Landgericht Nürnberg-Fürth Beschluss, 14. Dez. 2018 - 4 O 1986/18

bei uns veröffentlicht am14.12.2018

Tenor

Eine Rückübernahme des Rechtsstreits vor die 4. Zivilkammer des Landgerichts Nürnberg-Fürth wird abgelehnt.

Gründe

Das Gericht hat den Rechtsstreit mit Beschluss vom 28.05.2018 an die Kammer für Handelssachen verwiesen und in dem Beschluss begründet, warum nach Auffassung des damals zuständigen Richters am Landgericht eine Handelssache gegeben ist. Die Kammer für Handelssachen hat mit Beschluss vom 31.10.2018 ein Übernahme des Rechtsstreits abgelehnt und die Sache zurückverwiesen. In der Sache wird ausgeführt, dass ihrer Auffassung nach der Verweisung jede rechtliche Grundlage fehle.

Eine Rückübernahme des Verfahrens kommt jedenfalls aufgrund der Bindungswirkung des Verweisungsbeschlusses nicht in Betracht. Nach § 102 S. 2 GVG ist die Verweisung von der Zivilkammer an die Kammer für Handelssache bindend. Die Bindungswirkung entfällt nur in engen Ausnahmefällen, etwa wenn der Verweisung jede rechtliche Grundlage fehlt (BGH NJW 2003, 3201) oder sie unter Versagung des rechtlichen Gehörs ergangen ist (BGH NJW 1978, 1163). Für letzteres sind keine Anhaltspunkte ersichtlich, insbesondere wurden beide Parteien vor der Verweisung angehört.

Das Gericht vermag auch nicht zu erkennen, dass der Verweisung jede rechtliche Grundlage fehlt, so dass sie als objektiv willkürlich erscheinen würde. Zwar ist fraglich, ob die Klage des Insolvenzverwalters gemäß § 171 Abs. 2 HGB eine Handelssache i.S.v. § 95 Abs. 1 Nr. 4 a GVG darstellt. Das OLG Frankfurt hat dies nunmehr mit Beschluss vom 27.09.2018 (11 SV 58/18; ZInsO 2018, 2376 f.) verneint. Allerdings hat das Gericht vorliegend eingehend begründet, warum es von einer Handelssache ausgeht. Dass es hierbei unter Umständen einem Rechtsirrtum unterlegen ist, lässt die Bindungswirkung nicht entfallen (BGH NJW-RR 1992, 902). Dies gilt auch, soweit der zugrunde liegende Anspruch gegebenenfalls fehlerhaft als Innenhaftungsanspruch eingeordnet wurde. Insofern ist darauf hinzuweisen, dass der Insolvenzverwalter neben dem Haftungsanspruch der Gläubiger die Leistung der Einlage für die Gesellschaft - hierbei handelt es sich zweifelsfrei um einen Innenhaftungsanspruch - fordern kann und zum Teil angenommen wird, dass von einem Vorrang der Einlageschuld auszugehen ist (so etwa Karsten Schmidt, in: Münchener Kommentar zum HGB, 3. Auflage 2012, § 172 HGB, Rn 99). Hinzu kommt, dass jedenfalls drei weitere landgerichtliche Entscheidungen (LG Nürnberg-Fürth, Beschl. vom 02.05.2018, 13 O 4121/17; LG Coburg, Beschl. vom 14.06.2017, 23 O 102/17, ZInsO 2018, 1228; LG Gießen, Beschl. vom 15.03.2018, 8 O 14718 als Vorinstanz zur Entscheidung des OLG Frankfurt vom 27.09.2018, 11 SV 58/18) die Einschätzung im hiesigen Verweisungsbeschluss teilen und von einer Handelssache ausgehen. Eine obergerichtliche Entscheidung zu der Fragestellung lag zum Zeitpunkt des Verweisungsbeschlusses nicht vor. Das OLG Frankfurt hat in seiner Entscheidung vom 27.09.2018 eine Bindungswirkung deswegen verneint, weil der Verweisungbeschluss dort auf einer Verletzung des rechtlichen Gehörs beruhte. Vor diesem Hintergrund ist nicht ersichtlich, dass die hiesige Verweisung jeder rechtlicher Grundlage entbehrt, so dass es bei ihr verbleiben muss.

