestationen (7, 8, 19) nacheinander jede sattelförmige Auflage (3) einer der Sammelstrecken mit einem Druckbogen, wobei bei allen Sammelstrecken die Druckbogen mit der offenen Seite voran gegen die Sammelstrecke gefördert und aufgespreizt werden, und die Sammelstrecken drehen sich um den Winkelabstand zwischen zwei Sammelstrecken weiter,
c) der Heftapparat (9) ist wenigstens zwei benachbarten Sammelstrecken in deren Wirkbereich zugeordnet und weist je Sammelstrecke mindestens einen Heftkopf (12, 13, 33) auf, wobei im Wirkbereich des Heftapparates (9) die zusammengetragenen Druckbogen relativ zu den Sammelstrecken stillstehen und die Heftköpfe (12, 13, 33) beim Heftvorgang während eines Bewegungsweges den Sammelstrecken im Gleichlauf folgen,
d) es sind Mittel (3, 4, 10) vorhanden, um die Druckbogen unabhängig von der Angriffsrichtung der Schwerkraft in hinreichender Anlage mit der sattelförmigen Auflage zu halten."
5
Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin und ihrer im Berufungsverfahren beigetretenen, gleichfalls wegen Verletzung des Streitpatents verurteilten Streithelferin, mit welcher diese den Antrag weiterverfolgen, das Streitpatent im Umfang der Patentansprüche 1 bis 3 und 6 für nichtig zu erklären. Die Beklagte hat sich der Berufung mit dem Antrag angeschlossen, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, dass die Fassung des Patentanspruchs 1 wie folgt lautet: "Sammelhefter mit Anlegestationen, welche im Maschinentakt angetrieben und an einer Sammelstrecke mit sattelförmiger Auflage für die darauf rittlings abgelegten vereinzelten Druckbogen angeordnet sind, wobei die Sammelstrecke mit längs der Auflage wirksamen Mitnehmern versehen ist, welche die abgelegten Druckbogen von Anlegestation zu Anlegestation und dann zu einem im Wirkbereich der Sammelstrecke vorgesehenen Heftapparat transportieren , d a d u r c h g e k e n n z e i c h n e t , dass der Sammelhefter in Kombination folgende Merkmale aufweist:
a) parallel zur erwähnten Sammelstrecke ist wenigstens eine weitere gleich aufgebaute Sammelstrecke vorhanden, wobei die Sammelstrecken symmetrisch zu einer Achse (1) und um diese drehend angeordnet sind,
b) mit jedem Maschinentakt beschicken die Anlegestationen (7, 8, 19) nacheinander jede sattelförmige Auflage (3) einer der Sammelstrecken mit einem Druckbogen, und die Sammelstre- cken drehen sich um den Winkelabstand zwischen zwei Sammelstrecken weiter,
c) der Heftapparat (9) ist wenigstens zwei benachbarten Sammelstrecken in deren Wirkbereich zugeordnet und weist je Sammelstrecke mindestens einen Heftkopf (12, 13, 33) auf, wobei im Wirkbereich des Heftapparates (9) die zusammengetragenen Druckbogen relativ zu den Sammelstrecken stillstehen und die Heftköpfe (12, 13, 33) beim Heftvorgang während eines Bewegungsweges den Sammelstrecken im Gleichlauf folgen."
6
Hilfsweise soll Patentanspruch 1 die folgende Fassung erhalten: "Sammelhefter mit Anlegestationen, welche im Maschinentakt angetrieben und an einer Sammelstrecke mit sattelförmiger Auflage für die darauf rittlings abgelegten vereinzelten Druckbogen angeordnet sind, wobei die Sammelstrecke mit längs der Auflage wirksamen Mitnehmern versehen ist, welche die abgelegten Druckbogen von Anlegestation zu Anlegestation und dann zu einem im Wirkbereich der Sammelstrecke vorgesehenen Heftapparat transportieren , d a d u r c h g e k e n n z e i c h n e t , dass der Sammelhefter in Kombination folgende Merkmale aufweist:
a) parallel zur erwähnten Sammelstrecke ist wenigstens eine weitere gleich aufgebaute Sammelstrecke vorhanden, wobei die Sammelstrecken symmetrisch zu einer Achse (1) und um diese drehend angeordnet sind,
b) mit jedem Maschinentakt beschicken die Anlegestationen (7, 8, 19) nacheinander jede sattelförmige Auflage (3) einer der Sammelstrecken mit einem Druckbogen, und die Sammelstrecken drehen sich um den Winkelabstand zwischen zwei Sammelstrecken weiter,
c) der Heftapparat (9) ist wenigstens zwei benachbarten Sammelstrecken in deren Wirkbereich zugeordnet und weist je Sammelstrecke mindestens einen Heftkopf (12, 13, 33) auf, wobei im Wirkbereich des Heftapparates (9) die zusammengetragenen Druckbogen relativ zu den Sammelstrecken stillstehen und die Heftköpfe (12, 13, 33) beim Heftvorgang während eines Bewegungsweges den Sammelstrecken im Gleichlauf folgen,
d) es sind Mittel (3, 4, 10) vorhanden, um die Druckbogen unabhängig von der Angriffsrichtung der Schwerkraft in hinreichender Anlage mit der sattelförmigen Auflage zu halten."
