Landgericht Landshut Endurteil, 02. März 2016 - 1 HK O 2361/15

bei uns veröffentlicht am02.03.2016

Gericht

Landgericht Landshut

Tenor

1. Es wird gegenüber der Beklagten zu 1 festgestellt, dass in der gemeinsamen außerordentlichen Gesellschafterversammlung der beiden Beklagten vom 15.07.2015 unter TOP 9 folgender Gesellschafterbeschluss gefasst wurde:

„Herr U.B. wird angewiesen, Herrn C.S. die diesem bei der E. Verwaltungs GmbH durch Herrn A.G. erteilte Prokura zu entziehen und das Löschen der Prokura zum Handelsregister anzumelden.“

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Von den Kosten des Rechtsstreits haben die Klägerin 75% und die Beklagte zu 1) 25% der Gerichtskosten zu tragen.

Die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 2) trägt die Klägerin; von den außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 1) trägt die Trägerin 50%. Von den außergerichtlichen Kosten der Klägerin trägt die Beklagte zu 1) 25%.

3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Beschluss

Der Streitwert wird auf 60.000,00 € festgesetzt.

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit der Bestellung des Gesellschafters C.S. als Prokurist der Beklagten zu 1).

Die Mitglieder der Familie R. (G.R. und P.R.) und S. (M.S. und C.S.) sind die Gesellschafter des E.-Konzerns, in dem industrielle Schnelllauftore produziert werden. Die E. Verwaltungs GmbH (im folgenden E. GmbH) ist Komplementärin der E. GmbH & Co. KG (im folgenden E. KG). Frau P.R. und Herr C.S. sind an der E. KG mit jeweils 25, 2% am Kapital der Gesellschaft beteiligt, deren beiden Väter G.R. und M.S. über Beteiligungsgesellschaften zu je 24,8%. An der E. GmbH sind Frau P.R. und Herr C.S. ebenfalls zu je 25,2% am Stammkapital beteiligt, die beiden Väter unmittelbar jeweils mit 24,8%. Ursprünglich waren die beiden Väter Geschäftsführer der GmbH, später dann Frau P.R. und Herr C.S.. Frau P.R. war für den Bereich Technik, Herr C.S. für den Bereich Vertrieb als Geschäftsführer zuständig. In der gemeinsamen, außerordentlichen Gesellschafterversammlung vom 23.09.2008 wurden beide wechselseitig als Geschäftsführer aus wichtigem Grund abberufen. Die Wirksamkeit der Abberufungen wurden mit Urteilen des Landgerichts Landshut vom 08.12.2010 (Az.: 1 HK O 3034/08) bzw. vom 01.07.2009 (Az.: 1 HK O 3004/08) festgestellt. Die dagegen eingelegten Berufungen wurden durch das OLG München zurückgewiesen (Urteil 20.12.2012, Az.: 23 U 833/11 und Urteil 22.07.2010, Az.: 23 U 4147/09). Die jeweils eingelegten Nichtzulassungsbeschwerden wurden durch den BGH zurückgewiesen (Az.: II ZR 25/13 und II ZR 154/10).

Im Rahmen eines Vergleiches vor dem OLG München vom 25.06.2013 (Az.: 23 U 929/13) wurde die Satzung der E. GmbH durch deren Gesellschafter geändert. Jede der beiden Gesellschafterfamilien ist nunmehr berechtigt, einen einzelvertretungsberechtigten Geschäftsführer zu entsenden. (§ 6 Abs. 3 der Satzung). Ausgeschlossen wurde eine Entsendung der vier Gesellschafter selbst. Die Familie S. entsandt mit Wirkung zum 25.06.2013 Herrn J.L., zwischenzeitlich Herrn G.; die Familie R. mit Wirkung zum 01.01.2014 Herr R.B. als Geschäftsführer der E. GmbH.

Im Rahmen des Vergleiches wurde der Satzung weiterhin ein neuer § 6 Abs. 5 hinzugefügt:

„Die Gesellschafterfamilien sind berechtigt, ab 01.01.2015 für ihren Geschäftsbereich jeweils einen Prokuristen zu benennen, der von dem für diesen Geschäftsbereich zuständigen Geschäftsführer zu bestellen ist“.

Für den Geschäftsbereich Vertrieb war und ist Herr S. als Prokurist bestellt.

