Bundesgerichtshof Urteil, 07. Sept. 2005 - XII ZR 311/02

bei uns veröffentlicht am07.09.2005

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
XII ZR 311/02 Verkündet am:
7. September 2005
Küpferle,
Justizamtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in der Familiensache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Ein fiktives Einkommen des Unterhaltsberechtigten ist auch dann im Wege der
Differenz- oder Additionsmethode in die Berechnung des nachehelichen Ehegattenunterhalts
einzubeziehen, wenn die Eheleute nur wenige Tage zusammen
gelebt haben und eine Versagung, Herabsetzung oder Begrenzung des
Unterhaltsanspruchs wegen Unbilligkeit nur aus Gründen des Kindeswohls
ausscheidet.
BGH, Urteil vom 7. September 2005 - XII ZR 311/02 - OLG München
AG Memmingen
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 7. September 2005 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Hahne und die
Richter Sprick, Prof. Dr. Wagenitz, Fuchs und Dose

für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des 30. Zivilsenats - zugleich Familiensenat - des Oberlandesgerichts München, Zivilsenate in Augsburg , vom 12. November 2002 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Parteien streiten um Abänderung eines Urteils über nachehelichen Ehegattenunterhalt. Die Parteien hatten am 5. April 1991 die Ehe geschlossen. Weil die Ehewohnung noch nicht fertig gestellt war, wohnte die Beklagte mit ihrem vorehelich geborenen und nicht vom Kläger abstammenden Kind zunächst noch bei ihren Eltern. Nach der Geburt der gemeinsamen Tochter S. am 18. Juli 1991 zogen die Parteien etwa um den 24. Juli 1991 in die Ehewohnung. Schon am 28. Juli 1991 trennten sie sich wieder. Durch Urteil des Oberlandesgerichts München vom 17. Januar 1995 wurde der Kläger verurteilt, an die Beklagte nachehelichen Ehegattenunterhalt
in Höhe von monatlich 572 DM (= 292,46 €) zu zahlen. Dabei ging das Gericht von einem unterhaltsrelevanten Einkommen des Klägers in Höhe von 2.172 DM und einem an die Tochter S. zu zahlenden Kindesunterhalt in Höhe von 300 DM aus. Von dem verbliebenen Einkommen in Höhe von 1.872 DM setzte es einen notwendigen Selbstbehalt in Höhe von 1.300 DM ab und gelangte so zu einer Leistungsfähigkeit des Klägers in Höhe von 572 DM. Eine weitere Herabsetzung des Unterhalts wegen der kurzen Ehedauer lehnte das Gericht im Hinblick auf die Interessen des minderjährigen Kindes S. ab. Mit der vorliegenden Abänderungsklage hat der Kläger den vollständigen Wegfall seiner Unterhaltspflicht ab Rechtshängigkeit begehrt, zumal die Beklagte zur Aufnahme einer Teilzeitbeschäftigung verpflichtet sei und sie damit ihren Unterhaltsbedarf in vollem Umfang abdecken könne. Das Amtsgericht hat der Klage weitgehend stattgegeben und die Unterhaltspflicht auf einen monatlichen Betrag in Höhe von 53 € herabgesetzt. Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht das amtsgerichtliche Urteil abgeändert und die monatliche Unterhaltspflicht des Klägers lediglich auf 277 € herabgesetzt. Dagegen richtet sich die vom Berufungsgericht zugelassene Revision des Klägers, mit der er Wiederherstellung des amtsgerichtlichen Urteils begehrt.

Entscheidungsgründe:

Die Revision ist unbegründet.

I.

Nach den Feststellungen des Oberlandesgerichts verfügt der Kläger jetzt - nach Abzug des Unterhalts für die gemeinsame Tochter - über ein unterhaltsrechtlich bereinigtes Einkommen in Höhe von 1.966 DM. Der Beklagten hat das Berufungsgericht ein bereinigtes fiktives Einkommen aus einer Halbtagstätigkeit in Höhe von 882 DM zugerechnet. Weil die gemeinsame Tochter der Parteien bereits seit September 2000 die dritte Klasse der Grundschule besuche, sei der Beklagten nach den süddeutschen Leitlinien eine Halbtagstätigkeit zumutbar. Eine besondere Betreuungsbedürftigkeit der Tochter S. habe die Beklagte nicht substantiiert dargelegt. Weil die Beklagte keine ausreichenden Bemühungen um Erlangung einer Halbtagsstelle dargelegt habe, sei ihr ein - unterhaltsrechtlich bereinigt - erzielbares Einkommen in Höhe von 882 DM zurechenbar. Das mietfreie Wohnen der Beklagten sei hingegen nicht bedarfsmindernd zu berücksichtigen , weil dieses auf freiwilligen Leistungen ihrer Eltern beruhe. Trotz der sehr kurzen Zeit des ehelichen Zusammenlebens von nur fünf Tagen sei der Unterhaltsbedarf der Beklagten im Wege der Differenzmethode zu ermitteln. Schon die beabsichtigte Haushaltsführung und die Kinderbetreuung habe die Ehe der Parteien geprägt. Weil die Beklagte seit ihrem Schulabschluss bis zur Geburt des vorehelichen Kindes als Verkäuferin berufstätig gewesen sei und unmittelbar vor der Geburt des gemeinsamen Kindes eine neue Arbeitsstelle gesucht habe, lasse sich eine Lebensplanung feststellen, wonach sie im Anschluss an die Erziehung des jüngsten Kindes ebenfalls wieder Arbeit
aufgenommen hätte. Auf einen unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit der Arbeitsaufnahme komme es wegen der Surrogatlösung des Bundesgerichtshofs zur eheprägenden Haushaltstätigkeit und Kindererziehung nicht mehr an. Die Beklagte könne sich auch im Abänderungsverfahren auf diese neuere höchstrichterliche Rechtsprechung berufen. Wegen der Bindung an das abzuändernde Urteil komme eine Verwirkung des Unterhaltsanspruchs wegen kurzer Ehedauer auch gegenwärtig nicht in Betracht, zumal sich an der Unterhaltsbedürftigkeit im Interesse des Kindeswohls noch nichts geändert habe.

