Landgericht Nürnberg-Fürth Hinweisbeschluss, 03. Nov. 2014 - 8 S 4293/14

bei uns veröffentlicht am03.11.2014
vorgehend
Amtsgericht Schwabach, 8 C 1422/13, 13.05.2014

Gericht

Landgericht Nürnberg-Fürth

Gründe

Landgericht Nürnberg-Fürth

Az.: 8 S 4293/14

8 C 1422/13 AG Schwabach

In dem Rechtsstreit

...

- Klägerin und Berufungsklägerin -

Prozessbevollmächtigte: ...

gegen

...

- Beklagte und Berufungsbeklagte -

Prozessbevollmächtigte: ...

wegen Forderung

erteilt das Landgericht Nürnberg-Fürth - 8. Zivilkammer - durch die Vorsitzende Richterin am Landgericht Dr. ..., die Richterin ... und den Richter am Landgericht Dr. ...

am 03.11.2014

folgenden

Hinweis

1. Die Kammer beabsichtigt, die Berufung gegen das Urteil des Amtsgerichts Schwabach vom 13.05.2014, Az. 8 C 1422/13, gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil sie einstimmig der Auffassung ist, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert. Auch die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung ist nicht geboten.

2. Hierzu besteht Gelegenheit zur Stellungnahme binnen zwei Wochen nach Zustellung dieses Beschlusses.

Gründe:

A. Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Leistungen aus einer Reisrücktrittsversicherung in Anspruch. Nach § 1 Nr. 2 und 2.1 der maßgeblichen AVB-RKV Gold gilt:

„2. Der Versicherer ist … leistungspflichtig, wenn infolge eines der nachstehend genannten wichtigen Gründe entweder die Reiseunfähigkeit des Versicherten nach allgemeiner Lebenserfahrung zu erwarten ist oder ihm der Antritt der Reise oder … nicht zugemutet werden kann:

2.1 Tod, schwerer Unfall oder unerwartete schwere Erkrankung des Versicherten, …“

Die Klägerin behauptet, dass bei ihr vor Reiseantritt Herzrasen, Schweißausbrüche, Angstzustände und Panikattacken aufgetreten seien. Diese - insoweit unstreitig - infolge Beziehungsproblemen mit ihrem Partner und gleichzeitig Begleiter der gebuchten Reise entstandene psychovegetative Dysregulation stelle einer „unerwartete schwere Erkrankung“ dar.

Das Amtsgericht hat die Klage auf Zahlung der Stornogebühren in Höhe von 845,00 € nach Zeugenvernehmung des behandelnden Arztes der Klägerin als unbegründet abgewiesen. Eine Beweisaufnahme durch Sachverständigengutachten sei nicht geboten.

Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung, mit der sie den Zahlungsantrag in voller Höhe weiter verfolgt.

B. Die Kammer teilt die Ansicht des Amtsgerichts, wonach ein Versicherungsfall nicht mit hinreichender Überzeugung nachgewiesen ist.

Der Erfolg der Klage steht und fällt mit der Frage, ob bei der Klägerin vor Reiseantritt eine „unerwartete schwere Erkrankung“ vorlag.

1. Eine Erkrankung ist unabhängig von den subjektiven Vorstellungen des Betroffenen zu verstehen als ein objektiv nach ärztlichem Urteil bestehender anomaler Körper- oder Geisteszustand zu verstehen (BGH, Urt. v. 15.9.2010 - IV ZR 187/07, r+s 2011, 75 zum vergleichbaren Begriff „Krankheit“ in der Krankenversicherung). Dabei ist keine exakte klinische Diagnose erforderlich (OLG Hamm, Urt. v. 12.6.1996 - 20 U 220/95, VersR 1997, 1342). Für das Vorliegen einer „Erkrankung“ reicht demnach das Bestehen entsprechender Symptome aus; ein anderes Verständnis von „Erkrankung“ würde den Versicherungsnehmer durch das ihm damit überbürdete medizinische Diagnoserisiko unangemessen i. S. d. § 307 Abs. 1 S. 1 BGB benachteiligen.

Gemessen daran dürfte bei der Klägerin am 10.05.2013 nach den Angaben des Zeugen Dr. Maurer eine Erkrankung vorgelegen haben. Der Zeuge schilderte von ihm selbst wahrgenommene Zittrigkeit, Nervosität und Tränenausbruch (verbunden mit einem - an sich bei der Klägerin jedoch nicht ungewöhnlichen - schnellen Puls). Darin dürfte nach Ansicht der Kammer ein objektiv nach ärztlichem Urteil bestehender anomaler Körperzustand zum Ausdruck kommen - die Frage nach dessen Schwere hier noch offen lassend. Darauf, ob noch zusätzlich die vom Zeugen benannten weiteren Symptome Herzrasen und Schweißausbrüche - wie sie ihm von der Klägerin geschildert worden waren - vorlagen, kommt es hier nicht an.

Ohne Bedeutung ist nach den Versicherungsbedingungen - natürlich mit Ausnahme der Ausschlusstatbestände des § 3 -, auf welcher Ursache die Erkrankung beruht. Der Umstand, dass die Beschwerden der Klägerin durch Partnerschaftsprobleme ausgelöst wurden, ist deshalb ohne Belang. Es kann somit auch nicht argumentiert werden, dass sie die Reise ja hätte durchführen können, wenn ihr Partner auf die Teilnahme an der gemeinsam gebuchten Reise verzichtet hätte. Die Versicherungsbedingungen sehen keine entsprechende Obliegenheit des Versicherungsnehmers vor, etwa alles für die Durchführbarkeit der Reise Zumutbare zu unternehmen, hier also den die Krankheitssymptome verursachenden Partner von der gemeinsamen Durchführung der Reise abzubringen. Ob eine solche Obliegenheit aus § 82 Abs. 1 VVG hergeleitet werden könnte, bedarf keiner Entscheidung, da schon nichts dafür vorgetragen ist, dass sich der Partner der Klägerin überhaupt von der Teilnahme an der gemeinsam gebuchten Reise hätte abbringen lassen.

2. Dass die Erkrankung der Klägerin nicht „unerwartet“ aufgetreten sei, bringt die Beklagte erstmals im Rahmen der Berufungserwiderung vor (a. a. O. S. 11). Insoweit könnte die Berücksichtigung dieses neuen Vortrages an §§ 531 Abs. 2 S. 1, 529 Abs. 1 ZPO scheitern. Hierauf kommt es jedoch nicht entscheidungserheblich an.

3. Der Klägerin ist nach überzeugender Beweiswürdigung des Amtsgerichts der Nachweis, dass ihre Erkrankung „schwer“ war, nicht gelungen.

a) Die Kammer geht dabei in rechtlicher Hinsicht von folgenden Grundsätzen aus:

aa) Der Begriff der „schweren“ Erkrankung wird in der Rspr. und Literatur dahingehend verstanden, dass die Krankheit einen Grad erreicht haben muss, bei dem der Antritt oder die Fortsetzung der Reise objektiv nicht mehr zumutbar ist (LG Koblenz NJW-RR 2004, 1333; LG München I NJW-RR 2001, 529 m. w. N.). Dem vermag sich die Kammer zumindest für die hier maßgeblichen Versicherungsbedingungen nicht anzuschließen. Nach deren eindeutiger Syntax muss zum einen eine „unerwartete schwere Erkrankung“ vorliegen, zum anderen darf der Antritt der Reise nicht zumutbar sein (§ 1 Nr. 2 in Alt. 2). Schwere Erkrankung und Zumutbarkeit des Reiseantritts stehen also als Voraussetzungen des Versicherungsfalls unabhängig nebeneinander, so dass beides nicht definitorisch vermengt werden darf. Dass diese Differenzierung durchaus sinnvoll ist, erkennt auch der durchschnittliche Versicherungsnehmer, auf den für die Auslegung der Versicherungsbedingungen abzustellen ist (st. Rspr. zuletzt BGH, Urt. v. 8.10.2014 - IV ZR 16/13, juris m. w. N.). So kann etwa einem Versicherten, der an einer - wohl immer „schweren“ - Krebserkrankung leidet, die Durchführung einer Reise durchaus zumutbar sein, wenn im Reisezeitraum keine Behandlung ansteht und die Reise womöglich gar einen positiven Einfluss auf das Gesamtbefinden hat.

Im Streitfall darf die Zumutbarkeit des Reiseantritts „infolge“ Erkrankung außerdem nicht mit der Zumutbarkeit der Reise infolge der Partnerschaftsbeziehungen der Klägerin verwechselt werden. Letztere sind hier „nur“ Krankheitsursache, haben aber für die Frage nach dem Versicherungsfall keine primäre Bedeutung.

Unschwer erkennt der Versicherungsnehmer jedoch, dass der Begriff der „schweren“ Erkrankung - dem im Übrigen keine Wirksamkeitsbedenken entgegenstehen (LG München I a. a. O.) - fordert, dass in Abgrenzung hierzu eine „einfache“ Erkrankung nicht ausreichend ist. Es ist damit klar, dass ein erheblicher Grad einer Erkrankung vorliegen muss (LG München I a. a. O.). Alltägliche oder jedenfalls nicht erheblich beeinträchtigende Erkrankungen wie etwa eine Erkältung oder Muskelzerrung begründen somit keinen Leistungsanspruch.

