Bundesgerichtshof Urteil, 08. Jan. 2019 - X ZR 58/17

bei uns veröffentlicht am08.01.2019
vorgehend
Bundespatentgericht, 1 Ni 1/15, 07.03.2017

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X ZR 58/17 Verkündet am:
8. Januar 2019
Anderer
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in der Patentnichtigkeitssache
ECLI:DE:BGH:2019:080119UXZR58.17.0

Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 8. Januar 2019 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Meier-Beck, die Richter Dr. Grabinski, Hoffmann und Dr. Deichfuß sowie die Richterin Dr. Marx

für Recht erkannt:
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des 1. Senats (Nichtigkeitssenats ) des Bundespatentgerichts vom 7. März 2017 unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels abgeändert.
Das europäische Patent 1 070 223 wird mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland insoweit für nichtig erklärt, als Patentanspruch 3 und die Rückbezüge auf Patentanspruch 3 in den nachfolgenden Patentansprüchen entfallen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Die Beklagte ist Inhaberin des europäischen Patents 1 070 223 (Streitpatents ). Es wurde am 31. März 1999 unter Inanspruchnahme dänischer Prioritäten vom 6. April 1998 und vom 23. Februar 1999 international angemeldet. Das Streitpatent umfasst acht Patentansprüche, von denen Anspruch 1 in der englischen Verfahrenssprache lautet: "Apparatus for drying particulate material in superheated steam comprising: a closed container (1) having a lower cylindrical part connected to a conical transition piece, the conical transition piece connected to an upper cylindrical part having a greater diameter than the lower cylindrical part, a heat exchanger (3) located in a central part of the container, a steam transport element (6) for receiving superheated steam from the heat exchanger (3) located in the lower cylindrical part and for transporting the superheated steam in the container through a steam permeable bottom (5), a series of upwardly open, elongated and substantially vertical processing cells (2), which are disposed around the central part with the heat exchanger (3), where a first cell has an inlet for the particulate material, and the last cell (4) is the discharge cell with discharge means for the dried material, which last cell (4) has a closed bottom, while the remaining cells (2) have a bottom (5) through which the steam can permeate, and where the processing cells (2) which lie side by side are open at the top ends opposite a common transfer zone (13), and in their bottoms are connected through openings (11) at the lower ends of the cells, whereby the material, led into the first processing cell (2), is dried during passage through the processing cells (2) by the superheated steam which is blown up from the heat exchanger (3) through the steam permeable bottoms (5) in that the particulate material can pass from one processing cell to the next through said openings (11), a dust separation cyclone (8) located in the upper cylindrical part for receiving steam and dust and for separating the dust from the steam, characterized in that the dust separating cy- clone (8) has openings (14) in the upper part thereof for receiving at least a half part of the steam and dust therefrom, and that the residual steam and dust, if any, is fed to the cyclone (8) from below." Die Klägerin hat geltend gemacht, die Erfindung sei nicht so offenbart,
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dass ein Fachmann sie ausführen könne; weiterhin gehe der Gegenstand des Streitpatents über den Inhalt der ursprünglich eingereichten Anmeldung hinaus und sei nicht patentfähig.
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Das Patentgericht hat die Klage abgewiesen. Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin, mit der sie ihr erstinstanzliches Begehren auf vollständige Nichtigerklärung des Streitpatents weiterverfolgt. Im Berufungsverfahren verteidigt die Beklagte das Streitpatent ohne Patentanspruch 3 und ohne die Rückbezüge auf diesen Anspruch. Im Übrigen tritt sie dem Rechtsmittel entgegen und verteidigt das Streitpatent hilfsweise in der Fassung von sechs Hilfsanträgen.

Entscheidungsgründe:


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A. Die Berufung ist zulässig.
5
Für eine den Anforderungen des § 112 Abs. 3 PatG genügende Berufungsbegründung reicht es aus, wenn darin wenigstens ein Berufungsangriff geführt wird, mit dem in zulässiger Form eine Rechtsverletzung geltend gemacht wird, die, läge sie vor, geeignet wäre, das Urteil ganz oder teilweise zu Fall zu bringen. Ist diesem Erfordernis genügt, so ist es dem Berufungskläger nicht aus Gründen des § 112 PatG verwehrt, seinen Vortrag gegen das angefochtene Urteil auch nach Ablauf der Berufungsbegründungsfrist zu ergänzen und insofern weitere Gründe gegen das angefochtene Urteil wirksam vorzubrin- gen (vgl. BGH, Urteil vom 12. Dezember 2012 - X ZR 134/11, GRUR 2013, 363 Rn. 7 mwN; zu § 519 ZPO aF: BGH, Urteil vom 5. Oktober 1983 - VIII ZR 224/82, NJW 1984, 177 [zu I 2 a] mwN).
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Einen solchen Angriff führt die Berufungsbegründung bereits mit dem Vorbringen, das Streitpatent gehe über den Inhalt der ursprünglichen Anmeldung hinaus, weil es in Anspruch 1 für den Ort des Dampf-Transportmittels allgemein den unteren zylindrischen Teil der Anlage angibt, während die ursprüngliche Anmeldung hierfür lediglich einen Ort unterhalb des Wärmetauschers vorsehe.
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B. In der Sache hat die Berufung nur im Umfang der seitens der Beklagten erklärten Beschränkung des Streitpatents Erfolg.
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I. Das Streitpatent betrifft eine Anlage zum Trocknen von partikelförmigen Materialien in überhitztem Dampf (Dampftrockner). 1. Im Stand der Technik sind nach Angabe der Streitpatentschrift
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Dampftrockner bekannt, in denen das Material mittels überhitzten Dampfs in einem geschlossenen Behälter getrocknet wird. Zur Gattung des Streitpatents gehören die Gegenstände von drei Patentschriften, des dänischen Patents 156 974 (D12) sowie der europäischen Patente 537 262 (deren Übersetzung als D1 vorgelegt) und 537 263 (deren Übersetzung als D2 vorgelegt), die den Erfinder des Streitpatents ebenfalls als Erfinder ausweisen und auf die das Streitpatent Bezug nimmt. In der D2 wird diese Gattung mit folgenden Figuren erläutert:
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Figur 1 zeigt einen Dampftrockner in voller Höhe, Figur 5 zeigt eine Verfahrenszelle (6 - dieses und die folgenden Bezugszeichen entstammen der D2) und Figur 7 zeigt eine der über den Verfahrenszellen angeordneten Führungsplatten (11). Beim Betrieb einer solchen Anlage wird vom Wärmetauscher (20) überhitzter Dampf von einem darunter angeordneten Zentrifugalgebläse (51) außen in Richtung der um den Wärmetauscher herum angeordneten Verfahrenszellen (6) transportiert. Die Verfahrenszellen (6) weisen einen dampfdurchlässigen Boden (8) auf, durch den der Dampf hindurchtritt. Das zu trocknende Material wird über ein Zuführrohr (16) in eine erste Verfahrenszelle geleitet, welche sich von oben betrachtet im Uhrzeigersinn neben der letzten Verfahrenszelle (7) befindet. Der von unten durch die Bodenplatten (8) durchströmende überhitzte Dampf verwirbelt das zu trocknende Material in einer Verfahrenszelle. Das getrocknete Material verliert zunehmend an Gewicht und gelangt nach oben in den Bereich der Führungsplatten (11). In diesen konisch nach außen angeordneten Führungsplatten wird die Gasströmung schwächer, so dass sich das getrocknete Material an den Führungsstangen (76) absetzen und von diesen durch Öffnungen (12) seitlich in die nächste Verfahrenszelle geleitet werden kann, wo es erneut verwirbelt und getrocknet wird. Schwereres Material kann unten am Boden über Öffnungen (62) in die jeweils nächste Verfahrenszelle gelangen, bis es die Auslasszelle (7) erreicht (D2, S. 8). In dieser Zelle strömt kein Dampf nach oben; vielmehr wird das getrocknete Material über das Austragsrohr (14) mit Hilfe eines Schneckenförderers (13) ausgetragen. Im oberen Teil der Vorrichtung ist zum Reinigen des hochströmenden Dampfs ein Staubabscheidungssystem in Form eines Zyklons (31) vorgesehen, bevor der Dampf wieder in den Wärmetauscher eintritt. Der abgeschiedene Staub wird über die letzte Verfahrenszelle (7) abgeführt (D2, S. 9 Abs. 4).
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In einem weiteren vom Streitpatent in Bezug genommenen Dokument, dem Artikel des Erfinders "Pressurized Steam Drying of Beet Pulp" im International Sugar Journal, Nov. 1992, S. 281 (D3), werden die Vorteile eines der D2 entsprechenden Dampftrockners gegenüber einem Trommeltrockner dargestellt. Während ein Trommeltrockner die bei der Zuckerherstellung als Abfall anfallenden Rübenschnitzel mit heißer Luft trocknet und die hierfür aufgewendete Energie danach keiner anderen Nutzung zugeführt werden kann, ermöglicht danach der Dampftrockner, den mit der Trocknung aus der Feuchtigkeit der Rübenschnitzel gewonnenen überhitzten Dampf anderen Vorrichtungen für die Zuckerherstellung zuzuführen. So kann dieser Dampf über das Rohr (45) dem Kopf des Dampftrockners entnommen und beispielsweise als Wärmeenergie in den Verdampfern zum Eindicken des Dünnsaftes genutzt werden (D3, S. 287). Zudem arbeitet der Dampftrockner im Gegensatz zu einem Trommeltrockner emissionsfrei.
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Bei den im Stand der Technik bekannten Anlagen ist die Leistungsfähigkeit in etwa proportional zum zirkulierenden Dampfstrom. Bei diesen Anlagen kann der Dampfstrom nicht erhöht werden, ohne gleichzeitig eine unerwünscht große Menge des partikelförmigen Materials mit dem Dampf in den Staubabscheidungszyklon zu fördern. Von dort aus verließe es die Anlage, ohne ausreichend getrocknet zu sein.
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2. Der Erfindung des Streitpatents liegt demnach die Aufgabe zugrunde , einen Dampftrockner zu entwickeln, der eine höhere Trocknungsleistung bei annähernd gleichbleibender Qualität des Trocknungsprodukts erzielt.
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3. Zur Lösung schlägt Patentanspruch 1 eine Anlage zum Trocknen von partikelförmigem Material in überhitztem Dampf mit folgenden Merkmalen vor [in eckigen Klammern die Gliederung des angefochtenen Urteils]: 1. Der Dampftrockner umfasst einen geschlossenen Behälter (1) [M2] 1.1 mit einem unteren zylindrischen Teil [M2.1], 1.2 mit einem oberen zylindrischen Teil mit größerem Durchmesser [M2.4] und 1.3 mit einem konischen Übergangsstück [M2.2/2.3]. 2. Ein Wärmetauscher (3) ist in einem Mittelteil (central part) des Behälters angeordnet [M3/3.1]. 3. Im unteren zylindrischen Teil ist ein Dampftransportelement (6) zum Aufnehmen von überhitztem Heißdampf (su- perheated steam) vom Wärmetauscher (3) und zu dessen Transport im Behälter durch einen dampfdurchlässigen Boden (5) angeordnet [M4-4.3]. 4. Es ist eine Reihe von um das Mittelteil mit dem Wärmetauscher (3) angeordneten, nach oben offenen, länglichen und im Wesentlichen vertikalen Verfahrenszellen (2) vorgese- hen [M5/5.1], von denen 4.1 eine erste Zelle einen Einlass für das partikelförmige Material aufweist [M5.2], 4.2 die letzte Zelle (4) die Auslasszelle mit Auslassmitteln für das getrocknete Material ist [M5.3/5.4], 4.3 die letzte Zelle (4) einen geschlossenen und die restlichen Zellen (2) jeweils einen dampfdurchlässigen Boden (5) aufweisen [M5.5/5.6], 4.4 die seitlich nebeneinander liegenden Zellen (2) an ihren oberen Enden gegenüber einem gemeinsamen Förderbereich (13) offen sind und an ihrem Boden durch Öffnungen (11) verbunden sind [M5.7/5.8], so dass 4.4.1 das partikelförmige Material von einer Zelle zur nächsten durch die Öffnungen (11) hindurchtreten kann [M5.11] und 4.4.2 während des Durchgangs durch die Zellen (2) durch den Heißdampf getrocknet wird, der von dem Wärmetauscher (3) durch die dampfdurchlässigen Böden (5) hochgeblasen wird [M5.9/5.10]. 5. Im oberen zylindrischen Teil ist ein Staubabscheidungszyklon (8) zum Aufnehmen von Dampf und Staub und zum Abscheiden des Staubs von dem Dampf angeordnet [M66.2 ], 5.1 der in seinem oberen Teil Öffnungen (14) zum Aufnehmen mindestens der Hälfte des gesamten staubhaltigen Dampfs (for receiving at least a half part of the steam and dust therefrom) aufweist [M7/7.1] und 5.2 dem gegebenenfalls (if any) restlicher staubhaltiger Dampf von unten zugeführt wird [M7.2].
Ein Ausführungsbeispiel zeigt das Streitpatent mit der folgenden Figur 1
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von der Seite und der Figur 2 von oben:
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II. 1. Mit dem Patentgericht ist als zur Lösung der patentgemäßen Aufgabe berufener Fachmann ein Maschinenbauingenieur mit guten Kenntnissen der Thermodynamik und Strömungslehre sowie mehrjähriger Berufserfahrung mit der Entwicklung von Anlagen zum Trocknen partikelförmigen Materials anzusehen.
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2. Zur Auslegung von Anspruch 1 hat das Patentgericht ausgeführt:
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a) Den Merkmalen 3 und 5, wonach das Dampftransportelement im unteren und der Staubabscheidungszyklon im oberen zylindrischen Teil angeordnet seien, entnehme der Fachmann, dass der Wärmetauscher zwischen dem unten befindlichen Dampftransportelement und dem oben befindlichen Staubabscheidungszyklon angeordnet sei.
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Dem ist jedenfalls insoweit beizutreten, dass das Dampftransportelement sich zumindest unterhalb der Verfahrenszellen befindet. Aus den Merkmalen 3 und 4.3 ergibt sich, dass dieses Element unterhalb des Bodens der Verfahrenszellen angeordnet sein muss, um von unten überhitzten Dampf in diese Zellen transportieren zu können. Die darüber hinausgehende Frage, ob der Wärmetauscher tiefer reichen kann als die Verfahrenszellen und dann das DampfTransportmittel im Hinblick auf die Merkmale 3 und 5 gleichwohl auch oberhalb des unteren Endes des Wärmetauschers angeordnet sein kann, bedarf für den Streitfall keiner Entscheidung.
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b) Das Patentgericht erläutert zu Merkmal 5, dass ein Staubabscheidungszyklon nach dem Verständnis des Fachmanns ein Fliehkraftabscheider sei, in dem ein mit Partikeln durchmischtes Gas in eine Wirbelbewegung versetzt werde. Hierdurch würden die Partikel aufgrund ihrer höheren Dichte durch die Fliehkraft an die Außenwand des Zyklons geschleudert und sodann das Gas und die Partikel durch separate Ausgänge abgeführt. In dem patentgemäßen Zyklon werde Staub von Dampf abgeschieden. Der Staubabscheidungszyklon sei dazu vorgesehen und eingerichtet, Dampf und Staub zu empfangen und den Staub vom Dampf zu trennen. Dies könne nur mit dem Staub geschehen , der in den Staubabscheidungszyklon eintrete. Ein Raum, in dem schwere- re und größere Partikel vom Dampf abgeschieden würden, die bereits zuvor in die Verfahrenszellen fielen und damit den Staubabscheidungszyklon nicht erreichten , werde von Merkmal 5 nicht umfasst.
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Dem ist beizutreten. Der Staubabscheidungszyklon muss geeignet sein, Dampf und Staub aufzunehmen und den Staub vom Dampf zu trennen. Dies bedingt beim Gegenstand des Streitpatents, dass der Dampf nach der Trennung den Staubabscheidungszyklon durch einen gesonderten und anderen Ausgang verlässt als der Staub, denn nach der Lehre des Streitpatents soll der Staubabscheidungszyklon den Dampf gereinigt dem Wärmetauscher oder einer anderen Auslassöffnung zur (erneuten) Nutzung als Verfahrensdampf zuführen (Streitpatent, Abs. 1 Sp. 1 Z. 28 bis 31). Ein Bauteil, das den Staub vom Dampf trennt, hierfür aber keinen vom Eingang getrennten Ausgang für den gereinigten Dampf sowie für den abgeschiedenen Staub vorsieht, entspräche diesen Anforderungen an einen Staubabscheidungszyklon gemäß Merkmal 5 nicht, weil damit dessen Funktion für die Lehre des Streitpatents nicht erfüllt würde.
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c) Zu den Merkmalen 5.1 und 5.2 hat das Patentgericht ausgeführt, die in Merkmal 5.2 erwähnte Zuführung des staubigen Dampfs ("Dampf und Staub") von unten in den Staubabscheidungszyklon könne es geben, müsse es aber nicht. Dies ergebe sich aus dem Einschub "sofern vorhanden" (if any) in Merkmal 5.2. Die Angabe "mindestens die Hälfte des Staubs" in Merkmal 5.1 beziehe sich auf den in den Staubabscheidungszyklon eintretenden Staub und nicht auf den aus den Verfahrenszellen austretenden Staub oder das daraus austretende partikelförmige Material. Nach der Lehre der Erfindung solle gerade vermieden werden, dass eine unerwünscht große Menge partikelförmigen Materials mit dem Dampf in den Staubabscheidungszyklon mitgerissen werde; demnach solle möglichst wenig des partikelförmigen Materials in den Staubabscheidungszyklon gelangen und nicht möglichst viel.
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Auch dem ist beizutreten. Die Angabe in Merkmal 5.1 "mindestens die Hälfte" bezieht sich auf die Hälfte des dem Staubabscheidungszyklon insgesamt zugeführten Dampfs und Staubs. Erfindungsgemäß wird bezweckt, möglichst viel dieses zugeführten Dampfs und Staubs durch die oberen Öffnungen zuzuführen.
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Mit der Möglichkeit gemäß Merkmal 5.2, bis zur Hälfte des staubhaltigen Dampfs dem Staubabscheidungszyklon von unten zuzuführen, wird keine andere Lehre beschrieben als jene, die sich aus Merkmal 5.1 ergibt. Mit beiden Merkmalen bestimmt das Streitpatent, dass mindestens die Hälfte des staubhaltigen Dampfs von oben zugeführt werden muss, dieser Anteil auch das gesamte Volumen betragen kann und der Rest von unten den Staubabscheidungszyklon erreicht, falls nicht der gesamte staubhaltige Dampf von oben zugeführt wird.
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III. Das Patentgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:
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Der Gegenstand des Anspruchs 1 gehe nicht über den Inhalt der Anmeldung hinaus. Eine unzulässige Erweiterung sei nicht darin zu sehen, dass Merkmal 3 als Ort für ein Dampftransportelement den unteren zylindrischen Teil des Dampftrockners vorsehe, während die Beschreibung der ursprünglichen Anmeldung diesen Ort für ein Ausführungsbeispiel als im unteren zylindrischen Behälterteil unter dem Wärmetauscher angegeben habe. Durch die weiteren Merkmale sei der Ort des Dampftransportelements hinreichend deutlich beschrieben. Danach empfange das Dampftransportelement den Dampf vom Wärmetauscher und fördere diesen durch die Verfahrenszellen nach oben zum Staubabscheidungszyklon. Soweit der erteilte Anspruch 1 auch die Anordnung eines Dampftransportelements im unteren Behälterteil konzentrisch neben dem unteren Ende des Wärmetauschers umfasse, handele es sich nur um eines der Merkmale des in der Beschreibungseinleitung der Anmeldung angegeben Aus- führungsbeispiels, von denen nicht jedes einzelne in den Anspruch aufgenommen werden müsse.
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Auch liege keine unzulässige Erweiterung darin, dass das Dampftransportelement in Anspruch 1 nicht weiter als ein Zentrifugalgebläse konkretisiert sei. Die Beschreibung der Anmeldung sage deutlich aus, dass es sich bei der Angabe eines Zentrifugalgebläses nur um ein Beispiel handele.
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Der Gegenstand des Anspruchs 1 sei in einer ausführbaren Weise im Streitpatent offenbart. Dies gelte auch für die Merkmalsgruppe 5, wonach mindestens die Hälfte des Dampfs und Staubs dem Staubabscheidungszyklon von oben und der Rest von unten zuzuführen sei. Es sei nicht gezielt ein bestimmter Prozentsatz durch die Öffnungen (14) von oben zuzuführen. Die Lehre lasse sich bereits dadurch ausführen, dass der gesamte Dampf und Staub dem Staubabscheidungszyklon ausschließlich durch obere Öffnungen (14) zugeführt würde.
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Der Gegenstand des Anspruchs 1 sei neu; er werde wie von den weiteren Entgegenhaltungen auch von der D1 nicht vollständig offenbart. Die D1 unterscheide sich vom Gegenstand des Streitpatents hinsichtlich der Merkmalsgruppe 7; diese werde von der D1 nicht offenbart. Dem Staubabscheidungszyklon (31) der D1 werde Dampf und Staub ausschließlich von unten zugeführt. Entgegen der Ansicht der Klägerin sei das Rohr (40), welches sich neben dem Staubabscheidungszyklon (31) befinde, kein Staubabscheidungszyklon. Zwar werde diesem Rohr Staub und Dampf tangential durch die Öffnung (41) zugeführt , weshalb das Rohr (40) als ein Zyklon bezeichnet werden könne. Darin werde jedoch kein Staub vom Dampf getrennt, indem beides den Zyklon durch separate Ausgänge verließe. Vielmehr verließen Staub und Dampf das Rohr (40) an dessen unterem Ende gemeinsam durch einen einzigen Ausgang.
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IV. Die Berufung hat nur im Umfang der von der Beklagten erklärten Beschränkung des Streitpatents Erfolg.
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1. Die beschränkte Verteidigung des Streitpatents durch die Beklagte ist zulässig. Es ist deshalb im darüber hinausgehenden Umfang ohne weitere Sachprüfung für nichtig zu erklären (st. Rspr.: BGH, Urteile vom 30. Mai 1956 - I ZR 43/55, BGHZ 21, 8, 10 ff. - Spritzgussmaschine I; vom 11. Dezember 2007, juris Rn. 12 mwN).
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2. Der Gegenstand des Streitpatents ist nicht gegenüber dem Inhalt der ursprünglichen Anmeldung unzulässig erweitert.
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a) Zur Feststellung einer unzulässigen Erweiterung ist der Gegenstand des Patentanspruchs mit dem Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung zu vergleichen. Dieser ist nicht auf den Gegenstand der in der Anmeldung formulierten Patentansprüche beschränkt. Entscheidend ist vielmehr , was der durchschnittlich bewanderte und begabte Fachmann des betreffenden Gebiets der Technik der Gesamtheit der ursprünglichen Unterlagen als zur Erfindung gehörend entnehmen konnte (BGH, Urteile vom 12. Juli 2011 - X ZR 75/08, GRUR 2011, 1109 Rn. 36 - Reifenabdichtmittel; vom 17. Februar 2015 - X ZR 162/12, BGHZ 204, 199 Rn. 21 - Wundbehandlungsvorrichtung). Danach ist auch ein gegenüber den in der Anmeldung formulierten Patentansprüchen "breit" formulierter Anspruch unter dem Gesichtspunkt der unzulässigen Erweiterung jedenfalls dann unbedenklich, wenn sich ein in der Anmeldung beschriebenes Ausführungsbeispiel der Erfindung für den Fachmann als Ausgestaltung der im Anspruch umschriebenen allgemeineren Lehre darstellt und diese Lehre in der beanspruchten Allgemeinheit für ihn bereits der Anmeldung als zur Erfindung gehörend entnehmbar ist. Solche Verallgemeinerungen sind auch dann zulässig, wenn von mehreren Merkmalen eines Ausführungsbeispiels , die zusammengenommen, aber auch für sich betrachtet dem erfindungsgemäßen Erfolg förderlich sind, nur eines oder nur einzelne in den An- spruch aufgenommen worden sind (BGH, Urteil vom 11. Februar 2014 - X ZR 107/12, BGHZ 200, 63 Rn. 23 - Kommunikationskanal; BGHZ 204, 199 Rn. 29 - Wundbehandlungsvorrichtung). Die Nichtaufnahme der übrigen Merkmale oder ihre Aufnahme in den Anspruch mit einem der erfindungsgemäßen Lehre entsprechenden, verallgemeinerten Inhalt begründet dann keine unzulässige Erweiterung.
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b) Nach diesen Grundsätzen ist der Gegenstand von Patentanspruch 1 nicht deshalb unzulässig erweitert, weil der Ort des Dampftransportelements gemäß Merkmal 4 allgemein als im unteren zylindrischen Teil definiert wird.
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aa) Dies gilt auch dann, wenn dies entsprechend dem Vorbringen der Klägerin nicht voraussetzt, dass das Dampftransportelement unterhalb des Wärmetauschers angeordnet ist. Auch bei einem Verständnis von Merkmal 3, demzufolge das Dampftransportelement an einem anderen Ort im gemäß Merkmal 1.1 definierten, unteren zylindrischen Teil angeordnet sein kann, sofern sich dieser noch unterhalb der Verfahrenszellen befindet, ist der Gegenstand von Patentanspruch 1 nicht unzulässig erweitert.
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Die ursprüngliche Anmeldung sieht im Ausführungsbeispiel zwar ein Zentrifugalgebläse vor, dessen Ort als unterhalb des Wärmetauschers angegeben wird (D16, S. 6 Z. 28 bis S. 7 Z. 3). Weiterhin beschränkt der in der Anmeldung entworfene Patentanspruch 1 den Ort des Dampftransportelements auf einen Bereich unterhalb des Wärmetauschers (D16, S. 12 Z. 7 f.). Die im Ausführungsbeispiel angegebene Position des Dampftransportelements ist für die Aufgabe und die Lösung der angemeldeten Erfindung aber nur von untergeordneter Bedeutung und soll lediglich die Darstellung des Beispiels komplettieren. Entscheidend für die Lehre des Streitpatents ist der obere Bereich des Dampftrockners und die Frage, wie und an welcher Stelle der größte Teil des staubhaltigen Dampfs dem Staubabscheidungszyklon zuzuführen ist, um damit die Leistungsfähigkeit des Trockners zu erhöhen. Der Fachmann erkennt aus der Anmeldung, dass die genaue Position des Dampftransportelements für die im oberen Bereich des Trockners realisierte erfindungsgemäße Lehre ohne Bedeutung ist, solange das Dampftransportelement sich im unteren Bereich befindet. Eine hinsichtlich der Position des Dampftransportelements dementsprechend verallgemeinerte Angabe hält sich im Rahmen der Ursprungsoffenbarung.
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c) Eine unzulässige Erweiterung ergibt sich auch nicht in Bezug auf die weiteren Merkmale des Gegenstands des Anspruchs 1.
38
Dies gilt insbesondere, soweit Merkmal 3 lediglich allgemein ein Dampftransportelement verlangt und dieses nicht auf ein Zentrifugalgebläse konkretisiert. Das Ausführungsbeispiel der ursprünglichen Anmeldung wie auch dasjenige des Streitpatents zeigt hierfür zwar ein Zentrifugalgebläse. Wie das Patentgericht zutreffend ausgeführt hat, wird das Zentrifugalgebläse aber bereits in der Anmeldung nur als Beispiel für ein Dampftransportelement erwähnt (D16, S. 1 Z. 9 f.). Der in der Anmeldung entworfene Anspruch 1 bringt dies deutlich zum Ausdruck, indem darin für Merkmal 3 kein Zentrifugalgebläse, sondern allgemein nur ein Dampftransportelement verlangt wird.
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Auch die weiteren, bereits in der ersten Instanz für eine unzulässige Erweiterung geltend gemachten Gesichtspunkte vermögen eine solche nicht zu begründen. Insoweit wird auf die zutreffenden Ausführungen des Patentgerichts verwiesen.
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3. Der zuletzt von der Beklagten verteidigte Gegenstand des Streitpatents ist in einer für den Fachmann ausführbaren Weise vollständig offenbart.
41
a) Eine für die Ausführbarkeit hinreichende Offenbarung ist gegeben, wenn der Fachmann ohne erfinderisches Zutun und ohne unzumutbare Schwierigkeiten in der Lage ist, die Lehre des Patentanspruchs aufgrund der Gesamtoffenbarung der Patentschrift einschließlich der Beschreibung und der Zeich- nungen in Verbindung mit dem allgemeinen Fachwissen am Anmelde- oder Prioritätstag praktisch so zu verwirklichen, dass der angestrebte Erfolg erreicht wird (vgl. BGH, Urteile vom 11. Mai 2010 - X ZR 51/06, GRUR 2010, 901 Rn. 31 mwN - Polymerisierbare Zementmischung; vom 3. Februar 2015 - X ZR 76/13, GRUR 2015, 472 Rn. 34 - Stabilisierung der Wasserqualität).
42
Für die deutliche und vollständige Offenbarung einer Erfindung ist es nicht erforderlich, dass alle denkbaren, unter den Wortlaut des Patentanspruchs fallenden Ausgestaltungen mit Hilfe der im Patent offenbarten Informationen ausgeführt werden können. Es genügt regelmäßig den Anforderungen von Art. 138 Abs. 1 Buchst. b EPÜ, wenn zumindest ein nacharbeitbarer Weg zur Ausführung der Erfindung für einen Gegenstand oder ein Verfahren mit einer generisch definierten technischen Eigenschaft oder Anweisung offenbart ist, die erstmals der Allgemeinheit zur Verfügung gestellt wird (vgl. BGH, Urteil vom 3. Mai 2001 - X ZR 168/97, BGHZ 147, 306 unter IV - Taxol; BGH, GRUR 2010, 901 Rn. 36 - Polymerisierbare Zementmischung).
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b) Entsprechend den zutreffenden Ausführungen des Patentgerichts sind diese Voraussetzungen für eine ausführbare Offenbarung der Lehre des Patentanspruchs 1 im Streitpatent erfüllt. Das Ausführungsbeispiel des Streitpatents zeigt, wie ein Verdampfungstrockner gemäß den Anspruchsmerkmalen zu konstruieren ist. Dieses Beispiel entspricht auch den Merkmalen 5.1 und 5.2, indem der staubhaltige Dampf ausschließlich durch im oberen Teil des Staubabscheidungszyklons angeordnete Öffnungen diesem zugeführt wird.
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Die Variante gemäß Merkmal 5.2, einen Teil des staubhaltigen Dampfs dem Staubabscheidungszyklon von unten zuzuführen, beschreibt insoweit, wie ausgeführt, keine andere Lehre. Zur Ausführung der Lehre dieses Anspruchs genügt es deshalb, mit dem Ausführungsbeispiel des Streitpatents einen Gegenstand aufzuzeigen, in dem der staubhaltige Dampf ausschließlich von oben zugeführt wird.
45
c) Die weiteren, in erster Instanz geführten Angriffe der Klägerin gegen das Vorliegen einer ausführbaren Offenbarung der Lehre des Streitpatents sind aus den zutreffenden Gründen des angegriffenen Urteils nicht berechtigt. Insofern wird auf die Ausführungen in diesem Urteil verwiesen.
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4. Der Gegenstand des Streitpatents ist patentfähig. Seine Lehre ist neu und beruht auf erfinderischer Tätigkeit.
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a) Die Lehre des Streitpatents wird weder in der D1 noch in der D2 vollständig offenbart. Beide Entgegenhaltungen entsprechen den Merkmalen 1 bis 5 des Streitpatents und werden mit der - oben wiedergegebenen - Figur 1 der D2 beschrieben (Figur 1 der D2 gleicht der Figur 2 der D1).
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aa) In beiden Entgegenhaltungen tritt der staubige Dampf nur von unten in die zentrale Kammer des Zyklons (31) ein und wird dort abgelenkt durch mehrere Leitbleche (34) in ein Wirbelfeld gelenkt. Die Entgegenhaltungen offenbaren keine oberen Öffnungen zum Eintritt des staubigen Dampfs in den Staubabscheidungszyklon, die dem Merkmal 5.1 entsprächen.
49
bb) Entgegen der Auffassung der Klägerin stellt das in D1 als Zyklonabscheider und in D2 als Wirbelabscheider bezeichnete Bauteil (40) nebst seiner Öffnung (41) (nebenstehend mit einem Pfeil gekennzeichnet ) keinen zweiten Staubabscheidungszyklon im Sinne des Merkmals 5 dar, dessen einzige Öffnung entsprechend dem Merkmal 5.1 in dessen oberen Bereich läge. Die Öffnung für den Wirbelabscheider liegt zwar im oberen Bereich dieses Bauteils; auch ist davon auszugehen, dass darin zyklonartige Luftströmungen auftreten können. Der Wirbelabscheider (40) weist aber keinen zweiten Ausgang für den vom Staub abgeschiedenen Dampf auf und entspricht damit nicht einem Staubabscheidungszyklon im Sinne von Merkmal 5. Es kommt deshalb nicht darauf an, ob und in welchem Umfang in den Wirbelabscheider eingetretener, staubhaltiger Dampf dieses Bauteil wieder durch die Eintrittsöffnung verlässt, nachdem der Dampf in dem Wirbelabscheider von Staub getrennt wurde.
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b) Die weiteren gegen die Neuheit des Streitpatents angeführten Entgegenhaltungen offenbaren dessen Lehre ebenfalls nicht vollständig. Insoweit wird auf die Ausführungen des Patentgerichts verwiesen.
51
c) Der Gegenstand des Streitpatents hat sich nicht in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik ergeben.
52
Ausgehend von der D1 oder D2 war dem Fachmann ein Gegenstand mit den Merkmalen 1 bis 5 offenbart. Auch in Kenntnis der Lehre aus der amerikanischen Patentschrift 870 383 (D5) war es für den Fachmann nicht naheliegend, einen Gegenstand entsprechend der Lehre des Streitpatents zu entwickeln. Insoweit wird auf die zutreffenden Ausführungen des Patentgerichts verwiesen. Gleiches gilt hinsichtlich der weiteren, in erster Instanz gegen eine erfinderische Tätigkeit von der Klägerin vorgebrachten Argumente.
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V. Die Kostenentscheidung beruht auf § 121 Abs. 2 PatG, § 91 Abs. 1 ZPO.
Meier-Beck Grabinski Hoffmann Richter am Bundesgerichtshof Dr. Deichfuß ist erkrankt und kann deshalb nicht unterschreiben. Meier-Beck Marx
Vorinstanz:
Bundespatentgericht, Entscheidung vom 07.03.2017 - 1 Ni 1/15 (EP) -