II.

Mit seiner Revision will der Kläger eine Berücksichtigung der fiktiven Einkünfte der Beklagten im Wege der Anrechnungsmethode erreichen. Indem das Berufungsgericht die fiktiven Einkünfte der Beklagten als eheprägend behandelt und im Wege der Differenzmethode berücksichtigt habe, habe es den Begriff der ehelichen Lebensverhältnisse verkannt. Weil sich deren Ausgestaltung nach den individuellen, also den familiären, wirtschaftlichen, beruflichen und sonstigen Verhältnissen der Ehegatten richte, setze die Berücksichtigung als eheprägend voraus, dass eine eheliche Lebensgemeinschaft tatsächlich überhaupt bestanden habe. Nur wenn dem unterhaltspflichtigen Ehegatten die Haushaltsführung des anderen zugute gekommen sei, sei es gerechtfertigt , ihn "mit den Nachteilen der Differenzmethode zu belasten". Die ehelichen Lebensverhältnisse seien durch die während der Ehe erbrachte Familienarbeit geprägt, was eine Ausdehnung auf bloße gemeinsame Absichten ausschließe. Anderes ergebe sich auch nicht aus der Betreuungsleistung für ein gemeinsames Kind, weil eine solche Tätigkeit durch den Kindesunterhalt abgegolten sei. Weil die Beklagte schon vor der Ehe nicht mehr gearbeitet habe,
stelle das Berufungsgericht zu Unrecht auf ihre Absicht ab, nach der Betreuung der gemeinsamen Tochter wieder eine Berufstätigkeit aufzunehmen. Auch in der Literatur werde eine Ausweitung der Differenzmethode auf Fälle abgelehnt, in denen ein Ehegatte während der Ehezeit keine Haushaltstätigkeit erbracht habe. Diese Angriffe gegen das Berufungsurteil überzeugen nicht.

III.

