Oberlandesgericht München Endurteil, 23. Okt. 2015 - 10 U 1124/15

bei uns veröffentlicht am23.10.2015

Gericht

Oberlandesgericht München

Gründe

OBERLANDESGERICHT MÜNCHEN

Aktenzeichen: 10 U 1124/15

Im Namen des Volkes

Verkündet am 23.10.2015

51 O 1758/12 LG Landshut

Die Urkundsbeamtin …

In dem Rechtsstreit

1) …

- Klägerin und Berufungsklägerin -

2) …

- Kläger und Berufungskläger -

Prozessbevollmächtigter zu 1 und 2: Rechtsanwalt …

gegen

- Beklagte und Berufungsbeklagte -

Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte …

wegen Schadensersatzes

erlässt der 10. Zivilsenat des Oberlandesgerichts München durch die Richter am Oberlandesgericht …, … und … aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 23.10.2015 folgendes

Endurteil

1. Auf die Berufung der Klägerin zu 1) wird das Endurteil des LG Landshut vom 10.02.2015 (Az. 51 O 1758/12) samt dem ihm zugrundeliegenden Verfahren aufgehoben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LG Landshut zurückverwiesen.

2. Auf die Berufung des Klägers zu 2) wird das Endurteil des LG Landshut vom 10.02.2015 (Az. 51 O 1759/12) samt dem ihm zugrundeliegenden Verfahren insoweit aufgehoben, als die Klage abgewiesen wurde, und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LG Landshut zurückverwiesen.

3. Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens bleibt dem LG Landshut vorbehalten.

Gerichtsgebühren für die Berufungsinstanz sowie gerichtliche Gebühren und Auslagen, die durch das aufgehobene Urteil verursacht worden sind, werden nicht erhoben.

4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

5. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

A.

Die Kläger machen gegen die Beklagte Ansprüche auf Schmerzensgeld und Feststellung aus einem Verkehrsunfall vom 21.02.2006 zwischen E. und B. geltend. Die Kläger waren Beifahrer im Fahrzeug Golf, das mit einer Geschwindigkeit von ca. 80 km/h mit dem bei der Beklagten versicherten Fahrzeug kollidierte, das ein Stoppschild überfuhr. Die vollständige Haftung der Beklagten dem Grunde nach ist unstreitig.

Die Klägerin Nina D. behauptet, als Folge des Unfalls habe sie die im Attest des Dr. O. vom 07.12.2010 (Anlage K 9, Az. 51 O 1758/12) beschriebenen Folgen erlitten und leide heute noch daran, ein Schmerzensgeld von mindestens 60.000,00 € sei angemessen.

Der Kläger Marcel D. behauptet, als Folge des Unfalls habe er die im Attest des Dr. O. vom 09.06.2009 (Anlage K 5, Az. 51 O 1759/12) beschriebenen Folgen erlitten und leide heute noch daran, ein Schmerzensgeld von mindestens 30.000,00 € sei angemessen.

Die Beklagten tragen vor, die von den Klägern behaupteten Beschwerden seien weitgehend allgemeiner Art und stammten nicht vom Unfall.

Hinsichtlich des weiteren Parteivortrags und der tatsächlichen Feststellungen erster Instanz wird auf die angefochtenen Urteile vom 10.02.2015 (Bl. I 267/274 d. A. [Nina D.] und Bl. II 265/273 d. A. [Marcel D.]) Bezug genommen (§ 540 I 1 Nr. 1 ZPO).

Das LG Landshut hat nach Beweisaufnahme die Klage gegen die Klägerin zu 1) Nina D. abgewiesen, die Klage des Klägers Marcel D. nach Zubilligung eines Schmerzensgelds in Höhe von 1.500,00 € nebst Zinsen und vorgerichtlichen Auslagen und der Feststellung, dass die Beklagte verpflichtet ist, weiteren zukünftigen materiellen und immateriellen Schaden zu ersetzen, im Übrigen abgewiesen.

Hinsichtlich der Erwägungen des Landgerichts wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Gegen diese der Klägerin zu 1) am 26.02.2015 und dem Kläger zu 2) am 27.02.2015 zugestellten Urteile haben die Kläger jeweils mit einem beim Oberlandesgericht München am 25.03.2015 eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt (Bl. II 287 d. A. [Nina D.] und Bl. II 281 d. A. [Marcel D.]) und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist mit beim Oberlandesgericht München am 05.05.2015 eingegangenen Schriftsätzen unter Vertiefung des bisherigen Vortrags mit der Rüge, beantragte Beweiserhebungen seien unterblieben oder nur unzureichend durchgeführt worden, begründet (Bl. II 293/310 d. A. [Nina D.] und Bl. II 304/321 d. A. [Marcel D.]).

Die Klägerin zu 1) beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin ein, über bereits gezahlte 3.000,00 € hinaus, angemessenes Schmerzensgeld nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweils geltenden Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit sowie einen Betrag von 1.647,44 € für vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten zu bezahlen und zudem festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin sämtliche materiellen und immateriellen Schäden aus dem Unfall vom 21.02.2006 zu ersetzen, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind.