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Urteil, 08. Jan. 2019 - X ZR 58/17

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(1) Die Berufung wird durch Einreichung der Berufungsschrift bei dem Berufungsgericht eingelegt. (2) Die Berufungsschrift muss enthalten:1.die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird;2.die Erklärung, dass gegen dieses Urtei

Patentgesetz - PatG | § 121


(1) In dem Verfahren vor dem Bundesgerichtshof gelten die Bestimmungen des § 144 über die Streitwertfestsetzung entsprechend. (2) In dem Urteil ist auch über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden. Die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über d

Patentgesetz - PatG | § 112


(1) Der Berufungskläger muss die Berufung begründen. (2) Die Berufungsbegründung ist, sofern sie nicht bereits in der Berufungsschrift enthalten ist, in einem Schriftsatz beim Bundesgerichtshof einzureichen. Die Frist für die Berufungsbegründung
Bundesgerichtshof Urteil, 08. Jan. 2019 - X ZR 58/17 zitiert 5 §§.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 91 Grundsatz und Umfang der Kostenpflicht


(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung um

Zivilprozessordnung - ZPO | § 519 Berufungsschrift


(1) Die Berufung wird durch Einreichung der Berufungsschrift bei dem Berufungsgericht eingelegt. (2) Die Berufungsschrift muss enthalten:1.die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird;2.die Erklärung, dass gegen dieses Urtei

Patentgesetz - PatG | § 121


(1) In dem Verfahren vor dem Bundesgerichtshof gelten die Bestimmungen des § 144 über die Streitwertfestsetzung entsprechend. (2) In dem Urteil ist auch über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden. Die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über d

Patentgesetz - PatG | § 112


(1) Der Berufungskläger muss die Berufung begründen. (2) Die Berufungsbegründung ist, sofern sie nicht bereits in der Berufungsschrift enthalten ist, in einem Schriftsatz beim Bundesgerichtshof einzureichen. Die Frist für die Berufungsbegründung

Referenzen - Urteile

Bundesgerichtshof Urteil, 08. Jan. 2019 - X ZR 58/17 zitiert oder wird zitiert von 5 Urteil(en).

Bundesgerichtshof Urteil, 08. Jan. 2019 - X ZR 58/17 zitiert 5 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesgerichtshof Urteil, 12. Juli 2011 - X ZR 75/08

bei uns veröffentlicht am 12.07.2011

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL X ZR 75/08 Verkündet am: 12. Juli 2011 Wermes Justizamtsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle in der Patentnichtigkeitssache Nachschlagewerk: ja BGHZ: nei

Bundesgerichtshof Urteil, 11. Feb. 2014 - X ZR 107/12

bei uns veröffentlicht am 11.02.2014

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL X ZR 107/12 Verkündet am: 11. Februar 2014 Wermes Justizamtsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle in der Patentnichtigkeitssache Nachschlagewerk: ja BGHZ:

Bundesgerichtshof Urteil, 03. Mai 2001 - X ZR 168/97

bei uns veröffentlicht am 03.05.2001

Berichtigt durch Beschluß vom 22. Mai 2001 Wermes Justizhauptsekretär als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL X ZR 168/97 Verkündet am: 3. Mai 2001 Wermes Justizhauptsekretär

Bundesgerichtshof Urteil, 11. Mai 2010 - X ZR 51/06

bei uns veröffentlicht am 11.05.2010

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL X ZR 51/06 Verkündet am: 11. Mai 2010 Anderer Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in der Patentnichtigkeitssache Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BG

Bundesgerichtshof Urteil, 12. Dez. 2012 - X ZR 134/11

bei uns veröffentlicht am 12.12.2012

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL X ZR 134/11 Verkündet am: 12. Dezember 2012 Wermes Justizamtsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle in der Patentnichtigkeitssache Nachschlagewerk: ja BGHZ:

Referenzen

(1) Der Berufungskläger muss die Berufung begründen.