1. Im Ausgangsverfahren ist das Berufungsgericht trotz der kurzen Ehedauer davon ausgegangen, dass der Kläger der Beklagten dem Grunde nach nachehelichen Ehegattenunterhalt gemäß § 1570 BGB schuldet. Daran ist der Senat im Abänderungsverfahren gebunden (§ 323 Abs. 2 ZPO). Die Auffassung ist aber auch zutreffend, weil der Anspruch auf nachehelichen Ehegattenunterhalt wegen Betreuung eines Kindes nach § 1570 BGB nicht davon abhängt, dass die Ehegatten für eine gewisse Dauer in einer gemeinsamen Ehewohnung zusammengelebt haben. Denn nach § 1570 BGB steht einem geschiedenen Ehegatten Unterhalt zu, solange und soweit von ihm wegen der Pflege oder der Erziehung eines gemeinschaftlichen Kindes eine Erwerbstätigkeit nicht erwartet werden kann. Der Unterhaltsanspruch knüpft also lediglich an die Betreuung eines gemeinsamen Kindes durch den geschiedenen Ehegatten an und setzt deswegen - wie der Anspruch auf Trennungsunterhalt (vgl. insoweit Senatsurteile vom 9. Juli 1980 - IVb ZR 526/80 - FamRZ 1980, 876, 877 und vom 17. März 1982 - IVb ZR 664/80 - FamRZ 1982, 573, 574) - nicht voraus, dass die Ehegatten begonnen hatten, eine eheliche Lebensgemeinschaft zu verwirklichen und einen gemeinsamen Lebensplan ins
Werk zu setzen oder durch sonstige Anstrengungen einen gemeinsamen Lebensbereich zu schaffen. Die fehlende Umsetzung eines gemeinsamen Lebensplans ist hingegen Voraussetzung des Verwirkungstatbestandes des § 1579 Ziff. 1 BGB, wonach ein Unterhaltsanspruch versagt, herabgesetzt oder zeitlich begrenzt werden kann, wenn die Ehe von kurzer Dauer war. Allerdings steht nach § 1579 Ziff. 1 BGB der Ehedauer die Zeit gleich, in welcher der Berechtigte wegen der Pflege oder Erziehung eines gemeinschaftlichen Kindes nach § 1570 BGB Unterhalt verlangen kann. Bei der Prüfung des Verwirkungstatbestands ist zur Vermeidung verfassungswidriger Ergebnisse jedoch zunächst von der tatsächlichen Ehezeit auszugehen und erst anschließend die zur Wahrung der Belange des Kindes gesetzlich vorgesehene Abwägung vorzunehmen (BVerfG FamRZ 1989, 941, 943 f.; Senatsurteil vom 13. Dezember 1989 - IVb ZR 79/89 - FamRZ 1990, 492, 494 ff.). Ausgehend hiervon hat das Berufungsgericht zu Recht eine weitere Herabsetzung oder Begrenzung des Unterhaltsanspruchs der Beklagten abgelehnt. Soweit das Berufungsgericht trotz der nur sehr kurzen Ehedauer entscheidend auf die Belange der gemeinsamen Tochter abgestellt und eine weitere Kürzung des Unterhaltsanspruchs der Beklagten abgelehnt hat, weil sogar die Summe aus eigenem Einkommen und Unterhalt unter dem notwendigen Bedarf der Beklagten liege, bestehen dagegen keine rechtlichen Bedenken. Das Argument der Revision, die Betreuungsleistungen der Beklagten für das gemeinsame Kind seien schon durch den Kindesunterhalt abgegolten, überzeugt nicht. Denn der Barunterhalt des Klägers für das gemeinsame minderjährige Kind sichert lediglich dessen finanziellen Unterhaltsbedarf, während die Beklagte daneben für die Betreuung und Erziehung des gemeinsamen Kindes haftet, wovon auch § 1606 Abs. 3 Satz 2 BGB ausgeht. Der Unterhaltsanspruch nach § 1570 BGB
ermöglicht der Beklagten erst diese Betreuungsleistung und ist deswegen jedenfalls nicht durch den Barunterhalt für das Kind abgegolten. 2. Das Berufungsgericht hat der Beklagten ein fiktives Einkommen zugerechnet , weil sie wegen des Alters der gemeinsamen Tochter zur Aufnahme einer Halbtagstätigkeit verpflichtet sei und sich nicht hinreichend darum bemüht habe. Auch dies ist, weil für den Kläger günstig, nicht angegriffen und zudem in der Sache unbedenklich. Unter Hinweis auf seine ständige Rechtsprechung und die in Ziffer 17.1 der süddeutschen Leitlinien niedergelegten Grundsätze hat das Berufungsgericht eine Obliegenheit der Beklagten zur Aufnahme einer Halbtagsbeschäftigung angenommen, weil die gemeinsame Tochter schon zum September 2000 in die dritte Grundschulklasse versetzt worden sei und die Beklagte einen besonderen Betreuungsbedarf des Kindes nicht substantiiert vorgetragen habe. Diese Rechtsprechung des Berufungsgerichts, die nach Abwägung aller substantiiert vorgetragenen Umstände im Regelfall von einer halbschichtigen Erwerbsobliegenheit des sorgeberechtigten Elternteils ab Einschulung des Kindes in die dritte Grundschulklasse ausgeht, hat der Senat bereits gebilligt (Senatsurteil BGHZ 148, 368, 381 = FamRZ 2001, 1687, 1691). Weil die Beklagte keine intensiven Bemühungen um Aufnahme einer Halbtagstätigkeit substantiiert vorgetragen hat (zur Darlegungs- und Beweislast vgl. Wendl/Dose Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 6. Aufl. § 1 Rdn. 522, 527, § 6 Rdn. 703 ff., 707 f.) und das Berufungsgericht auf der Grundlage ihrer früheren beruflichen Tätigkeit und ihrer persönlichen Umstände eine reale Beschäftigungsmöglichkeit angenommen hat, hat es der Beklagten die daraus erzielbaren Einkünfte zu Recht fiktiv zugerechnet.
Im Hinblick auf diese besonderen Umstände ist es um so weniger zu beanstanden , dass das Berufungsgericht die Unterhaltspflicht des Klägers im Hinblick auf die Pflege und Erziehung des gemeinsamen minderjährigen Kindes nicht weiter nach § 1579 Nr. 1 BGB begrenzt oder herabgesetzt hat. 3. Das Berufungsgericht hat das der Beklagten zugerechnete fiktive Einkommen im Wege der Differenzmethode berücksichtigt, weil es schon die ehelichen Lebensverhältnisse der Parteien geprägt habe. Auch das entspricht der Rechtsprechung des Senats.
a) Der Bundesgerichtshof hat im Jahre 2001 - unter Aufgabe der früheren Rechtsprechung - entschieden, dass die ehelichen Lebensverhältnisse nach § 1578 BGB nicht nur durch die Bareinkünfte eines erwerbstätigen Ehegatten , sondern auch durch die Leistungen des anderen Ehegatten im Haushalt oder bei der Kindeserziehung mitbestimmt werden und hierdurch eine Verbesserung erfahren. Denn die ehelichen Lebensverhältnisse umfassen alles, was während der Ehe für den Lebenszuschnitt der Ehegatten nicht nur vorübergehend tatsächlich von Bedeutung ist, mithin auch den durch die häusliche Mitarbeit und die Kindesbetreuung des nicht erwerbstätigen Ehegatten erreichten sozialen Standard (Senatsurteil BGHZ 148, 105, 115 f. = FamRZ 2001, 986, 987). Entsprechend orientiert sich auch die Teilhabequote an der Gleichwertigkeit der beiderseits erbrachten Leistungen, so dass beide Ehegatten hälftig an dem durch Erwerbseinkommen einerseits, Haushaltsführung oder Kindeserziehung andererseits geprägten ehelichen Lebensstandard teilhaben. Nimmt der nicht erwerbstätige Ehegatte nach der Scheidung eine Erwerbstätigkeit auf oder erweitert er sie über den bisherigen Umfang hinaus, so kann sie als Surrogat für seine bisherige Familienarbeit angesehen werden, weil sich der Wert seiner Haushaltstätigkeit oder der Kindeserziehung dann, von Ausnahmen einer ungewöhnlichen , vom Normalverlauf erheblich abweichenden Karriereentwicklung
abgesehen, in dem daraus erzielten oder erzielbaren Einkommen widerspiegelt. Wenn also der unterhaltsberechtigte Ehegatte nach der Scheidung solche Einkünfte erzielt oder erzielen kann, die gleichsam als Surrogat des wirtschaftlichen Wertes seiner bisherigen Tätigkeit angesehen werden können, ist dieses Einkommen nach der Differenzmethode in die Unterhaltsberechnung einzubeziehen (Senatsurteil BGHZ aaO 120 f.). Diese Rechtsprechung hat das Bundesverfassungsgericht ausdrücklich gebilligt. Danach entspricht es dem gleichen Recht und der gleichen Verantwortung bei der Ausgestaltung des Eheund Familienlebens, auch die Leistungen, die jeweils im Rahmen der gemeinsamen Arbeits- und Aufgabenzuweisung erbracht werden, als gleichwertig anzusehen. Deshalb sind die von den Ehegatten für die eheliche Gemeinschaft jeweils erbrachten Leistungen unabhängig von ihrer ökonomischen Bewertung gleichgewichtig. Auch der zeitweilige Verzicht eines Ehegatten auf Erwerbstätigkeit , um die Haushaltsführung oder die Kindererziehung zu übernehmen, prägt ebenso die ehelichen Verhältnisse, wie die vorher ausgeübte und die danach wieder aufgenommene oder angestrebte Erwerbstätigkeit (BVerfGE 105, 1, 11 f. = FamRZ 2002, 527, 529). Anlass dieser Änderung der Rechtsprechung des Senats war di e Erkenntnis , dass die Anrechnungsmethode dem Verständnis von der Gleichwertigkeit der Kindesbetreuung und/oder Haushaltsführung nicht gerecht wurde und auch dem gewandelten Ehebild in der Mehrzahl der Fälle nicht mehr angemessen Rechnung trug (BGHZ aaO 114). Sie erstreckt sich deswegen auf die gesamte Familienarbeit während der Ehezeit, ohne dass danach zu differenzieren wäre, ob es sich allein oder vornehmlich um die Haushaltsführung oder um die Kindesbetreuung handelte. Denn der Gesetzgeber hat auch sonst die altersbedingt gebotene Pflege und Erziehung eines Kindes anerkannt (vgl. §§ 1570, 1606 Abs. 3 Satz 2 BGB) und deren Dauer der Ehedauer gleichgestellt (§§ 1578 Abs. 1 Satz 2 und 3, 1579 Nr. 1 BGB).
Maßgeblich für die Bemessung der ehelichen Lebensverhältnisse ist nach der Rechtsprechung des Senats deswegen nicht mehr, ob eine spätere Tätigkeit noch vor der Trennung der Parteien aufgenommen wurde oder ob eine spätere Arbeitsaufnahme einem ehelichen Lebensplan entsprach, sondern allein , dass es sich bei der Aufnahme bzw. Ausweitung der Tätigkeit nach der Scheidung um ein Surrogat der früheren Haushaltsführung handelt (vgl. auch Wendl/Gerhardt aaO § 4 Rdn. 184 a).
b) Der Berücksichtigung im Wege der Differenzmethode steht auch nicht entgegen, dass die Beklagte tatsächlich kein Einkommen bezieht und ihr ein solches lediglich fiktiv zugerechnet wird. Denn auch das Einkommen, das die Beklagte zu erzielen in der Lage ist, ist als Surrogat des wirtschaftlichen Wertes ihrer bisherigen Erziehung des gemeinsamen minderjährigen Kindes anzusehen , die die ehelichen Lebensverhältnisse der Parteien geprägt hat (vgl. Senatsurteil vom 5. Februar 2003 - XII ZR 321/00 - FamRZ 2003, 434, 435).
c) Das Berufungsgericht hat diese geänderte Rechtsprechung des Senats zu Recht auch im Abänderungsverfahren nach § 323 ZPO berücksichtigt, obwohl der Unterhaltsanspruch der Beklagten im Ausgangsverfahren noch auf der Grundlage der früheren Rechtsprechung ermittelt worden war. Die dargestellte Änderung der höchstrichterlichen Rechtsprechung be ruht auf einer abweichenden Sicht des § 1578 BGB sowie des früheren Verständnisses der "eheprägenden Verhältnisse" und führt damit zu einer neuen Rechtslage. Jedenfalls für die hier relevante Zeit nach Verkündung des Senatsurteils vom 13. Juli 2001 (BGHZ 148, 105) ist die neue Rechtslage deswegen auch einem Abänderungsverfahren zu Grunde zu legen (Senatsurteil BGHZ 153, 372, 382 ff. = FamRZ 2003, 848, 851 f.).
4. Demzufolge ergeben sich gegen die konkrete Bemessung des Unterhaltsanspruchs durch das Berufungsgericht keine Bedenken; sie wird von der Revision auch sonst nicht angegriffen.
Hahne Sprick RiBGH Prof. Dr. Wagenitz ist krankheitsbedingt verhindert, zu unterschreiben. Dr. Hahne Fuchs Dose

