Landgericht Nürnberg-Fürth Endurteil, 14. Dez. 2017 - 2 O 3404/16
Tenor
1. Die Beklagte hat dem Kläger rückständige Berufsunfähigkeitsrenten für den Zeitraum Februar 2016 bis inklusive Mai 2016 in Höhe von monatlich 204,00 €, mithin insgesamt 816,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5% Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 05.06.2016 zu zahlen.
2. Die Beklagte hat dem Kläger ab 01.06.2016, längstens bis zum 30.6.2047 eine Berufsunfähigkeitsrente in Höhe von monatlich 204,00 €, monatlich im Voraus zu zahlen.
3. Die Beklagte hat den Versicherungsnehmer, Herrn G W, von seiner Beitragszahlungspflicht zum Rentenversicherungsvertrag mit der Versicherungsscheinnummer 30 063 941 7 vom 01.02.2016 bis längstens zum 30.06.2047 freizustellen.
4. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger außergerichtliche Rechtsanwaltsgebühren von 958,19 € zu erstatten.
5. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
6. Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
7. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 10.701,54 € festgesetzt.
Tatbestand
„Ist die versicherte Person … außerstande, ihren Beruf auszuüben und übt sie auch keine andere Tätigkeit aus, die ihrer bisherigen Lebensstellung entspricht, so gilt dieser Zustand von Beginn an als vollständige Berufsunfähigkeit. Bei der Prüfung der Berufsunfähigkeit ist der zuletzt ausgeübte Beruf maßgebend…“
„Nach Anerkennung oder Feststellung unserer Leistungspflicht sind wir berechtigt, das Fortbestehen der Berufsunfähigkeit und ihren Grad nachzuprüfen. Dabei können wir erneut prüfen, ob die versicherte Person eine andere Tätigkeit im Sinne von § 2 Abs. 1 ausübt.“
-
1.Die Beklagte hat dem Kläger rückständige Berufsunfähigkeitsrenten für den Zeitraum Februar 2016 bis inklusive Mai 2016 in Höhe von monatlich 204,00 €, mithin insgesamt 816,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5% Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
-
2.Die Beklagte hat dem Kläger ab 01.06.2016, längstens bis zum 01.07.2047 eine Berufsunfähigkeitsrente in Höhe von monatlich 204,00 €, monatlich im Voraus zu zahlen.
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3.Die Beklagte hat den Versicherungsnehmer, Herrn Gert Wenzel, von seiner Beitragszahlungspflicht zum Rentenversicherungsvertrag mit der Versicherungsscheinnummer 30 063 941 7 vom 01.02.2016 bis längstens zum 01.07.2047 freizustellen.
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4.Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger außergerichtliche Rechtsanwaltsgebühren von 958,19 € zu erstatten.
Die Klage wird abgewiesen.
Gründe
A.
I.
II.
„Ich habe die Umschulung zum Veranstaltungskaufmann auf entsprechendes Anraten der Bundesagentur gemacht. Ich habe bei der IHK einen Abschluss als Veranstaltungskaufmann, das ist ein anerkannter Ausbildungsberuf. Ich war da bei der Fa. Schuler Catering angestellt. Ich habe wegen meiner Reha-Maßnahme eine Lehrzeitverkürzung auf 2 Jahre. Ich habe die Lehre aber gut abgeschlossen mit 85 von 100 Punkten. Deshalb habe ich dann auch die gute Anstellung bekommen. Die Umschulung ist über die BA finanziert worden, zugunsten des Arbeitgebers Schuler Catering.“
„Auch die Bestimmung des § 7 (1) B-BUZ begründet für den Versicherten keine Verpflichtung zur Umschulung oder Fortbildung. Zwar sind von ihm neu erworbene berufliche Fähigkeiten zu berücksichtigen, eine Obliegenheit, solche zu erwerben, folgt daraus aber nicht. Selbst wenn sich dem Versicherten aufgrund neu erworbener Fähigkeiten die Möglichkeit eröffnet, einer anderen beruflichen Tätigkeit nachzugehen, ist das für die Leistungseinstellung durch den Versicherer wegen Wegfalls der Berufsunfähigkeit erst dann relevant, wenn es sich um eine Tätigkeit handelt, die der bisherigen Lebensstellung des Versicherten entspricht (§ 2 (1) B-BUZ). Fehlt es an letzterem, weil der Versicherte erst nach längerer beruflicher oder betrieblicher Praxis einer seiner früheren Tätigkeit entsprechende Lebensstellung erreichen kann, er diese Praxis aber nicht aufweist, fehlt es demgemäß auch an einer Verweisungsmöglichkeit des Versicherers.“ (BGH 11.12.1996 - IV ZR 238/95, VersR 1997, 436)
„Diese [bisherige Lebensstellung] wird vor allem durch die zuletzt in gesunden Tagen ausgeübte Tätigkeit geprägt. Ihre Berücksichtigung sondert Tätigkeiten aus, deren Ausübung deutlich geringere Fähigkeiten und Erfahrung erfordert als der bisherige Beruf. Die Lebensstellung des Versicherten wird also von der Qualifikation seiner Erwerbstätigkeit bestimmt, die sich - ebenso wie die Vergütung dieser Tätigkeit - wiederum daran orientiert, welche Kenntnisse und Erfahrungen die ordnungsgemäße und sachgerechte Ausübung der Tätigkeit voraussetzt. Eine Vergleichstätigkeit ist dann gefunden, wenn die neue Erwerbstätigkeit keine deutlich geringeren Kenntnisse und Fähigkeiten erfordert und in ihrer Vergütung sowie in ihrer sozialen Wertschätzung nicht spürbar unter das Niveau des bislang ausgeübten Berufs absinkt“ (BGH 7.12.2016 – IV ZR 434/15, r+s 2017, 87 m.w.N.)
III.
IV.
V.
B.
Urteilsbesprechung zu Landgericht Nürnberg-Fürth Endurteil, 14. Dez. 2017 - 2 O 3404/16
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Landgericht Nürnberg-Fürth Endurteil, 14. Dez. 2017 - 2 O 3404/16 zitiert oder wird zitiert von 14 Urteil(en).
(1) Ist eine originäre Einzelrichterzuständigkeit nach § 348 Abs. 1 nicht begründet, überträgt die Zivilkammer die Sache durch Beschluss einem ihrer Mitglieder als Einzelrichter zur Entscheidung, wenn
- 1.
die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist, - 2.
die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und - 3.
nicht bereits im Haupttermin vor der Zivilkammer zur Hauptsache verhandelt worden ist, es sei denn, dass inzwischen ein Vorbehalts-, Teil- oder Zwischenurteil ergangen ist.
(2) Der Einzelrichter legt den Rechtsstreit der Zivilkammer zur Entscheidung über eine Übernahme vor, wenn
- 1.
sich aus einer wesentlichen Änderung der Prozesslage besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten der Sache oder die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache ergeben oder - 2.
die Parteien dies übereinstimmend beantragen.
(3) Auf eine erfolgte oder unterlassene Übertragung, Vorlage oder Übernahme kann ein Rechtsmittel nicht gestützt werden.
(1) Unpfändbar sind ferner
- 1.
Renten, die wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten sind; - 2.
Unterhaltsrenten, die auf gesetzlicher Vorschrift beruhen, sowie die wegen Entziehung einer solchen Forderung zu entrichtenden Renten; - 3.
fortlaufende Einkünfte, die ein Schuldner aus Stiftungen oder sonst auf Grund der Fürsorge und Freigebigkeit eines Dritten oder auf Grund eines Altenteils oder Auszugsvertrags bezieht; - 4.
Bezüge aus Witwen-, Waisen-, Hilfs- und Krankenkassen, die ausschließlich oder zu einem wesentlichen Teil zu Unterstützungszwecken gewährt werden, ferner Ansprüche aus Lebensversicherungen, die nur auf den Todesfall des Versicherungsnehmers abgeschlossen sind, wenn die Versicherungssumme 5 400 Euro nicht übersteigt.
(2) Diese Bezüge können nach den für Arbeitseinkommen geltenden Vorschriften gepfändet werden, wenn die Vollstreckung in das sonstige bewegliche Vermögen des Schuldners zu einer vollständigen Befriedigung des Gläubigers nicht geführt hat oder voraussichtlich nicht führen wird und wenn nach den Umständen des Falles, insbesondere nach der Art des beizutreibenden Anspruchs und der Höhe der Bezüge, die Pfändung der Billigkeit entspricht.
(3) Das Vollstreckungsgericht soll vor seiner Entscheidung die Beteiligten hören.
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Von Rechts wegen
Tatbestand:
- 1
- Die Parteien streiten um die Rückzahlung einer Lebensversicherungssumme. Der Beklagte schloss zum 1. Dezember 1987 bei der Klägerin eine Kapitallebensversicherung unter Einschluss einer Berufsunfähigkeits -Zusatzversicherung ab. Am 9. Januar 2003 vereinbarte der Beklagte mit der Streithelferin der Klägerin die Abtretung der gegenwärtigen und zukünftigen Rechte und Ansprüche aus der Lebensversicherung zur Sicherung eines Darlehens. Die Klägerin zahlte aus der Lebensversicherung 31.626,07 € an den Beklagten sowie später auch an die Streithelferin der Klägerin aus. Hierbei handelte es sich um die bei Ablauf am 1. Dezember 2003 vereinbarte Leistung im Erlebensfall zuzüglich Boni und Gewinnanteile. Die an den Beklagten erbrachte Leistung fordert sie von diesem zurück.
- 2
- Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, das Berufungsgericht hat ihr stattgegeben. Dagegen richtet sich die Revision des Beklagten.
Entscheidungsgründe:
- 3
- Das Rechtsmittel bleibt ohne Erfolg.
- 4
- Nach I. Ansicht des Berufungsgerichts ist die Abtretung vom 9. Januar 2003 wirksam, soweit nicht Ansprüche aus der gemäß §§ 850b Abs. 1 Nr. 1 ZPO, 400 BGB unpfändbaren und unabtretbaren Berufsunfähigkeitsversicherung betroffen sind. Es liege zwar eine einheitliche Abtretung der Ansprüche aus der Lebensversicherung und der unselbständigen Zusatzversicherung gegen Berufsunfähigkeit vor. Beide Versicherungen bildeten jedoch keine untrennbare Einheit. Dass die Zusatzversicherung vom Fortbestand der Hauptversicherung abhängig sei und dass der Versicherte, wenn er berufsunfähig werde, keine Beiträge für die Lebensversicherung mehr bezahlen müsse, genüge für diese Annahme nicht. Die Lebensversicherung könne ohne die Zusatzversicherung fortgesetzt werden; hieraus ergebe sich die Zerlegbarkeit der Versicherungsverträge.
- 5
- Die vorliegend in Unkenntnis der §§ 850b Abs. 1 Nr. 1 ZPO, 400 BGB erfolgte einheitliche Abtretung sei unter Berücksichtigung des hypothetischen Parteiwillens nach § 139 BGB wirksam, soweit es um die Le- bensversicherung gehe. Bei objektiver Bewertung der Rechtslage wäre der Kredit der Streithelferin der Klägerin nur durch die Ansprüche aus der Lebensversicherung auch ohne die BerufsunfähigkeitsZusatzversicherung abgesichert worden.
- 6
- Die Frage, ob die Mitabtretung des Rechts zur Vertragskündigung ebenfalls wirksam gewesen sei, könne offen bleiben. Jedenfalls habe die Klägerin aufgrund wirksamer Abtretung der Ansprüche aus der Lebensversicherung nicht ohne Rechtsgrund an die Streithelferin der Klägerin geleistet.
- 7
- Der Beklagte könne sich nicht auf den Wegfall der Bereicherung berufen, weil er den Mangel des rechtlichen Grunds beim Empfang gekannt habe.
- 8
- II. Das hält rechtlicher Nachprüfung im Ergebnis stand.
- 9
- Die Abtretung der Ansprüche und die Übertragung der Rechte aus dem Lebensversicherungsvertrag durch den Beklagten an die Streithelferin der Klägerin sind wirksam. Die Leistung der Klägerin an den Beklagten erfolgte somit ohne rechtlichen Grund, so dass ihr ein Anspruch aus § 812 Abs. 1 Satz 1 1. Alt. BGB zusteht.
- 10
- 1. Mit Vereinbarung vom 9. Januar 2003 hat der Beklagte die ihm aus der mit der Klägerin geschlossenen Lebensversicherung zustehenden Ansprüche und Rechte an die Streithelferin der Klägerin übertragen. Dort ist unter anderem bestimmt: "Nr. 1 Umfang der Abtretung Die Abtretung umfasst die gegenwärtigen und zukünftigen Rechte und Ansprüche aus dem bezeichneten Lebensversicherungsvertrag
a) für den Todesfall in voller Höhe
b) für den Erlebensfall in Höhe eines erstrangigen Teilbetrags von 60.000 €. (…) Die Abtretung für den Erlebensfall umfasst auch etwaige Rechte und Ansprüche im Fall der Verwertung vor Fälligkeit gem. Nr. 4.1. (…) Soweit Rechte und Ansprüche in voller Höhe abgetreten werden, umfasst diese Abtretung auch - soweit pfändbar - alle damit verbundenen Zusatzversicherungen, insbesondere eine etwa bestehende Unfallzusatzversicherung (…) Nr. 4 Verwertung und Kündigung 4.1 Die Sparkasse ist berechtigt, die ihr abgetretenen Forderungen und die Sicherungsrechte zu verwerten, wenn - ihre gesicherten Forderungen fällig sind und der Kreditnehmer mit seinen Zahlungen in Verzug ist (…) Die Sparkasse ist berechtigt, sich den abgetretenen (Teil-)Betrag im Rahmen des vereinbarten Sicherungszwecks entweder durch Kündigung des Vertrages und Erhebung des Rückkaufwertes oder durch Einziehung bei Fälligkeit zu beschaffen (…)"
- 11
- Aus Nr. 1 ergibt sich der Umfang der Übertragung: Sie erfasst lediglich gegenwärtige sowie zum damaligen Zeitpunkt noch nicht beste- hende, zukünftige Ansprüche und Rechte aus der Lebensversicherung, nicht jedoch solche aus der Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung. Die Streithelferin der Klägerin ist nach Nr. 4.1 zudem berechtigt, die Kündigung des Lebensversicherungsvertrags zu erklären, um hierdurch - im Rahmen des vereinbarten Sicherungszwecks - den Rückkaufswert zu realisieren.
- 12
- 2.DieserVereinbarun g über die Abtretung der Ansprüche und die Übertragung von Rechten aus der Lebensversicherung stehen keine vertraglichen Bestimmungen entgegen. Eine Vereinbarung, die eine Abtretung ausschließt, ist zwischen den Vertragsparteien der Versicherungsverträge nicht geschlossen worden, § 399 2. Alt. BGB.
- 13
- § 13 (3) der hier vereinbarten Allgemeinen Bedingungen der Klägerin für die kapitalbildende Lebensversicherung sieht sogar ausdrücklich vor, dass Ansprüche aus der Lebensversicherung als Hauptversicherung abgetreten werden können (vgl. hierzu auch Senatsurteil vom 18. Juni 2003 - IV ZR 59/02 - VersR 2003, 1021 unter II 1).
- 14
- Ein vertraglicher Abtretungsausschluss lässt sich auch § 9 (1) der Bedingungen für die Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung nicht entnehmen. Dieser lautet: "Die Zusatzversicherung bildet mit der Versicherung, zu der sie abgeschlossen worden ist (Hauptversicherung), eine Einheit; sie kann ohne die Hauptversicherung nicht abgeschlossen werden. Wenn der Versicherungsschutz aus der Hauptversicherung endet, so erlischt auch die Zusatzversicherung."
- 15
- Das schließt - entgegen der Auffassung der Revision, die meint, der Versicherungsvertrag als solcher sei wie ein Stammrecht in der gesetzlichen Rentenversicherung unpfändbar und damit unabtretbar (vgl. BGH, Beschluss vom 21. November 2002 - IX ZB 85/02 - NJW 2003, 1457 unter II 2; Urteil vom 10. Januar 2008 - IX ZR 94/06 - WM 2008, 415 Tz. 13) - eine isolierte Abtretung allein von Ansprüchen aus der Lebensversicherung als Hauptversicherung nicht aus (so auch OLG Saarbrücken VersR 1995, 1227; OLG Köln VersR 1998, 222; a.A. Thüringer OLG VersR 2000, 1005). Solange weiterhin der Beitrag für die Gesamtversicherung bezahlt wird, behält der Versicherungsnehmer trotz Abtretung der Ansprüche aus der Lebensversicherung den Versicherungsschutz aus der Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung. Die Einheit der Verträge wird nicht beeinträchtigt.
- 16
- Die 3. Abtretung der Ansprüche aus der Lebensversicherung ist nicht nach § 400 BGB ausgeschlossen, weil die Ansprüche aus der Berufsunfähigkeits -Zusatzversicherung nach § 850b Abs. 1 Nr. 1 ZPO unpfändbar sind.
- 17
- a) Die Frage der Abtretbarkeit von Ansprüchen aus einer Lebensversicherung , die mit einer unselbständigen BerufsunfähigkeitsZusatzversicherung verbunden ist, wird in der Rechtsprechung unterschiedlich beantwortet.
- 18
- Thüringer Das Oberlandesgericht (VersR 2000, 1005) hat schon die alleinige Abtretung der Rechte aus einem Lebensversicherungsvertrag , der mit einer Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung verbunden ist, als unwirksam erachtet. Beide Versicherungen bildeten eine Einheit, so dass die Abtretung der Ansprüche aus der Lebensversicherung auch die- jenigen aus der Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung erfasse. Da diese aber nach § 850b Abs. 1 Nr. 1 ZPO unpfändbar und daher nicht abtretbar seien, führe dies nach § 139 BGB zur Unwirksamkeit der Abtretung auch bzgl. der Lebensversicherung.
- 19
- Dagegen hat das Oberlandesgericht Köln (VersR 1998, 222) selbst für den Fall, dass sowohl Ansprüche aus der Lebens- wie auch aus der Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung abgetreten werden, eine Unwirksamkeit der Abtretung von Ansprüchen aus der Lebensversicherung verneint. § 139 BGB greife nicht ein, wenn nichts dafür spreche, dass beide Abtretungen miteinander stehen und fallen sollten. Wenn die Lebensversicherung als Kreditsicherheit diene, sei anzunehmen, dass die Abtretung der sich aus ihr ergebenden Ansprüche unabhängig von der Berufsunfähigkeits -Zusatzversicherung erfolgt wäre.
- 20
- diesem In Sinne hat auch das Oberlandesgericht Saarbrücken (VersR 1995, 1227) entschieden, dass eine Abtretung der Ansprüche aus beiden Verträgen nicht ohne weiteres zu einer Gesamtnichtigkeit führe. Vor dem Hintergrund des § 139 BGB müsse geprüft werden, ob die Vereinbarung zerlegbar sei und ob die Parteien gegebenenfalls die selbstständige Geltung eines Teils gewollt hätten. Die Zerlegbarkeit sei anzunehmen , da § 850b Abs. 1 Nr. 1 ZPO nur sicherstellen solle, dass dem Schuldner bestehende Rentenansprüche verblieben, um seine Existenz zu sichern, aber nicht verbiete, andere Ansprüche zu pfänden. Der mutmaßliche Parteiwille lasse sich in der Regel aus dem Sicherungszweck der Abtretung ableiten.
- 21
- b) Der Senat hält - wie auch das Berufungsgericht - die Abtretung der Ansprüche allein aus der Lebensversicherung für wirksam.
- 22
- Eine aa) Abtretung von Ansprüchen aus der Berufsunfähigkeitsversicherung verstößt zwar gegen § 850b Abs. 1 Nr. 1 ZPO (vgl. BGHZ 70, 206, 210; KG VersR 2003, 490; OLG Karlsruhe OLGR 2002, 114; Thüringer OLG aaO; OLG München VersR 1997, 1520; OLG Saarbrücken aaO; OLG Oldenburg VersR 1994, 846; Prölss in Prölss/Martin, VVG 27. Aufl. § 15 Rdn. 4; Rixecker in Beckmann/Matusche-Beckmann, Versicherungsrechts-Handbuch 2. Aufl. § 46 Rdn. 214; MünchKommZPO /Smid, 3. Aufl. § 850b Rdn. 3; Zöller/Stöber, ZPO 27. Aufl. § 850b Rdn. 2). Dies gilt unabhängig davon, ob der Versicherungsfall der Berufsunfähigkeit zum Zeitpunkt der Abtretung bereits eingetreten war oder nicht. Denn von § 850b Abs. 1 Nr. 1 ZPO werden nicht nur bereits fällige, sondern auch künftige Ansprüche erfasst (vgl. Rixecker aaO § 46 Rdn. 216; KG aaO; OLG Hamm ZInsO 2006, 878; Thüringer OLG aaO).
- 23
- bb) Dies schlägt jedoch nicht auf die Abtretung der Ansprüche aus der Lebensversicherung durch.
- 24
- Es kann insofern dahinstehen, ob es sich bei einer auf beide Versicherungsverträge bezogenen Abtretung um ein einheitliches Rechtsgeschäft i.S. von § 139 BGB handelt, d.h. ob das eine Geschäft nicht ohne das andere gewollt ist (vgl. BGH, Urteil vom 24. Oktober 2006 - XI ZR 216/05 - NJW-RR 2007, 395 Tz. 17; MünchKomm-BGB/Busche, 5. Aufl. § 139 Rdn. 18; Staudinger/Roth, BGB [2003] § 139 Rdn. 37, 39, jeweils m.w.N.).
- 25
- (1) Nimmt man ein solches nicht an (so OLG Köln aaO), steht die Nichtigkeit der Abtretung von Ansprüchen aus der BerufsunfähigkeitsZusatzversicherung der Wirksamkeit der Abtretung von Ansprüchen aus der Lebensversicherung von vornherein nicht entgegen. Denn § 139 BGB gilt nicht für selbständig nebeneinander stehende Rechtsgeschäfte (MünchKomm-BGB/Busche aaO § 139 Rdn. 16; Staudinger/Roth aaO Rdn. 36).
- 26
- (2) Geht man dagegen von einem einheitlichen Geschäft aus, ist bei Nichtigkeit eines Teils der gesamte Vertrag nur dann nichtig, wenn anzunehmen ist, dass er ohne den nichtigen Teil nicht geschlossen worden wäre. Dies ist anhand der Umstände des Einzelfalls zu prüfen (vgl. nur BGH, Urteil vom 24. April 2008 - VII ZR 42/07 - VersR 2008, 1124 Tz. 9).
- 27
- Die Abtretung der Ansprüche aus beiden Versicherungsverträgen kann jedoch in eine Abtretung der Ansprüche aus der BerufsunfähigkeitsZusatzversicherung und in eine Abtretung der Ansprüche aus der Lebensversicherung zerlegt werden. Letztere wird nicht von §§ 850b Abs. 1 Nr. 1, 400 BGB erfasst und kann somit selbständig wirksam sein. Dies folgt nicht zuletzt aus dem Umstand, dass die Lebensversicherung als Hauptversicherung in ihrem Bestand unabhängig vom Bestehen der Berufsunfähigkeits -Zusatzversicherung ist (vgl. Senatsurteil vom 20. September 1989 - IVa ZR 107/88 - VersR 1989, 1249 unter 2).
- 28
- DerWirksamkeiteiner Abtretung der Ansprüche allein aus der Lebensversicherung steht auch der hypothetische Parteiwille regelmäßig nicht entgegen. Dient die Abtretung der Sicherung von Ansprüchen des Zessionars, geht dieser Wille dahin, den Sicherungszweck soweit wie möglich zu fördern. Diesem Interesse der Vertragsparteien wird durch die Abtretung der Ansprüche allein aus der Lebensversicherung noch gedient. Denn der Zessionar erlangt hierdurch eine Sicherheit; dem Ze- denten - d.h. dem Versicherungsnehmer - wird es andererseits ermöglicht , wenigstens die noch verfügbaren Sicherungsmittel einzusetzen (vgl. OLG Köln aaO; OLG Saarbrücken aaO; Rixecker aaO § 46 Rdn. 217; a.A. Thüringer OLG aaO). Gerade so liegt der Fall hier.
- 29
- Die 4. Wirksamkeit der Vereinbarung vom 9. Januar 2003 steht auch nicht deshalb in Frage, weil die Streithelferin der Klägerin nach Nr. 4.1 der Vereinbarung berechtigt ist, "sich den abgetretenen (Teil-)Betrag im Rahmen des vereinbarten Sicherungszwecks entweder durch Kündigung des Vertrages und Erhebung des Rückkaufwertes oder durch Einziehung bei Fälligkeit zu beschaffen". Diese Übertragung des Kündigungsrechts, die mit dem Recht auf den Rückkaufswert verbunden ist, ist zulässig (vgl. auch BGHZ 45, 162, 168; Senatsurteil vom 18. Juni 2003 - IV ZR 59/02 - VersR 2003, 1021 unter II 2 a). Auch hierin liegt kein Verstoß gegen § 850b Abs. 1 Nr. 1 ZPO.
- 30
- a) Das Oberlandesgericht Hamm (ZinsO 2006, 878) nimmt insofern zwar an, dass bei einer Verknüpfung von Lebens- und Berufsunfähigkeits -Zusatzversicherung die Abtretung des Rechts zur Kündigung des Lebensversicherungsvertrags unwirksam sei. § 850b Abs. 1 Nr. 1 ZPO gewähre einen umfassenden Schutz der Existenzgrundlage des Schuldners. Dieser werde unterlaufen, wenn der Schuldner den bedingten Anspruch auf eine Rente durch die Abtretung anderer, hiermit verbundener Rechte gefährden könne. Dem kann jedoch nicht gefolgt werden.
- 31
- b) § 850b Abs. 1 Nr. 1 ZPO stellt sicher, dass Rentenansprüche, zu denen auch solche aus der privaten Berufsunfähigkeitsversicherung gehören, dem Schuldner verbleiben, um seine Existenz zu sichern. Sie sollen vor dem Zugriff eines Gläubigers geschützt werden. Eine ver- gleichbare Situation besteht bei der Abtretung des Kündigungsrechts aus einer Lebensversicherung, die mit einer Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung verbunden ist, nicht.
- 32
- Die Übertragung des Kündigungsrechts eröffnet dem Sicherungsnehmer keinen Zugriff auf die Rente aus der Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung. Die Kündigung der Lebensversicherung führt nach § 9 (1) der Bedingungen für die Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung nur zum Erlöschen des dortigen Versicherungsschutzes. Daher gibt der Versicherungsnehmer durch die Übertragung des Kündigungsrechts seine Befugnisse hinsichtlich der Berufsunfähigkeitsversicherung nur teilweise aus der Hand. Im Zeitpunkt der Abtretung bereits anerkannte oder festgestellte Ansprüche aus der Berufsunfähigkeitsversicherung werden gemäß § 9 (7) der Bedingungen der Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung durch Rückkauf oder Umwandlung der Hauptversicherung in eine beitragsfreie Versicherung nicht berührt, so dass eine bereits gesicherte Rechtsposition des Versicherungsnehmers nicht beeinträchtigt wird.
- 33
- c) Der Versicherungsnehmer begibt sich mit der Übertragung des Kündigungsrechts nur der Möglichkeit, seinen Versicherungsschutz durch Aufrechterhaltung des Hauptvertrags auf der Grundlage seiner eigenen Entschließung unverändert zu belassen. Vor diesem Nachteil schützt das Pfändungsverbot nicht. Der Einsatz der Lebensversicherung als Sicherungsmittel basiert grundsätzlich auf einer freien Entscheidung des Versicherungsnehmers als Sicherungsgeber. Hieran darf er ebenso wenig durch § 850b Abs. 1 Nr. 1 ZPO gehindert werden wie z.B. an einer Kündigung des Vertrags aus anderen Gründen.
- 34
- Schon die Entscheidungen darüber, ob der Versicherungsnehmer überhaupt eine Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung abschließt und ob er die Beiträge hierfür aufbringt, bleiben ihm selbst überlassen. Das Gesetz bestimmt insoweit weder eine Pflicht, noch gewährt es in dieser Hinsicht einen besonderen Schutz zur Aufrechterhaltung einer Versicherung für den Fall einer späteren Berufsunfähigkeit. Denn anders als dies in § 850e Nr. 1 Satz 2 Buchst. b ZPO für Beiträge zu einer privaten Krankenversicherung angeordnet ist, fehlt gerade ein gesetzliches Pfändungsverbot für die Gegenleistung, die für den Erhalt einer Berufsunfähigkeitsversicherung zu erbringen ist.
- 35
- Unwirksamkeit Die der Übertragung des Kündigungsrechts, liefe überdies dem Interesse eines Versicherungsnehmers, der eine Kapitallebensversicherung unter Einschluss einer Berufsunfähigkeitsversicherung abgeschlossen hat, zuwider. Denn ohne Übertragung des Kündigungsrechts und die damit verbundene Möglichkeit für den Sicherungsnehmer , den Rückkaufswert zu realisieren, wäre die Kapitallebensversicherung als Mittel der Kreditsicherung praktisch untauglich (vgl. Römer in Römer/Langheid, VVG 2. Aufl. § 165 Rdn. 6).
- 36
- 5. Da der Anspruch auf die Ablaufleistung, auf den die Klägerin gezahlt hat, zuvor wirksam an die Streithelferin der Klägerin abgetreten war, fehlte für die Zahlung an den Beklagten der Rechtsgrund. Die Revision wendet sich nicht gegen die Feststellung des Berufungsgerichts, dass der Beklagte beim Empfang der Leistung Anfang Dezember 2003 die Abtretung an die Streithelferin der Klägerin vom 9. Januar 2003 gekannt habe. Er kann sich mithin nicht auf den Wegfall der Bereicherung berufen.
Dr. Kessal-Wulf Harsdorf-Gebhardt
Vorinstanzen:
LG Bamberg, Entscheidung vom 31.07.2007 - 1 O 472/05 -
OLG Bamberg, Entscheidung vom 14.02.2008 - 1 U 167/07 -
Eine Forderung kann nicht abgetreten werden, soweit sie der Pfändung nicht unterworfen ist.
(1) Der Versicherungsnehmer kann den Versicherungsvertrag im eigenen Namen für einen anderen, mit oder ohne Benennung der Person des Versicherten, schließen (Versicherung für fremde Rechnung).
(2) Wird der Versicherungsvertrag für einen anderen geschlossen, ist, auch wenn dieser benannt wird, im Zweifel anzunehmen, dass der Versicherungsnehmer nicht als Vertreter, sondern im eigenen Namen für fremde Rechnung handelt.
(3) Ergibt sich aus den Umständen nicht, dass der Versicherungsvertrag für einen anderen geschlossen werden soll, gilt er als für eigene Rechnung geschlossen.
(1) Bei der Versicherung für fremde Rechnung stehen die Rechte aus dem Versicherungsvertrag dem Versicherten zu. Die Übermittlung des Versicherungsscheins kann jedoch nur der Versicherungsnehmer verlangen.
(2) Der Versicherte kann ohne Zustimmung des Versicherungsnehmers nur dann über seine Rechte verfügen und diese Rechte gerichtlich geltend machen, wenn er im Besitz des Versicherungsscheins ist.
BUNDESGERICHTSHOF
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 7. März 2017 durch den Vorsitzenden Richter Galke, die Richterinnen von Pentz und Dr. Oehler und die Richter Dr. Klein und Dr. Allgayer
für Recht erkannt:
Tatbestand
- 1
- Der Kläger nimmt nach einem Verkehrsunfall die Beklagten auf Zahlung weiteren Schadensersatzes in Anspruch. Der Kläger war zum Unfallzeitpunkt Halter des an eine Bank sicherungsübereigneten Fahrzeugs. Der Beklagte zu 1 war Halter des gegnerischen Fahrzeugs, die Beklagte zu 2 dessen Kraftfahrzeughaftpflichtversicherer. Die Beklagte zu 2 legte ihrer Regulierung eine Haftungsquote von 50/50 zugrunde.
- 2
- Die den Fahrzeugkredit finanzierende Bank und Sicherungseigentümerin des beschädigten Fahrzeugs (hiernach "Sicherungseigentümerin") ermächtigte den Kläger, ihre Schadensersatzansprüche aus dem Unfallgeschehen gegen die Beklagten im eigenen Namen geltend zu machen. Der Kläger begehrte in gewillkürter Prozessstandschaft Ersatz restlicher Reparaturkosten, der Wertminderung des Fahrzeugs und vorgerichtlicher Sachverständigenkosten sowie aus eigenem Recht Ersatz des Nutzungsausfalls und einer allgemeinen Kostenpauschale.
- 3
- Der Hergang des Unfalls ließ sich nicht aufklären, ein Verschulden der jeweiligen Fahrzeugführer ebenso wenig feststellen. Das Amtsgericht hat die Beklagten zur Zahlung auf Grundlage einer Haftungsverteilung von 50/50 verurteilt. Auf die Berufung des Klägers, der die Feststellung des Amtsgerichts, der Unfallhergang sei unaufklärbar, nicht angegriffen hat, hat das Berufungsgericht die Beklagten zur vollständigen Zahlung fahrzeugbezogener Schadenspositionen (Sachschaden, Minderwert, Sachverständigenkosten) verurteilt und im Übrigen die vom Amtsgericht angenommene Haftungsquote bestätigt. Die Beklagten begehren mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.