Ebenso wie das Vorliegen einer Erkrankung an sich, ist deren Schweregrad nach dem Sinn und Zweck der Versicherungsbedingungen ein objektives Kriterium, das nicht der Einschätzung alleine des Versicherers oder des Versicherungsnehmers überlassen ist. Im Gegensatz hierzu ist das weitere Kriterium „unerwartet“ aus der subjektiven Sicht des Versicherungsnehmers zu subsumieren (BGH, 21.9.2011 - IV ZR 227/09, r+s 2012, 135 zur Reisekrankenversicherung).

bb) Die Frage, ob eine Erkrankung. „schwer“ i. S. d. Versicherungsbedingungen ist, ist weder von einem - sachverständigen - Zeugen (behandelnder Arzt) noch einem sonstigen Mediziner (Sachverständiger) zu entscheiden. Es handelt sich hierbei um eine Rechtsfrage (ähnlich wohl LG Koblenz NJW-RR 2004, 1333). Ein Zögern beim Antworten des behandelnden Arztes auf entsprechende Frage der Amtsrichterin ist deshalb ohne unmittelbare Aussagekraft.

cc) Vom Vorstehenden zu trennen ist die Frage, wie der Versicherungsnehmer als Anspruchssteller das Vorliegen einer „schweren“ Erkrankung im Streitfall nachweisen kann.

Warum hierfür - wie die Beklagte meint - die Vorlage eines Attestes eines Facharztes erforderlich sein soll, vermag die Kammer nicht zu erkennen. Hätte die Beklagte an einer solchen Leistungsvoraussetzung Interesse, stünde es ihr - in den Grenzen der §§ 305 ff. BGB - frei, eine solche in den Versicherungsbedingungen zu normieren (so etwa im Fall LG Saarbrücken 26.5.2014 - 14 O 254/12, BeckRS 2014, 15677). Dies ist indes in den für den streitgegenständlichen Versicherungsfall maßgeblichen Bedingungen nicht der Fall, insbesondere nicht in § 5 Nr. 1.2 AVB, der lediglich eine Obliegenheit zur Vorlage von „ärztliche(n) Atteste(n)“ (auf Verlangen!) statuiert. Dass die Beklagte eine solche Vorlage vor (!) Leistungsablehnung (vgl. BGH, 13.3.2013 - IV ZR 110/11, VersR 2013, 609) verlangt (!) hätte, ist aber nicht vorgetragen. Lediglich ergänzend sei erwähnt, dass die Bedingungen nicht zur Voraussetzung des Versicherungsfalls machen, dass überhaupt ein ärztliches Attest vorgelegt wird. Die im Schriftsatz der Beklagten vom 17.04.2014 zitierte Rechtsprechung muss deshalb zu anderen Versicherungsbedingungen ergangen sein oder widerspräche grundlegenden Gedanken der höchstrichterlichen Auslegung von Versicherungsbedingungen. Ein Attest kann nach den streitgegenständlichen Bedingungen also lediglich im Rahmen der Aufklärungsobliegenheit nach § 5 Nr. 1.2 AVB relevant werden, wofür jedoch - wie bereits ausgeführt - nichts vorgetragen ist.

Ist die behauptete Erkrankung - wie im Streitfall - nicht bereits objektiv von solchem Gewicht, dass ihre Beurteilung zum „Stichtag“ - also hier bei Stornierung vor Reiseantritt - als „schwer“ gleichsam selbsterklärend ist, muss anhand einer Gesamtschau und -würdigung von Indizien der Erheblichkeitsgrad bestimmt werden. Dabei ist für keines der Indizien dessen Vorliegen zwingende Voraussetzung oder Ausschlusskriterium. Zu berücksichtigen können in diesem Zusammenhang etwa das Ob und die Art einer etwaigen Therapie sein, wie etwa die Gabe von Medikamenten; ebenso kann das Ob und die Dauer einer etwaigen krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit Bedeutung erlangen. Auch der weitere Befindlichkeitsverlauf kann nach Ansicht der Kammer grundsätzlich durchaus eine gewisse Indizwirkung haben. Anders ist dies für die Frage nach der zeitlichen Prognose („zu erwarten ist“; vgl. insoweit auch BGH 20.6.2012 - IV ZR 141/11, r+s 2012, 499 zum Prognoseaspekt beim Vorliegen von Berufsunfähigkeit i. S. d. § 15 Abs. 1 Buchst. 1b MB/KT).

b) Gemessen am Vorstehenden ist im Streitfall die Überzeugung von einer „schweren“ Erkrankung nicht mit der nach § 286 ZPO erforderlichen Sicherheit möglich.

Dabei ist zu sehen, dass die von Haus aus eher harmlosen Symptome Zittrigkeit, Nervosität und Tränenausbruch wie sie der behandelnde Arzt festgestellt hat, auch Teil des allgemeinen Lebensrisikos bei Erhalt „schlechter Nachrichten“ sind, ohne dass sich daraus bereits der Befund eines erheblichen Krankheitswertes ziehen ließe.

Die weiteren von der Klägerin behaupteten Symptome „Herzrasen“ und „Schweißausbrüche“ sind von der Beklagten bestritten worden. Deren Vorliegen zum damaligen Zeitpunkt ist jedoch nicht bewiesen. Der behandelnde Arzt vermochte diese aus eigener Wahrnehmung nicht zu bestätigen. In diesem Zusammenhang ist auch zu würdigen, dass der behandelnde Arzt die Beschwerdeschilderung der Klägerin nicht zum Anlass nahm, weiterführende Diagnostik zu betreiben - es wurde nicht einmal ein EKG vorgenommen, sondern nur der Puls gemessen. Es ist - vor Reiseantritt - auch keine Therapie der Erkrankung wie etwa Medikamente oder psychotherapeutische Gespräche verordnet worden; zu weiteren Behandlungen ist es nicht gekommen. Die Klägerin wurde nicht krankgeschrieben, sondern war arbeitsfähig - jedenfalls ist nichts Gegenteiliges vorgetragen. Die vier Monate später erfolgte stationäre psychotherapeutische Behandlung lässt einen Rückschluss auf die Schwere der Erkrankung zum Zeitpunkt vor Antritt der Reise nicht zu. In diesem Zeitraum ist eine Vielzahl an Entwicklungsmöglichkeiten des konkreten Krankheitsverlaufs denkbar. Auf die zwischen den Parteien streitige Frage, ob die stationäre Behandlung mit der Erkrankung vor Reiseantritt überhaupt in Zusammenhang steht, kommt es demnach nicht an.

Fehlt es bereits an einer „schweren“ Erkrankung, spielt die Zumutbarkeit des Reiseantritts im Einzelfall keine Rolle mehr.

Urteilsbesprechung zu Landgericht Nürnberg-Fürth Hinweisbeschluss, 03. Nov. 2014 - 8 S 4293/14

Urteilsbesprechungen zu Landgericht Nürnberg-Fürth Hinweisbeschluss, 03. Nov. 2014 - 8 S 4293/14

Referenzen - Gesetze

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 307 Inhaltskontrolle


(1) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben,

Zivilprozessordnung - ZPO | § 522 Zulässigkeitsprüfung; Zurückweisungsbeschluss


(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwer

Zivilprozessordnung - ZPO | § 286 Freie Beweiswürdigung


(1) Das Gericht hat unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu erachten sei.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 531 Zurückgewiesene und neue Angriffs- und Verteidigungsmittel


(1) Angriffs- und Verteidigungsmittel, die im ersten Rechtszuge zu Recht zurückgewiesen worden sind, bleiben ausgeschlossen. (2) Neue Angriffs- und Verteidigungsmittel sind nur zuzulassen, wenn sie1.einen Gesichtspunkt betreffen, der vom Gericht
Landgericht Nürnberg-Fürth Hinweisbeschluss, 03. Nov. 2014 - 8 S 4293/14 zitiert 6 §§.

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Versicherungsvertragsgesetz - VVG 2008 | § 82 Abwendung und Minderung des Schadens


(1) Der Versicherungsnehmer hat bei Eintritt des Versicherungsfalles nach Möglichkeit für die Abwendung und Minderung des Schadens zu sorgen. (2) Der Versicherungsnehmer hat Weisungen des Versicherers, soweit für ihn zumutbar, zu befolgen sowie Weis

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(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwerfen. Die Entscheidung kann durch Beschluss ergehen. Gegen den Beschluss findet die Rechtsbeschwerde statt.