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Urteil, 07. Sept. 2005 - XII ZR 311/02

Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Urteil, 07. Sept. 2005 - XII ZR 311/02

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(1) Enthält ein Urteil eine Verpflichtung zu künftig fällig werdenden wiederkehrenden Leistungen, kann jeder Teil die Abänderung beantragen. Die Klage ist nur zulässig, wenn der Kläger Tatsachen vorträgt, aus denen sich eine wesentliche Veränderung d

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 1578 Maß des Unterhalts


(1) Das Maß des Unterhalts bestimmt sich nach den ehelichen Lebensverhältnissen. Der Unterhalt umfasst den gesamten Lebensbedarf. (2) Zum Lebensbedarf gehören auch die Kosten einer angemessenen Versicherung für den Fall der Krankheit und der Pfle

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 1570 Unterhalt wegen Betreuung eines Kindes


(1) Ein geschiedener Ehegatte kann von dem anderen wegen der Pflege oder Erziehung eines gemeinschaftlichen Kindes für mindestens drei Jahre nach der Geburt Unterhalt verlangen. Die Dauer des Unterhaltsanspruchs verlängert sich, solange und soweit di
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Referenzen

(1) Ein geschiedener Ehegatte kann von dem anderen wegen der Pflege oder Erziehung eines gemeinschaftlichen Kindes für mindestens drei Jahre nach der Geburt Unterhalt verlangen. Die Dauer des Unterhaltsanspruchs verlängert sich, solange und soweit dies der Billigkeit entspricht. Dabei sind die Belange des Kindes und die bestehenden Möglichkeiten der Kinderbetreuung zu berücksichtigen.