In der Geschäftsführerordnung für die Klägerin ist unter § 8 geregelt, dass die Bestellung, Anstellung und Abberufung von Geschäftsführern eines Beschlusses der Gesellschafterversammlung bedarf.

Die Gesellschafterfamilie S. benannte Herrn C.S. als weiteren Prokuristen für den Bereich Vertrieb. Der Geschäftsführer G. erteilte Herrn C.S. am 19.06.2015 Einzelprokura für die Beklagte zu 1 meldete dies zur Eintragung in das Handelsregister bei dem Amtsgericht - Registergericht - Landshut an.

Mit Schreiben vom 29.06.2015 lud der Geschäftsführer B. zu einer außerordentlichen Gesellschafterversammlung am 15.07.2015.

Unter TOP 5 wurde über die Abberufung des Geschäftsführers G., unter TOP 8 a) über die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegen den Gesellschafter C.S. und den Geschäftsführer G. und unter TOP 8 b) über die Bestellung des weiteren Geschäftsführers U.B. als besonderer Vertreter im Sinne des § 46 Ziff. 8 GmbHG entschieden.

Die Ablehnung der Abberufung des Geschäftsführers G. wird durch die Klägerin nicht angegriffen.

Die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegen den Gesellschafter C.S. und den Geschäftsführer G. wird mit der Bestellung der Prokura für Herrn C.S. sowie einem Abstimmungsverhalten des Geschäftsführers G. bei der Tochtergesellschaft der E. KG begründet.

Unter TOP 9 sollte der von der Gesellschafterfamilie R. entsandte Geschäftsführer E.B. angewiesen werden, Herrn C.S. die erteilte Prokura zu entziehen und das Erlöschen der Prokura zum Handelsgericht anzumelden.

In der Gesellschafterversammlung vom 15.07.2015 fungierte der Gesellschafter C.S. als Versammlungsleiter. Hinsichtlich der TOP´s Nr. 8a, 8b und 9 stimmten die Mitglieder der Familie R. für den Antrag; die Mitglieder der Familie S. dagegen. Herr C.S. stellte als Versammlungsleiter fest, dass die Beschlüsse nicht gefasst wurden.

Die Klägerin trägt vor, die Bestellung des Herrn C.S. werde nicht angezweifelt, auch werde die Berechtigung und Verpflichtung des Geschäftsführers G. zur Anmeldung nicht in Frage gestellt, sondern die Berechtigung zur Erteilung der Prokura im Innenverhältnis.

Die Bestellung der Prokura sei treuwidrig. Zwar sehe die Satzung keine ausdrückliche Beschränkung vor, aber auch keine Regelung, dass Gesellschafter Prokuristen werden sollen.

Herr C.S. sei als Prokurist nicht geeignet, für die Bestellung sei im übrigen ein Beschuss der Gesellschafterversammlung erforderlich, für eine Abberufung jedoch nicht, da die Bestellung treuwidrig erfolgt sei.

Weiterhin sollte durch die Neuregelung des § 6 Abs. 6 nicht von der Praxis abgewichen werden, dass jeder Geschäftsbereich nur über einen Prokuristen verfügt.

Die Klägerin ist der Ansicht, für die Bestellung der Prokura sei ein Beschluss der Gesellschafterversammlung nach der Geschäftsordnung erforderlich gewesen. Der Gesellschafter S. habe bei den Beschlussanträgen unter TOP 8 a), 8 b) und 9 nicht mitabstimmen dürfen.

Die Klägerin beantragt daher zuletzt:

gegenüber der Beklagten zu 1) :

I.

Die in der gemeinsamen außerordentlichen Gesellschafterversammlung der beiden Beklagten am 15.07.2015 vom Versammlungsleiter C.S. jeweils festgestellte Ablehnung nachfolgender Beschlussanträge wird für nichtig erklärt:

1. TOP 8a: Gegen Herrn A.G. und Herrn C.S. werden im Zusammenhang mit der erfolgten und einer etwaigen zukünftigen Prokuraerteilung an Herrn C.S. sowie im Zusammenhang mit dem fremdgesteuerten Geschäftsführungshandeln des Herrn G. („auf Order“) Schadensersatz- und Unterlassungsansprüche der E. GmbH & Co. KG und deren Komplementärin außergerichtlich und erforderlichenfalls gerichtlich geltend gemacht und durchgesetzt.

