Bundesgerichtshof Urteil, 15. Jan. 2002 - XI ZR 98/01

bei uns veröffentlicht am15.01.2002

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
XI ZR 98/01 Verkündet am:
15. Januar 2002
Herrwerth,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
_____________________
Die vom Bundesgerichtshof entwickelten Grundsätze zur Sittenwidrigkeit
von Mithaftung und Bürgschaft finanziell überforderter Lebenspartner gelten
grundsätzlich nicht für GmbH-Gesellschafter, die für Verbindlichkeiten
der GmbH die Mithaftung oder Bürgschaft übernehmen. Etwas anderes gilt,
wenn der GmbH-Gesellschafter ausschließlich Strohmannfunktion hat, die
Mithaftung oder Bürgschaft nur aus emotionaler Verbundenheit mit der
hinter ihm stehenden Person übernimmt und beides für die kreditgebende
Bank evident ist.
BGH, Urteil vom 15. Januar 2002 - XI ZR 98/01 - OLG München
LG München II
Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 15. Januar 2002 durch den Vorsitzenden Richter Nobbe,
die Richter Dr. Siol, Dr. Bungeroth, Dr. Joeres und die Richterin Mayen

für Recht erkannt:
Auf die Rechtsmittel der Klägerin werden das Urteil des 5. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 19. Dezember 2000 aufgehoben und das Urteil des Einzelrichters der 1. Zivilkammer des Landgerichts München II vom 13. Juni 2000 abgeändert.
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 51.129,19 ? (= 100.000 DM) nebst 5% Zinsen über dem jeweiligen Diskontsatz der Deutschen Bundesbank vom 8. Oktober 1995 bis zum 31. Dezember 1998 und 5% Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit dem 1. Januar 1999 zu zahlen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Die klagende Sparkasse nimmt die Beklagte als Bürgin in Anspruch.
Mit vier Kontokorrentkredit- bzw. Darlehensverträgen vom 25. November 1993, 27. Januar und 28. April 1994 gewährte die Klägerin der A. GmbH Kredite in Höhe von insgesamt 2 Millionen DM. Gesellschafter der GmbH mit einem Anteil von je 25% waren die Beklagte, deren früherer Ehemann sowie W. und F. R., Geschäftsführer der frühere Ehemann der Beklagten und W. R.
Die 1947 geborene Beklagte verbürgte sich in einer Urkunde vom 7. Dezember 1993 bis zu einem Höchstbetrag von 500.000 DM für alle bestehenden und künftigen Forderungen der Klägerin aus der Geschäftsverbindung mit der GmbH. Sie übte in diesem Zeitpunkt keine Erwerbstätigkeit aus, sondern war Hausfrau, betreute ihren 1985 geborenen Sohn und erhielt von ihrem Ehemann ein monatliches "Hausgeld" in Höhe von 2.000 DM. Inzwischen ist sie geschieden und bezieht als kaufmännische Angestellte ein monatliches Bruttoeinkommen in Höhe von 4.000 DM.
Als weitere Sicherheiten für die Kredite der Klägerin dienten eine erstrangige Grundschuld in Höhe von 2 Millionen DM auf dem mit Hilfe der Kredite erworbenen Werksgrundstück der GmbH, die Sicherungsübereignung des übernommenen Anlage- und Umlaufvermögens, eine Sicherungsabtretung von Forderungen der GmbH, Höchstbetragsbürg-
schaften der anderen drei GmbH-Gesellschafter bis zu einem Betrag von jeweils 500.000 DM sowie eine Ausfallbürgschaft der B.-bank T. in Höhe von 1,28 Millionen DM.
Als die GmbH die Eröffnung der Gesamtvollstreckung über ihr Vermögen beantragte, kündigte die Klägerin am 2. Oktober 1995 die in Höhe von 1.944.035,84 DM valutierenden Kredite und nahm die Beklagte aus der Bürgschaft in Höhe von 500.000 DM in Anspruch.
Die Beklagte macht die Sittenwidrigkeit der Bürgschaft wegen krasser finanzieller Überforderung geltend und hat vorgetragen, sie sei nur aus steuerlichen Gründen Gesellschafterin geworden. Sie habe nie an geschäftlichen Entscheidungen mitgewirkt und besitze keine Erfahrungen und Kenntnisse in dem Geschäftsbereich der GmbH. Am 10. Januar 1994 habe sie ihrem Ehemann ihren Gewinnanteil aus ihrer Beteiligung an der GmbH übertragen. Die Klägerin habe gewußt, daß sie nur als Strohfrau Gesellschafterin geworden sei.
Ferner hat die Beklagte die Bürgschaft am 22. Juli 1996 angefochten. Sie hat vorgetragen, sie habe die Bürgschaftserklärung ohne Brille, ohne die sie nicht lesen könne, unterschrieben und erst am 2. Oktober 1995 Kenntnis von dieser Erklärung erlangt. Ihr Ehemann habe ihr bei Vorlage der Bürgschaftserklärung vorgetäuscht, daß mit der Unterzeichnung keine finanziellen Risiken verbunden seien. Ferner habe er ihr mit dem Entzug des "Hausgeldes" gedroht und erklärt, die Valutierung der Kredite hänge von ihrer Unterschrift ab.
Die Teilklage auf Zahlung von 100.000 DM nebst Zinsen ist in den Vorinstanzen erfolglos geblieben. Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihren Klageantrag weiter.

Entscheidungsgründe:


Die Revision ist begründet; sie führt zur antragsgemäûen Verurteilung der Beklagten.

I.


Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im wesentlichen ausgeführt:
Die Bürgschaft der Beklagten sei gemäû § 138 Abs. 1 BGB nichtig. Für die Klägerin sei erkennbar gewesen, daû die Beklagte durch die Bürgschaft finanziell kraû überfordert werde, weil sie nicht in der Lage sei, auch nur die laufende Zinslast zu tragen, und daû sie die Bürgschaft ohne unmittelbares eigenes wirtschaftliches Interesse aus persönlicher Verbundenheit zu ihrem Ehemann übernehme. Ihre Beteiligung an der GmbH sei kein dem Bürgenrisiko entsprechender Gegenwert, weil das gesamte Vermögen der GmbH als Kreditsicherheit gedient habe. Die Beklagte habe aus ihrer Beteiligung keine Vorteile gezogen, sondern die Bürgschaft auf Drängen ihres Ehemannes übernommen. Die Klägerin habe die Einkommensverhältnisse der Beklagten gekannt. Deshalb habe
ihr klar sein müssen, daû die Bürgschaft wirtschaftlich sinnlos war und allenfalls als Mittel zur Erlangung der werthaltigen Ausfallbürgschaft der B.-bank T. dienen konnte.

II.


Diese Ausführungen halten rechtlicher Überprüfung nicht stand. Die von der Beklagten übernommene Bürgschaft verstöût nicht gegen die guten Sitten (§ 138 Abs. 1 BGB).
1. Die in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zur Sittenwidrigkeit von Mithaftung und Bürgschaft finanziell überforderter Lebens -, insbesondere Ehepartner entwickelten Grundsätze (vgl. BGH, Urteil vom 27. Januar 2000 - IX ZR 198/98, WM 2000, 410 ff.; Senat BGHZ 146, 37 ff., jeweils m.w.Nachw.) gelten, was das Berufungsgericht verkannt hat, für die Bürgschaft der Beklagten als Mitgesellschafterin der Hauptschuldnerin nicht.

a) Ein Kreditinstitut, das einer GmbH ein Darlehen gewährt, hat grundsätzlich ein berechtigtes Interesse an der persönlichen Haftung der maûgeblich beteiligten Gesellschafter. Die gängige Bankpraxis, bei der Gewährung von Geschäftskrediten für eine GmbH Bürgschaften der Gesellschafter zu verlangen, ist deshalb rechtlich nicht zu beanstanden. Die kreditgebende Bank kann dabei im allgemeinen davon ausgehen, daû der Gesellschafter, der sich an einer GmbH beteiligt, dies aus eigenem finanziellen Interesse tut und schon deshalb durch die Haftung kein
unzumutbares Risiko auf sich nimmt (BGHZ 137, 329, 336; BGH, Urteil vom 18. September 2001 - IX ZR 183/00, WM 2001, 2156, 2157). Weder eine krasse finanzielle Überforderung eines bürgenden Gesellschafters noch seine emotionale Verbundenheit mit einem die Gesellschaft beherrschenden Dritten begründen daher die Vermutung der Sittenwidrigkeit (BGH, Urteil vom 18. September 2001 aaO; Nobbe/Kirchhof BKR 2001, 5, 14).