(2) Die Dauer des Unterhaltsanspruchs verlängert sich darüber hinaus, wenn dies unter Berücksichtigung der Gestaltung von Kinderbetreuung und Erwerbstätigkeit in der Ehe sowie der Dauer der Ehe der Billigkeit entspricht.

(1) Das Maß des Unterhalts bestimmt sich nach den ehelichen Lebensverhältnissen. Der Unterhalt umfasst den gesamten Lebensbedarf.

(2) Zum Lebensbedarf gehören auch die Kosten einer angemessenen Versicherung für den Fall der Krankheit und der Pflegebedürftigkeit sowie die Kosten einer Schul- oder Berufsausbildung, einer Fortbildung oder einer Umschulung nach den §§ 1574, 1575.

(3) Hat der geschiedene Ehegatte einen Unterhaltsanspruch nach den §§ 1570 bis 1573 oder § 1576, so gehören zum Lebensbedarf auch die Kosten einer angemessenen Versicherung für den Fall des Alters sowie der verminderten Erwerbsfähigkeit.

(1) Enthält ein Urteil eine Verpflichtung zu künftig fällig werdenden wiederkehrenden Leistungen, kann jeder Teil die Abänderung beantragen. Die Klage ist nur zulässig, wenn der Kläger Tatsachen vorträgt, aus denen sich eine wesentliche Veränderung der der Entscheidung zugrunde liegenden tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse ergibt.

(2) Die Klage kann nur auf Gründe gestützt werden, die nach Schluss der Tatsachenverhandlung des vorausgegangenen Verfahrens entstanden sind und deren Geltendmachung durch Einspruch nicht möglich ist oder war.

(3) Die Abänderung ist zulässig für die Zeit ab Rechtshängigkeit der Klage.

(4) Liegt eine wesentliche Veränderung der tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse vor, ist die Entscheidung unter Wahrung ihrer Grundlagen anzupassen.

(1) Ein geschiedener Ehegatte kann von dem anderen wegen der Pflege oder Erziehung eines gemeinschaftlichen Kindes für mindestens drei Jahre nach der Geburt Unterhalt verlangen. Die Dauer des Unterhaltsanspruchs verlängert sich, solange und soweit dies der Billigkeit entspricht. Dabei sind die Belange des Kindes und die bestehenden Möglichkeiten der Kinderbetreuung zu berücksichtigen.

(2) Die Dauer des Unterhaltsanspruchs verlängert sich darüber hinaus, wenn dies unter Berücksichtigung der Gestaltung von Kinderbetreuung und Erwerbstätigkeit in der Ehe sowie der Dauer der Ehe der Billigkeit entspricht.

(1) Enthält ein Urteil eine Verpflichtung zu künftig fällig werdenden wiederkehrenden Leistungen, kann jeder Teil die Abänderung beantragen. Die Klage ist nur zulässig, wenn der Kläger Tatsachen vorträgt, aus denen sich eine wesentliche Veränderung der der Entscheidung zugrunde liegenden tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse ergibt.

(2) Die Klage kann nur auf Gründe gestützt werden, die nach Schluss der Tatsachenverhandlung des vorausgegangenen Verfahrens entstanden sind und deren Geltendmachung durch Einspruch nicht möglich ist oder war.

(3) Die Abänderung ist zulässig für die Zeit ab Rechtshängigkeit der Klage.

(4) Liegt eine wesentliche Veränderung der tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse vor, ist die Entscheidung unter Wahrung ihrer Grundlagen anzupassen.

(1) Ein geschiedener Ehegatte kann von dem anderen wegen der Pflege oder Erziehung eines gemeinschaftlichen Kindes für mindestens drei Jahre nach der Geburt Unterhalt verlangen. Die Dauer des Unterhaltsanspruchs verlängert sich, solange und soweit dies der Billigkeit entspricht. Dabei sind die Belange des Kindes und die bestehenden Möglichkeiten der Kinderbetreuung zu berücksichtigen.

(2) Die Dauer des Unterhaltsanspruchs verlängert sich darüber hinaus, wenn dies unter Berücksichtigung der Gestaltung von Kinderbetreuung und Erwerbstätigkeit in der Ehe sowie der Dauer der Ehe der Billigkeit entspricht.

(1) Die Abkömmlinge sind vor den Verwandten der aufsteigenden Linie unterhaltspflichtig.

(2) Unter den Abkömmlingen und unter den Verwandten der aufsteigenden Linie haften die näheren vor den entfernteren.

(3) Mehrere gleich nahe Verwandte haften anteilig nach ihren Erwerbs- und Vermögensverhältnissen. Der Elternteil, der ein minderjähriges Kind betreut, erfüllt seine Verpflichtung, zum Unterhalt des Kindes beizutragen, in der Regel durch die Pflege und die Erziehung des Kindes.

(1) Ein geschiedener Ehegatte kann von dem anderen wegen der Pflege oder Erziehung eines gemeinschaftlichen Kindes für mindestens drei Jahre nach der Geburt Unterhalt verlangen. Die Dauer des Unterhaltsanspruchs verlängert sich, solange und soweit dies der Billigkeit entspricht. Dabei sind die Belange des Kindes und die bestehenden Möglichkeiten der Kinderbetreuung zu berücksichtigen.

(2) Die Dauer des Unterhaltsanspruchs verlängert sich darüber hinaus, wenn dies unter Berücksichtigung der Gestaltung von Kinderbetreuung und Erwerbstätigkeit in der Ehe sowie der Dauer der Ehe der Billigkeit entspricht.