2. TOP 8b: Herr U.B. wird zum besonderen Vertreter gemäß § 46 Nr. 8 GmbHG bestellt zur Geltendmachung und Durchsetzung der vorstehend unter lit. a) bezeichneten Ansprüche gegen Herrn A.G. und Herrn C.S. (einschließlich Maßnahmen des einstweiligen Rechtsschutzes) sowie zur Vertretung in Prozessen, die Herr C. S. und/oder Herr A.G. in diesem Zusammenhang gegen die E. GmbH & Co. KG oder deren Komplementärin aktiv oder passiv führen (einschließlich Maßnahmen des einstweiligen Rechtsschutzes). Herr B. darf in diesem Zusammenhang Rechtsanwälte für die GmbH beauftragen. Er ist insbesondere befugt, in diesem Zusammenhang Prozessvollmacht für die Gesellschaft zu erteilen sowie Mandats- und Honorarvereinbarungen abzuschließen.

3. TOP 9: Herr U.B. wird angewiesen, Herrn C.S. die diesem bei der E. Verwaltungs-GmbH durch Herrn A.G. erteilte Prokura zu entziehen und das Erlöschen der Prokura zum Handelsregister anzumelden.

II.

Es wird festgestellt, dass in der gemeinsamen außerordentlichen Gesellschafterversammlung der beiden Beklagten vom 15.07.2015 Gesellschafterbeschlüsse des nachfolgenden Inhalts gefasst worden sind:

1. TOP 8a: Gegen Herrn A.G. und Herrn C.S. werden im Zusammenhang mit der erfolgten und einer etwaigen zukünftigen Prokuraerteilung an Herrn C.S. sowie im Zusammenhang mit dem fremdgesteuerten Geschäftsführungshandeln des Herrn G. („auf Order“) Schadensersatz- und Unterlassungsansprüche der E. GmbH & Co. KG und deren Komplementärin außergerichtlich und erforderlichenfalls gerichtlich geltend gemacht und durchgesetzt.

2. TOP 8b: Herr U.B. wird zum besonderen Vertreter gemäß § 46 Nr. 8 GmbHG bestellt zur Geltendmachung und Durchsetzung der vorstehend unter Mt. a) bezeichneten Ansprüche gegen Herrn A.G. und Herrn C.S. (einschließlich Maßnahmen des einstweiligen Rechtsschutzes) sowie zur Vertretung in Prozessen, die Herr C. S. und/oder Herr A.G. in diesem Zusammenhang gegen die E. GmbH & Co. KG oder deren Komplementärin aktiv oder passiv führen (einschließlich Maßnahmen des einstweiligen Rechtsschutzes). Herr B. darf in diesem Zusammenhang Rechtsanwälte für die GmbH beauftragen. Er ist insbesondere befugt, in diesem Zusammenhang Prozessvollmacht für die Gesellschaft zu erteilen sowie Mandats- und Honorarvereinbarungen abzuschließen.

3. TOP 9: Herr U.B. wird angewiesen, Herrn C.S. die diesem bei der E. Verwaltungs-GmbH durch Herrn A.G. erteilte Prokura zu entziehen und das Erlöschen der Prokura zum Handelsregister anzumelden, Und gegenüber der Beklagten zu 2):

III.

Es wird festgestellt, dass die in der gemeinsamen außerordentlichen Gesellschafterversammlung der beiden Beklagten am 15.07.2015 vom Versammlungsleiter C.S. jeweils festgestellte Ablehnung nachfolgender Beschlussanträge nichtig ist und stattdessen Beschlüsse nachfolgenden Inhalts antragsgemäß gefasst worden sind:

1. TOP 8a: Gegen Herrn A.G. und Herrn C.S. werden im Zusammenhang mit der erfolgten und einer etwaigen zukünftigen Prokuraerteilung an Herrn C.S. sowie im Zusammenhang mit dem fremdgesteuerten Geschäftsführungshandeln des Herrn G. („auf Order“) Schadensersatz- und Unterlassungsansprüche der E. GmbH & Co. KG und deren Komplementärin außergerichtlich und erforderlichenfalls gerichtlich geltend gemacht und durchgesetzt.