(2) Das Berufungsgericht soll die Berufung durch Beschluss unverzüglich zurückweisen, wenn es einstimmig davon überzeugt ist, dass

1.
die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat,
2.
die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat,
3.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert und
4.
eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.
Das Berufungsgericht oder der Vorsitzende hat zuvor die Parteien auf die beabsichtigte Zurückweisung der Berufung und die Gründe hierfür hinzuweisen und dem Berufungsführer binnen einer zu bestimmenden Frist Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Der Beschluss nach Satz 1 ist zu begründen, soweit die Gründe für die Zurückweisung nicht bereits in dem Hinweis nach Satz 2 enthalten sind. Ein anfechtbarer Beschluss hat darüber hinaus eine Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil mit Darstellung etwaiger Änderungen oder Ergänzungen zu enthalten.

(3) Gegen den Beschluss nach Absatz 2 Satz 1 steht dem Berufungsführer das Rechtsmittel zu, das bei einer Entscheidung durch Urteil zulässig wäre.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IV ZR 187/07 Verkündetam:
15.September2010
Heinekamp
Justizhauptsekretär
alsUrkundsbeamter
derGeschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
AVB Private Krankenversicherung (hier § 1 (2) MB/KK)
Im Streit um die Erstattungsfähigkeit von Kosten für reproduktionsmedizinische
Behandlungen (hier Inseminationsbehandlungen, In-vitro-Fertilisationen mit
intracytoplasmatischen Spermien-Injektionen) genügt der Versicherungsnehmer
einer privaten Krankheitskostenversicherung der ihn treffenden Darlegungs
- und Beweislast für das Vorliegen einer bedingungsgemäßen Krankheit,
wenn er nachweist, dass bei ihm eine Spermienanomalie vorliegt, die seine
Fähigkeit, ein Kind zu zeugen, beeinträchtigt.
BGH, Urteil vom 15. September 2010 - IV ZR 187/07 - OLG München
LG München I
Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch den Vorsitzenden
Richter Terno, den Richter Wendt, die Richterin Dr. Kessal-Wulf,
die Richter Felsch und Lehmann auf die mündliche Verhandlung vom
15. September 2010

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 25. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 26. Juni 2007 aufgehoben.
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der 26. Zivilkammer des Landgerichts München I vom 21. September 2006 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten der Rechtsmittelverfahren.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Der Kläger verlangt die Erstattung von Kosten für reproduktionsmedizinische Behandlungen. Er hält bei der Beklagten eine private Krankenversicherung , welcher Allgemeine Versicherungsbedingungen zugrunde liegen, die hinsichtlich der Beschreibung des Versicherungsfalles mit den Musterbedingungen für die Krankheitskostenversicherung (MB/KK) übereinstimmen. § 1 (2) der Bedingungen bestimmt einleitend: "Versicherungsfall ist die medizinisch notwendige Heilbehandlung einer versicherten Person wegen Krankheit oder Unfallfolgen. Der Versicherungsfall beginnt mit der Heilbehandlung ; er endet, wenn nach medizinischem Befund Behandlungsbedürftigkeit nicht mehr besteht. …"
2
Der vom Kläger gewählte Tarif sieht die Erstattung für notwendige ambulante und stationäre Behandlungskosten zu 100% vor.
3
am Der 18. August 1959 geborene Kläger ist verheiratet. Seine Ehefrau ist am 13. November 1970 geboren und anderweitig privat krankenversichert. Das Ehepaar wünscht sich ein Kind. Im Frühjahr 2004 wurde die Ehefrau des Klägers spontan, d.h. ohne medizinische Unterstützung , schwanger, erlitt jedoch nach kurzer Zeit eine Fehlgeburt.
4
der In Folgezeit nahmen die Eheleute medizinische Hilfe in Anspruch , um eine erneute Schwangerschaft herbeizuführen. Von September 2004 bis März 2005 wurden zunächst sechs Inseminationsbehandlungen durchgeführt, sodann von April 2005 bis April 2006 insgesamt fünf Therapiezyklen jeweils bestehend aus einer In-vitro-Fertilisation (IVF) in Kombination mit einer intracytoplasmatischen Spermien-Injektion (ICSI). Im Dezember 2005 kam es zu einer erneuten Schwangerschaft, auch sie endete aber vorzeitig im Januar 2006.
5
Die Beklagte hat eine Erstattung der Kosten für die vorgenannten Behandlungen ganz überwiegend abgelehnt und lediglich die Kosten erstattet , die für die Spermienaufbereitung vor den Inseminationsbehandlungen angefallen sind. Sie bestreitet eine behandlungsbedürftige Erkrankung des Klägers, welche allein durch die von ihm vorgelegten Ergebnisse mehrerer Spermienuntersuchungen nicht ausreichend belegt sei. Es sei auch nicht hinreichend geklärt, inwieweit Fertilitätsstörungen bei der Ehefrau des Klägers vorlägen.
6
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben, das Oberlandesgericht hat sie auf die Berufung der Beklagten abgewiesen. Mit der Revision erstrebt der Kläger die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.

Entscheidungsgründe:


7
Das Rechtsmittel hat Erfolg.
8
Das I. Berufungsgericht hat angenommen, fehlende Fortpflanzungsfähigkeit werde bei Ehepartnern nur dann als bedingungsgemäße Krankheit angesehen, wenn sie auf einer biologischen Beeinträchtigung von Körperfunktionen beruhe. Der Kläger habe den ihm obliegenden Beweis dafür, dass solche Störungen bei ihm vorlägen, nicht erbracht. Vielmehr habe der gerichtlich bestellte Sachverständige in seinem Zusatzgutachten ausgeführt, den Unterlagen sei über organisch/körperlich bedingte Gesundheitseinschränkungen beim Kläger, die "eindeutig fertilitätsrelevant wären" nichts zu entnehmen. Der Sachverständige habe im Übrigen die Anfang 2004 eingetretene spontane Schwangerschaft der Ehefrau des Klägers als Beleg dafür angesehen, dass die Eheleute jedenfalls seinerzeit noch nicht steril gewesen seien. Es sei möglich, dass sich bei der Ehefrau des Klägers durch die nachfolgende Fehlgeburt fertilitätsrelevante Komplikationen ergeben hätten. Soweit beim Kläger einige Ejakulatsanalysen nicht im Normbereich gelegen hätten, lasse das http://127.0.0.1:50000/Xaver/text.xav?SID=&skin=&bk=heymanns_bgh_ed_bghz&start=%2F%2F*%5B%40attr_id%3D'p-bghz-158-166_enr18'%5D&tf=heymanns_bgh_ed_bghz_mainFrame&hlf=heymanns_bgh_ed_bghz_mainFrame&qmf=heymanns_bgh_ed_bghz_mainFrame&tocf=heymanns_bgh_ed_bghz_tocFrame#xaverTitleAnchore [Link] http://127.0.0.1:50000/Xaver/text.xav?SID=&skin=&bk=heymanns_bgh_ed_bghz&start=%2F%2F*%5B%40attr_id%3D'p-bghz-158-166_enr18'%5D&tf=heymanns_bgh_ed_bghz_mainFrame&hlf=heymanns_bgh_ed_bghz_mainFrame&qmf=heymanns_bgh_ed_bghz_mainFrame&tocf=heymanns_bgh_ed_bghz_tocFrame#xaverTitleAnchore [Link] http://127.0.0.1:50000/Xaver/text.xav?SID=&skin=&bk=heymanns_bgh_ed_bghz&start=%2F%2F*%5B%40attr_id%3D'p-bghz-158-170_enr18'%5D&tf=heymanns_bgh_ed_bghz_mainFrame&hlf=heymanns_bgh_ed_bghz_mainFrame&qmf=heymanns_bgh_ed_bghz_mainFrame&tocf=heymanns_bgh_ed_bghz_tocFrame#xaverTitleAnchore - 5 - nicht auf eine organische Erkrankung schließen. Denn der Sachverständige habe eine hohe Varianz der maßgeblichen Parameter als bekanntes Phänomen bezeichnet, für das es zahlreiche mögliche Ursachen, etwa Stress, jahreszeitliche Einflüsse, Alkohol- oder Nikotinmissbrauch, Aspirineinnahme , geben könne. Ein Versicherungsfall setze zwar nicht die Kenntnis von den Krankheitsursachen voraus, hier fehle es aber schon am Nachweis einer Krankheit.
9
II. Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Dabei kann offen bleiben, ob das Protokollurteil des Berufungsgerichts den Anforderungen der §§ 540 Abs. 1, 313 und 315 Abs. 1 ZPO entspricht (vgl. dazu BGHZ 158, 37, 40 f.; BGH, Urteil vom 11. Juli 2007 - XII ZR 164/03 - NJW-RR 2007, 1567 Tz. 8 ff.). Es ist jedenfalls deshalb aufzuheben, weil das Berufungsgericht den Begriff der Krankheit i.S. von § 1 (2) MB/KK und die Anforderungen an deren Nachweis grundlegend verkannt hat.
10
Versicherungsfallin der hier in Rede stehenden Krankenversicherung ist gemäß § 1 (2) Satz 1 der Versicherungsbedingungen die medizinisch notwendige Heilbehandlung einer versicherten Person wegen Krankheit oder Unfallfolgen. Was den Versicherungsfall ausmacht, wird zum einen durch die Bezeichnung eines die Behandlung auslösenden Ereignisses oder Zustandes (Krankheit oder Unfallfolgen) ausgefüllt, zum anderen dadurch festgelegt, dass es sich bei der Behandlung um eine medizinisch notwendige Heilbehandlung handeln muss (BGHZ 164, 122, 124 f.; 158, 166, 170).
11
1. Krankheit im Sinne der Bedingungen ist ein objektiv nach ärztlichem Urteil bestehender anomaler, regelwidriger Körper- oder Geistes- zustand. Dazu zählt auch eine auf körperlichen Ursachen beruhende Unfähigkeit , auf natürlichem Wege Kinder zu zeugen (BGHZ aaO). Eine solche Krankheit liegt beim Kläger vor.
12
a) Wie der gerichtlich bestellte Sachverständige in seinem Gutachten vom 14. Januar 2006 im Einzelnen dargelegt hat, waren - beginnend im März 2004 - wiederholt Sperma-Analysen erfolgt. Die für die Fertilität maßgebenden Parameter sind dabei die Spermatozoenzahl (gemessen in Millionen/ml; geforderter Minimalwert = 10 Millionen/ml), die lineare Progressivmotilität der Spermien (Beweglichkeit, ausgedrückt in Prozent der nach einer WHO-Klassifizierung zugrunde gelegten Geradeausbewegung von > 25 μm/sec; geforderte Mindestrate = 25%), schließlich die Morphologie, beschrieben durch den Anteil der normal geformten Spermatozoen (geforderter Minimalwert = 15%) einerseits und den Anteil von Spermatozoen mit einer ausgeprägten Störung des Erscheinungsbildes (Nadelkopfform der Samenfäden, sog. Pinhead-Anteil) andererseits.
13
erste Die Analyse vom 12. März 2004 hatte bei ansonsten im Normbereich liegenden Werten eine auffällig geringe Anzahl normal geformter Spermatozoen (2%) ergeben, weshalb der Sachverständige dem Kläger insoweit eine Teratozoospermie attestiert hat. Die zweite Untersuchung vom 28. Juni 2004 hatte eine gesunkene Progressivmotilität von lediglich 15 % und eine weiterhin zu geringe Anzahl normal geformter Spermatozoen (8%) aufgezeigt. Sechs weitere, in der Folgezeit bis März 2005 genommene Proben hatten zwar starke Schwankungsbreiten der Parameter gezeigt, eine normale Morphologie der Spermatozoen war nur einmal im November 2004 erreicht worden, zugleich hatte diese Probe jedoch eine deutliche Reduktion von Konzentration und Beweglichkeit der Spermien aufgewiesen, so dass der Sachverständige insoweit von einer Oligoasthenozoospermie gesprochen hat. Die geforderte Beweglichkeit der Spermien war in vier Analysen deutlich unterschritten worden. Auch die Spermatozoenkonzentration hatte bei zwei Untersuchungen unterhalb der Norm von mindestens 10 Millionen/ml gelegen.
14
Anseinerdiesbezü glichen Bewertung der vorgenannten Analysen hat der Sachverständige auch in seinem Zusatzgutachten vom 28. Mai 2006 festgehalten.
15
b) Davon ausgehend hat das Landgericht zu Recht angenommen, beim Kläger habe eine Krankheit im Sinne der Bedingungen vorgelegen, weil die bei den vorgenannten Untersuchungen gewonnenen Messwerte einen pathologischen Befund ergeben. Sie beschreiben einen regelwidrigen körperlichen Zustand, der zur Folge hat, dass die Fähigkeit, eine Eizelle zu befruchten, stark eingeschränkt ist.
16
Soweit c) das Berufungsgericht demgegenüber darauf abgestellt hat, dass der gerichtlich bestellte Sachverständige ausweislich seines Zusatzgutachtens vom 28. Mai 2006 den Krankenunterlagen nichts "über fertilitätsrelevante organisch/körperliche Gesundheitseinschränkungen" habe entnehmen können, verkennt es den Zusammenhang, in den diese Aussage gestellt war. Der Sachverständige ist in beiden Gutachten erkennbar davon ausgegangen, dass die genannten Sperma-Analysen einen behandlungsbedürftigen pathologischen Zustand ergeben hatten; er hat deshalb die durchgeführten Behandlungsmaßnahmen als medizinisch notwendig erachtet und ergänzt, dass er sogar ein früheres, invasives therapeutisches Vorgehen ebenfalls für akzeptabel gehalten hätte. Lediglich im Anschluss daran hat sich der Sachverständige abschließend die Frage gestellt, ob es Hinweise auf Gesundheitsschäden des Klägers gibt, die ihrerseits die regelwidrigen Befunde der Sperma-Analysen erklären könnten. Nur insoweit hat der Sachverständige keine Ursachen, wie etwa Bluthochdruck, Diabetes oder Genussmittelmissbrauch, benennen können.
17
d) Danach hat der Kläger seiner Beweislast für das Vorliegen einer bedingungsgemäßen Krankheit genügt. Er hat eine von der Norm deutlich abweichende, die Zeugungsfähigkeit beeinträchtigende Zusammensetzung seines Spermas bewiesen, mithin einen regelwidrigen körperlichen Zustand, der seine Zeugungsfähigkeit einschränkt. Er muss nicht darüber hinausgehend darlegen oder beweisen, auf welche Ursachen dieser Befund zurückzuführen ist und dass es sich bei diesen Ursachen ihrerseits um bedingungsgemäße Krankheiten handelt. Deshalb ist es auch im Ansatz verfehlt, dass das Berufungsgericht geprüft hat, ob die erstellten Spermiogramme angesichts ihrer hohen Varianz ausreichend sichere Schlüsse auf mögliche Ursachen wie Stress, Jahreszeit, Alkoholoder Nikotinabusus, Aspirineinnahme usw. zuließen.
18
e) Unerheblich ist es weiter, dass hier nicht geklärt werden kann, ob auch bei der Ehefrau des Klägers eine Fertilitätsstörung vorliegt. Treffen körperlich bedingte Fertilitätseinschränkungen von Mann und Frau zusammen, muss zwar der Tatrichter zunächst mit sachverständiger Hilfe zu klären versuchen, ob einzelne Behandlungsschritte der künstlichen Befruchtung ausschließlich durch die Erkrankung des einen oder des anderen Partners geboten sind. Ist das - wie hier - nicht möglich, steht andererseits aber fest, dass bei einem der Ehepartner eine Fertilitätsstörung vorliegt, so ist die Behandlung, selbst wenn sie zugleich die körperlich bedingte Unfruchtbarkeit beider Partner überwinden soll, jedenfalls auch als eine eigene Heilbehandlung desjenigen Ehepartners anzuse- hen, bei dem die Fertilitätsstörung nachgewiesen ist. Sind beide Ehepartner privat krankenversichert, erwirbt insoweit jeder von ihnen für die Linderung seiner Fertilitätsstörung einen Kostenerstattungsanspruch gegen seinen Krankenversicherer (vgl. zum Ganzen Senatsurteil vom 13. September 2006 - IV ZR 133/05 - VersR 2006, 1673 Tz. 15 f.).
19
2. Die in Rede stehenden Behandlungen waren Heilbehandlungsmaßnahmen im Sinne der Versicherungsbedingungen. Wird eine In-vitroFertilisation in Kombination mit einer intracytoplasmatischen Spermieninjektion vorgenommen, um die organisch bedingte Unfruchtbarkeit eines Mannes zu überwinden, so ist die Maßnahme eine insgesamt auf dieses Krankheitsbild abgestimmte Heilbehandlung, die darauf gerichtet ist, die Unfruchtbarkeit des Mannes zu lindern. Dabei wird die Linderung mittels der Ersetzung der gestörten Körperfunktion durch medizinische Maßnahmen erzielt (BGHZ 158, 166, 170 f; 164, 122, 125 f.). Für die hier zunächst vorgenommenen sechs Inseminationsbehandlungen gilt nichts anderes. Auch hier ist für die Frage der Kostenerstattung nicht zwischen Behandlungsschritten zu unterscheiden, die ausschließlich am Körper des Mannes oder der Frau vorgenommen werden. Die Beklagte durfte deshalb die Kostenerstattung nicht auf die Spermaaufbereitung im Rahmen der Inseminationsbehandlungen beschränken.
20
3. Über die - auch vom Sachverständigen bejahte - medizinische Notwendigkeit der einzelnen Heilbehandlungsmaßnahmen und über die Höhe der zu erstattenden Beträge haben die Parteien in der Berufungsinstanz nicht mehr gestritten. Ergänzend verweist der Senat auf sein Urteil vom 21. September 2005 (BGHZ 164, 122, 126 ff.).
21
III. Da hier lediglich noch im Streit war, ob der Kläger einen Versicherungsfall dargelegt und bewiesen hatte, und weitere Feststellungen insoweit nicht erforderlich sind, konnte der Senat gemäß § 563 Abs. 3 ZPO in der Sache entscheiden.
Terno Wendt Dr. Kessal-Wulf
Felsch Lehmann

Vorinstanzen:
LG München I, Entscheidung vom 21.09.2006 - 26 O 14248/05 -
OLG München, Entscheidung vom 26.06.2007 - 25 U 5263/06 -

(1) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist.