Urteilsbesprechung zu Landgericht Nürnberg-Fürth Beschluss, 14. Dez. 2018 - 4 O 1986/18

Urteilsbesprechungen zu Landgericht Nürnberg-Fürth Beschluss, 14. Dez. 2018 - 4 O 1986/18

Referenzen - Gesetze

Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

Handelsgesetzbuch - HGB | § 172


(1) Im Verhältnis zu den Gläubigern der Gesellschaft wird nach der Eintragung in das Handelsregister die Einlage eines Kommanditisten durch den in der Eintragung angegebenen Betrag bestimmt. (2) Auf eine nicht eingetragene Erhöhung der aus dem Ha

Handelsgesetzbuch - HGB | § 171


(1) Der Kommanditist haftet den Gläubigern der Gesellschaft bis zur Höhe seiner Einlage unmittelbar; die Haftung ist ausgeschlossen, soweit die Einlage geleistet ist. (2) Ist über das Vermögen der Gesellschaft das Insolvenzverfahren eröffnet, so
Landgericht Nürnberg-Fürth Beschluss, 14. Dez. 2018 - 4 O 1986/18 zitiert 6 §§.

Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

Handelsgesetzbuch - HGB | § 172


(1) Im Verhältnis zu den Gläubigern der Gesellschaft wird nach der Eintragung in das Handelsregister die Einlage eines Kommanditisten durch den in der Eintragung angegebenen Betrag bestimmt. (2) Auf eine nicht eingetragene Erhöhung der aus dem Ha

Handelsgesetzbuch - HGB | § 171


(1) Der Kommanditist haftet den Gläubigern der Gesellschaft bis zur Höhe seiner Einlage unmittelbar; die Haftung ist ausgeschlossen, soweit die Einlage geleistet ist. (2) Ist über das Vermögen der Gesellschaft das Insolvenzverfahren eröffnet, so

Gerichtsverfassungsgesetz - GVG | § 102


Die Entscheidung über Verweisung eines Rechtsstreits an die Zivilkammer oder an die Kammer für Handelssachen ist nicht anfechtbar. Erfolgt die Verweisung an eine andere Kammer, so ist diese Entscheidung für die Kammer, an die der Rechtsstreit verwies

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Landgericht Nürnberg-Fürth Beschluss, 14. Dez. 2018 - 4 O 1986/18 zitiert oder wird zitiert von 1 Urteil(en).

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Landgericht Coburg Beschluss, 14. Juni 2017 - 23 O 102/17

bei uns veröffentlicht am 14.06.2017

Tenor Der Rechtsstreit wird auf Antrag des Beklagten an die Kammer für Handelssachen verwiesen. Gründe Die Entscheidung beruht auf §§ 95, 98 Abs. 1 GVG. Es liegt eine Handelssache vor, so dass der Rechtsstreit

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Die Entscheidung über Verweisung eines Rechtsstreits an die Zivilkammer oder an die Kammer für Handelssachen ist nicht anfechtbar. Erfolgt die Verweisung an eine andere Kammer, so ist diese Entscheidung für die Kammer, an die der Rechtsstreit verwiesen wird, bindend. Der Termin zur weiteren mündlichen Verhandlung wird von Amts wegen bestimmt und den Parteien bekanntgemacht.

(1) Der Kommanditist haftet den Gläubigern der Gesellschaft bis zur Höhe seiner Einlage unmittelbar; die Haftung ist ausgeschlossen, soweit die Einlage geleistet ist.

(2) Ist über das Vermögen der Gesellschaft das Insolvenzverfahren eröffnet, so wird während der Dauer des Verfahrens das den Gesellschaftsgläubigern nach Absatz 1 zustehende Recht durch den Insolvenzverwalter oder den Sachwalter ausgeübt.

(1) Im Verhältnis zu den Gläubigern der Gesellschaft wird nach der Eintragung in das Handelsregister die Einlage eines Kommanditisten durch den in der Eintragung angegebenen Betrag bestimmt.

(2) Auf eine nicht eingetragene Erhöhung der aus dem Handelsregister ersichtlichen Einlage können sich die Gläubiger nur berufen, wenn die Erhöhung in handelsüblicher Weise kundgemacht oder ihnen in anderer Weise von der Gesellschaft mitgeteilt worden ist.

(3) Eine Vereinbarung der Gesellschafter, durch die einem Kommanditisten die Einlage erlassen oder gestundet wird, ist den Gläubigern gegenüber unwirksam.

(4) Soweit die Einlage eines Kommanditisten zurückbezahlt wird, gilt sie den Gläubigern gegenüber als nicht geleistet. Das gleiche gilt, soweit ein Kommanditist Gewinnanteile entnimmt, während sein Kapitalanteil durch Verlust unter den Betrag der geleisteten Einlage herabgemindert ist, oder soweit durch die Entnahme der Kapitalanteil unter den bezeichneten Betrag herabgemindert wird. Bei der Berechnung des Kapitalanteils nach Satz 2 sind Beträge im Sinn des § 268 Abs. 8 nicht zu berücksichtigen.