(2) Die Berufungsbegründung ist, sofern sie nicht bereits in der Berufungsschrift enthalten ist, in einem Schriftsatz beim Bundesgerichtshof einzureichen. Die Frist für die Berufungsbegründung beträgt drei Monate. Sie beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Die Frist kann auf Antrag von dem Vorsitzenden verlängert werden, wenn der Gegner einwilligt. Ohne Einwilligung kann die Frist um bis zu einen Monat verlängert werden, wenn nach freier Überzeugung des Vorsitzenden der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn der Berufungskläger erhebliche Gründe darlegt. Kann dem Berufungskläger innerhalb dieser Frist Einsicht in die Prozessakten nicht für einen angemessenen Zeitraum gewährt werden, kann der Vorsitzende auf Antrag die Frist um bis zu zwei Monate nach Übersendung der Prozessakten verlängern.

(3) Die Berufungsbegründung muss enthalten:

1.
die Erklärung, inwieweit das Urteil angefochten und dessen Aufhebung beantragt wird (Berufungsanträge);
2.
die Angabe der Berufungsgründe, und zwar:
a)
die Bezeichnung der Umstände, aus denen sich die Rechtsverletzung ergibt;
b)
soweit die Berufung darauf gestützt wird, dass das Gesetz in Bezug auf das Verfahren verletzt sei, die Bezeichnung der Tatsachen, die den Mangel ergeben;
c)
die Bezeichnung neuer Angriffs- und Verteidigungsmittel sowie der Tatsachen, aufgrund deren die neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel nach § 117 zuzulassen sind.

(4) § 110 Abs. 5 ist auf die Berufungsbegründung entsprechend anzuwenden.

7
Allerdings orientiert sich die Berufungsbegründung nicht an den Anforderungen des neuen Berufungsrechts. Sie legt insbesondere nicht den Erfordernissen des § 112 Abs. 3 PatG entsprechend die Berufungsgründe dar, sondern stützt sich maßgeblich auf neuen Sachvortrag, ohne sich an den Voraussetzungen des § 117 PatG in Verbindung mit § 531 Abs. 2 ZPO zu äußern. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu der § 112 Abs. 3 Nr. 2 PatG sachlich weitgehend entsprechenden Vorschrift des § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 bis 4 ist die Berufung jedoch schon dann zulässig, wenn wenigstens ein Berufungsangriff geführt wird, mit dem in zulässiger Form eine Rechtsverletzung geltend gemacht wird, die, läge sie vor, geeignet wäre, das angefochtene Urteil ganz oder teilweise zu Fall zu bringen (BGH, Urteil vom 8. April 1991 - II ZR 35/90, NJW-RR 1991, 1186, 1187; Urteil vom 13. November 2001 - VI ZR 414/00, NJW 2002, 682, 683; Urteil vom 28. Februar 2007 - V ZB 154/06, NJW 2007, 1534 Rn. 12). An diesen Anforderungen hat die Neugestaltung des Rechts der Berufung durch das Zivilprozessreformgesetz vom 27. Juli 2001 nichts geändert (BGH, Beschluss vom 14. März 2005 - II ZB 31/03, NJW-RR 2005, 793; Beschluss vom 18. Oktober 2005 - VI ZB 81/04, NJW-RR 2006, 285). Damit genügt die von der Beklagten erhobenen Rüge, das Patentgericht habe rechtsfehlerhaft die Einstellung eines Wassergehalts von 1 bis 5 Gewichtsprozent beim Mischen im Extruder für nahegelegt erachtet, weil die internationale Patentanmeldung 96/31561 (K5) nicht hierauf hinweise, sondern den Fachmann vielmehr von einer solchen Maßnahme abhalte. Griffe diese Rüge nämlich durch, brächte sie das angefochtene Urteil insgesamt zu Fall. Dass das Urteil, wie die Klägerin geltend macht, gleichwohl aus anderen Gründen im Ergebnis zutreffend sein könnte, ist in diesem Zusammenhang unerheblich.

(1) Die Berufung wird durch Einreichung der Berufungsschrift bei dem Berufungsgericht eingelegt.

(2) Die Berufungsschrift muss enthalten:

1.
die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird;
2.
die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde.

(3) Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.

(4) Die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze sind auch auf die Berufungsschrift anzuwenden.

36
erteilten Patents mit dem Inhalt der ursprünglichen Unterlagen zu vergleichen. Der Inhalt der Patentanmeldung ist der Gesamtheit der Unterlagen zu entnehmen. Der Patentanspruch darf nicht auf einen Gegenstand gerichtet werden, den die ursprüngliche Offenbarung aus Sicht des Fachmanns nicht zur Erfindung gehörend erkennen lässt (Senat, Urteil vom 5. Juli 2005 - X ZR 30/02, GRUR 2005, 1023, 1024 - Einkaufswagen II; Urteil vom 22. Dezember 2009 - X ZR 28/06, Rn. 29, GRUR 2010, 513 - Hubgliedertor II). Dies ist jedoch hier der Fall. Patentanspruch 1 in der Fassung des Hilfsantrags I unterscheidet sich
23
dabei in einer Weise angewendet werden, die berücksichtigt, dass die Ermittlung dessen, was dem Fachmann als Erfindung und was als Ausführungsbeispiel der Erfindung offenbart wird, wertenden Charakter hat, und eine unangemessene Beschränkung des Anmelders bei der Ausschöpfung des Offenbarungsgehalts der Voranmeldung vermeidet. Insoweit ist zugrunde zu legen, dass das Interesse des Anmelders regelmäßig erkennbar darauf gerichtet ist, möglichst breiten Schutz zu erlangen , also die Erfindung in möglichst allgemeiner Weise vorzustellen und nicht auf aufgezeigte Anwendungsbeispiele zu beschränken. Soweit in der Anmeldung bereits Ansprüche formuliert sind, haben diese vorläufigen Charakter. Erst im Verlauf des sich anschließenden Prüfungsverfahrens ist herauszuarbeiten, was unter Berücksichtigung des Standes der Technik schutzfähig ist und für welche Ansprüche der Anmelder Schutz begehrt. Erst mit der Erteilung des Patents mit bestimmten Ansprüchen erfolgt eine endgültige Festlegung des Schutzgegenstands. aa) Dieser Gesichtspunkt liegt der Rechtsprechung des Senats zugrunde, wo24 nach bei der Ausschöpfung des Offenbarungsgehalts auch Verallgemeinerungen ursprungsoffenbarter Ausführungsbeispiele zugelassen werden. Danach ist ein "breit" formulierter Anspruch unter dem Gesichtspunkt der unzulässigen Erweiterung jedenfalls dann unbedenklich, wenn sich ein in der Anmeldung beschriebenes Ausführungsbeispiel der Erfindung für den Fachmann als Ausgestaltung der im Anspruch umschriebenen allgemeineren technischen Lehre darstellt und diese Lehre in der beanspruchten Allgemeinheit für ihn bereits der Anmeldung - sei es in Gestalt eines in der Anmeldung formulierten Anspruchs, sei es nach dem Gesamtzusammenhang der Unterlagen - als zu der angemeldeten Erfindung gehörend entnehmbar ist (BGH, Urteil vom 17. Juli 2012 - X ZR 117/11, BGHZ 194, 107 Rn. 52 - Polymerschaum). Solche Verallgemeinerungen sind vornehmlich dann zugelassen worden, wenn von mehreren Merkmalen eines Ausführungsbeispiels, die zusammengenommen, aber auch für sich betrachtet dem erfindungsgemäßen Erfolg förderlich sind, nur eines oder nur einzelne in den Anspruch aufgenommen worden sind (ständige Rechtsprechung seit BGH, Beschluss vom 23. Januar 1990 - X ZB 9/89, BGHZ 110, 123, 126 - Spleißkammer; aus jüngerer Zeit BGHZ 194, 107 Rn. 52 - Polymerschaum; BGH, GRUR 2012, 1133 Rn. 31 f. - UV-unempfindliche Druckplatte). bb) Nach vergleichbaren Maßgaben ist die Prüfung vorzunehmen, ob der Ge25 genstand der Erfindung im Prioritätsdokument identisch offenbart ist. Die Priorität einer Voranmeldung kann in Anspruch genommen werden, wenn sich die dort anhand eines Ausführungsbeispiels oder in sonstiger Weise beschriebenen Anweisungen für den Fachmann als Ausgestaltung der in der Nachanmeldung umschriebenen allgemeineren technischen Lehre darstellen und diese Lehre in der in der Nachanmeldung offenbarten Allgemeinheit bereits der Voranmeldung als zu der angemeldeten Erfindung gehörend entnehmbar ist.
31
Der Argumentation der Klägerin kann nicht beigetreten werden. Eine für die Ausführbarkeit hinreichende Offenbarung ist gegeben, wenn der Fachmann ohne erfinderisches Zutun und ohne unzumutbare Schwierigkeiten in der Lage ist, die Lehre des Patentanspruchs aufgrund der Gesamtoffenbarung der Patentschrift in Verbindung mit dem allgemeinen Fachwissen am Anmelde- oder Prioritätstag praktisch so zu verwirklichen, dass der angestrebte Erfolg erreicht wird (Sen.Urt. v. 14.10.1979 - X ZR 3/76, GRUR 1980, 166, 168 - Doppelachsaggregat ). Es ist also nicht erforderlich, dass bereits der Patentanspruch alle zur Ausführung der Erfindung erforderlichen Angaben enthält. Vielmehr genügt es, wenn der Fachmann die insoweit notwendigen Einzelangaben der allgemeinen Beschreibung oder den Ausführungsbeispielen entnehmen kann (Sen.Beschl. v. 16.6.1998 - X ZB 3/92, GRUR 1998, 899, 900 - Alpinski; Urt. v. 1.10.2002 - X ZR 112/99, GRUR 2003, 223, 225 - Kupplungsvorrichtung II). Nach mittels Einspruchs nicht mehr anfechtbarer Erteilung des Patents ist von einer in diesem Sinne ausreichenden Offenbarung so lange auszugehen, bis das Gegenteil nachgewiesen ist. Im Nichtigkeitsprozess führt das zur Beweislast des Klägers dafür, dass es dem Fachmann auch nach Kenntnisnahme der Angaben in der Beschreibung und der Zeichnungen der Patentschrift nicht möglich ist, die beanspruchte Lehre unter Einsatz seines Fachwissens und ohne unzumutbare Schwierigkeiten auszuführen (Busse/Keukenschrijver, aaO, § 83 PatG Rdn. 32, § 34 PatG Rdn. 301; Schulte/Moufang, PatG, 8. Aufl., 2008, § 34 PatG Rdn. 374).
Berichtigt durch Beschluß
vom 22. Mai 2001
Wermes
Justizhauptsekretär
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X ZR 168/97 Verkündet am:
3. Mai 2001
Wermes
Justizhauptsekretär
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in der Patentnichtigkeitssache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja
Taxol
IntPatÜG Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 2; EPÜ Art. 138 Abs. 1 Buchst. b; Art. 83
Bei einem Patent für ein chemisches Syntheseverfahren kann ein bestimmter Verfahrensschritt
in Form einer an sich geläufigen, allgemein bezeichneten Reaktion (hier: Veresterung) auch
dann allgemein beansprucht werden, wenn bekannte Möglichkeiten, diese Reaktion durchzuführen
, versagen, in der Patentschrift aber ein ausführbarer Weg zur Durchführung der Reaktion
nacharbeitbar offenbart ist. Dabei kommt es nicht darauf an, ob dem Fachmann auch andere
Wege zur Durchführung der Reaktion zur Verfügung standen.
BGH, Urt. v. 3. Mai 2001 - X ZR 168/97 - Bundespatentgericht
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 3. Mai 2001 durch die Richter Prof. Dr. Jestaedt, Dr. Melullis,
Keukenschrijver, die Richterin Mühlens und den Richter Dr. Meier-Beck

für Recht erkannt:
Unter Zurückweisung der Berufungen im übrigen wird auf die Berufungen der Parteien das am 14. August 1997 verkündete Urteil des 3. Senats (Nichtigkeitssenats) des Bundespatentgerichts abgeändert und wie folgt neu gefaßt: Das europäische Patent 0 336 840 wird unter Abweisung der weitergehenden Klage mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland teilweise für nichtig erklärt, soweit seine Patentansprüche über folgende Fassung hinausgehen: "1. Verfahren zur Herstellung von Taxol der Formel dadurch gekennzeichnet, daß man ein (2R, 3S)-3-Phenylisoserinderivat der allgemeinen Formel worin R eine Schutzgruppe für die Hydroxylfunktion, ausge-