b) Dies gilt in der Regel selbst dann, wenn der Gesellschafter nur die Funktion eines Strohmannes hat. Nur wenn für das Kreditinstitut klar ersichtlich ist, daû derjenige, der bürgen soll, finanziell nicht beteiligt ist und die Stellung eines Gesellschafters ohne eigenes wirtschaftliches Interesse nur aus persönlicher Verbundenheit mit einer die GmbH wirtschaftlich beherrschenden Person übernommen hat, gelten die Grundsätze zur Sittenwidrigkeit von Ehegattenbürgschaften entsprechend (BGHZ 137, 329, 336 f.; BGH, Urteil vom 18. September 2001 - IX ZR 183/00, WM 2001, 2156, 2157).
Ein solcher Fall liegt hier aber nicht vor. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hat die Beklagte die Bürgschaft nicht nur aus persönlicher Verbundenheit mit ihrem Ehemann ohne eigenes wirtschaftliches Interesse übernommen. Dem Vortrag der Beklagten zufolge waren steuerliche Gründe für die Übernahme der Gesellschafterstellung maûgeblich. Nach § 14 der Satzung der GmbH kam der zu versteuernde Gewinn der Beklagten entsprechend ihrer 25%igen Beteiligung zugute. Die von ihr behauptete Übertragung des Gewinnanteils am 10. Januar 1994 an ihren früheren Ehemann ist für die Beurteilung der Sittenwidrigkeit
ihrer bereits am 7. Dezember 1993 übernommenen Bürgschaft rechtlich irrelevant, da es auf die Verhältnisse bei Übernahme der Bürgschaft ankommt. Eine mündliche Vereinbarung über den Ausschluû ihrer Gewinnbeteiligung bereits zu diesem Zeitpunkt hat die Beklagte nicht substantiiert geltend gemacht.
Ihr Vorbringen enthält überdies keinen Anhaltspunkt dafür, daû das etwaige Fehlen eines eigenen wirtschaftlichen Interesses für die Klägerin klar ersichtlich gewesen wäre. Daû die Klägerin - wie üblich - die Kreditverhandlungen nur mit den geschäftsführenden Gesellschaftern der GmbH, nicht aber mit der Beklagten geführt hat, besagt nichts darüber, daû der Klägerin eine etwaige Funktion der Beklagten als bloûe Strohfrau bekannt war.
2. Wenn - wie hier - die Grundsätze zur Sittenwidrigkeit von Ehegattenbürgschaften nicht anwendbar sind, können nur besondere, dem Kreditinstitut zurechenbare Umstände, etwa die Ausnutzung der geschäftlichen Unerfahrenheit (BGH, Urteil vom 16. Januar 1997 - IX ZR 250/95, WM 1997, 511, 512) oder die Beeinträchtigung der Willensbildung und Entschlieûungsfreiheit durch Irreführung (BGH, Urteil vom 18. Dezember 1997 - IX ZR 271/96, WM 1998, 239, 240, insoweit in BGHZ 137, 329 ff. nicht abgedruckt), Schaffung einer seelischen Zwangslage (BGH, Urteil vom 16. Januar 1997 - IX ZR 250/95, WM 1997, 511, 512) oder Ausübung unzulässigen Drucks (BGH, Urteile vom 15. Februar 1996 - IX ZR 245/94, WM 1996, 588, 592 und vom 18. Dezember 1997 - IX ZR 271/96, WM 1998, 239, 240, insoweit in
BGHZ 137, 329 ff. nicht abgedruckt) die Bürgschaft eines Gesellschafters sittenwidrig erscheinen lassen (Nobbe/Kirchhof aaO S. 13 f.).
Solche Umstände hat das Berufungsgericht nicht festgestellt.

a) Den Feststellungen des Berufungsgerichts und dem Vortrag der Beklagten ist nicht zu entnehmen, daû die Beklagte durch eine der Klägerin zurechenbare Ausnutzung ihrer geschäftlichen Unerfahrenheit zur Übernahme der Bürgschaft veranlaût worden ist. Die im Gesellschaftsvertrag als Kauffrau bezeichnete, damals 45 Jahre alte Beklagte hatte im Jahre 1992 als Angestellte in einem medizintechnischen Unternehmen gearbeitet und ein jährliches - nicht, wie das Berufungsgericht irrtümlich angenommen hat, monatliches - Bruttoeinkommen in Höhe von 34.250 DM erzielt. Da der Klägerin dies aufgrund der Einkommensteuererklärung der Eheleute bekannt war, bevor sie der GmbH die Kredite bewilligte und die Beklagte sich zur Übernahme der Bürgschaft bereit fand, hatte die Klägerin keinen Anlaû, von einer geschäftlichen Unerfahrenheit der Beklagten auszugehen.

b) Auch eine der Klägerin zurechenbare Beeinträchtigung ihrer Willensbildung und Entschlieûungsfreiheit hat die Beklagte nicht schlüssig vorgetragen. Sie hat zwar geltend gemacht, sie habe die Bürgschaftserklärung vor der Unterzeichnung nicht lesen können und sei von ihrem Ehemann durch Täuschung und Drohung zur Unterschrift veranlaût worden. Das von der Beklagten behauptete Verhalten ihres Ehemannes ist der Klägerin aber nicht zurechenbar. Die Beklagte hat keine Umstände vorgetragen, aufgrund derer die Klägerin von einer sittlich zu
miûbilligenden Einwirkung des Ehemannes auf die Entschlieûung der Beklagten ausgehen muûte.

III.


Das angefochtene Urteil stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 563 ZPO).
1. Die Bürgschaft ist nicht gemäû §§ 119 Abs. 1, 123 Abs. 1, 142 Abs. 1 BGB nichtig.

a) Die Beklagte hatte kein Anfechtungsrecht wegen Irrtums gemäû § 119 Abs. 1 BGB. Irrtum ist das unbewuûte Auseinanderfallen von Wille und Erklärung (BGH, Urteil vom 28. April 1971 - V ZR 201/68, LM § 119 BGB Nr. 21). Deshalb liegt grundsätzlich kein Irrtum vor, wenn jemand eine Erklärung in dem Bewuûtsein abgibt, ihren Inhalt nicht zu kennen (Palandt/Heinrichs, BGB 61. Aufl. § 119 Rdn. 9). Wer eine Urkunde ungelesen unterschreibt, hat nur dann ein Anfechtungsrecht, wenn er sich von deren Inhalt eine bestimmte, allerdings unrichtige Vorstellung gemacht hat (BGH, Urteil vom 27. Oktober 1994 - IX ZR 168/93, WM 1994, 2274, 2276). Gemessen hieran befand sich die Beklagte bei Unterzeichnung der Bürgschaftsurkunde über deren Inhalt nicht im Irrtum. Ihrem Vortrag zufolge hat sie die Urkunde ungelesen unterschrieben, ohne sich von deren Inhalt eine bestimmte, unrichtige Vorstellung zu machen.

b) Soweit sie eine arglistige Täuschung durch ihren Ehemann geltend macht, sind die Anfechtungsvoraussetzungen des § 123 Abs. 2 Satz 1 BGB nicht erfüllt. Der Ehemann war Dritter im Sinne dieser Vorschrift. Ein am Zustandekommen eines Vertrages Beteiligter ist nur dann nicht als Dritter anzusehen, wenn sein Verhalten dem des Anfechtungs-
gegners gleichzusetzen ist. Dies ist über den Bereich der gesetzlichen und rechtsgeschäftlichen Vertretung hinaus bei einem vom Erklärungsempfänger beauftragten Verhandlungsführer oder -gehilfen sowie bei einem Beteiligten, dessen Verhalten dem Erklärungsgegner wegen besonders enger Beziehungen zwischen beiden oder wegen sonstiger besonderer Umstände zuzurechnen ist, der Fall (BGH, Urteil vom 20. November 1995 - II ZR 209/94, WM 1996, 201, 203 m.w.Nachw.). Eine derartige Stellung hatte der Ehemann der Beklagten im Verhältnis zur Klägerin nicht inne. Daû die Klägerin die Bürgschaftsurkunde entworfen und den Anlaû für die Einholung der Unterschrift der Beklagten gegeben hat, reicht hierfür ebenso wenig aus wie das gleichgerichtete Interesse der Klägerin und des Ehemannes an der Bürgschaftsübernahme durch die Beklagte (vgl. BGH, Urteil vom 9. April 1992 - IX ZR 145/91, WM 1992, 1016). Der Ehemann der Beklagten war insbesondere weder Verhandlungs- noch Erfüllungsgehilfe der Klägerin (vgl. für § 1 HWiG: Senat, Urteile vom 9. März 1993 - XI ZR 179/92, WM 1993, 683, 684 und vom 4. Oktober 1995 - XI ZR 215/94, WM 1995, 2133, 2134, insoweit in BGHZ 131, 55 ff. nicht abgedruckt). Daû die Klägerin die angebliche Täuschung durch den Ehemann der Beklagten kannte oder kennen muûte, hat die Beklagte nicht behauptet.

c) Die Anfechtung wegen Drohung gemäû § 123 Abs. 1 BGB hat die Beklagte nicht rechtzeitig binnen Jahresfrist erklärt (§ 124 Abs. 1 BGB). Von einer angeblichen Drohung ihres Ehemanns ist in der Anfechtungserklärung vom 22. Juli 1996 keine Rede. Die erstmalige Berufung auf diesen Anfechtungsgrund in der Klageerwiderung vom 13. August 1999 ist eine neue Anfechtungserklärung, deren Rechtzeitig-
keit nach dem Zeitpunkt ihrer Abgabe zu beurteilen ist (vgl. BGH, Urteile vom 11. Oktober 1965 - II ZR 45/63, WM 1965, 1196, 1197 und vom 19. Februar 1993 - V ZR 249/91, NJW-RR 1993, 948). In diesem Zeitpunkt war die Anfechtungsfrist gemäû § 124 Abs. 1 BGB bereits abgelaufen. Die Frist begann gemäû § 124 Abs. 2 Satz 1 BGB, als die durch die angebliche Drohung geschaffene Zwangslage aufhörte. Dies war spätestens bei Abgabe der Anfechtungserklärung vom 22. Juli 1996 der Fall.
2. Die Ausdehnung der Bürgenhaftung der Beklagten durch die in der formularmäûigen Bürgschaftsurkunde enthaltene Zweckerklärung über die Verbindlichkeiten der GmbH hinaus, die objektiv Anlaû der Verbürgung waren, ist zwar gemäû § 9 AGBG unwirksam. Die Haftung der Beklagten für die Verbindlichkeiten, die den Anlaû zur Übernahme der Bürgschaft bildeten, bleibt davon aber unberührt (BGHZ 143, 95, 97 m.w.Nachw.). Daû dies die Kredite vom 25. November 1993, 27. Januar und 28. April 1994 waren, zieht die Beklagte nicht in Zweifel.