(2) Eine unangemessene Benachteiligung ist im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung

1.
mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist oder
2.
wesentliche Rechte oder Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrags ergeben, so einschränkt, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist.

(3) Die Absätze 1 und 2 sowie die §§ 308 und 309 gelten nur für Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, durch die von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen vereinbart werden. Andere Bestimmungen können nach Absatz 1 Satz 2 in Verbindung mit Absatz 1 Satz 1 unwirksam sein.

(1) Der Versicherungsnehmer hat bei Eintritt des Versicherungsfalles nach Möglichkeit für die Abwendung und Minderung des Schadens zu sorgen.

(2) Der Versicherungsnehmer hat Weisungen des Versicherers, soweit für ihn zumutbar, zu befolgen sowie Weisungen einzuholen, wenn die Umstände dies gestatten. Erteilen mehrere an dem Versicherungsvertrag beteiligte Versicherer unterschiedliche Weisungen, hat der Versicherungsnehmer nach pflichtgemäßem Ermessen zu handeln.

(3) Bei Verletzung einer Obliegenheit nach den Absätzen 1 und 2 ist der Versicherer nicht zur Leistung verpflichtet, wenn der Versicherungsnehmer die Obliegenheit vorsätzlich verletzt hat. Im Fall einer grob fahrlässigen Verletzung ist der Versicherer berechtigt, seine Leistung in einem der Schwere des Verschuldens des Versicherungsnehmers entsprechenden Verhältnis zu kürzen; die Beweislast für das Nichtvorliegen einer groben Fahrlässigkeit trägt der Versicherungsnehmer.

(4) Abweichend von Absatz 3 ist der Versicherer zur Leistung verpflichtet, soweit die Verletzung der Obliegenheit weder für die Feststellung des Versicherungsfalles noch für die Feststellung oder den Umfang der Leistungspflicht ursächlich ist. Satz 1 gilt nicht, wenn der Versicherungsnehmer die Obliegenheit arglistig verletzt hat.

(1) Angriffs- und Verteidigungsmittel, die im ersten Rechtszuge zu Recht zurückgewiesen worden sind, bleiben ausgeschlossen.

(2) Neue Angriffs- und Verteidigungsmittel sind nur zuzulassen, wenn sie

1.
einen Gesichtspunkt betreffen, der vom Gericht des ersten Rechtszuges erkennbar übersehen oder für unerheblich gehalten worden ist,
2.
infolge eines Verfahrensmangels im ersten Rechtszug nicht geltend gemacht wurden oder
3.
im ersten Rechtszug nicht geltend gemacht worden sind, ohne dass dies auf einer Nachlässigkeit der Partei beruht.
Das Berufungsgericht kann die Glaubhaftmachung der Tatsachen verlangen, aus denen sich die Zulässigkeit der neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel ergibt.

Tenor

Die Revision gegen das Urteil des 1. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Bamberg vom 13. Dezember 2012 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Klägerin, Rechtsnachfolgerin der B.   Leasing GmbH, begehrt vom beklagten Kfz-Kaskoversicherer aus abgetretenen Rechten so genannte Differenzkaskoleistungen aus 13 Kaskoversicherungsverträgen ehemaliger Leasingnehmer. Letztere hatten bei der Rechtsvorgängerin der Klägerin Fahrzeuge geleast, welche in der Folgezeit entwendet wurden oder Totalschäden erlitten. Die Beklagte regulierte sämtliche Schäden binnen drei Monaten ab dem jeweiligen Schadenstag bis zur Höhe der Wiederbeschaffungswerte der betroffenen Fahrzeuge.

2

In allen von den Leasingnehmern bei der Beklagten abgeschlossenen Kaskoversicherungsverträgen heißt es unter A.2.4 der zugrundeliegenden Allgemeinen Bedingungen für die Kraftfahrtversicherung (AKB):

"Wer ist versichert?

Der Schutz der Kaskoversicherung gilt für Sie und, wenn der Vertrag auch im Interesse einer weiteren Person abgeschlossen ist, z.B. des Leasinggebers als Eigentümer des Fahrzeugs, auch für diese Person."

3

Unter A.2.6.1 AKB heißt es weiter:

"Was zahlen wir bei Totalschaden, Zerstörung oder Verlust?

Wiederbeschaffungswert abzüglich Restwert

a Bei Totalschaden, Zerstörung oder Verlust des Fahrzeugs zahlen wir den Wiederbeschaffungswert unter Abzug eines vorhandenen Restwerts des Fahrzeugs. ..."

4

Unter A.2.6.1 Buchst. d AKB wird das "Differenzkasko bei geleastem Pkw" wie folgt erfasst (nach dem englischen Wort gap = Lücke auch als so genannte GAP-Deckung bezeichnet):

"d Bei Totalschaden, Zerstörung oder Verlust eines geleasten Pkw erhöht sich in der Vollkasko die ... Leistung auf den Ablösewert des Fahrzeugs, der sich aus der Abrechnung des Leasinggebers ergibt (Differenzkasko). Für die Berechnung maßgeblich ist der Tag des Schadens. Etwaige Ersatzleistungen eines gegnerischen Haftpflichtversicherers werden angerechnet.

Im Schadenfall haben Sie uns folgende Unterlagen vorzulegen: Leasingvertrag, Abrechnung des Leasingvertrags, Berechnung des Ablösewerts und Endabrechnung des gegnerischen Haftpflichtversicherers. ..."

5

In den Leasingverträgen war unter "Leasing-Extra bei Totalschaden oder Diebstahl" mit teilweise im Detail wechselnden Formulierungen jeweils bestimmt:

"Der Leasinggeber verzichtet im Falle eines Diebstahls oder Totalschadens auf die Differenz zwischen Ablösewert und Wiederbeschaffungswert, wenn die Versicherungsleistung binnen drei (3) Monaten (ab Schadenstag) bei ihm eingeht.

Anderenfalls verbleibt es bei der Fälligkeit des Ablösewertes gem. Abs. X Ziff. 6 i.V.m. Abs. XV der AGB. Erfolgt die Auszahlung der Versicherungsleistung noch zu einem späteren Zeitpunkt, erstattet der Leasinggeber die Differenz zwischen Ablösewert und Wiederbeschaffungswert an den Leasingnehmer zurück. Dies gilt nicht, wenn für das Fahrzeug Kasko-Versicherungsschutz mit einer Neupreisregelung besteht."

6

Die Leasingnehmer haben ihre Ansprüche aus den Kaskoversicherungsverträgen der Leasinggeberin abgetreten. Daraus fordert die Klägerin von der Beklagten als zusätzliche Versicherungsleistung einen der Höhe nach mittlerweile unstreitigen Differenzbetrag zwischen Ablöse- und Wiederbeschaffungswerten von insgesamt 43.434,76 €.

7

Das Landgericht hat der Klage im Wesentlichen stattgegeben. Lediglich im Falle eines Leasing- und Versicherungsnehmers hatte es angenommen, die Aktivlegitimation der Klägerin sei nicht durch Vorlage der entsprechenden Abtretungsurkunde nachgewiesen. Dies hatte zur Abweisung der Klage hinsichtlich eines Teilbetrages von 2.785,54 € nebst Zinsen geführt. Die dagegen gerichtete Berufung der Klägerin, welche den Abtretungsnachweis in der Berufungsinstanz erbracht hat, hat das Oberlandesgericht zurück- und auf die Berufung der Beklagten die Klage insgesamt abgewiesen. Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter.

Entscheidungsgründe

8

Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.

9

I. Das Berufungsgericht hat ausgeführt, da die Rechtsvorgängerin der Klägerin als Leasinggeberin Eigentümerin der versicherten Fahrzeuge gewesen sei, handele es sich bei den von den Leasingnehmern abgeschlossenen Kaskoversicherungen um Fremdversicherungen. Der auszugleichende Sachschaden sei in allen Fällen der Leasinggeberin als Eigentümerin der versicherten Fahrzeuge entstanden. Deshalb sei auch für die Berechnung der Entschädigungsleistung auf ihr Interesse und nicht auf das mitversicherte Sacherhaltungsinteresse der jeweiligen Versicherungsnehmer abzustellen.

10

Das hier in Rede stehende Entschädigungsinteresse der Leasinggeberin lasse sich anhand der Leasingverträge bestimmen. Danach habe sie in Fällen des Totalschadens oder der Entwendung des verleasten Fahrzeugs zwar grundsätzlich Anspruch auf den Ersatz des Ablösewertes. Hier habe sie aber gegenüber ihren Leasingnehmern auf die sich zum Ablösewert ergebende Differenz verzichtet. Der ihr auszugleichende Schaden beschränke sich mithin auf den Wiederbeschaffungswert der Fahrzeuge.