2

wählt unter den Methoxymethyl-, 1-Ethoxyethyl-, Benzyloxy- ! " #%$& ' ( *)+ , .-/ 01 #12 -13 *) 2,2,2-Trichlorethoxycarbonylresten, bedeutet, mit einem Taxanderivat der allgemeinen Formel

worin R eine Schutzgruppe für die Hydroxylfunktion, ausge-

3

wählt unter den Trialkylsilylresten, von denen jeder Alkylteil 1 bis 3 Kohlenstoffatome enthält, verestert, um zu dem Ester der allgemeinen Formel

worin R2 und R3 wie vorstehend definiert sind, zu gelangen, dessen Schutzgruppen R2 und R3 man mit Wasserstoffatomen mittels einer Mineralsäure in Lösung in einem 1 bis 3 Kohlenstoffatome enthaltenden aliphatischen Alkohol ersetzt, wobei man bei einer Temperatur um 0° C arbeitet, wonach man das Taxol isoliert, wobei man zur Herstellung des Taxanderivates der allgemeinen Formel (IV) ein Halogentrialkylsilan mit 10-Desacetylbaccatin-III umsetzt, wonach sich die Acetylierung des als Zwischenprodukt erhaltenen 7-Trialkylsilyl-10-desacetylbaccatin -III anschließt.
2. Verfahren gemäß Anspruch 1 zur Herstellung des Esters der allgemeinen Formel (V), wie in Anspruch 1 definiert, dadurch gekennzeichnet, daß man in Gegenwart eines Kondensationsmittels , ausgewählt unter den Carbodiimiden und den reaktiven Carbonaten, und eines Aktivierungsmittels, ausgewählt unter den Dialkylaminopyridinen, in einem aromatischen organischen Lösungsmittel, ausgewählt unter Benzol, Toluol, den Xylolen, Ethylbenzol, Isopropylbenzol und Chlorbenzol, bei einer Temperatur zwischen 60 und 90° C arbeitet.
3. Verfahren zur Herstellung eines Taxanderivats der allgemeinen Formel

dadurch gekennzeichnet, daß man ein Halogentrialkylsilan mit 10-Desacetylbaccatin-III umsetzt, wonach sich die Acetylierung des als Zwischenprodukt erhaltenen 7-Trialkylsilyl-10desacetylbaccatin -III anschließt.
4. Verfahren zur Herstellung eines Taxanderivates der allgemeinen Formel (IV) nach Patentanspruch 1, bei dem ein Halogentrialkylsilan mit 10-Desacetylbaccatin-III umgesetzt wird, wonach sich die Acetylierung des als Zwischenprodukt enthaltenen 7-Trialkylsilyl-10-desacetylbaccatin-III anschließt, dadurch gekennzeichnet, daß man Halogentrialkylsilan bei einer Temperatur um 20° C unter Arbeiten in einem basischen organischen Lösungsmittel wie Pyridin, oder in einem inerten organischen Lösungsmittel, wie Chloroform oder Dichlorethan, in Gegenwart eines tertiären Amins umsetzt.
5. Verfahren zur Herstellung eines Taxanderivates der allgemeinen Formel (IV) nach Patentanspruch 1, bei dem ein Halogentrialkylsilan mit 10-Desacetylbaccatin-III umgesetzt wird, wonach sich die Acetylierung des als Zwischenprodukt enthaltenen 7-Trialkylsilyl-10-desacetylbaccatin-III anschließt, dadurch gekennzeichnet, daß die Acetylierung von 7-Trialkylsilyl-10-

desacetylbaccatin-III mit Hilfe von Acetylchlorid unter Arbeiten bei einer Temperatur um 0° C durchgeführt wird, wobei man in einem basischen organischen Lösungsmittel, wie Pyridin, oder in einem inerten organischen Lösungsmittel, wie Methylenchlorid , Chloroform oder Dichlorethan, in Anwesenheit eines tertiären Amins arbeitet."
Von den Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin 5/6 und die Beklagte 1/6.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Die Beklagte ist eingetragene Inhaberin des am 5. April 1989 unter Inanspruchnahme der Priorität einer Patentanmeldung in Frankreich vom 6. April 1988 angemeldeten europäischen Patents 0 336 840 (Streitpatents), das ein Verfahren zur Herstellung von Taxol betrifft. Patentanspruch 1 lautet in der Verfahrenssprache Französisch:

"1. Procédé de préparation du taxol de formule:

caractérisé en ce que l’on estérifie un dérivé de la phényl-3 isosérine (2R,3S) de formule générale :

dans laquelle R représente un groupement protecteur de la

2

fonction hydroxy choisi parmi les radicaux méthoxyméthyle, éthoxy-1 éthyle, benzyloxyméthyle, (4 5 6 798;: < thyl-silyléthoxy) méthyle, tétrahydropyrannyle, trichloro-2,2,2 éthoxycarbonyle, par un dérivé dutaxane de formule générale:

dans laquelle R représente un groupement protecteur de la

3

fonction hydroxy choisi parmi les radicaux trialkylsilyle dont chaque partie alkyle contient 1 à 3 atomes de carbone, pour obtenir l’ester de formule générale:

dans laquelle R et R sont définis comme précédemment dont
2
3 on remplace les groupements protecteurs R et R par des
2
3 atomes d’hydrogène d’un acide minéral en solution dans un alcool aliphatique contenant 1 à 3 atomes de carbone en opérant à une température voisine de 0° C, puis isole le taxol." In der deutschen Übersetzung der Patentschrift lautet dieser Patentanspruch wie folgt: "1. Verfahren zur Herstellung von Taxol der Formel dadurch gekennzeichnet, daß man ein (2R,3S)-3-Phenylisoserinderivat der allgemeinen Formel worin R eine Schutzgruppe für die Hydroxylfunktion, ausge-

2

wählt unter den Methoxymethyl-, 1-Ethoxyethyl-, Benzyloxy- = > ? @ A B C D EGF C H I imethylsilylethoxy)-methyl-, Tetrahydropyranyl-, 2,2,2-Trichlorethoxycarbonylresten, bedeutet, mit einem Taxanderivat der allgemeinen Formel

worin R eine Schutzgruppe für die Hydroxylfunktion, ausge-

3

wählt unter den Trialkylsilylresten, von denen jeder Alkylteil 1 bis 3 Kohlenstoffatome enthält, umsetzt, um zu dem Ester der allgemeinen Formel

worin R2 und R3 wie vorstehend definiert sind, zu gelangen, dessen Schutzgruppen R2 und R3 man mit Wasserstoffatomen mittels einer Mineralsäure in Lösung in einem 1 bis 3 Kohlenstoffatome enthaltenden aliphatischen Alkohol ersetzt, wobei man bei einer Temperatur um 0° C arbeitet, wonach man das Taxol isoliert."
Wegen der unmittelbar oder mittelbar auf Patentanspruch 1 rückbezogenen Patentansprüche 2 – 8 wird auf die Patentschrift verwiesen.
Die Klägerin hat unter Bezugnahme auf zahlreiche Unterlagen, wegen derer auf das angefochtene Urteil verwiesen wird, geltend gemacht, das Streitpatent offenbare die Erfindung nicht so vollständig, daß ein Fachmann sie im beanspruchten Umfang ausführen könne. Zudem beruhe es nicht auf erfinderischer Tätigkeit. Sie hat deswegen die Nichtigerklärung des Streitpatents mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland beantragt.
Die Beklagte hat das Patent vor dem Bundespatentgericht nur eingeschränkt mit fünf Patentansprüchen in deutscher Sprache verteidigt: Dabei hat sie in Patentanspruch 1 das Wort “umgesetzt” durch “verestert” ersetzt und am Ende dieses Patentanspruchs angefügt:

", wobei man zur Herstellung des Taxanderivates der allgemeinen Formel (IV) ein Halogentrialkylsilan mit 10-Desacetylbaccatin-III umsetzt, wonach sich die Acetylierung des als Zwischenprodukt erhaltenen 7-Trialkylsilyl-10-desacetylbaccatin-III anschließt."
In dem Patentanspruch 5 in der Fassung des erteilten Patents entsprechenden verteidigten Patentanspruch 2 hat sie eine Alternative für die Schutzgruppe R (Methoxymethylcarbonylrest) gestrichen. Der verteidigte Patentan-

2

spruch 3 entsprach Patentanspruch 6 des erteilten Patents. Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen, soweit diese sich gegen das Streitpatent im verteidigten Umfang richtet.
Das Bundespatentgericht hat unter Abweisung der weitergehenden Klage das Streitpatent dadurch teilweise für nichtig erklärt, daß es den Patentansprüchen die Fassung der verteidigten Patentansprüche 2 und 3 (als neue Patentansprüche 1 und 2) gegeben hat. Das Urteil des Bundespatentgerichts ist bei Bausch, Nichtigkeitsrechtsprechung in Patentsachen, Band 2 Seite 105 ff, veröffentlicht.
Gegen das angefochtene Urteil haben beide Parteien Berufung eingelegt. Die Beklagte verteidigt das Streitpatent - nunmehr weitergehend als in erster Instanz - mit Patentanspruch 1, wie er ihrer Verteidigung vor dem Bundespatentgericht zugrunde lag, den Patentansprüchen 2, 4 und 5 des erteilten Patents, letztere in neuer Numerierung als Patentansprüche 3 und 4, sowie mit Patentansprüchen 6 und 7, die den Patentansprüchen 7 und 8 des erteilten Patents, jedoch mit geänderten Rückbeziehungen, entsprechen. Sie beantragt, insoweit das Urteil des Bundespatentgerichts abzuändern und (sinngemäß) die Klage abzuweisen. Hilfsweise verteidigt die Beklagte das Streitpatent mit einem eingeschränkten Patentanspruch 1 sowie für den Fall, daß das Streitpa-

tent mit den verteidigten Patentansprüchen 3 und 4 keinen Bestand hat, mit dem im Tenor als Patentanspruch 3 wiedergegebenen Patentanspruch, der in eingeschränkter Form dem Patentanspruch 6 des erteilten Patents entspricht. Die Klägerin verfolgt im Berufungsverfahren ihren Antrag weiter, das Streitpatent in vollem Umfang für nichtig zu erklären. Die Parteien treten jeweils dem Rechtsmittel der Gegenseite entgegen.
Als gerichtlicher Sachverständiger hat Professor Dr. E. Sch., Institut für organische Chemie, Technische Universität C., ein schriftliches Gutachten erstattet , das er in der mündlichen Verhandlung erläutert und ergänzt hat. Die Nichtigkeitsklägerin hat in erster Instanz gutachtliche Stellungnahmen von Professor Dr. S. B., Direktor des Instituts für Organische Chemie der Technischen Universität B., Professor E. C., H. University, C., Prof. Dr. H. W., Direktor des Instituts für Organische Chemie der Universität K., und Professor A. F. H., University College D., vorgelegt. Die Beklagte hat ihrerseits Stellungnahmen von Professor J. L., Collège de France, Professor K. C. N., The Scripps Research Institute, L. J., und Professor Dr. E. W., Institut für Organische Chemie der Universität H., vorgelegt.

Entscheidungsgründe:


Die zulässigen Rechtsmittel der Parteien führen zur Abänderung des angefochtenen Urteils in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang. Demnach haben die verteidigten Verfahrensansprüche Bestand, wobei die nachgeordneten Verfahrensansprüche durch Patentanspruch 1 mitgetragen werden und für den nebengeordneten, auf die Herstellung eines Zwischenprodukts gerichteten Verfahrensanspruch die gleichen Erwägungen wie für den verteidigten

Patentanspruch 1 gelten. Dagegen haben die verteidigten, auf Zwischenprodukte gerichteten Sachansprüche, keinen Bestand.
I. Das Streitpatent betrifft ein halbsynthetisches Verfahren zur Herstellung von Taxol sowie verschiedene Zwischenprodukte, die bei diesem Herstellungsweg anfallen.
1. Taxol® (C H NO internationaler Freiname: Paclitaxel) ist eine Sub- 47 51 14; stanz der in Patentanspruch 1 angegebenen Formel, die um 1970 erstmals im Rahmen eines Forschungsprogramms des National Cancer Institute in den Vereinigten Staaten von Amerika aus der Rinde einer im Nordwesten der Vereinigten Staaten und in Kanada vorkommenden Eibenart (Taxus brevifolia) isoliert wurde. Taxol weist eine hohe cytostatische Aktivität auf, die es zu einer wichtigen Substanz bei der Chemotherapie von Tumorerkrankungen macht. Taxol ist 1971 in der wissenschaftlichen Literatur beschrieben worden; eine Patentierung als Stoff ist nicht erfolgt. Die präparative Zugänglichkeit von Taxol aus natürlichen Quellen ist gering und kann den Bedarf für therapeutische Anwendungen bei weitem nicht decken. Deshalb sind Verfahren zur synthetischen oder halbsynthetischen Herstellung von Taxol von Bedeutung.
Taxol ist ein Derivat des Taxan der allgemeinen Formel

wobei R (an der zehnten Bindungsstelle) einen Acetylrest (CH CO; Essigsäu-

3

reanhydrid) und R1 (an der dreizehnten Bindungsstelle) einen Rest der Summenformel –OCO-CHOH-CH-(C H )-NHCOC H ) (2’R,3’S) bedeutet. Als Aus- 6 5 6 5 gangsprodukt für die Synthese steht in ausreichendem Umfang 10-Desacetylbaccatin III (im folgenden: 10-DAB-III) zur Verfügung, das sich in größeren Mengen aus den Nadeln der Eibenart Taxus baccata gewinnen läßt. Bei dieser Verbindung stellen R ein Wasserstoffatom und R1 einen Hydroxy-Rest (OH) dar. 10-DAB-III wie auch das nur in verhältnismäßig geringen Mengen verfügbare Baccatin III, bei dem R einen Acetylrest der Formel CH COO- und R1 eine