IV.


Das angefochtene Urteil war daher aufzuheben (§ 564 Abs. 1 ZPO). Die Sache ist zur Endentscheidung reif, da es weiterer Feststellungen nicht bedarf (§ 565 Abs. 3 Nr. 1 ZPO). Da die Bürgschaft wirksam und die Zinsforderung unstreitig ist, war die Beklagte antragsgemäû zu verurteilen.
Nobbe Siol Bungeroth
Joeres Mayen

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a) Ob der Bürge durch eine Bürgschaft finanziell kraß überfordert wird, ist allein
aufgrund seiner eigenen Vermögensverhältnisse, nicht auch derjenigen des
Hauptschuldners zu beurteilen (Abweichung vom Senatsurt. v. 18. Januar 1996
- IX ZR 171/95, WM 1996, 519, 521). Eine solche Überforderung liegt jedenfalls
vor, wenn der Bürge voraussichtlich nicht einmal die laufenden Zinsen der
Hauptschuld aufzubringen vermag. Anderweitige Sicherheiten des Gläubigers
sind nur zu berücksichtigen, soweit sie das Haftungsrisiko des Bürgen verringern.

b) Wird der Bürge durch eine Bürgschaft, die er aus emotionaler Verbundenheit
zum Hauptschuldner übernommen hat, kraß überfordert, und ist der Vertrag wirt-
schaftlich sinnlos, steht es der Sittenwidrigkeit der Verpflichtung weder entgegen
, daû der - nicht geschäftsungewandte - Bürge Vertragsverhandlungen im
Namen der Hauptschuldnerin geführt hat, noch daû die Hauptschuld dazu dient,
den Bau eines gemeinsam zu bewohnenden Hauses auf einem Grundstück der
Hauptschuldnerin zu finanzieren, noch daû der Bürge zusätzliche Sicherheiten
aus eigenem Vermögen stellt.

c) Das Vermeiden von Vermögensverschiebungen durch den Hauptschuldner auf
den Bürgen schlieût die Sittenwidrigkeit einer diesen kraû überfordernden Bürgschaft
insgesamt nicht aus, wenn die Höhe der Bürgschaft das berechtigte Sicherungsinteresse
des Gläubigers offenkundig weit übersteigt.
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Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 27. Januar 2000 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Paulusch und die
Richter Kirchhof, Dr. Fischer, Dr. Zugehör und Dr. Ganter

für Recht erkannt:
Auf die Rechtsmittel des Klägers wird das Urteil des 9. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 13. Mai 1998 aufgehoben und dasjenige der 9. Zivilkammer des Landgerichts Stuttgart vom 9. Oktober 1997 abgeändert, soweit es zum Nachteil des Klägers ergangen ist.
Es wird festgestellt, daû die Beklagte aus der vom Kläger am 21. Februar 1992 unterzeichneten Bürgschaftsurkunde keine Rechte gegen den Kläger herleiten kann.
Die Anschluûberufung der Beklagten gegen das bezeichnete Urteil des Landgerichts wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits fallen der Beklagten zur Last.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Der Kläger übernahm am 21. Februar 1992 eine Höchstbetragsbürgschaft von 1,65 Mio. DM gegenüber der Beklagten zur Sicherung ihrer Darlehensansprüche in gleicher Höhe gegen Frau B., die Lebensgefährtin des Klägers. Mit dem Darlehen wollten der Kläger und Frau B. auf einem dieser allein gehörenden Grundstück ein Wohnhaus bauen. Der Beklagten standen vereinbarungsgemäû weitere Sicherheiten zu. Das Darlehen wurde im Dezember 1992 auf 1,35 Mio. DM zurückgeführt, später aber notleidend und im April 1994 gekündigt. Nach Verwertung von Sicherheiten hat die Beklagte gemäû ihrer Behauptung noch eine Restforderung von 386.685,55 DM zuzüglich Zinsen; als Sicherheit dient ihr weiterhin eine Grundschuld auf einem Grundstück der Mutter des Klägers.
Anfang 1995 trat Frau B. die Ansprüche aus ihrer Witwenrente sowie aus einer Unfallversicherungsrente an den Kläger ab.
Der Kläger beantragt die Feststellung, daû die Beklagte aus der Bürgschaftsurkunde vom 21. Februar 1992 keine Rechte herleiten kann. Das Landgericht hat unter Abweisung der weitergehenden Klage festgestellt, daû die Beklagte derzeit gegen den Kläger keine derartigen Rechte herleiten kann. Die Berufung des Klägers hat das Oberlandesgericht zurückgewiesen; auf die Anschluûberufung der Beklagten hat es die Klage abgewiesen. Hiergegen richtet sich die Revision des Klägers.

Entscheidungsgründe:


Das Rechtsmittel führt zur Verurteilung der Beklagten gemäû dem Klageantrag.

I.


Das Berufungsgericht hat ausgeführt: Die zulässige Feststellungsklage sei unbegründet. Die Bürgschaft sei nicht wegen Sittenwidrigkeit nichtig.
Es sei schon zweifelhaft, ob der 1959 geborene Kläger nicht in der Lage gewesen sei, die Bürgschaftsforderung zu begleichen. Zwar habe die Beklagte ihre Behauptung, der Kläger habe vom Unternehmen seiner Lebensgefährtin ein monatliches Einkommen von 4.000 DM erhalten, nicht bewiesen. Der Kläger sei aber Mitinhaber von Anteilen an einem ausländischen Wertpapierfonds gewesen, deren Verkauf im März 1993 einen Erlös von 429.000 DM erbrachte; daû diese Wertpapiere möglicherweise im Innenverhältnis der Hauptschuldnerin allein zustanden, habe der Kläger jedenfalls nicht der Beklagten offenbart. Bis Dezember 1992 habe er von seiner Mutter auch ein Grundstück erlangt, das nunmehr mit einer Grundschuld von 350.000 DM zugunsten der Beklagten belastet sei. Ferner hätten dem Kläger Ansprüche aus einer Lebensversicherung zugestanden, die er zur Sicherung des Darlehens an die Beklagte abgetreten habe. Andererseits seien die von der Hauptschuldnerin gewährten, zusätzlichen umfangreichen Sicherheiten nicht zu berücksichtigen, weil nach
Nr. 6 der Bürgschaftsurkunde die Beklagte gegenüber dem Kläger frei sei, diese Sicherheiten aufzugeben.
Jedenfalls habe die Beklagte ein rechtlich vertretbares Interesse an der Verpflichtung des Klägers gehabt. Denn es habe die Gefahr bestanden, daû die Hauptschuldnerin ihr Vermögen auf den Kläger übertragen würde. Nach dem eigenen Vorbringen des Klägers sei die Möglichkeit einer Vermögensverschiebung Inhalt der Gespräche der Parteien anläûlich der Bürgschaftserklärung gewesen. Daû die Gefahr nicht ferngelegen habe, werde durch die Übertragung der Rentenansprüche im Februar 1995 bestätigt.
Die Umstände des Falles sprächen gegen die Vermutung, daû der Kläger seine Bürgschaftserklärung allein aufgrund einer emotionalen Bindung an seine Lebenspartnerin bei gleichzeitiger Geschäftsungewandtheit abgegeben habe. Vielmehr habe der Kläger ein hohes eigenes Interesse an der Erstellung des Einfamilienhauses auf dem Grundstück der Hauptschuldnerin gehabt, weil er es habe bewohnen wollen, weshalb er zu diesem Zweck auch selbst Ausbauten vorgenommen habe. An allen das Darlehen betreffenden Gesprächen habe er nicht nur persönlich mitgewirkt, sondern auch die Verhandlung aktiver als seine Lebensgefährtin geführt. Indem er sich selbst als Mitantragsteller in einem Darlehensantrag aufgeführt habe, habe er den Hausbau und damit die Darlehensgewährung zur eigenen Angelegenheit gemacht und bereits hierdurch seinen Willen zur eigenen vollen Haftung zum Ausdruck gebracht. Zudem habe er aus seinem Vermögen Sicherheiten für das Darlehen gestellt. Er sei nicht geschäftsungewandt gewesen, nachdem er persönlich in früherer Zeit ein Fuhrgeschäft geleitet habe.

II.