Hilfsweise unter Aufhebung des angefochtenen Urteils des Landgerichts Landshut vom 10.02.2015 den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht Landshut zurückzuverweisen.

Der Kläger zu 2) beantragt,

unter teilweiser Abänderung des angefochtenen Urteils die Beklagte zu verurteilen, über den erstinstanzlich zuerkannten Betrag hinaus an den Kläger ein weiteres angemessenes Schmerzensgeld nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweils geltenden Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit sowie einen Betrag von 803,60 € für vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten zu bezahlen und zudem unter teilweiser Abänderung des am 10.02.2015 verkündeten Urteils festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger sämtliche materiellen und immateriellen Schäden aus dem Unfall vom 21.02.2006 zu ersetzen.

Hilfsweise unter Aufhebung des angefochtenen Urteils des Landgerichts Landshut vom 10.02.2015 den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht Landshut zurückzuverweisen.

Die Beklagte beantragt unter Verteidigung des Ersturteils,

die Berufungen zurückzuweisen.

Der Senat hat gemäß Beschluss vom 16.06.2015 (Bl. II 315/316 d. A.) die Verfahren der Kläger gemäß § 147 ZPO verbunden, das Verfahren 10 U 1124/15 führt.

Ergänzend wird neben den Berufungsbegründungen und Berufungserwiderungen auf die weiteren im Berufungsverfahren eingereichten Schriftsätze der Parteien sowie die Sitzungsniederschrift vom 23.10.2015 (Bl. 335/340 d. A.) Bezug genommen.

B.

Die statthaften sowie form- und fristgerecht eingelegten und begründeten, somit zulässigen Berufungen der Kläger haben in der Sache jedenfalls vorläufig Erfolg.

I.

Das Landgericht hat nach derzeitigem Verfahrensstand zu Unrecht einen Anspruch der Klägerin zu 1) verneint, einen weitergehenden Anspruch des Klägers zu 2) auf Schmerzensgeld zurückgewiesen.

1. Der Senat ist nach § 529 I Nr. 1 ZPO an die Beweisaufnahme und Beweiswürdigung des Erstgerichts nur gebunden, wenn keine konkreten Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit der Beweiswürdigung vorgetragen werden. Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit der Beweiswürdigung sind ein unrichtiges Beweismaß, Verstöße gegen Denk- und Naturgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze, Widersprüche zwischen einer protokollierten Aussage und den Urteilsgründen sowie Mängel der Darstellung des Meinungsbildungsprozesses wie Lückenhaftigkeit oder Widersprüche, vgl. zuletzt BGH VersR 2005, 945; Senat in st. Rspr., zuletzt etwa Urt. v. 21.06.2013 - 10 U 1206/13). Konkreter Anhaltspunkt in diesem Sinn ist jeder objektivierbare rechtliche oder tatsächliche Einwand gegen die erstinstanzlichen Feststellungen (BGHZ 159, 254 [258]; NJW 2006, 152 [153]; Senat, a. a. O.); bloß subjektive Zweifel, lediglich abstrakte Erwägungen oder Vermutungen der Unrichtigkeit ohne greifbare Anhaltspunkte genügen nicht (BGH, a. a. O.; Senat, a. a. O.). Solche konkrete Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit der erstinstanzlichen Beweisaufnahme und Beweiswürdigung sind von den Berufungsführern aufgezeigt worden.

2. Technische und medizinische Sachverständigengutachten unterliegen der freien Beweiswürdigung nach § 286 Abs. 1 S. 1 ZPO (BGH NJW 2008, 2845, 2848; Senat, NJW 2011, 3729 [3730 unter I 3 b] m. zust. Anm. Kääb FD-StrVR 2011, 318319). Dabei hat das Gutachten eines vom Gericht ernannten Sachverständigen keinen „Anschein der Richtigkeit“ für sich, der von einer Prozesspartei entkräftet werden müsste (BGH MDR 1982, 212 = VersR 1981, 1151). Das Gericht muss Gutachten gerichtlich bestellter Sachverständiger vielmehr selbst sorgfältig und kritisch prüfen (vgl. etwa BVerfGE 91, 176 = NJW 1995, 40; BGH NJW 1986, 1928 (1930); NJW-RR 1995, 914 (915); NJW-RR 1998, 1117 (1118 unter II 2); NJW 1999, 3408; BGHZ 116, 47, 58; NJW 2001, 1787 (unter II 2); BGHZ 169, 30; BGH WM 2007, 1901; BGH NJW 2010, 3230; BGH VersR 2011, 400 (402); ferner BGHSt. 8, 113).