2. TOP 8b: Herr U.B. wird zum besonderen Vertreter gemäß § 46 Nr. 8 GmbHG bestellt zur Geltendmachung und Durchsetzung der vorstehend unter lit. a) bezeichneten Ansprüche gegen Herrn A.G. und Herrn C.S. (einschließlich Maßnahmen des einstweiligen Rechtsschutzes) sowie zur Vertretung in Prozessen, die Herr C. S. und/oder Herr A.G. in diesem Zusammenhang gegen die E. GmbH & Co. KG oder deren Komplementärin aktiv oder passiv führen (einschließlich Maßnahmen des einstweiligen Rechtsschutzes). Herr B. darf in diesem Zusammenhang Rechtsanwälte für die GmbH beauftragen. Er ist insbesondere befugt, in diesem Zusammenhang Prozessvollmacht für die Gesellschaft zu erteilen sowie Mandats- und Honorarvereinbarungen abzuschließen.

Die Beklagten beantragen die Klage abzuweisen und trägt vor, die Klage sei unzulässig, ein berechtigtes Interesse bestehe nicht.

Die Beklagten tragen vor, bei Abschluss des Vergleiches vor dem Oberlandesgericht München sollten die Gesellschafter Frau P.R. und Herrn C.S. nicht als Prokuristen ausgeschlossen werden. Die Satzung enthalte hierzu keine Regelung.

Herr C.S. habe als Prokurist bestellt werden können. Er übe eine andere Tätigkeit aus, wie als Geschäftsführer. Er sei wegen seiner organschaftlichen Tätigkeit als Geschäftsführer abberufen worden. Hieraus ergebe sich kein „ewig“-währendes Tätigkeitverbot.

Der Gesellschafter C.S. hatte immerhin im Interesse seines Konzerns gehandelt, die ihm vorgeworfenen Handlungen seien im Inneren des Konzernes erfolgt, Zahlungen konnten nur gemeinsam freigegeben werden. Dies habe die Familie R. zum Teil verhindert. Zwischenzeitlich wurde diese Regelung in der Geschäftsführerordnung geändert. Es sei ausgeschlossen, dass er als Prokurist solche Pflichtverletzungen begehen könne. Er könne keine Zahlungen freigeben, keine Mitarbeiter anweisen und nicht ohne Zustimmung des Geschäftsführers über Unternehmenressourcen verfügen.

Seine Abberufung läge zwischenzeitlich 7 Jahre zurück, Ansprüche unterliegen der Verjährung. Eine Zustimmung der Beklagten zur Bestellung als Prokurist bedürfte es nicht.

Hinsichtlich des weiteren Sachvortrages wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Gründe

Die zulässige Klage ist nur zum Teil begründet.

Auf Antrag der Klägerin war festzustellen, dass der Beschluss über den Entzug der Prokura für Herrn C.S. in der Gesellschafterversammlung vom 15.07.2015 unter TOP 9 gefasst wurde.

Im Übrigen ist die Klage unbegründet; es sind keine wirksamen Beschlüsse gefasst worden, dass gegen den Mitgesellschafter C.S. und den Geschäftsführer G. Schadensersatzansprüche geltend gemacht werden.

1. Die Mitglieder der Gesellschafterfamilie S. haben bei Benennung des Herrn C.S. für die Erteilung einer Prokura gegen ihre gesellschaftsrechtliche Treuepflicht verstoßen. Die durch den Geschäftsführer G. erfolgte Bestellung ist daher wieder aufzuheben. Dies ist zum Handelsregister anzumelden.

Die Bestellung einer Prokura ist gemäß § 46 Ziff.7 GmbHG grundsätzlich eine Entscheidung, die der Gesellschafterversammlung einer GmbH vorbehalten ist. Die Gesellschafter der E. GmbH haben jedoch in dem Vergleich vom 25.06.2013 eine Ergänzung der Satzung in § 6 Ziff. 5 dahingehend getroffen, dass jede Gesellschafterfamilie für ihren Geschäftsbereich einen Prokuristen benennen kann, der von dem für diesen Geschäftsbereich zuständigen Geschäftsführer zu bestellen ist. Eine solche Kompetenzverlagerung auf den Geschäftsführer einer GmbH ist zulässig (vgl. Baumbach/Hueck Rn. 93 zu § 46 GmbHG). Die entgegenstehende Regelung in § 8 Nr. 3 b der Geschäftsordnung für Geschäftsführer der Beklagten zu 1) steht dem nicht entgegen. Die von den Gesellschaftern getroffene Satzungsregelung geht der Geschäftsrodung vor. Die Bestellung der Prokura für einen von einer Gesellschafterfamilie benannten Prokuristen bedarf es daher keiner Zustimmung der Gesellschafterversammlung und damit der anderen Gesellschafterfamilie.