11

Der von den Versicherungsnehmern freiwillig genommene Differenzkaskoschutz für geleaste Fahrzeuge (die so genannte GAP-Leistung) diene nicht dem Eigentümerinteresse der Leasinggeberin, sondern decke nur das Versicherungslücken-Risiko der Versicherungsnehmer ab. Dieses ergebe sich daraus, dass der Versicherungsnehmer bei Verlust eines geleasten Fahrzeugs dem Leasinggeber die Ablösesumme schulde, während der Kaskoversicherer ihm normalerweise nur den - in aller Regel niedrigeren - Wiederbeschaffungswert erstatte. Hier hätten die Versicherungsnehmer einen solchen allein versicherten Differenzschaden aber nicht erlitten, weil die Leasinggeberin sie nur in Höhe des Wiederbeschaffungswertes in Anspruch genommen habe. Mithin gebe es keinen abtretbaren Anspruch auf eine GAP-Versicherungsleistung.

12

II. Das hält rechtlicher Nachprüfung stand.

13

1. Wie das Berufungsgericht zutreffend sieht und unter A.2.4 AKB ausdrücklich bestimmt ist, handelt es sich bei der Kfz-Kaskoversicherung für geleaste Fahrzeuge im Kern um eine Versicherung für fremde Rechnung i.S. der §§ 43 ff. VVG n.F., bzw. §§ 74 ff. VVG a.F., welche in erster Linie das Sachersatzinteresse der Leasinggeberin als Eigentümerin des jeweils versicherten Fahrzeugs, andererseits aber auch das Sacherhaltungsinteresse des Leasingnehmers schützt (vgl. Senatsurteil vom 14. Juli 1993 - IV ZR 181/92, r+s 1993, 329 unter 1; OLG Hamm r+s 2012, 382, 383). Der gemäß A.2.6.1 Buchstabe a AKB auszugleichende Sachschaden entsteht bei geleasten Fahrzeugen nicht dem Leasing- und Versicherungsnehmer, sondern dem Leasinggeber. Deshalb bemisst sich die Höhe der zu leistenden Kasko-Entschädigung nach dessen Verhältnissen (Senat aaO).

14

2. Anders als die Klägerin meint, ist sie als Leasinggeberin aber nicht auch versicherte Person hinsichtlich des zusätzlichen - den Differenzbetrag zwischen Wiederbeschaffungs- und Ablösewert betreffenden - Leistungsversprechens aus A.2.6.1 Buchstabe d AKB. Bei dieser so genannten Differenzkasko-Klausel handelt es sich nicht um eine bloße Erstreckung der Fremdversicherung auf einen weiter gehenden, bei der Fahrzeugeigentümerin eintretenden Vermögensschaden. Vielmehr enthält die Differenzkasko-Klausel eine nur den Leasing- und Versicherungsnehmer schützende Bestimmung, die das Versicherungslücken-Risiko abdeckt, welches sich daraus ergeben kann, dass der Leasing- und Versicherungsnehmer bei Verlust eines geleasten Fahrzeuges dem Leasinggeber die Ablösesumme schuldet, während der Kaskoversicherungsschutz zunächst nur den Sachverlust abdeckt und deshalb lediglich auf den Ersatz des - in aller Regel niedrigeren - Wiederbeschaffungswertes des versicherten Fahrzeugs gerichtet ist.

15

Das ergibt die Auslegung dieser Klausel.

16

a) Allgemeine Versicherungsbedingungen sind nach ständiger Rechtsprechung des Senats so auszulegen, wie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer sie bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und unter Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs verstehen muss. Dabei kommt es auf die Verständnismöglichkeiten eines Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse und damit - auch - auf seine Interessen an (Senatsurteil vom 23. Juni 1993 - IV ZR 135/92, BGHZ 123, 83, 85 und ständig). Wird eine Versicherung - wie hier - typischerweise als Fremdversicherung genommen, ist zudem auf die Verständnismöglichkeiten der versicherten Person Rücksicht zu nehmen (vgl. Reiff in MünchKomm-VVG, AVB Rn. 81; Prölss/Klimke in Prölss/Martin, VVG 28. Aufl. § 45 Rn. 2; zur Gruppenversicherung vgl. Senatsurteil vom 12. März 2003 - IV ZR 56/02, VersR 2003, 719 unter 2 b m.w.N.). Die Allgemeinen Versicherungsbedingungen sind aus sich heraus zu interpretieren. In erster Linie ist vom Bedingungswortlaut auszugehen. Der mit dem Bedingungswerk verfolgte Zweck und der Sinnzusammenhang der Klauseln sind zusätzlich zu berücksichtigen, soweit sie für den Versicherungsnehmer erkennbar sind (Senatsurteil vom 25. Juli 2012 - IV ZR 201/10, VersR 2012, 1149 Rn. 21 m.w.N.; st. Rspr.).

17

b) Nach diesen Maßstäben kann dem erweiterten Leistungsversprechen in A.2.6.1 Buchstabe d AKB entnommen werden, dass es abweichend vom Versicherungsschutz für den Sachverlust des versicherten Fahrzeugs nicht zugunsten des Leasinggebers als versicherter Person, sondern ausschließlich zugunsten des Versicherungsnehmers gilt. Anspruchsvoraussetzung ist, dass der Leasing- und Versicherungsnehmer eine Abrechnung des Leasinggebers vorlegt, aus der sich der zu ersetzende Differenzkaskobetrag ergibt. Diese Abrechnung wird nicht nur im ersten Absatz der Differenzkasko-Klausel angesprochen, sondern dem Versicherungsnehmer wird im Weiteren auferlegt, sie im Schadenfall dem Versicherer vorzulegen. Damit wird sowohl dem Versicherungsnehmer als auch dem in der Kaskoversicherung von Leasingfahrzeugen versicherten Leasinggeber verdeutlicht, dass der Differenzkaskoschutz nur zugunsten des Leasing- und Versicherungsnehmers und nur dann besteht, wenn der Versicherungsnehmer vom Leasinggeber auf den Differenzbetrag in Anspruch genommen wird.

18

c) Anderes erschließt sich auch nicht aus dem erkennbaren Zweck und dem wirtschaftlichen Zusammenhang, in den die Differenzkasko-Klausel gestellt ist.

19

In Leasingverträgen wird typischerweise vereinbart, dass der Leasingnehmer ergänzend zu den geleisteten Leasingraten bei Beendigung des Vertrages die Vollamortisation der Gesamtkosten des Leasinggebers einschließlich dessen kalkulierten Gewinns durch eine Abschlusszahlung sicherstellen muss (vgl. BGH, Urteil vom 12. Juni 1985 - VIII ZR 148/84, BGHZ 95, 39, 52 ff.). Für den Fall des Diebstahls oder Totalschadens eines geleasten Fahrzeugs kann das dem Kraftfahrzeugleasingnehmer zuzugestehende Recht, den Leasingvertrag kurzfristig zu kündigen, mit einer Verpflichtung zur Ausgleichszahlung verbunden werden (BGH, Urteile vom 22. Januar 1986 - VIII ZR 318/84, BGHZ 97, 65 unter II 1 a; vom 15. Oktober 1986 - VIII ZR 319/85, NJW 1987, 377 unter I 2 a bb; vom 15. Juli 1998 - VIII ZR 348/97, BB 1998, 2078 unter II 2 a). Im Streitfall ergibt sich das aus Absatz X Ziffer 6 in Verbindung mit Absatz XV der allen Leasingverträgen zugrunde liegenden Allgemeinen Geschäftsbedingungen für das Leasing von Kraftfahrzeugen. Danach kann der Leasingvertrag bei Totalschaden oder Diebstahl des geleasten Fahrzeugs kurzfristig gekündigt werden mit der Folge, dass der Leasingnehmer dem Leasinggeber den nach Absatz XV zu errechnenden Ablösewert abzüglich eines Verkaufserlöses des geleasten Fahrzeugs schuldet.

20

Geht der Leasinggegenstand vor Ablauf der ins Auge gefassten Vertragslaufzeit durch Diebstahl oder Totalschaden verloren, tritt, sofern der Leasinggeber von dem vorgenannten Recht Gebrauch macht, beim Leasingnehmer ein entsprechender Vermögensschaden ein, vor dem er sich schützen will. Die Differenzkasko-Klausel wird er deshalb so verstehen, dass das darin gegebene Leistungsversprechen - anders als der Ersatz des Wiederbeschaffungswertes - nicht dem Leasinggeber, sondern ihm selbst zugutekommen soll. In diesem Verständnis wird er sich dadurch bestärkt fühlen, dass der Leasingvertrag ihn lediglich zum Abschluss einer Kaskoversicherung verpflichtet, die das Sachverlustrisiko abdeckt. Fehlt somit eine Verpflichtung zur Vereinbarung einer Differenzkasko-Klausel, wird der Leasing- und Versicherungsnehmer davon ausgehen, der freiwillig erweiterte Versicherungsschutz und die von ihm dafür eingesetzten zusätzlichen Prämienanteile dienten allein seinem Interesse.