Entscheidungsgründe
I.
- 4
- Das Berufungsgericht hat im Wesentlichen ausgeführt, der Kläger könne aufgrund der Ermächtigung der Sicherungseigentümerin deren Schadensersatzansprüche im eigenen Namen geltend machen. Als Sicherungsgeber habe er ein wirtschaftliches Interesse an der Durchsetzung der Ansprüche. Eine Benachteiligung der Beklagten sei nicht ersichtlich.
- 5
- In der Sache müsse sich die Sicherungseigentümerin die Betriebsgefahr des klägerischen Fahrzeugs mangels Zurechnungsnorm nicht entgegenhalten lassen; weder § 17 Abs. 2 StVG noch § 9 StVG oder § 254 BGB seien anwend- bar. Daher seien die Beklagten verpflichtet, fahrzeugbezogene Schadensersatzansprüche der Sicherungseigentümerin vollständig zu tragen. Nur auf eigene Schadensersatzansprüche müsse sich der Kläger die mitwirkende Betriebsgefahr des von ihm gehaltenen Fahrzeugs anrechnen lassen.
II.
- 6
- Das angegriffene Urteil hält revisionsrechtlicher Nachprüfung stand. Entgegen der Auffassung der Revision ist der Kläger befugt, die Ansprüche der Sicherungseigentümerin, die im Revisionsverfahren allein noch von Interesse sind, in gewillkürter Prozessstandschaft geltend zu machen. Diese Ansprüche bestehen in der vom Berufungsgericht festgestellten Höhe.
- 7
- 1. Der erkennende Senat kann die Erklärung der Sicherungseigentümerin zum Inhalt und Umfang der Prozessermächtigung selbst würdigen. Bei der Prozessführungsbefugnis handelt es sich um eine Prozessvoraussetzung, die in jeder Lage des Verfahrens, auch in der Revisionsinstanz, von Amts wegen zu prüfen ist. Das Revisionsgericht ist dabei weder an die Feststellungen des Berufungsgerichts gebunden, noch beschränkt sich seine Prüfung auf die Tatsachen und Beweismittel, die dem Berufungsgericht vorgelegen haben. Das Revisionsgericht hat vielmehr gegebenenfalls auch unter Berücksichtigung neuen Vorbringens in der Revisionsinstanz selbständig festzustellen, ob die Voraussetzungen für die Prozessführungsbefugnis im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz vorgelegen haben (vgl. BGH, Urteil vom 19. März 1987 - III ZR 2/86, BGHZ 100, 217, 219 mwN).
- 8
- Zutreffend geht das Berufungsgericht davon aus, dass eine gewillkürte Prozessstandschaft zulässig ist, wenn der Prozessführende vom Rechtsinhaber zur Prozessführung im eigenen Namen ermächtigt worden ist und er ein eigenes schutzwürdiges Interesse an ihr hat (BGH, Urteile vom 12. Juli 1985 - V ZR 56/84, NJW-RR 1986, 158; vom 19. März 1987 - III ZR 2/86, BGHZ 100, 217, 218; vom 7. Dezember 2001 - V ZR 65/01, NJW 2002, 1038). Schutzwürdig ist ein Interesse des Klägers nur, wenn der Beklagte durch die gewählte Art der Prozessführung nicht unbillig benachteiligt wird (BGH, Urteile vom 2. Oktober 1987 - V ZR 182/86, NJW-RR 1988, 126, 127; vom 24. Oktober 1985 - VII ZR 337/84, BGHZ 96, 151, 155/156). Darüber hinaus muss sich der Prozessführende im Rechtsstreit grundsätzlich auf die ihm erteilte Ermächtigung berufen und zum Ausdruck bringen, wessen Recht er geltend macht (vgl. BGH, Urteil vom 21. März 1985 - VII ZR 148/83, BGHZ 94, 117, 122). Diese Voraussetzungen sind im Streitfall erfüllt.
- 9
- a) Eine von der Sicherungseigentümerin erteilte Ermächtigung zur Prozessführung im eigenen Namen liegt in ihrer Erklärung vom 15. September 2014. Der Kläger hat sich durch den Klageantrag, die Darstellung des Sachverhalts und die Erklärung, Schadensersatzansprüche der Sicherungseigentümerin aus dem streitgegenständlichen Unfallgeschehen geltend zu machen, ausdrücklich auf diese Ermächtigung gestützt.
- 10
- b) Auch von einem schutzwürdigen Interesse des Klägers an der Prozessführung im eigenen Namen geht das Berufungsgericht zutreffendaus. Ein schutzwürdiges Interesse ist gegeben, wenn die Entscheidung Einfluss auf die eigene Rechtslage des Prozessführungsbefugten hat (BGH, Urteil vom 5. Februar 2009 - III ZR 164/09, NJW 2009, 1213, 1215 mwN). Es kann auch durch ein wirtschaftliches Interesse begründet werden (BGH, Urteil vom 24. August 2016 - VIII ZR 182/15, NJW 2017, 487, 488; Senatsurteil vom 19. September 1995 - VI ZR 166/94, NJW 1995, 3186; BGH, Urteil vom 23. September 1992 - I ZR 251/90, BGHZ 119, 237, 242). Für die Klage des Sicherungsgebers wird ein solches in der Rechtsprechung bejaht (vgl. BGH, Urteil vom 30. Oktober 1985 - VIII ZR 251/84, BGHZ 96, 182, 185; vgl. zum Vorbehaltskäufer BGH, Urteil vom 5. Februar 1964 - VIII ZR 156/62, LM Nr. 24 zu § 985 BGB; vgl. für den Leasingnehmer OLG Karlsruhe, r+s 2014, 577, 578).
- 11
- Es kann für die Prozessführungsbefugnis dahinstehen, ob dem in Prozessstandschaft klagenden Fahrzeughalter, wie von der Revision geltend gemacht , daneben eigene - etwa auf das Anwartschaftsrecht gestützte -, infolge der Zurechnung der Betriebsgefahr des sicherungsübereigneten Fahrzeugs geringere Ansprüche gegen die Beklagten zustehen. Dem Kläger steht es aufgrund der zivilprozessualen Dispositionsmaxime sowie der Parteiherrschaft über das Verfahren (§ 253 Abs. 2 Nr. 2, § 308 Abs. 1 Satz 1 ZPO) frei, hinsichtlich des Fahrzeugschadens allein die Ansprüche der Sicherungseigentümerin einzuklagen.
- 12
- Durch das Einrücken des Fahrzeughalters in die Klägerposition entsteht den Beklagten kein Nachteil. Sie stehen wirtschaftlich und prozessual nicht schlechter. Denn machte die Sicherungseigentümerin ihre Ansprüche selbst geltend, könnten die Beklagten ihr in der Konstellation des Streitfalls die Betriebsgefahr ebenfalls nicht entgegenhalten (vgl. dazu die Ausführungen unter II 2).
- 13
- 2. Ohne Erfolg greift die Revision die Auffassung des Berufungsgerichts an, dass den Ansprüchen der das Fahrzeug nicht haltenden Sicherungseigentümerin die Betriebsgefahr des klägerischen Fahrzeugs nicht entgegengehalten werden kann. Eine Norm, aufgrund derer sich der nicht haltende Sicherungseigentümer die Betriebsgefahr des sicherungsübereigneten, vom Sicherungsgeber gehaltenen Fahrzeugs zurechnen lassen müsste, besteht nicht.
- 14
- a) Eine Zurechnung der Betriebsgefahr nach § 17 StVG scheidet aus. Der erkennende Senat hat in seiner Entscheidung vom 10. Juli 2007 (VI ZR 199/06, BGHZ 173, 182 Rn. 8) seine Auffassung bekräftigt, dass § 17 StVG nur anzuwenden ist, wenn auch der Geschädigte nach den Bestimmungen des Straßenverkehrsgesetzes haftet (vgl. Senatsurteil vom 30. März 1965 - VI ZR 257/63, NJW 1965, 1273, 1274). Eine Erstreckung des Normanwendungsbereichs auf den nicht haltenden Sicherungseigentümer ist abzulehnen, insbesondere nachdem der Gesetzgeber durch die Änderung des § 17 Abs. 3 Satz 3 StVG mit dem 2. Gesetz zur Änderung schadensersatzrechtlicher Vorschriften vom 19. Juli 2002 (BGBl I, S. 2674) zum Ausdruck gebracht hat, dass er sich der Möglichkeit des Auseinanderfallens von Halter- und Eigentümerstellung bewusst war (BT-Drucks 14/8780, S. 22 f.), und eine über § 17 Abs. 3 Satz 3 StVG hinausgehende Änderung nicht vorgenommen hat. Eine durchgehende Gleichstellung von Eigentümer und Halter im Rahmen des § 17 StVG ist vom Gesetzgeber nicht beabsichtigt. Auch ist der Wortlaut der Vorschrift insoweit eindeutig.
- 15
- b) Als Zurechnungsnorm scheidet auch § 9 StVG in Verbindung mit § 254 BGB aus. Ohne festgestelltes Verschulden des Führers des klägerischen Fahrzeugs sind die Anwendungsvoraussetzungen des § 9 StVG nicht gegeben, denn § 9 StVG setzt ein Verschulden voraus (Lemcke, in: van Bühren/Lemcke/ Jahnke, Anwaltshandbuch Verkehrsrecht, 2. Aufl., Teil 2, Rz. 215 f.; ders., r+s 2014, 579; Heß, in: Burmann/Heß/Hühnermann/Jahnke, Straßenverkehrsrecht, 24. Aufl., § 9 StVG Rn. 9b; König, in: König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 43. Aufl., § 9 StVG Rn. 17; Eggert, in: Ludovisy/Eggert/Burhoff, Praxis des Straßenverkehrsrechts , 6. Aufl., § 2 Rn. 303; Schröder/Hoffmann-Benz, in: Müller/ Bachmeier/Starkgraff, Fachanwaltskommentar Verkehrsrecht, 2. Aufl., § 9 StVG Rn. 1).
- 16
- Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Entscheidung des Senats vom 7. Dezember 2010 (VI ZR 288/09, BGHZ 187, 379 Rn. 12). Nur im Fall des - hier nicht festgestellten - (Mit-)Verschuldens des Führers des sicherungsübereigneten Fahrzeugs wäre die Betriebsgefahr im Rahmen der Haftungsabwägung gemäß § 9 StVG, § 254 BGB mit zu berücksichtigen (vgl. Senatsurteil vom 30. März 1965 - VI ZR 257/63, NJW 1965, 1273, 1274). Ein nur vermutetes Verschulden genügt nicht.
- 17
- c) Entgegen der Auffassung der Revision kommt eine Zurechnung gemäß § 278 BGB schon mangels Bestehens einer Sonderverbindungzwischen der Sicherungseigentümerin und den Beklagten nicht in Betracht (vgl. Senatsurteile vom 30. März 1965 - VI ZR 257/63, NJW 1965, 1273, 1274; vom 10. Juli 2007 - VI ZR 199/06, BGHZ 173, 182 Rn. 15).
- 18
- d) Ein anderes Ergebnis ergibt sich auch nicht, wenn man mit den Vorinstanzen und den Parteien von einem dinglichen Anwartschaftsrecht des Klägers bezogen auf das Eigentum an dem unfallbeteiligten Kraftfahrzeug ausgeht. Etwaige eigene Schadensersatzansprüche des Klägers wegen der Verletzung seines Anwartschaftsrechtes oder der Beschädigung des Sicherungsgutes stehen im Streitfall seiner Geltendmachung der Rechte der Sicherungseigentümerin nicht entgegen. Auf solche eigenen Rechte stützt der Kläger seine Klage nämlich nicht, sondern lediglich auf die der Sicherungseigentümerin.
- 19
- Das Sicherungseigentum ist echtes Eigentum im Sinne von § 823 Abs. 1 BGB (vgl. Senat, Urteil vom 12. Mai 1992 - VI ZR 257/91, BGHZ 118, 201, 205), also Volleigentum (vgl. BeckOGK BGB/Klinck BGB, Stand 1. Dezember 2016, § 930 Rn. 194; MünchKommBGB/Oechsler, 7. Aufl., Anh. §§ 929-936 Rn. 40). Der Sicherungseigentümer hat bei Beschädigung des Sicherungsgutes grundsätzlich Schadensersatzansprüche aus § 823 Abs. 1 BGB und aus § 7 StVG. Mit der Ermächtigung des Sicherungsgebers durch die Sicherungseigentümerin ist im Streitfall gewährleistet, dass der Substanzschaden in einer Hand geltend gemacht wird. Damit wird zugleich einer doppelten Geltendmachung der Ansprüche vorgebeugt. Der Schädiger könnte einer weiteren Klage der Sicherungseigentümerin den Einwand der Rechtskraft (BGH, Urteile vom 7. Juli 1993 - IV ZR 190/92, BGHZ 123, 132, 135 f.; vom 12. Juli 1985 - V ZR 56/84, WM 1985, 1324 unter I 3; vom 2. Oktober 1987 - V ZR 182/86, NJW-RR 1988, 126, 127) und einer Klage des anwartschaftsberechtigten Sicherungsgebers aus eigenem Recht jedenfalls den Einwand unzulässiger Rechtsausübung entgegenhalten. Galke von Pentz Oehler Klein Allgayer
AG Ludwigsburg, Entscheidung vom 25.03.2015 - 9 C 2738/14 -
LG Stuttgart, Entscheidung vom 24.02.2016 - 13 S 46/15 -
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Von Rechts wegen
Tatbestand:
- 1
- Die Klägerin, damals in der Ausbildung zur Kreissekretärin, nahm ab dem 1. September 2000 bei der Beklagten eine BerufsunfähigkeitsZusatzversicherung. Dem Versicherungsverhältnis liegen Allgemeine Versicherungsbedingungen zugrunde (im Folgenden: B-BUZ), die auszugsweise wie folgt lauten: "§ 1 Was ist Berufsunfähigkeit im Sinne dieser Bedingungen ? (1) Berufsunfähigkeit im Sinne dieser Bedingungen liegt vor, wenn die versicherte Person infolge Krankheit, Körperverletzung oder Kräfteverfalls, die ärztlich nachzuweisen sind, voraussichtlich mindestens sechs Monate ununterbrochen zu mindestens 50% außerstande ist, ihrem zuletzt vor Eintritt dieses Zustands ausgeübten Beruf nachzugehen. … § 9 Wann stellen wir unsere Berufsunfähigkeitsleistungen ein, und welche Mitteilungspflichten sind während des Bezugs dieser Leistungen zu beachten? (1) Liegt eine Berufsunfähigkeit im Sinne von § 1 dieser Bedingungen nicht mehr vor, stellen wir unsere Berufsunfähigkeitsleistungen ein. Die Einstellung teilen wir dem Anspruchsberechtigten unter Hinweis auf seine Rechte aus § 8 mit; sie wird nicht vor Ablauf eines Monats nach Absenden dieser Mitteilung wirksam, frühestens jedoch zu Beginn des darauf folgenden Monats. … § 10 Was gilt für die Nachprüfung der Berufsunfähigkeit? (1) Wir sind berechtigt, das Fortbestehen der Berufsunfähigkeit nachzuprüfen. … Dabei können wir insbesondere erneut prüfen, ob die versicherte Person … ausübt bzw. ausüben kann, wobei neu erworbene berufliche Fähigkeiten zu berücksichtigen sind. …"
- 2
- Jahre Im 2001 erlitt die Klägerin mehrere Gehirnblutungen. Mit Schreiben vom 18. Juli 2002 erkannte die Beklagte die Berufsunfähigkeit der Klägerin ab dem 1. November 2001 an. Die Klägerin setzte ihre Ausbildung - mit Unterbrechungen - fort und schloss diese im September 2004 erfolgreich ab. Als Kreissekretärsanwärterin war sie zuletzt sechs Stunden täglich tätig, was sie der Beklagten in einer Selbstauskunft vom 26. Juli 2004 mitgeteilt hatte.
- 3
- Seit dem 1. Oktober 2004 arbeitet die Klägerin als Sachbearbeiterin im Kreissozialamt mit auf 19,25 Stunden wöchentlich herabgesetzter Arbeitszeit; die reguläre Arbeitszeit beträgt 41 Stunden wöchentlich. Mit Änderungsmitteilung vom 22. Oktober 2004 kündigte die Beklagte an, ihre Leistungen zum 1. Dezember 2004 einzustellen, nachdem sich der Gesundheitszustand der Klägerin so weit gebessert habe, dass sie einer Tätigkeit als Anwärterin wieder sechs Stunden am Tag nachgehen könne.
- 4
- Das Landgericht hat nach Einholung eines Sachverständigengutachtens der Klage auf Zahlung rückständiger Berufsunfähigkeitsrente von 2.776,50 € nebst Zinsen für den Zeitraum von Dezember 2004 bis April 2005 und auf Zahlung einer laufenden Berufsunfähigkeitsrente ab Mai 2005 von mindestens 555,30 € monatlich nebst Zinsen stattgegeben. Die Berufung der Beklagten ist ohne Erfolg geblieben. Dagegen wendet sie sich mit ihrer Revision.
Entscheidungsgründe:
- 5
- Das Rechtsmittel ist unbegründet.
- 6
- Das I. Berufungsgericht hat ausgeführt: Die Beklagte habe ihre Versicherungsleistungen zu Unrecht eingestellt. Zwar habe sich die Klägerin bei Eintritt der Berufsunfähigkeit noch in der Ausbildung zur Kreissekretärin befunden. Auch wäre sie als Auszubildende wieder sechs Stunden täglich einsetzbar. Jedoch sei für die Beurteilung der Berufsunfähigkeit nicht auf die Ausbildungszeit, sondern auf die jetzige Tätigkeit der Klägerin als Kreissekretärin im Kreissozialamt abzustellen. Denn eine Ausbildung diene der Verwirklichung eines bestimmten Berufsziels, so dass nach beendeter Ausbildung Bezugspunkt für das Nachprüfungsverfahren der angestrebte Beruf sein müsse, in dem die Klägerin nunmehr in konsequenter Fortsetzung des mit der Ausbildung beschrittenen beruflichen Lebensweges tätig sei. Der Begriff der Berufsunfähigkeit in § 1 und § 9 B-BUZ sei inhaltlich deckungsgleich, so dass eine Differenzierung im Prüfungsmaßstab für den Eintritt und den Fortbestand von Berufsunfähigkeit nicht in Betracht komme. Dabei seien die an eine Ausübung des angestrebten Berufs zu stellenden Anforderungen schon für die Beurteilung des Eintritts der Berufsunfähigkeit während der Ausbildung zu berücksichtigen, weil es mit dem Sinn und Zweck der Berufsunfähigkeitsversicherung , so wie sie der Versicherungsnehmer verstehen müsse, nicht vereinbar wäre, ihn für eine Ausbildung als berufsfähig anzusehen , die zu einem Beruf führe, den er nicht ausüben könne. Danach müsse zumindest in einem Fall wie dem vorliegenden, in dem die Ausbildung ein ganz konkretes Ausbildungsziel vor Augen habe, dieses Ausbildungsziel , also der angestrebte Beruf, Maßstab für die Beurteilung der Berufsunfähigkeit sein.
- 7
- Dass die Klägerin die Tätigkeit einer Kreissekretärin zu mehr als 50% ausüben könne, lasse sich nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht feststellen. Vielmehr sei der gerichtliche Sachverständige schlüssig , nachvollziehbar und widerspruchsfrei zu dem Ergebnis gelangt, die Klägerin sei nicht mehr als 3,8 Stunden täglich einsetzbar.
- 8
- II. Das hält der rechtlichen Nachprüfung stand. Die Voraussetzungen des § 9 Abs. 1 Satz 1 B-BUZ sind nicht gegeben. Die Beklagte hat den erforderlichen Nachweis nicht erbracht, dass eine Berufsunfähigkeit der Klägerin i.S. von § 1 Abs. 1 B-BUZ nicht mehr vorliegt. Sie war daher zu einer Einstellung ihrer Leistungen nicht berechtigt.
- 9
- Mit 1. ihrem Schreiben vom 18. Juni 2002 hat die Beklagte ein Leistungsanerkenntnis nach § 7 Abs. 1 B-BUZ abgegeben und erklärt, ab dem 1. November 2001 die nach § 1 Abs. 1 B-BUZ bedingungsgemäß geschuldeten Leistungen zu erbringen. Sie ist daher gehindert, sich bei unverändertem Fortbestand der für die damalige Beurteilung maßgeblichen , ihr bekannt gewordenen Umstände von dieser Erklärung wieder zu lösen. Der Versicherer ist aufgrund der mit seinem Leistungsanerkenntnis verbundenen Selbstbindung nicht befugt, die Berufsunfähigkeit der versicherten Person ohne Änderung der tatsächlichen Verhältnisse und/oder seiner Kenntnis hiervon abweichend zu bewerten (vgl. Senatsurteil vom 17. September 1986 - IVa ZR 252/84 - VersR 1986, 1113 unter
2).
- 10
- 2. Nachträglichen Änderungen im Gesundheitszustand der Klägerin , die eine bedingungsgemäße Berufsunfähigkeit entfallen lassen, kann der Versicherer nur im Wege eines Nachprüfungsverfahrens nach § 9 Abs. 1 B-BUZ Rechnung tragen. Allein auf diese Weise kann er erreichen , dass seine bereits anerkannte Leistungspflicht wieder endet. Dabei ist es Sache des Versicherers, im Nachprüfungsverfahren zu beweisen, dass die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 B-BUZ nicht mehr gegeben sind. Maßgeblich dafür ist der Vergleich des Gesundheitszustandes, wie er dem Anerkenntnis zugrunde gelegen hat, mit dem Gesundheitszustand der versicherten Person zu einem späteren Zeitpunkt. Der Versicherer kann von seinem Leistungsanerkenntnis erst dann wieder abrücken , wenn er belegen kann, dass sich der Gesundheitszustand des Versicherten derart gebessert hat, dass dies zu bedingungsgemäß relevanten Auswirkungen auf seine beruflichen Betätigungsmöglichkeiten führt (Senat in BGHZ 121, 284, 292 f.; Senatsurteile vom 27. Mai 1987 - IVa ZR 56/86 - VersR 1987, 808 unter 3 a; vom 15. Oktober 1997 - IV ZR 216/96 - r+s 1998, 37 unter 2).
- 11
- 3. Für die Prüfung, ob eine Berufsunfähigkeit der versicherten Person nicht mehr gegeben ist, kommt es nach § 9 Abs. 1 i.V. mit § 1 Abs. 1 B-BUZ darauf an, welchen Beruf diese "in gesunden Tagen" zuletzt ausgeübt hat. Das ist hier der Beruf der Klägerin als Kreissekretärin. Dabei kommt es nicht darauf an, dass die Klägerin sich bei Abschluss des Versicherungsvertrages und später bei Eintritt des zum 1. November 2001 anerkannten Versicherungsfalles noch im Anwärterdienst befunden hat.
- 12
- a) Schließt ein Versicherer mit einer noch in der Berufsausbildung stehenden Person eine Berufsunfähigkeitsversicherung ab, muss dem Sinn und Zweck der - typischerweise an anderen Sachverhaltsgestaltungen ausgerichteten - Versicherung ausreichend Rechnung getragen werden. Das verbietet es insbesondere, die Berufsunfähigkeitsversicherung bei einem Auszubildenden als bloße Erwerbsunfähigkeitsversicherung anzusehen und zu behandeln; damit wäre das vom Versicherer - hier in § 1 Abs. 1 B-BUZ - gegebene Leistungsversprechen sinnwidrig ausgehöhlt (Senatsurteil vom 27. September 1995 - IV ZR 319/94 - VersR 1995, 1431 unter 3 b).
- 13
- b) Deshalb ist der Berufsbegriff, sofern der Versicherer einen Auszubildenden versichert, auf solche Tätigkeiten auszuweiten, die erst die Voraussetzungen für die Aufnahme einer bestimmten, auf Erwerb gerichteten Tätigkeit schaffen sollen (OLG Zweibrücken VersR 1998, 1364; OLG München VersR 2005, 966; OLG Dresden VersR 2008, 1251; Bruck/Möller/Winter, VVG 8. Aufl. Bd. V/2 Anm. G 19; Höra in Münchener Anwaltshandbuch Versicherungsrecht 2. Aufl. § 26 Rdn. 83; Voit/Knappmann in Prölss/Martin, VVG 27. Aufl. § 2 BUZ Rdn. 11; Rixecker in Beckmann /Matusche-Beckmann, Versicherungsrechts-Handbuch 2. Aufl. § 46 Rdn. 32). Auch die Tätigkeit der Klägerin als Auszubildende zur Kreis- sekretärin ist somit in den Berufsbegriff einzubeziehen. Daher hatte sie, wie von der Beklagten anerkannt, ab dem 1. November 2001 Anspruch auf die Zahlung einer monatlichen Berufsunfähigkeitsrente.
- 14
- 4. Eine Berufsunfähigkeit der Klägerin wäre gemessen an den Anforderungen , die an eine Kreissekretärsanwärterin zu stellen sind, spätestens zum 30. September 2004 entfallen. Dafür spricht neben der im Nachprüfungsverfahren erteilten Selbstauskunft vom 26. Juli 2004 zusätzlich das an die Beklagte gerichtete Schreiben der Klägerin vom 3. November 2004. Danach war die Klägerin während ihrer Ausbildung zuletzt wieder in der Lage, bis zu sechs Stunden täglich zu arbeiten.
- 15
- Jedoch kann die Klägerin mit Erfolg geltend machen, nach nunmehr abgeschlossener Ausbildung zur Kreissekretärin den Anforderungen ihres Berufes nicht gewachsen zu sein. Dem kann die Beklagte nicht entgegenhalten, die Klägerin sei mittlerweile in einem anderen Beruf als dem vor Eintritt des Versicherungsfalles ausgeübten tätig, dem sie zu keiner Zeit "in gesunden Tagen" nachgegangen sei.
- 16
- Mit a) Abschluss der Berufsunfähigkeitsversicherung wird keine bestimmte Tätigkeit festgeschrieben. Versichert ist grundsätzlich der Beruf , der von der versicherten Person vor Eintritt des Versicherungsfalles zuletzt ausgeübt worden ist (Senatsurteile vom 17. September 1986 aaO unter 3 a; vom 16. März 1994 - IV ZR 110/92 - VersR 1994, 587 unter I 2 a; vom 3. April 1996 - IV ZR 344/94 - VersR 1996, 830 unter 2 a; Benkel/Hirschberg, Berufsunfähigkeits- und Lebensversicherung BUZ § 2 Rdn. 9; Voit/Knappmann aaO § 2 BUZ Rdn. 9). Das bedeutet für die Klägerin : Ihr zuletzt ausgeübter Beruf ist der einer Kreissekretärin. Dabei ist nicht zwischen dem Anwärterdienst und der Tätigkeit als Kreissekretärin nach bestandener Prüfung zu unterscheiden. Andernfalls hätte dies zur Folge, dass die Klägerin als Auszubildende nicht (mehr) berufsunfähig wäre, in ihrem späteren Beruf, für den sie ausgebildet worden ist, aber ebenfalls nicht als berufsunfähig anzusehen wäre, weil er ihr zwar gesundheitsbedingt verschlossen ist, sie ihn aber zu keinem Zeitpunkt "in gesunden Tagen" ausgeübt hat.
- 17
- b) Nach einer in Rechtsprechung und Literatur vertretenen Ansicht (OLG Zweibrücken aaO; OLG München aaO; Rixecker aaO) sind Hoffnungen und Erwartungen auf einen künftigen Beruf, der - gesundheitsbedingt - nicht ausgeübt werden kann, allerdings nicht zu berücksichtigen , auch wenn sie sich während der Ausbildung schon konkretisiert haben sollten. Zur Begründung wird ausgeführt, die Berufsunfähigkeitsversicherung sei nicht als "Karriereversicherung" zu verstehen, die das Risiko des Versicherten abdecke, dass er aus gesundheitlichen Gründen eine künftige berufliche Besserstellung nicht erreichen könne. Versichert sei allein der Status des Versicherten; eine zukünftige berufliche Tätigkeit könne nicht einmal dann als bereits ausgeübter Beruf verstanden werden, wenn schon ein Arbeits- oder Anstellungsvertrag vorliege.
- 18
- c) Nach anderer Ansicht, der sich auch das Berufungsgericht im Ausgangspunkt angeschlossen hat, vermag es nicht zu überzeugen, wenn der Versicherte zwar seine lernende Tätigkeit noch oder wieder ausüben könne, es aber absehbar sei, dass er später in dem von ihm angestrebten Beruf nicht werde arbeiten können. Vielmehr sei auf den Einzelfall abzustellen. Je weiter die Ausbildung fortgeschritten sei, desto eher müsse der in Aussicht genommene Beruf entscheidend sein. In Zweifelsfällen müsse das Ausbildungsziel der Maßstab sein und insoweit Berufsunfähigkeit vorliegen. Denn mit Abschluss des Versicherungsvertrages mit einem Auszubildenden habe der Versicherer diesem aus der Sicht eines durchschnittlichen Versicherungsnehmers zugleich konkludent versprochen, ihn vor dem Wegfall des angestrebten Berufsziels zu schützen (so insbesondere Voit/Neuhaus, Berufsunfähigkeitsversicherung 2. Aufl. F Rdn. 36; vgl. auch OLG Koblenz r+s 1993, 356 sowie r+s 1994, 195; OLG Dresden VersR 2008, 1251).
- 19
- d) Der Senat hält die zuletzt genannte Auffassung für zutreffend, ohne dass es aus seiner Sicht jedoch auf eine einzelfallbezogene, auf den bereits erreichten Ausbildungsstand abhebende Beurteilung ankommt. Wenn die Klägerin bei Eintritt der Berufsunfähigkeit Anwärterin war und sich nunmehr darauf beruft, den an eine ausgebildete Kreissekretärin zu stellenden Anforderungen gesundheitsbedingt nicht gewachsen zu sein, kann die Beklagte sie nicht darauf verweisen, sie übe jetzt einen - verglichen mit der Tätigkeit als Auszubildende - anderen Beruf aus. Vielmehr hat sich die Klägerin von Anfang an innerhalb desselben Berufs - als Kreissekretärin - bewegt und in diesem lediglich unterschiedliche Stadien durchlaufen. Ebenso wie es einem Versicherer zugute kommt, wenn bei der versicherten Person eine Verbesserung in der Leistungsfähigkeit eintritt oder diese neue berufliche Fähigkeiten erwirbt, aufgrund derer sie nicht mehr berufsunfähig ist, muss er es hinnehmen, wenn die versicherte Person den Anforderungen desselben Berufs nicht mehr gewachsen ist, weil diese sich zwischenzeitlich geändert haben.
- 20
- Für e) einen Versicherer, der einen Auszubildenden versichert, zeichnet sich der künftige Übergang von einem Ausbildungs- in ein Arbeitsverhältnis bereits ab. Für ihn tritt schon bei Abschluss des Versicherungsvertrages deutlich zutage, dass die versicherte Person nicht in der Situation eines Auszubildenden verharren wird, denn Ziel einer jeden Ausbildung ist regelmäßig, diese erfolgreich abzuschließen und den angestrebten Beruf später dauerhaft auszuüben. Eine versicherte Person, die sich im Ausbildungsverhältnis befindet, übt - wie hier die Klägerin "in gesunden Tagen" - ihren Beruf bereits aus. Der Übergang von der Vorbereitungs - in die Ausübungsphase ist bereits bei Abschluss des Versicherungsvertrages für den Versicherer erkennbar angelegt. Dieser kann die versicherte Person somit nicht auf die Phase der Ausbildung festschreiben ; sonst würde sein Leistungsversprechen auch in dieser Hinsicht entwertet und für den Versicherten unzumutbar ausgehöhlt. Der Versicherer würde zudem einseitig aus dem Status der versicherten Person Vorteile ziehen. An einen Auszubildenden werden regelmäßig geringere Anforderungen im beruflichen Alltag gestellt; er wird sich daher seltener auf eine bedingungsgemäße Berufsunfähigkeit nach § 1 Abs. 1 B-BUZ berufen können, weil er seinem Beruf nach den für eine Ausbildung geltenden Maßstäben gesundheitsbedingt eher gewachsen ist als ein fertig ausgebildeter Arbeitnehmer. Umgekehrt wäre es ihm aber verwehrt , gegenüber dem Versicherer geltend zu machen, er sei nicht oder nicht mehr in der Lage, seinem Beruf unter den erhöhten Anforderungen nachzukommen, denen er nach dem Abschluss seiner Ausbildung zu genügen hat.