Die Benennung des Herrn C.S. als Prokurist durch die Mitglieder der Familie S. war jedoch treuwidrig.

Den Gesellschaftern einer GmbH obliegt eine Treuepflicht, die unter anderem verlangt, dass die Interessen der Mitgesellschafter bei einer Entscheidung, auch außerhalb einer Gesellschafterversammlung, berücksichtigt werden. Zu Geschäftsführern und Prokuristen dürfen keine Personen bestellt werden, die für die übrigen Gesellschafter aus objektiv nachvollziehbaren Gründen nicht akzeptierbar sind. Hinsichtlich der Person des Gesellschafters C.S. war dabei zu berücksichtigen, dass dieser als Geschäftsführer der Beklagten zu 1) aus wichtigen Gründen wegen erheblicher Pflichtverletzungen abberufen wurde. Hinsichtlich der Pflichtverletzungen wird auf die Entscheidungsgründe im Urteil des OLG München vom 22.07.2010 (Az.: 23 U 4147/09) Bezug genommen.

Dem steht nicht entgegen, dass der Gesellschafter C.S. nunmehr nicht als organschaftlicher Vertreter, sondern als Prokurist tätig werden soll. Die Gründe, die zur Abberufung des Herrn C.S. aus wichtigem Grund führten, erfolgten zwar im Rahmen seiner organschaftlichen Vertretung der Beklagten zu 1), stehen jedoch auch einer Bestellung als Prokurist entgegen. Der Prokurist einer Gesellschaft hat im Außenverhältnis eine umfassende Vollmacht zur Vornahme gerichtlicher und außergerichtlicher Geschäfte und Rechtshandlungen (§ 49 HGB). Beschränkungen im Umfang der Prokura sind Dritten gegenüber nicht wirksam (§ 50 HGB). Unabhängig davon, ob Herr C.S. nach den konkreten Regelungen im Rahmen seiner Bestellung im Innenverhältnis bestimmten Beschränkungen unterliegt, ist es im Außenverhältnis möglich, dass er die entsprechende Rechtshandlungen vornimmt. Ein wichtiger Grund für die Abberufung als Geschäftsführer war unter anderem, dass er unberechtigt Zahlungen an Dritte durch eine Tochtergesellschaft veranlasste.

Weiterhin hat sich an dem zerrütteten Verhältnis zwischen den beiden Gesellschafterfamilien in der Vergangenheit nichts geändert. Die Parteien und übrigen Gesellschafter sind dem Gericht aus einer Vielzahl von Rechtsstreitigkeiten bekannt. Es ist daher der Gesellschafterfamilie R. nicht zumutbar, dass Herr C.S. wieder am operativen Geschäft der Beklagten zu 1) und damit auch der Beklagten zu 2) in einer Position mit Vertretungmacht mitwirkt. Dies würde aus Sicht des Gerichtes allerdings auch für den umgekehrten Fall in gleicher Weise gelten.

Es mag sein, dass die vorgebrachten wichtigen Gründe zwischenzeitlich längere Zeit zurückliegen. Dies ändert jedoch nichts daran, dass die Bestellung als Prokurist weiterhin treuwidrig ist. Auch derzeit sind noch Prozesse anhängig, deren Streitgegenstand Handlungen der früheren Geschäftsführer P.R. und C.S. bei Tochtergesellschaften der Beklagten zu 2 sind. Eine entsprechende Bestellung wäre nur bei Einverständnis der jeweils anderen Gesellschafterfamilie, hier der Familie R. möglich.

Wegen des Verstoßes gegen die gesellschaftsrechtliche Treuepflicht waren die Mitglieder der Gesellschafterfamilie S. verpflichtet, einer Abberufung zuzustimmen. Grundsätzlich unterliegt das Recht der Abberufung eines von der Gesellschafterfamilie benannten Prokuristen dieser Familie. Soll jedoch ein Prokurist aus wichtigem Grund gegen den Willen der Gesellschafterfamilie die ihn benannt hat, abberufen werden, so kann dies nur auf Grund eines Beschlusses der Gesellschafterversammlung erfolgen. Aus diesen Gründen, auch wenn das Benennungsrecht nur der jeweiligen Familie zusteht, ist eine Abberufung durch die Gesellschafterversammlung bzw. auf Grund eines Beschlusses der Gesellschafterversammlung möglich und zulässig.