Demgegenüber rügt die Revision: Die Bürgschaft sei sittenwidrig. Ein Sicherungsinteresse der Beklagten habe jedenfalls nicht in Höhe von 1,65 Mio. DM oder auch nur von 1,35 Mio. DM bestanden, weil das Ausfallrisiko durch andere Sicherheiten wesentlich herabgesetzt gewesen sei. Der Kläger werde durch die Bürgschaft, wie der Beklagten von Anfang an bekannt gewesen sei, kraû überfordert. Eigenes Einkommen habe er im Zeitpunkt der Verbürgung nicht gehabt. Die Anteile am ausländischen Wertpapierfonds hätten ausschlieûlich der Hauptschuldnerin zugestanden und seien zudem auch als Sicherheit an die Beklagte verpfändet gewesen. Das von der Mutter des Klägers auf diesen übertragene Grundstück habe für die hohe Schuldsumme nicht annähernd ausgereicht, zumal die Mutter sich ein lebenslängliches Wohnrecht vorbehalten habe. Die gerade erst abgeschlossenen Lebensversicherungen hätten nur einen Rückkaufswert von rund 60.000 DM gehabt und seien der Beklagten ebenfalls sicherungshalber übertragen gewesen.
Der Kläger habe ferner die Bürgschaftserklärung allein aufgrund einer emotionalen Bindung an seine Lebenspartnerin bei gleichzeitiger Geschäftsunerfahrenheit abgegeben. Sein Interesse, in dem Einfamilienhaus auf dem Grundstück der Hauptschuldnerin zu wohnen, stelle nur einen mittelbaren Vermögensvorteil dar, welcher die Anwendung des § 138 Abs. 1 BGB nicht ausschlieûe.

III.


Die vom Kläger am 21. Februar 1992 eingegangene Bürgschaft ist sittenwidrig. Gemäû § 138 Abs. 1 BGB ist eine Bürgschaft insbesondere dann nichtig, wenn der aus emotionaler Verbundenheit mit dem Hauptschuldner handelnde Bürge finanziell kraû überfordert wird und die Bürgschaft sich auch aus Sicht eines vernünftig denkenden Gläubigers als wirtschaftlich sinnlos erweist. Davon ist hier auf der Grundlage des eigenen Vorbringens der Beklagten auszugehen.
1. Der Kläger wird durch die Bürgschaft kraû überfordert. Da die Sittenwidrigkeit eines Rechtsgeschäfts aufgrund der bei Vertragsschluû vorliegenden Umstände und erkennbaren Entwicklungen zu beurteilen ist, ist der Verbürgung im vorliegenden Fall eine Hauptschuld von 1,65 Mio. DM zugrunde zu legen; eine Absenkung um 300.000 DM wurde erst später vereinbart (s.u. IV).

a) Der Bürge ist kraû überfordert, wenn die Verbindlichkeit, für die er einstehen soll, so hoch ist, daû bereits bei Vertragsschluû nicht zu erwarten ist, er werde - wenn sich das Risiko verwirklicht - die Forderung des Gläubigers wenigstens zu wesentlichen Teilen tilgen können (vgl. BGHZ 125, 206, 211; vgl. Senatsurt. v. 8. Oktober 1998 - IX ZR 257/97, WM 1998, 2327 f). Davon ist bei nicht ganz geringfügigen Hauptschulden jedenfalls dann auszugehen, wenn der Bürge voraussichtlich nicht einmal die laufenden Zinsen der Hauptschuld aufzubringen vermag. Im Rahmen der Prüfung, ob die Geschäftsgrundlage einer Bürgschaft weggefallen ist, hat der Senat zwar darauf abgestellt, ob der Bürge innerhalb von fünf Jahren nicht einmal ein Viertel der Hauptsumme auf-
zubringen vermag (BGHZ 132, 328, 338; 134, 325, 332). Aufgrund dieses Maûstabes hat er jedoch nie die Sittenwidrigkeit einer Bürgschaft für eine verzinsliche Hauptschuld bejaht. Soweit den Urteilen in BGHZ 136, 347, 351 f sowie BGHZ 137, 329, 337 f eine Anwendbarkeit des letztgenannten Maûstabes auch im Rahmen des § 138 Abs. 1 BGB entnommen werden könnte, wird das Gegenteil ausdrücklich klargestellt.
Die Bürgschaftssumme von 1,65 Mio. DM überfordert den Kläger kraû. Das Darlehen war mit jährlich 9 %, also monatlich 12.375 DM zu verzinsen. Einen solchen Betrag konnte der Kläger nicht annähernd erwirtschaften. Als gelernter Glaser hatte er ein eigenes Fuhrgeschäft schon vor der hier maûgeblichen Zeit aufgegeben. Eine Erwerbstätigkeit in dem erlernten Beruf oder als Kraftfahrer verschafft erfahrungsgemäû keine Einkünfte in der hier nötigen Gröûenordnung. Für die gegenteilige Ansicht der Revisionserwiderung fehlt jede tatsächliche Grundlage. Insbesondere ist in der Selbstauskunft der Frau B. vom 3. Dezember 1991 für den Kläger als Mitantragsteller kein "monatliches Nettoeinkommen" aufgeführt.
Nach der Behauptung der Beklagten bezog der Kläger zur Zeit der Bürgschaftsübernahme monatlich 4.000 DM von Frau B. für die Führung ihres Speditionsgeschäftes. Das Berufungsgericht hat dies aufgrund der vom Landgericht durchgeführten Beweisaufnahme für nicht bewiesen gehalten. Sogar wenn man dem - insoweit beweisbelasteten - Kläger ein derartiges Einkommen zurechnet, reicht es nicht annähernd aus, um die monatlich anfallenden Zinslasten abzudecken. Es kommt somit nicht mehr entscheidend darauf an, daû der Kläger zusätzlich die laufenden Prämien für die Lebensversicherung über
250.000 DM aufzubringen hatte, die für das Finanzierungskonzept der Hauptschuldnerin und des Klägers nötig war.

b) In die Beurteilung der Leistungsfähigkeit des Klägers sind nur seine eigenen Vermögensverhältnisse, nicht aber auch diejenigen der Hauptschuldnerin einzubeziehen. Zwar hat der Senat mehrmals entschieden, daû bei der Beurteilung einer krassen Überforderung auch die voraussichtliche Leistungsfähigkeit des Hauptschuldners zu berücksichtigen ist (Urt. v. 18. Januar 1996 - IX ZR 171/95, WM 1996, 519, 521 f; v. 7. März 1996 - IX ZR 43/95, WM 1996, 766, 767; v. 15. April 1997 - IX ZR 112/96, WM 1997, 1045, 1046). Auf dessen Leistungsfähigkeit hat der Senat später jedoch nicht mehr abgestellt (vgl. BGHZ 134, 325, 327; 136, 347, 351 f; Urt. v. 8. Oktober 1998 - IX ZR 257/97, WM 1998, 2327 f). Denn der Bürgschaftsfall tritt regelmäûig erst ein, wenn der Hauptschuldner selbst nicht mehr leistungsfähig ist. Das ist sogar der gesetzliche Zweck der Bürgschaft (vgl. § 771 BGB). Dann aber hilft dem Bürgen früher etwa vorhandenes Vermögen des Hauptschuldners nichts. Statt dessen obliegt es dem Gläubiger, sich von vornherein über die individuelle Leistungsfähigkeit etwaiger Bürgen und Mitverpflichteter zu unterrichten und nur jene bei der Höhe ihrer jeweiligen Mitverpflichtung zu berücksichtigen.

c) Das vom Kläger verbürgte Risiko wurde nicht durch sonstige Umstände voll ausgeglichen oder entscheidend herabgemindert.
Bei der Frage der Überforderung sind anderweitige Sicherheiten des Gläubigers nur zu berücksichtigen, soweit sie das Haftungsrisiko des Bürgen vermindern (vgl. BGHZ 136, 347, 352 f; Senatsurteil vom 8. Oktober 1998 - IX ZR 257/97, aaO).

Daû die Mutter des Klägers ihm im September 1992 ein jedenfalls in Höhe von 350.000 DM belastbares Grundstück übertrug, hat im vorliegenden Zusammenhang auûer Betracht zu bleiben (s.u. IV). Denn keine Partei behauptet , daû dies schon im Zeitpunkt der Bürgschaftsübernahme im Februar 1992 vorausgesehen oder Verhandlungsgegenstand gewesen sei. Einseitige Hilfeleistungen von Angehörigen des Bürgen zeitlich nach dessen Verbürgung beeinflussen nicht die Beurteilung ihrer Sittenwidrigkeit.
Bei der Beurteilung des Risikos, welches der Bürge eingeht, ist vom vollen Nennwert der Bürgschaft auszugehen, wenn der Gläubiger zwar weitere Sicherheiten erhalten hat, jedoch nicht sichergestellt ist, daû er nur in einem wesentlich geringeren Umfang als der vertraglich festgelegten Haftungssumme in Anspruch genommen wird (BGHZ 136, 347, 352; Senatsurt. v. 8. Oktober 1998 - IX ZR 257/97, aaO). Im vorliegenden Falle hat der Beklagte unter Nr. 6 seiner Bürgschaftserklärung anerkannt, daû alle Maûnahmen und Vereinbarungen , welche die Bank hinsichtlich ihrer Ansprüche oder bei der Verwertung anderweitiger Sicherheiten für zweckmäûig erachtet, den Umfang der Bürgschaftsverpflichtung nicht berühren. Darüber hinaus stand es der Beklagten frei, den Erlös aus anderweitig bestellten Sicherheiten zunächst auf solche Ansprüche anzurechnen, die durch die Bürgschaft des Klägers nicht gedeckt sind.