Unverzichtbar ist das Vorliegen der formalen Sachkompetenz des Sachverständigen. Ausgangspunkt für die Beurteilung der formalen Sachkompetenz ist grundsätzlich die Bestellung (die öffentliche Bestellung und Vereidigung als Sachverständiger erfolgt für ein bestimmtes Sachgebiet [vgl. §§ 3 Abs. 1; 7; 12 Abs. 1 und 3 MSVO/DIHT sowie § 1 Nr. 1.3 der Richtlinien zur MSVO/DIHT]; zur forensischen Bedeutung der Bestellung der öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen siehe Bayerlein/Mayr § 28 Rz. 17) und im Bereich der Medizin die Facharztzulassung (BGH NJW-RR 2011, 649; Senat, Urt. v. 15.04.2011 - 10 U 5655/10 [Juris, dort Rz. 28]; v. 21.10.2011 - 10 U 1995/11).

Weiter bedarf es der eigenen Untersuchung der Kläger durch den Sachverständigen (BGH NZV 2008, 502).

3. Grundsätzlich ist bei den von den Klägern vorgetragenen Beschwerden eine unfallanalytisch - verletzungsmechanisch - medizinische Begutachtung erforderlich. Die unfallanalytische Untersuchung bestimmt zunächst aufgrund von Brems- und Kontaktspuren, Beschädigungsbildern der Fahrzeuge sowie anhand von Reparaturrechnungen unter Zuhilfenahme physikalischer Gesetze den Unfallhergang. Sie muss der verletzungsmechanischen Beurteilung vorausgehen (Senat NJW 2011, 3729). Die verletzungsmechanische Begutachtung bestimmt die individuelle Belastung, welcher der Betroffene ausgesetzt war (Senat SP 2012, 111). Sie berücksichtigt über die Unfalldaten hinaus u. a. die kollisionsbedingte Geschwindigkeitsänderung (∆ v) des Fahrzeugs, die mittlere und maximale Beschleunigung, die Richtung der einwirkenden Beschleunigungskräfte sowie die konstitutionellen und medizinischen Besonderheiten der betroffenen Person im Einzelfall. Die verletzungsmechanische Beurteilung baut die Brücke zwischen der vom Unfallanalytiker erstellten Unfallrekonstruktion und der medizinischen Begutachtung (Senat NJW 2011, 3729), die im Rahmen einer eingehenden Untersuchung unter Auswertung der ärztlich dokumentierten subjektiven Beschwerden und objektiven Befunde (klinische und bildgebende Untersuchungen u. s. w.) die individuelle (biologische) Belastbarkeit zum Gegenstand hat. Der medizinischen Begutachtung kommt rechtlich ausnahmslos die sachverständige Letztentscheidung zu (BGH NJW 2003, 1116: BGH NJW 2008, 2845; KG NZV 2004, 460; VersR 2006, 1233 f.; VRS 115, 330 ff.).

4. Bei Anwendung der vorstehenden Grundsätze erscheint das erstinstanzliche Beweisaufnahmeverfahren nicht ohne Fehler. Zutreffend haben die Kläger in ihren Berufungsbegründungen darauf hingewiesen, dass der gerichtliche Sachverständige Dr. H. keine Bestellung als Sachverständiger für biomechanische Gutachten aufweist. Das Erstgericht hätte daher darzulegen gehabt, welche besonderen Umstände hier vorliegen, entgegen § 404 II ZPO diesen Sachverständigen zu einem biomechanischen Gutachten zu beauftragen. Ebenfalls erscheint es bedenklich, dass der Sachverständige Dr. H. zu einem medizinischen Sachverständigengutachten beauftragt wird, wenn er gerade hinsichtlich aller medizinischer Sachfragen keine Facharztzulassung besitzt und demgemäß ein zahnmedizinisches und vor allem orthopädisches Zusatzgutachten beauftragen musste, wobei sowohl Gutachter als auch Erstgericht übersehen haben, dass verfahrensfehlerhaft die vorgetragenen psychischen Beeinträchtigungen der Kläger überhaupt nicht untersucht wurden. Es ist daher nicht nachvollziehbar, weshalb das medizinische Gesamtgutachten von einem Arzt vorgenommen wird, der weder die fallbezogenen Fachkenntnisse besitzt, noch die Kläger selbst körperlich untersucht hat. Angesichts des jungen Alters der Kläger und der hohen Beschleunigung, die der Körper der Kläger beim Unfall auch nach den Feststellungen des Sachverständigen Dr. H. ausgesetzt war, ist die an das Gutachtensergebnis angelehnte Beweiswürdigung des Landgerichts, die Beschwerden der Kläger, die als solche offenbar nicht angezweifelt werden, müssten unfallunabhängige Ursachen haben, wenig überzeugend, da auch nicht ansatzweise plausibel erörtert wurde, welche anderen Ursachen bei so jungen Menschen in Betracht kämen, sind degenerative Veränderungen in diesem Alter doch eher nicht zu erwarten.