7
Als gerichtlicher Sachverständiger hat Professor Dr.-Ing. B. K. , Fakultät Maschinenbau der Universität D. , ein schriftliches Gutachten erstattet, das er in der mündlichen Verhandlung erläutert und ergänzt hat. Die Klägerin hat ein Gutachten vorgelegt, das Professor Dr.-Ing. K. D. F. , Universität W. , in ihrem Auftrag erstellt hat.

Entscheidungsgründe:


8
Die zulässigen Rechtsmittel der Parteien haben keinen Erfolg. Das Bundespatentgericht hat zu Recht der - auch nach Erlöschen des Streitpatents zulässigen (vgl. Sen.Urt. v. 15.11.2005 - X ZR 17/02, GRUR 2006, 316 - Koksofentür ) - Nichtigkeitsklage teilweise entsprochen und sie im Übrigen abgewiesen.
9
I. Das Streitpatent betrifft einen Sammelhefter, mit dem bedruckte und gefaltete Bogen (Druckbogen) gesammelt und anschließend in derselben Maschine zur Herstellung von mehrseitigen Druckprodukten wie Zeitschriften, Broschüren oder dergleichen geheftet werden. Dabei werden die einzelnen Druckbogen von innen nach außen übereinandergelegt und dann im Falzbereich geheftet. Ein derartiger Sammelhefter besteht aus den Komponenten Anlegestation , Sammelstrecke und Heftapparat. Die Anzahl der Anlegestationen entspricht der Anzahl der Druckbogen des fertigen Druckproduktes. Jede Anlegestation liefert an die Sammelstrecke einen bestimmten Druckbogen, indem die erste Anlegestation den innersten Druckbogen des fertigen Druckproduktes liefert, die zweite Anlegestation den - von innen nach außen betrachtet - nächstfolgenden Druckbogen und so fort. Die Sammelstrecke nimmt die von den Anlegestationen auf ihrer sattelförmigen Auflage rittlings abgelegten Druckbogen auf. Mit Hilfe von Mitnehmern werden die Druckbogen längs ihrer Auflage von Anlegestation zu Anlegestation seitlich vorgeschoben und gelangen schließlich zum Heftapparat, in dem sie zu fertigen Druckprodukten zusammengefügt werden.
10
Ein Sammelhefter dieser Art ist, wie die Streitpatentschrift erläutert, aus der Schweizer Patentschrift 519 993 (E 9) bekannt. Sein Nachteil ist die geringe Arbeitsgeschwindigkeit.
11
Der Erfindung liegt das technische Problem zugrunde, einen Sammelhefter bereitzustellen, welcher bei gleichermaßen präziser Verarbeitung der gefalteten Einzelbögen wie bei der bekannten Maschine ein Mehrfaches der Produktionsgeschwindigkeit zulässt (Sp. 3 Z. 65 - Sp. 4 Z. 2 der Streitpatentschrift).
12
Dieses Problem wird nach Patentanspruch 1 des Streitpatents in der geltenden Fassung durch folgende Merkmalskombination gelöst: (1) Der Sammelhefter weist Anlegestationen (7, 8, 19) auf, die im Maschinentakt angetrieben und an Sammelstrecken angeordnet sind. (2) Es sind wenigstens zwei parallele Sammelstrecken vorhanden. (3) Die Anlegestationen dienen der Beschickung der einander folgenden Sammelstrecken mit einem Druckbogen.
(4)
Die Sammelstrecken sind (4.1) gleich aufgebaut, (4.2) symmetrisch zu einer Achse (1) angeordnet und (4.3) drehen um die Achse (1).
(5)
Jede Sammelstrecke weist auf: (5.1) eine sattelförmige Auflage (3) für die darauf rittlings abgelegten vereinzelten Druckbogen, (5.2) längs der Auflage wirksame Mitnehmer (6), welche die abgelegten Druckbogen von Anlegestation zu Anlegestation und dann zu einem im Wirkbereich der Sammelstrecke vorgesehenen Heftapparat (9) transportieren. (6) Mit jedem Maschinentakt (6.1) beschicken die Anlegestationen (7, 8, 19) die sattelförmige Auflage (3) einer der Sammelstrecken mit einem Druckbogen und (6.2) drehen sich die Sammelstrecken um den Winkelabstand zwischen zwei Sammelstrecken weiter.
(8)
Der Heftapparat (9) (8.1) ist wenigstens zwei benachbarten Sammelstrecken in deren Wirkbereich zugeordnet und (8.2) weist je Sammelstrecke mindestens einen Heftkopf (12, 13, 33) auf.
(9)
Im Wirkbereich des Heftapparates (9) (9.1) stehen die zusammengetragenen Druckbogen relativ zu den Sammelstrecken still und (9.2) folgen die Heftköpfe (12, 13, 33) beim Heftvorgang während eines Bewegungsweges den Sammelstrecken im Gleichlauf.