- 21
- 5. Das Berufungsgericht hat rechtsfehlerfrei festgestellt, dass die Voraussetzungen einer bedingungsgemäßen Berufsunfähigkeit nicht entfallen sind, weil die Klägerin nur 19,25 Stunden wöchentlich an ihrem Arbeitsplatz einsetzbar ist. Die von der Beklagten in diesem Zusammenhang erhobenen Verfahrensrügen hat der Senat geprüft und für nicht durchgreifend erachtet; von einer näheren Begründung wird abgesehen (§ 564 Satz 1 ZPO). Insbesondere sind dem gerichtlichen Sachverstän- digen für seine Beurteilung die richtigen Vorgaben gemacht worden, weil es allein auf die jetzige Tätigkeit der Klägerin als ausgebildete Kreissekretärin ankommt.
Dr. Kessal-Wulf Felsch
Vorinstanzen:
LG Aachen, Entscheidung vom 29.08.2008 - 9 O 219/05 -
OLG Köln, Entscheidung vom 08.05.2009 - 20 U 165/08 -
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Streitwert: 44.180,98 €
Gründe:
- 1
- Beschwerde Die ist zurückzuweisen, weil ein Zulassungsgrund nicht dargelegt ist (§§ 543 Abs. 2 Satz 1, 544 Abs. 2 Satz 3 ZPO). Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs. Insbesondere liegt kein Verstoß gegen das Willkürverbot oder Art. 103 Abs. 1 GG vor.
- 2
- 1. Die geltend gemachten Zulassungsgründe beruhen schon vom Ansatz her auf der verfehlten, außer vom Kläger und dem Landgericht sonst nicht vertretenen Rechtsansicht, der im Zuge der Nachprüfung des Fortbestehens der Berufsunfähigkeit getroffene Entschluss des Versicherers , die Leistungen nicht einzustellen, stelle eine nach den Grundsätzen des Leistungsanerkenntnisses (§ 7 der hier vereinbarten Bedingungen für die Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung - BUZVB -, inhaltsgleich mit den Musterbedingungen § 5 BUZ, VerBAV 1990, 347, 349) zu beurteilende positive Nachprüfungsentscheidung dar. Diese nehme dem Versicherer das Recht, seine Leistungseinstellung später auf die im Zeitpunkt der "positiven Nachprüfungsentscheidung" bekannten Umstände zu stützen.
- 3
- Diese Ansicht verkennt Sinn und Zweck des Nachprüfungsverfahrens nach §§ 9, 10 BUZVB, die inhaltlich § 7 BUZ entsprechen. Bei der Nachprüfung des Fortbestehens der Berufsunfähigkeit geht es anders als in § 7 BUZVB, § 5 BUZ nicht darum, ob der Versicherer eine Leistungspflicht wegen eingetretener Berufsunfähigkeit anerkennt, sondern allein darum, ob er die Leistungen wegen Wegfalls der Berufsunfähigkeit einstellen kann. Diese vom Versicherer zu treffende Entscheidung macht den Vergleich zweier Zustände und ihrer Auswirkungen notwendig (BGHZ 137, 178, 181 f.). Maßgebend ist der Vergleich des Zustandes, der dem Leistungsanerkenntnis nach § 7 BUZVB, § 5 BUZ zugrunde liegt (oder zugrunde zu legen wäre, vgl. Senatsurteil vom 11. Dezember 1996 - IV ZR 238/95 - VersR 1997, 436 unter II 1 a m.w.N.), mit dem Zustand zu einem späteren Zeitpunkt (Senatsurteil vom 28. April 1999 - IV ZR 123/98 - VersR 1999, 958 unter II 1a m.w.N.; grundlegend BGHZ 121, 284, 295, 297 f.). Geht es um die Leistungseinstellung wegen neu erworbener beruflicher Fähigkeiten, kommt es auf einen Vergleich der vor dem Anerkenntnis nach § 7 BUZVB, § 5 BUZ zuletzt ausgeübten mit der anderen Tätigkeit an, auf die der Versicherungsnehmer verwiesen werden soll (vgl. Senatsurteile vom 3. November 1999 - IV ZR 155/98 - VersR 2000, 171 unter II 2 c, III und vom 11. Dezember 1996 aaO unter II 3 c).
- 4
- Kommt es nicht zu einer Mitteilung über die Leistungseinstellung nach § 9 Abs. 1 BUZVB, § 7 Abs. 4 BUZ, bleibt es bei der nach § 7 BUZVB, § 5 BUZ anerkannten Leistungspflicht (vgl. BGHZ aaO S. 293 f.). Die Entscheidung des Versicherers, trotz nachträglich eingetretener positiver Veränderungen die Leistungen (noch) nicht einzustellen , verschafft dem Versicherungsnehmer keine über das damalige Anerkenntnis hinausgehende Rechtsposition. Der diesem Anerkenntnis zugrunde liegende Zustand bleibt deshalb die Vergleichsbasis für eine spätere Prüfung des Fortbestehens der Berufsunfähigkeit und die Entscheidung über die Einstellung der Leistungen.
- 5
- Das 2. Berufungsurteil ist im Ergebnis auch richtig. Das Berufungsgericht hat zutreffend angenommen, dass die Beklagte mit ihrem Schreiben vom 23. September 2002 nicht dauerhaft auf die konkrete Verweisung des Klägers auf den neu erlernten Beruf des Bautechnikers verzichtet hat. Die Beklagte hat sich vielmehr daran orientiert, was sich bei der Verweisung auf freiwillig neu erworbene berufliche Fähigkeiten aus dem Senatsurteil vom 3. November 1999 (aaO unter I 4) ergibt.
Dr. Kessal-Wulf Dr. Franke
Vorinstanzen:
LG Köln, Entscheidung vom 01.06.2005 - 26 O 416/04 -
OLG Köln, Entscheidung vom 15.02.2006 - 5 U 116/05 -
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung , auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
- 1
- Der Kläger verlangt von der Beklagten weitere Leistungen aus einer Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung, die er bei ihr seit 1999 in Verbindung mit einer Kapitallebensversicherung hält.
- 2
- Versicherungsverhältnis Dem liegen die von der Beklagten verwendeten Bedingungen für die Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung (B-BUZ) zugrunde, die auszugsweise wie folgt lauten: "§ 2 Was ist Berufsunfähigkeit im Sinne dieser Bedingungen ? 1. Vollständige Berufsunfähigkeit liegt vor, wenn die versicherte Person infolge Krankheit, Körperverletzung oder Kräfteverfalls, die ärztlich nachzuweisen sind, voraussichtlich mehr als sechs Monate ununterbrochen außerstande ist, ihren Beruf oder eine andere Tätigkeit auszuüben, die aufgrund ihrer Ausbildung und Erfahrung ausgeübt werden kann und ihrer bisherigen Lebensstellung entspricht. … § 7 Was gilt für die Nachprüfung der Berufsunfähigkeit? 1. Nach Anerkennung oder Feststellung unserer Leistungspflicht sind wir berechtigt, das Fortbestehen der Berufsunfähigkeit und ihren Grad oder den Umfang der Pflegebedürftigkeit nachzuprüfen; dies gilt auch für zeitlich begrenzte Anerkenntnisse nach § 5. Dabei können wir erneut prüfen , ob die versicherte Person eine andere Tätigkeit im Sinne von § 2 ausüben kann, wobei neu erworbene Kenntnisse und Fähigkeiten zu berücksichtigen sind. …"
- 3
- Der Kläger ist gelernter Schreiner mit Gesellenbrief und war zunächst in diesem Beruf tätig. Nachdem er durch die bei seiner Arbeit auftretenden Staubimmissionen an Asthma bronchiale erkrankt war, musste er seinen Beruf als Schreiner im Jahr 2001 aufgeben. Mit Schreiben vom 5. Juli 2002 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass sie die versicherten Leistungen aus der Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung ab dem 1. Oktober 2001 erbringen werde, und behielt sich eine erneute Prüfung zum 1. Juni 2004 vor.
- 4
- In von der Beklagten angeforderten Erklärungen zur Überprüfung der Berufsunfähigkeit gab der Kläger im Mai 2004 und im September 2005 an, dass er als Außendienstmitarbeiter im Garten- und Technikbe- reich arbeite. Daraufhin stellte die Beklagte die Leistungen zum 1. Mai 2006 ein.
- 5
- Im Wege der Teilklage begehrt der Kläger Nachzahlung der Renten für die Monate Mai bis September 2006 in Höhe von insgesamt 3.750 € sowie die Feststellung, dass er von der Beitragszahlungspflicht befreit sei.
- 6
- Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers ist ohne Erfolg geblieben. Mit der Revision verfolgt er sein Klagebegehren weiter.
Entscheidungsgründe:
- 7
- Die Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
- 8
- Es hat ohne genügende Feststellungen die Beklagte für berechtigt gehalten, die Leistungen aus der Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung einzustellen.
- 9
- I. Nach Auffassung des Berufungsgerichts kann der Kläger nicht einwenden, wenn er im Schreinerhandwerk weiter hätte arbeiten können, hätte er die Möglichkeit gehabt, den Meisterbrief zu machen und so einen höheren Verdienst erzielen und sich selbständig machen können. Maßgebender Zeitpunkt für die Beurteilung von Ausbildung und Erfahrung sowie Kenntnissen und Fähigkeiten sei immer der Versicherungs- fall. Zu dieser Zeit sei der Kläger Schreiner gewesen und habe keinen Meisterbrief gehabt. Auf die höheren Verdienstmöglichkeiten eines Meisters könne demnach nicht abgestellt werden. Ein Vergleichsberuf, der dem Versicherten im Gegensatz zu dem zuletzt ausgeübten Beruf keine Aufstiegschancen biete, könne zwar schon deswegen trotz vergleichbarer Einkommen ungeeignet sein. Dass der Kläger als angestellter Schreinergeselle bessere Aufstiegschancen als in seinem neuen Beruf als Außendienstmitarbeiter im Garten- und Technikbereich gehabt hätte, sei nicht näher begründet. Soweit sich der Kläger darauf berufe, das Ansehen eines Schreiners sei höher als das eines Außendienstmitarbeiters im Garten- und Technikbereich, weil er jetzt nichts anderes mache als "Klinken putzen", stehe dies einer Verweisung nicht entgegen. Es bestünden keine Bedenken, die soziale Gleichwertigkeit der Berufsbilder Schreiner und Außendienstmitarbeiter im Garten- und Technikbereich zu bejahen. Die von dem Kläger bei seiner neuen Tätigkeit erworbenen Kenntnisse und Fähigkeiten könnten im Nachprüfungsverfahren berücksichtigt werden. Die von dem Kläger abgegebene Tätigkeitsbeschreibung stehe einer Vergleichbarkeit mit seiner früheren Tätigkeit als gelernter Schreinergeselle nur insoweit entgegen, als der Kläger für seinen neuen Beruf keine konkrete Berufsausbildung besitze. Neue Berufsbilder, die noch nicht in einem Anlernberuf festgelegt seien, könnten allerdings nicht allein deshalb als sozial minderwertig angesehen werden.
- 10
- II. Das hält der rechtlichen Nachprüfung in einem entscheidenden Punkt nicht stand. Das Berufungsgericht hat, ohne die frühere Tätigkeit des Klägers als gelernter Schreinergeselle zu ermitteln, deren Vergleichbarkeit mit der neuen Tätigkeit als Außendienstmitarbeiter im Gartenund Technikbereich bejaht.
- 11
- Eine 1. Verweisung des Versicherten auf eine andere Tätigkeit kommt nach den Bedingungen der Beklagten (§§ 7 Abs. 1 Satz 1, 2 Abs. 1 B-BUZ) nur dann in Betracht, wenn die andere Tätigkeit seiner bisherigen Lebensstellung entspricht. Diese wird vor allem durch die zuletzt ausgeübte Tätigkeit geprägt. Ihre Berücksichtigung sondert Tätigkeiten aus, deren Ausübung deutlich geringere Fähigkeiten und Erfahrung erfordert als der bisherige Beruf. Die Lebensstellung des Versicherten wird also von der Qualifikation seiner Erwerbstätigkeit bestimmt, die sich wiederum daran orientiert, welche Kenntnisse und Erfahrungen die ordnungsgemäße und sachgerechte Ausübung der Tätigkeit voraussetzt. Eine Vergleichstätigkeit ist dann gefunden, wenn die neue Erwerbstätigkeit keine deutlich geringeren Kenntnisse und Fähigkeiten erfordert und in ihrer Vergütung sowie in ihrer sozialen Wertschätzung nicht spürbar unter das Niveau des bislang ausgeübten Berufs absinkt (Senatsurteile vom 11. Dezember 2002 - IV ZR 302/01 - NJW-RR 2003, 383 unter II 1; vom 11. Dezember 1996 - IV ZR 238/95 - VersR 1997, 436 unter II 3 b m.w.N.). Da die Berufsausübung vor Eintritt des Versicherungsfalles die Vergleichsmaßstäbe dafür liefert, ob die neue Tätigkeit der bisherigen Lebensstellung entspricht, muss bekannt sein, wie sie konkret ausgestaltet war, welche Anforderungen sie an den Versicherten stellte, welche Fähigkeiten sie voraussetzte, welches Einkommen sie ihm sicherte und wie sich seine beruflichen Entwicklungsmöglichkeiten real darstellten (Senatsurteil vom 11. Dezember 2002 aaO). Dies gilt auch bei der Nachprüfung des Fortbestehens der Berufsunfähigkeit gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 B-BUZ. Die vom Versicherer zu treffende Entscheidung, ob er die Leistungen wegen Wegfalls der Berufsunfähigkeit einstellen kann, erfordert einen Vergleich des Zustandes, der dem Leistungsanerkenntnis zugrunde liegt, mit dem Zustand zu einem späteren Zeitpunkt (Senatsbeschluss vom 30. Januar 2008 - IV ZR 48/06 - VersR 2008, 521 Tz. 3; Senatsurteile BGHZ 121, 284, 295; vom 28. April 1999 - IV ZR 123/98 - VersR 1999, 958 unter II 1 a m.w.N.). Wenn es um die Leistungseinstellung wegen neu erworbener beruflicher Fähigkeiten geht, kommt es auf einen Vergleich der vor dem Anerkenntnis zuletzt ausgeübten mit der anderen Tätigkeit an, auf die der Versicherungsnehmer verwiesen werden soll (Senatsbeschluss vom 30. Januar 2008 aaO m.w.N.).
- 12
- 2. Diesen Maßstäben genügt die Vergleichsbetrachtung des Berufungsgerichts nicht.
- 13
- a) Zwar ist es Sache des Versicherers, im Nachprüfungsverfahren zu beweisen, dass die Voraussetzungen seiner Leistungspflicht nicht mehr erfüllt sind (Senatsurteile vom 24. Februar 2010 - IV ZR 119/09 - juris Tz. 10; vom 11. Dezember 2002 aaO unter II 3). Will aber - wie hier - der Versicherungsnehmer geltend machen, die von ihm neu ausgeübte Tätigkeit entspreche nicht seiner bisherigen Lebensstellung, so obliegt es ihm, die konkreten Umstände darzulegen, aus denen sich die fehlende Vergleichbarkeit ergeben soll. Das gilt auch und gerade dann, wenn er sich auf solche Umstände stützen will, die sich aus der Art und Ausgestaltung der früheren Tätigkeit ergeben (Senatsurteil vom 11. Dezember 2002 aaO m.w.N.).
- 14
- b) Auf Anforderung des Berufungsgerichts hat der Kläger lediglich eine Beschreibung seiner neuen Tätigkeit als Außendienstmitarbeiter im Garten- und Technikbereich abgegeben. Zu seinem erlernten Beruf als Schreiner hat er dagegen nur den Gesellenbrief vorgelegt und auf die Möglichkeit der Meisterprüfung verwiesen; außerdem hat er das zuletzt erzielte Einkommen angegeben. Nicht vorgetragen hat er indessen, wie seine frühere Tätigkeit im Einzelnen ausgestaltet war, welche Fähigkei- ten und körperlichen Kräfte sie erforderte, welche Stellung er im Betrieb innehatte, wie die Arbeitsbedingungen waren und welche konkreten Entwicklungsmöglichkeiten sich ihm boten.
- 15
- Dass der Kläger seiner Darlegungslast insoweit noch nicht genügt hat, führt nicht zur Abweisung der Klage. Denn er hatte mit Blick darauf, dass das Berufungsgericht nur eine Beschreibung seiner neuen Tätigkeit forderte, keinen Anlass davon auszugehen, er habe bislang nicht ausreichend zu den Vergleichsgrundlagen vorgetragen. Einen der Sache nach gemäß § 139 Abs. 2 Satz 1 ZPO gebotenen Hinweis hat das Berufungsgericht nicht erteilt.
- 16
- c) Das Verfahren ist deshalb an das Berufungsgericht zurückzuverweisen , damit der Kläger Gelegenheit erhält, seinen Vortrag entsprechend zu ergänzen. Auf dieser Grundlage wird das Berufungsgericht sodann erneut zu beurteilen haben, ob die neue Tätigkeit des Klägers als Außendienstmitarbeiter im Garten- und Technikbereich mit seiner früheren Tätigkeit als angestellter Schreinergeselle vergleichbar ist.
- 17
- 3. Für das weitere Verfahren weist der Senat darauf hin, dass eine Verweisung nicht bereits deshalb ausgeschlossen ist, weil der Beruf, auf den der Versicherer den Versicherten verweisen will, kein Ausbildungsberuf ist. Weder muss sich ein in einem bestimmten Beruf ausgebildeter Versicherter uneingeschränkt auf eine Tätigkeit verweisen lassen, die keine Ausbildung erfordert, noch ist dem Versicherer eine solche Verweisung generell verwehrt. Auch in solchen Fällen bedarf es eines konkreten Vergleichs der Anforderungsprofile der einander gegenüberzustellenden Berufe und einer konkreten Betrachtung, welche Kenntnisse und Fähigkeiten die jeweiligen Tätigkeiten erfordern, welche Verdienstmög- lichkeiten und welche beruflichen Perspektiven sie bieten und ob danach die neue Tätigkeit die bisherige Lebensstellung des Versicherten zu wahren geeignet ist. Wird ein Gelernter auf eine Tätigkeit in einem Beruf verwiesen, der keine Ausbildung voraussetzt, so ist damit nicht von vornherein ein Abstieg in der sozialen Wertschätzung des Versicherungsnehmers verbunden (so aber OLG Braunschweig VersR 2000, 620, 621). Allerdings stellt das Erfordernis einer abgeschlossenen Berufsausbildung einen bedeutenden Faktor dar, der bei der Vergleichsbetrachtung zu berücksichtigen ist. Berufliche Tätigkeiten erfahren regelmäßig durch eine Ausbildung eine erhebliche Steigerung des sozialen Ansehens (anders Kammergericht VersR 1995, 1473).
Harsdorf-Gebhardt Dr. Karczewski
Vorinstanzen:
AG Lebach, Entscheidung vom 28.02.2007 - 3B C 463/06 -
LG Saarbrücken, Entscheidung vom 18.12.2007 - 14 S 10/07 -
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das am 22.10.2015 verkündete Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Dortmund wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Kläger kann die Vollstreckung durch die Beklagte durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aus diesem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages leistet.
1
A.
2Der Kläger nimmt die beklagte Versicherung auf Zahlung aus einer zwischen den Parteien geschlossenen Berufsunfähigkeitszusatzversicherung in Anspruch.
3Mit Nachtrag zum Versicherungsschein vom 6.10.2011 haben die Parteien vereinbart, dass die bestehende Berufsunfähigkeitszusatzversicherung bis zum 31.10.2025 fortdauern soll. Die Leistung im Rentenfall soll monatlich 1.049,70 € betragen. Der monatlich vom Kläger zu leistende Beitrag beläuft sich auf 168,80 €. Gemäß § 2 I der besonderen Versicherungsbedingungen (kurz: BB-BUZ) haben die Parteien außerdem folgende Vereinbarung getroffen: „…Vollständige Berufsunfähigkeit liegt vor, wenn der Versicherte infolge Krankheit, Körperverletzung oder Kräfteverfall, die ärztlich nachzuweisen sind, voraussichtlich dauernd außer Stande ist, seinen Beruf oder eine andere Tätigkeit auszuüben, die aufgrund seiner Kenntnisse und Fähigkeiten ausgeübt werden kann und seiner bisherigen Lebensstellung entspricht.“ Hierzu hat sich der Versicherer in § 5 Abs. 2 BB-BUZ folgendes Vorgehen ausbedungen:“… Wir können ein zeitlich begrenztes Anerkenntnis unter einstweiliger Zurückstellung der Frage aussprechen, ob der Versicherte eine andere Tätigkeit im Sinne des § 2 ausüben kann.“
4Der am ##.##.1971 geborene Kläger ist gelernter Energieelektroniker. Er hat seine dreijährige Ausbildung mit der Fachrichtung „Anlagentechnik“ im Zeitraum von 1992 bis 1995 bei der F absolviert. Anschließend war er bis 1999 bei der Bundeswehr als Kommunikationselektroniker tätig. Nach einer halbjährigen Weiterbildung zum Systemelektroniker war er von 1999 bis 2003 bei einem EDV-Servicecenter angestellt. Dort hat er Computer eingerichtet, Drucker und Kopierer gewartet, sowie Diktiergeräte instandgesetzt. Anschließend war er in der Zeit von 2003 bis 2009 für die Dauer von rund 6 Jahren als Wachmann im Sicherheitsdienst tätig. Dort hat er Aufgaben als Pförtner, Nachtwächter und Rundgänger wahrgenommen. Ab dem Jahr 2009 war er für die Firma E in einem Logistikzentrum als Haustechniker tätig. Dort ist er in der Folgezeit zum stellvertretenden Werkstattleiter aufgestiegen. Zu seinem Anforderungsprofil gehörte eine abgeschlossene Ausbildung der Elektrotechnik. Er war dort zuständig für allgemeine Wartungen, für kleinere Reparaturen und für die Kontrolle größerer Reparaturen der Anlagen durch Fremdfirmen. Hinsichtlich Art und Umfang der von ihm zu erledigenden Aufgaben hatte er eine - im Wesentlichen - eigenständige Entscheidungsbefugnis. Außerdem war er weisungsbefugt gegenüber 8 Aushilfen und 1 Angestellten. Er hat an Schulungen und Lehrgängen teilgenommen. Sein Monatsgehalt betrug 2.083,65 € brutto durchschnittlich, zuzüglich einer Zulage i. H. v. 200 € für den Bereitschaftsdienst.
5Im Zeitraum von Dezember 2011 bis Dezember 2012 war der Kläger arbeitsunfähig erkrankt wegen Diverkulitis mit der Notwendigkeit der Durchführung einer Operation. Nachdem er aufgrund seiner Erkrankung mit Schreiben vom 9.11.2012 Ansprüche wegen Berufsunfähigkeit gegenüber der Beklagten angezeigt hatte, wechselte er innerhalb der Firma seines Arbeitgebers den Arbeitsplatz. Mit Wirkung zum 1.1.2013 war er nach einer speziellen Schulung, die in der - nach Angaben des Klägers „lapidaren“ - Einweisung mit dem Umgang der in der Lagerverwaltung verwendeten Computersystemen bestand, bei der E als Ausgangsexpedient im Bereich Transport / Transportdisposition in demselben Logistikzentrum eingesetzt. Anforderungsprofil für diese Tätigkeit war eine abgeschlossene kaufmännische Ausbildung, auf die die Firma aufgrund der Berufserfahrung des Klägers und der durchgeführten speziellen Schulung verzichtete. Als Ausgangsexpedient war der Kläger zuständig für die Erstellung und Verwaltung der Liefer- und Palettenscheine, sowie der Gefahrgutpapiere. Die Prüfung der Einhaltung der entsprechenden Vorschriften durch die LKW-Fahrer durch den Kläger erfolgte eigenverantwortlich. Außerdem hatte der Kläger Weisungsbefugnis gegenüber dem Hof- und Verladepersonal. Sein Gehalt betrug ca. 2.100 € brutto monatlich ohne Zulagen.
6Mit Schreiben vom 23.5.2013 und vom 30.5.2013 gab die Beklagte ein bis zum 31.12.2012 befristetes Anerkenntnis ab und lehnte die Fortleistung der Versicherungsbeträge über den 31.12.2012 hinaus ab unter Verweisung auf die neue Arbeitstätigkeit des Klägers als Ausgangsexpedient. Für den anerkannten Zeitraum bis einschließlich Dezember 2012 erbrachte sie entsprechende Leistungen aus der zwischen den Parteien geschlossenen Berufsunfähigkeitszusatzversicherung.
7Mit Schreiben vom 3.7.2013 forderte der Kläger die Beklagte zur Fortleistung der Berufsunfähigkeitsrente auf. Er hat erstinstanzlich behauptet, er sei infolge seiner Erkrankung dauerhaft nicht mehr in der Lage, seine Position als stellvertretender Werkstattleiter bei der E auszuüben. Seine Tätigkeit als Expedient sei mit der vorangegangenen Tätigkeit als Werkstattleiter nicht vergleichbar.
8Er hat beantragt,
9die Beklagte zu verurteilen an ihn 12.596,40 € nebst Zinsen i. H. v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 1.8.2013 zu zahlen, sowie festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, wegen der eingetretenen Berufsunfähigkeit bedingungsgemäße Leistungen aus der Berufsunfähigkeitszusatzversicherung ab dem 1.1.2013 bis längstens zum 31.10.2025 zu erbringen.
10Die Beklagte hat beantragt,
11die Klage abzuweisen.
12Das Landgericht hat die Klage nach Vernehmung der Zeugen C und B sowie nach Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens des berufskundlichen Beraters L vom 15.4.2015 abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, es könne dahinstehen, ob der Kläger dauerhaft im Sinne der vereinbarten Versicherungsbedingungen berufsunfähig sei. Jedenfalls habe die Beklagte ein wirksames zeitlich befristetes Anerkenntnis abgegeben und die Fortzahlung der Berufsunfähigkeitsrente über den 31.12.2012 hinaus aufgrund der vom Kläger ausgeübten, mit seiner vorangegangenen Arbeitstätigkeit gleichwertigen Tätigkeit als Expedient abgelehnt. Zur Beurteilung der Gleichwertigkeit der unterschiedlichen Arbeitstätigkeiten vor und nach Beginn der Erkrankung hat es sich auf die Ausführungen des Sachverständigen L in seinem schriftlichen Gutachten gestützt.
13Hinsichtlich des weiteren Sachvortrages der Parteien wird auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen. Hinsichtlich des Ergebnisses der erstinstanzlichen Beweisaufnahme wird auf den Inhalt des Sitzungsprotokolls vom 16.10.2014 und auf das als Anlage zur Akte genommene schriftliche Sachverständigengutachten des Dipl.-Volkswirts L vom 15.4.2015 verwiesen.
14Dagegen richtet sich die Berufung des Klägers. Er ist der Ansicht, das Landgericht habe unberücksichtigt gelassen, dass es sich bei seiner Tätigkeit als Expedient lediglich um eine angelernte Tätigkeit ohne abgeschlossene Ausbildung gehandelt habe. Die unterschiedliche Qualifikation für seine Tätigkeiten als stellvertretender Werkstattleiter und als Expedient führe zu einer unterschiedlichen Wertschätzung in der Öffentlichkeit, wobei hinzukomme, dass aufgrund des Wechsels der Arbeitsstelle seine Weisungsbefugnis gegenüber ihm unterstellten Mitarbeitern weggefallen sei. Darüber hinaus behauptet er, seine Arbeitsstelle als Expedient sei zwischenzeitlich durch Kündigung im Juni 2015 weggefallen. Als Expedient sei er auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt deutlich weniger nachgefragt als in seiner Funktion als Energieanlagenelektroniker, wodurch ihm erheblich geringere Berufschancen erwachsen würden. Außerdem sei er als Expedient ohne abgeschlossene kaufmännische Ausbildung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht mehr vermittelbar.
15Der Kläger beantragt,
16das erstinstanzliche Urteil abzuändern und nach seinem in der 1. Instanz gestellten Antrag zu entscheiden, mit der Maßgabe, dass sich der Feststellungsantrag lediglich auf den Zeitraum vom 1.1.2014 bis zum 31.10.2025 beziehen soll.
17Die Beklagte beantragt,
18die Berufung zurückzuweisen.
19Sie verteidigt die Ausführungen des Landgerichts in der angefochtenen Entscheidung. Sie ist der Ansicht, der Beklagte habe das Risiko eines nicht gesundheitsbedingten Arbeitsplatzverlustes – sofern ein solcher überhaupt stattgefunden habe - selbst zu tragen. Außerdem sei es dem Kläger unbenommen, sich weiterhin als Energieanlagenelektroniker zu bewerben.
20Der Senat hat den Kläger angehört. Außerdem hat er den Sachverständigen L im Termin vom 6.6.2016 ergänzend zu seinem schriftlichen Gutachten angehört. Hinsichtlich des Ergebnisses der Anhörung und der Beweisaufnahme wird auf den Inhalt des Berichterstattervermerks vom 6.6.2016 verwiesen. Hinsichtlich des weiteren Parteivortrages wird auf die in der zweiten Instanz gewechselten Schriftsätze der Anwälte und deren Inhalt Bezug genommen.
21B.
22Die zulässige Berufung der Beklagten hat in der Sache keinen Erfolg.
23Dem Kläger steht gegen die Beklagte kein Anspruch auf Zahlung einer Berufsunfähigkeitsrente aus dem zwischen den Parteien geschlossenen Versicherungsvertrag über den 31.12.2012 hinaus zu.
241)
25Das Landgericht hat zu Recht festgestellt, dass die Beklagte ein wirksames - auf § 5 II BB-BUZ gestütztes - befristetes Anerkenntnis unter Verweis auf die vom Kläger konkret ausgeübte Tätigkeit als Expedient ausgesprochen hat, womit es ihre Leistungspflicht auf den 31.12.2012 beschränkt hat. Diese Feststellungen werden vom Kläger mit der Berufung nicht angegriffen.
262)
27Voraussetzung für die bedingungsgemäße Gewährung von Versicherungsleistungen über den 31.12.2012 hinaus ist gem. § 2 I BB-BUZ daher, dass der Kläger infolge Krankheit nicht nur seinen bisherigen Beruf als stellvertretender Werkstattleiter nicht mehr ausüben kann, sondern dass er außerstande ist, auch eine andere Tätigkeit auszuüben, die er aufgrund seiner Kenntnisse und Fähigkeiten ausüben kann und die seiner bisherigen Lebensstellung entspricht. Daran fehlt es, denn der Kläger ist aufgrund seiner Kenntnisse und Fähigkeiten jedenfalls in der Lage die nach seiner Erkrankung tatsächlich aufgenommene Tätigkeit als Expedient auszuüben. Diese Tätigkeit entspricht auch seiner bisherigen Lebensstellung.
28a)
29Soweit der Kläger meint, dass eine Verweisung auf seine nach Beginn der Erkrankung ausgeübte Tätigkeit als Expedient ausscheide, weil sie nicht seinen bisherigen Kenntnissen und Fähigkeiten entspreche, kann dem nicht gefolgt werden, denn der Kläger hat den ihm obliegenden Beweis für die behauptete fehlende Gleichwertigkeit der Tätigkeit als stellvertretender Werkstattleiter mit derjenigen des Expedienten nicht erbracht. Zur Überzeugung des Senats steht – im Gegenteil – fest, dass die beiden vom Kläger vor und nach Beginn seiner Erkrankung ausgeübten Tätigkeiten gleichwertig sind.
30Übt der Versicherungsnehmer die Tätigkeit, auf die der Versicherer ihn verweisen will, jedoch tatsächlich aus (sog. konkrete Verweisung), obliegt es dem Versicherungsnehmer darzulegen und zu beweisen, dass die Voraussetzungen für eine Verweisung nicht vorliegen, weil es an der Gleichwertigkeit des neuen Arbeitsplatzes fehlt, denn die tatsächliche Ausübung eines neuen Berufs indiziert grundsätzlich die Wahrung der bisherigen Lebensstellung (vgl. BGH VersR 1995, 159; VersR 1999, 1134; VersR 2010, 1023, 1024 f.; OLG Düsseldorf r+s 2011, 524 f.; Prölss/Martin-Lücke, Versicherungsvertragsgesetz, 29. Aufl., § 172 VVG, Rn. 115, § 2 BU, Rn. 93 m. w. N.). Voraussetzung dafür ist lediglich, dass er die Tätigkeit, auf die er konkret verwiesen werden soll, eine gewisse Dauer ausübt, die geeignet erscheint, seine Lebensstellung zu wahren und sich für ihn als prägend darstellt. Ob hierfür die Ausübung einer Tätigkeit über einen Zeitraum von 6 Monaten als ausreichend angesehen werden kann (so: Neuhaus, Berufsunfähigkeitsversicherung, 3. Aufl., Kap. H VI 164, 169 m. w. N.) kann dahingestellt bleiben. Denn daran, dass sich die zuletzt ausgeübte Tätigkeit des Klägers als Expedient, auf die er verwiesen werden soll, als prägend darstellt, bestehen schon deswegen keine Zweifel, weil der Kläger diese – nach seinem eigenen Sachvortrag - über einen Zeitraum von mindestens 2 ½ Jahren tatsächlich ausgeübt hat.