d) Die Beklagte muû die sich danach ergebende finanzielle Leistungsunfähigkeit des Klägers als bekannt gegen sich gelten lassen. Denn nach banküblichen Gepflogenheiten überprüfen Kreditinstitute die geforderten Sicherheiten vor der Hereinnahme grundsätzlich auf ihre Werthaltigkeit. Dementsprechend müssen sie von sich aus Ermittlungen über die Vermögens- und
Einkommensverhältnisse solcher Personen anstellen, die mithaften sollen. Sieht eine Bank von derartigen Nachforschungen ab, befragt sie also insbesondere den Beteiligten nicht nach seiner finanziellen Leistungsfähigkeit, muû sie sich in aller Regel die objektiven Tatsachen als bekannt entgegenhalten lassen (Senatsurt. v. 2. November 1995 - IX ZR 222/94, WM 1996, 53, 54; v. 8. Oktober 1998 - IX ZR 257/97, aaO S. 2329 m.w.N.).
Im vorliegenden Falle hat der Kläger in vollem Umfange Auskunft über seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse erteilt und der Beklagten sogar alle von ihm angegebenen Vermögenswerte verpfändet. Er hat ihr nicht etwa vorgespiegelt, mehr Einkommen oder Vermögen zu haben als tatsächlich der Fall war. Die Beklagte selbst geht davon aus, daû Kläger und Hauptschuldnerin die monatliche Belastung für Zins- und Lebensversicherungsbeiträge nur aufbringen konnten, wenn der Erwerber der früheren Spedition der Hauptschuldnerin seinen Zahlungsverpflichtungen nachkam. Die Beklagte hat jedoch nicht beachtet, daû der Umfang der Mitverpflichtung des Klägers seine erkennbar beschränkte Leistungsfähigkeit weit überstieg.
2. Die Rechtsprechung zur Sittenwidrigkeit von Bürgschaften finanziell kraû überforderter Ehegatten, die aus emotionaler Verbundenheit zum Hauptschuldner gehandelt haben, findet in der Regel auch Anwendung, wenn Hauptschuldner und Bürge durch eine eheähnliche Lebensgemeinschaft verbunden sind (Senatsurt. v. 23. Januar 1997 - IX ZR 55/96, WM 1997, 465; vgl. auch BGHZ 136, 347, 350). Der Kläger lebte unstreitig in eheähnlicher Gemeinschaft mit der Hauptschuldnerin. Ein solches Lebensverhältnis ist erfahrungsgemäû als ein Beweggrund für einen der Partner geeignet, sich für den anderen in einer Weise zu verpflichten, welche die eigene Leistungsfähigkeit kraû überfor-
dert. Die persönliche Beziehung war der Beklagten aus den Darlehensverhandlungen bekannt.
Das Berufungsgericht hat sich gleichwohl nicht davon überzeugen können , daû der Kläger die überhöhte Bürgschaft aus emotionaler Verbundenheit zu Frau B. übernommen hat. Die Auslegung des Berufungsgerichts bewertet aber lediglich mittelbare Vorteile, die sich der Kläger aus dem Erfolg des finanzierten Bauvorhabens versprochen haben mag, rechtsfehlerhaft als entgegenstehende Umstände. Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hat stets nur eigene geldwerte Vorteile des kraû überforderten Bürgen aus dem verbürgten Geschäft selbst als einen Umstand angesehen, der ein Handeln allein aus emotionaler Verbundenheit auszugleichen vermag (vgl. Senatsurt. v. 8. Oktober 1998 - IX ZR 257/97, aaO S. 2328 f). Der vom Berufungsgericht als wesentlich herausgestellte Umstand, daû der Kläger das auf dem Grundstück der Frau B. zu errichtende Haus mitbewohnen sollte, genügt danach nicht. Miteigentümer sollte der Kläger, soweit dargetan, nicht werden. Das bloûe Mitbewohnen einer aufwendig ausgebauten Villa begründet allenfalls eine Erhöhung des allgemeinen Lebensstandards und stellt somit keinen Vorteil dar, der vernünftigerweise eine hoffnungslose Überschuldung auszugleichen vermöchte. Ein solches Interesse läût sich durch geeignete Anmietungen billiger befriedigen. Dem steht nicht das von der Beklagten zitierte Senatsurteil vom 23. Januar 1997 (IX ZR 55/96, NJW 1997, 1005 f = WM 1997, 465, 466) entgegen : In diesem Fall ging es angesichts der begrenzten Bürgschaftshöhe zwar um eine erhebliche Belastung, nicht aber um eine krasse Überforderung der Bürgin. Statt dessen stand dort allein das Vorliegen einer anders gearteten Fallgruppe der Sittenwidrigkeit zur Entscheidung, nämlich eine unzulässige Einwirkung der Gläubigerin selbst auf die Entschlieûung des Bürgen; nur bei
Prüfung gerade der Verwerflichkeit des Gläubigerhandelns hat der Senat im Rahmen der gebotenen Gesamtabwägung erkennbar ausgleichende Umstände auf Seiten der Bürgin berücksichtigt.
Zum anderen hat das Berufungsgericht darauf abgestellt, daû der Kläger bei den Kreditbesprechungen mit der Beklagten als Verhandlungsführer für die Hauptschuldnerin aufgetreten ist. Insoweit hat er aber in jedem Falle als Vertreter in fremden Namen gehandelt. Allein aus einem derartigen Betreiben fremder Geschäfte folgt nicht ein inhaltliches Eigeninteresse an dem Geschäft. Obwohl der Kläger Verhandlungen für Frau B. geführt hat, hat er der Beklagten nie ein eigenes Sachinteresse am Bau selbst vorgespiegelt. Sie hat den Kläger letztlich auch nicht als Mitantragsteller für das Darlehen behandelt, und es ist nicht dargetan, daû er über dessen Verwendung frei mitbestimmen durfte.
Entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung liegt ein Eigeninteresse des Klägers ferner nicht darin, daû er sich in die Zwischenfinanzierung des Bauvorhabens mit einem eigenen Lebensversicherungsvertrag hat einbinden lassen. Der Umstand allein, daû ein Bürge für das Bauvorhaben seines Lebenspartners auf dessen Grundstück zusätzliche Leistungen erbringt, spricht zunächst nur für die emotionale Beteiligung des Bürgen; er bedeutet kein geldwertes Eigeninteresse des Bürgen unmittelbar am Bauvorhaben selbst.
Daû der Kläger möglicherweise nicht geschäftsungewandt war, fällt in diesem Zusammenhang als Beweisanzeichen - entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts - nicht ins Gewicht: Auch geschäftsgewandte Personen können aus emotionaler Verbundenheit zu einem Lebenspartner Verbindlichkeiten eingehen, die sie kraû überfordern.

Sogar wenn der Kläger - gemäû der unbewiesenen Behauptung der Beklagten - für die Führung der Geschäfte der Frau B. monatlich eine Vergütung von 4.000 DM erhalten hätte, galt eine solche allein seinen persönlichen Einsatz ab; sie begründete keinen Gegenwert für eine Höchstbetragsbürgschaft von 1,65 Mio. DM. Dasselbe trifft, anders als die Revisionserwiderung meint, für die Mitwirkung des Klägers an der Verpfändung der Anteile am Wertpapierfonds zu: Wenn der eine Teil einer Lebenspartnerschaft schon eigene Sachsicherheiten opfert, rechtfertigt dies nicht seine zusätzliche, persönliche Verpflichtung als Bürge in voller Höhe der Hauptschuld. Somit kommt es nicht entscheidend auf die Behauptung des Klägers an, er sei hinsichtlich der Anteile nur Treuhänder für Frau B. gewesen, dieser hätten wirtschaftlich alle Anteile zugestanden.
3. Das Berufungsgericht hat ein rechtlich vertretbares Interesse der Beklagten an der Verpflichtung des Klägers auch in der Gefahr gesehen, daû die Hauptschuldnerin ihr Vermögen auf den Kläger übertragen würde. Es stellt als unstreitig fest, daû eine solche Gefahr Inhalt der Gespräche der Parteien anläûlich der Bürgschaftserklärung war.

a) Das Berufungsgericht hat darin Recht, daû Vermögensverlagerungen gerade zwischen einander emotional verbundenen Personen in dem Fall, daû einer von ihnen die Insolvenz droht, erfahrungsgemäû oft vorgenommen werden. Die Vermeidung solcher Verschiebungen durch den wirtschaftlich zunächst leistungsstärkeren Hauptschuldner kann ein berechtigter Grund sein, von einer ihm nahestehenden Person eine Bürgschaft zu verlangen (BGHZ
128, 230, 234; 134, 325; Senatsurt. v. 23. Januar 1997 - IX ZR 55/96 aaO S. 466; v. 25. November 1999 - IX ZR 40/98, WM 2000, 23, 24 f).

b) Hier durfte die Beklagte jedoch unter diesem Gesichtspunkt keine Bürgschaft in Höhe von 1,65 Mio. DM verlangen. Sie war von Anfang wenigstens in der Lage, sich ganz überwiegend aus anderweitigen Sicherheiten zu befriedigen. Die verpfändeten Wertpapiere (Templeton Growth Fund) und Festgelder deckten anfangs 1.229.000 DM der verbürgten Hauptsumme ab. Für den Rest diente das zunächst unbebaute Grundstück der Hauptschuldnerin als Sicherheit. Sogar wenn dessen Schätzwert von 1 Mio. DM bei realistischer Vorausschau nicht voll zu verwirklichen sein würde, blieb - unter Berücksichtigung auflaufender Zinsen - eine Deckungslücke allenfalls in einer Gröûenordnung von bis zu 400.000 DM. Allein in diesem Umfang konnte die Beklagte durch Vermögensverschiebungen seitens der Hauptschuldnerin gefährdet werden. Der weitere, letztlich unvollendet gebliebene Ausbau des Wohnhauses auf dem Grundstück vergröûerte die Deckungslücke jedenfalls nicht.
Die Entgegennahme einer Bürgschaft durch den Gläubiger ist im Rahmen des § 138 Abs. 1 BGB als Einheit zu werten. Läût er sich eine Bürgschaft stellen, die der Höhe nach sein berechtigtes Interesse offenkundig weit übersteigt , vermag es eine krasse Überforderung des Bürgen nicht einmal teilweise zu rechtfertigen.