5. Der Senat ist weiter der Auffassung, dass hier ausnahmsweise eine Einvernahme der behandelnden Ärzte, wie von der Klägerin beantragt, unverzichtbar war. Denn die Feststellungen der behandelnden Ärzte sind eine wichtige Erkenntnisquelle (BGH NJW-RR 2008, 1380; OLG Köln NJW-RR 1999, 720; OLG Düsseldorf, Urt. v. 11.3.2002 - I-1 U 142/01 (juris) und NJW 2011, 3043; Senat in st. Rspr., etwa Urt. v. 21.5.2010 - 10 U 2853/06 (juris, dort Rz. 266). Sie genügen zwar alleine nicht zur Klärung der regelmäßig entscheidenden Frage des Kausalzusammenhangs vgl. etwa BGH NZV 2000, 121 unter II 1 a. E.; NJW-RR 2008, 1380). Hier ist jedoch bedeutsam, dass die Einvernahme der die Kläger länger behandelnden Ärzte Hinweise erwarten ließen, weshalb die für das Alter der Kläger geklagten Beschwerden unfallunabhängig entstanden sein sollen.

6. Zugunsten der Kläger darf zuletzt nicht übersehen werden, dass auch nach dem erstinstanzlichen Tatbestand Primarverletzungen bei beiden Klägern unstreitig sind (vgl. jeweils S. 2 der erstinstanzlichen Urteile), so dass sich die Frage von weiteren Verletzungen bzw. Beschwerden nach dem Beweismaßstab des § 287 ZPO richtet. Denn bei der Ermittlung des Kausalzusammenhangs zwischen dem unstrittigen oder bewiesenen Haftungsgrund (Rechtsgutverletzung) und dem eingetretenen Schaden unterliegt der Tatrichter nicht den strengen Anforderungen des § 286 ZPO; vielmehr ist er nach Maßgabe des § 287 ZPO freier gestellt (st. Rspr., vgl. BGHZ 4, 192 [196] = NJW 1952, 301; 126, 217 ff. = NJW 1994, 3295 ff.; VersR 1968, 850 [851]; 1975, 540 [541]; NJW-RR 1987, 339; NJW 2003, 1116 [1117]; 2004, 777 [778]; Senat NZV 2006, 261 [262]; r+s 2006, 474 m. zust. Anm. von Lemcke [Nichtzulassungsbeschwerde vom BGH durch Beschluss v. 08.05.2007 - VI ZR 29/07 zurückgewiesen]; Urt. v. 19.03.2010 - 10 U 3870/09 [juris, dort Rz. 33). Zwar kann der Tatrichter auch eine haftungsausfüllende Kausalität nur feststellen, wenn er von diesem Ursachenzusammenhang überzeugt ist. Im Rahmen der Beweiswürdigung gem. § 287 ZPO werden aber geringere Anforderungen an seine Überzeugungsbildung gestellt. Hier genügt, je nach Lage des Einzelfalls, eine höhere oder deutlich höhere oder überwiegende Wahrscheinlichkeit für die Überzeugungsbildung (BGHZ 4, 192 [196] = NJW 1952, 301, st. Rspr., zuletzt etwa BGHZ 159, 254 = NJW 2004, 2828; Senat NZV 2006, 261 [262]; r+s 2006, 474, st. Rspr., zuletzt etwa NJW 2011, 396 [397]; OLG Schleswig NZV 2007, 203 [204]; LG Leipzig NZV 2012, 329 [331]).

II.

Der Senat hat eine eigene Sachentscheidung nach § 538 I ZPO erwogen, sich aber - entgegen seiner sonstigen überwiegenden Praxis - aus folgenden Gründen dagegen entschieden:

1. Ein unberechtigtes Übergehen von Beweisanträgen (Einvernahme der behandelnden Ärzte und Erholung von medizinischen Sachverständigengutachten), also eine (erheblich) mangelhafte Beweiserhebung stellt einen Verstoß gegen die Pflicht zur Erschöpfung der Beweismittel als Ausfluss der Pflicht zur Gewährung rechtlichen Gehörs gemäß Art. 103 Abs. 1 GG dar (BVerfGE 50, 32 = NJW 1979, 413; BVerfGE 60, 247 [249]; 69, 145 = NJW 1985, 1150; BVerfG NJW 2003, 125 [127]; NJW 2005, 1487; BGH NJW-RR 2008, 414; Beschl. v. 28.04.2011 - V ZR 220/10 [juris, dort Rz. 11 ff.]; v. 21.07.2011 - IV ZR 216/09 [juris]; OLG München SchiedsVZ 2011, 230 ff.) und begründet, da es sich bei dem Gebot der Ausschöpfung der angebotenen Beweise um das Kernstück des Zivilprozesses handelt (Senat NJW 1972, 2048 [2049]), einen wesentlichen Verfahrensmangel im Sinne § 538 II 1 Nr.1 ZPO dar (BGH NJW 1951, 481 [482]; VersR 2011, 1392 [1394 unter Tz. 21]; Senat NJW 1972, 2048, st. Rspr., zuletzt etwa Urt. v. 10.02.2012 - 10 U 4147/11 [juris, dort Rz. 8]; OLG München, Urt. v. 25.04.2012 - 3 U 4323/11 [juris, dort Rz. 60]; OLG Frankfurt a. M., Urt. v. 28.04.2010 - 9 U 133/09 [juris, dort Rz. 29]; NJW-RR 2010, 1689; KG, Urt. v. 14.02.2010 - 12 U 67/10 [juris]; Beschl. v. 02.08.2010 - 12 U 49/10 [juris, dort Rz. 52]; OLG Zweibrücken NJW-RR 2011, 496 [498]; NZV 2012, 295 [296 a. E.]; OLG Jena NJW 2012, 2357 f.; OLG Naumburg NJW-RR 2012, 1535 [1536]; Wieczorek/Schütze/Gerken, ZPO, 3. Aufl. 2004, § 538 Rz. 27; Zöller/Heßler, ZPO, 30. Aufl. 2014, § 538 Rz. 25).