(5) Was ein Kommanditist auf Grund einer in gutem Glauben errichteten Bilanz in gutem Glauben als Gewinn bezieht, ist er in keinem Falle zurückzuzahlen verpflichtet.

(6) Gegenüber den Gläubigern einer Gesellschaft, bei der kein persönlich haftender Gesellschafter eine natürliche Person ist, gilt die Einlage eines Kommanditisten als nicht geleistet, soweit sie in Anteilen an den persönlich haftenden Gesellschaftern bewirkt ist. Dies gilt nicht, wenn zu den persönlich haftenden Gesellschaftern eine offene Handelsgesellschaft oder Kommanditgesellschaft gehört, bei der ein persönlich haftender Gesellschafter eine natürliche Person ist.

Tenor

Der Rechtsstreit wird auf Antrag des Beklagten an die Kammer für Handelssachen verwiesen.

Gründe

Die Entscheidung beruht auf §§ 95, 98 Abs. 1 GVG. Es liegt eine Handelssache vor, so dass der Rechtsstreit auf Antrag des Beklagten an die Kammer für Handelssachen zu verweisen ist.

Gemäß § 95 Abs. 1 Nr. 4a) GVG liegt eine Handelssache vor, wenn ein Anspruch aus dem Rechtsverhältnis zwischen einer Handelsgesellschaft und ihren Mitgliedern geltend gemacht wird.

Ob eine Handelssache vorliegt, Ist nach dem Inhalt der Klageschrift mit den zur Begründung vorgebrachten Tatsachenbehauptungen zu entscheiden.

Der Kläger macht als Insolvenzverwalter über das Vermögen der ... Schifffahrtsgesellschaft mbH & Co. KG gegen den Beklagten als Kommanditisten der Schuldnerin die Rückzahlung von Ausschüttungen gemäß §§ 171, 172 HGB geltend. Würde die Schuldnerin selbst diese Ansprüche geltend machen, läge unproblematisch eine Handelssache vor, denn bei der GmbH & Co. KG handelt es sich rechtlich um eine KG, also um eine Handelsgesellschaft, die einen Anspruch aus dem Rechtsverhältnis zu einem ihrer Mitglieder geltend macht.

Vorliegend macht diese Ansprüche zwar der Insolvenzverwalter geltend, so dass es sich streng genommen um insolvenzrechtliche Ansprüche handelt. Die Anspruchsgrundlage ändert sich damit aber nicht. Für die Bejahung einer Handelsache reicht es aus, dass der Anspruch gesellschaftsspezifische Rechte und Pflichten unmittelbar berührt; der Gesellschaftsvertrag muss nicht einmal unmittelbare Anspruchsgrundlage sein, vgl. Lückemann in Zöller, ZPO, 31. Auflage, Rdnr. 8 zu § 95 GVG; Zimmermann in MüKo, ZPO, 4. Auflage, Rdnr. 12 zu § 95 GVG. Ebenso sieht es auch das LG Duisburg, Beschluss vom 9.3.2016, Az. 8 O 382/15 für die Beurteilung des „Anspruchs“ im Sinne von § 95 Abs. 1 Nr. 1 GVG, wenn es ausführt, dass nicht allein auf die Anspruchsgrundlage (dort: § 143 InsO) und ihre Qualifikation abzustellen ist, sondern auch und gerade auf den zugrundeliegenden Lebenssachverhalt. So haben auch das LG Osnabrück, Beschluss vom 24.7.2014, Az. 3 O 1497/14, das LG Köln, Beschluss vom 18.4.2001, Az. 21 O 39/01, und das LG Dortmund, Beschluss vom 20.3.2015, Az. 4 O 374/14, entschieden, dass die Geltendmachung insolvenzrechtlicher Rückgewähransprüche nach Anfechtung von Rechtshandlungen aus einem Handelsgeschäft durch den Insolvenzverwalter als Handelssache zu qualifizieren ist. Dies muss erst recht gelten, wenn der Insolvenzverwalter Ansprüche nach §§ 171, 172 HGB gegen Kommanditisten verfolgt.

Der Beklagte hat in der Klageerwiderung die Verweisung beantragt. Der Kläger hat sich im Rahmen der ihm eingeräumten Stellungnahmefrist zu dem Verweisungsantrag nicht geäußert.