Ein Unterhaltsanspruch ist zu versagen, herabzusetzen oder zeitlich zu begrenzen, soweit die Inanspruchnahme des Verpflichteten auch unter Wahrung der Belange eines dem Berechtigten zur Pflege oder Erziehung anvertrauten gemeinschaftlichen Kindes grob unbillig wäre, weil

1.
die Ehe von kurzer Dauer war; dabei ist die Zeit zu berücksichtigen, in welcher der Berechtigte wegen der Pflege oder Erziehung eines gemeinschaftlichen Kindes nach § 1570 Unterhalt verlangen kann,
2.
der Berechtigte in einer verfestigten Lebensgemeinschaft lebt,
3.
der Berechtigte sich eines Verbrechens oder eines schweren vorsätzlichen Vergehens gegen den Verpflichteten oder einen nahen Angehörigen des Verpflichteten schuldig gemacht hat,
4.
der Berechtigte seine Bedürftigkeit mutwillig herbeigeführt hat,
5.
der Berechtigte sich über schwerwiegende Vermögensinteressen des Verpflichteten mutwillig hinweggesetzt hat,
6.
der Berechtigte vor der Trennung längere Zeit hindurch seine Pflicht, zum Familienunterhalt beizutragen, gröblich verletzt hat,
7.
dem Berechtigten ein offensichtlich schwerwiegendes, eindeutig bei ihm liegendes Fehlverhalten gegen den Verpflichteten zur Last fällt oder
8.
ein anderer Grund vorliegt, der ebenso schwer wiegt wie die in den Nummern 1 bis 7 aufgeführten Gründe.

(1) Das Maß des Unterhalts bestimmt sich nach den ehelichen Lebensverhältnissen. Der Unterhalt umfasst den gesamten Lebensbedarf.

(2) Zum Lebensbedarf gehören auch die Kosten einer angemessenen Versicherung für den Fall der Krankheit und der Pflegebedürftigkeit sowie die Kosten einer Schul- oder Berufsausbildung, einer Fortbildung oder einer Umschulung nach den §§ 1574, 1575.

(3) Hat der geschiedene Ehegatte einen Unterhaltsanspruch nach den §§ 1570 bis 1573 oder § 1576, so gehören zum Lebensbedarf auch die Kosten einer angemessenen Versicherung für den Fall des Alters sowie der verminderten Erwerbsfähigkeit.

(1) Ein geschiedener Ehegatte kann von dem anderen wegen der Pflege oder Erziehung eines gemeinschaftlichen Kindes für mindestens drei Jahre nach der Geburt Unterhalt verlangen. Die Dauer des Unterhaltsanspruchs verlängert sich, solange und soweit dies der Billigkeit entspricht. Dabei sind die Belange des Kindes und die bestehenden Möglichkeiten der Kinderbetreuung zu berücksichtigen.

(2) Die Dauer des Unterhaltsanspruchs verlängert sich darüber hinaus, wenn dies unter Berücksichtigung der Gestaltung von Kinderbetreuung und Erwerbstätigkeit in der Ehe sowie der Dauer der Ehe der Billigkeit entspricht.

(1) Die Abkömmlinge sind vor den Verwandten der aufsteigenden Linie unterhaltspflichtig.

(2) Unter den Abkömmlingen und unter den Verwandten der aufsteigenden Linie haften die näheren vor den entfernteren.

(3) Mehrere gleich nahe Verwandte haften anteilig nach ihren Erwerbs- und Vermögensverhältnissen. Der Elternteil, der ein minderjähriges Kind betreut, erfüllt seine Verpflichtung, zum Unterhalt des Kindes beizutragen, in der Regel durch die Pflege und die Erziehung des Kindes.

(1) Das Maß des Unterhalts bestimmt sich nach den ehelichen Lebensverhältnissen. Der Unterhalt umfasst den gesamten Lebensbedarf.

(2) Zum Lebensbedarf gehören auch die Kosten einer angemessenen Versicherung für den Fall der Krankheit und der Pflegebedürftigkeit sowie die Kosten einer Schul- oder Berufsausbildung, einer Fortbildung oder einer Umschulung nach den §§ 1574, 1575.

(3) Hat der geschiedene Ehegatte einen Unterhaltsanspruch nach den §§ 1570 bis 1573 oder § 1576, so gehören zum Lebensbedarf auch die Kosten einer angemessenen Versicherung für den Fall des Alters sowie der verminderten Erwerbsfähigkeit.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
XII ZR 321/00 Verkündet am:
5. Februar 2003
Breskic,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in der Familiensache
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 11. Dezember 2002 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Hahne und die
Richter Sprick, Weber-Monecke, Fuchs und Dr. Ahlt