Es bedarf bei beiden Klägern nach einer Zurückverweisung in jedem Fall der Erholung eines biomechanischen Gutachtens durch einen für Verletzungsmechanik öffentlich bestellten und allgemein beeidigten Sachverständigen. Hinsichtlich der zu erholenden medizinischen Sachverständigengutachten ist darauf zu achten, dass der Sachverständige, der das Gesamtgutachten zu erstellen hat, jedenfalls die Fachkompetenz in einem der hier betroffenen Fachgebiete haben sollte, so dass ohne weiteres vorstellbar wäre, dass ein Orthopäde oder Unfallchirurg als Hauptgutachter und zusätzlich ein zahnmedizinischer Zusatzgutachter beauftragt wird. Weiter bedarf es dann auch noch der Erholung eines psychiatrischen Gutachtens bezüglich beider Kläger. Entscheidend wird bei den medizinischen Gutachten auch sein, abzuklären, ob und warum die Kläger erst Jahre nach dem Unfall zum Arzt gegangen sind (vgl. Anlagen K 9 und K 5, s.o.). Es bedarf hierzu eines weiteren Vortrags durch die Kläger, weshalb man angesichts der jetzt vorgetragenen gesundheitlichen Beeinträchtigungen nicht schon früher zum Arzt gegangen ist. Auf der anderen Seite haben die Ärzte zu klären, welche anderen Ursachen für die gesundheitlichen Beschwerden der Kläger in Betracht kommen, wenn sie nicht vom Unfall her stammen sollen.

Eine Beweisaufnahme in dem vorstehend beschriebenen Umfang wäre umfangreich i. S. d. § 538 II 1 Nr. 1 ZPO und würde den Senat zu einer mit der Funktion eines Rechtsmittelgerichts unvereinbaren zum Teil erstmaligen Beweisaufnahme an Stelle der 1. Instanz (Senat NJW 1972, 2048 [2049]; OLG Köln NJW 2004, 521; OLG Naumburg NJW-RR 2012, 1535 [1536]) und zur vollständigen Wiederholung des erstinstanzlichen Verfahrens (Senat NJW 2011, 396 [397]) zwingen.

Hinzu kommt, dass je nach dem Ergebnis der durchzuführenden Beweiserhebung über den Hergang des Unfalls erstmalig auch zur Höhe entschieden werden müsste (vgl. Senat NJW 1972, 2048 [2049]; OLG Köln NJW 2004, 521).

2. Der durch die Zurückverweisung entstehende grundsätzliche Nachteil, dass eine gewisse Verzögerung und Verteuerung des Prozesses eintritt, muss hingenommen werden, wenn es darum geht, dass ein ordnungsgemäßes Verfahren in erster Instanz nachzuholen ist und dass den Parteien die vom Gesetz zur Verfügung gestellten zwei Tatsachenrechtszüge voll erhalten bleiben (Senat NJW 1972, 2048 [2049]; OLG Naumburg NJW-RR 2012, 1535 [1536]); eine schnellere Erledigung des Rechtsstreits durch den Senat ist im Übrigen angesichts seiner außerordentlich hohen Geschäftsbelastung vorliegend nicht zu erwarten.

3. Die Frage der Zurückverweisung wurde auch in der mündlichen Verhandlung mit den Parteivertretern ausführlich erörtert. Beide Parteivertreter sind einer Zurückverweisung nicht entgegengetreten.

III.

Die Kostenentscheidung war dem Erstgericht vorzubehalten, da der endgültige Erfolg der Berufungen erst nach der abschließenden Entscheidung beurteilt werden kann (OLG Köln NJW-RR 1987, 1032; Senat in st. Rspr., zuletzt VersR 2011, 549 ff. und NJW 2011, 3729).

Die Gerichtskosten waren gem. § 21 I 1 GKG niederzuschlagen, weil ein wesentlicher Verfahrensmangel, welcher allein gem. § 538 II 1 Nr. 1 ZPO zur Aufhebung und Zurückverweisung führen kann, denknotwendig ein offensichtlicher Verstoß gegen eine klare gesetzliche Regelung ist, was Voraussetzung für eine Kostenniederschlagung ist (vgl. BGH NJW 1962, 2107; BGHZ 98, 318 [320] = NJW 1987, 1023; BGH, Beschl. v. 27.01.1994 - V ZR 7/92 [juris]; NJW-RR 2003, 1294; 2005, 1230; BFH BFH/N. V. 2014, 867; OLG Köln NJW 2004, 521; FamRZ 2014, 1800 [zur parallelen Vorschrift § 20 FamGKG]; Senat in st. Rspr., zuletzt u. a. NJW 2011, 396 [397] und 2011, 3729; ferner OLG München, Urt. v. 11.07.2013 - 23 U 695/13 [juris, dort Rz. 22]).