31Im Übrigen wird – zur Vermeidung von Wiederholungen – hinsichtlich der Feststellungen zur Gleichwertigkeit der Berufe als stellvertretender Werkstattleiter und als Ausgangsexpedient auf die zutreffenden Ausführungen des Landgerichts in der angefochtenen Entscheidung verwiesen. Die dagegen von der Beklagten vorgebrachten Einwendungen und Argumente führen zu keinem anderen Ergebnis.
32aa)
33Der Kläger weist zwar zutreffend darauf hin, dass seine bisherige Lebensstellung durch die zuletzt – vor Beginn der Erkrankung - ausgeübte Tätigkeit als stellvertretender Werkstattleiter geprägt worden ist. Deswegen scheiden als Verweisungsberufe alle Tätigkeiten aus, deren Ausübung deutlich geringere Erfahrungen und Fähigkeiten erfordern als der bisherige Beruf (vgl. OLG Düsseldorf r+s 2011, 524 f.). Dabei geht es auch um die Frage der Wertschätzung der Berufstätigkeit in der Öffentlichkeit, die durch die Art und Dauer der Ausbildung mitbestimmt wird (vgl. Neuhaus, a. a. O., Kap. H IV Rn. 92 ff., 97 m. w. N.). Andererseits ist die Verweisung auf eine bestimmte Tätigkeit, die auch ohne Ausbildung ausgeübt werden kann nicht bereits deswegen ausgeschlossen, weil es sich dabei nicht um einen Ausbildungsberuf handelt. Insoweit kommt es vielmehr auf für die Verweisungstätigkeit erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten an, sowie darauf, dass die neue Tätigkeit in ihrer Vergütung und ihrer sozialen Wertschätzung nicht deutlich unter das Niveau der zuvor ausgeübten Tätigkeit absinkt (vgl. BGH VersR 2010, a. a. O.). Unter diesen Voraussetzungen kann von einer fehlenden Gleichwertigkeit der vom Kläger vor und nach Beginn seiner Erkrankung ausgeübten Berufe nicht ausgegangen werden.
34Dabei ist zu berücksichtigen, dass es sich sowohl bei der Tätigkeit des Klägers als stellvertretender Werkstattleiter als auch bei seiner Tätigkeit als Expedient um Ausbildungsberufe handelt, für die der Kläger jeweils eine zweckentsprechende Ausbildung mitgebracht hat. Beide Tätigkeiten setzten als Eingangsvoraussetzung eine bestimmte Ausbildung voraus, wobei die für den Beruf als Expedient erforderliche kaufmännische Ausbildung in ihrer Ausgestaltung nach den Vorgaben der Industrie- und Handelskammer - wie der Sachverständige L im Senatstermin vom 6.6.2016 nachvollziehbar erläutert hat - durch eine gleichwertige beim Kläger tatsächlich vorhandene andere Ausbildung zum Energieelektroniker in Verbindung mit beruflicher Erfahrung im Bereich Lager und Logistik, ersetzt worden ist. An den vom Sachverständigen dargestellten unterschiedlichen Zugangsvoraussetzungen für die Tätigkeit als Ausgangsexpedient zeigt sich, dass eine berufliche Ausbildung und berufliche Erfahrungen in den dargestellten Grenzen als gleichwertig anzusehen sind und dass der Kläger die Einstellungsvoraussetzungen für seine Anschlusstätigkeit als Expedient – gerade auch wegen seiner mitgebrachten abgeschlossenen Ausbildung - ohne Zweifel erfüllte.
35Hinzu kommt, dass der Kläger sowohl in seinem Beruf als stellvertretender Werkstattleiter, als auch in dem Beruf als Expedient – wenn überhaupt – nur eingeschränkt in der Ausübung seiner aufgrund seiner Ausbildung als Energieelektroniker gewonnenen Fähigkeiten und Kenntnisse tätig geworden ist. Er hat als stellvertretender Werkstattleiter – wie sich aus dem von ihm selbst dargestellten Anforderungsprofil ergibt – im Wesentlichen Wartungs- und Kontrollaufgaben wahrgenommen, die nicht den üblichen Aufgaben eines ausgebildeten Energieelektronikers entsprechen, sondern für die ihn auch eine Ausbildung in jedem anderen elektrotechnischen Beruf hätte qualifizieren können. Nach den Bekundungen des ehemaligen Werkstattleiters, des Zeugen C, in seiner Vernehmung durch das Landgericht war er neben der Wartung der Anlagen und der Kontrolle der Reparaturen durch die Fremdfirmen im Rahmen der von ihm selbst durchzuführenden Reparaturen z. B. für die Erneuerung des Rammschutzes an den Regalen oder die die Instandsetzung defekter Beleuchtungseinheiten oder elektrischer Sicherungen zuständig. Hinzu kommt, dass sich der Kläger – wie der Sachverständige im Senatstermin vom 6.6.2016 nachvollziehbar dargestellt hat - im Rahmen seiner beruflichen Laufbahn durch seine langjährigen Tätigkeiten im EDV-Service Center und als Wachmann immer weiter inhaltlich von seinem Ausbildungsberuf entfernt hat. Das hat zur Folge, dass seine Lebensstellung im Zeitpunkt des streitgegenständlichen Berufswechsels weniger durch seine ursprünglich absolvierte Ausbildung, sondern vielmehr durch seine im Beruf erworbenen Fähigkeiten und Kenntnisse bestimmt worden ist.
36Letztlich darf auch nicht unberücksichtigt bleiben, dass der Kläger durch seinen Wechsel vom stellvertretenden Werkstattleiter zum Expedienten von seiner Stellung als Arbeiter zum Angestellten aufgestiegen ist, womit – nach den nachvollziehbaren Feststellungen des Sachverständigen in seinem Ausgangsgutachten vom 15.4.2015 – ein höheres Maß an sozialer Wertschätzung in der Öffentlichkeit verbunden war.
37bb)
38Es kann auch nicht festgestellt werden, dass der Wechsel der Arbeitsstelle vom stellvertretenden Werkstattleiter zum Expedienten mit einem spürbaren Verlust an Entscheidungskompetenz verbunden war, die geeignet ist sich auf die Wertschätzung des Klägers in der Öffentlichkeit auszuwirken. Beide Berufe sind auch insoweit – wie der Sachverständige nachvollziehbar festgestellt hat – miteinander vergleichbar. Gegen einen Verlust von Weisungsbefugnissen spricht, dass der Kläger nach seinem Wechsel nicht nur einer beschränkten Zahl von Mitarbeitern gegenüber, sondern gegenüber dem gesamten Hof- und Verladepersonal weisungsbefugt war. Alleine der Umstand, dass neben ihm auch eine Vielzahl anderer bei seinem Arbeitgeber tätiger Expedienten entsprechende Befugnisse hatten, während er sich als stellvertretender Werkstattleiter die vorhandene Weisungsbefugnis lediglich mit dem Werkstattleiter selbst teilen musste, erscheint dagegen nicht geeignet, sein soziales Ansehen als Expedient in der Öffentlichkeit abzuwerten. Denn alleine die Größe der Arbeitseinheit in welcher ein Arbeitnehmer tätig ist, sagt in der Regel nichts über die Qualität seiner Arbeitstätigkeit im Verhältnis zu den übrigen im selben Unternehmen tätigen Mitarbeitern aus. Dem entsprechend würde auch niemand auf den Gedanken kommen, dass z. B. der Hausmeister in einem größeren Betrieb in seinem sozialen Ansehen höher zu bewerten ist, als die Vielzahl der im selben Betrieb vergleichbare Tätigkeiten verrichtenden Angestellten.
39cc)
40Hinsichtlich der wirtschaftlichen Gleichwertigkeit der beiden Berufe als stellvertretender Werkstattleiter und als Expedient wird auf die – insoweit nicht angegriffenen - Ausführungen des Landgerichts in der angefochtenen Entscheidung verwiesen. Das Landgericht hat – gestützt auf die Ausführungen im Ausgangsgutachten des Sachverständigen L vom 15.4.2015 – nachvollziehbar festgestellt, dass die vom Kläger erzielten Einkünfte in beiden Berufen miteinander vergleichbar sind. Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger in seiner Position als stellvertretender Werkstattleiter eine bessere Aussicht auf einen beruflichen Aufstieg und damit verbundenen Gehaltssteigerungen gehabt hätte, als im Rahmen seiner Tätigkeit als Expedient, sind weder vorgetragen noch ersichtlich.
41b)
42Soweit der Kläger meint, eine Verweisung auf den Beruf als Expedienten scheide auch deswegen aus, weil seine Arbeitsstelle infolge Kündigung im Juni 2015 weggefallen sei und er als Expedient erheblich schlechtere Aussichten auf den Erhalt einer neuen Arbeitsstelle auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt habe, kann dies bei der Frage, ob die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger Leistungen aus der Berufsunfähigkeitszusatzversicherung zu erbringen keine Berücksichtigung finden.
43Mit der zwischen den Parteien geschlossenen Berufsunfähigkeitszusatzversicherung sind nur krankheitsbedingte Einschränkungen der Berufsfähigkeit des Klägers i. S. d. § 2 BB-BUZ versichert. Dass er seine Arbeitsstelle als Expedient aus gesundheitlichen Gründen verloren hat, behauptet der Kläger nicht.
44Das allgemeine Risiko, seinen Arbeitsplatz zu verlieren, ist in der zwischen den Parteien abgeschlossenen Berufsunfähigkeitszusatzversicherung nicht mitversichert. Deswegen müssen auch die allgemeine Lage auf dem Arbeitsmarkt und die sich darauf gründende Chance auf den Erhalt einer neuen Arbeitsstelle bei einem anderen Arbeitgeber bei der Frage, ob eine gleichwertige Verweisungstätigkeit vorliegt, unberücksichtigt bleiben (vgl. Prölss/Martin-Lücke, a. a. O., § 172, Rn. 105; Neuhaus, a. a. O., Kap. H II Rn. 12 m. w. N.). Es kommt für die Frage der Gleichwertigkeit im Rahmen der konkreten Verweisung auf einen tatsächlich ausgeübten Beruf – anders als im Falle der abstrakten Verweisung auf eine lediglich angesonnene Tätigkeit (vgl. BGH VersR 1999, 1134) – auch nicht darauf an, ob die berufliche Tätigkeit, auf die verwiesen werden soll, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt überhaupt angeboten wird, denn allein die tatsächliche Ausübung der Verweisungstätigkeit über einen die Lebensstellung des Versicherungsnehmers prägenden Zeitraum führt dazu, dass der bedingungsgemäße Versicherungsfall nicht eingetreten ist (vgl. OLG Frankfurt VersR 2007, 1358; Prölss/Martin-Lücke, a. a. O., § 172 Rn. 107, 109 m. w. N.).
45VI)
46Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 97 I ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
47Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Streitwert: 44.180,98 €
Gründe:
- 1
- Beschwerde Die ist zurückzuweisen, weil ein Zulassungsgrund nicht dargelegt ist (§§ 543 Abs. 2 Satz 1, 544 Abs. 2 Satz 3 ZPO). Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs. Insbesondere liegt kein Verstoß gegen das Willkürverbot oder Art. 103 Abs. 1 GG vor.
- 2
- 1. Die geltend gemachten Zulassungsgründe beruhen schon vom Ansatz her auf der verfehlten, außer vom Kläger und dem Landgericht sonst nicht vertretenen Rechtsansicht, der im Zuge der Nachprüfung des Fortbestehens der Berufsunfähigkeit getroffene Entschluss des Versicherers , die Leistungen nicht einzustellen, stelle eine nach den Grundsätzen des Leistungsanerkenntnisses (§ 7 der hier vereinbarten Bedingungen für die Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung - BUZVB -, inhaltsgleich mit den Musterbedingungen § 5 BUZ, VerBAV 1990, 347, 349) zu beurteilende positive Nachprüfungsentscheidung dar. Diese nehme dem Versicherer das Recht, seine Leistungseinstellung später auf die im Zeitpunkt der "positiven Nachprüfungsentscheidung" bekannten Umstände zu stützen.
- 3
- Diese Ansicht verkennt Sinn und Zweck des Nachprüfungsverfahrens nach §§ 9, 10 BUZVB, die inhaltlich § 7 BUZ entsprechen. Bei der Nachprüfung des Fortbestehens der Berufsunfähigkeit geht es anders als in § 7 BUZVB, § 5 BUZ nicht darum, ob der Versicherer eine Leistungspflicht wegen eingetretener Berufsunfähigkeit anerkennt, sondern allein darum, ob er die Leistungen wegen Wegfalls der Berufsunfähigkeit einstellen kann. Diese vom Versicherer zu treffende Entscheidung macht den Vergleich zweier Zustände und ihrer Auswirkungen notwendig (BGHZ 137, 178, 181 f.). Maßgebend ist der Vergleich des Zustandes, der dem Leistungsanerkenntnis nach § 7 BUZVB, § 5 BUZ zugrunde liegt (oder zugrunde zu legen wäre, vgl. Senatsurteil vom 11. Dezember 1996 - IV ZR 238/95 - VersR 1997, 436 unter II 1 a m.w.N.), mit dem Zustand zu einem späteren Zeitpunkt (Senatsurteil vom 28. April 1999 - IV ZR 123/98 - VersR 1999, 958 unter II 1a m.w.N.; grundlegend BGHZ 121, 284, 295, 297 f.). Geht es um die Leistungseinstellung wegen neu erworbener beruflicher Fähigkeiten, kommt es auf einen Vergleich der vor dem Anerkenntnis nach § 7 BUZVB, § 5 BUZ zuletzt ausgeübten mit der anderen Tätigkeit an, auf die der Versicherungsnehmer verwiesen werden soll (vgl. Senatsurteile vom 3. November 1999 - IV ZR 155/98 - VersR 2000, 171 unter II 2 c, III und vom 11. Dezember 1996 aaO unter II 3 c).
- 4
- Kommt es nicht zu einer Mitteilung über die Leistungseinstellung nach § 9 Abs. 1 BUZVB, § 7 Abs. 4 BUZ, bleibt es bei der nach § 7 BUZVB, § 5 BUZ anerkannten Leistungspflicht (vgl. BGHZ aaO S. 293 f.). Die Entscheidung des Versicherers, trotz nachträglich eingetretener positiver Veränderungen die Leistungen (noch) nicht einzustellen , verschafft dem Versicherungsnehmer keine über das damalige Anerkenntnis hinausgehende Rechtsposition. Der diesem Anerkenntnis zugrunde liegende Zustand bleibt deshalb die Vergleichsbasis für eine spätere Prüfung des Fortbestehens der Berufsunfähigkeit und die Entscheidung über die Einstellung der Leistungen.
- 5
- Das 2. Berufungsurteil ist im Ergebnis auch richtig. Das Berufungsgericht hat zutreffend angenommen, dass die Beklagte mit ihrem Schreiben vom 23. September 2002 nicht dauerhaft auf die konkrete Verweisung des Klägers auf den neu erlernten Beruf des Bautechnikers verzichtet hat. Die Beklagte hat sich vielmehr daran orientiert, was sich bei der Verweisung auf freiwillig neu erworbene berufliche Fähigkeiten aus dem Senatsurteil vom 3. November 1999 (aaO unter I 4) ergibt.
Dr. Kessal-Wulf Dr. Franke
Vorinstanzen:
LG Köln, Entscheidung vom 01.06.2005 - 26 O 416/04 -
OLG Köln, Entscheidung vom 15.02.2006 - 5 U 116/05 -
BUNDESGERICHTSHOF
Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch die Vorsitzende Richterin Mayen, den Richter Dr. Karczewski, die Richterinnen Dr. Brockmöller, Dr. Bußmann und den Richter Dr. Götz
am 23. November 2016
beschlossen:
Das vorbezeichnete Urteil wird gemäß § 544 Abs. 7 ZPO aufgehoben, soweit darin zum Nachteil der Beklagten entschieden worden ist.
Der Rechtsstreit wird im Umfang der Aufhebung zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Streitwert: bis 40.000 €
Gründe:
- 1
- I. Der Kläger verlangt Leistungen aus einer bei der Beklagten gehaltenen Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung.
- 2
- Der Kläger lieferte seit dem Jahr 2006 als selbständiger Handelsvertreter für ein Unternehmen Tiefkühlkost an Haushalte aus. Am 31. Juli 2010 hatte er einen Unfall beim Volleyballspielen. Er hat behauptet, einen dauerhaften Knorpelschaden im rechten Knie erlitten zu haben und deswegen als selbständiger Auslieferungsfahrer berufsunfähig zu sein. Seine bisherige Berufstätigkeit stellte er nach diesem Unfall ein. Später nahm er eine neue Tätigkeit auf; zuletzt arbeitete er seit Juni 2014 als angestellter Vertriebssachbearbeiter im Innendienst. Neben ihren weiteren Einwänden gegen die Klageforderungen hat sich die Beklagte auch darauf berufen, dass der Kläger nicht berufsunfähig sei, weil er eine nach Ausbildung, Einkommen und Stellung vergleichbare Tätigkeit im Sinne der vereinbarten Versicherungsbedingungen aufgenommen habe.
- 3
- II. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Oberlandesgericht der Klage bis auf einen Teil der geltend gemachten Rechtsverfolgungskosten stattgegeben. Es hat unter anderem ausgeführt, der Kläger müsse sich nicht auf seine Tätigkeit als angestellter Sachbearbeiter verweisen lassen, da diese Tätigkeit weder vom sozialen Ansehen noch von den Einkommens- und Entwicklungsmöglichkeiten her mit einer Tätigkeit als selbständiger Handelsvertreter vergleichbar sei. Außerdem habe er die für den jetzt ausgeübten Beruf erforderlichen EDV-Kenntnisse durch überobligatorische Fortbildung nach Eintritt des Versicherungsfalls erworben; neu erworbene Fähigkeiten seien nach den Versicherungsbedingungen aber erst im Nachprüfungsverfahren zu berücksichtigen.
- 4
- III. Die gegen die Nichtzulassung der Revision gerichtete Beschwerde der Beklagten hat Erfolg. Sie führt gemäß § 544 Abs. 7 ZPO zur Zulassung der Revision unter gleichzeitiger Aufhebung des angefochtenen Urteils und Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht. Die Beschwerde beanstandet zu Recht, dass das Berufungsgericht einen Teil des Beklagtenvortrags übergangen und damit deren Anspruch auf rechtliches Gehör nach Art. 103 Abs. 1 GG in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat.
- 5
- Das Berufungsgericht begründet die fehlende Vergleichbarkeit der früheren und der heutigen Tätigkeit des Klägers auch damit, dass der Kläger seinem Vortrag zufolge früher selbständig mit entsprechenden Einkommens- und Entwicklungsmöglichkeiten gewesen, jetzt dagegen angestellter Sachbearbeiter im Vertrieb sei. Die Beklagte hat jedoch die Behauptung des Klägers, er habe in seinem früheren Beruf größere Aufstiegschancen als bei seiner jetzigen Tätigkeit gehabt, in ihrem Schriftsatz vom 4. Mai 2015 (dort Seite 8) bestritten. Dies hat das Berufungsgericht nicht berücksichtigt, sondern seiner Entscheidung den bestrittenen Klägervortrag zugrunde gelegt. Feststellungen dazu, wie sich die beruflichen Entwicklungsmöglichkeiten des Klägers real darstellten (vgl. Senatsurteil vom 21. April 2010 - IV ZR 8/08, VersR 2010, 1023 Rn. 11), hat es nicht getroffen.
- 6
- IV. Für die neue Verhandlung weist der Senat auf Folgendes hin:
- 7
- 1. Bei der Prüfung einer Verweisung des Klägers auf die inzwischen ausgeübte Tätigkeit wird das Berufungsgericht zu berücksichtigen haben, dass der Wechsel aus einer selbständigen in eine angestellte Tä- tigkeit allein die Verweisbarkeit noch nicht ausschließt, sondern es stets einer auf den Einzelfall abgestellten Wertung bedarf, ob mit der neuen Tätigkeit ein spürbarer sozialer Abstieg verbunden ist (vgl. Senatsurteil vom 11. November 1987 - IVa ZR 240/86, VersR 1988, 234 unter 2 b). Nicht der einzige, aber ein nicht zu vernachlässigender Bewertungsfaktor ist hierbei die Verdienstmöglichkeit (aaO). Außerdem wird das Berufungsgericht zu prüfen haben, ob der Kläger auf die weiteren Tätigkeiten, die er seit seinem Unfall ausgeübt hat, verwiesen werden kann.
- 8
- 2. Eine Verweisung des Klägers auf seine jetzt ausgeübte Tätigkeit wird das Berufungsgericht nicht mit der Begründung ablehnen können, dass neu erworbene Fähigkeiten nach § 10 Abs. 1 der Bedingungen für die Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung (BBUZ) erst im Nachprüfungsverfahren zu berücksichtigen seien. Da die Beklagte kein Anerkenntnis abgegeben hat, musste der Kläger seine Ansprüche im Wege der Klage geltend machen. Im Rechtsstreit ist dann zunächst der Nachweis bedingungsgemäßer Berufsunfähigkeit zu führen. Ist danach ab einem bestimmten Zeitpunkt eine Leistungspflicht gegeben, steht dem Versicherer im selben Rechtsstreit der Beweis offen, dass und ab welchem Zeitpunkt die Voraussetzungen für eine Herabsetzung oder Einstellung der Leistungen nach der für die Nachprüfung der Berufsunfähigkeit geltenden Versicherungsbedingung eingetreten sind (vgl. Senatsbeschluss vom 20. Januar 2010 - IV ZR 111/07, r+s 2010, 251 Rn. 3; Senatsurteile vom 19. November 1997 - IV ZR 6/97, VersR 1998, 173 unter 2 b und 3; vom 11. Dezember 1996 - IV ZR 238/95, VersR 1997, 436 unter II 1). Im Urteil ist dann über Beginn und Ende der Leistungspflicht zu entscheiden (Senatsbeschluss vom 20. Januar 2010 aaO).
- 9
- 3. Falls das Berufungsgericht zu dem Ergebnis kommen sollte, dass dem Kläger ein Anspruch auf Berufsunfähigkeitsrente zusteht, wird es zu beachten haben, dass nach § 3 Abs. 2 Satz 4 BBUZ eine laufende Berufsunfähigkeitsrente während der Berufsunfähigkeit - abgesehen von etwaigen Erhöhungen aufgrund der Überschussbeteiligung - nicht erhöht wird. Damit endet die Dynamisierung im Leistungsfall.
Dr. Bußmann Dr. Götz
Vorinstanzen:
LG Darmstadt, Entscheidung vom 08.11.2012- 27 O 416/11 -
OLG Frankfurt in Darmstadt, Entscheidung vom 15.10.2015- 12 U 144/12 -
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung , auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
- 1
- Der Kläger verlangt von der Beklagten weitere Leistungen aus einer Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung, die er bei ihr seit 1999 in Verbindung mit einer Kapitallebensversicherung hält.
- 2
- Versicherungsverhältnis Dem liegen die von der Beklagten verwendeten Bedingungen für die Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung (B-BUZ) zugrunde, die auszugsweise wie folgt lauten: "§ 2 Was ist Berufsunfähigkeit im Sinne dieser Bedingungen ? 1. Vollständige Berufsunfähigkeit liegt vor, wenn die versicherte Person infolge Krankheit, Körperverletzung oder Kräfteverfalls, die ärztlich nachzuweisen sind, voraussichtlich mehr als sechs Monate ununterbrochen außerstande ist, ihren Beruf oder eine andere Tätigkeit auszuüben, die aufgrund ihrer Ausbildung und Erfahrung ausgeübt werden kann und ihrer bisherigen Lebensstellung entspricht. … § 7 Was gilt für die Nachprüfung der Berufsunfähigkeit? 1. Nach Anerkennung oder Feststellung unserer Leistungspflicht sind wir berechtigt, das Fortbestehen der Berufsunfähigkeit und ihren Grad oder den Umfang der Pflegebedürftigkeit nachzuprüfen; dies gilt auch für zeitlich begrenzte Anerkenntnisse nach § 5. Dabei können wir erneut prüfen , ob die versicherte Person eine andere Tätigkeit im Sinne von § 2 ausüben kann, wobei neu erworbene Kenntnisse und Fähigkeiten zu berücksichtigen sind. …"
- 3
- Der Kläger ist gelernter Schreiner mit Gesellenbrief und war zunächst in diesem Beruf tätig. Nachdem er durch die bei seiner Arbeit auftretenden Staubimmissionen an Asthma bronchiale erkrankt war, musste er seinen Beruf als Schreiner im Jahr 2001 aufgeben. Mit Schreiben vom 5. Juli 2002 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass sie die versicherten Leistungen aus der Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung ab dem 1. Oktober 2001 erbringen werde, und behielt sich eine erneute Prüfung zum 1. Juni 2004 vor.
- 4
- In von der Beklagten angeforderten Erklärungen zur Überprüfung der Berufsunfähigkeit gab der Kläger im Mai 2004 und im September 2005 an, dass er als Außendienstmitarbeiter im Garten- und Technikbe- reich arbeite. Daraufhin stellte die Beklagte die Leistungen zum 1. Mai 2006 ein.
- 5
- Im Wege der Teilklage begehrt der Kläger Nachzahlung der Renten für die Monate Mai bis September 2006 in Höhe von insgesamt 3.750 € sowie die Feststellung, dass er von der Beitragszahlungspflicht befreit sei.
- 6
- Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers ist ohne Erfolg geblieben. Mit der Revision verfolgt er sein Klagebegehren weiter.
Entscheidungsgründe:
- 7
- Die Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
- 8
- Es hat ohne genügende Feststellungen die Beklagte für berechtigt gehalten, die Leistungen aus der Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung einzustellen.
- 9
- I. Nach Auffassung des Berufungsgerichts kann der Kläger nicht einwenden, wenn er im Schreinerhandwerk weiter hätte arbeiten können, hätte er die Möglichkeit gehabt, den Meisterbrief zu machen und so einen höheren Verdienst erzielen und sich selbständig machen können. Maßgebender Zeitpunkt für die Beurteilung von Ausbildung und Erfahrung sowie Kenntnissen und Fähigkeiten sei immer der Versicherungs- fall. Zu dieser Zeit sei der Kläger Schreiner gewesen und habe keinen Meisterbrief gehabt. Auf die höheren Verdienstmöglichkeiten eines Meisters könne demnach nicht abgestellt werden. Ein Vergleichsberuf, der dem Versicherten im Gegensatz zu dem zuletzt ausgeübten Beruf keine Aufstiegschancen biete, könne zwar schon deswegen trotz vergleichbarer Einkommen ungeeignet sein. Dass der Kläger als angestellter Schreinergeselle bessere Aufstiegschancen als in seinem neuen Beruf als Außendienstmitarbeiter im Garten- und Technikbereich gehabt hätte, sei nicht näher begründet. Soweit sich der Kläger darauf berufe, das Ansehen eines Schreiners sei höher als das eines Außendienstmitarbeiters im Garten- und Technikbereich, weil er jetzt nichts anderes mache als "Klinken putzen", stehe dies einer Verweisung nicht entgegen. Es bestünden keine Bedenken, die soziale Gleichwertigkeit der Berufsbilder Schreiner und Außendienstmitarbeiter im Garten- und Technikbereich zu bejahen. Die von dem Kläger bei seiner neuen Tätigkeit erworbenen Kenntnisse und Fähigkeiten könnten im Nachprüfungsverfahren berücksichtigt werden. Die von dem Kläger abgegebene Tätigkeitsbeschreibung stehe einer Vergleichbarkeit mit seiner früheren Tätigkeit als gelernter Schreinergeselle nur insoweit entgegen, als der Kläger für seinen neuen Beruf keine konkrete Berufsausbildung besitze. Neue Berufsbilder, die noch nicht in einem Anlernberuf festgelegt seien, könnten allerdings nicht allein deshalb als sozial minderwertig angesehen werden.
- 10
- II. Das hält der rechtlichen Nachprüfung in einem entscheidenden Punkt nicht stand. Das Berufungsgericht hat, ohne die frühere Tätigkeit des Klägers als gelernter Schreinergeselle zu ermitteln, deren Vergleichbarkeit mit der neuen Tätigkeit als Außendienstmitarbeiter im Gartenund Technikbereich bejaht.
- 11
- Eine 1. Verweisung des Versicherten auf eine andere Tätigkeit kommt nach den Bedingungen der Beklagten (§§ 7 Abs. 1 Satz 1, 2 Abs. 1 B-BUZ) nur dann in Betracht, wenn die andere Tätigkeit seiner bisherigen Lebensstellung entspricht. Diese wird vor allem durch die zuletzt ausgeübte Tätigkeit geprägt. Ihre Berücksichtigung sondert Tätigkeiten aus, deren Ausübung deutlich geringere Fähigkeiten und Erfahrung erfordert als der bisherige Beruf. Die Lebensstellung des Versicherten wird also von der Qualifikation seiner Erwerbstätigkeit bestimmt, die sich wiederum daran orientiert, welche Kenntnisse und Erfahrungen die ordnungsgemäße und sachgerechte Ausübung der Tätigkeit voraussetzt. Eine Vergleichstätigkeit ist dann gefunden, wenn die neue Erwerbstätigkeit keine deutlich geringeren Kenntnisse und Fähigkeiten erfordert und in ihrer Vergütung sowie in ihrer sozialen Wertschätzung nicht spürbar unter das Niveau des bislang ausgeübten Berufs absinkt (Senatsurteile vom 11. Dezember 2002 - IV ZR 302/01 - NJW-RR 2003, 383 unter II 1; vom 11. Dezember 1996 - IV ZR 238/95 - VersR 1997, 436 unter II 3 b m.w.N.). Da die Berufsausübung vor Eintritt des Versicherungsfalles die Vergleichsmaßstäbe dafür liefert, ob die neue Tätigkeit der bisherigen Lebensstellung entspricht, muss bekannt sein, wie sie konkret ausgestaltet war, welche Anforderungen sie an den Versicherten stellte, welche Fähigkeiten sie voraussetzte, welches Einkommen sie ihm sicherte und wie sich seine beruflichen Entwicklungsmöglichkeiten real darstellten (Senatsurteil vom 11. Dezember 2002 aaO). Dies gilt auch bei der Nachprüfung des Fortbestehens der Berufsunfähigkeit gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 B-BUZ. Die vom Versicherer zu treffende Entscheidung, ob er die Leistungen wegen Wegfalls der Berufsunfähigkeit einstellen kann, erfordert einen Vergleich des Zustandes, der dem Leistungsanerkenntnis zugrunde liegt, mit dem Zustand zu einem späteren Zeitpunkt (Senatsbeschluss vom 30. Januar 2008 - IV ZR 48/06 - VersR 2008, 521 Tz. 3; Senatsurteile BGHZ 121, 284, 295; vom 28. April 1999 - IV ZR 123/98 - VersR 1999, 958 unter II 1 a m.w.N.). Wenn es um die Leistungseinstellung wegen neu erworbener beruflicher Fähigkeiten geht, kommt es auf einen Vergleich der vor dem Anerkenntnis zuletzt ausgeübten mit der anderen Tätigkeit an, auf die der Versicherungsnehmer verwiesen werden soll (Senatsbeschluss vom 30. Januar 2008 aaO m.w.N.).
- 12
- 2. Diesen Maßstäben genügt die Vergleichsbetrachtung des Berufungsgerichts nicht.
- 13
- a) Zwar ist es Sache des Versicherers, im Nachprüfungsverfahren zu beweisen, dass die Voraussetzungen seiner Leistungspflicht nicht mehr erfüllt sind (Senatsurteile vom 24. Februar 2010 - IV ZR 119/09 - juris Tz. 10; vom 11. Dezember 2002 aaO unter II 3). Will aber - wie hier - der Versicherungsnehmer geltend machen, die von ihm neu ausgeübte Tätigkeit entspreche nicht seiner bisherigen Lebensstellung, so obliegt es ihm, die konkreten Umstände darzulegen, aus denen sich die fehlende Vergleichbarkeit ergeben soll. Das gilt auch und gerade dann, wenn er sich auf solche Umstände stützen will, die sich aus der Art und Ausgestaltung der früheren Tätigkeit ergeben (Senatsurteil vom 11. Dezember 2002 aaO m.w.N.).
- 14
- b) Auf Anforderung des Berufungsgerichts hat der Kläger lediglich eine Beschreibung seiner neuen Tätigkeit als Außendienstmitarbeiter im Garten- und Technikbereich abgegeben. Zu seinem erlernten Beruf als Schreiner hat er dagegen nur den Gesellenbrief vorgelegt und auf die Möglichkeit der Meisterprüfung verwiesen; außerdem hat er das zuletzt erzielte Einkommen angegeben. Nicht vorgetragen hat er indessen, wie seine frühere Tätigkeit im Einzelnen ausgestaltet war, welche Fähigkei- ten und körperlichen Kräfte sie erforderte, welche Stellung er im Betrieb innehatte, wie die Arbeitsbedingungen waren und welche konkreten Entwicklungsmöglichkeiten sich ihm boten.