13
Die nachfolgend wiedergegebene Figur 1 der Streitpatentschrift zeigt ein Ausführungsbeispiel.
14
Der mit Merkmal 9.2 beanspruchte Gleichlauf zwischen den Heftköpfen des Heftapparats und den Sammelstrecken (mit den darauf abgelegten, relativ zur Sammelstrecke stillstehenden Druckbogen) wird dadurch erzielt, dass der Heftkopf, der die Druckbogen auf der zugeordneten Sammelstrecke heftet, seinerseits bewegt wird und während eines Bewegungsweges (im Ausführungsbeispiel während des Weges, den der pendelnde Heftapparat in Drehrichtung des Sammelhefters zurücklegt) der Sammelstrecke in gleicher Richtung und in gleichem Radialabstand folgt. Hierdurch wird erreicht, dass für die Heftung mehr Zeit zur Verfügung steht (Sp. 4 Z. 4-9), nämlich derjenige Zeitraum, in dem sich die Sammeltrommel um den Winkelabstand zwischen zwei Sammelstrecken weiterdreht.
15
II. Die Anschlussberufung ist unbegründet. Zu Recht hat das Bundespatentgericht angenommen, dass das Streitpatent mit dem vorstehend gegliederten Patentanspruch 1 keinen Bestand haben kann, weil hierdurch der Schutzbereich des Streitpatents erweitert worden ist (§ 22 Abs. 1 2. Alt. PatG).
16
Ein erteiltes Patent hat einen Schutzbereich, der gemäß § 14 PatG durch den Inhalt der Patentansprüche bestimmt wird, zu deren Auslegung Beschreibung und Zeichnungen heranzuziehen sind. Jedenfalls dann, wenn das Patent im Einspruchs- oder Nichtigkeitsverfahren derart geändert wird, dass sein Schutzbereich nunmehr über dasjenige hinausgeht, was zuvor vom Schutzbereich umfasst war, liegt der Nichtigkeitsgrund des § 22 Abs. 1 2. Alt. PatG vor.
17
Soweit das Bundespatentgericht eine solche Schutzbereichserweiterung darin gesehen hat, dass infolge der Ersetzung der Wörter "nacheinander jede" durch den bestimmten Artikel "die" in Merkmal 6.1 des Patentanspruchs 1 auch Sammelhefter umfasst sein könnten, bei denen nicht nacheinander jede sattelförmige Auflage beschickt werde, die Reihenfolge der Beschickung der Sam- melstrecken vielmehr beliebig sei und auch Lücken in der Beschickung möglich seien, greift die Anschlussberufung das erstinstanzliche Urteil nicht an.
18
Dem Bundespatentgericht ist aber auch darin beizutreten, dass die Weglassung des im erteilten Patentanspruch 1 enthaltenen Halbsatzes "wobei bei allen Sammelstrecken die Druckbogen mit der offenen Seite voran gegen die Sammelstrecke gefördert und aufgespreizt werden" in Merkmal 6.1 des Patentanspruchs 1 in der geltenden Fassung zu einer Schutzbereichserweiterung führt.
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Das Bundespatentgericht hat dies damit begründet, dass vom Schutzbereich des geltenden Anspruchs auch Sammelhefter umfasst sein könnten, die nicht mit der offenen Seite voran gegen, sondern beispielsweise von der Seite her auf die Sammelstrecke gefördert würden, wie es aus der veröffentlichten europäischen Patentanmeldung 95 603 (E 1) bekannt sei. Auch könnten Sammelhefter umfasst sein, die nicht während des Beschickens, sondern bereits vorher aufgespreizt würden, wie dies aus der deutschen Offenlegungsschrift 31 17 419 (E 8) bekannt sei. Merkmal 6.1 der erteilten Fassung sei jedoch unter Berücksichtigung der Beschreibung (insbesondere Sp. 3 Z. 47-57 der C2Schrift ) so auszulegen, dass nur Sammelhefter vom Schutzbereich umfasst seien, die mit der offenen Seite voran gegen die Sammelstrecke gefördert und erst während der Beschickung aufgespreizt würden.
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Dagegen wendet die Anschlussberufung ohne Erfolg ein, das erteilte Streitpatent unterscheide lediglich zwischen dem Sammeln der Druckbogen von außen nach innen in V-förmigen Taschen (deutsche Auslegeschrift 1 224 329 [E 10] und Schweizer Patentschrift 584 153 [E 11]) und dem erfindungsgemäßen Sammeln von innen nach außen auf sattelförmigen Auflagen, wobei letzteres durch Merkmal 5.1 zum Ausdruck gebracht werde und die zusätzliche Angabe in Merkmal 6.1 nichts anderes besage als das, was Merkmal 5.1 ohnehin schon zum Ausdruck bringe, da eine Ablage "rittlings" nur erfolgen könne, wenn die Druckbogen zuvor aufgespreizt und mit der offenen Seite voran gegen die Sammelstrecke gefördert würden.