3

Hydroxy-Gruppe bedeuten (vgl. Streitpatent, Beschreibung S. 2 Z. 1-35), zeigen nicht die therapeutischen Wirkungen von Taxol.
2. Die Beschreibung des Streitpatents verweist auf die Veröffentlichung der europäischen Patentanmeldung 253 739, in der die Darstellung von Taxol oder von 10-Desacetyl-Taxol aus einem Taxanderivat der allgemeinen Formel

beschrieben ist, wobei die Darstellung von Baccatin III oder von 10-DAB-III ausgeht, das Gegenstand dieser Anmeldung ist. In diesem Fall müssen in einem Zwischenschritt die (therapeutisch nicht wirksamen) Diastereomere ab-

geteilt werden. Deshalb führt das eingesetzte Baccatin III oder 10-DAB-III nicht zu Taxol mit der geforderten Struktur (Beschreibung S. 2 Z. 36-54).
Die Beschreibung des Streitpatents verweist weiter darauf, daß es aus einer Veröffentlichung von Denis et al. in Journal of Organic Chemistry Bd. 51 Nr. 1, 1986, S. 46ff, bekannt gewesen sei, wie man die (abweichend formulierte ) Seitenkette von Taxol, auch als Ester, darstellen kann; dort sei die Benutzung dieser Verbindung zur Teilsynthese von Taxol ausgehend von 10-DAB-III zwar vorgeschlagen, die Voraussetzungen, unter denen diese Synthese zu verwirklichen sei, seien aber nicht angegeben.
3. Durch das Streitpatent soll demgegenüber, wie sich aus dem Gesamtzusammenhang der Beschreibung ergibt, ein Weg aufgezeigt werden, wie Taxol mit guter Ausbeute aus verfügbaren Ausgangsmaterialien synthetisiert werden kann.
4. Hierzu lehrt Patentanspruch 1 des Streitpatents in seiner verteidigten Fassung ein Verfahren zur
1. Herstellung von Taxol der Formel

1.1 wobei man ein (2R,3S)-3-Phenylisoserinderivat der allgemeinen Formel

1.1.1 in dem R eine Schutzgruppe für die Hydroxylfunktion be-

2

deutet,
1.1.2 die ausgewählt ist unter den Methoxymethyl-, 1Ethoxyethyl -, Benzyloxymethyl-, (ß-Trimethylsilylethoxy)- methyl-, Tetrahydropyranyl-, 2,2,2-Trichlorethoxycarbonylresten ,
1.2. mit einem Taxanderivat der allgemeinen Formel

1.2.1 in dem R eine Schutzgruppe für die Hydroxylfunktion

3

enthält,
1.2.2 die ausgewählt ist unter den Trialkylsilylresten, von denen jeder Alkylteil 1 bis 3 Kohlenstoffatome enthält,

1.2.3 wobei man zur Herstellung dieses Taxanderivates
1.2.3.1 ein Halogentrialkylsilan mit 10-Desacetylbaccatin-III umsetzt ,
1.2.3.2 wonach sich die Acetylierung des als Zwischenprodukt erhaltenen 7-Trialkylsilyl-10-desacetylbaccatin-III anschließt ,
1.3. verestert,
1.3.1 um zu dem Ester der allgemeinen Formel

zu gelangen,
1.3.2 worin R und R wie vorstehend definiert sind,
2
3 2. dessen Schutzgruppen R und R man mit Wasserstoffa-
2
3 tomen ersetzt 2.1 mittels einer Mineralsäure 2.2 in Lösung in einem 1 bis 3 Kohlenstoffatome enthaltenden aliphatischen Alkohol 2.3 wobei man bei einer Temperatur um 0° C arbeitet, 3. wonach man das Taxol isoliert.
5. Hieraus ergibt sich, wie der gerichtliche Sachverständige überzeugend ausgeführt hat, ein Syntheseverfahren mit vier Schritten.

a) In einem ersten Schritt erfolgt zunächst der Schutz der 7-HydroxyGruppe des 10-DAB-III. Diese Verbindung weist in den Positionen 7, 10 und 13 drei sekundäre Alkohol-Funktionen (Hydroxy-Gruppen) auf. Während die 13Hydroxy -Gruppe aus sterischen Gründen von geringerer Reaktivität ist, ist eine Differenzierung hinsichtlich des Reaktionsvermögens zwischen den HydroxyGruppen in Position 7 und in Position 10 schwierig. Eine weitere HydroxyGruppe in Position 1 ist als tertiäre Gruppe von geringer Reaktivität und kann deshalb außer Betracht bleiben. Um Baccatin-III als weiteres Zwischenprodukt zu erhalten, muß die 10-Hydroxy-Gruppe mit Essigsäure zu einer AcetylGruppe verestert werden. Die vom Streitpatent gelehrte (Merkmal 1.2.3.1) Silylierung der 7-Hydroxy-Gruppe blockiert diese zeitweise chemisch und ermöglicht es damit, die Acetylierung selektiv an der 10-Hydroxy-Gruppe durchzuführen. Das Reagens Halogentrialkylsilan führt selektiv zum Ersatz des Wasserstoffatoms in der 7-Position, die eine etwas größere Reaktivität aufweist. Nach einem von der Nichtigkeitsklägerin vorgelegten Versuchsbericht, auf den sich auch der gerichtliche Sachverständige stützt, liefert die Silylierung hier zu 85,4% das gewünschte Zwischenprodukt 7-Triethylsilyl-10-DAB-III.


b) In einem zweiten Schritt wird dieses Zwischenprodukt in der 10Stellung acetyliert (Merkmal 1.2.3.2).

c) Im dritten Schritt wird das nunmehr erhaltene 7-Trialkylsilyl-baccatinIII (ein Alkohol) mit dem (2R,3S)-3-Phenylisoserinderivat, einer Carbonsäure, die mit einer Schutzgruppe für die Hydroxylfunktion versehen ist (“TaxolSeitenkette” ), unter Abspaltung von Wasser verestert. Bei der Veresterung handelt es sich an s ich um eine Standardreaktion der organischen Synthese, die vorliegend aber nicht ohne weiteres zum Erfolg führt. Nach den Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen liegt ein “kritischer Fall” vor, weil sich, wie allerdings erst durch eine Nachveröffentlichung (Denis u.a., J. Am. Chem. Soc. 1988, 5917, 5918; K1) bekannt geworden ist, die zu veresternde 13Hydroxy -Gruppe in einer Höhlung des Molekülgerüsts befindet und zudem durch eine Wasserstoffbrückenbildung mit der 4-Acetyl-Gruppe stabilisiert wird, was die Bindungsbildung extrem erschwert. Zum Erfolg führen hier die von Patentanspruch 2 erfaßten und zum Teil in einem Ausführungsbeispiel beschriebenen Veresterungsmethoden, bei der in Gegenwart eines Kondensationsmittels (Carbodiimids, insbesondere Dicyclohexylcarbodiimids, oder reaktiven Carbonats, wie Dipyridil-2-carbonat), und eines Aktivierungsmittels (eines Dialkylaminopyridins, wie 4-Dimethylaminopyridin) in einem aromatischen organischen Lösungsmittel (Benzol, Toluol, Xylol, Ethylbenzol, Isopropylbenzol oder Chlorbenzol) bei einer Temperatur zwischen 60° C und 90° C gearbeitet wird (vgl. Patentschrift S. 5 Z. 6-11). Im Nachhinein sind weitere Möglichkeiten der Realisierung der Esterbildung genannt worden.

d) Da die bisher durchgeführten drei Verfahrensschritte zu einem von Taxol verschiedenen Molekül mit Schutzgruppen in der 7-Position des TaxanGerüsts (Silyl-Rest) und an der Hydroxy-Funktion des Phenylisoserin-Teils (Seitenkette) führen, müssen in einem vierten Schritt die beiden Schutzgrup-

pen abgespalten werden, wie dies in der Merkmalsgruppe 2 angegeben wird. Schließlich kann das Taxol isoliert werden (Merkmal 3).
II. Die Patentinhaberin verteidigt den Gegenstand des Patentanspruchs 1 des Streitpatents in zulässiger Weise. Dies gilt zunächst für den Übergang auf die deutschsprachige Fassung anstelle der französischen (st. Rspr., u.a. BGHZ 118, 221, 222 f – Linsenschleifmaschine; BGHZ 133, 79, 81 Bogensegment ). Die Verwendung des Begriffs “verestern” ist dabei ohne weiteres durch die maßgebliche französische Fassung des Patentanspruchs 1 gedeckt, in dem ebenfalls von “verestern” (“en ce que l’on estérifie ...”) die Rede ist. Der angefügte Anspruchsteil
"wobei man zur Herstellung des Taxanderivates der allgemeinen Formel (IV) ein Halogentrialkylsilan mit 10-Desacetylbaccatin-III umsetzt, wonach sich die Acetylierung des als Zwischenprodukt erhaltenen 7-Trialkylsilyl-10-desacetylbaccatin-III anschließt"
entspricht Patentanspuch 6 des erteilten Patents und ist in den ursprünglichen Unterlagen (Beschreibung S. 5 Z. 1-5) als eine von zwei möglichen Alternativen als zur Erfindung gehörend offenbart; gegen die in dieser Ä nderung liegende Beschränkung bestehen daher keine Bedenken. Daß die bereits in Patentanspruch 1 enthaltene Angabe “mit 1 bis 3 Kohlenstoffatomen” nicht nochmals wiederholt wird, ist dabei unschädlich. Der Senat hat in Patentanspruch 2 die ersichtlich versehentliche Angabe “Formel (IV)” in “Formel (V)” berichtigt. Auch der hilfsweise zu den Stoffansprüchen verteidigte Patentanspruch ist durch die ursprünglichen Unterlagen und das erteilte Patent gedeckt. Die nicht verteidigte ursprüngliche weitere Fassung des Streitpatents ist auf Grund der von der Beklagten vorgenommenen Selbstbeschränkung nicht Gegenstand der sachlichen Prüfung im Berufungsverfahren.

III. 1. Der Gegenstand des so verteidigten Patentanspruchs 1 ist neu (Art. 52, 54 EPÜ). Der Senat tritt insoweit der von Sachkunde getragenen und überzeugenden Beurteilung des gerichtlichen Sachverständigen in seinem schriftlichen Gutachten bei. Insbesondere offenbart keine der Entgegenhaltungen eine Silylierung von 10-DAB-III bei der Hydroxy-Gruppe in der 7-Position. Auch die Nichtigkeitsklägerin hat im Verfahren fehlende Neuheit nicht geltend gemacht.
2. a) Der Senat kann nicht feststellen, daß dieser Gegenstand für den Fachmann, einen - erforderlichenfalls im Team arbeitenden - promovierten Chemiker mit Erfahrung auf dem Gebiet der Naturstoffsynthese, naheliegend gewesen wäre (Art. 52, 56 EPÜ). Für die Bejahung einer erfinderischen Leistung genügt es bei einem mehrschrittigen Syntheseverfahren bereits, daß ein Verfahrensschritt nicht durch den Stand der Technik in seiner Gesamtheit nahegelegt war. Dies trifft jedenfalls für den Verfahrensschritt nach Merkmal 1.2.3.1 zu, nach dem ein Halogentrialkylsilan mit 10-DAB-III umgesetzt wird. Deshalb kommt es im Ergebnis nicht darauf an, ob sich weitere Verfahrensschritte ebenfalls nicht in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik ergaben. Auch in der in Schweden ergangenen Entscheidung von Stockholms Tingsrätt vom 16. Oktober 1998 (ENPR 2001, 1 ff, Tz. 236 ff) ist deswegen im Ergebnis, wenngleich mit im einzelnen abweichender Begründung, erfinderische Tätigkeit bejaht worden.
aa) Aus Sénilh u.a., C. R. Acad. Sc. Paris, t. 299, Série II, n° 15, 1984, S. 1039 – 1043 (K 3) war die halbsynthetische Gewinnung von Taxol-Analoga ausgehend von aus den Nadeln von Eiben (taxus baccata) gewonnenem 10DAB -III (Tetraol) im Prinzip bekannt. Die Veröffentlichung beschreibt (S. 1040), daß die chemische Reaktionsfähigkeit von Tetraol wenig bekannt sei, insbe-

sondere das Verhalten der drei Hydroxy-Gruppen in der 7-, 10- und 13Position. Eine Acetylierung in Essigsäureanhydrid oder Pyridin bei Umgebungstemperatur führe zu einem 50:50-Gemisch des 7-Monoacetats und des 7-, 10Diacetats. Es wird weiter darauf verwiesen, daß die 13-Hydroxy-Gruppe weniger reaktionsfähig ist als die beiden anderen Sekundär-Hydroxy-Gruppen. Eine Anregung für eine Silylierung der 7-Hydroxy-Gruppe gibt die Veröffentlichung nach den überzeugenden Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen nicht.
bb) Denis u.a., J. Org. Chem. 1986, 51, 46-50 (K 4), beschreiben die effektive, enantioselektive Synthese der Taxol-Seitenkette als Schritt der Taxol -Synthese, wobei auch eine Teilsynthese von Taxol aus 10-DAB-III angesprochen wird (S. 47/48). Auch hier findet sich keine Anregung für eine Silylierung der 7-Hydroxy-Gruppe.
cc) Die Veröffentlichung der europäischen Patentanmeldung 0 253 738 (K 5) offenbart Taxolderivate, insbesondere Taxotere, und beschreibt die Herstellung von Taxol-Analoga aus 10-DAB-III. U.a. ist die Veresterung eines Baccatin -III-Derivats, bei dem in 7-Position die Hydroxy-Gruppe durch einen Trichlorethoxycarbonylrest (-OCOOCH CCl ) ersetzt ist und bei dem die Hy- 2 3 droxy-Gruppe in 10-Position ebenfalls durch einen solchen Rest oder durch einen Acteylrest substituiert ist, mit Zimtsäure beschrieben. Die Veresterung erfolgt dabei nach der Carbodiimid-Methode (S. 3 Z. 57 ff), wie sie auch das Streitpatent lehrt. Eine selektive Silylierung ist, wie der gerichtliche Sachverständige überzeugend angegeben hat, auch hier nicht vorgesehen und durch die Möglichkeit gleicher Substitution der Hydroxy-Gruppen in 7- und 10Position eher fernliegend.