§ 21 I 1 GKG erlaubt auch die Niederschlagung von Gebühren des erstinstanzlichen Verfahrens (vgl. OLG Köln FamRZ 2014, 1800 für die Verkennung der Darlegungs- und Beweislast; OLG Koblenz MDR 2013, 1366; für eine Beweiserhebung über eine unstreitige Tatsache; OLG München, Urt. v. 19.03.2010 - 10 U 3870/09 [juris, dort Rz. 40, 92, 93], v. 27.01.2012 - 10 U 3065/11 [juris, dort Rz. 5, 6, 12] und v. 11.07.2013 - 23 U 695/13 [juris, dort Rz. 22] für das Übergehen von Beweisanträgen; OLG Celle OLGR 2005, 723 = BauR 2006, 388 für eine umfangreiche Beweisaufnahme zur Höhe vor Klärung des Anspruchsgrundes; OLG Brandenburg OLGR 2004, 277 und OLG Düsseldorf NJW-RR 2007, 1151 für die Einholung eines unzulässigen Rechtsgutachtens über inländisches Recht; Senat, Beschl. v. 17.09.2008 - 10 U 2272/08 für die Verwertung eines Gutachtens eines wegen Befangenheit ausgeschlossenen Sachverständigen). Vorliegend handelt es sich um einen solchen Fall (s. o.).

IV.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Ersturteils und dieses Urteils beruht auf § 708 Nr. 10 ZPO. Auch im Falle einer Aufhebung und Zurückverweisung ist im Hinblick auf die §§ 775 Nr. 1, 776 ZPO ein Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit geboten (BGH JZ 1977, 232; Senat in st. Rspr., zuletzt u. a. NJW 2011, 396 [397] und 2011, 3729), allerdings ohne Abwendungsbefugnis (Senat a. a. O.).

V.

Die Revision war nicht zuzulassen. Gründe, die die Zulassung der Revision gem. § 543 II 1 ZPO rechtfertigen würden, sind nicht gegeben. Mit Rücksicht darauf, dass die Entscheidung einen Einzelfall betrifft, ohne von der höchst- oder obergerichtlichen Rechtsprechung abzuweichen, kommt der Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung zu noch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts.

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(1) Das Gericht hat unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu erachten sei.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 775 Einstellung oder Beschränkung der Zwangsvollstreckung


Die Zwangsvollstreckung ist einzustellen oder zu beschränken:1.wenn die Ausfertigung einer vollstreckbaren Entscheidung vorgelegt wird, aus der sich ergibt, dass das zu vollstreckende Urteil oder seine vorläufige Vollstreckbarkeit aufgehoben oder das

Gesetz über Gerichtskosten in Familiensachen - FamGKG | § 20 Nichterhebung von Kosten


(1) Kosten, die bei richtiger Behandlung der Sache nicht entstanden wären, werden nicht erhoben. Das Gleiche gilt für Auslagen, die durch eine von Amts wegen veranlasste Verlegung eines Termins oder Vertagung einer Verhandlung entstanden sind. Für ab

Zivilprozessordnung - ZPO | § 147 Prozessverbindung


Das Gericht kann die Verbindung mehrerer bei ihm anhängiger Prozesse derselben oder verschiedener Parteien zum Zwecke der gleichzeitigen Verhandlung und Entscheidung anordnen, wenn die Ansprüche, die den Gegenstand dieser Prozesse bilden, in rechtlic

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Oberlandesgericht München Endurteil, 23. Okt. 2015 - 10 U 1124/15 zitiert oder wird zitiert von 5 Urteil(en).

Oberlandesgericht München Endurteil, 23. Okt. 2015 - 10 U 1124/15 zitiert 4 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesgerichtshof Beschluss, 21. Juli 2011 - IV ZR 216/09

bei uns veröffentlicht am 21.07.2011

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS IV ZR 216/09 vom 21. Juli 2011 in dem Rechtsstreit Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch die Vorsitzende Richterin Dr. Kessal-Wulf, die Richterin Harsdorf-Gebhardt, die Richter Dr. Karczewski, Lehmann und d

Bundesgerichtshof Beschluss, 12. Juni 2007 - VI ZR 29/07

bei uns veröffentlicht am 12.06.2007

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS VI ZR 29/07 vom 12. Juni 2007 in dem Rechtsstreit Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 12. Juni 2007 durch die Vizepräsidentin Dr. Müller, den Richter Dr. Greiner, die Richterin Diederichsen und die Richter Pa