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Denn die Beschreibung des Streitpatents in seiner erteilten Fassung erläutert die Vorrichtung nach der E 1 dahin, dass diese einen endlos umlaufenden , zur Aufnahme der Druckbogen bestimmten Förderer aufweise, entlang welchem eine Anzahl von Zuförderern für die Druckbogen angeordnet seien. Hierbei würden die Produkte mit quer zur Förderrichtung liegendem Falz an den Zuförderern vorbeigeführt. Die Schenkel der Druckbogen hingen hierbei frei nach unten. Diese bekannte Vorrichtung lasse konstruktiv offen, wie dabei die frei herabhängenden Schenkel der Druckbogen bei hohen Geschwindigkeiten stabil gehalten und wie der Heftvorgang an den fertig zusammengetragenen Produkten ausgeführt werden solle (Sp. 1 Z. 44-57).
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Von dieser bekannten Lösung, bei der bereits eine Sammelstrecke mit sattelförmigen Auflagen für die vereinzelten Druckbogen vorhanden ist, hebt sich die erfindungsgemäße Lösung nach dem erteilten Patentanspruch 1 durch die weitere Angabe ab, dass die Druckbogen mit der offenen Seite voran gegen die Sammelstrecke gefördert werden und (hierbei, um eine zuverlässige Auflage zu gewährleisten, nicht frei herabhängen, sondern) aufgespreizt werden. Diese Anforderung ist im geltenden Patentanspruch 1 nicht mehr enthalten, nach dem die Zuführung in beliebiger Weise und aus beliebiger Richtung erfolgen kann.
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Der geltende Patentanspruch ist damit auf eine Teilkombination der durch den erteilten Patentanspruch geschützten technischen Lehre gerichtet. Damit ist der Schutzbereich erweitert, denn eine solche Teilkombination war durch das erteilte Patent nicht geschützt (vgl. Sen.Urt. v. 31.5.2007 - X ZR 172/04, WRP 2007, 1231 - Zerfallszeitmessgerät [für BGHZ vorgesehen ]).
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Da auch der Hilfsantrag der Anschlussberufung das Merkmal nicht enthält , nach dem bei allen Sammelstrecken die Druckbogen mit der offenen Seite voran gegen die Sammelstrecke gefördert und aufgespreizt werden, kann Patentanspruch 1 auch in der Fassung dieses Antrags keinen Bestand haben.
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III. Auch die Berufung der Klägerin ist unbegründet. Patentanspruch 1 in der Fassung des angefochtenen Urteils ist gegenüber dem Inhalt der ursprünglichen Unterlagen nicht unzulässig erweitert, und der Gegenstand dieses Anspruchs ist patentfähig.
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1. In dieser Fassung lässt sich Patentanspruch 1 wie folgt gliedern: (1) Der Sammelhefter weist Anlegestationen (7, 8, 19) auf, die im Maschinentakt angetrieben und an Sammelstrecken angeordnet sind. (2) Es sind wenigstens zwei parallele Sammelstrecken vorhanden. (3) Die Anlegestationen dienen der Beschickung der einander folgenden Sammelstrecken mit einem Druckbogen.
(4)
Die Sammelstrecken sind (4.1) gleich aufgebaut, (4.2) symmetrisch zu einer Achse (1) angeordnet und (4.3) drehen um die Achse (1).
(5)
Jede Sammelstrecke weist auf: (5.1) eine sattelförmige Auflage (3) für die darauf rittlings abgelegten vereinzelten Druckbogen, (5.2) längs der Auflage wirksame Mitnehmer (6), welche die abgelegten Druckbogen von Anlegestation zu Anlegestation und dann zu einem im Wirkbereich der Sammelstrecke vorgesehenen Heftapparat (9) transportieren. (6) Mit jedem Maschinentakt (6.1) beschicken die Anlegestationen (7, 8, 19) nacheinander jede sattelförmige Auflage (3) einer der Sammelstrecken mit einem Druckbogen, wobei die Druckbogen mit der offenen Seite voran gegen die Sammelstrecke gefördert und aufgespreizt werden, und (6.2) drehen sich die Sammelstrecken um den Winkelabstand zwischen zwei Sammelstrecken weiter. (7) Es sind Mittel (3, 4, 10) vorhanden, um die Druckbogen unabhängig von der Angriffsrichtung der Schwerkraft in hinreichender Anlage mit der sattelförmigen Auflage (3) zu halten.
(8)
Der Heftapparat (9) (8.1) ist wenigstens zwei benachbarten Sammelstrecken in deren Wirkbereich zugeordnet und (8.2) weist je Sammelstrecke mindestens einen Heftkopf (12, 13, 33) auf.
(9)
Im Wirkbereich des Heftapparates (9) (9.1) stehen die zusammengetragenen Druckbogen relativ zu den Sammelstrecken still und (9.2) folgen die Heftköpfe (12, 13, 33) beim Heftvorgang während eines Bewegungsweges den Sammelstrecken im Gleichlauf.