- 15
- Dass der Kläger seiner Darlegungslast insoweit noch nicht genügt hat, führt nicht zur Abweisung der Klage. Denn er hatte mit Blick darauf, dass das Berufungsgericht nur eine Beschreibung seiner neuen Tätigkeit forderte, keinen Anlass davon auszugehen, er habe bislang nicht ausreichend zu den Vergleichsgrundlagen vorgetragen. Einen der Sache nach gemäß § 139 Abs. 2 Satz 1 ZPO gebotenen Hinweis hat das Berufungsgericht nicht erteilt.
- 16
- c) Das Verfahren ist deshalb an das Berufungsgericht zurückzuverweisen , damit der Kläger Gelegenheit erhält, seinen Vortrag entsprechend zu ergänzen. Auf dieser Grundlage wird das Berufungsgericht sodann erneut zu beurteilen haben, ob die neue Tätigkeit des Klägers als Außendienstmitarbeiter im Garten- und Technikbereich mit seiner früheren Tätigkeit als angestellter Schreinergeselle vergleichbar ist.
- 17
- 3. Für das weitere Verfahren weist der Senat darauf hin, dass eine Verweisung nicht bereits deshalb ausgeschlossen ist, weil der Beruf, auf den der Versicherer den Versicherten verweisen will, kein Ausbildungsberuf ist. Weder muss sich ein in einem bestimmten Beruf ausgebildeter Versicherter uneingeschränkt auf eine Tätigkeit verweisen lassen, die keine Ausbildung erfordert, noch ist dem Versicherer eine solche Verweisung generell verwehrt. Auch in solchen Fällen bedarf es eines konkreten Vergleichs der Anforderungsprofile der einander gegenüberzustellenden Berufe und einer konkreten Betrachtung, welche Kenntnisse und Fähigkeiten die jeweiligen Tätigkeiten erfordern, welche Verdienstmög- lichkeiten und welche beruflichen Perspektiven sie bieten und ob danach die neue Tätigkeit die bisherige Lebensstellung des Versicherten zu wahren geeignet ist. Wird ein Gelernter auf eine Tätigkeit in einem Beruf verwiesen, der keine Ausbildung voraussetzt, so ist damit nicht von vornherein ein Abstieg in der sozialen Wertschätzung des Versicherungsnehmers verbunden (so aber OLG Braunschweig VersR 2000, 620, 621). Allerdings stellt das Erfordernis einer abgeschlossenen Berufsausbildung einen bedeutenden Faktor dar, der bei der Vergleichsbetrachtung zu berücksichtigen ist. Berufliche Tätigkeiten erfahren regelmäßig durch eine Ausbildung eine erhebliche Steigerung des sozialen Ansehens (anders Kammergericht VersR 1995, 1473).
Harsdorf-Gebhardt Dr. Karczewski
Vorinstanzen:
AG Lebach, Entscheidung vom 28.02.2007 - 3B C 463/06 -
LG Saarbrücken, Entscheidung vom 18.12.2007 - 14 S 10/07 -
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Von Rechts wegen
Tatbestand:
- 1
- Der Kläger verlangt Versicherungsleistungen aus einer Gruppenrechtsschutzversicherung. Er ist Mitglied der Gewerkschaft der Eisenbahner Deutschlands (GdED), jetzt TRANSNET (im Folgenden: Versicherungsnehmerin ), die seit 1980 bei der Beklagten eine Gruppenversicherung mit Familien-Rechtsschutz für ihre Mitglieder unterhält.
- 2
- Seit 1995 lagen dem Vertrag die ARB/G 94 der Beklagten zugrunde. Deren § 4 (3) lautet auszugsweise: "Es besteht kein Rechtsschutz, wenn …
b) der Anspruch auf Rechtsschutz erstmals später als drei Jahre nach Beendigung des Versicherungsschutzes für den betroffenen Gegenstand bei der Versicherung geltend gemacht wird."
- 3
- Mit Schreiben der Versicherungsnehmerin vom 14. November 1996 erhielt der Kläger unter anderem einen Versicherungsausweis zugesandt.
- 4
- In § 20 der Satzung der Versicherungsnehmerin vom 26. November 1996 heißt es: "1. Für die Mitglieder der GdED ist als Gruppenversicherung eine Familien-Rechtsschutzversicherung abgeschlossen, deren Versicherungsschutz sich auf alle Mitglieder er- streckt, die an der Versicherung teilnehmen, … 4. Die Versicherungsbedingungen und Leistungen richten sich im einzelnen und im übrigen nach dem mit dem Versicherungsträger abgeschlossenen Gruppenversicherungsvertrag und den Versicherungsbedingungen. Sie sind in dem Versicherungsausweis enthalten, der dem Mitglied ausgehändigt wird."
- 5
- Die Beklagte änderte in der Folgezeit mehrfach ihre Rechtsschutzbedingungen. Zunächst schloss sie Verträge nach Maßgabe ihrer ARB 2000, später ihrer ARB/G 2007 ab. Deren § 3 (2) Buchst. f) enthält unter bb) folgenden neuen Risikoausschluss: "Rechtsschutz besteht nicht für die Wahrnehmung rechtlicher Interessen …
f) in ursächlichem Zusammenhang mit Spiel- oder Wettverträgen sowie Termin- oder vergleichbaren Spekulationsgeschäften ; aa) … bb) dem Ankauf, der Veräußerung, der Verwaltung von - Wertpapieren (z.B. Aktien, Rentenwerte, Fondsanteile) - Wertrechten, die Wertpapieren gleichstehen - Beteiligungen; …"
- 6
- Nach Feststellung der Vorinstanzen schlossen die Versicherungsnehmerin und die Beklagte am 27. August 2007 einen neuen Gruppenversicherungsvertrag , in dem es unter anderem heißt: "Grundlage dieses Gruppenversicherungsvertrages sind im übrigen die - Allgemeinen Bedingungen für die Rechtsschutzversicherung (ARB/G 2007) - …"
- 7
- In einer Zusatzvereinbarung zu diesem Vertrag vom gleichen Tage ist unter § 1 die folgende Regelung getroffen: "[die Versicherungsnehmerin und die Beklagte] sind sich darin einig, dass die … neu vereinbarten Risikoausschlüsse (Ge- winnzusagen, Kapitalanlagegeschäfte) erst für Rechtsschutzfälle gelten, die ab dem 01.01.2008 gemeldet werden. Die … neu vereinbarten Risikoausschlüsse gelten unabhängig vom Zeitpunkt des Eintritts des Versicherungsfalls, d.h. sie kommen für alle ab dem 01.01.2008 gemeldeten Rechtsschutzfälle zum Tragen, auch wenn der Versicherungsfall vor diesem Zeitpunkt eingetreten ist."
- 8
- Über die Änderungen in der Familien-Rechtsschutzversicherung informierte die Versicherungsnehmerin ihre Mitglieder in der Juli-Ausgabe ihrer Gewerkschaftszeitschrift "inform" unter der Überschrift "Verbesserungen in der Familien-Rechtsschutzversicherung".
- 9
- 1997 beteiligte sich der Kläger mit zwei Zeichnungsscheinen über 41.580 DM und 8.400 DM als atypischer stiller Gesellschafter an der G. -Beteiligungs-Aktiengesellschaft (zu deren so genanntem Steigermodell vgl. BGH, Urteil vom 21. März 2005 - II ZR 149/03, ZIP 2005, 763 - juris Rn. 1). Nachdem im Rahmen dieses Kapitalanlagemodells keine Gewinne erzielt und die betroffenen Gesellschaften insolvent wurden , versuchte der Kläger von den für das gescheiterte Anlagemodell Verantwortlichen Schadensersatz zu erlangen. Die damit 2007 beauftragten Rechtsanwälte wandten sich erstmals mit Schreiben vom 9. April 2008 an die Beklagte. Ihr Ersuchen um Deckungsschutz lehnte die Beklagte unter Berufung auf den Risikoausschluss des § 3 (2) Buchst. f) bb) ARB/G 2007 ab.
- 10
- Der Kläger ist der Auffassung, der Rechtsschutzfall sei in versicherter Zeit unter Geltung der ARB/G 94 eingetreten. Der einmal entstandene Leistungsanspruch könne ihm nicht durch die nachträgliche Vereinbarung eines Risikoausschlusses genommen werden.
- 11
- Das Landgericht hat der Klage auf Freistellung von Verbindlichkeiten aus drei Anwaltsrechnungen und Feststellung der Deckungspflicht für die gerichtliche Durchsetzung der Schadensersatzansprüche stattgegeben. Das Berufungsgericht hat die Klage abgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger sein Rechtsschutzbegehren weiter.
Entscheidungsgründe:
- 12
- Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.
- 13
- I. Nach Auffassung des Berufungsgerichts ist der Versicherungsschutz nach § 3 (2) Buchst. f) bb) ARB/G 2007 entfallen. Der Kläger begehre Versicherungsleistungen für die Wahrnehmung rechtlicher Interessen im Zusammenhang mit Beteiligungen. Das seien mittels Kapital erworbene Vermögensanlagen in Handelsgesellschaften. Davon werde auch der Beitritt des Klägers als atypischer stiller Gesellschafter erfasst. Die Risikoausschlussklausel sei weder unklar noch benachteilige sie die Versicherten unangemessen. Der durchschnittliche Versicherungsnehmer erkenne, dass die Beteiligung an einer Gesellschaft nicht in die Deckung falle.
- 14
- Der Leistungsausschluss für Beteiligungen sei infolge der zwischen der Versicherungsnehmerin und der Beklagten vereinbarten Neufassung des Gruppenversicherungsvertrages und ihrer Zusatzvereinbarung vom 27. August 2007 für alle nach dem 1. Januar 2008 gemeldeten Versicherungsfälle wirksam geworden. Das gelte auch für das Verhältnis des Klägers als Versichertem zur Beklagten, denn eine Gesamtbetrachtung der Fallumstände, der Interessenlage und des Vertragszwecks nach § 328 Abs. 2 BGB ergebe, dass der Versicherungsvertrag einem stillschweigend vereinbarten Änderungsvorbehalt unterliege, der eine Zustimmung der Versicherten nicht voraussetze. Die in der Zusatzvereinbarung enthaltene Befristung sei als eigens ausgehandelte Individualvereinbarung weder sittenwidrig noch eine unzulässige Rechtsausübung oder unangemessen; auf die Art und Weise ihrer Bekanntmachung komme es nicht an.
- 15
- Der Kläger könne nach den §§ 314, 529 Abs. 1, 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 ZPO nicht damit gehört werden, dass die Änderung des Gruppenversicherungsvertrages vom 27. August 2007 nicht erfolgt sei, nachdem er diese Behauptung in erster Instanz ausweislich des Tatbestandes des landgerichtlichen Urteils erstmals in einem nicht nachgelassenen Schriftsatz aufgestellt habe und ein diesbezüglicher Tatbestandsberichtigungsantrag vom Landgericht zurückgewiesen worden sei.
- 16
- Auch das Berufungsgericht hat einen den Klägervortrag zur Zusatzvereinbarung vom 27. August 2007 betreffenden Tatbestandsberichtigungsantrag des Klägers zurückgewiesen.
- 17
- II. Das Berufungsurteil hält rechtlicher Nachprüfung stand.
- 18
- 1. Die Verfahrensrügen des Klägers greifen nicht durch.
- 19
- a) Seine Beanstandung, das Berufungsgericht habe entscheidungserheblichen Vortrag zum Abschluss des Änderungsvertrages vom 27. August 2007 zwischen der Versicherungsnehmerin und der Beklagten rechtsfehlerhaft übergangen, geht bereits deshalb fehl, weil sie sich gegen eine tatbestandliche Feststellung wendet, die auch im Revisionsverfahren zugrunde zu legen ist, nachdem die Tatbestandsberichtigungsanträge des Klägers (§ 320 ZPO) gegen das landgerichtliche Urteil und das Berufungsurteil erfolglos geblieben sind. Diese Zurückweisung ist nach § 320 Abs. 4 Satz 4 ZPO endgültig. Sie kann nicht mit der Revi- sion angegriffen und die begehrte Richtigstellung des Tatbestandes nicht mit einer Verfahrensrüge erreicht werden (vgl. BGH, Urteile vom 1. März 2011 - XI ZR 48/10, BGHZ 188, 373 Rn. 12; vom 2. Juli 2007 - II ZR 111/05, WM 2007, 1932 Rn. 24; Beschluss vom 5. Februar 2009 - V ZR 159/08, juris Rn. 2). Von einer weiteren Begründung wird nach § 564 Satz 1 ZPO abgesehen.
- 20
- b) Die weitere Rüge, das Berufungsgericht habe den Vortrag aus dem Schriftsatz vom 4. April 2011 gemäß § 531 Abs. 2 ZPO schon deshalb zulassen müssen, weil das Landgericht sein einschränkendes Verständnis des Kläger-Schriftsatzes vom 31. Januar 2011 unter Verstoß gegen § 139 ZPO nicht offen gelegt habe, hat der Senat geprüft. Sie greift nicht durch. Auch insoweit sieht der Senat von einer näheren Begründung nach § 564 Satz 1 ZPO ab.
- 21
- 2. Sachlich-rechtlich ist das Berufungsurteil ebenfalls nicht zu beanstanden.
- 22
- Die Parteien des Versicherungsvertrages haben mit dessen Änderung am 27. August 2007 und der dazu getroffenen Zusatzvereinbarung vom gleichen Tage wirksam die Geltung des in § 3 (2) Buchst. f) bb) ARB/G 2007 geregelten Leistungsausschlusses auch für nach dem 1. Januar 2008 gemeldete Altfälle vereinbart. Der ursprünglich noch unter Geltung der ARB/G 94 und in versicherter Zeit vom Kläger erworbene Anspruch auf Deckungsschutz für die Verfolgung seiner Schadensersatzforderung ist durch diese Änderung erloschen.
- 23
- a) Der Risikoausschluss ist auch im Versicherungsverhältnis zum Kläger wirksam geworden. Entgegen seiner Auffassung hat er aufgrund des Versicherungsvertrages aus dem Jahre 1995 keine unabänderliche Rechtsstellung in Bezug auf seinen Leistungsanspruch erlangt.
- 24
- aa) Bei der hier in Rede stehenden Gruppenversicherung für Gewerkschaftsmitglieder ist zwischen dem Zuwendungs- und dem Versicherungsverhältnis zu unterscheiden. Im Rahmen des zwischen der Versicherungsnehmerin und dem Kläger vereinbarten Mitgliedschaftsverhältnisses verschafft die Versicherungsnehmerin ihren Mitgliedern auf der Grundlage des § 20 ihrer Satzung Deckungsansprüche aus einer Rechtsschutzversicherung. Zur Erfüllung dieser Verpflichtung unterhält sie bei der Beklagten einen Gruppenversicherungsvertrag, deren Versicherungsnehmerin allein sie ist, während ihre Mitglieder lediglich die Stellung von Versicherten einnehmen. Es handelt sich insoweit um einen Versicherungsvertrag für fremde Rechnung im Sinne der §§ 74 VVG a.F./43 VVG n.F. Die Auffassung des Oberlandesgerichts München (VersR 1995, 902), in einem solchen Falle sei der Versicherte als "Herr des Vertrages" anzusehen, trifft nicht zu.
- 25
- bb) Zutreffend hat das Berufungsgericht stattdessen erkannt, dass für die Frage, inwieweit die Versicherten Rechte aus dem Versicherungsvertrag erwerben und inwieweit die Vertragsparteien des Versicherungsvertrages solche Rechte gegebenenfalls wieder ändern oder aufheben können, in Ermangelung einer besonderen Bestimmung ergänzend zu den vertraglichen Vereinbarungen und den Regelungen der §§ 43 ff. VVG die Vorschrift des § 328 Abs. 2 BGB maßgeblich ist (vgl.
- 26
- cc) Anders als die Revision meint, handelt es sich bei dem im Versicherungsvertrag vom 21. Februar 1995 unter § 5 Nr. 3 geregelten Änderungsvorbehalt um keine abschließende besondere Bestimmung der Änderungsmöglichkeiten im Sinne des § 328 Abs. 2 BGB. In der genannten Vertragsklausel verpflichtet sich die Versicherungsnehmerin lediglich dazu, einvernehmlich an einer Vertragsänderung mitzuwirken, falls sich maßgebliche Gesetzesbestimmungen, die Rechtsprechung, die Verwaltungspraxis der Aufsichtsbehörden ändern, Bedingungen für unwirksam erklärt werden oder eine kartell- oder aufsichtsrechtliche Beanstandung droht.
- 27
- Das schließt es allerdings nicht aus, dass sich die Versicherungsnehmerin weiter gehend bereitfindet, im Einvernehmen mit dem Versicherer Änderungen des Versicherungsvertrages zu vereinbaren. Mit den von § 5 Nr. 3 des Versicherungsvertrages von 1995 geregelten Anlässen für eine Vertragsänderung werden die Interessen der Vertragsparteien, die für eine Änderungsmöglichkeit sprechen können, nicht vollen Umfangs erfasst. Zu Recht verweist die Revisionserwiderung auf das sich schon aus der langen Vertragslaufzeit ergebende Bedürfnis der Vertragsparteien nach weiter gehenden Änderungsmöglichkeiten.
- 28
- dd) Dass die Versicherungsnehmerin sich gegenüber den Versicherten eine Änderungsbefugnis vorbehalten will, findet seinen Niederschlag insbesondere in § 20 Nr. 4 ihrer Satzung. Dort ist im Rahmen des Zuwendungsverhältnisses bestimmt, dass sich die Versicherungsbedingungen und Leistungen nach dem mit dem Versicherungsträger abge- schlossenen Gruppenversicherungsvertrag richten. Damit ist im Zuwendungsverhältnis keine bestimmte Leistungszusage festgeschrieben, sondern es wird auf den Inhalt des Versicherungsvertrages verwiesen. Allein schon die Verwendung des abstrakten Begriffs des Versicherungsträgers und die nicht nähere Spezifizierung des Versicherungsvertrages nach Datum oder Laufzeit führen dem Gewerkschaftsmitglied vor Augen, dass selbst der Versicherer wechseln, erst recht der Versicherungsvertrag im Laufe der Jahre Änderungen unterworfen sein kann, mithin dynamisch auf den Versicherungsvertrag in seiner jeweils bestehenden Form verwiesen wird. Dass die Versicherungsnehmerin im Verhältnis zu den Versicherten alleinige Herrin des Versicherungsvertrages bleiben will, ergibt sich, wie das Berufungsgericht zu Recht annimmt, im Übrigen auch aus der Koppelung des Versicherungsschutzes an die Gewerkschaftsmitgliedschaft. Für jedes Mitglied besteht danach die Möglichkeit, die Rechtsstellung als Versicherter durch Austritt aus der Gewerkschaft zu beenden, ohne dass dies auf die Fortdauer des Versicherungsvertrages Einfluss haben soll.
- 29
- Schließlich geht auch das wirtschaftliche und sozialpolitische Interesse der Versicherungsnehmerin dahin, den Versicherungsvertrag im Einvernehmen mit dem Versicherer bei Bedarf geänderten Umständen anzupassen. Das zeigt gerade der hier zu entscheidende Fall, in dem sie sich nachvollziehbar darauf berufen hat, sie habe es nicht mehr als ihre Aufgabe angesehen, einigen wenigen ihrer Mitglieder Versicherungsschutz für Kapitalanlagestreitigkeiten zu verschaffen, die sich signifikant auf die Beitragshöhe auswirkten. Die Abwägung habe vielmehr ergeben, dass solche Streitigkeiten angesichts des nicht in den gewerkschaftlichen Aufgabenbereich fallenden Rechtsschutzziels nicht mehr von den Gewerkschaftsbeiträgen aller Mitglieder hätten finanziert werden sollen.
- 30
- ee) Das Interesse der Beklagten an einer Änderungsmöglichkeit beruht angesichts der langen Vertragsbindung vor allem auf dem Bestreben , den Versicherungsvertrag ihrem jeweils aktuellen Bedingungswerk zu unterstellen und auch die Risikokalkulation aktuellen Veränderungen anzupassen.
- 31
- ff) Die von den Parteien des Versicherungsvertrages in § 1 ihrer Zusatzvereinbarung vom 27. August 2007 getroffene Übergangsregelung , wonach die neuen Risikoausschlüsse lediglich für Altfälle nicht anzuwenden sind, die bis spätestens 31. Dezember 2007 gemeldet wurden, ist wirksam und führt zu keiner treuwidrigen Benachteiligung des Klägers.
- 32
- (1) Als individuell ausgehandelte Zusatzvereinbarung unterliegt die Übergangsregelung nicht der Kontrolle nach den §§ 305c ff. BGB. Die Maßstäbe, die der Senat im Urteil vom 15. April 1992 (IV ZR 198/91, VersR 1992, 819) für die in § 4 Abs. 4 Allgemeiner Rechtsschutzversicherungsbedingungen geregelte Ausschlussfrist aufgestellt hat, lassen sich daher auf die Zusatzvereinbarung vom 27. August 2007 nicht übertragen.
- 33
- (2) Gegen die Annahme des Berufungsgerichts, die Vereinbarung sei nicht sittenwidrig im Sinne von § 138 BGB, erinnert die Revision zu Recht nichts.
- 34
- (3) Die Zusatzvereinbarung führt aber auch nicht zu einer gegen die Gebote von Treu und Glauben (§ 242 BGB) verstoßenden, unangemessenen Benachteiligung des Klägers im konkreten Fall.
- 35
- Allerdings trifft es zu, dass der Kläger durch die Übergangsregelung in Verbindung mit der Neufassung des Versicherungsvertrages Deckungsansprüche verliert, die unter Geltung des früheren Gruppenversicherungsvertrages bereits entstanden waren und nach alter Vertragslage noch innerhalb der seinerzeit geltenden Ausschlussfrist von drei Jahren (§ 4 Abs. 3 Buchst. b) ARB/G 94) hätten angemeldet werden können. Das hat weiter zur Folge, dass er - wegen der Vorvertraglichkeit des behaupteten Rechtsverstoßes - auch nicht mehr in der Lage ist, durch den Neuabschluss einer Rechtsschutzversicherung für die Verfolgung seiner Schadensersatzansprüche aus der Beteiligung an der G. -Beteiligungs -Aktiengesellschaft anderweitig Deckungsschutz zu erlangen.
- 36
- Dennoch verstößt die Übergangsregelung in der Gesamtschau der Fallumstände nicht gegen Treu und Glauben. Den Parteien des Versicherungsvertrages ist aus Gründen der Rechtssicherheit und der Äquivalenz von Prämie und versichertem Risiko ein Interesse daran zuzubilligen , nach Änderung des Versicherungsvertrages eine Parallelführung des alten und des neuen Vertragswerkes über einen längeren Zeitraum zu vermeiden. Dass die Umstellung gezielt darauf gerichtet gewesen wäre , einzelnen Versicherten bereits entstandene Deckungsansprüche wieder zu nehmen, lässt sich gerade wegen der Möglichkeit, solche Ansprüche bis zum Jahresende 2007 anzumelden, nicht feststellen. Auch der Kläger hätte im konkreten Fall nach der vereinbarten Übergangsregelung noch mehrere Monate Gelegenheit gehabt, den Versicherungsfall vor dem 1. Januar 2008 anzumelden.
- 37
- (4) Ob die Versicherungsnehmerin mit der vereinbarten Änderung des Versicherungsvertrages gegen ihr Versprechen oder Nebenpflichten aus ihrer Satzung verstoßen und ob sie den Kläger und andere Mitglieder mit der Meldung in der Juli-Ausgabe der Gewerkschaftszeitschrift "inform" zutreffend und ausreichend über die Änderungen im Gruppenversicherungsvertrag unterrichtet hat, betrifft demgegenüber allein das zwischen ihr und dem Kläger bestehende Zuwendungsverhältnis und begründet mithin keine Ansprüche des Klägers gegen den beklagten Versicherer.
- 38
- b) Gegen die Auslegung, unter einer Beteiligung im Sinne von § 3 (2) Buchst. f) bb) ARB/G 2007 sei die mit Einsatz von Kapital erworbene Vermögensanlage in einer Handelsgesellschaft zu verstehen, ist rechtlich im Ergebnis ebenso wenig zu erinnern wie gegen die Annahme, die atypische stille Gesellschafterstellung des Klägers in der G. - Beteiligungs-Aktiengesellschaft sei eine solche Beteiligung.
- 39
- Anders als die Revision meint, ist die Klausel, soweit sie Deckungsschutz für die Wahrnehmung rechtlicher Interessen in ursächlichem Zusammenhang mit dem Ankauf, der Veräußerung oder der Verwaltung von Beteiligungen ausschließt, nicht intransparent im Sinne von § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB.
- 40
- aa) Allgemeine Versicherungsbedingungen sind so auszulegen, wie ein durchschnittlicher, um Verständnis bemühter Versicherungsnehmer sie bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und unter Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs verstehen kann. Dabei ist im Regelfall auf die Verständnismöglichkeiten eines Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse und auch auf seine Interessen abzustellen (st. Rspr, vgl. etwa Senatsurteile vom 23. Juni 1993 - IV ZR 135/92, BGHZ 123, 83, 85; vom 21. Mai 2003 - IV ZR 327/02, WM 2003, 1363 unter 2 a; vom 26. September 2007 - IV ZR 252/06, VersR 2007, 1690 Rn. 11). Liegt - wie hier - ein Gruppenversicherungsvertrag und damit eine Versicherung zugunsten Dritter vor, so kommt es daneben auch auf die Verständnismöglichkeiten durchschnittlicher Versicherter und ihre Interessen an (vgl. etwa für die Zusatzversorgung im öffentlichen Dienst: Senatsurteil vom 12. Januar 2011 - IV ZR 118/10, VersR 2011, 611 Rn. 11 m.w.N.).
- 41
- Das Versicherteninteresse geht bei Risikoausschlussklauseln in der Regel dahin, dass der Versicherungsschutz nicht weiter verkürzt wird, als der erkennbare Zweck einer Klausel dies gebietet. Der durchschnittliche Versicherte braucht nicht mit Lücken im Versicherungsschutz zu rechnen, ohne dass die Klausel ihm dies hinreichend verdeutlicht. Deshalb sind Risikoausschlussklauseln nach ständiger Rechtsprechung des Senats eng und nicht weiter auszulegen, als es ihr Sinn unter Beachtung ihres wirtschaftlichen Zwecks und der gewählten Ausdrucksweise erfordert (Senatsurteile vom 23. November 1994 - IV ZR 48/94, VersR 1995, 162 unter 3 b; vom 27. Juni 2012 - IV ZR 212/10, VersR 2012, 1253 Rn. 20).
- 42
- bb) Die nach diesen Maßstäben gebotene enge Auslegung der Klausel ergibt, dass der durchschnittliche Versicherte erkennt, dass der Versicherer mit § 3 (2) Buchst. f) ARB/G 2007 sein Leistungsversprechen zum einen für Geschäfte des Versicherten zurücknehmen will, die auf hochspekulativen Gewinnerwartungen beruhen (Spiel- oder Wettverträge , Termin- oder vergleichbaren Spekulationsgeschäfte), dass zum anderen aber auch die Wahrnehmung rechtlicher Interessen im Zusammenhang mit den unter Buchstaben bb) aufgeführten Kapitalanlagen (Wertpapieren, z.B. Aktien, Rentenwerte oder Fondsanteile, ferner Wert- rechten, die Wertpapieren gleichstehen) vom Versicherungsschutz ausgenommen werden soll. Das ermöglicht es, den ebenfalls unter bb) aufgeführten Begriff der Beteiligungen systematisch den Kapitalanlagen zuzuordnen. Damit erfährt der im Ansatz sehr weite Begriff (vgl. dazu Maier in Harbauer, ARB 8. Aufl. ARB 2000 § 3 Rn. 233), der seinem Wortsinne nach zunächst auch auf die Teilnahme des Versicherten an Gruppierungen oder Veranstaltungen jeder Art oder diverse Formen von Gewinnbeteiligungen bezogen werden könnte, seine notwendige Einschränkung. Im Kontext mit den übrigen unter bb) aufgezählten Kapitalanlagen wird der Versicherte den Begriff der Beteiligungen dahin verstehen, dass nur die unter Kapitaleinsatz und zum Zwecke der Kapitalanlage erworbene Gesellschafterstellung in einer Gesellschaft gemeint sein kann, deren Zweck die rechtsgeschäftliche Teilnahme am Wirtschaftsleben ist.
- 43
- cc) Soweit sich die Revision auf die Unwirksamkeit ähnlicher Risikoausschlussklauseln berufen hat ("Effektenklausel" und "Prospekthaftungsklausel" ; vgl. dazu die Senatsurteile vom heutigen Tage in den Verfahren IV ZR 84/12 und IV ZR 174/12; vgl. dazu auch OLG München r+s 2012, 24; OLG Frankfurt am Main VersR 2012, 757; OLG Düsseldorf, Urteil vom 13. September 2012 - I-6 U 198/11, juris), kann sie keinen Erfolg haben. Über solche Klauseln ist hier nicht zu befinden. Der allein verwendete Begriff der Beteiligungen kann bei der gebotenen engen Auslegung von einem durchschnittlichen Versicherten infolge des Sachzusammenhangs des § 3 (2) Buchst. f) ARB/G 2007 zutreffend erfasst werden.
Lehmann Dr. Brockmöller
Vorinstanzen:
LG Köln, Entscheidung vom 11.04.2011- 24 O 339/10 -
OLG Köln, Entscheidung vom 29.11.2011 - 9 U 95/11 -
BUNDESGERICHTSHOF
Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch die Vorsitzende Richterin Mayen, die Richter Felsch, Dr. Karczewski, die Richterin Dr. Brockmöller und den Richter Dr. Götz auf die mündliche Verhandlung vom 18. Oktober 2017
für Recht erkannt:
Von Rechts wegen
Tatbestand:
- 1
- Der Kläger nimmt die Beklagte - soweit noch für das Revisionsverfahren von Belang - auf Leistungen aus einer Unfallversicherung wegen zweier Unfälle vom 8. Oktober 2009 und 2. März 2010 seiner mitversicherten und inzwischen verstorbenen Ehefrau in Anspruch. Dem Versicherungsvertrag zwischen den Parteien liegen die Allgemeinen Unfall- versicherungs-Bedingungen der Beklagten (im Folgenden: AUB 2000) zugrunde. In diesen heißt es unter anderem: "2.1 Invaliditätsleistung 2.1.1 Voraussetzungen für die Leistung 2.1.1.1 Die versicherte Person ist durch den Unfall auf Dauer in ihrer körperlichen oder geistigen Leistungsfähigkeit beeinträchtigt (Invalidität). Die Invalidität ist - innerhalb von fünfzehn Monaten nach dem Unfall eingetreten … … 2.1.2 Art und Höhe der Leistung … 2.1.2.2.1 Bei Verlust oder völliger Funktionsunfähigkeit der nachstehend genannten Körperteile und Sinnesorgane gelten ausschließlich die folgenden Invaliditätsgrade:
a) Arm 70% … Bein bis zur Mitte des Oberschenkels 60% … 2.1.2.2.2 Für andere Körperteile und Sinnesorgane bemisst sich der Invaliditätsgrad danach, inwieweit die normale körperliche oder geistige Leistungsfähigkeit insgesamt beeinträchtigt ist. Dabei sind ausschließlich medizinische Gesichtspunkte zu berücksichtigen. 2.1.2.2.3 Waren betroffene Körperteile oder Sinnesorgane oder deren Funktionen bereits vor dem Unfall dauernd beeinträchtigt , wird der Invaliditätsgrad um die Vorinvalidität gemindert. Diese ist nach Ziffer 2.1.2.2.1 und Ziffer 2.1.2.2.2 zu bemessen. … 9. Wann sind die Leistungen fällig? … 9.4 Sie und wir sind berechtigt, den Grad der Invalidität jährlich, längstens bis zu drei Jahren nach dem Unfall, er- neut ärztlich bemessen zu lassen. … 10. Wann beginnt und wann endet der Vertrag? … 10.3 Kündigung nach Versicherungsfall Den Vertrag können Sie oder wir durch Kündigung beenden , wenn wir eine Leistung erbracht oder Sie gegen uns Klage auf Leistung erhoben haben. Die Kündigung muss Ihnen oder uns spätestens einen Monat nach Leistung oder - im Falle eines Rechtsstreits - nach Klagerücknahme, Anerkenntnis, Vergleich oder Rechtskraft des Urteils zugegangen sein. …"
- 2
- Am 23. April 2008 erlitt die mitversicherte Ehefrau bei einem Sturz eine Schenkelhalsfraktur links, die mit einem künstlichen Hüftgelenk versorgt wurde. Aufgrund dieses Unfalles zahlte die Beklagte gemäß Schreiben vom 9. Juli 2008 Krankenhaustagegeld, vom 19. Mai 2009 einen Invaliditätsvorschuss sowie gemäß Abfindungserklärung vom 21. Juli 2009 einen Endbetrag. Mit Schreiben vom 13. August 2009 kündigte die Beklagte die Unfallversicherung gemäß Ziff. 10.3 AUB 2000 unter Bezugnahme auf den Unfall vom 23. April 2008.