IV.


Am 10. Dezember 1992 hat der Kläger im Rahmen der Umschuldungsverhandlungen den Antrag der Frau B. mit unterschrieben, das vereinbarte Darlehen von 1,65 Mio. DM auf 1,35 Mio. DM zu senken. In dem Antrag heiût es auszugsweise [Bl. 28 GA]:
"Folgende bereits vorhandene Sicherheiten haften auch für diesen Kredit : ... Unbefristete, selbstschuldnerische Höchstbetragsbürgschaft über DM 1.650.000,00 - H. G. -, vom 21.02.1992 ..." Eine rechtswirksame Bestätigung dieser früheren Bürgschaft liegt darin nicht. Denn ein nichtiger Vertrag wird nicht durch Bestätigung rückwirkend wirksam; er kann nur für die Zukunft neu abgeschlossen werden. Es kommt allerdings in Betracht, die vom Kläger unterzeichnete Erklärung als eine neue, selbständige Verbürgung seinerseits in der Form des § 766 BGB auszulegen. Eine solche, erneute Verbürgung für das nunmehr auf 1,35 Mio. DM festgesetzte Darlehen ist jedoch nicht Gegenstand des genau umschriebenen Feststellungsantrags.
Es kommt deshalb nicht entscheidend darauf an, daû auch die verringerte Bürgschaftssumme die Leistungsfähigkeit des Klägers noch weit überstieg und sich das Risiko seiner Inanspruchnahme wegen des ausgleichenden Wegfalls bisheriger Sicherheiten keinesfalls verringerte.

V.


Das danach rechtsfehlerhafte Urteil erweist sich nicht aus anderen Gründen als richtig (§ 563 ZPO). Der Senat kann selbst in der Sache abschlieûend entscheiden (§ 565 Abs. 3 Nr. 1 ZPO). Die Klage ist begründet.
Paulusch Kirchhof Fischer Zugehör Ganter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IX ZR 183/00
Verkündet am:
18. September 2001
Preuß
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
Behauptet der Bürge, der als Mehrheitsgesellschafter oder Geschäftsführer
die Haftung für die Gesellschaftsschulden übernommen hat, dies sei ohne eigenes
wirtschaftliches Interesse allein aus enger persönlicher Verbundenheit
zu einem Dritten geschehen, hat er sowohl diese Tatsache als auch die
Kenntnis des Gläubigers davon zu beweisen. Weder aus der krassen finanziellen
Überforderung des Bürgen noch aus dessen emotionaler Verbundenheit
mit der die Gesellschaft wirtschaftlich beherrschenden Person folgt eine
tatsächliche Vermutung zu Lasten des Kreditgebers (Fortführung von BGHZ
137, 329).
BGH, Urteil vom 18. September 2001 - IX ZR 183/00 - OLG Celle
LG Hannover
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 18. September 2001 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Kreft und die
Richter Kirchhof, Dr. Fischer, Dr. Ganter und Kayser

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 3. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Celle vom 22. März 2000 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an den 4. Zivilsenat des Berufungsgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Der im Jahre 1969 geborene Beklagte war seit September 1988 Alleingesellschafter der C. GmbH und seit dem 1. Februar 1990 auch deren alleiniger Geschäftsführer. Mit Vertrag vom 23. September 1991 gewährte die Klägerin der GmbH einen Kontokorrentkredit bis zum Betrag von 200.000 DM. In einer Urkunde vom selben Tage verbürgte sich der Beklagte für alle bestehenden und künftigen Forderungen der Klägerin aus der Geschäftsverbindung mit der Gesellschaft. Am 4. Januar 1994 nahm die GmbH ein Festzinsdarlehen in Höhe von 355.000 DM bei der Klägerin auf.

Der Beklagte erteilte seinem Vater am 10. Dezember 1992 in notarieller Form uneingeschränkte Vollmacht zur Vertretung der GmbH. Am 29. Dezember 1994 kündigte die Klägerin die Geschäftsverbindung. Zu diesem Zeitpunkt belief sich ihre Forderung aus den Kreditverträgen auf insgesamt rund 1.346.000 DM. Die Gesellschaft ist insolvent. Am 23. Januar 1995 wurde der Beklagte als Geschäftsführer abberufen und dessen Vater zum Geschäftsführer bestellt.
Die Klägerin hat den Beklagten erstinstanzlich in Höhe von 50.000 DM wegen der Forderung aus dem Darlehen vom 4. Januar 1994 als Bürgen in Anspruch genommen. Im Berufungsrechtszug hat sie die Klage auf 70.000 DM erhöht. Der Beklagte hat eingewandt, der Klägerin sei bekannt gewesen, daß er seine Funktionen in der Gesellschaft nur als Strohmann seines Vaters ausgeübt habe. Sämtliche Verhandlungen habe die Klägerin nur mit dem Vater geführt. Der Beklagte sei dabei nie in Erscheinung getreten. Die Unterschriften unter den Verträgen habe er nach den Vorgaben des Vaters geleistet. Er habe zu jener Zeit eine Ausbildung absolviert und damals wie heute nur über geringe Einkünfte verfügt, so daß er finanziell nie in der Lage gewesen sei, die Hauptforderung in nennenswertem Umfang zu tilgen.
Die Klage hatte in den Vorinstanzen keinen Erfolg. Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter.

Entscheidungsgründe:


Die Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I.


Der Tatrichter ist im Ergebnis zu Recht davon ausgegangen, daû die Klägerin in zulässiger Weise Berufung eingelegt hat.
1. Das Berufungsgericht ist der Ansicht, die Klägerin, die in erster Instanz den Bürgen wegen eines Teils der Forderung aus dem Darlehensvertrag vom 4. Januar 1994 in Anspruch genommen hat, habe abweichend davon im Berufungsrechtszug in erster Linie die Deckung von Ansprüchen aus dem Kontokorrentvertrag verlangt. In diesem Falle wäre der Hauptantrag unzulässig. Auch bei einheitlicher Verbürgung mehrerer Forderungen bildet die Sicherung der einzelnen Hauptschuld einen eigenständigen Streitgegenstand; denn selbständige, voneinander unabhängige Ansprüche beruhen auf verschiedenen Lebenssachverhalten (vgl. BGH, Urteil vom 5. April 1990 - IX ZR 111/89, WM 1990, 969, 970; Kreft, WM-Sonderbeilage Nr. 5/1997 S. 64). Wechselt der Gläubiger zur Begründung seines gegen den Bürgen erhobenen Anspruchs die Hauptschuld aus, nimmt er eine Klageänderung im Sinne des § 263 ZPO vor. § 511 ZPO setzt voraus, daû der Rechtsmittelkläger die vom erstinstanzlichen Urteil ausgehende Beschwer zumindest teilweise beseitigen will (BGH, Urteil
vom 11. Oktober 2000 - VIII ZR 321/99, NJW 2001, 226 m.w.N.). Diese Voraussetzung ist nicht erfüllt, soweit ein Bürgschaftsanspruch mit der Berufung vorrangig auf eine bis dahin nicht geltend gemachte Forderung gestützt wird.
2. Indessen hat die Klägerin in der Berufungsinstanz den Streitgegenstand nicht in dieser Weise geändert. Das kann der Senat ohne Bindung an die Auslegung des Tatrichters selbst feststellen, weil es um die Wertung einer Prozeûhandlung geht, welche das Revisionsgericht uneingeschränkt selbst vorzunehmen hat.
Die Berufungsbegründung der Klägerin zeigt zunächst auf, warum entgegen der Meinung des Landgerichts die Erstreckung der Bürgschaft auf den Darlehensvertrag vom 4. Januar 1994 wirksam geworden sei. Erst im Anschluû daran heiût es, die Bürgschaft decke jedenfalls den Kontokorrentkredit, der den Anlaû zur Verbürgung begründet habe, wenn man der Ansicht des Landgerichts zur Unwirksamkeit der weiten Zweckerklärung folge. Aus der Berufungsbegründung läût sich daher keine Umstellung des Klagegrundes herleiten. Sie ergibt sich auch nicht aus sonstigen Umständen. Vielmehr hat die Klägerin den Beklagten lediglich hilfsweise wegen der Kontokorrentforderung in Anspruch genommen.