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2. Dieser Patentanspruch enthält keine unzulässige Erweiterung. Das Bundespatentgericht hat zutreffend angenommen, dass eine unzulässige Erweiterung insbesondere nicht darin liegt, dass Merkmal 9.2 lediglich vorschreibt , dass die Heftköpfe beim Heftvorgang während eines Bewegungsweges den Sammelstrecken im Gleichlauf folgen, hingegen nicht vorgibt, dass der Heftapparat hierzu konzentrisch zur Achse (1) der Welle (2) gelagert sein und eine Pendelbewegung ausführen muss.
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Merkmal 9.2 ist als solches, wie auch die Klägerin nicht bezweifelt, ursprungsoffenbart. Denn die Patentanmeldung beschreibt ein durch die mit der oben wiedergegebenen Zeichnung identischen Figur 1 illustriertes Ausführungsbeispiel , bei dem der Heftapparat (9) einen um die Achse (1) schwenkbar gelagerten Bügel (11) aufweist, an dem zwei Heftkopfpaare (12, 13) angeordnet sind. Der Bügel (11) führt eine Hin- und Her-Schwenkbewegung aus und folgt dabei während eines Bewegungsweges den Auflagen (3) mit gleicher Geschwindigkeit. Die sich mitbewegenden Heftkopfpaare (12, 13) führen jeweils während des Gleichlaufs mit den Auflagen (3) simultan eine Heftoperation aus, mit der die aufeinanderliegenden Druckbogen von zwei Sammelstrecken zusammengeheftet werden (S. 9, letzter Abs. - S. 10, 2. Abs. der Offenlegungsschrift = Sp. 4 Z. 3-26 der C2-Schrift = Sp. 4 Z. 63 - Sp. 5 Z. 18 der C3-Schrift). Im Wirkbereich des Heftapparates folgen somit die Heftköpfe (12, 13, 33) beim Heftvorgang während eines Bewegungsweges den Sammelstrecken im Gleichlauf.
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Die Patentinhaberin war auch nicht gehindert, dieses Merkmal in den Patentanspruch aufzunehmen, ohne gleichzeitig weitere Einzelheiten des Ausführungsbeispiels mit zu übernehmen.
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Änderungen der Patentansprüche dürfen freilich weder zu einer Erweiterung des Gegenstands der Anmeldung noch dazu führen, dass an die Stelle der angemeldeten Erfindung eine andere gesetzt wird (BGHZ 66, 17, 29 - Alkylendiamine I; BGHZ 110, 123, 125 - Spleißkammer). Der Patentanspruch darf mithin nicht auf einen Gegenstand gerichtet werden, von dem aus fachmännischer Sicht aufgrund der ursprünglichen Offenbarung nicht zu erkennen ist, dass er von vornherein von dem Schutzbegehren umfasst sein sollte (Sen.Urt. v. 21.9.1993 - X ZR 50/91, Mitt. 1996, 204, 206 - Spielfahrbahn; Sen.Beschl. v. 20.6.2000 - X ZB 5/99, GRUR 2000, 1015, 1016 - Verglasungsdichtung; v. 5.10.2000 - X ZR 184/98, GRUR 2001, 140, 141 - Zeittelegramm; Sen.Urt. v. 5.7.2005, GRUR 2005, 1023, 1024 - Einkaufswagen II). Der Anmelder oder Patentinhaber , der nur noch für eine bestimmte Ausführungsform der angemeldeten Erfindung Schutz begehrt, ist dabei nicht genötigt, sämtliche Merkmale ei- nes Ausführungsbeispiels in den Anspruch aufzunehmen (Sen.Urt. v. 15.11.2005 - X ZR 17/02, GRUR 2006, 316, 319 - Koksofentür). Die Aufnahme eines weiteren Merkmals aus der Beschreibung in den Patentanspruch ist zulässig , wenn dadurch die zunächst weiter gefasste Lehre auf eine engere Lehre eingeschränkt wird und wenn das weitere Merkmal in der Beschreibung als zu der beanspruchten Erfindung gehörend zu erkennen war (BGHZ 111, 21, 25 - Crackkatalysator I; Sen.Beschl. v. 30.10.1990 - X ZB 18/88, GRUR 1991, 307, 308 - Bodenwalze; Sen.Urt. v. 7.12.1999 - X ZR 40/95, GRUR 2000, 591, 592 - Inkrustierungsinhibitoren). Dienen mehrere in der Beschreibung eines Ausführungsbeispiels genannte Merkmale der näheren Ausgestaltung der unter Schutz gestellten Erfindung, die je für sich, aber auch zusammen den durch die Erfindung erreichten Erfolg fördern, hat es der Patentinhaber in der Hand, ob er sein Patent durch die Aufnahme einzelner oder sämtlicher dieser Merkmale beschränkt ; in dieser Hinsicht können dem Patentinhaber keine Vorschriften gemacht werden (BGHZ 110, 123, 126 - Spleißkammer; Sen.Beschl. v. 14.9.2004 - X ZB 25/02 - Fußbodenbelag).