- 3
- Am 8. Oktober 2009 stürzte die Ehefrau auf die linke Schulter und erlitt eine Oberarmkopffraktur. In einem für die Beklagte erstatteten Gutachten vom 8. November 2010 stellte der Sachverständige Dr. P. als Folge dieses Unfalles eine drastische Einschränkung der Beweglichkeit des linken Schultergelenks fest und bemaß die Funktions- minderung mit 10/20 Armwert. Ferner stürzte die Ehefrau am 2. März 2010 und zog sich eine Tibiakopffraktur am linken Knie zu. Der Kläger nimmt die Beklagte auf Zahlung von Krankenhaustagegeld sowie Invaliditätsentschädigung für die beiden Unfälle vom 8. Oktober 2009 und 2. März 2010 in Anspruch. Das Landgericht hat der Klage in Höhe von 72.317 € nebst anteiliger Zinsen teilweise stattgegeben. Auf die wechselseitigen Rechtsmittel der Parteien hat das Oberlandesgericht die Berufung der Beklagten zurückgewiesen und unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels des Klägers die Beklagte verurteilt, an den Kläger insgesamt 89.717 € nebst anteiliger Zinsen zu zahlen. Mit der vom Senat zugelassenen Revision erstrebt die Beklagte weiter eine Abweisung der Klage.
Entscheidungsgründe:
- 4
- Die Revision der Beklagten hat teilweise Erfolg. In diesem Umfang führt sie zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
- 5
- I. Dieses ist - nach ergänzender Beweisaufnahme durch weitere Gutachten des schon in erster Instanz tätigen Sachverständigen Dr. M. - zu dem Ergebnis gelangt, dem Kläger stünden Ansprüche aus dem Unfall seiner Ehefrau vom 8. Oktober 2009 wegen der erlittenen Oberarmkopffraktur zu. Zum Zeitpunkt des Unfalles habe die Versicherung noch bestanden. Die von der Beklagten erklärte Kündigung vom 13. August 2009 sei nicht wirksam, da die Kündigungsfrist nicht gewahrt sei. Diese habe mit der Leistung des Krankenhaustagegeldes gemäß Schrei- ben vom 9. Juli 2009 begonnen. Das Kündigungsrecht entstehe nach Ziff. 10.3 AUB 2000, wenn der Versicherer eine von mehreren unfallbedingt geschuldeten Leistungen oder eine dem Grund und der Höhe nach festgestellte Teilleistung erbracht habe. Der durchschnittliche Versicherungsnehmer könne der Klausel nicht entnehmen, dass dem Versicherer nach jeder weiteren Leistung ein neues, selbständiges Kündigungsrecht zustehen solle. Jedenfalls greife zugunsten des Versicherungsnehmers die Unklarheitenregelung des § 305c Abs. 2 BGB ein.
- 6
- Infolge des Unfalles stehe dem Kläger neben dem Krankenhaustagegeld von 11.417 € ein Anspruch auf Invaliditätsleistung in der vom Landgericht zuerkannten Höhe von 60.900 € zu. Durch den Unfall sei eine dauerhafte Funktionseinschränkung an dem Schultergelenk eingetreten. Diese führe zu einem Invaliditätsgrad von 35%. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Invaliditätsbemessung sei die Dreijahresfrist, da der Kläger noch vor Ablauf der Neubemessungsfrist klageweise Invaliditätsansprüche geltend gemacht habe. Ausgehend von dem Ablauf der 15-monatigen Invaliditätseintrittsfrist am 8. Januar 2011 sei von einem Invaliditätsgrad von 10/20 Armwert auszugehen. Die Beklagte sei dafür beweispflichtig , dass innerhalb der Dreijahresfrist bis zum 8. Oktober 2012 etwaige Veränderungen eingetreten seien. Diesen Beweis habe sie nicht geführt. Zwar habe der Sachverständige zum Zeitpunkt der Untersuchung am 20. November 2013 festgestellt, dass keine "frozen shoulder" mehr vorgelegen habe. Es lasse sich jedoch nicht mit der erforderlichen Sicherheit feststellen, dass diese Verbesserung bereits am 8. Oktober 2012 eingetreten sei. Ließe man hingegen für eine Reduzierung der Invaliditätsleistung im Rahmen der Neubemessung genügen, dass bei Ablauf der Dreijahresfrist noch mit einer zukünftigen Verbesserung zu rech- nen sei, müsse jedenfalls eine hohe Wahrscheinlichkeit für eine solche Prognose verlangt werden. Daran fehle es hier.
- 7
- Hinsichtlich des Unfalles vom 2. März 2010 habe der Kläger einen Anspruch auf Invaliditätsentschädigung in Höhe von 17.400 €. Die Ehefrau habe durch den Unfall eine Tibiakopffraktur des linken Knies erlitten. Unter Berücksichtigung der Vorinvalidität des Knies betrage der Invaliditätsgrad rechnerisch 11,25% (1/4 von 60% = 15%, abzüglich anteiliger Vorinvalidität von einem Viertel). Die Vorinvalidität des Hüftgelenks sei dem Bein nicht zuzuordnen, so dass insoweit kein weiterer Abzug in Betracht komme.
- 8
- II. Das hält rechtlicher Nachprüfung überwiegend nicht stand.
- 9
- 1. Unfall vom 8. Oktober 2009
- 10
- a) Entgegen der Auffassung der Revision bestand der Unfallversicherungsvertrag zwischen den Parteien zum Zeitpunkt des Unfalles vom 8. Oktober 2009 (Oberarmkopffraktur) allerdings noch. Die von der Beklagten erklärte Kündigung war nicht wirksam, da die Kündigungsfrist gemäß Ziff. 10.3 Satz 2 AUB 2000 nicht eingehalten wurde. Die einmonatige Kündigungsfrist begann mit der Zahlung des Krankenhaustagegeldes durch die Beklagte gemäß Schreiben vom 9. Juli 2008 und war zum Zeitpunkt der Kündigungserklärung am 13. August 2009 abgelaufen.
- 11
- aa) Die Frage, wie die Kündigungsfrist in Ziff. 10.3 AUB 2000, die den in der Unfallversicherung verwendeten Standardbedingungen entspricht (vgl. etwa Ziff. 10.3 AUB 2010, abgedruckt bei Prölss/Martin, VVG 29. Aufl. S. 2778), zu berechnen ist, wird unterschiedlich beurteilt. Nach überwiegender Auffassung entsteht das Kündigungsrecht für jede Vertragspartei, sobald eine Leistung aus dem Versicherungsvertrag erbracht wurde, mithin mit der ersten Leistung (vgl. LG München I VersR 1981, 249; HK-VVG/Rüffer, 3. Aufl. Ziff. 10 AUB 2010 Rn. 5; Grimm, Unfallversicherung 5. Aufl. Ziff. 10 AUB Rn. 20, 26; MünchKomm-VVG/Dörner , 2. Aufl. § 178 Rn. 10; FAKomm-VersR/Hugemann, Ziff. 10 AUB 2010 Rn. 6; Leverenz in Bruck/Möller, VVG 9. Aufl. AUB 2008 Ziff. 10 Rn. 46; Mangen in Beckmann/Matusche-Beckmann, Versicherungsrechts-Handbuch 3. Aufl. § 47 Rn. 123; vgl. auch Jannsen in Schubach/Jannsen, Private Unfallversicherung Ziff. 10 AUB Rn. 22). Nach der Gegenauffassung wird das Kündigungsrecht demgegenüber mit jeder Teilleistung neu begründet (so insbesondere Jacob, Unfallversicherung AUB 2014 2. Aufl. Ziff. 10 Rn. 6; vgl. zur Problematik ferner Knappmann in Prölss/Martin, VVG 29. Aufl. Ziff. 10 AUB 2010 Rn. 6).
- 12
- bb) Die überwiegende Auffassung trifft zu. Hierfür spricht bereits der Wortlaut der Klausel. Danach kann der Vertrag durch jede Vertragspartei beendet werden, wenn der Versicherer "eine Leistung erbracht" hat. Bei der Auslegung von Allgemeinen Versicherungsbedingungen kommt es nach ständiger Rechtsprechung des Senats darauf an, wie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer sie bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und unter Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs versteht. Dabei kommt es auf die Verständnismöglichkeiten eines Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse und damit - auch - auf seine Interessen an. In erster Linie ist vom Bedingungswortlaut auszugehen. Der mit dem Bedingungswerk verfolgte Zweck und der Sinnzusammenhang sind zusätzlich zu berücksichtigen , soweit sie für den Versicherungsnehmer erkennbar sind (Senatsurteil vom 1. April 2015 - IV ZR 104/13, VersR 2015, 617 Rn. 13 m.w.N.). Auf dieser Grundlage wird ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer die Klausel dahin verstehen, dass das Kündigungsrecht einsetzt, sobald eine Leistung seitens des Versicherers erbracht worden ist. Dem Klauselwortlaut lässt sich an keiner Stelle entnehmen, dass das Kündigungsrecht mit weiteren Leistungen jeweils neu entsteht. Anderenfalls hätte dies zur Folge, dass dem Versicherer je nach Anzahl der von ihm erbrachten Teilleistungen eine für den Versicherungsnehmer unabsehbare Zahl von Kündigungsrechten zustünde. Ebenso wenig ist der Klausel zu entnehmen, dass das Kündigungsrecht und damit der Fristlauf erst mit der Abschlussleistung des Versicherers einsetzt, durch die die Gesamtentschädigung geleistet wird. Dies wird dem Versicherungsnehmer im Wortlaut der Klausel, die unterschiedslos auf "eine Leistung" abstellt , nicht verdeutlicht.
- 13
- Auch aus dem dem Versicherungsnehmer erkennbaren Sinn und Zweck der Klausel erschließt sich ihm nicht, dass dem Versicherer jeweils ein neues Kündigungsrecht für den gesamten Vertrag zusteht, sobald er eine Teilleistung erbracht hat. Das Sonderkündigungsrecht nach Eintritt des Versicherungsfalles und Leistung des Versicherers soll einerseits dem Versicherungsnehmer die Möglichkeit geben, sich vom Vertrag lösen zu können, wenn er mit der Regulierungspraxis des Versicherers nicht zufrieden ist, sowie umgekehrt dem Versicherer, wenn er Anlass hat, an der Redlichkeit des Versicherungsnehmers zu zweifeln, oder für die Zukunft weitere Schadenfälle erwartet (vgl. MünchKomm-VVG/Dörner , 2. Aufl. § 178 Rn. 10; Leverenz in Bruck/Möller, VVG 9. Aufl. Ziff. 10 AUB 2008 Rn. 5). Angesichts dieses auch für den Versicherungsnehmer ersichtlichen Zwecks der Klausel erhellt sich ihm nicht, weshalb dem Versicherer immer neue Kündigungsrechte zustehen sollen, wenn er ein- zelne Teilleistungen erbracht hat. Vielmehr muss sich der Versicherer, sobald er eine Teilleistung aus einem einheitlichen Unfallversicherungsvertrag erbracht hat, selbst darüber Klarheit verschaffen, ob er am Vertrag festhalten will oder nicht.
- 14
- Zwar sind in der Unfallversicherung - wie auch hier - häufig mehrere Leistungsarten vereinbart, insbesondere Krankenhaustagegeld und Invaliditätsleistung. In diesen Fällen kann es dazu kommen, dass die Leistungspflicht des Versicherers etwa für Krankenhaustagegeldleistungen bereits feststeht, bevor abschließende Ermittlungen zu Grund und Höhe der Invaliditätsleistung getroffen wurden. Dies bedeutet aber nicht, dass dem Versicherer zumindest ein isoliertes Kündigungsrecht für die verschiedenen Leistungsarten zusteht, sobald für diese jeweils eine Leistung erbracht wurde (in diese Richtung etwa Jannsen in Schubach/ Jannsen, Private Unfallversicherung Ziff. 10 AUB Rn. 18). Für eine derartige Differenzierung nach Teilkündigungen für einzelne Leistungsarten ergibt sich aus der hier vereinbarten Klausel nichts.
- 15
- Scheidet eine Kündigung der Beklagten mithin bereits wegen Verfristung aus, so kann die weitere Frage, ob das in Ziff. 10.3 AUB 2000 vereinbarte Sonderkündigungsrecht einer materiellen Inhaltskontrolle gemäß § 307 BGB standhält, offen bleiben.
- 16
- b) Aus der Unwirksamkeit der Kündigung der Beklagten folgt zugleich die Berechtigung der Forderung des Klägers bezüglich des Krankenhaustagegeldes in Höhe von 11.417 €. Insoweit bleibt die Revision ohne Erfolg.
- 17
- Mit Erfolg wendet sie sich demgegenüber gegen die dem Kläger vom Berufungsgericht zugesprochene Invaliditätsleistung in Höhe von 60.900 €. Das Berufungsgericht ist rechtsfehlerhaft unter Verstoß gegen § 180 VVG, der hier gemäß Art. 1 Abs. 1 und 2 EGVVG Anwendung findet , sowie Ziff. 2.1.1.1 AUB 2000 von einer dauerhaften Funktionseinschränkung des Schultergelenks der Ehefrau mit einem Invaliditätsgrad von 10/20 Armwert (= 35%) ausgegangen.
- 18
- aa) Unzutreffend nimmt das Berufungsgericht an, die Beklagte sei beweispflichtig für eine Verbesserung des Gesundheitszustandes der mitversicherten Ehefrau zum Stichtag des 8. Oktober 2012. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats ist im Recht der Unfallversicherung zwischen der Erstbemessung der Invalidität und ihrer Neubemessung zu unterscheiden (Senatsurteil vom 18. November 2015 - IV ZR 124/15, BGHZ 208, 9 Rn. 10 m.w.N.). Entscheidender Zeitpunkt für die - entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung hier maßgebliche - Erstbemessung der Invalidität ist der Zeitpunkt des Ablaufs der in den Allgemeinen Versicherungsbedingungen vereinbarten Invaliditätseintrittsfrist (aaO Rn. 12, 19). Dies ist hier bei der vereinbarten 15-monatigen Invaliditätseintrittsfrist der 8. Januar 2011. Auf die Dreijahresfrist kommt es demgegenüber ausnahmsweise an, wenn der Versicherungsnehmer noch vor Ablauf dieser Neubemessungsfrist klageweise Invaliditätsansprüche geltend macht. In einem solchen Fall gehen die Prozessbeteiligten typischerweise davon aus, dass der Streit insgesamt in dem vor Fristablauf eingeleiteten Prozess ausgetragen werden soll einschließlich etwaiger weiterer Invaliditätsfeststellungen (Senatsurteile vom 18. November 2015 aaO Rn. 14; vom 4. Mai 1994 - IV ZR 192/93, VersR 1994, 971 unter 3 c). So liegt der Fall hier, da die Klage innerhalb der für die Neubemessung geltenden Dreijahresfrist, die am 8. Oktober 2012 ablief, erhoben wurde. In einem solchen Fall ist von einem beidseitigen Einverständnis der Parteien zur Invaliditätsfeststellung zum Ablauf des dritten Jahres nach dem Unfalltag auszugehen (Senatsurteil vom 4. Mai 1994 aaO).
- 19
- Hieraus folgt entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts jedoch nicht, dass in einem derartigen Fall eine gestufte Ermittlung des Invaliditätsgrades in der Weise zu erfolgen hätte, dass dieser zunächst auf der Grundlage der 15-monatigen Invaliditätseintrittsfrist sowie anschließend nach Maßgabe der Dreijahresfrist für die Neufestsetzung vorzunehmen wäre, und zwar mit einer Beweislast des Versicherungsnehmers für den Invaliditätsgrad zum Zeitpunkt des Ablaufs der 15-monatigen Invaliditätseintrittsfrist sowie einer Beweislast des Versicherers für Veränderungen zum Ende der Dreijahresfrist. Insoweit wird übersehen, dass es in derartigen Fällen nicht um die Neufestsetzung der Invalidität, sondern weiterhin um deren Erstfestsetzung geht, für die nur deshalb nicht auf die vertraglich vereinbarte Invaliditätseintrittsfrist von 15 Monaten abzustellen ist, weil der Versicherungsnehmer noch innerhalb der für die Neubemessung maßgeblichen Dreijahresfrist Klage erhoben hat. Dies ändert indessen nichts daran, dass es sich auch in solchen Fällen einheitlich um die Erstfestsetzung der Invalidität mit einer den Versicherungsnehmer treffenden Beweislast handelt. Dies verkennt das Berufungsgericht , wenn es ausführt, es könne für die Beweislast keinen Unterschied machen, ob der Versicherer eine ordnungsgemäße Erstbemessung vorgenommen habe und deshalb nur über die von ihm verlangte Neubemessung gestritten werde, oder er bereits die Erstbemessung verweigert habe.
- 20
- bb) Rechtsfehlerhaft hat das Berufungsgericht ferner angenommen , nach den Feststellungen des Sachverständigen Dr. M. sei nicht davon auszugehen, dass innerhalb der Dreijahresfrist eine Verbesserung des Gesundheitszustandes eingetreten sei, die eine Neubemessung der Invalidität rechtfertige. Hierbei verkennt das Berufungsgericht, dass nach § 180 Satz 1 VVG der Versicherer die für den Fall der Invalidität versprochenen Leistungen im vereinbarten Umfang schuldet, wenn die körperliche oder geistige Leistungsfähigkeit der versicherten Person unfallbedingt dauerhaft beeinträchtigt ist (ebenso Ziff. 2.1.1.1 AUB 2000). Eine Beeinträchtigung ist gemäß § 180 Satz 2 VVG, der weitgehend die bisherige Rechtslage kodifiziert (BT-Drucks. 16/3945 S. 108; Knappmann in Prölss/Martin, VVG 29. Aufl. § 180 Rn. 5; HK-VVG/Rüffer, 3. Aufl. § 180 Rn. 2; kritisch PK-VersR/Brömmelmeyer, 3. Aufl. § 180 VVG Rn. 4; FAKomm-VersR/Hugemann, § 180 VVG Rn. 4), dauerhaft, wenn sie voraussichtlich länger als drei Jahre bestehen wird und eine Änderung dieses Zustandes nicht erwartet werden kann. Hieraus folgt, dass bei der Beurteilung der Dauerhaftigkeit auf den drei Jahre nach dem Unfall vorliegenden und zu diesem Zeitpunkt erkennbaren, d.h. hinreichend prognostizierbaren , Dauerzustand abzustellen ist (Senatsurteile vom 20. April 2005 - IV ZR 237/03, VersR 2005, 927 unter II 1; vom 28. Februar 1990 - IV ZR 36/89, VersR 1990, 478 unter 3; vom 13. April 1988 - IVa ZR 303/86, VersR 1988, 798; Knappmann in Prölss/Martin, VVG 29. Aufl. § 180 Rn. 5; Leverenz in Bruck/Möller, VVG 9. Aufl. § 180 Rn. 23). Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts kommt es mithin nicht abschließend auf den Ist-Zustand nach Ablauf der Dreijahresfrist an, sondern darauf, ob auf der Grundlage des nach Ablauf der Dreijahresfrist bestehenden Zustandes ein hinreichend prognostizierbarer Dauerzustand zu erwarten ist oder nicht. Außer Betracht zu bleiben haben lediglich spätere Veränderungen, die bei Ablauf der Dreijahresfrist - seien sie positiv oder negativ - nicht vorauszusehen waren (vgl. Senatsurteil vom 20. April 2005 aaO unter II 1, 3).
- 21
- Unzutreffend ist ferner die Hilfserwägung des Berufungsgerichts, es müsse für einen Wegfall der Invaliditätsleistung jedenfalls eine hohe Wahrscheinlichkeit für eine Prognose bezüglich der zukünftigen Verbesserung des Gesundheitszustandes bestehen. Aus der Regelung in § 180 Satz 2 VVG ergibt sich vielmehr im Gegenteil, dass mit Ablauf der Dreijahresfrist mit Wahrscheinlichkeit von einem Dauerzustand auszugehen sein muss (vgl. Leverenz in Bruck/Möller aaO). Insoweit legt das Berufungsgericht erneut eine unzutreffende Verteilung der Darlegungs- und Beweislast zugrunde, weil es verkennt, dass es hier um die Erstfeststellung der Invalidität geht.
- 22
- 2. Unfall vom 2. März 2010
- 23
- Soweit das Berufungsgericht wegen des Unfalles der Ehefrau des Klägers vom 2. März 2010 hinsichtlich der Tibiakopffraktur des linken Knies bezogen auf den in der Gliedertaxe vereinbarten Wert für das "Bein bis zur Mitte des Oberschenkels" von 60% keinen Abzug wegen der Vorinvalidität des Hüftgelenks vorgenommen hat, ist dies - jedenfalls ohne weitere Sachverhaltsaufklärung - rechtsfehlerhaft. Gemäß Ziff. 2.1.2.2.3 AUB 2000 wird der Invaliditätsgrad um die Vorinvalidität gemindert, wenn betroffene Körperteile oder Sinnesorgane oder deren Funktionen bereits vor dem Unfall dauernd beeinträchtigt waren. Die Beklagte hat eine derartige Vorinvalidität infolge einer durch das vorgeschädigte Hüftgelenk hervorgerufenen Funktionseinschränkung des Beines behauptet.
- 24
- Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ergibt sich aus dem Senatsurteil vom 1. April 2015 nicht, dass eine solche Vorinvalidität hier nicht zu berücksichtigen wäre. In dieser Entscheidung hat der Senat klargestellt, dass der Invaliditätsgrad bei einer Gebrauchsminderung der Schulter nicht nach der Gliedertaxe, sondern den Regeln zur Invaliditätsbestimmung für andere Körperteile zu ermitteln ist, wenn das Schultergelenk in den Bestimmungen der Gliedertaxe über Verlust oder Funktionsunfähigkeit eines Armes keine Erwähnung findet (IV ZR 104/13, VersR 2015, 617 Rn. 12, 16 f.). Diese Ausführungen beziehen sich allein auf die Feststellung der Invalidität nach der Gliedertaxe im Sinne von Ziff. 2.1.2.2.1 bzw. für andere Körperteile und Sinnesorgane im Sinne von Ziff. 2.1.2.2.2 AUB 2000. Hier geht es demgegenüber um die Berücksichtigung der Vorinvalidität, die in Ziff. 2.1.2.2.3 AUB 2000 geregelt ist. In dem der Entscheidung des Senats vom 1. April 2015 zugrunde liegenden Sachverhalt betraf die Vorschädigung aus einem früheren Unfall nach der Behauptung des Versicherers den linken Arm infolge einer Teildurchtrennung der Trizepssehne im Bereich des Oberarmes. Der Senat hat hierzu ausgeführt, es bedürfe, wenn man nach richtiger Auslegung der Gliedertaxe die nach dem zweiten Unfall erlittene Dauerschädigung nicht dem Arm, sondern dem linken Schultergürtel zuordne, besonderer Darlegungen, dass die Vorschädigung am Oberarm dem von der Invalidität "betroffenen Körperteil" im Sinne der Klausel zuzuordnen sei (aaO Rn. 25).
- 25
- Anders als das Berufungsgericht meint, muss die Vorinvalidität mithin nicht im betroffenen Körperteil selbst vorhanden sein, sondern kann sich auch durch Beeinträchtigungen der Funktionen des betroffenen Körperteils infolge der Invalidität eines anderen Körperteils ergeben. Das Berufungsgericht wird nach Zurückverweisung der Sache Gelegen- heit haben, auch die erforderlichen Feststellungen hinsichtlich einer möglichen Vorinvalidität infolge der Schädigung des Hüftgelenks zu treffen.
Dr. Brockmöller Dr. Götz
Vorinstanzen:
LG Stade, Entscheidung vom 09.12.2014 - 3 O 121/11 -
OLG Celle, Entscheidung vom 07.07.2016- 8 U 6/15 -
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Frankfurt (Oder) vom 23. April 2009 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
- 1
- Der Kläger unterhält seit dem Jahre 1994 bei der Beklagten eine Unfallversicherung, der neben Allgemeinen Unfallversicherungs-Bedingungen (AUB 88) Besondere Bedingungen für die Unfallversicherung mit progressiver Invaliditätsstaffel (U 07/88) zugrunde liegen.
- 2
- Auszugsweise lautet § 7 I AUB 88 (Invaliditätsleistung) wie folgt: "(1) Führt der Unfall zu einer dauernden Beeinträchtigung der körperlichen oder geistigen Leistungsfähigkeit (Invalidität) des Versicherten, so entsteht Anspruch auf Kapitalleistung aus der für den Invaliditätsfall versicherten Summe. … (2) Die Höhe der Leistung richtet sich nach dem Grad der Invalidität.
a) Als feste Invaliditätsgrade gelten - unter Ausschluss des Nachweises einer höheren oder geringeren Invalidität - bei Verlust oder Funktionsunfähigkeit … eines Beines über der Mitte des Oberschenkels 70%
b) Bei Teilverlust oder Funktionsbeeinträchtigung eines dieser Körperteile oder Sinnesorgane wird der entsprechende Teil des Prozentsatzes nach a) angenommen. … (3) Wird durch den Unfall eine körperliche oder geistige Funktion betroffen, die schon vorher dauernd beeinträchtigt war, so wird ein Abzug in Höhe dieser Vorinvalidität vorgenommen. Diese ist nach (2) zu bemessen."
- 3
- In den Besonderen Bedingungen wird § 7 I AUB 88 wie folgt erweitert : "Führt ein Unfall nach den Bemessungsgrundsätzen der Nummern (2) und (3) zu einer dauernden Beeinträchtigung der körperlichen oder geistigen Leistungsfähigkeit, werden der Berechnung der Invaliditätsleistung folgende Versicherungssummen zugrunde gelegt:
a) für den 25% nicht übersteigenden Teil des Invaliditätsgrades die im Versicherungsschein festgelegte Invaliditätssumme ,
b) für den 25%, nicht aber 50% übersteigenden Teil des Invaliditätsgrades die doppelte Invaliditätssumme,
c) für den 50% übersteigenden Teil des Invaliditätsgrades die dreifache Invaliditätssumme."
- 4
- Der Kläger erlitt zunächst am 27. Januar 2005 einen Skiunfall und am 8. Februar 2006 einen Glatteisunfall; durch beide Unfälle kam es zu Dauerschäden an seinem rechten Bein. Der von der Beklagten beauftragte Gutachter bemaß die Gesamtinvalidität des Klägers mit 6/10 von 70% und ordnete diese zu jeweils 3/10 dem ersten und dem zweiten Unfall zu. Die Beklagte zahlte an den Kläger unter Heranziehung der Gliedertaxe in § 7 I (2) a AUB 88 einen Gesamtbetrag von 55.296 €. Der Leistungsberechnung lag für den ersten Unfall eine Versicherungssumme von 122.880 € und für den zweiten Unfall von 138.240 € zugrunde, von der die Beklagte jeweils 21% (3/10 von 70%) ansetzte. Daraus errechneten sich 25.804,80 € für den ersten Unfall und 29.030,40 € für den zweiten Unfall, insgesamt 54.835,20 €. Die Überzahlung von 460,80 € verlangt die Beklagte nicht zurück.
- 5
- Der Kläger vertritt die Ansicht, es sei eine Gesamtinvalidität von 42% Berechnungsgrundlage für die Invaliditätsleistung. Von der für den zweiten Unfall festgestellten Invalidität in Höhe von 21% seien 4% auf die einfache Invaliditätssumme, 17% hingegen auf die doppelte Invaliditätssumme zu beziehen. Das ergebe für den zweiten Unfall eine Invaliditätsleistung von 38%, was einem Betrag von 52.531,20 € entspreche. Für beide Unfälle zusammengerechnet seien 78.376 € zu entschädigen abzüglich bereits geleisteter 55.296 €.
- 6
- Das Landgericht hat die auf 23.040 € zuzüglich Zinsen gerichtete Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers hatte in vollem Umfang Erfolg. Dagegen wendet sich die Beklagte mit ihrer Revision.
Entscheidungsgründe:
- 7
- Das Rechtsmittel ist begründet.
- 8
- Das I. Berufungsgericht hat ausgeführt, die von der Beklagten verwendeten Versicherungsbedingungen seien unklar. Die sich bei einer Auslegung des § 7 I AUB 88 und der Besonderen Bedingungen ergebenden Zweifel gingen gemäß § 305c Abs. 2 BGB zu Lasten der Beklagten. Die vom Kläger geltend gemachte Lesart der Bedingungen sei rechtlich vertretbar und stelle die für ihn günstigste Auslegungsmöglichkeit dar; sie sei daher der Berechnung der Invaliditätsleistung zugrunde zu legen. Erst in den AUB 99 - und nicht schon in den zwischen den Parteien vereinbarten AUB 88 - finde sich die klare Festlegung, dass zur Berücksichtigung einer Vorinvalidität "der Invaliditätsgrad" gemindert werden müsse.
- 9
- II. Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
- 10
- 1.Versicherungsbedingungensind aus sich heraus zu interpretieren ohne vergleichende Betrachtungen mit anderen Versicherungsbedingungen , die dem Versicherungsnehmer regelmäßig nicht bekannt sind und auch nicht bekannt sein müssen, so dass ihm eine bedingungsübergreifende Würdigung deshalb von vornherein verschlossen bleibt (vgl.
- 11
- 2. Ein solcher Versicherungsnehmer entnimmt zunächst § 7 I (1) AUB 88, dass die Beklagte als Versicherer ihm eine Invaliditätsleistung verspricht für den Fall, dass ein Unfall zu einer dauernden Beeinträchtigung seiner körperlichen oder geistigen Leistungsfähigkeit (Invalidität) führt. Unter den in der Klausel weiter genannten Voraussetzungen entsteht ein Anspruch auf Kapitalleistung aus der für den Invaliditätsfall vereinbarten Versicherungssumme. Wie sich die Höhe der Leistung im Einzelnen bemisst, erfährt der Versicherungsnehmer aus § 7 I (2) AUB 88; danach richtet sich diese nach dem Grad der Invalidität. Unter Buchst. a werden feste Invaliditätsgrade genannt, wenn es - wie hier - zum Verlust oder zur Funktionsunfähigkeit von Körperteilen oder Sinnesorganen kommt. Das ist für den (völligen) Verlust oder die (völlige) Funktionsunfähigkeit eines Beines über der Mitte des Oberschenkels ein Invaliditätsgrad von 70%, wobei nach Buchst. b bei einem Teilverlust oder einer bloßen Funktionsbeeinträchtigung des betreffenden Körperteils nur ein entsprechender Teil des der Gliedertaxe zu entnehmenden Prozentsatzes in Ansatz gebracht wird. Für den ersten Unfall errechnet sich daraus - zwischen den Parteien unstreitig - ein Invaliditätsgrad von 21%, für den zweiten Unfall hingegen von insgesamt 42%.
- 12
- 3. Der Versicherungsnehmer erkennt bei weiterer Durchsicht der Versicherungsbedingungen, dass für die Versicherungsleistung wegen unfallbedingter Invalidität solche Ursachen außer Betracht zu bleiben haben, die sich für das aktuell zu entschädigende Unfallereignis als unfallfremd darstellen. Dieses kommt für ihn in § 7 I (3) AUB 88 zum Ausdruck. Er erkennt daraus, dass Krankheiten und Gebrechen, wenn und soweit sie als Folge eines früheren Unfalls - oder aus anderem Grunde - schon vorher vorhanden waren, nicht dem neuen Unfall zuzurechnen sind. Das bedeutet hier: Beide Unfallereignisse sind getrennt zu betrachten ; ferner ist die beim Kläger aufgrund des ersten Unfallereignisses vorhandene Vorschädigung bei der nach dem zweiten Unfallereignis bestehenden Invalidität und der daraus folgenden Versicherungsleistung mindernd zu berücksichtigen. Ein verständiger Versicherungsnehmer darf und wird nicht erwarten, dass der Versicherer ihm Versicherungsschutz auch insoweit bietet, als eine nach dem späteren Unfallereignis festgestellte Gesamtinvalidität eine Teilinvalidität einschließt, die sich auf ein früheres (Unfall-)Ereignis zurückführen lässt (Senatsurteil vom 3. Dezember 1997 - IV ZR 43/97, BGHZ 137, 247, 253). Eine daraus bedingte (Vor-)Invalidität geht zu seinen Lasten.
- 13
- Dem 4. Versicherungsnehmer wird aus § 7 I (3) AUB 88 weiter deutlich, dass eine solche - hier auf einem früheren Unfallereignis beruhende - Vorinvalidität zu einem Abzug von der zuvor ermittelten Gesamtinvalidität führt. Der Versicherer verweist in § 7 I (3) AUB 88 darauf, dass sich die Höhe dieses Abzuges nach § 7 I (2) AUB 88 richtet, mithin auch hier der Invaliditätsgrad Maß gibt, der - soweit ein entsprechender Teil auf die Vorschädigung entfällt - zu einer Verminderung des vom Versicherer für den späteren Unfall zu entschädigenden Invaliditätsgrades führt.
- 14
- 5. Vor diesem Hintergrund wird der Versicherungsnehmer die Besonderen Bedingungen U 07/88 interpretieren; für eine Mehrdeutigkeit oder eine sonstige Unklarheit im Sinne des § 305c Abs. 2 BGB ist in diesem Zusammenhang nichts ersichtlich.