21

3. Im Streitfall ist die von A.2.6.1 Buchst. d AKB vorausgesetzte Abrechnung des Leasinggebers gegenüber den Leasingnehmern, d.h. die Erhebung des Anspruchs auf die Differenz zwischen Ablöse- und Wiederbeschaffungswert, in keinem der zugrundeliegenden Einzelfälle erfolgt.

22

Anders als die Revision meint, kommt es auf die Auslegung der in den Leasing-Verträgen vereinbarten "Leasing-Extra"-Klausel und die Frage, ob der darin geregelte Verzicht auch für Fälle gilt, in denen der Leasingnehmer einen Kaskoversicherungsvertrag mit Differenzkasko-Klausel abgeschlossen hat, im Ergebnis nicht an. Entscheidend für die Verneinung des Leistungsanspruchs gemäß der Differenzkasko-Klausel ist allein, dass unstreitig den Versicherungsnehmern die Differenz zwischen Ablöse- und Wiederbeschaffungswert vom Leasingeber nicht in Rechnung gestellt und ein erstattungsfähiger Differenzschaden bei den Versicherungsnehmern damit nicht eingetreten ist. Ansprüche auf Differenzkasko-Leistungen, die die jeweiligen Versicherungsnehmer an die Klägerin oder ihre Rechtsvorgängerin hätten abtreten können, sind somit nicht entstanden.

Mayen                                 Wendt                                 Felsch

             Harsdorf-Gebhardt                 Dr. Karczewski

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IV ZR 227/09
vom
21. September 2011
in dem Rechtsstreit
Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch die Vorsitzende
Richterin Dr. Kessal-Wulf, die Richter Wendt, Felsch, Lehmann und
die Richterin Dr. Brockmöller
am 21. September 2011

beschlossen:
Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des 20. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 30. Oktober 2009 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Streitwert: 23.821,33 €.

Gründe:


1
Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts (§ 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO).
2
Gemäß § 544 Abs. 4 Satz 2 ZPO weist der Senat ergänzend auf Folgendes hin:
3
1. Zwar ist - anders als das Berufungsgericht meint - bei der Auslegung von Bedingungen einer Reisekrankenversicherung, die zum Schutz des Versicherers vor vorvertraglichen Risiken das Leistungsversprechen auf Krankheiten beschränken, deren Eintritt nicht vorhersehbar oder "unerwartet" war (hier: Teil B. § 1 Nr. 1 der "Versicherungsbedingungen Reise-Versicherungen für Besucher der Bundesrepublik Deutschland - Reise-Krankenversicherung" - im Folgenden: AVB), auf die subjektive Sicht des Versicherungsnehmers oder der versicherten Person abzustellen (vgl. OLG Köln NVersZ 1999, 131, 132; OLG Hamm VersR 2001, 1229 f.; vgl. auch OLG Brandenburg VersR 2002, 350; Nies, NVersZ 2001, 535, 536). Anderenfalls würde die dem Versicherer nach der gesetzlichen Konzeption des Versicherungsvertrages obliegende Gefahrtragung unzulässig auf den Versicherungsnehmer übertragen (vgl. dazu Senatsurteil vom 2. März 1994 - IV ZR 109/93, VersR 1994, 549 unter 2).
4
2. Die Nichtzulassungsbeschwerde legt aber nicht dar, dass dem Berufungsgericht damit ein entscheidungserheblicher Rechtsfehler unterlaufen wäre, der die Zulassung der Revision erfordert. Das Berufungsgericht ist von seinem Rechtsstandpunkt aus zu dem Ergebnis gelangt, der von der Versicherten während ihres Deutschlandaufenthalts erlittene Herzinfarkt sei ungeachtet ihrer - insbesondere auch koronaren - Vorerkrankungen "unerwartet" eingetreten und mithin versichert.
5
Die zutreffende - subjektive - Auslegung des Begriffs "unerwartet" führt zu keinem anderen Ergebnis. Auch sie erforderte es nicht, den medizinischen Sachverständigen zu der Frage zu hören, inwieweit die Vorerkrankungen der Versicherten und der mit der Reise von den Philippinen nach Deutschland verbundene Klimawechsel ihr Herzinfarktrisiko nach medizinischem Ermessen objektiv erhöht hatten (vgl. dazu auch OLG Köln NVersZ 1999, 131 ff.). Entscheidend wäre allein gewesen, welche Informationen dem Versicherungsnehmer und der Versicherten durch behandelnde Ärzte konkret gegeben worden waren. Dass der Sachverständige nicht angehört worden ist, stellt deshalb keine entscheidungserhebliche Verletzung des rechtlichen Gehörs der Beklagten dar.
6
Die Nichtzulassungsbeschwerde zeigt auch im Übrigen keine Umstände auf, die den Schluss nahelegen, der Versicherungsnehmer oder die Versicherte hätten mit einem Herzinfarkt während des Deutschlandaufenthalts gerechnet. Dagegen spricht vor allem, dass die Versicherte ungeachtet der Lebensgefahr, die mit einem Herzinfarkt verbunden sein kann, ihre Reise angetreten hat.
7
3. Ob der Herzinfarkt "absehbar" im Sinne des Leistungsausschlusses des § 1 Nr. 2 a) Satz 1 AVB war, kann dahin stehen. Beim Vergleich der Leistungsbeschreibung des § 1 Nr. 1 AVB mit dem Risikoausschluss in § 1 Nr. 2 a) Satz 1 AVB erkennt der durchschnittliche Versicherungsnehmer , dass akute, mithin im versicherten Zeitraum neu und plötzlich auftretende Erkrankungen Versicherungsschutz genießen, während die Behandlung bereits bestehender und bekannter Vorerkrankungen einschließlich möglicher Behandlungsfolgen vom Versicherungsschutz ausgenommen ist. Er wird daher annehmen, dass eine akute, unerwartete Erkrankung i.S. des § 1 Nr. 1 AVB etwas anderes ist als die bekannten Beschwerden, Erkrankungen und Verletzungen, denen der Leistungsausschluss allein gilt.
8
Das Berufungsgericht hat deshalb zutreffend zwischen erstattungsfähigen Kosten für die Behandlung der akuten Erkrankung (des Herzinfarktes) und nicht erstattungsfähigen Kosten für die Behandlung der bekannten Vorerkrankungen unterschieden. Dass es den Herzinfarkt der Versicherten als bedingungsgemäß akute Erkrankung eingestuft hat, nimmt die Nichtzulassungsbeschwerde ausdrücklich hin.
Dr. Kessal-Wulf Wendt Felsch
Lehmann Dr. Brockmöller
Vorinstanzen:
LG Bonn, Entscheidung vom 02.03.2009 - 9 O 485/07 -
OLG Köln, Entscheidung vom 30.10.2009 - 20 U 62/09 -

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IV ZR 141/11 Verkündet am:
20. Juni 2012
Heinekamp
Justizhauptsekretär
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Krankentagegeldversicherung § 19 (1) b RB/KT 94 (wortgleich mit § 15 (1) b) MB/KT
2009)
Bei einer Krankentagegeldversicherung kann sich der Versicherer nicht nur auf solche
medizinischen Befunde stützen, die er vor seiner Behauptung der Berufsunfähigkeit
beigezogen hat, sondern rückschauend auf alle Untersuchungsergebnisse,
die für einen bestimmten Zeitpunkt aus der Sicht ex ante den Eintritt von Berufsunfähigkeit
des Versicherungsnehmers begründen.
BGH, Urteil vom 20. Juni 2012 - IV ZR 141/11 - OLG Köln
LG Köln
Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch die Vorsitzende
Richterin Mayen, die Richterin Harsdorf-Gebhardt, die Richter
Dr. Karczewski, Lehmann und die Richterin Dr. Brockmöller auf die
mündliche Verhandlung vom 20. Juni 2012

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 20. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 3. Juni 2011 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Die Parteien streiten über die Leistungspflicht der Beklagten aus einer bei ihr gehaltenen Krankentagegeldversicherung.
2
Die Klägerin, selbständige Maklerin für Versicherungen und Finanzen , schloss bei der Beklagten zum 1. Januar 1995 eine Krankentagegeldversicherung mit einer Leistungspflicht bei bedingungsgemäßer Arbeitsunfähigkeit von täglich 31 € ab. Einbezogen waren die RB/KT 94 sowie die Tarifbedingungen. Die Klägerin war im Wesentlichen seit 2001 und zuletzt ab dem 17. Februar 2005 arbeitsunfähig krankgeschrieben und bezog das vereinbarte Krankentagegeld. Mit Schreiben vom 3. April 2006 teilte die Beklagte ihr mit, ein von ihr beauftragter Gutachter sei zu dem Ergebnis gekommen, dass sie seit dem 31. März 2006 berufsunfähig sei, die Leistungen würden daher nach § 19 (1) b RB/KT 94 zum 30. Juni 2006 eingestellt. Mit der Klage begehrt die Klägerin Krankentagegeld vom 1. Juli 2006 bis zum 15. Dezember 2006 in Höhe von insgesamt 5.208 € sowie Feststellung des Fortbestands des Versicherungsvertrages. Sie sei in dem Zeitraum zwar vollständig arbeits-, nicht aber berufsunfähig gewesen.
3
Das Landgericht hat nach Einholung eines orthopädischen Gutachtens dem Zahlungsantrag im Hinblick auf einen von dem Gutachter zum 23. Juni 2006 festgestellten Eintritt der Berufsunfähigkeit teilweise und das Oberlandesgericht hat der Berufung der Klägerin - abgesehen von einem Teil der Zinsforderung - im vollen Umfang stattgegeben. Dagegen wendet sich die Beklagte mit der Revision, mit der sie Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils begehrt.