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Dies bedeutet allerdings nicht, dass der Patentinhaber nach Belieben einzelne Elemente eines Ausführungsbeispiels im Patentanspruch kombinieren dürfte. Die Kombination muss vielmehr in ihrer Gesamtheit eine technische Lehre darstellen, die aus der Sicht des Fachmanns den ursprünglichen Unterlagen als mögliche Ausgestaltung der Erfindung zu entnehmen ist; andernfalls wird etwas beansprucht, von dem aufgrund der ursprünglichen Offenbarung nicht erkennbar ist, dass es von vornherein von dem Schutzbegehren umfasst sein soll, und das daher gegenüber der angemeldeten Erfindung ein aliud darstellt (Sen.Beschl. v. 23.1.1990 - X ZB 9/89, GRUR 1990, 432, 434 - Spleißkammer [insoweit nicht in BGHZ]; Sen.Beschl. v. 11.9.2001 - X ZB 18/00, GRUR 2002, 49, 51 - Drehmomentübertragungseinrichtung).
Diesen Anforderungen genügt die Kombination des Merkmals 9.2 mit
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den übrigen Merkmalen des Patentanspruchs 1. Denn in Patentanspruch 2 der Anmeldung war ganz allgemein ein Sammelhefter mit parallelen Sammelstrecken angegeben, bei dem der Heftapparat wenigstens zwei benachbarten Sammelstrecken zugeordnet ist und je Sammelstrecke mindestens einen Heftkopf aufweist. Aus der Sicht des Fachmanns, als den der Senat - auf der Grundlage der durch die Angaben des gerichtlichen Sachverständigen bestätigten Feststellungen des Bundespatentgerichts zum üblichen Ausbildungs- und Kenntnisstand der mit der Entwicklung von Sammelheftern befassten Fachleute - einen Maschinenbauingenieur mit praktischen Erfahrungen auf dem Gebiet der Konstruktion papierverarbeitender Maschinen ansieht, war erkennbar, dass der beschriebene Gleichlauf der Heftköpfe eines wenigstens zwei benachbarten Sammelstrecken in deren Wirkbereich zugeordneten Heftapparats mit den Sammelstrecken beim Heftvorgang geeignet ist, dem in der Patentanmeldung beschriebenen Nachteil des Standes der Technik, dass für den Heftvorgang nur ein Bruchteil eines Maschinentaktes zur Verfügung stand, entgegenzuwirken und damit das Ziel zu fördern, eine Vorrichtung zu schaffen, die bei gleich präziser Verarbeitung wie bei einer konventionellen Maschine ein Mehrfaches der Produktionsgeschwindigkeit erlaubt.
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Dem gegenüber ist unerheblich, dass die ursprünglichen Unterlagen mit dem konzentrisch gelagerten, pendelnden Bügel des Heftapparats nur eine Möglichkeit beschreiben, wie ein solcher Gleichlauf während eines Bewegungsweges erreicht werden kann. Denn ein solches Ausführungsbeispiel, mit dem der Anmelder der Anforderung genügt, die Erfindung so deutlich und vollständig zu offenbaren, dass ein Fachmann sie ausführen kann (§ 34 Abs. 4 PatG), nötigt nicht dazu, den Gegenstand des Patentanspruchs hierauf zu beschränken.
Entgegen der Auffassung der Berufung ergibt sich eine unzulässige Er34 weiterung auch nicht daraus, dass in der C3-Schrift die Vorrichtung nach der deutschen Patentschrift 33 43 466 (E 2) dahin beschrieben wird, mittels eines Pendelantriebs werde eine derartige Hin- und Herbewegung der Heftköpfe herbeigeführt , dass sie bei ihrer Einwirkung auf zwei aufeinanderfolgende, zu heftende Druckbogen "im Gleichlauf mit deren Bewegungsgeschwindigkeit" bewegt würden (Sp. 3 Z. 19-30). Denn damit ist lediglich zutreffend beschrieben, dass in der Einwirkungsphase in Laufrichtung der Druckbogen keine Relativbewegung zwischen Heftköpfen und Druckbogen stattfindet. Nichts anderes ist, bezogen auf Heftköpfe und Sammelstrecken, mit dem Begriff des "Gleichlaufs" in der Anmeldung des Streitpatents und in Merkmal 9.2 zum Ausdruck gebracht.
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3. Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 in der Fassung des angefochtenen Urteils ist auch patentfähig.
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Dieser Gegenstand ist, wie auch von der Klägerin und ihrer Streithelferin nicht in Zweifel gezogen wird, neu. Verhandlung und Beweisaufnahme haben ebenso wenig tatsächliche Anhaltspunkte dafür ergeben, dass der Stand der Technik dem Fachmann den Gegenstand des Patentanspruchs 1 nahegelegt hat.