- 15
- Durch a) die Besonderen Bedingungen wird § 7 I AUB 88 ausdrücklich "erweitert", so dass der Versicherungsnehmer die so in Bezug genommene Klausel und ihren Regelungsgehalt zum Ausgangspunkt nimmt. Bestätigt wird er in dieser Sichtweise durch den nachfolgenden Wortlaut der Besonderen Bedingungen, wonach ein Unfall "nach den Bemessungsgrundsätzen der Nummern (2) und (3)" zu einer dauernden Beeinträchtigung der körperlichen oder geistigen Leistungsfähigkeit führen muss. Das bringt mit der gebotenen Deutlichkeit zum Ausdruck, dass von den Bemessungsgrundsätzen des § 7 I (2) und (3) AUB 88 nicht abgewichen werden soll, insbesondere soll es bei der Trennung zwischen dem vom Versicherer zu entschädigenden unfallbedingten Invaliditätsgrad und dem dem Versicherungsnehmer zuzurechnenden Vorinvaliditätsgrad - sei er auch seinerseits unfallbedingt - verbleiben. Dies gilt umso mehr, als die Besonderen Bedingungen keine eigenen Bemessungsgrundsätze enthalten, sondern ausdrücklich an die in § 7 I AUB 88 enthaltenen anknüpfen und diese lediglich insoweit fortschreiben, als bei Erreichen eines bestimmten Invaliditätsgrades sich die im Versicherungsschein festgelegte Invaliditätssumme verdoppelt oder sogar verdreifacht.
- 16
- b) Allein diese Auslegung der Versicherungsbedingungen der Beklagten , zu der bereits das Landgericht gelangt ist, erweist sich demnach als richtig. Sie folgt den Grundsätzen des Senatsurteils vom 24. Februar 1988 (IVa ZR 220/86, VersR 1988, 461 unter 1 zu AUB 61), an denen festzuhalten ist; für die AUB 88 ergeben sich insoweit keine Besonderheiten (vgl. auch Knappmann in Prölss/Martin, VVG 28. Aufl. § 8 AUB 94 Rdn. 3; Nr. 3 AUB 2008 Rdn. 9; Grimm, Unfallversicherung 4. Aufl. Nr. 3 AUB 99 Rdn. 6; Mangen in Beckmann/Matusche-Beckmann, Versicherungsrechts -Handbuch 2. Aufl. § 47 Rdn. 197; Rüffer in Rüffer/Halbach/ Schimikowski, VVG Ziff. 2 AUB 2008 Rdn. 34). Das Senatsurteil vom 15. Dezember 1999 (IV ZR 264/98, VersR 2000, 444 unter 2 b aa), in dem auf die Rechtsprechung des OLG Saarbrücken (VersR 1998, 836) Bezug genommen wird, steht dem nicht entgegen, denn im dortigen Zusammenhang ging es um eine Klausel, die § 8 AUB 88 entspricht.
- 17
- c) Erst der nach § 7 I (2) und (3) AUB 88 ermittelte unfallbedingte Invaliditätsgrad versetzt den Versicherer nach alledem in den Stand, die ihm obliegende Berechnung der nach den Versicherungsbedingungen geschuldeten Entschädigungsleistung vorzunehmen. Die Beklagte hat in den Besonderen Bedingungen lediglich für Fälle, in denen die unfallbedingte Invalidität des Versicherten 25% übersteigt, die Anknüpfung an bewegliche, mit dem unfallbedingten Invaliditätsgrad progressiv steigende Versicherungssummen versprochen, nicht dagegen die Maßgeblichkeit anderer Invaliditätsgrade als der in den AUB vereinbarten (vgl. Senatsurteil vom 24. Februar 1988 aaO unter 2). Folgen zwei Unfälle auf- einander, kommt es auch für den zeitlich späteren Unfall nur auf den Invaliditätsgrad an, der letzterem zuzuordnen ist. Eine Zusammenrechnung oder eine sonstige übergreifende Betrachtung beider Unfälle, wie der Kläger sie geltend macht, scheidet für die progressive Invaliditätsstaffel aus. Einen Invaliditätsgrad, der 25% übersteigt, hat der Kläger allein mit dem zweiten Unfall nicht erreicht, so dass die Beklagte zu einer weiteren Versicherungsleistung nicht verpflichtet ist.
Dr. Karczewski Lehmann
Vorinstanzen:
LG Frankfurt (Oder), Entscheidung vom 23.04.2009 - 14 O 238/08 -
OLG Brandenburg, Entscheidung vom 16.12.2009 - 3 U 70/09 -
Tenor
-
Auf die Revision der Klägerin wird der Beschluss des Oberlandesgerichts Rostock - 4. Zivilsenat - vom 17. August 2015 aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
-
Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf bis 30.000 € festgesetzt.
-
Von Rechts wegen
Tatbestand
- 1
-
Die Klägerin macht gegen die Beklagte Ansprüche aus einer Berufsunfähigkeitszusatzversicherung geltend, die sie in Verbindung mit einer Lebensversicherung hält. Versicherte Person ist ihre Tochter.
- 2
-
Dem Vertrag liegen "Besondere Bedingungen für die Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung" (im Folgenden: BB-BUZ) zugrunde, die auszugsweise wie folgt lauten:
-
"§ 1 Was ist versichert?
-
(1) Wird die versicherte Person während der Risikodauer dieser Zusatzversicherung zu mindestens 50 Prozent berufsunfähig, so erbringen wir für die Dauer der Berufsunfähigkeit, längstens jedoch bis zum Ablauf der vereinbarten Leistungsdauer folgende Versicherungsleistungen:
-
...
-
§ 2 Was ist Berufsunfähigkeit im Sinne dieser Bedingungen?
-
(1) Berufsunfähigkeit liegt vor, wenn die versicherte Person infolge Krankheit, Körperverletzung oder Kräfteverfalls, die ärztlich nachzuweisen sind, voraussichtlich mindestens sechs Monate ununterbrochen außerstande ist, ihren zuletzt in gesunden Tagen ausgeübten Beruf oder eine andere Tätigkeit auszuüben, die aufgrund ihrer Ausbildung und Erfahrung ausgeübt werden kann und ihrer bisherigen Lebensstellung entspricht. Wir verzichten jedoch auf die Verweisung auf eine andere Tätigkeit, wenn die versicherte Person keine solche ausübt. ...
-
§ 6 Was gilt für die Nachprüfung der Berufsunfähigkeit?
-
(1) Nach Anerkennung oder Feststellung unserer Leistungspflicht sind wir berechtigt, das Fortbestehen der Berufsunfähigkeit, ihren Grad bzw. den Umfang der Pflegebedürftigkeit nachzuprüfen; dies gilt auch für zeitlich begrenzte Anerkenntnisse nach § 5. Dabei können wir erneut prüfen, ob die versicherte Person eine andere Tätigkeit im Sinne von § 2 ausübt, wobei neu erworbene berufliche Fähigkeiten zu berücksichtigen sind. Wenn die versicherte Person bei Eintritt der Berufsunfähigkeit noch nicht oder nicht mehr berufstätig war ..., können wir außerdem erneut prüfen, ob sie eine Tätigkeit im Sinn von § 2 ausüben kann.
-
...
-
(4) Haben sich der Grad der Berufsunfähigkeit auf weniger als 50 Prozent ... vermindert, stellen wir unsere Leistungen ein. Die Einstellung teilen wir dem Anspruchsberechtigten mit; ..."
- 3
-
Die Versicherte ist ausgebildete Gesundheits- und Krankenpflegerin. Sie war seit September 2006 bis November 2008 als Krankenschwester bei einem ambulanten Pflegedienst mit der Betreuung von pflegebedürftigen Personen in der stationären und ambulanten Pflege beschäftigt. Ihre regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit betrug 40 Stunden bei einem monatlichen Bruttolohn von zuletzt durchschnittlich 1.359,31 €. Nachdem die Versicherte mehrere Bandscheibenvorfälle erlitten hatte, erkannte die Rechtsvorgängerin der Beklagten mit Schreiben vom 14. April 2009 ihre Leistungspflicht rückwirkend zum 1. Dezember 2008 an und erbrachte die vereinbarten Leistungen aus der Berufsunfähigkeitszusatzversicherung.
- 4
-
Seit November 2009 arbeitet die Versicherte als Krankenschwester mit ausschließlich administrativen und unterstützenden Tätigkeiten ohne körperliche Belastungen bei einem Pflegedienst. Bei einer 30-Stunden-Woche erhält sie einen Bruttolohn von 1.050 € monatlich. Daraufhin stellte die Rechtsvorgängerin der Beklagten entsprechend einer Ankündigung vom 21. Mai 2010 die Leistungen zum 1. November 2010 ein.
- 5
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Die Parteien streiten darüber, ob die Versicherte auf die von ihr ausgeübte Tätigkeit als Krankenschwester mit ausschließlich administrativen Tätigkeiten verwiesen werden kann.
- 6
-
Das Landgericht hat die - auf Zahlung der rückständigen und laufenden Renten zuzüglich Überschussbeteiligung, Erstattung von Beiträgen und Beitragsbefreiung gerichtete - Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat die Berufung der Klägerin durch Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter.
Entscheidungsgründe
- 7
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Die Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
- 8
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I. Nach dessen Auffassung hat die Rechtsvorgängerin der Beklagten das Nachprüfungsverfahren ordnungsgemäß durchgeführt. Sie habe mit dem Schreiben vom 21. Mai 2010 wirksam mitgeteilt, dass sie die Leistungen aufgrund konkreter Verweisung in die im Rahmen des erlernten Berufs tatsächlich ausgeübte Tätigkeit einstellen werde. Aus § 6 Abs. 1 Satz 2 BB-BUZ ergebe sich, dass die konkrete Verweisung auf eine tatsächlich ausgeübte Ausweichtätigkeit ohne einen ausdrücklich im Leistungsanerkenntnis erklärten Vorbehalt möglich sei.
- 9
-
Die von der Versicherten seit November 2009 ausgeübte Berufstätigkeit als Krankenschwester im administrativen und unterstützenden Bereich sei in wirtschaftlicher und sozialer Hinsicht mit derjenigen, die sie im unmittelbaren Pflegebereich vor dem Anerkenntnis ausgeübt habe, vergleichbar und sichere ihr trotz der Reduzierung der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit ihre Lebensstellung. Die neue Tätigkeit im erlernten Beruf erfordere keine geringere Qualifikation und stelle keinen sozialen Abstieg dar. Die wahrgenommenen Organisations- und Leitungsaufgaben würden im gesellschaftlichen Ansehen erfahrungsgemäß nicht geringer bewertet als die zuvor ausgeübte pflegerische Tätigkeit. Die Versicherte müsse sich nicht darauf verweisen lassen, welches Einkommen sie erzielen könnte, sondern allein darauf, welches Einkommen sie aufgrund ihrer derzeitigen Tätigkeit tatsächlich erziele. Die Einkommensminderung liege noch in einem Bereich, der im Zusammenhang mit den anderen Faktoren die Annahme einer Ungleichwertigkeit der Lebensstellung nicht rechtfertige. Selbst bei einer Gegenüberstellung der Bruttoeinkommen aus der früheren vollschichtigen Tätigkeit als Krankenschwester in Höhe von durchschnittlich 1.359,31 € im Monat und aus der nun ausgeübten Tätigkeit von durchschnittlich 1.050 € im Monat, mithin einer Einkommensdifferenz von durchschnittlich 309,31 €/Monat = 22,77% sei die Verweisung noch zumutbar, weil die Lebensstellung der Versicherten nunmehr durch einen wesentlich höheren Freizeitanteil geprägt werde und besondere Belastungen, wie Nachtarbeit, entfielen.
- 10
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II. Mit der gegebenen Begründung kann die Entscheidung des Berufungsgerichts keinen Bestand haben.
- 11
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1. Das Berufungsgericht hat zutreffend ausgeführt, dass die Beklagte auch nach dem Anerkenntnis der Leistungspflicht ohne ausdrücklichen Vorbehalt gemäß § 6 Abs. 1 Satz 2 BB-BUZ zur erneuten Prüfung berechtigt ist, ob die Versicherte im Sinne von § 2 Abs. 1 Satz 1 und 2 BB-BUZ eine andere Tätigkeit ausübt, die sie aufgrund ihrer Ausbildung und Erfahrung ausüben kann und die ihrer bisherigen Lebensstellung entspricht. Es hat angenommen, dass das Schreiben der Beklagten vom 21. Mai 2010 den formellen Anforderungen des Nachprüfungsverfahrens genügt. Dagegen wendet sich die Revision - zu Recht - nicht.
- 12
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2. Sie rügt aber mit Erfolg, dass die materiellen Voraussetzungen für die Leistungseinstellung nach den bisherigen Feststellungen nicht erfüllt sind.
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a) Im Rahmen der in § 6 Abs. 1 Satz 1 BB-BUZ vorgesehenen Nachprüfung der Berufsunfähigkeit kann die Beklagte nach § 6 Abs. 1 Satz 2 BB-BUZ auch erneut prüfen, ob die versicherte Person eine andere Tätigkeit im Sinne von § 2 BB-BUZ ausübt. Selbst wenn - wie die Revisionserwiderung meint - § 2 Abs. 1 Satz 1 und 2 BB-BUZ eine abstrakte Verweisungsklausel mit Verweisungsverzicht bei Nichtausübung der Verweisungstätigkeit enthält, gilt dies nach dem für die Auslegung von Allgemeinen Versicherungsbedingungen maßgeblichen Verständnis eines durchschnittlichen Versicherungsnehmers nicht für die hier in Rede stehende Nachprüfung, ob die versicherte Person eine andere Tätigkeit ausübt, die aufgrund ihrer Ausbildung und Erfahrung ausgeübt werden kann und ihrer bisherigen Lebensstellung entspricht.
- 14
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Die Regelung des Nachprüfungsverfahrens in § 6 Abs. 1 BB-BUZ steht in einem untrennbaren Zusammenhang mit der Definition der Berufsunfähigkeit in § 2 Abs. 1 BB-BUZ (vgl. Senatsurteil vom 3. November 1999 - IV ZR 155/98, VersR 2000, 171 unter I 3 a zu § 7 Abs. 1 BB-BUZ entsprechend den Musterbedingungen für die Berufsunfähigkeitszusatzversicherung aus dem Jahre 1975, im Folgenden: § 7 BB-BUZ 1975). Mit § 6 Abs. 1 Satz 1 BB-BUZ wird dem Versicherer das Recht eröffnet, das Fortbestehen der Berufsunfähigkeit und ihren Grad nachzuprüfen. Ein Fortbestehen der Berufsunfähigkeit setzt voraus, dass eben dieser Tatbestand bereits zu einem früheren Zeitpunkt vorgelegen hat. Wann und unter welchen Voraussetzungen bedingungsgemäße Berufsunfähigkeit - und damit der Versicherungsfall - eintritt, ergibt sich aber nicht aus § 6 BB-BUZ, sondern allein aus der Vorschrift des § 2 Abs. 1 BB-BUZ und den ihr zu entnehmenden Maßstäben. Schon aus diesem Zusammenhang wird deutlich, dass der Begriff Berufsunfähigkeit in §§ 2 und 6 BB-BUZ inhaltlich deckungsgleich ist; § 6 BB-BUZ betrifft allein die Nachprüfung eines Tatbestands, dessen Voraussetzungen mit der Definition von Berufsunfähigkeit in § 2 Abs. 1 BB-BUZ vorgegeben sind (vgl. Senatsurteil vom 3. November 1999 aaO). Allerdings enthält § 6 Abs. 1 Satz 2 BB-BUZ - anders als etwa § 7 Abs. 1 BB-BUZ 1975 - hinsichtlich der Verweisung eine ausdrückliche Regelung, die nicht vollständig mit § 2 Abs. 1 Satz 1 und 2 BB-BUZ übereinstimmt. § 6 Abs. 1 Satz 2 BB-BUZ ermöglicht dem Versicherer grundsätzlich nur die Nachprüfung, ob die versicherte Person eine andere - vergleichbare - Tätigkeit im Sinne von § 2 BB-BUZ tatsächlich ausübt. Etwas anderes gilt nach § 6 Abs. 1 Satz 3 BB-BUZ, wenn die versicherte Person bei Eintritt der Berufsunfähigkeit noch nicht oder nicht mehr berufstätig war; dann kann der Versicherer außerdem erneut prüfen, ob die versicherte Person eine Tätigkeit im Sinne von § 2 BB-BUZ ausüben kann. Abgesehen von diesem Sonderfall ist dem Versicherer im Nachprüfungsverfahren gemäß § 6 Abs. 1 Satz 2 BB-BUZ nur eine konkrete Verweisung auf eine andere Tätigkeit eröffnet, nicht aber eine abstrakte Verweisung, wie sie in § 2 Abs. 1 Satz 1 BB-BUZ geregelt ist. Ein Wegfall der Berufsunfähigkeit wegen Verweisung auf eine vergleichbare Tätigkeit setzt somit im Nachprüfungsverfahren voraus, dass der Versicherte diese tatsächlich ausübt.
- 15
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b) Eine Verweisung des Versicherten auf eine andere ausgeübte Tätigkeit kommt nach dem für den Versicherungsnehmer erkennbaren Sinnzusammenhang zwischen § 6 Abs. 1 Satz 2 BB-BUZ und § 2 BB-BUZ auch nach einem Leistungsanerkenntnis nur dann in Betracht, wenn die andere Tätigkeit im Sinne von § 2 Abs. 1 Satz 1 BB-BUZ der bisherigen Lebensstellung der versicherten Person entspricht. Diese wird vor allem durch die zuletzt in gesunden Tagen ausgeübte Tätigkeit geprägt. Ihre Berücksichtigung sondert Tätigkeiten aus, deren Ausübung deutlich geringere Fähigkeiten und Erfahrung erfordert als der bisherige Beruf. Die Lebensstellung des Versicherten wird also von der Qualifikation seiner Erwerbstätigkeit bestimmt, die sich - ebenso wie die Vergütung dieser Tätigkeit - wiederum daran orientiert, welche Kenntnisse und Erfahrungen die ordnungsgemäße und sachgerechte Ausübung der Tätigkeit voraussetzt. Eine Vergleichstätigkeit ist dann gefunden, wenn die neue Erwerbstätigkeit keine deutlich geringeren Kenntnisse und Fähigkeiten erfordert und in ihrer Vergütung sowie in ihrer sozialen Wertschätzung nicht spürbar unter das Niveau des bislang ausgeübten Berufs absinkt (Senatsurteile vom 21. April 2010 - IV ZR 8/08, VersR 2010, 1023 Rn. 11; vom 11. Dezember 2002 - IV ZR 302/01, r+s 2003, 164 unter II 1; vom 11. Dezember 1996 - IV ZR 238/95, VersR 1997, 436 unter II 3 b m.w.N.).
- 16
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Da die Berufsausübung in gesunden Tagen vor Eintritt des Versicherungsfalles die Vergleichsmaßstäbe dafür liefert, ob die neue Tätigkeit der bisherigen Lebensstellung entspricht, muss bekannt sein, wie sie konkret ausgestaltet war, welche Anforderungen sie an den Versicherten stellte, welche Fähigkeiten sie voraussetzte, welches Einkommen sie ihm sicherte und wie sich seine beruflichen Entwicklungsmöglichkeiten real darstellten (Senatsurteile vom 21. April 2010 aaO; vom 11. Dezember 2002 aaO). Dies gilt auch bei der Nachprüfung des Fortbestehens der Berufsunfähigkeit. Die vom Versicherer zu treffende Entscheidung, ob er die Leistungen wegen Wegfalls der Berufsunfähigkeit einstellen kann, erfordert einen Vergleich des Zustandes, der dem Leistungsanerkenntnis zugrunde liegt, mit dem Zustand zu einem späteren Zeitpunkt (Senatsurteil vom 21. April 2010 aaO; Senatsbeschluss vom 30. Januar 2008 - IV ZR 48/06, VersR 2008, 521 Rn. 3; jeweils m.w.N.). Dies gilt auch für den Vergleich der vor dem Leistungsanerkenntnis zuletzt ausgeübten Tätigkeit mit der anderen, nach dem Anerkenntnis ausgeübten Tätigkeit, auf die der Versicherte verwiesen werden soll (vgl. Senatsbeschluss vom 30. Januar 2008 aaO; Senatsurteil vom 21. April 2010 aaO Rn. 11 a.E.).
- 17
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c) Diesen Maßstäben genügt die Vergleichsbetrachtung des Berufungsgerichts nicht.
- 18
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aa) Es ist allerdings zutreffend davon ausgegangen, dass es Sache des Versicherers ist, im Nachprüfungsverfahren zu beweisen, dass die Voraussetzungen seiner Leistungspflicht nicht mehr erfüllt sind (Senatsurteile vom 21. April 2010 aaO Rn. 13; vom 24. Februar 2010 - IV ZR 119/09, VersR 2010, 619 Rn. 10; vom 11. Dezember 2002 aaO unter II 3; vom 3. November 1999 aaO unter I 3 b). Will der Versicherungsnehmer - wie hier die Klägerin - geltend machen, die von der versicherten Person neu ausgeübte Tätigkeit entspreche nicht ihrer bisherigen Lebensstellung, so obliegt es ihm, die konkreten Umstände darzulegen, aus denen sich die fehlende Vergleichbarkeit ergeben soll (Senatsurteile vom 21. April 2010 aaO; vom 11. Dezember 2002 aaO m.w.N.).
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bb) Ob - wie die Revision einwendet - die vom Berufungsgericht bejahte Vergleichbarkeit der sozialen Wertschätzung beider Tätigkeiten der Versicherten schon daran scheitert, dass eine Krankenpflegerin, die die Arbeit am Krankenbett erledigt und sich um den Patienten kümmert, deshalb das deutlich höhere Sozialprestige als eine Krankenschwester hat, die - wie die Tochter der Klägerin - die Organisation dieser Arbeit regelt, kann dahinstehen. Entsprechenden Instanzvortrag der Klägerin zum geringeren Sozialprestige der neuen Tätigkeit ihrer Tochter zeigt die Revision nicht auf.
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cc) Mit nicht tragfähiger Begründung hat das Berufungsgericht aber angenommen, dass die Vergütung nicht spürbar unter das Niveau des bisher ausgeübten Berufs abgesunken sei.
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(1) Richtig ist der Ausgangspunkt, dass es bei der konkreten Verweisung für den Einkommensvergleich nicht auf die erzielbaren, sondern auf die tatsächlich erzielten Einkünfte auch dann ankommt, wenn die Einkommensminderung ausschließlich auf einer Minderung der Stundenzahl beruht (so auch OLG Nürnberg VersR 2012, 843, 845). Ist dem Versicherer nur eine konkrete Verweisung möglich, kann er dem Versicherten auch dann kein fiktives Einkommen anrechnen, wenn dieser nur eine Teilzeitarbeit ausübt.
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(2) Zutreffend hat das Berufungsgericht weiterhin zugrunde gelegt, dass sich eine generelle Quote der hinzunehmenden Einkommenseinbuße angesichts der Bandbreite individueller Einkommen nicht festlegen lässt. Vielmehr ist stets eine einzelfallbezogene Betrachtung unerlässlich und geboten (Senatsurteile vom 17. Juni 1998 - IV ZR 215/97, VersR 1998, 1537 unter II 3; vom 22. Oktober 1997 - IV ZR 259/96, VersR 1998, 42 unter 4 b). Ausgehend davon hat das Berufungsgericht bei Gegenüberstellung der Bruttoeinkommen eine Einkommensdifferenz von brutto 22,77% für "noch" zumutbar gehalten. Gegen die Anwendung der Bruttolohnmethode erinnert die Revision zu Recht nichts. Bei dem bedingungsgemäß vorzunehmenden Einkommensvergleich kommt es entscheidend auf die Sicherstellung der individuellen bisherigen Lebensumstände an. Maßgeblich ist nicht die Festlegung auf eine Berechnungsmethode, sondern es kommt darauf an, nach welcher Methode die zu vergleichenden Lebensstellungen in ihrer wirtschaftlichen/finanziellen Komponente zutreffend abgebildet werden (Senatsurteil vom 8. Februar 2012 - IV ZR 287/10, VersR 2012, 427 Rn. 10).
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(3) Ob - wie die Revision geltend macht - der in gesunden Tagen erzielte Lohn unter Berücksichtigung von Lohn- und Preissteigerungen mit dem Lohn aus dem Vergleichsberuf zu vergleichen und das früher erzielte Einkommen auf den Zeitpunkt der Verweisung fortzuschreiben ist (Lücke in Prölss/Martin, VVG 29. Aufl. § 172 Rn. 91; Neuhaus, Berufsunfähigkeitsversicherung 3. Aufl. Abschnitt H Rn. 59; LG Mannheim r+s 2013, 243, 244; offengelassen von OLG Saarbrücken, Urteil vom 21. Mai 2006 - 5 U 605/05, juris Rn. 50), bedarf hier keiner Entscheidung. In den Tatsacheninstanzen hat die Klägerin zu Lohnsteigerungen in der Zeit zwischen Aufgabe des früheren Berufs ihrer Tochter und Aufnahme ihrer jetzigen Tätigkeit nichts vorgetragen.
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(4) Nicht bedacht hat das Berufungsgericht indes, dass sich prozentuale Einkommens- und Gehaltsminderungen - je nach Höhe des bisherigen Verdienstes - unterschiedlich belastend auswirken (Senatsurteile vom 17. Juni 1998 aaO; vom 22. Oktober 1997 aaO; so auch Lücke aaO Rn. 86, § 2 BU Rn. 49). Der Senat hat in der Entscheidung vom 17. Juni 1998 angenommen, dass sich bei Minderung eines Jahresbruttoeinkommens von nicht ganz 70.000 DM um fast ein Drittel die bisherige Lebensstellung im wirtschaftlichen Bereich nicht mehr halten lasse. Auch eine - hier gegebene - Einbuße von 22,77% wirkt sich bei einem niedrigen Bruttoeinkommen von 1.359,31 € wesentlich stärker aus als bei einem Bruttoeinkommen im mittleren oder höheren Bereich.
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(5) Das Berufungsgericht hat die Lebensstellung der Versicherten nur deshalb als "noch" gesichert angesehen, weil sie nun durch einen wesentlich höheren Freizeitanteil geprägt werde und besondere Belastungen, wie Nachtarbeit, entfielen. Eine solche Verrechnung von Freizeit und Arbeitserleichterungen mit der Einkommensdifferenz (dafür: OLG Nürnberg VersR 1992, 1387, 1388; Neuhaus, Berufsunfähigkeitsversicherung 3. Aufl. Abschnitt H Rn. 118) ist aber mit dem Zweck der Berufsunfähigkeitsversicherung nicht vereinbar (so auch: OLG Karlsruhe VersR 2012, 841, 843; OLG München r+s 2003, 166, 167). Zwar bildet nicht allein die Gleichheit des durch Arbeit erzielten Einkommens den Vergleichsmaßstab, sondern die Vergleichbarkeit der Lebensstellung, die sich ein Versicherter aufgrund seiner beruflichen Tätigkeit verschafft oder verschaffen kann (Senatsurteil vom 8. Februar 2012 aaO Rn. 12 m.w.N.). Durch das Fehlen von (einzelnen) Erschwernissen, wie etwa Nachtarbeit oder Überstunden, wird die Lebensstellung in diesem Sinne aber ebenso wenig geprägt wie durch zusätzliche Freizeit. Beim Einkommensvergleich kommt es entscheidend auf die Sicherstellung der individuellen bisherigen Lebensumstände an (Senatsurteil vom 8. Februar 2012 aaO Rn. 10). Die Berufsunfähigkeitszusatzversicherung soll für den Versicherten erkennbar seinen individuellen und sozialen Abstieg im Berufsleben und in der Gesellschaft verhindern (Senatsurteil vom 8. Februar 2012 aaO Rn. 14 m.w.N.). Ein solcher Abstieg wird nicht durch mehr Freizeit und das Fehlen von Erschwernissen am Arbeitsplatz vermieden, sondern dadurch, dass dem Versicherten weiterhin die finanziellen Mittel zur Verfügung stehen, die die Aufrechterhaltung des in gesunden Tagen durch den früheren Beruf erreichten Lebensstandards ermöglichen. Demnach ist der Vorteil größerer Freizeit angesichts des Zwecks der Berufsunfähigkeitsversicherung, den Unterhalt des Versicherten und gegebenenfalls seiner Familie auch in Zeiten der Krankheit sicherzustellen, nicht zu berücksichtigen (OLG Karlsruhe aaO; OLG München aaO). Von der zusätzlich gewonnenen Freizeit kann der Unterhalt nicht bestritten werden (OLG Karlsruhe aaO). Könnte man Einkommenseinbußen durch Zeitgewinn kompensieren, bedeutete das letzten Endes, dass der gänzliche Verlust des Einkommens durch den völligen Wegfall beruflicher Tätigkeit aufgewogen würde (OLG München aaO).
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Eine von der Revisionserwiderung befürwortete Anrechnung etwaiger Einsparmöglichkeiten dergestalt, dass der Versicherte Dienstleistungen, die er sonst hätte bezahlen müssen, nun selbst übernehmen könnte, ist in den BB-BUZ nicht vorgesehen.
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3. Das Berufungsgericht hat daher nochmals zu prüfen, ob die Einkommenseinbuße - ohne Kompensation durch mehr Freizeit und Wegfall besonderer Belastungen - der Versicherten zumutbar ist; hierzu wird es den Parteien Gelegenheit zur ergänzenden Stellungnahme zu geben haben.
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Mayen Felsch Harsdorf-Gebhardt
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Dr. Karczewski Dr. Götz
Gründe
Oberlandesgericht München
Az.: 14 U 4138/14
IM NAMEN DES VOLKES
Verkündet am 07.05.2015
091 O 671/14 LG Augsburg
... Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
Nichtamtlicher Leitsatz
In dem Rechtsstreit
…
- Kläger und Berufungskläger -
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte …
gegen
....
- Beklagte und Berufungsbeklagte -
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte …
wegen Forderung
erlässt das Oberlandesgericht München - 14. Zivilsenat - durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht …, den Richter am Oberlandesgericht … und die Richterin am Oberlandesgericht … aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 16.04.2015 folgendes
Endurteil
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Augsburg
2. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts Augsburg ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110% des aufgrund der Urteile vollstreckbaren Beträge abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Gründe:
1) Das Urteil des Landgerichts Augsburg
2) Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger monatlich im Voraus ab 01.03.2014 eine Rente aus der Berufsunfähigkeitsversicherung 24034114588490 in Höhe von EUR 860,46, längstens bis 31.10.2031, zu zahlen und den Kläger innerhalb dieses Zeitraumes von der Beitragszahlungsverpflichtung zu befreien.
3) Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger, beginnend ab dem 01.11.2014 weitere Überschussanteile aus der in Ziffer 2) genannten Berufsunfähigkeitsversicherung zu bezahlen.
4) Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger EUR 1.869,98 zzgl. Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu bezahlen.
5) Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger EUR 807,36 zzgl. Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu bezahlen.
„(1) Nach Anerkennung oder Feststellung unserer Leistungspflicht sind wir berechtigt, das Fortbestehen der Berufsunfähigkeit und ihren Grad nachzuprüfen. Dabei können wir erneut prüfen, ob die versicherte Person eine andere Tätigkeit i. S. von § 2 Abs. 1 ausübt.
(2) Zur Nachprüfung können wir auf unsere Kosten jederzeit sachdienliche Auskünfte .... verlangen....
(3) Eine Minderung der Berufsunfähigkeit ... und die Wiederaufnahme bzw. Änderung der beruflcihen Tätigkeit müssen Sie uns unverzüglich mitteilen.
(4) Ist die Berufsunfähigkeit weggefallen oder hat sich ihr Grad auf weniger als 50% vermindert, können wir unsere Leistungen einstellen ....“
(1) Stellt der Versicherer fest, dass die Voraussetzungen der Leistungspflicht entfallen sind, wird er nur leistungsfrei, wenn er dem Versicherungsnehmer diese Veränderung in Textform dargelegt hat.
(2) Der Versicherer wird frühestens mit dem Ablauf des dritten Monats nach Zugang der Erklärung nach Absatz 1 beim Versicherungsnehmer leistungsfrei.
Gründe
Oberlandesgericht München
Az.: 14 U 4138/14
IM NAMEN DES VOLKES
Verkündet am 07.05.2015
091 O 671/14 LG Augsburg
... Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
Nichtamtlicher Leitsatz
In dem Rechtsstreit
…
- Kläger und Berufungskläger -
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte …
gegen
....