dd) Die Veröffentlichung der europäischen Patentanmeldung 0 126 587 (K 6) beschreibt die Herstellung von ß-Lactam-Verbindungen (PenemVerbindungen ), bei denen Schutzgruppen u.a. für eine Hydroxy-Gruppe, eingesetzt werden, als die die Beschreibung (S. 4 Z. 13 ff) u.a. 2,2,2Trichlorethoxycarbonyl und Trialkylsilylgruppen als bevorzugt nennt. Die Klägerin möchte damit die Austauschbarkeit dieser Schutzgruppen belegen. Hinweise auf eine selektive Silylierung finden sich auch hier nicht.
ee) Der Beitrag von Lalonde/Chan in Synthesis 1985, 817 ff (K 7) beschreibt die Verwendung von siliziumorganischen Reagenzien als Schutzgruppen bei der organischen Synthese und dabei insbesondere auch die Verwendung von Silyl-Schutzgruppen, namentlich von Trimethyl- und Triethylsilylgruppen , zum Schutz von Hydroxy-Gruppen. Dabei ist (S. 818) auch am Beispiel der Prostaglandin-Synthese die selektive Silylierung bestimmter HydroxyGruppen beschrieben. Nach den überzeugenden Angaben des gerichtlichen Sachverständigen läßt sich diesem Beispiel jedoch nicht mehr als die dem Fachmann bereits vertraute Information entnehmen, daß verschiedene Hydroxy -Gruppen bei unterschiedlicher Umgebung mit einem Reagens mit unterschiedlicher Geschwindigkeit reagieren können. Das Beispiel S. 821 übergehend linke/rechte Spalte zeigt einen dem Merkmal 1.2.2 entsprechenden Reaktionsverlauf , nämlich den Schutz einer bestimmten Hydroxy-Gruppe durch eine Triethylsilyl-Schutzgruppe, jedoch bei einer anderen Umsetzung (BirchReduktion ). Ein Hinweis auf eine Anwendung bei der Taxol-Synthese findet sich nach den überzeugenden Angaben des gerichtlichen Sachverständigen in der Veröffentlichung nicht.
ff) Die Veröffentlichung von Guéritte-Voegelein u.a. in Tetrahedon Bd. 42 (1986), 4451 ff (K 10) betrifft die Synthese von Taxon-Analoga ausgehend von 10-DAB-III und Baccatin-III; auch die Verwendung dieser Substanzen für

die Herstellung von Taxol ist angesprochen. Sie entspricht damit dem Erfindungsgedanken des Streitpatents, jedoch ohne eine Lösung aufzuzeigen, da sie nicht beschreibt, wie eine selektive Acetylierung der Hydroxy-Gruppe in 10Position erreicht werden kann, sondern bei der Erkenntnis verharrt, daß zwischen der 7- und der 10-Hydroxy-Gruppe hinsichtlich der Acylierung keine Selektivität besteht. Die Nichtigkeitsklägerin hat demgegenüber aus dieser Veröffentlichung eine höhere Reaktivität der 7-Hydroxy-Gruppe gegenüber der 10Hydroxy -Gruppe abgeleitet, was der gerichtliche Sachverständige für die Acetylierung (nicht aber für die Silylierung) unter Verneinung eines präparativ nutzbaren Unterschieds bestätigt hat.
gg) Die Veröffentlichung von Oshima u.a. in Chem. Pharm. Bull. 32 (1984), 3518 ff (K 13) berichtet für ein Vitamin-D3-Derivat von einer selektiven Silylierung, die bei einer bestimmten, äquatorial angeordneten Hydroxy-Gruppe gelingt, während eine andere Hydroxy-Gruppe nicht reagiert. Ein unmittelbarer Bezug zur selektiven Silylierung von 10-DAB-III besteht nicht. Der gerichtliche Sachverständige hat hierzu in überzeugender Weise ergänzend ausgeführt, daß sich die selektive Silylierung in dieser Entgegenhaltung zwanglos aus der äquatorialen Stellung der Hydroxy-Gruppe gegenüber der axialen Stellung der nicht silylierten Hydroxy-Gruppe sowie den Einfluß einer angularen MethylGruppe erklärt, was dem Fachmann geläufig sei. Auf die Situation bei 10-DABIII ist dies, wie der gerichtliche Sachverständige überzeugend angegeben hat, nicht übertragbar, weil es infolge der dort vorhandenen komplexen Ringstruktur keine entsprechenden, dem Fachmann bekannten Regeln gab und dieser deshalb auf das Ergebnis von Laborexperimenten angewiesen war.
hh) Die übrigen Entgegenhaltungen kommen dem Streitpatent nicht näher und sind für die Beurteilung der erfinderischen Leistung ohne Belang.


b) Auch aus der Zusammenschau der genannten Entgegenhaltungen läßt sich nicht feststellen, daß der Fachmann unter Berücksichtigung seiner Fachkenntnisse in naheliegender Weise zu der Erkenntnis gelangen konnte, die Hydroxyl-Gruppe in 7-Position selektiv zu silylieren.
Hierfür läßt sich schon deshalb keine hinreichende Anregung feststellen, weil der Fachmann zwar aus dem Stand der Technik Hinweise ableiten konnte, daß die Hydroxy-Gruppe in 7-Position insgesamt eine etwas größere Reaktivität aufweist als die Hydroxy-Gruppe in 10-Position, es demgegenüber aber an weitergehenden Hinweisen fehlte, daß und in welcher Weise diese höhere Reaktivität für eine Schutzgruppenbildung nutzbar gemacht werden konnte. Das Reaktionsverhalten bei der Alkylierung konnte der Fachmann dabei nicht ohne weiteres heranziehen, denn eine Alkylierung der Hydroxy-Gruppe in 7-Position mußte für ihn unerwünscht erscheinen. Allerdings vermag der Senat auf Grund der Angaben des gerichtlichen Sachverständigen nicht der Auffassung der in Schweden ergangenen Entscheidung beizutreten, daß der Fachmann die Schlußfolgerungen in der Veröffentlichung von Guéritte-Voegelein u.a. in Tetrahedon Bd. 42 (1986), 4451 (K 10) nicht weiter überprüft hätte. Wie der gerichtliche Sachverständige nachvollziehbar dargelegt hat, war hier trotz der in dieser Veröffentlichung enthaltenen Ä ußerung (S. 4452 unter I.), die Daten zeigten, daß zwischen den C-7- und C-10-Hydroxyl-Gruppen keine Selektivität gegenüber Acylierungsmitteln bestehe, vom Fachmann durchaus zu erwarten, die Ergebnisse dieser Untersuchung kritisch zu überprüfen und über Wege nachzudenken, wie eine selektive Acylierung in der 10-Position zu erreichen sein konnte. Es läßt sich aber nicht feststellen, daß es für den Fachmann ohne erfinderische Leistung möglich war, die im Streitpatent unter Schutz gestellten Schutzgruppen für die Hydroxy-Gruppe in der 7-Position aufzufinden. Zwar hat der gerichtliche Sachverständige angegeben, daß der Fachmann SilylGruppen als wirksame und in Gegenwart anderer Schutzgruppen selektiv wie-

der abspaltbare Schutzgruppen der Hydroxy-Gruppe kannte. Er hat jedoch betont, daß sich der für das Verfahren des Streitpatents essentielle selektive Schutz der 7-Hydroxy-Funktion in 10-DAB-III dem Stand der Technik nicht entnehmen läßt. So hat dies jedenfalls im Ergebnis auch das sachkundig besetzte Bundespatentgericht gesehen. Der gerichtliche Sachverständige hat weiter angegeben, der Fachmann hätte mit viel Fleiß die im Streitpatent unter Schutz gestellte Lösung auffinden können; dies schließt aber die nicht widerlegbare Möglichkeit ein, daß es für ihn nicht im Sinn des Art. 56 EPÜ naheliegend war, zu dieser Lösung zu gelangen. Hierfür spricht nicht zuletzt, daß es nach mehreren dokumentierten Fehlschlägen geraumer Zeit bedurfte, diese aufzufinden, obwohl ersichtlich auf diese Weise die aus der geringen Verfügbarkeit von Baccatin-III zu erwartenden Probleme erheblich gemildert werden konnten und mit einem großen Bedarf an Taxol in der Zukunft zu rechnen war. Daß, wie die Klägerin meint, dem Fachmann das Auffinden der geeigneten Schutzgruppen mit wenigen Routineversuchen möglich gewesen wäre, kann der Senat auf Grund der Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen nicht feststellen.
Die Veröffentlichung von Oshima u.a. in Chem. Pharm. Bull. 32 (1984), 3518 ff (K 13) betrifft die selektive Silylierung von Vitamin-D -Derivaten. Sie

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konnte, wie der gerichtliche Sachverständige überzeugend angeben hat, dem Fachmann schon wegen der dort anders gelagerten Verhältnisse keinen Hinweis bieten, wie er die sich bei der Hemisynthese von Taxol stellenden Probleme anzugehen hatte.
IV. Auch der Nichtigkeitsgrund des Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 2 IntPatÜG, Art. 138 Abs. 1 Buchst. b EPÜ liegt nicht vor. Dem Bundespatentgericht kann in seiner rechtlichen Bewertung nicht beigetreten werden, daß die im verteidigten Patentanspruch 1 unter Schutz gestellte Erfindung nicht so deutlich und vollständig offenbart sei, daß ein Fachmann sie nicht ausführen könne (Art. 84

EPÜ). Auch in der in Schweden ergangenen Entscheidung ist das Vorliegen dieses Nichtigkeitsgrunds verneint worden.
Das Bundespatentgericht hat seine gegenteilige Auffassung damit begründet , daß im Hinblick auf die im verteidigten Patentanspruch 1 des Streitpatents verwendete allgemeine Formulierung der Fachmann davon ausgehe, daß übliche Methoden der Veresterung zum Erfolg führten. Für den Fachmann sei aber am Anmeldetag lediglich das spezielle Verfahren des Ausführungsbeispiels in der Beschreibung des Streitpatents gangbar gewesen. Demgegenüber erscheint es bereits zweifelhaft, ob der Fachmann in Kenntnis des Stands der Technik überhaupt Anlaß zu der Annahme hatte, daß mehr oder weniger beliebige Veresterungsverfahren zum Erfolg führen konnten, nachdem in der Literatur auf sehr spezielle Verfahren hingewiesen worden war (vgl. Denis u.a., J. Org. Chem. 1986, 51, 46, 47 Fn. 20, 21 (K 4); Veröffentlichung der europäischen Patentanmeldung 0 253 738) und auch die Beschreibung des Streitpatents insoweit eine sehr spezielle Verfahrensführung angibt. Auch der gerichtliche Sachverständige hat überzeugend erläutert, daß der Fachmann weiß, daß keine Veresterungsmethode in allen Fällen funktioniert, und daß er sich deshalb immer Gedanken darüber machen wird, wie im Einzelfall vorzugehen ist.
Im übrigen erweist sich aber auch die rechtliche Beurteilung durch das Bundespatentgericht als nicht zutreffend.
Das Bundespatentgericht meint, daß ein Patent dann, wenn sich im Nichtigkeitsverfahren herausstelle, daß seine Lehre in einem begrenzten Umfang nicht ausführbar gewesen sei, in diesem Umfang für nichtig zu erklären sei. Dies trifft jedenfalls in Fällen wie dem vorliegenden nicht zu.