II.


Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Auffassung, der Bürgschaftsvertrag sei gemäû § 138 Abs. 1 BGB nichtig, ausgeführt:
Für die Klägerin habe sich aufgedrängt, daû die GmbH trotz der Eintragungen im Handelsregister wirtschaftlich das Unternehmen des Vaters gewesen sei und der Beklagte keine Entscheidungsbefugnis besessen habe. Die Mitarbeiter der Klägerin hätten nie mit dem Beklagten persönlich verhandelt. Keine Kontobelastung sei vom Beklagten verfügt worden. Daher sei die Aussage seines als Zeugen vernommenen Vaters glaubhaft, er habe im Zusammenhang mit der Erschlieûung eines Baugebiets in G. dem Vorstandsvorsitzenden der Rechtsvorgängerin der Klägerin erzählt, der Beklagte führe nicht die Geschäfte ; er sei vielmehr noch Lehrling. In Anbetracht aller Umstände sei für die Klägerin klar ersichtlich gewesen, daû der Beklagte sich ohne eigenes wirtschaftliches Interesse aufgrund enger emotionaler Bindung zum Vater in unterlegener Position darauf eingelassen habe, für diesen den Strohmann abzugeben. Die von der Klägerin im Senatstermin gegenbeweislich zum Vorbringen des Beklagten gestellten Anträge seien gemäû § 528 Abs. 2 ZPO als verspätet zurückzuweisen.
Der Beklagte sei durch die Bürgschaft finanziell aussichtslos überfordert worden; denn er habe während der Ausbildung weniger als 1.000 DM monatlich verdient und beziehe gegenwärtig als Verheirateter, der zudem für zwei Kinder zu sorgen habe, nur einen Nettolohn von etwa 2.500 DM. Das in den Selbstauskünften vom 29. Januar 1993 und 14. Februar 1994 erwähnte Immobilienvermögen sei hoch belastet gewesen. Das dort weiter genannte Geschäftsführergehalt von 6.500 DM monatlich sei für die Klägerin anhand der Geschäftskonten als fiktiv erkennbar gewesen.

III.


Die vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen tragen die Klageabweisung nicht.
1. Die Anwendung der in der Rechtsprechung des Senats zur Sittenwidrigkeit von Bürgschaften finanziell überforderter Lebenspartner und Verwandter erarbeiteten Grundsätze scheitert allerdings nicht schon daran, daû der Beklagte nicht unmittelbar für seinen Vater, sondern für eine GmbH gebürgt hat, an der er selbst beteiligt war. Gehörte die Gesellschaft, wirtschaftlich gesehen, zu wesentlichen Teilen einer mit dem Bürgen eng verbundenen Person, befindet sich derjenige, der die Haftung übernehmen soll, nicht selten in einer für Verwandten- oder Ehegattenbürgschaften typischen Konfliktsituation. Dies kann dazu führen, daû die Entscheidung, sich an einer Gesellschaft zu beteiligen , nicht auf wirtschaftlichen Überlegungen beruht, sondern allein deshalb erfolgt, um dem anderen einen Gefallen zu tun. In einem solchen Falle entstehen für den Bürgen dieselben Gefahren wie bei einer unmittelbaren Haftung für Verbindlichkeiten des ihm nahestehenden Hauptschuldners. Daher kann der Bürge auch in vergleichbarer Weise schutzbedürftig sein (BGHZ 137, 329, 336).
2. Im Streitfall war der Beklagte Alleingesellschafter und -geschäftsführer der Hauptschuldnerin, als er die Bürgschaft erteilte. Ein Kreditinstitut , das einer GmbH ein Darlehen gewährt, hat grundsätzlich ein berechtigtes Interesse daran, die persönliche Haftung maûgeblich beteiligter Gesellschafter sowie der Geschäftsführer für Geschäftskredite zu verlangen. Die
gängige Bankpraxis, die Kreditgewährung davon abhängig zu machen, daû die rechtlich und wirtschaftlich verantwortlichen Personen für die entstehenden Forderungen eintreten, ist rechtlich nicht zu beanstanden. Dabei darf die Bank im allgemeinen davon ausgehen, daû derjenige, der sich an einer Gesellschaft beteiligt, dies aus eigenen finanziellen Interessen tut und schon deshalb durch die Haftung kein ihm unzumutbares Risiko auf sich nimmt. Für den Kreditgeber besteht grundsätzlich keine Veranlassung, der Frage nachzugehen, aus welchen Gründen die Beteiligung an der Gesellschaft erfolgt und die Haftung für deren Schulden übernommen wird (BGHZ 137, 329, 336; BGH, Urteil vom 15. Februar 1996 - IX ZR 245/94, WM 1996, 588, 592; vom 16. Januar 1997 - IX ZR 250/95, WM 1997, 511, 513).
Dies gilt in der Regel selbst gegenüber Gesellschaftern, denen nur die Funktion eines Strohmannes zukommt. Da Strohmanngeschäfte ernst gemeint und infolgedessen rechtlich wirksam sind (vgl. BGHZ 21, 378, 381; 31, 258, 263 f; BGH, Urteil vom 6. Dezember 1994 - XI ZR 19/94, NJW 1995, 727), braucht der Kreditgeber sich grundsätzlich nicht darum zu kümmern, warum der Strohmann bereit ist, die Bürgschaft zu erteilen. Er darf davon ausgehen, dieser handele aus wirtschaftlich vernünftigen, allein von ihm selbst verantworteten Gründen, solange ihm nicht das Gegenteil bekannt ist. Dies gilt insbesondere auch dann, wenn der wirtschaftliche Inhaber eines Unternehmens seine Ehefrau oder einen Verwandten als Gesellschafter vorschiebt, weil er selbst in dieser Funktion nicht auftreten will. Wird die Bank jedoch in die wirtschaftlichen Hintergründe der Gesellschaftsgründung so einbezogen, daû für sie die wirklichen Motive des Bürgen klar hervortreten, so darf sie davor nicht die Augen verschlieûen. Erkennt das Kreditinstitut infolge der ihm offenbarten Tatsachen, daû derjenige, der die Haftung übernehmen soll, finanziell nicht beteiligt wird
und die Stellung eines Gesellschafters nur aus emotionaler Abhängigkeit übernommen hat, er also keine eigenen wirtschaftlichen Interessen verfolgt, ist der überforderte Bürge in gleicher Weise schutzwürdig wie in den typischen Fällen von Haftungserklärungen für die Verbindlichkeiten von Personen, denen er emotional eng verbunden ist (BGHZ 137, 329, 336 f). Nur in solchen Fällen muû sich die Haftungsübernahme an den Kriterien messen lassen, die der Senat allgemein für Bürgschaften finanziell überforderter Bürgen entwickelt hat (zu Kinderbürgschaften insbesondere BGHZ 125, 206, 213 ff; BGH, Urteil vom 10. Oktober 1996 - IX ZR 333/95, WM 1996, 2194, 2195 f).
3. Da der Gläubiger bei den beschriebenen Gesellschafter- und Geschäftsführerbürgschaften grundsätzlich davon ausgehen darf, für diese Personengruppe sei die Haftungsübernahme mit einem eigenen unmittelbaren wirtschaftlichen Interesse verbunden und stelle daher ein zumutbares, ausschlieûlich selbst zu verantwortendes Risiko dar, trifft den Bürgen die volle Darlegungs- und Beweislast für die Behauptung eines Sachverhalts, der dazu führen kann, daû der Bürgschaftsvertrag gleichwohl als sittenwidrig anzusehen ist. In diesen Fällen folgen demnach weder aus der krassen finanziellen Überforderung noch aus der emotionalen Verbundenheit des Bürgen mit der die Gesellschaft wirtschaftlich beherrschenden Person tatsächliche Vermutungen zu Lasten des Kreditgebers.
4. Das angefochtene Urteil enthält keine Feststellungen, aus denen sich der vom Beklagten zu beweisende Ausnahmetatbestand ergibt.

a) Selbst wenn es - wie das Berufungsgericht meint - für die Klägerin schon vor Abschluû des Bürgschaftsvertrages auf der Hand lag, daû das Un-
ternehmen dem Vater des Beklagten wirtschaftlich gehörte, besagt dies lediglich , für die Gläubigerin sei die "Strohmann"-Eigenschaft des Beklagten offensichtlich deutlich hervorgetreten. Die Klägerin als Kreditgeber brauchte sich jedoch auch dann keine Gedanken zu machen über die Motive und Absichten, die einer solchen Handlungsweise zugrunde lagen. Die Klägerin durfte ohne weiteres davon ausgehen, eigene finanzielle Interessen hätten den Beklagten bewogen, die Gesellschafterfunktion als Strohmann wahrzunehmen, solange ihr kein mit einer solchen Annahme unvereinbarer Sachverhalt bekannt war. Da Vertreter der Klägerin nie persönlich mit dem Beklagten verhandelt haben, ist es unerheblich, ob sie bei einer solchen Gelegenheit erkannt hätten, daû der Beklagte sich bei dem Entschluû, Gesellschafter zu werden, ausschlieûlich von seiner inneren Abhängigkeit gegenüber dem Vater hatte leiten lassen.