Entscheidungsgründe:


4
Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
5
I. Nach Auffassung des Berufungsgerichts ist aufgrund des gerichtlichen Sachverständigengutachtens eine Berufsunfähigkeit der Klägerin zum 31. März 2006 ausgeschlossen. Die Beklagte sei auch nicht dadurch leistungsfrei geworden, dass bei der Klägerin am 23. Juni 2006 eine arterielle Verschlusserkrankung festgestellt wurde, die nach Wertung des Sachverständigen unter Einbeziehung der orthopädischen Beschwerden bedingungsgemäße Berufsunfähigkeit herbeigeführt habe, denn dieser Befund sei der Beklagten erst mit Übersendung des Gutachtens und damit mehrere Monate nach dem streitigen Leistungszeitraum bekannt geworden. Die Beklagte habe sich auf den Befund erst ab Kenntnis berufen können. Die Feststellungsklage sei ebenfalls begründet, weil die Beklagte jedenfalls nicht zum 31. März 2006 leistungsfrei geworden sei. Eine Beendigung der Leistungspflicht zum Zeitpunkt der Erstellung des Gutachtens des Sachverständigen am 26. Oktober 2007 habe die Beklagte in erster Instanz nicht geltend gemacht. Soweit sie sich im Berufungsverfahren im Termin zur mündlichen Verhandlung erstmals auf den Befund berufen habe, sei dieser neue Angriff nach § 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO verspätet.
6
II. Dies hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
7
Die Ansicht des Berufungsgerichts, die Beklagte habe sich auf das Gutachten des gerichtlich bestellten Sachverständigen zur Berufsunfähigkeit der Klägerin erst ab Kenntnis berufen können, ist rechtsfehlerhaft.
8
1. Im Ausgangspunkt zutreffend hat das Berufungsgericht aufgrund des Sachverständigengutachtens angenommen, dass die Beklagte nicht wegen Berufsunfähigkeit der Klägerin nach § 19 (1) b RB/KT 94 zum 31. März 2006 leistungsfrei geworden ist.

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Berufsunfähigkeit liegt danach vor, wenn die versicherte Person nach medizinischem Befund im bisher ausgeübten Beruf auf nicht absehbare Zeit mehr als 50% erwerbsunfähig ist. Es geht danach um einen Zustand, dessen Fortbestand aus sachkundiger Sicht für nicht absehbare Zeit prognostiziert wird, der jedoch typischerweise nicht auch als endgültig oder unveränderlich beurteilt werden kann (Senatsurteil vom 30. Juni 2010 - IV ZR 163/09, BGHZ 186, 115, 127 Rn. 30 m.w.N.).
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Zwar hatten die von der Beklagten beauftragten Gutachter bei der Klägerin bereits zum 31. März 2006 eine deutlich mehr als 50% betragende Einschränkung ihrer Erwerbsfähigkeit für die zuletzt ausgeübte Tätigkeit auf nicht absehbare Zeit nach Aktenlage festgestellt. Dieses Ergebnis hat der vom Gericht bestellte Gutachter aber nicht bestätigt, sondern ausgeführt, eine Berufsunfähigkeit der Klägerin bestehe erst seit Feststellung einer arteriellen Verschlusskrankheit am 23. Juni 2006. Die beweisbelastete Beklagte hatte damit nach den rechtsfehlerfreien und nichtangegriffenen Feststellungen der Vorinstanzen nicht den Beweis erbracht , dass die Klägerin bereits zum 31. März 2006 berufsunfähig war.
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2. Soweit das Berufungsgericht aber eine Leistungsfreiheit der Beklagten auch für die Zeit ab dem 23. Juni 2006 abgelehnt hat, beruht dies auf einer nicht zutreffenden Interpretation des Senatsurteils vom 30. Juni 2010 (aaO 128 f. Rn. 31 ff.). Diesem lässt sich entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts nicht entnehmen, dass sich der Versicherer nur auf solche medizinischen Befunde berufen kann, die er vor seiner Behauptung der Berufsunfähigkeit beigezogen und ausgewertet hatte.
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Die Prognose der Berufsunfähigkeit ist für den Zeitpunkt zu stellen, für den der Versicherer das Ende seiner Leistungspflicht behauptet; für die sachverständige Beurteilung bedingungsgemäßer Berufsunfähigkeit sind die "medizinischen Befunde" - d.h. alle ärztlichen Berichte und sonstigen Untersuchungsergebnisse - heranzuziehen und auszuwerten, die der darlegungs- und beweisbelastete Versicherer für die maßgeblichen Zeitpunkte vorlegen kann. Dabei ist gleich, wann und zu welchem Zweck die medizinischen Befunde erhoben (aaO 128 Rn. 31) und dem Versicherer bekannt geworden sind. Entscheidend ist nicht, wann und wie der Versicherer in der Folge Kenntnis von der Berufsunfähigkeit erlangt, sondern wann diese eingetreten ist. Die Prognose der Berufsunfähigkeit kann also auch rückschauend für den Zeitpunkt gestellt werden, für den der Versicherer das Ende seiner Leistungspflicht behauptet, allerdings muss dies aus der Sicht ex ante geschehen, das heißt ohne Berücksichtigung des weiteren Verlaufs nach diesem Zeitpunkt. Bei einem nachträglich erstellten Gutachten - wie hier - muss der Verlauf zwischen dem Zeitpunkt, für den der Versicherer das Ende seiner Leistungspflicht behauptet , und dem Zeitpunkt der Begutachtung durch den Sachverständigen außer Betracht bleiben.
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Das bedeutet, dass es vorliegend darauf ankommt, ob sich für den Zeitpunkt 23. Juni 2006 aus der maßgeblichen Sicht ex ante eine Prognose der Berufsunfähigkeit der Klägerin stellen lässt. Dazu hat das Berufungsgericht bislang keine Feststellungen getroffen. Nachdem die Beklagte das von ihr behauptete Ende der Leistungspflicht zum 31. März 2006 nicht hatte nachweisen können, hat sie mit Schriftsatz vom 22. Januar 2008 das Ende ihrer Leistungspflicht jedenfalls für den 23. Juni 2006 behauptet. Dem hätte das Berufungsgericht nachgehen müssen, da für dieses Datum - was ausreichend war - aufgrund des gerichtlichen Sachverständigengutachtens rückschauend auch ein medizinischer Befund vorlag.
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III. Die Sache ist noch nicht entscheidungsreif. Die Klägerin hat bestritten, dass sie wegen der arteriellen Verschlusserkrankung ab dem 23. Juni 2006 berufsunfähig sei. Das Berufungsgericht wird dies durch Einholung eines geeigneten Sachverständigengutachtens aufzuklären haben. Das bislang vorliegende Gutachten genügt nicht, um eine Berufsunfähigkeit im Sinne der dargelegten Senatsrechtsprechung zu belegen. Abgesehen davon, dass der gerichtliche Sachverständige die Hinzuziehung eines Gefäßspezialisten empfohlen hat, fehlt es bislang an ausreichenden Feststellungen, dass die Berufsunfähigkeit zu dem behaupteten Zeitpunkt am 23. Juni 2006 auch ohne Berücksichtigung des weiteren Verlaufs bestand. Ausweislich des gerichtlichen Sachverständigengutachtens hat der Sachverständige zwar eine Berufsunfähigkeit bezogen auf dieses Datum bestätigt, zur Begründung aber den weiteren Verlauf nach dem 23. Juni 2006 mit einbezogen. Das Berufungsgericht wird dem Sachverständigen daher die Vorgabe zu machen haben, dass die Begutachtung zum Vorliegen einer Berufsunfähigkeit zu dem maßgeblichen Zeitpunkt, dem 23. Juni 2006, aus der Sicht ex ante erfolgen und der weitere Krankheitsverlauf nach diesem Zeitpunkt unberücksichtigt bleiben muss. Außerdem weist der Senat zum Feststellungsantrag auf sein Urteil vom 26. Februar 1992 (IV ZR 339/90, VersR 1992, 479) hin.
Mayen Harsdorf-Gebhardt Dr. Karczewski
Lehmann Dr. Brockmöller
Vorinstanzen:
LG Köln, Entscheidung vom 13.05.2009- 23 O 441/06 -
OLG Köln, Entscheidung vom 03.06.2011 - 20 U 114/09 -

(1) Das Gericht hat unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu erachten sei. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.

(2) An gesetzliche Beweisregeln ist das Gericht nur in den durch dieses Gesetz bezeichneten Fällen gebunden.