Die Abberufung des zweiten Prokuristen für den Geschäftsbereich Vertrieb ist auch erforderlich, da nach den Regelungen der Satzung jede Familie nur einen Prokuristen für ihren Geschäftsbereich benennen kann. Mit Herrn S. ist bereits ein Prokurist für den Geschäftsbereich Vertrieb bestellt. Das Benennungsrecht erfasst, nach seinem ausdrücklichen Wortlaut, nur einen Prokuristen. Sollten darüberhinaus weitere Prokuristen bestellt werden, bedürfte es eines Beschlusses der Gesellschafterversammlung.

Zwar wäre der Geschäftsführer des Geschäftsbereiches Vertrieb für die Abberufung grundsätzlich zuständig. Auf Grund der besonderen Konstellation, dass dieser Geschäftsführer von der Gesellschafterfamilie S. entstand wurde, ist es ausnahmsweise zulässig, dass die Abberufung durch den zweiten Geschäftsführer erfolgt.

2. Der Antrag auf Feststellung, dass die Beschlüsse unter TOP 8 a) und b) gefasst wurden ist nicht begründet, da auch bei Nichtberücksichtigung der Stimmen des Gesellschafters C.S. der Beschluss nicht wirksam zustandegekommen wäre.

Die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegen einen Gesellschafter oder Geschäftsführer bedarf § 46 Ziff. 8 1. Alt. GmbHG eines Beschlusses der Gesellschafterversammlung. Bei der Beschlussfassung ist der betroffene Gesellschafter an der Teilnahme bei der Abstimmung gehindert, ihm steht insoweit kein Stimmrecht zu. Dies gilt auch, soweit Schadensersatzansprüche gegen den Geschäftsführer G. geltend gemacht werden sollen, da diese - zumindest soweit sie sich auf die Bestellung der Prokura beziehen - identisch sind mit den Ansprüchen gegen den Gesellschafter C.S.. Bei der Feststellung des Beschlussergebnisses hätte damit die Stimme des Gesellschafters C.S. nicht berücksichtigt werden dürfen, mit der Folge, dass der entsprechende Beschluss gefasst wäre.

Für den Erlass eines Beschluss über die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegen einen Geschäftsführer oder Gesellschafter ist es grundsätzlich nicht erforderlich, dass nachgewiesen ist, dass tatsächlich ein Schadensersatzansprüche der Gesellschaft bestehen. Durch den Beschluss wird zunächst lediglich festgelegt, dass solche Ansprüche geltend gemacht werden sollen.

Die Beschlussfassung setzt jedoch voraus, dass Schadensersatzansprüche bestehen können. Dabei kann es zunächst dahingestellt bleiben, ob die Bestellung des Herrn C.S. als Prokurist und das Abstimmungsverhalten des Geschäftsführers G. bei der Tochtergesellschaft pflichtwidrig waren oder nicht. Seitens der Klägerin wurden keine Sachverhalte vorgetragen auf Grund deren Schadensersatzansprüche grundsätzlich möglich wären. Solche Gründe sind auch nicht aus dem Beschluss der Gesellschafterversammlung vom 17.06.2015 erkennbar. Es werden dort die vorgenannten Handlungen zwar als Pflichtverstoß genannt, es werden jedoch keine Sachverhalte vorgetragen, die Grundlage eines Schadensersatzanspruchs auf Grund der Tätigkeit des Herrn C.S. als Prokurist oder des Herrn G. als Geschäftsführer sein könnten. Die Tatsache der Bestellung - zu der der Geschäftsführer auf Grund der Benennung durch die Gesellschafterfamilie S. wohl auch verpflichtet war - löst noch keinen Schadensersatzanspruch gegen den Geschäftsführer oder den Prokuristen aus.

Mangels eines wirksamen Beschlusses über die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen ist auch die Beauftragung eines besonderen Vertreters obsolet. Die Mitglieder der Familie S. wären nicht verpflichtet gewesen, der Bestellung des Herrn U.B. zuzustimmen. Herr B. ist von der Gesellschafterfamilie R. als Geschäftsführer entsandt worden. Auf Grund der paritätischen Beteiligung der Gesellschafterfamilien R. und S. am E.-Konzern ist die Familie S. nicht verpflichtet als besonderen Vertreter den Geschäftsführer zu akzeptieren, der auf Grund seiner Entsendung der Familie R. nahe steht.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91, 92 ZPO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 709 ZPO. Gegenüber der Beklagten zu 1 hatte die Klage teilweisen Erfolg; gegenüber der Beklagten zu 2 ist die Klage insgesamt abgewiesen worden.