- Beklagte und Berufungsbeklagte -
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte …
wegen Forderung
erlässt das Oberlandesgericht München - 14. Zivilsenat - durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht …, den Richter am Oberlandesgericht … und die Richterin am Oberlandesgericht … aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 16.04.2015 folgendes
Endurteil
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Augsburg
2. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts Augsburg ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110% des aufgrund der Urteile vollstreckbaren Beträge abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Gründe:
1) Das Urteil des Landgerichts Augsburg
2) Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger monatlich im Voraus ab 01.03.2014 eine Rente aus der Berufsunfähigkeitsversicherung 24034114588490 in Höhe von EUR 860,46, längstens bis 31.10.2031, zu zahlen und den Kläger innerhalb dieses Zeitraumes von der Beitragszahlungsverpflichtung zu befreien.
3) Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger, beginnend ab dem 01.11.2014 weitere Überschussanteile aus der in Ziffer 2) genannten Berufsunfähigkeitsversicherung zu bezahlen.
4) Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger EUR 1.869,98 zzgl. Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu bezahlen.
5) Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger EUR 807,36 zzgl. Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu bezahlen.
„(1) Nach Anerkennung oder Feststellung unserer Leistungspflicht sind wir berechtigt, das Fortbestehen der Berufsunfähigkeit und ihren Grad nachzuprüfen. Dabei können wir erneut prüfen, ob die versicherte Person eine andere Tätigkeit i. S. von § 2 Abs. 1 ausübt.
(2) Zur Nachprüfung können wir auf unsere Kosten jederzeit sachdienliche Auskünfte .... verlangen....
(3) Eine Minderung der Berufsunfähigkeit ... und die Wiederaufnahme bzw. Änderung der beruflcihen Tätigkeit müssen Sie uns unverzüglich mitteilen.
(4) Ist die Berufsunfähigkeit weggefallen oder hat sich ihr Grad auf weniger als 50% vermindert, können wir unsere Leistungen einstellen ....“
Tenor
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Stuttgart - 18 O 17/15 - vom 1. Juli 2015 wird
zurückgewiesen.
2. Der Kläger trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Auch das angefochtene Urteil des Landgerichts ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 Prozent des aufgrund der Urteile vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Streitwert: bis zu 113.000 Euro.
Gründe
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(1) Stellt der Versicherer fest, dass die Voraussetzungen der Leistungspflicht entfallen sind, wird er nur leistungsfrei, wenn er dem Versicherungsnehmer diese Veränderung in Textform dargelegt hat.
(2) Der Versicherer wird frühestens mit dem Ablauf des dritten Monats nach Zugang der Erklärung nach Absatz 1 beim Versicherungsnehmer leistungsfrei.
Gründe
Oberlandesgericht München
Az.: 14 U 4138/14
IM NAMEN DES VOLKES
Verkündet am 07.05.2015
091 O 671/14 LG Augsburg
... Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
Nichtamtlicher Leitsatz
In dem Rechtsstreit
…
- Kläger und Berufungskläger -
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte …
gegen
....
- Beklagte und Berufungsbeklagte -
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte …
wegen Forderung
erlässt das Oberlandesgericht München - 14. Zivilsenat - durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht …, den Richter am Oberlandesgericht … und die Richterin am Oberlandesgericht … aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 16.04.2015 folgendes
Endurteil
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Augsburg
2. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts Augsburg ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110% des aufgrund der Urteile vollstreckbaren Beträge abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Gründe:
1) Das Urteil des Landgerichts Augsburg
2) Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger monatlich im Voraus ab 01.03.2014 eine Rente aus der Berufsunfähigkeitsversicherung 24034114588490 in Höhe von EUR 860,46, längstens bis 31.10.2031, zu zahlen und den Kläger innerhalb dieses Zeitraumes von der Beitragszahlungsverpflichtung zu befreien.
3) Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger, beginnend ab dem 01.11.2014 weitere Überschussanteile aus der in Ziffer 2) genannten Berufsunfähigkeitsversicherung zu bezahlen.
4) Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger EUR 1.869,98 zzgl. Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu bezahlen.
5) Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger EUR 807,36 zzgl. Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu bezahlen.
„(1) Nach Anerkennung oder Feststellung unserer Leistungspflicht sind wir berechtigt, das Fortbestehen der Berufsunfähigkeit und ihren Grad nachzuprüfen. Dabei können wir erneut prüfen, ob die versicherte Person eine andere Tätigkeit i. S. von § 2 Abs. 1 ausübt.
(2) Zur Nachprüfung können wir auf unsere Kosten jederzeit sachdienliche Auskünfte .... verlangen....
(3) Eine Minderung der Berufsunfähigkeit ... und die Wiederaufnahme bzw. Änderung der beruflcihen Tätigkeit müssen Sie uns unverzüglich mitteilen.
(4) Ist die Berufsunfähigkeit weggefallen oder hat sich ihr Grad auf weniger als 50% vermindert, können wir unsere Leistungen einstellen ....“
(1) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die nach den Umständen, insbesondere nach dem äußeren Erscheinungsbild des Vertrags, so ungewöhnlich sind, dass der Vertragspartner des Verwenders mit ihnen nicht zu rechnen braucht, werden nicht Vertragsbestandteil.
(2) Zweifel bei der Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen gehen zu Lasten des Verwenders.
Tenor
1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Landgerichts Weiden i. d. OPf. vom 17.12.2012, Az. 11 O 405/11, abgeändert.
2. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 17.792,58 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 529,84 € seit 02.09.2009, aus weiteren 1589,52 € seit 02.10.2009, aus weiteren 1589,52 € seit 02.01.2010, aus weiteren 1589,52 € seit 02.04.2010, aus weiteren 1589,52 € seit 02.07.2010, aus weiteren 1589,52 € seit 02.10.2010, aus weiteren 1589,52 € seit 02.01.2011, aus weiteren 1589,52 € seit 02.04.2011, aus weiteren 1589,52 € seit 02.07.2011, aus weiteren 1589,52 € seit 02.10.2011, aus weiteren 1589,52 € seit 02.01.2012 und aus weiteren 1.452,57 € seit 03.02.2012 zu bezahlen.
3. Es wird festgestellt, dass die Beklagte der Klägerin gegenüber aus dem Versicherungsvertragsverhältnis zur Versicherungsschein-Nummer … die vereinbarten Leistungen der Berufsunfähigkeitszusatzversicherung (Zahlung einer vierteljährlichen Rente, Beitragsbefreiung) ab dem 01. April 2012, längstens bis zum Vertragsende, zu erbringen hat.
4. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
5. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung der Klägerin durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Klägerin vor Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Beschluss
Der Streitwert wird für beide Instanzen auf 38.342,34 € festgesetzt.
Gründe
I.
1. Das Urteil des Landgerichtes Weiden vom 17. Dezember 2012 zum Az. 11 O 405/11 wird - samt dem ihm zugrunde liegenden Verfahren - aufgehoben.
Der Rechtsstreit wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Berufungsverfahrens, an das Landgericht Weiden zurückverwiesen.
2. Im Falle einer eigenen Sachentscheidung des Berufungsgerichtes wird beantragt:
2.1. Das Urteil des Landgerichtes Weiden vom 17. Dezember 2012 zum Az. 11 O 405/11 wird aufgehoben.
2.2. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin für den Monat September 2009 eine Rente i. H. v. 529,84 € nebst Zinsen hieraus i. H. v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 02. September 2009 zu bezahlen.
2.3. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin rückwirkend ab dem 01. Oktober 2009 bis einschließlich 31. März 2012 eine vierteljährliche Rente, vierteljährlich im Voraus, von (3 x 529,84 € =) 1589,52 €, insgesamt (10 Quartale a 1589,52 € =) 15.895,20 € nebst Zinsen i. H. v. 5 Prozentpunkten aus 1589,52 € seit dem 02. Oktober 2009, aus 1589,52 € seit dem 02. Januar 2010, aus 1589,52 € seit dem 02. April 2010, aus 1589,52 € seit dem 02. Juli 2010, aus 1589,52 € seit dem 02. Oktober 2010, aus 1589,52 € seit dem 02. Januar 2011, aus 1589,52 € seit dem 02. April 2011, aus 1589,52 € seit dem 02. Juli 2011, aus 1589,52 € seit dem 02. Oktober 2011 und aus 1589,52 € seit dem 02. Januar 2012 zu bezahlen.
2.4. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 163,52 € nebst Zinsen i. H. v. 5 Prozentpunkten seit Rechtshängigkeit aus 2 x 81,76 €, 850,30 € nebst Zinsen i. H. v. 5 Prozentpunkten seit Rechtshängigkeit aus 12 x 85,03 € und 353,72 € nebst Zinsen i. H. v. 5 Prozentpunkten seit Rechtshängigkeit aus 4 x 88,43 € zu bezahlen.
2.5. Es wird festgestellt, dass die Beklagte der Klägerin gegenüber aus dem Versicherungsvertragsverhältnis zur Versicherungsscheinnummer … die vereinbarten Leistungen der Berufsunfähigkeitszusatzversicherung (Zahlung einer monatlichen Rente, Beitragsbefreiung) ab dem 01. April 2012, längstens bis zum Vertragsende, zu erbringen hat.
die Berufung zurückzuweisen.
II.
III.
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Frankfurt (Oder) vom 23. April 2009 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
- 1
- Der Kläger unterhält seit dem Jahre 1994 bei der Beklagten eine Unfallversicherung, der neben Allgemeinen Unfallversicherungs-Bedingungen (AUB 88) Besondere Bedingungen für die Unfallversicherung mit progressiver Invaliditätsstaffel (U 07/88) zugrunde liegen.
- 2
- Auszugsweise lautet § 7 I AUB 88 (Invaliditätsleistung) wie folgt: "(1) Führt der Unfall zu einer dauernden Beeinträchtigung der körperlichen oder geistigen Leistungsfähigkeit (Invalidität) des Versicherten, so entsteht Anspruch auf Kapitalleistung aus der für den Invaliditätsfall versicherten Summe. … (2) Die Höhe der Leistung richtet sich nach dem Grad der Invalidität.
a) Als feste Invaliditätsgrade gelten - unter Ausschluss des Nachweises einer höheren oder geringeren Invalidität - bei Verlust oder Funktionsunfähigkeit … eines Beines über der Mitte des Oberschenkels 70%
b) Bei Teilverlust oder Funktionsbeeinträchtigung eines dieser Körperteile oder Sinnesorgane wird der entsprechende Teil des Prozentsatzes nach a) angenommen. … (3) Wird durch den Unfall eine körperliche oder geistige Funktion betroffen, die schon vorher dauernd beeinträchtigt war, so wird ein Abzug in Höhe dieser Vorinvalidität vorgenommen. Diese ist nach (2) zu bemessen."
- 3
- In den Besonderen Bedingungen wird § 7 I AUB 88 wie folgt erweitert : "Führt ein Unfall nach den Bemessungsgrundsätzen der Nummern (2) und (3) zu einer dauernden Beeinträchtigung der körperlichen oder geistigen Leistungsfähigkeit, werden der Berechnung der Invaliditätsleistung folgende Versicherungssummen zugrunde gelegt:
a) für den 25% nicht übersteigenden Teil des Invaliditätsgrades die im Versicherungsschein festgelegte Invaliditätssumme ,
b) für den 25%, nicht aber 50% übersteigenden Teil des Invaliditätsgrades die doppelte Invaliditätssumme,
c) für den 50% übersteigenden Teil des Invaliditätsgrades die dreifache Invaliditätssumme."
- 4
- Der Kläger erlitt zunächst am 27. Januar 2005 einen Skiunfall und am 8. Februar 2006 einen Glatteisunfall; durch beide Unfälle kam es zu Dauerschäden an seinem rechten Bein. Der von der Beklagten beauftragte Gutachter bemaß die Gesamtinvalidität des Klägers mit 6/10 von 70% und ordnete diese zu jeweils 3/10 dem ersten und dem zweiten Unfall zu. Die Beklagte zahlte an den Kläger unter Heranziehung der Gliedertaxe in § 7 I (2) a AUB 88 einen Gesamtbetrag von 55.296 €. Der Leistungsberechnung lag für den ersten Unfall eine Versicherungssumme von 122.880 € und für den zweiten Unfall von 138.240 € zugrunde, von der die Beklagte jeweils 21% (3/10 von 70%) ansetzte. Daraus errechneten sich 25.804,80 € für den ersten Unfall und 29.030,40 € für den zweiten Unfall, insgesamt 54.835,20 €. Die Überzahlung von 460,80 € verlangt die Beklagte nicht zurück.
- 5
- Der Kläger vertritt die Ansicht, es sei eine Gesamtinvalidität von 42% Berechnungsgrundlage für die Invaliditätsleistung. Von der für den zweiten Unfall festgestellten Invalidität in Höhe von 21% seien 4% auf die einfache Invaliditätssumme, 17% hingegen auf die doppelte Invaliditätssumme zu beziehen. Das ergebe für den zweiten Unfall eine Invaliditätsleistung von 38%, was einem Betrag von 52.531,20 € entspreche. Für beide Unfälle zusammengerechnet seien 78.376 € zu entschädigen abzüglich bereits geleisteter 55.296 €.
- 6
- Das Landgericht hat die auf 23.040 € zuzüglich Zinsen gerichtete Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers hatte in vollem Umfang Erfolg. Dagegen wendet sich die Beklagte mit ihrer Revision.
Entscheidungsgründe:
- 7
- Das Rechtsmittel ist begründet.
- 8
- Das I. Berufungsgericht hat ausgeführt, die von der Beklagten verwendeten Versicherungsbedingungen seien unklar. Die sich bei einer Auslegung des § 7 I AUB 88 und der Besonderen Bedingungen ergebenden Zweifel gingen gemäß § 305c Abs. 2 BGB zu Lasten der Beklagten. Die vom Kläger geltend gemachte Lesart der Bedingungen sei rechtlich vertretbar und stelle die für ihn günstigste Auslegungsmöglichkeit dar; sie sei daher der Berechnung der Invaliditätsleistung zugrunde zu legen. Erst in den AUB 99 - und nicht schon in den zwischen den Parteien vereinbarten AUB 88 - finde sich die klare Festlegung, dass zur Berücksichtigung einer Vorinvalidität "der Invaliditätsgrad" gemindert werden müsse.
- 9
- II. Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
- 10
- 1.Versicherungsbedingungensind aus sich heraus zu interpretieren ohne vergleichende Betrachtungen mit anderen Versicherungsbedingungen , die dem Versicherungsnehmer regelmäßig nicht bekannt sind und auch nicht bekannt sein müssen, so dass ihm eine bedingungsübergreifende Würdigung deshalb von vornherein verschlossen bleibt (vgl.
- 11
- 2. Ein solcher Versicherungsnehmer entnimmt zunächst § 7 I (1) AUB 88, dass die Beklagte als Versicherer ihm eine Invaliditätsleistung verspricht für den Fall, dass ein Unfall zu einer dauernden Beeinträchtigung seiner körperlichen oder geistigen Leistungsfähigkeit (Invalidität) führt. Unter den in der Klausel weiter genannten Voraussetzungen entsteht ein Anspruch auf Kapitalleistung aus der für den Invaliditätsfall vereinbarten Versicherungssumme. Wie sich die Höhe der Leistung im Einzelnen bemisst, erfährt der Versicherungsnehmer aus § 7 I (2) AUB 88; danach richtet sich diese nach dem Grad der Invalidität. Unter Buchst. a werden feste Invaliditätsgrade genannt, wenn es - wie hier - zum Verlust oder zur Funktionsunfähigkeit von Körperteilen oder Sinnesorganen kommt. Das ist für den (völligen) Verlust oder die (völlige) Funktionsunfähigkeit eines Beines über der Mitte des Oberschenkels ein Invaliditätsgrad von 70%, wobei nach Buchst. b bei einem Teilverlust oder einer bloßen Funktionsbeeinträchtigung des betreffenden Körperteils nur ein entsprechender Teil des der Gliedertaxe zu entnehmenden Prozentsatzes in Ansatz gebracht wird. Für den ersten Unfall errechnet sich daraus - zwischen den Parteien unstreitig - ein Invaliditätsgrad von 21%, für den zweiten Unfall hingegen von insgesamt 42%.
- 12
- 3. Der Versicherungsnehmer erkennt bei weiterer Durchsicht der Versicherungsbedingungen, dass für die Versicherungsleistung wegen unfallbedingter Invalidität solche Ursachen außer Betracht zu bleiben haben, die sich für das aktuell zu entschädigende Unfallereignis als unfallfremd darstellen. Dieses kommt für ihn in § 7 I (3) AUB 88 zum Ausdruck. Er erkennt daraus, dass Krankheiten und Gebrechen, wenn und soweit sie als Folge eines früheren Unfalls - oder aus anderem Grunde - schon vorher vorhanden waren, nicht dem neuen Unfall zuzurechnen sind. Das bedeutet hier: Beide Unfallereignisse sind getrennt zu betrachten ; ferner ist die beim Kläger aufgrund des ersten Unfallereignisses vorhandene Vorschädigung bei der nach dem zweiten Unfallereignis bestehenden Invalidität und der daraus folgenden Versicherungsleistung mindernd zu berücksichtigen. Ein verständiger Versicherungsnehmer darf und wird nicht erwarten, dass der Versicherer ihm Versicherungsschutz auch insoweit bietet, als eine nach dem späteren Unfallereignis festgestellte Gesamtinvalidität eine Teilinvalidität einschließt, die sich auf ein früheres (Unfall-)Ereignis zurückführen lässt (Senatsurteil vom 3. Dezember 1997 - IV ZR 43/97, BGHZ 137, 247, 253). Eine daraus bedingte (Vor-)Invalidität geht zu seinen Lasten.
- 13
- Dem 4. Versicherungsnehmer wird aus § 7 I (3) AUB 88 weiter deutlich, dass eine solche - hier auf einem früheren Unfallereignis beruhende - Vorinvalidität zu einem Abzug von der zuvor ermittelten Gesamtinvalidität führt. Der Versicherer verweist in § 7 I (3) AUB 88 darauf, dass sich die Höhe dieses Abzuges nach § 7 I (2) AUB 88 richtet, mithin auch hier der Invaliditätsgrad Maß gibt, der - soweit ein entsprechender Teil auf die Vorschädigung entfällt - zu einer Verminderung des vom Versicherer für den späteren Unfall zu entschädigenden Invaliditätsgrades führt.
- 14
- 5. Vor diesem Hintergrund wird der Versicherungsnehmer die Besonderen Bedingungen U 07/88 interpretieren; für eine Mehrdeutigkeit oder eine sonstige Unklarheit im Sinne des § 305c Abs. 2 BGB ist in diesem Zusammenhang nichts ersichtlich.
- 15
- Durch a) die Besonderen Bedingungen wird § 7 I AUB 88 ausdrücklich "erweitert", so dass der Versicherungsnehmer die so in Bezug genommene Klausel und ihren Regelungsgehalt zum Ausgangspunkt nimmt. Bestätigt wird er in dieser Sichtweise durch den nachfolgenden Wortlaut der Besonderen Bedingungen, wonach ein Unfall "nach den Bemessungsgrundsätzen der Nummern (2) und (3)" zu einer dauernden Beeinträchtigung der körperlichen oder geistigen Leistungsfähigkeit führen muss. Das bringt mit der gebotenen Deutlichkeit zum Ausdruck, dass von den Bemessungsgrundsätzen des § 7 I (2) und (3) AUB 88 nicht abgewichen werden soll, insbesondere soll es bei der Trennung zwischen dem vom Versicherer zu entschädigenden unfallbedingten Invaliditätsgrad und dem dem Versicherungsnehmer zuzurechnenden Vorinvaliditätsgrad - sei er auch seinerseits unfallbedingt - verbleiben. Dies gilt umso mehr, als die Besonderen Bedingungen keine eigenen Bemessungsgrundsätze enthalten, sondern ausdrücklich an die in § 7 I AUB 88 enthaltenen anknüpfen und diese lediglich insoweit fortschreiben, als bei Erreichen eines bestimmten Invaliditätsgrades sich die im Versicherungsschein festgelegte Invaliditätssumme verdoppelt oder sogar verdreifacht.
- 16
- b) Allein diese Auslegung der Versicherungsbedingungen der Beklagten , zu der bereits das Landgericht gelangt ist, erweist sich demnach als richtig. Sie folgt den Grundsätzen des Senatsurteils vom 24. Februar 1988 (IVa ZR 220/86, VersR 1988, 461 unter 1 zu AUB 61), an denen festzuhalten ist; für die AUB 88 ergeben sich insoweit keine Besonderheiten (vgl. auch Knappmann in Prölss/Martin, VVG 28. Aufl. § 8 AUB 94 Rdn. 3; Nr. 3 AUB 2008 Rdn. 9; Grimm, Unfallversicherung 4. Aufl. Nr. 3 AUB 99 Rdn. 6; Mangen in Beckmann/Matusche-Beckmann, Versicherungsrechts -Handbuch 2. Aufl. § 47 Rdn. 197; Rüffer in Rüffer/Halbach/ Schimikowski, VVG Ziff. 2 AUB 2008 Rdn. 34). Das Senatsurteil vom 15. Dezember 1999 (IV ZR 264/98, VersR 2000, 444 unter 2 b aa), in dem auf die Rechtsprechung des OLG Saarbrücken (VersR 1998, 836) Bezug genommen wird, steht dem nicht entgegen, denn im dortigen Zusammenhang ging es um eine Klausel, die § 8 AUB 88 entspricht.
- 17
- c) Erst der nach § 7 I (2) und (3) AUB 88 ermittelte unfallbedingte Invaliditätsgrad versetzt den Versicherer nach alledem in den Stand, die ihm obliegende Berechnung der nach den Versicherungsbedingungen geschuldeten Entschädigungsleistung vorzunehmen. Die Beklagte hat in den Besonderen Bedingungen lediglich für Fälle, in denen die unfallbedingte Invalidität des Versicherten 25% übersteigt, die Anknüpfung an bewegliche, mit dem unfallbedingten Invaliditätsgrad progressiv steigende Versicherungssummen versprochen, nicht dagegen die Maßgeblichkeit anderer Invaliditätsgrade als der in den AUB vereinbarten (vgl. Senatsurteil vom 24. Februar 1988 aaO unter 2). Folgen zwei Unfälle auf- einander, kommt es auch für den zeitlich späteren Unfall nur auf den Invaliditätsgrad an, der letzterem zuzuordnen ist. Eine Zusammenrechnung oder eine sonstige übergreifende Betrachtung beider Unfälle, wie der Kläger sie geltend macht, scheidet für die progressive Invaliditätsstaffel aus. Einen Invaliditätsgrad, der 25% übersteigt, hat der Kläger allein mit dem zweiten Unfall nicht erreicht, so dass die Beklagte zu einer weiteren Versicherungsleistung nicht verpflichtet ist.
Dr. Karczewski Lehmann
Vorinstanzen:
LG Frankfurt (Oder), Entscheidung vom 23.04.2009 - 14 O 238/08 -
OLG Brandenburg, Entscheidung vom 16.12.2009 - 3 U 70/09 -
(1) Die Nichtzulassung der Revision durch das Berufungsgericht unterliegt der Beschwerde (Nichtzulassungsbeschwerde).
(2) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist nur zulässig, wenn
- 1.
der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer 20 000 Euro übersteigt oder - 2.
das Berufungsgericht die Berufung als unzulässig verworfen hat.
(3) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber bis zum Ablauf von sechs Monaten nach der Verkündung des Urteils bei dem Revisionsgericht einzulegen. Mit der Beschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des Urteils, gegen das die Revision eingelegt werden soll, vorgelegt werden.
(4) Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber bis zum Ablauf von sieben Monaten nach der Verkündung des Urteils zu begründen. § 551 Abs. 2 Satz 5 und 6 gilt entsprechend. In der Begründung müssen die Zulassungsgründe (§ 543 Abs. 2) dargelegt werden.
(5) Das Revisionsgericht gibt dem Gegner des Beschwerdeführers Gelegenheit zur Stellungnahme.
(6) Das Revisionsgericht entscheidet über die Beschwerde durch Beschluss. Der Beschluss soll kurz begründet werden; von einer Begründung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist, oder wenn der Beschwerde stattgegeben wird. Die Entscheidung über die Beschwerde ist den Parteien zuzustellen.
(7) Die Einlegung der Beschwerde hemmt die Rechtskraft des Urteils. § 719 Abs. 2 und 3 ist entsprechend anzuwenden. Mit der Ablehnung der Beschwerde durch das Revisionsgericht wird das Urteil rechtskräftig.
(8) Wird der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision stattgegeben, so wird das Beschwerdeverfahren als Revisionsverfahren fortgesetzt. In diesem Fall gilt die form- und fristgerechte Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde als Einlegung der Revision. Mit der Zustellung der Entscheidung beginnt die Revisionsbegründungsfrist.
(9) Hat das Berufungsgericht den Anspruch des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt, so kann das Revisionsgericht abweichend von Absatz 8 in dem der Beschwerde stattgebenden Beschluss das angefochtene Urteil aufheben und den Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverweisen.
(1) Gegen die im ersten Rechtszug erlassenen Endurteile, die ohne Zulassung der Berufung unterliegen, findet auf Antrag unter Übergehung der Berufungsinstanz unmittelbar die Revision (Sprungrevision) statt, wenn
- 1.
der Gegner in die Übergehung der Berufungsinstanz einwilligt und - 2.
das Revisionsgericht die Sprungrevision zulässt.
(2) Die Zulassung ist durch Einreichung eines Schriftsatzes (Zulassungsschrift) bei dem Revisionsgericht zu beantragen. Die §§ 548 bis 550 gelten entsprechend. In dem Antrag müssen die Voraussetzungen für die Zulassung der Sprungrevision (Absatz 4) dargelegt werden. Die schriftliche Erklärung der Einwilligung des Antragsgegners ist dem Zulassungsantrag beizufügen; sie kann auch von dem Prozessbevollmächtigten des ersten Rechtszuges oder, wenn der Rechtsstreit im ersten Rechtszug nicht als Anwaltsprozess zu führen gewesen ist, zu Protokoll der Geschäftsstelle abgegeben werden.
(3) Der Antrag auf Zulassung der Sprungrevision hemmt die Rechtskraft des Urteils. § 719 Abs. 2 und 3 ist entsprechend anzuwenden. Die Geschäftsstelle des Revisionsgerichts hat, nachdem der Antrag eingereicht ist, unverzüglich von der Geschäftsstelle des Gerichts des ersten Rechtszuges die Prozessakten einzufordern.
(4) Die Sprungrevision ist nur zuzulassen, wenn
- 1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder - 2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert.
(5) Das Revisionsgericht entscheidet über den Antrag auf Zulassung der Sprungrevision durch Beschluss. Der Beschluss ist den Parteien zuzustellen.
(6) Wird der Antrag auf Zulassung der Revision abgelehnt, so wird das Urteil rechtskräftig.
(7) Wird die Revision zugelassen, so wird das Verfahren als Revisionsverfahren fortgesetzt. In diesem Fall gilt der form- und fristgerechte Antrag auf Zulassung als Einlegung der Revision. Mit der Zustellung der Entscheidung beginnt die Revisionsbegründungsfrist.
(8) Das weitere Verfahren bestimmt sich nach den für die Revision geltenden Bestimmungen. § 563 ist mit der Maßgabe anzuwenden, dass die Zurückverweisung an das erstinstanzliche Gericht erfolgt. Wird gegen die nachfolgende Entscheidung des erstinstanzlichen Gerichts Berufung eingelegt, so hat das Berufungsgericht die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung durch das Revisionsgericht zugrunde gelegt ist, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.
(1) Verletzt der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis, so kann der Gläubiger Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen. Dies gilt nicht, wenn der Schuldner die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.
(2) Schadensersatz wegen Verzögerung der Leistung kann der Gläubiger nur unter der zusätzlichen Voraussetzung des § 286 verlangen.
(3) Schadensersatz statt der Leistung kann der Gläubiger nur unter den zusätzlichen Voraussetzungen des § 281, des § 282 oder des § 283 verlangen.
(1) Leistet der Schuldner auf eine Mahnung des Gläubigers nicht, die nach dem Eintritt der Fälligkeit erfolgt, so kommt er durch die Mahnung in Verzug. Der Mahnung stehen die Erhebung der Klage auf die Leistung sowie die Zustellung eines Mahnbescheids im Mahnverfahren gleich.
(2) Der Mahnung bedarf es nicht, wenn
- 1.
für die Leistung eine Zeit nach dem Kalender bestimmt ist, - 2.
der Leistung ein Ereignis vorauszugehen hat und eine angemessene Zeit für die Leistung in der Weise bestimmt ist, dass sie sich von dem Ereignis an nach dem Kalender berechnen lässt, - 3.
der Schuldner die Leistung ernsthaft und endgültig verweigert, - 4.
aus besonderen Gründen unter Abwägung der beiderseitigen Interessen der sofortige Eintritt des Verzugs gerechtfertigt ist.
(3) Der Schuldner einer Entgeltforderung kommt spätestens in Verzug, wenn er nicht innerhalb von 30 Tagen nach Fälligkeit und Zugang einer Rechnung oder gleichwertigen Zahlungsaufstellung leistet; dies gilt gegenüber einem Schuldner, der Verbraucher ist, nur, wenn auf diese Folgen in der Rechnung oder Zahlungsaufstellung besonders hingewiesen worden ist. Wenn der Zeitpunkt des Zugangs der Rechnung oder Zahlungsaufstellung unsicher ist, kommt der Schuldner, der nicht Verbraucher ist, spätestens 30 Tage nach Fälligkeit und Empfang der Gegenleistung in Verzug.
(4) Der Schuldner kommt nicht in Verzug, solange die Leistung infolge eines Umstands unterbleibt, den er nicht zu vertreten hat.
(5) Für eine von den Absätzen 1 bis 3 abweichende Vereinbarung über den Eintritt des Verzugs gilt § 271a Absatz 1 bis 5 entsprechend.
Die Rechtsfähigkeit des Menschen beginnt mit der Vollendung der Geburt.
(1) Verletzt der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis, so kann der Gläubiger Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen. Dies gilt nicht, wenn der Schuldner die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.
(2) Schadensersatz wegen Verzögerung der Leistung kann der Gläubiger nur unter der zusätzlichen Voraussetzung des § 286 verlangen.
(3) Schadensersatz statt der Leistung kann der Gläubiger nur unter den zusätzlichen Voraussetzungen des § 281, des § 282 oder des § 283 verlangen.
(1) Leistet der Schuldner auf eine Mahnung des Gläubigers nicht, die nach dem Eintritt der Fälligkeit erfolgt, so kommt er durch die Mahnung in Verzug. Der Mahnung stehen die Erhebung der Klage auf die Leistung sowie die Zustellung eines Mahnbescheids im Mahnverfahren gleich.
(2) Der Mahnung bedarf es nicht, wenn
- 1.
für die Leistung eine Zeit nach dem Kalender bestimmt ist, - 2.
der Leistung ein Ereignis vorauszugehen hat und eine angemessene Zeit für die Leistung in der Weise bestimmt ist, dass sie sich von dem Ereignis an nach dem Kalender berechnen lässt, - 3.
der Schuldner die Leistung ernsthaft und endgültig verweigert, - 4.
aus besonderen Gründen unter Abwägung der beiderseitigen Interessen der sofortige Eintritt des Verzugs gerechtfertigt ist.
(3) Der Schuldner einer Entgeltforderung kommt spätestens in Verzug, wenn er nicht innerhalb von 30 Tagen nach Fälligkeit und Zugang einer Rechnung oder gleichwertigen Zahlungsaufstellung leistet; dies gilt gegenüber einem Schuldner, der Verbraucher ist, nur, wenn auf diese Folgen in der Rechnung oder Zahlungsaufstellung besonders hingewiesen worden ist. Wenn der Zeitpunkt des Zugangs der Rechnung oder Zahlungsaufstellung unsicher ist, kommt der Schuldner, der nicht Verbraucher ist, spätestens 30 Tage nach Fälligkeit und Empfang der Gegenleistung in Verzug.
(4) Der Schuldner kommt nicht in Verzug, solange die Leistung infolge eines Umstands unterbleibt, den er nicht zu vertreten hat.
(5) Für eine von den Absätzen 1 bis 3 abweichende Vereinbarung über den Eintritt des Verzugs gilt § 271a Absatz 1 bis 5 entsprechend.
(1) Wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jeder Partei zur Hälfte zur Last.
(2) Das Gericht kann der einen Partei die gesamten Prozesskosten auferlegen, wenn
- 1.
die Zuvielforderung der anderen Partei verhältnismäßig geringfügig war und keine oder nur geringfügig höhere Kosten veranlasst hat oder - 2.
der Betrag der Forderung der anderen Partei von der Festsetzung durch richterliches Ermessen, von der Ermittlung durch Sachverständige oder von einer gegenseitigen Berechnung abhängig war.
Andere Urteile sind gegen eine der Höhe nach zu bestimmende Sicherheit für vorläufig vollstreckbar zu erklären. Soweit wegen einer Geldforderung zu vollstrecken ist, genügt es, wenn die Höhe der Sicherheitsleistung in einem bestimmten Verhältnis zur Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages angegeben wird. Handelt es sich um ein Urteil, das ein Versäumnisurteil aufrechterhält, so ist auszusprechen, dass die Vollstreckung aus dem Versäumnisurteil nur gegen Leistung der Sicherheit fortgesetzt werden darf.