b) Im übrigen hat der Beklagte nach seinem eigenen Vortrag im Jahre 1991 von seinem Bruder acht Eigentumswohnungen übereignet erhalten. Da sich die GmbH mit dem An- und Verkauf sowie der Verwaltung von Immobilien befaûte, war ein solcher Vorgang geeignet, im Geschäftsverkehr zumindest den Anschein eines eigenen wirtschaftlichen Interesses des Gesellschafters zu begründen. Dies gilt selbst dann, wenn die Wohnungen, wie der Beklagte behauptet , damals wertausschöpfend belastet waren; denn das schloû die Absicht nicht aus, sie gewinnbringend an Dritte zu veräuûern. Im übrigen brauchte sich die Klägerin - anders als im Regelfall einer Verwandtenbürgschaft - über die Werthaltigkeit des Eigentums an Immobilien nicht zu informieren , weil ein berechtigtes Interesse des Kreditgebers an der Bürgschaft des Mehrheitsgesellschafters unabhängig von dessen persönlicher finanzieller Leistungsfähigkeit besteht. Davon abgesehen überstieg der Wert der Immobilien
nach einer vom Beklagten im Jahre 1994 unterzeichneten Selbstauskunft die Belastungen um mehr als 700.000 DM.

c) Der Vater des Beklagten hat bekundet, im Zusammenhang mit der Erschlieûung eines Baugebiets in G. dem damaligen Vorstandsvorsitzenden der Rechtsvorgängerin der Klägerin erklärt zu haben, er allein führe die Geschäfte , der Beklagte sei noch Lehrling. Ob für den Vertreter der Klägerin schon aufgrund dieses Hinweises auf der Hand lag, daû der Beklagte keine eigenen wirtschaftlichen Interessen mit seiner Gesellschafterstellung verband, kann dahingestellt bleiben. Die Aussage des Zeugen läût schon nicht erkennen , daû das berichtete Gespräch vor Abschluû des Bürgschaftsvertrages stattgefunden hat.

d) Alle weiteren vom Berufungsgericht herangezogenen Umstände haben sich ebenfalls erst nach Abschluû des Bürgschaftsvertrages ereignet und vermögen nichts darüber auszusagen, welche Kenntnisse die Klägerin von dem Sinn und Zweck der Gesellschafterstellung des Beklagten bei Gewährung des ersten Kredits und der in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang erteilten Bürgschaft besaû.

e) Nach den im Berufungsurteil enthaltenen Feststellungen waren der Klägerin bei Abschluû des Bürgschaftsvertrages somit keine Tatsachen bekannt , aus denen sich für sie ohne weiteres ergab, daû der Beklagte lediglich aus seiner persönlichen Verbundenheit mit dem Vater heraus die Stellung des Gesellschafters übernommen hatte, ohne damit eigene unmittelbare wirtschaftliche Interessen zu verbinden (vgl. dazu BGHZ 137, 329, 340 f). Auf der
Grundlage der vom Tatrichter getroffenen Feststellungen ist der Bürgschaftsvertrag nicht nach § 138 Abs. 1 BGB zu beanstanden.

IV.


Das angefochtene Urteil erweist sich nicht aus anderen Gründen als im Ergebnis richtig.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist die formularmäûig erteilte Bürgschaft mit der weiten, auf die gesamte Geschäftsverbindung bezogenen Zweckerklärung nicht nach § 9 AGBG zu beanstanden, wenn die Haftung vom Allein- oder Mehrheitsgesellschafter sowie einem Geschäftsführer der GmbH übernommen worden ist (BGHZ 132, 6, 9; BGH, Urteil vom 2. Juli 1998 - IX ZR 255/97, NJW 1998, 2815, 2816; vom 10. November 1998 - XI ZR 347/97, ZIP 1998, 2145; vom 16. Dezember 1999 - IX ZR 36/98, WM 2000, 514, 517). Im Rahmen der gemäû § 9 AGBG geltenden typisierenden Betrachtungsweise kommt eine Privilegierung des "Strohmannes" schon wegen der uneingeschränkten Wirksamkeit der von ihm eingenommenen Rechtsstellung nicht in Betracht.

V.


Die Sache ist auch nicht im Sinne der Klage entscheidungsreif.
1. Es ist nicht auszuschlieûen, daû der Beklagte, wäre er rechtzeitig auf die von der höchstrichterlichen Rechtsprechung erarbeiteten Grundsätze (BGHZ 137, 329 ff) hingewiesen worden, seinen Vortrag in den wesentlichen Punkten hinreichend ergänzt hätte. Dazu muû ihm noch Gelegenheit gegeben werden. Sollte das Berufungsgericht den erhobenen Einwand sodann auf der Grundlage der Vorgaben des Revisionsurteils als erheblich ansehen, werden die von beiden Parteien angebotenen Beweise auszuschöpfen sein.
2. Gelangt das Berufungsgericht zu der Feststellung, der Beklagte sei ohne eigenes wirtschaftliches Interesse - allein um seinem Vater einen Gefallen zu tun - Gesellschafter geworden und die Klägerin habe dies zwar nicht vor Erteilung der Bürgschaft, aber zu einem späteren Zeitpunkt erfahren, wird zu prüfen sein, ob es als ein Verstoû gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB) anzusehen ist, den Bürgen wegen Forderungen aus Krediten in Anspruch zu nehmen , die erst in Kenntnis des wahren Sachverhalts vereinbart wurden. In diesem Falle gewinnt der auf den Kontokorrentkredit gestützte Hilfsanspruch Bedeutung.
3. Bei der Zurückverweisung hat der Senat von der Möglichkeit des § 565 Abs. 1 Satz 2 ZPO Gebrauch gemacht.
Kreft Kirchhof Fischer
Richter am Bundesgerichtshof Dr. Ganter Kayser ist wegen urlaubsbedingter Ortsabwesenheit verhindert, seine Unterschrift beizufügen. Kreft

(1) Im Falle der Aufhebung des Urteils ist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Die Zurückverweisung kann an einen anderen Spruchkörper des Berufungsgerichts erfolgen.

(2) Das Berufungsgericht hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung zugrunde gelegt ist, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.

(3) Das Revisionsgericht hat jedoch in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Aufhebung des Urteils nur wegen Rechtsverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und nach letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist.

(4) Kommt im Fall des Absatzes 3 für die in der Sache selbst zu erlassende Entscheidung die Anwendbarkeit von Gesetzen, auf deren Verletzung die Revision nach § 545 nicht gestützt werden kann, in Frage, so kann die Sache zur Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden.

(1) Wer bei der Abgabe einer Willenserklärung über deren Inhalt im Irrtum war oder eine Erklärung dieses Inhalts überhaupt nicht abgeben wollte, kann die Erklärung anfechten, wenn anzunehmen ist, dass er sie bei Kenntnis der Sachlage und bei verständiger Würdigung des Falles nicht abgegeben haben würde.

(2) Als Irrtum über den Inhalt der Erklärung gilt auch der Irrtum über solche Eigenschaften der Person oder der Sache, die im Verkehr als wesentlich angesehen werden.

(1) Wer zur Abgabe einer Willenserklärung durch arglistige Täuschung oder widerrechtlich durch Drohung bestimmt worden ist, kann die Erklärung anfechten.

(2) Hat ein Dritter die Täuschung verübt, so ist eine Erklärung, die einem anderen gegenüber abzugeben war, nur dann anfechtbar, wenn dieser die Täuschung kannte oder kennen musste. Soweit ein anderer als derjenige, welchem gegenüber die Erklärung abzugeben war, aus der Erklärung unmittelbar ein Recht erworben hat, ist die Erklärung ihm gegenüber anfechtbar, wenn er die Täuschung kannte oder kennen musste.

(1) Die Anfechtung einer nach § 123 anfechtbaren Willenserklärung kann nur binnen Jahresfrist erfolgen.

(2) Die Frist beginnt im Falle der arglistigen Täuschung mit dem Zeitpunkt, in welchem der Anfechtungsberechtigte die Täuschung entdeckt, im Falle der Drohung mit dem Zeitpunkt, in welchem die Zwangslage aufhört. Auf den Lauf der Frist finden die für die Verjährung geltenden Vorschriften der §§ 206, 210 und 211 entsprechende Anwendung.

(3) Die Anfechtung ist ausgeschlossen, wenn seit der Abgabe der Willenserklärung zehn Jahre verstrichen sind.

Die Entscheidung braucht nicht begründet zu werden, soweit das Revisionsgericht Rügen von Verfahrensmängeln nicht für durchgreifend erachtet. Dies gilt nicht für Rügen nach § 547.

Die für die Berufung geltenden Vorschriften über die Anfechtbarkeit der Versäumnisurteile, über die Verzichtsleistung auf das Rechtsmittel und seine Zurücknahme, über die Rügen der Unzulässigkeit der Klage und über die Einforderung, Übersendung und Zurücksendung der Prozessakten sind auf die Revision entsprechend anzuwenden. Die Revision kann ohne Einwilligung des Revisionsbeklagten nur bis zum Beginn der mündlichen Verhandlung des Revisionsbeklagten zur Hauptsache zurückgenommen werden.