Urteilsbesprechung zu Landgericht Landshut Endurteil, 02. März 2016 - 1 HK O 2361/15

Urteilsbesprechungen zu Landgericht Landshut Endurteil, 02. März 2016 - 1 HK O 2361/15

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(1) Wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jeder Partei zur Hälfte zur Last. (2) Das Ger

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Landgericht Landshut Endurteil, 02. März 2016 - 1 HK O 2361/15 zitiert 7 §§.

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Referenzen

Der Bestimmung der Gesellschafter unterliegen:

1.
die Feststellung des Jahresabschlusses und die Verwendung des Ergebnisses;
1a.
die Entscheidung über die Offenlegung eines Einzelabschlusses nach internationalen Rechnungslegungsstandards (§ 325 Abs. 2a des Handelsgesetzbuchs) und über die Billigung des von den Geschäftsführern aufgestellten Abschlusses;
1b.
die Billigung eines von den Geschäftsführern aufgestellten Konzernabschlusses;
2.
die Einforderung der Einlagen;
3.
die Rückzahlung von Nachschüssen;
4.
die Teilung, die Zusammenlegung sowie die Einziehung von Geschäftsanteilen;
5.
die Bestellung und die Abberufung von Geschäftsführern sowie die Entlastung derselben;
6.
die Maßregeln zur Prüfung und Überwachung der Geschäftsführung;
7.
die Bestellung von Prokuristen und von Handlungsbevollmächtigten zum gesamten Geschäftsbetrieb;
8.
die Geltendmachung von Ersatzansprüchen, welche der Gesellschaft aus der Gründung oder Geschäftsführung gegen Geschäftsführer oder Gesellschafter zustehen, sowie die Vertretung der Gesellschaft in Prozessen, welche sie gegen die Geschäftsführer zu führen hat.

(1) Die Prokura ermächtigt zu allen Arten von gerichtlichen und außergerichtlichen Geschäften und Rechtshandlungen, die der Betrieb eines Handelsgewerbes mit sich bringt.

(2) Zur Veräußerung und Belastung von Grundstücken ist der Prokurist nur ermächtigt, wenn ihm diese Befugnis besonders erteilt ist.

(1) Eine Beschränkung des Umfanges der Prokura ist Dritten gegenüber unwirksam.

(2) Dies gilt insbesondere von der Beschränkung, daß die Prokura nur für gewisse Geschäfte oder gewisse Arten von Geschäften oder nur unter gewissen Umständen oder für eine gewisse Zeit oder an einzelnen Orten ausgeübt werden soll.

(3) Eine Beschränkung der Prokura auf den Betrieb einer von mehreren Niederlassungen des Geschäftsinhabers ist Dritten gegenüber nur wirksam, wenn die Niederlassungen unter verschiedenen Firmen betrieben werden. Eine Verschiedenheit der Firmen im Sinne dieser Vorschrift wird auch dadurch begründet, daß für eine Zweigniederlassung der Firma ein Zusatz beigefügt wird, der sie als Firma der Zweigniederlassung bezeichnet.

(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.

(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.

(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.

(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.

(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.

(1) Wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jeder Partei zur Hälfte zur Last.

(2) Das Gericht kann der einen Partei die gesamten Prozesskosten auferlegen, wenn

1.
die Zuvielforderung der anderen Partei verhältnismäßig geringfügig war und keine oder nur geringfügig höhere Kosten veranlasst hat oder
2.
der Betrag der Forderung der anderen Partei von der Festsetzung durch richterliches Ermessen, von der Ermittlung durch Sachverständige oder von einer gegenseitigen Berechnung abhängig war.

Andere Urteile sind gegen eine der Höhe nach zu bestimmende Sicherheit für vorläufig vollstreckbar zu erklären. Soweit wegen einer Geldforderung zu vollstrecken ist, genügt es, wenn die Höhe der Sicherheitsleistung in einem bestimmten Verhältnis zur Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages angegeben wird. Handelt es sich um ein Urteil, das ein Versäumnisurteil aufrechterhält, so ist auszusprechen, dass die Vollstreckung aus dem Versäumnisurteil nur gegen Leistung der Sicherheit fortgesetzt werden darf.