Patentanspruch 1 des Streitpatents in seiner verteidigten Fassung stellt ein Syntheseverfahren unter Schutz, bei dem eine Hydroxy-Gruppe des 10DAB -III zur Erreichung einer selektiven Acylierung vorübergehend blockiert wird und bei der in einem späteren Verfahrensschritt (Merkmal 1.3) das so erhaltene Taxanderivat mit einem Phenylisoserinderivat verestert wird. Der Patentanspruch ist somit auf ein Syntheseverfahren gerichtet, bei dem eine bestimmte Umsetzung (Veresterung, d.h. die Umsetzung eines Alkohols mit einer Carbonsäure) zweier definierter Komponenten stattfindet. Die Beschreibung offenbart hierzu spezielle und näher beschriebene, für den Fachmann ausführbare Wege, diese Veresterung durchzuführen. Auch wenn dabei der Bereich des dem Fachmann auf Grund seines allgemeinen Fachwissen Geläufigen verlassen wird, werden mithin in der Patentschrift (an sich aus Spezialliteratur grundsätzlich bekannte) Wege zur Durchführung der Veresterung gewiesen. Arbeitete der Fachmann diese nach, konnte er die Veresterungsreaktion mit Erfolg durchführen. Dies genügt unter Ausführbarkeitsgesichtspunkten, denn das Europäische Patentübereinkommen fordert wie das deutsche Recht lediglich , daß ein gangbarer Weg zur Ausführung der Erfindung zu offenbaren ist (u.a. BGHZ 100, 67, 71 – Tollwutvirus; Sen.Urt. v. 9.2.1993 – X ZR 40/90, Umdruck S. 8; EPA T 292/85 ABl. EPA 1989, 275 = GRUR Int. 1990, 61, 64 Polypeptid-Expression I; EPA T 238/88 ABl. EPA 1992, 709 = GRUR Int. 1993, 482 Kronenether; vgl. zum früheren Recht Sen. Urt. v. 4.7.1989 - X ZR 95/87, GRUR 1989, 899, 900 - Sauerteig).
Selbst wenn der Fachmann, wie es das Bundespatentgericht annimmt, auf Grund der Anspruchsformulierung der irrigen Auffassung gewesen wäre, er könne auf andere, geläufige Veresterungsverfahren zurückgreifen, änderte dies nichts daran, daß ein gangbarer Weg ausreichend beschrieben und das Veresterungsproblem mit der Offenbarung im Streitpatent zu lösen ist (vgl. zum

Ausreichen der Angabe eines Lösungswegs auch Sen. Beschl. vom 16.6.1998 - X ZB 3/97, GRUR 1998, 899, 900 – Alpinski). Bei einem Patent auf ein chemisches Syntheseverfahren kann nämlich ein bestimmter Verfahrensschritt in Form einer an sich geläufigen, allgemein bezeichneten Reaktion auch dann allgemein beansprucht werden, wenn bekannte Möglichkeiten, diese Reaktion durchzuführen, versagen, in der Patentschrift aber ein ausführbarer Weg zur Durchführung der Reaktion nacharbeitbar offenbart ist. Die abweichende Auffassung der Klägerin, der sich das Bundespatentgericht angeschlossen hat, müßte in letzter Konsequenz dazu führen, daß der Schutz eines Verfahrenspatents neben dem Fachmann geläufigen Verfahrensabläufen immer nur den konkreten, im Patent offenbarten Verfahrensgang erfassen dürfte. Dies stellt jedenfalls dann, wenn ein bestimmtes Verfahren erstmals der Allgemeinheit zur Verfügung gestellt wird, grundsätzlich keine angemessene Belohnung der erfinderischen Leistung dar. Dabei kommt es nicht darauf an, ob dem Fachmann zum Anmelde- oder Prioritätszeitpunkt oder bei Veröffentlichung der Patentschrift auch andere Wege zur Durchführung der Reaktion zur Verfügung standen und ob es überhaupt andere Wege gibt, diese Veresterung mit brauchbarer Ausbeute durchzuführen, wie es die Beklagte unter Vorlage eines Versuchsberichts geltend macht. Der auf eine möglicherweise mißverständliche Stelle in Benkard, PatG GebrMG 9. Aufl. § 35 Rdn. 23 gestützten Auffassung des Bundespatentgerichts vermag der Senat deshalb nicht beizutreten.
Auch die umstrittene Frage, welche Folgen ein zu breit gefaßter Patentanspruch für das Nichtigkeitsverfahren haben könnte (vgl. House of Lords R.P.C. 1997, 1 ff, auszugsweise in GRUR Int. 1998, 412, 418 Biogen v. Medeva ; Gerechtshof Den Haag BIE 1999, 394, 397), stellt sich im vorliegenden Fall nicht. Der hier zu beurteilende Sachverhalt ist mit den Fällen, in denen – etwa in den v on der Klägerin angezogenen Entscheidungen der Beschwerdekammern des Europäischen Patentamts (EPA T 435/91 ABl. EPA 1995, 188 ff =

GRUR Int. 1995, 591, 592 – Reinigungsmittel; EPA T 409/91 ABl. EPA 1994, 653, 659 = GRUR Int. 1994, 957, 959 f – Dieselkraftstoffe) - ein “funktionelles Merkmal” oder eine allgemein umschriebene Klasse von Ausgangsstoffen oder Endprodukten im Patentanspruch genannt war, schon deshalb nicht vergleichbar , weil der Fachmann durch die Offenbarung in der Patentschrift in die Lage versetzt wird, die Veresterung als solche durchzuführen; daß dies mit jeglicher Veresterungsmethode gelingen werde, konnte der Fachmann nach den überzeugenden Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen von vornherein nicht erwarten. Im übrigen ist nach geltendem Recht eine “unangemessene Breite” der Patentansprüche kein Nichtigkeitsgrund (vgl. Brandi-Dohrn GRUR Int. 1995, 541; Roberts EIPR 1994, 371; Busse § 34 PatG Rdn. 84 a.E.).
V. 1. Der nunmehr als Patentanspruch 3 verteidigte frühere Patentanspruch 4 betrifft Ester der allgemeinen Formel

worin R eine Schutzgruppe für die Hydroxylfunktion, ausgewählt unter den

2

MethoxyJ K L M%N O P*QSRTP*UVL M W%X&N K L M N O P*QZY[K1\ ]TN O W%XTN J K L M%N O P*Q ^G_ P ` a9b;J K L M N O silylethoxy)- methyl-, Tetrahydropyranyl-, 2,2,2-Trichlorethoxycarbonylresten, und R eine

3

Schutzgruppe für die Hydroxylfunktion, ausgewählt unter den Trialkylsilylresten , von denen jeder Alkylteil 1 bis 3 Kohlenstoffatome aufweist, bedeuten. Es handelt sich mithin um das Zwischenprodukt, das man nach der Veresterung

nach der Merkmalsgruppe 1, aber vor Durchführung der Verfahrensschritte der Merkmalsgruppe 2 und des Merkmals 3 erhält.
2. Der als Patentanspruch 4 verteidigte frühere Patentanspruch 5 betrifft ein Taxanderivat der allgemeinen Formel

worin R eine Schutzgruppe für die Hydroxylfunktion, ausgewählt unter den

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Trialkylsilylresten, von denen jeder Alkylteil 1 bis 3 Kohlenstoffatome aufweist, bedeutet, mithin das Taxanderivat nach Merkmal 1.2.
3. Die fehlende Schutzfähigkeit der in den v erteidigten Patentansprüchen 3 und 4 geschützten, neuen Zwischenprodukte ergibt sich allerdings nicht schon daraus, daß diese besonderen, an den Schutz von Zwischenprodukten zu stellenden Anforderungen nicht genügten; im geltenden Recht richtet sich die Schutzfähigkeit von Zwischenprodukten nämlich grundsätzlich nach den allgemeinen, für den Stoffschutz geltenden Regeln. Die Klägerin macht jedoch mit Erfolg geltend, daß sich diese Zwischenprodukte für den Fachmann in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik ergeben haben und es deshalb keiner erfinderischen Tätigkeit bedurfte, sie aufzufinden.
Die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit entspricht, soweit sie aus 10-DAB-III hergestellt werden, den Erwägungen wie zum verteidigten Patent-

anspruch 1. Jedoch kann die Klägerin mit Recht darauf verweisen, daß eine Herstellung dieser Zwischenprodukte auch unmittelbar aus Baccatin-III möglich ist. Es war bekannt und wird auch in der Beschreibung des Streitpatents geschildert , diesen Weg zu gehen. Daß die Verfügbarkeit des Ausgangsstoffs Baccatin-III beschränkt ist, konnte den Fachmann nicht generell davon abhalten , diesen Weg weiterhin zu beschreiten. Dies gilt umso mehr, als bis zum Prioritätszeitpunkt des Streitpatents ein mit wirtschaftlichem Aufwand gangbarer Weg zur Teilsynthese von Taxol aus 10-DAB-III nicht bekannt war.
Wollte der Fachmann Taxol aus Baccatin-III synthetisieren, stellte sich für ihn, wie der gerichtliche Sachverständige überzeugend angegeben hat, das Problem der Alkylierung der Hydroxy-Gruppe in der 10-Position von vornherein nicht, weil sich bei Baccatin-III der Acetylrest bereits an der richtigen Stelle, der Hydroxy-Gruppe in 10-Position, befindet. Deshalb bestand auf diesem Weg für ihn keine Notwendigkeit der selektiven Silylierung der Hydroxy-Gruppe in 7Position. Es stellte sich allerdings für den Fachmann das auf der Hand liegende Problem, zu verhindern, daß die Veresterung mit der Taxol-Seitenkette an der freien und stärker reaktiven Hydroxy-Gruppe in 7-Position statt in der gewünschten 13-Position auftrat. Für den Fachmann lag es – wie der gerichtliche Sachverständige überzeugend angegeben hat und wie es auch von der Beklagten nicht ernsthaft in Zweifel gezogen worden ist - auf der Hand, daß er Vorkehrungen treffen mußte, die Veresterung an der Hydroxy-Gruppe in 7Position zu verhindern und daß er diese Gruppe deshalb vorübergehend mit einer Schutzgruppe zu versehen hatte. Es lag für ihn weiter auf der Hand, daß an die Wahl dieser Schutzgruppe keine besonderen Anforderungen zu stellen waren und daß es der besonderen Maßnahme der Silylierung, wie sie das Streitpatent lehrt, an sich nicht bedurfte. Dieses Problem war zudem schon in der Veröffentlichung der europäischen Patentanmeldung 0 253 738 (K 5) in der Weise gelöst, daß in 7-Position die Hydroxy-Gruppe durch einen Trichlore-

thoxycarbonylrest (-OCOOCH CCl ) ersetzt wurde (Beschreibung S. 4 Z. 3-5). 2 3 Daraus folgt jedoch nicht, daß die Auswahl der – wie der gerichtliche Sachverständige überzeugend angegeben hat - dem Fachmann geläufigen Schutzgruppen , wie sie die verteidigten Patentansprüche 3 und 4 lehrt, einen erfinderischen Gehalt aufwiese. Der Senat hat bereits mehrfach entschieden, daß aus dem Umstand, daß dem Fachmann auch andere und sogar näherliegende oder besseren Erfolg versprechende Lösungsalternativen zur Verfügung gestanden hätten, jedenfalls nicht ohne weiteres erfinderische Tätigkeit bei der Auswahl einer anderen, ebenfalls für sich betrachtet nicht erfinderischen Alternative abgeleitet werden kann (BGHZ 133, 57, 65 – Rauchgasklappe; Sen. Urt. v. 18.2.1997 - X ZR 25/95, bei Bausch Bd. 1 S. 445, 452 f.). Tragfähige Anhaltspunkte für eine Annahme dahin, daß diese weiteren Alternativen den Fachmann davon hätten abhalten können, die im Streitpatent gewählten Schutzgruppen in Betracht zu ziehen, sind nicht hervorgetreten.

VI. Die Kostenentscheidung beruht auf dem nach Art. 29 des 2.PatGÄ ndG übergangsweise weiterhin anzuwendenden § 110 Abs. 3 i.d.F. der Bekanntmachung vom 16. Dezember 1980, §§ 91, 92, 97 ZPO.
Jestaedt Melullis Keukenschrijver
Mühlens Meier-Beck BESCHLUSS X ZR 168/97 vom 22. Mai 2001 in der Patentnichtigkeitssache
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 22. Mai 2001 durch die Richter Dr. Jestaedt, Dr. Melullis, Keukenschrijver, die Richterin Mühlens und den Richter Dr. Meier-Beck
beschlossen:
Das am 3. Mai 2001 verkündete Urteil wird wegen offenbarer Unrichtigkeit dahin berichtigt, daß in den neu gefaßten Patentansprüchen 4 und 5 jeweils das Wort "enthaltenen" durch das Wort "erhaltenen" ersetzt wird.
Jestaedt Melullis Keukenschrijver
Mühlens Meier-Beck

(1) In dem Verfahren vor dem Bundesgerichtshof gelten die Bestimmungen des § 144 über die Streitwertfestsetzung entsprechend.

(2) In dem Urteil ist auch über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden. Die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Prozeßkosten (§§ 91 bis 101) sind entsprechend anzuwenden, soweit nicht die Billigkeit eine andere Entscheidung erfordert; die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über das Kostenfestsetzungsverfahren (§§ 103 bis 107) und die Zwangsvollstreckung aus Kostenfestsetzungsbeschlüssen (§§ 724 bis 802) sind entsprechend anzuwenden.

(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.

(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.

(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.

(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.

(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.