für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des 4. Zivilsenats - zugleich Familiensenat - des Oberlandesgerichts München, Zivilsenate in Augsburg , vom 24. Oktober 2000 wird auf Kosten des Beklagten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Klägerin zu 1 und der Beklagte streiten in der Revision noch um rückständigen nachehelichen Unterhalt für den Zeitraum vom 1. Juli 1997 bis 30. September 2001. Die 1955 geborene Klägerin zu 1 und der 1953 geborene Beklagte haben am 19. Mai 1982 geheiratet. Im Juni 1989 haben sie sich getrennt; seit 16. April 1993 sind sie rechtskräftig geschieden. Aus ihrer Ehe ist die Tochter Claudia, geboren am 1. Juli 1982 (Klägerin zu 3), hervorgegangen. Den am 31. März 1976 geborenen Sohn der Klägerin zu 1, Christian (Kläger zu 2), hat der Beklagte adoptiert. Die Kinder leben bei ihrer Mutter, die keine Berufsausbildung hat. Sie verrichtete in der Ehezeit vor der Trennung vom Beklagten neben ihrer Familienarbeit nur gelegentlich Aushilfsarbeiten. Seit Frühjahr 1993
arbeitet sie als Haushaltshilfe 5 ‰ Stunden wöchentlich bei einem Monatslohn von 250 DM. Der Kläger zu 2 ist seit Abschluß seiner Berufsausbildung im Juli 1995 wirtschaftlich selbständig. Die Klägerin zu 3, die an der Darmkrankheit Morbus Crohn leidet, konnte aus gesundheitlichen Gründen ihre Schulausbildung bisher nicht beenden. Der Beklagte ist Offizier der Bundeswehr; er wurde im April 1996 vom Hauptmann zum Major befördert. Das Familiengericht hat den Beklagten - teilweise durch Anerkenntnisurteil - zur Zahlung von Kindesunterhalt und von rückständigem Getrenntlebens - und nachehelichen Unterhalt verurteilt. Dabei hat es in den Entscheidungsgründen einen Unterhaltsanspruch der Klägerin zu 1 ab 1. Juli 1997, dem Zeitpunkt, in dem die Klägerin zu 3 ihr 15. Lebensjahr vollendete, verneint und die Klage, soweit ab diesem Zeitpunkt Unterhalt verlangt wurde, in vollem Umfang abgewiesen. Gegen das Urteil haben die Klägerin zu 1 und der Beklagte Berufung eingelegt. Das Oberlandesgericht hat auf die Berufung der Klägerin zu 1 den Beklagten verurteilt, an sie für die Zeit vom 1. Juli 1997 bis 30. September 2001 jeweils monatlich einen zeitlich gestaffelten, nachehelichen Unterhalt zwischen 802 DM und 864 DM zu bezahlen. Dabei hat es auf seiten der Klägerin zu 1 ein bedarfserhöhendes fiktives Einkommen aus der Haushaltsführung als eheprägend im Sinne des § 1578 BGB eingesetzt. Im übrigen hat es die Berufung der Klägerin zu 1 zurückgewiesen. Die Berufung des Beklagten hatte nur insoweit Erfolg, als der monatliche Unterhalt der Klägerin zu 3 teilweise herabgesetzt wurde. Das Oberlandesgericht hat die Revision des Beklagten beschränkt auf den Zeitraum ab dem 1. Juli 1997 wegen der von der bisherigen Senatsrecht-
sprechung abweichenden Berechnung des Unterhaltsanspruchs nach der sogenannten Additionsmethode zugelassen. Der Beklagte erstrebt mit seinem dementsprechend bezifferten Revisionsantrag die Abänderung des Berufungsurteils und die Abweisung der Klage der Klägerin zu 1, soweit er für die Zeit vom 1. Juli 1997 bis zum 30. September 2001 aufgrund der Berücksichtigung von eheprägendem Einkommen der Klägerin zu 1 zu einem höheren monatlichen Unterhaltsbetrag verurteilt worden ist, als dies ohne den Ansatz eines solchen Einkommens der Fall gewesen wäre.

Entscheidungsgründe:

Die Revision des Beklagten hat keinen Erfolg.

II.