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a) Die deutsche Auslegeschrift 1 114 779 (E 6) beschreibt eine Maschine zum Heften von Bogenlagen, bei der die Druckbogen auf sattelförmigen Auflagen (2) gesammelt werden, die an umlaufenden Zugorganen angeordnet sind. Mittels Verteil- und Anlegevorrichtungen (104) werden die Druckbogen auf den Auflagen abgelegt und zu einer Heftvorrichtung (105) weitertransportiert. Die Heftköpfe werden von auf einer Welle aufgekeilten Nocken gesteuert, die das Anbringen der Heftklammern während des Verschiebens der auf den Auflagen ruhenden Broschüren gestatten. Das entspricht den Merkmalen 1 bis 4.1, 5.1, 9.1 und 9.2. Hingegen fehlen die Mitnehmer wie auch alle Merkmale, die mindestens zwei parallele, um eine Achse drehend angeordnete Sammelstrecken voraussetzen.
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Es ist auch nicht erkennbar, was dem Fachmann Veranlassung geben sollte, die Vorrichtung derart umzugestalten, dass die gezeigte Sammelstrecke durch mindestens zwei parallele, um eine Achse drehend angeordnete Sammelstrecken ersetzt wird. Insbesondere ergibt sich hierfür nichts aus der von der Klägerin mehrfach zitierten Annahme im Urteil des Senats vom 26. Mai 1998 (X ZR 20/96, Bausch, BGH 1994-1998, 509), dem Fachmann sei bekannt, dass ein endlos umlaufendes Element bei einem Sammelförderer nicht nur ein Ketten- oder Riemengetriebe sein könne, sondern auch eine Trommel. Die Aussage des Senats bezieht sich auf die Erfassung des Wortsinns des Begriffs "endlos umlaufender Sammelförderer" im Patentanspruch des damaligen Streitpatents. Ihr lässt sich nichts dafür entnehmen, ob und inwieweit der Fachmann bei einem konkreten Sammelförderer Veranlassung sieht, ein umlaufendes Ketten- oder Riemengetriebe durch eine Trommel oder dergleichen zu ersetzen. Diese Frage kann stets nur aus dem Zusammenhang einer konkreten vorbekannten Lösung beantwortet werden. Selbst wenn aber der Fachmann Veranlassung sähe, die Auflagen auf einer Trommel anzuordnen, gelangte er damit nicht zum Gegenstand des Streitpatents.
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b) Dies folgt auch nicht aus der zusätzlichen Heranziehung der deutschen Offenlegungsschrift 31 08 551 (E 3). Dort wird beschrieben, dass mehrlagige Druckprodukte dadurch gebildet werden können, dass eine Anzahl von zickzackförmig gefalteten Bahnen aufeinander ausgerichtet übereinandergelegt wird. Jede Bahn wird durch einzelne Blätter gebildet, die an den quer zur Bahnlängsrichtung verlaufenden Faltstellen miteinander verbunden sind. Zum Abstützen der aufeinander zu legenden Bahnen dient eine Trommel, welche an ihrem Umfang radial abstehende Stützstege (47) aufweist, auf denen zunächst die erste Bahn aufgelegt wird. Die spiralförmig auf der Trommel geführte erste Bahn gelangt sodann zum Eingabeabschnitt der nachfolgenden Bahn, in welchem diese über die erste Bahn gelegt wird. Die beiden Bahnen werden schraubenlinienförmig gegebenenfalls zu weiteren Eingabeabschnitten und sodann zu einem Endbereich der Trommel geführt, in dem ein Heftapparat (62) vorgesehen ist, in dessen Wirkbereich sich die Blätter(bahnen) auf einer Kreisbahn bewegen.
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Diese Vorrichtung setzt voraus, dass die Blätter der am Ende des Bearbeitungsvorgangs stehenden Druckprodukte als zickzackförmig gefaltete Bahnen zugeführt werden, was die deutsche Offenlegungsschrift als besonders vorteilhaft ansieht, weil die gegenseitige Lage der Blätter einer Bahn immer definiert sei (S. 6 Z. 4-10 der Beschreibung). Die Trommel dieser Vorrichtung ist daher jedenfalls nicht ohne weiteres mit einer Vorrichtung nach der E 6 kombinierbar , und Verhandlung und Beweisaufnahme haben keine Anhaltspunkte dafür hervortreten lassen, dass der Fachmann zu dem Versuch einer solchen Kombination Veranlassung sehen sollte. Insbesondere ergibt sich hierfür nichts aus einem für sich naheliegenden Bestreben des Fachmanns, die Arbeitsgeschwindigkeit der Vorrichtung zu erhöhen, denn auch bei der Trommel nach der E 3 werden die Stützstege wie die sattelförmigen Auflagen nach der E 6 konsekutiv mit den aufeinanderfolgenden Blätterbahnen beschickt.