1. Das Oberlandesgericht ist - im Gegensatz zum Familiengericht - zu dem Ergebnis gelangt, daß der Klägerin zu 1 ab 1. Juli 1997 ein Unterhaltsanspruch nach § 1572 Nr. 2 BGB wegen Krankheit zustehe, da sie, nachdem das Kind Claudia zu diesem Zeitpunkt das 15. Lebensjahr vollendet gehabt habe, wegen einer krankhaften asthenisch-depressiven Entwicklung eine vollschichtige Tätigkeit nicht habe ausüben können. Vielmehr sei der Klägerin zu 1 lediglich eine halbschichtige Tätigkeit zuzumuten, die unter begleitenden therapeutischen Maßnahmen nach einer Übergangszeit bis zum 1. Oktober 2001 möglicherweise in eine vollschichtige Beschäftigung ausgebaut werden könne.
Die Berechnung des Unterhaltsanspruchs der Klägerin zu 1 für die Zeit vom 1. Juli 1997 bis 30. September 2001 hat das Berufungsgericht in Abweichung von der vormaligen Rechtsprechung des Senats nicht nach der sogenannten Anrechnungs-, sondern nach der sogenannten Additionsmethode vorgenommen und als eheprägendes Einkommen für die Haushaltsführung durch die Klägerin zu 1 ein fiktives Einkommen der Klägerin zu 1 aus einer Halbtagstätigkeit angesetzt. Den hierfür maßgeblichen Betrag hat es für die Zeit bis 30. Juni 1998 auf monatlich 686 DM und für die Zeit danach auf monatlich 720 DM bemessen. Zur Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt: Die ehelichen Lebensverhältnisse im Sinne von § 1578 BGB seien nicht nur durch das Erwerbseinkommen des Beklagten, sondern auch durch die Haushaltsführung der Klägerin zu 1 bestimmt worden. Soweit ein Ersatzeinkommen zur Verfügung stehe, welches hier wegen Verletzung der Obliegenheit der Klägerin zu 1, ab 1. Juli 1997 halbschichtig eine Erwerbstätigkeit auszuüben , zu berücksichtigen sei, sei dieses als fiktives Einkommen für die Haushaltsführung anzusetzen. Danach ergebe sich für die Zeit vom 1. Juli 1997 bis 31. Dezember 1998 folgende Unterhaltsberechnung: Einsatzeinkommen des Beklagten (= bereinigtes Nettoeinkommen abzüglich Erwerbstätigenbonus in Höhe von 1/7) 2.290 DM zuzüglich eheprägendes Einkommen für die Haushaltsführung in Höhe eines geschätzten bereinigten Nettoeinkommens der Klägerin zu 1 in Höhe von 800 DM, nach Abzug eines Erwerbstätigenbonus von 1/7 686 DM eheprägendes Ehegatteneinkommen 2.976 DM Bedarf: 2976 DM : 2 = 1.488 DM
Hierauf habe sich die Klägerin zu 1 ihr fiktives Einkommen von 686 DM anrechnen zu lassen, so daß sich ein Unterhaltsanspruch von 802 DM ergebe. Für die Restzeit vom 1. Januar 1998 bis 30. September 2001 würden sich für bestimmte - im einzelnen ausgeführte - Zeitabschnitte geringfügige Schwankungen in der Unterhaltshöhe ergeben, weil Abzugsposten wegfielen oder sich erhöhten und weil sich die Bayerischen Unterhaltsleitlinien geändert hätten. Es ist demgemäß zu monatlichen Unterhaltsbeträgen von 814 DM (für die Zeit vom 1. Januar bis 30. Juni 1998), von 864 DM (für die Zeit vom 1. Juli 1998 bis 30. Juni 1999), von 859 DM (für die Zeit vom 1. Juli 1999 bis 30. Juni 2000) und von 836 DM (für die Zeit vom 1. Juli 2000 bis 30. September 2001) gelangt. 2. Dagegen wendet sich die Revision ohne Erfolg. Der Senat hat mit Urteil vom 13. Juni 2001 (- XII ZR 343/99 - FamRZ 2001, 986 = BGHZ 148, 105 ff.) entschieden, daß sich der nach § 1578 BGB zu bemessende Unterhaltsbedarf eines Ehegatten, der seine Arbeitsfähigkeit während der Ehe ganz oder zum Teil in den Dienst der Familie gestellt, den Haushalt geführt und gegebenenfalls Kinder erzogen hat, nicht nur nach dem in der Ehe zur Verfügung stehenden Bareinkommen des Unterhaltspflichtigen errechnet. Vielmehr soll dieser Ehegatte auch nach der Scheidung an dem durch seine Familienarbeit verbesserten ehelichen Lebensstandard teilhaben, weil seine in der Ehe durch Haushaltsführung und etwaige Kinderbetreuung erbrachten Leistungen der Erwerbstätigkeit des verdienenden Ehegatten grundsätzlich gleichwertig sind und die ehelichen Lebensverhältnisse mitgeprägt haben. Ausgehend von dieser Gleichwertigkeit hat der Senat daher ein Erwerbseinkommen des unterhaltsberechtigten Ehegatten, welches dieser nach der Ehe erzielt und welches gleichsam als Surrogat des wirtschaftlichen Wertes seiner bisherigen
Familienarbeit angesehen werden kann, bei der Unterhaltsbemessung mit be- rücksichtigt und den Unterhalt nicht mehr nach der sogenannten Anrechnungs-, sondern nach der Additions- bzw. Differenzmethode ermittelt. Diesem Ansatz entspricht die vom Oberlandesgericht gewählte Lösung, ein Ersatzeinkommen der Klägerin zu 1 in die Unterhaltsberechnung einzubeziehen. Dabei ist nicht zu beanstanden, daß das Berufungsgericht ein fiktives Einkommen der Klägerin zu 1 in Höhe von 686 DM bzw. 720 DM in die Berechnung mit eingestellt hat, weil die Klägerin zu 1 bei Beachtung der ihr obliegenden Erwerbspflicht ein solches Einkommen erzielen könnte. Denn auch dieses Einkommen, das die Klägerin zu 1 zu erzielen in der Lage ist, ist als Surrogat des wirtschaftlichen Wertes ihrer bisherigen Tätigkeit anzusehen (vgl. Senatsurteil vom 13. Juni 2001 aaO 991). Im übrigen bestehen gegen die Unterhaltsberechnung keine Bedenken.
3. Soweit die Revision vorsorglich rügt, daß das Oberlandesgericht das Vorliegen der Voraussetzungen des § 1572 Nr. 2 BGB, nämlich die Krankheit der Klägerin zu 1. zum 1. Juli 1997, nicht verfahrensfehlerfrei festgestellt habe, hat der Senat die Verfahrensrüge geprüft und nicht für durchgreifend befunden (§ 565 a ZPO a.F.).
Hahne Sprick Weber-Monecke
Fuchs Ahlt

(1) Enthält ein Urteil eine Verpflichtung zu künftig fällig werdenden wiederkehrenden Leistungen, kann jeder Teil die Abänderung beantragen. Die Klage ist nur zulässig, wenn der Kläger Tatsachen vorträgt, aus denen sich eine wesentliche Veränderung der der Entscheidung zugrunde liegenden tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse ergibt.

(2) Die Klage kann nur auf Gründe gestützt werden, die nach Schluss der Tatsachenverhandlung des vorausgegangenen Verfahrens entstanden sind und deren Geltendmachung durch Einspruch nicht möglich ist oder war.

(3) Die Abänderung ist zulässig für die Zeit ab Rechtshängigkeit der Klage.

(4) Liegt eine wesentliche Veränderung der tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse vor, ist die Entscheidung unter Wahrung ihrer Grundlagen anzupassen.

(1) Das Maß des Unterhalts bestimmt sich nach den ehelichen Lebensverhältnissen. Der Unterhalt umfasst den gesamten Lebensbedarf.

(2) Zum Lebensbedarf gehören auch die Kosten einer angemessenen Versicherung für den Fall der Krankheit und der Pflegebedürftigkeit sowie die Kosten einer Schul- oder Berufsausbildung, einer Fortbildung oder einer Umschulung nach den §§ 1574, 1575.

(3) Hat der geschiedene Ehegatte einen Unterhaltsanspruch nach den §§ 1570 bis 1573 oder § 1576, so gehören zum Lebensbedarf auch die Kosten einer angemessenen Versicherung für den Fall des Alters sowie der verminderten Erwerbsfähigkeit.