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Auch der Hinweis der Berufung darauf, dass in Anspruch 4 der E 3 ein Verfahren beansprucht sei, bei dem die übereinander liegenden Bahnen an allen oder einzelnen Faltstellen durchgetrennt werden, führt nicht weiter. Zwar ist in jenem Anspruch nicht angegeben, in welcher Verfahrensphase die Bahnen durch Trennung zu Blättern oder Druckbogen vereinzelt werden sollen. Für die Frage, welche Anregungen eine Schrift dem Fachmann bot, kommt es indessen nicht darauf an, wie weit ihr Gegenstand oder Schutzbereich reicht. Maßgeblich ist allein, welche technischen Erkenntnisse und Möglichkeiten dem Fachmann offenbart werden. Insoweit beschreibt die Offenlegungsschrift jedoch - ihrer Zielrichtung entsprechend - ausschließlich die Sammlung übereinander liegender Bahnen, nicht vereinzelter Druckbogen. Erst das am Entnahmeabschnitt (51) der Trommel - gegebenenfalls nach Heften (S. 15 Z. 23-26) - von einem Transporteur (59) übernommene, aus den übereinander liegenden Bahnen bestehende "Gebilde (61)" wird einer Stapelbildevorrichtung (63) zugeführt und sodann von einer Trennvorrichtung (68) durchtrennt (S. 15 Z. 10 - S. 16 Z. 22).
Auch die - ohnehin nicht näher ausgeführte - Bemerkung auf S. 17 Z. 5-7, es "wäre unter Umständen jedoch auch denkbar", die fertigen Druckprodukte vor dem Stapeln einzeln voneinander zu trennen, bezieht sich auf "die einzelnen zusammenhängenden, das Gebilde (61) bildenden fertigen Druckprodukte" und ändert daher nichts daran, dass nach dem Gesamtinhalt der Schrift eine Vereinzelung erst nach dem Sammeln in Betracht gezogen wird.
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c) Es kommt hinzu, dass weder die E 3 noch die E 6 eine Anregung dafür geben, vereinzelte Druckbogen mittels längs der Auflage wirksamer Mitnehmer einem Heftapparat zuzuführen, der wenigstens zwei benachbarten Sammelstrecken in deren Wirkbereich zugeordnet ist (Merkmal 8.1). Um derartiges gleichwohl zu realisieren, müsste der Fachmann zunächst zu der Erkenntnis gelangen, dass es zweckmäßig sei, zusätzlich zu dem aus der E 6 bekannten Heftkopf einen weiteren, gemeinsam mit dem ersten hin- und herpendelnden Heftkopf vorzusehen. Eine Anregung hierfür mag sich zwar in der bereits erwähnten deutschen Patentschrift 33 43 466 (E 2) finden. Bei dem dort beschriebenen Heftvorgang bewegen sich die Druckprodukte jedoch ebenso wenig wie bei der Heftvorrichtung nach der E 6 auf einer Kreisbahn. Für eine Zuordnung des Heftapparats zu wenigstens zwei benachbarten Sammelstrecken, die symmetrisch zu einer Achse und um diese drehend angeordnet sind, und die hierfür erforderlichen konstruktiven Maßnahmen fehlt jedes Vorbild.
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d) Die übrigen im Verfahren befindlichen Druckschriften kommen dem Gegenstand des Streitpatents in der Fassung des Urteils des Bundespatentgerichts nicht näher. Ergänzend wird hierzu auf die Ausführungen zu IV 3 des angefochtenen Urteils Bezug genommen. Die tatsächlichen Voraussetzungen des § 21 Abs. 1 Nr. 1 PatG können hiernach nicht festgestellt werden.
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IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1, § 101 Abs. 2, § 100 Abs. 1 ZPO. Die Streithelferin gilt als Streitgenossin der Klägerin. Nach- dem der Senat für die Nebenintervention im Patentnichtigkeitsverfahren das Erfordernis aufgegeben hat, dass zwischen dem Nichtigkeitskläger oder dem Patentinhaber eine Rechtsbeziehung bestehen muss, die durch die im Nichtigkeitsverfahren ergehende Entscheidung beeinflusst werden kann, und es genügen lässt, dass der Nebenintervenient durch das Streitpatent in seiner geschäftlichen Tätigkeit als Wettbewerber beeinträchtigt werden kann (BGHZ 166, 18 - Carvedilol I), besteht kein Grund mehr, die Rechtskraftwirkung eines klageabweisenden Urteils gegenüber dem Streithelfer anders zu beurteilen als gegenüber dem Nichtigkeitskläger. Auch erscheint die Kostenfolge des § 101 Abs. 2 ZPO für diesen Fall sachgerechter als diejenige des § 101 Abs. 1 ZPO. Entsprechend § 69 ZPO gilt der Streithelfer daher als Streitgenosse des Nichtigkeitsklägers (offengelassen im Senatsurteil vom 22.12.1964 - Ia ZR 237/63, GRUR 1965, 297 - Nebenintervention). An der im Urteil vom 30. September 1997 (X ZR 85/94, GRUR 1998, 382, 387 - Schere) vertretenen gegenteiligen Auffassung hält der Senat nicht fest.
Melullis Keukenschrijver Mühlens
Meier-Beck Gröning
Vorinstanz:
Bundespatentgericht, Entscheidung vom 25.06.2002 - 2 Ni 15/01 -