Bundesgerichtshof Beschluss, 28. Apr. 2011 - V ZR 220/10

bei uns veröffentlicht am 28.04.2011

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS V ZR 220/10 vom 28. April 2011 in dem Rechtsstreit Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 28. April 2011 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Krüger, die Richter Dr. Lemke und Prof. Dr. Schmidt-Räntsc

Oberlandesgericht München Endurteil, 23. Okt. 2015 - 10 U 1124/15

bei uns veröffentlicht am 23.10.2015

Gründe OBERLANDESGERICHT MÜNCHEN Aktenzeichen: 10 U 1124/15 Im Namen des Volkes Verkündet am 23.10.2015 51 O 1758/12 LG Landshut Die Urkundsbeamtin … In dem Rechtsstreit 1) … - Klägerin
1 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Oberlandesgericht München Endurteil, 23. Okt. 2015 - 10 U 1124/15.

Oberlandesgericht München Endurteil, 23. Okt. 2015 - 10 U 1124/15

bei uns veröffentlicht am 23.10.2015

Gründe OBERLANDESGERICHT MÜNCHEN Aktenzeichen: 10 U 1124/15 Im Namen des Volkes Verkündet am 23.10.2015 51 O 1758/12 LG Landshut Die Urkundsbeamtin … In dem Rechtsstreit 1) … - Klägerin

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Das Gericht kann die Verbindung mehrerer bei ihm anhängiger Prozesse derselben oder verschiedener Parteien zum Zwecke der gleichzeitigen Verhandlung und Entscheidung anordnen, wenn die Ansprüche, die den Gegenstand dieser Prozesse bilden, in rechtlichem Zusammenhang stehen oder in einer Klage hätten geltend gemacht werden können.

(1) Das Gericht hat unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu erachten sei. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.

(2) An gesetzliche Beweisregeln ist das Gericht nur in den durch dieses Gesetz bezeichneten Fällen gebunden.

(1) Ist unter den Parteien streitig, ob ein Schaden entstanden sei und wie hoch sich der Schaden oder ein zu ersetzendes Interesse belaufe, so entscheidet hierüber das Gericht unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung. Ob und inwieweit eine beantragte Beweisaufnahme oder von Amts wegen die Begutachtung durch Sachverständige anzuordnen sei, bleibt dem Ermessen des Gerichts überlassen. Das Gericht kann den Beweisführer über den Schaden oder das Interesse vernehmen; die Vorschriften des § 452 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 bis 4 gelten entsprechend.

(2) Die Vorschriften des Absatzes 1 Satz 1, 2 sind bei vermögensrechtlichen Streitigkeiten auch in anderen Fällen entsprechend anzuwenden, soweit unter den Parteien die Höhe einer Forderung streitig ist und die vollständige Aufklärung aller hierfür maßgebenden Umstände mit Schwierigkeiten verbunden ist, die zu der Bedeutung des streitigen Teiles der Forderung in keinem Verhältnis stehen.

(1) Das Gericht hat unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu erachten sei. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.

(2) An gesetzliche Beweisregeln ist das Gericht nur in den durch dieses Gesetz bezeichneten Fällen gebunden.

(1) Ist unter den Parteien streitig, ob ein Schaden entstanden sei und wie hoch sich der Schaden oder ein zu ersetzendes Interesse belaufe, so entscheidet hierüber das Gericht unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung. Ob und inwieweit eine beantragte Beweisaufnahme oder von Amts wegen die Begutachtung durch Sachverständige anzuordnen sei, bleibt dem Ermessen des Gerichts überlassen. Das Gericht kann den Beweisführer über den Schaden oder das Interesse vernehmen; die Vorschriften des § 452 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 bis 4 gelten entsprechend.

(2) Die Vorschriften des Absatzes 1 Satz 1, 2 sind bei vermögensrechtlichen Streitigkeiten auch in anderen Fällen entsprechend anzuwenden, soweit unter den Parteien die Höhe einer Forderung streitig ist und die vollständige Aufklärung aller hierfür maßgebenden Umstände mit Schwierigkeiten verbunden ist, die zu der Bedeutung des streitigen Teiles der Forderung in keinem Verhältnis stehen.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
VI ZR 29/07
vom
12. Juni 2007
in dem Rechtsstreit
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 12. Juni 2007 durch die Vizepräsidentin
Dr. Müller, den Richter Dr. Greiner, die Richterin Diederichsen und
die Richter Pauge und Zoll

beschlossen:
Die Anhörungsrüge der Klägerin vom 29. Mai 2007 gegen den Senatsbeschluss vom 8. Mai 2007 wird zurückgewiesen. Die Kosten des Rügeverfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Gründe:

1
Die gemäß § 321a ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige Gehörsrüge ist nicht begründet.
2
Die Gerichte sind nach Art. 103 Abs. 1 GG nur verpflichtet, das Vorbringen der Parteien zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Hingegen ist es nicht erforderlich, alle Einzelpunkte des Parteivortrags auch ausdrücklich zu bescheiden (BVerfGE 96, 205, 216 f.; BGH, Beschluss NJW 2005, 1432). Der Senat hat bei der Entscheidung über die Zurückweisung der Nichtzulassungsbeschwerde das mit der Anhörungsrüge der Klägerin wiederholte Vorbringen in vollem Umfang geprüft und für nicht durchgreifend erachtet.
3
Das Berufungsgericht hat verfahrensfehlerfrei festgestellt, dass die Unfallverletzung innerhalb von sieben Wochen ausgeheilt war und die Beschwerden der Klägerin erst spät nach dem Unfallereignis eingetreten sind. Im Hinblick darauf hat es gemäß § 287 ZPO keinen Ursachenzusammenhang zwischen dem Unfall und dem Beschwerdebild feststellen können. Müller Greiner Diederichsen Pauge Zoll
Vorinstanzen:
LG München I, Entscheidung vom 26.04.1999 - 17 O 6931/92 -
OLG München, Entscheidung vom 15.09.2006 - 10 U 3622/99 -

(1) Ist unter den Parteien streitig, ob ein Schaden entstanden sei und wie hoch sich der Schaden oder ein zu ersetzendes Interesse belaufe, so entscheidet hierüber das Gericht unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung. Ob und inwieweit eine beantragte Beweisaufnahme oder von Amts wegen die Begutachtung durch Sachverständige anzuordnen sei, bleibt dem Ermessen des Gerichts überlassen. Das Gericht kann den Beweisführer über den Schaden oder das Interesse vernehmen; die Vorschriften des § 452 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 bis 4 gelten entsprechend.

(2) Die Vorschriften des Absatzes 1 Satz 1, 2 sind bei vermögensrechtlichen Streitigkeiten auch in anderen Fällen entsprechend anzuwenden, soweit unter den Parteien die Höhe einer Forderung streitig ist und die vollständige Aufklärung aller hierfür maßgebenden Umstände mit Schwierigkeiten verbunden ist, die zu der Bedeutung des streitigen Teiles der Forderung in keinem Verhältnis stehen.

(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.

(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZR 220/10
vom
28. April 2011
in dem Rechtsstreit
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 28. April 2011 durch den
Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Krüger, die Richter Dr. Lemke und Prof.
Dr. Schmidt-Räntsch, die Richterin Dr. Stresemann und den Richter Dr. Czub

beschlossen:
Auf die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers wird das Urteil des 4. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Celle vom 29. September 2010 aufgehoben. Der Rechtsstreit wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Verfahrens der Nichtzulassungsbeschwerde , an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens beträgt 45.000 €.

Gründe:

I.

1
Der Kläger erstritt gegen H. E. (im Folgenden: Schuldnerin) einen rechtskräftigen Zahlungstitel über 259.793,57 € zzgl. Zinsen. Auf seinen Antrag wurde im Wege der Zwangsvollstreckung das Grundstück der Schuldnerin mit einer in das Grundbuch - Abt. III lfd. Nr. 48 - eingetragenen Sicherungshypothek belastet.
2
Die Schuldnerin hatte zuvor in notarieller Urkunde ein Schuldanerkennt- nis gegenüber dem Beklagten in Höhe von 400.000 € zzgl. Zinsen abgegeben und sich wegen dieser Forderung der sofortigen Zwangsvollstreckung in ihr Vermögen unterworfen. Auf Grund dieses Titels war eine Sicherungshypothek im Wege der Zwangsvollstreckung über 455.150 € zzgl. Zinsen in Abt. III Nr. 47 des Grundbuchs des Grundstücks der Schuldnerin eingetragen worden.
3
Der Kläger hat gegen den Beklagten eine Klage auf Grundbuchberichtigung durch Bewilligung der Löschung der vorrangigen Sicherungshypothek erhoben und nach einem Hinweis des Landgerichts hilfsweise die Feststellung beantragt, dass der für den Beklagten eingetragenen Sicherungshypothek keine Forderung zugrunde liege und diese daher nicht entstanden sei. Das Landgericht hat unter Abweisung des Hauptantrags der Klage nach dem Hilfsantrag stattgegeben.
4
Der Beklagte hat weitere vorrangig eingetragene Grundpfandrechte von 115.000 €zzgl. Zinsen erworben. Aus diesen Rechten hat er die Zwangsversteigerung des Grundstücks der Schuldnerin betrieben und nach Anhängigkeit des Rechtsstreits in zweiter Instanz das Grundstück durch Zuschlagsbeschluss des Vollstreckungsgerichts auf das von ihm abgegebene Meistgebot von 160.000 € erworben. Das Oberlandesgericht hat auf die Berufung des Beklag- ten die Klage auch mit dem Hilfsantrag abgewiesen.
5
Mit der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision will der Kläger in einem Revisionsverfahren die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils erreichen.

II.

6
Das Berufungsgericht meint, die Feststellungsklage sei zulässig, weil der Kläger ein schutzwürdiges Interesse an der Feststellung habe, ob das zwischen der Schuldnerin und dem Beklagten vereinbarte Rechtsgeschäft wirksam sei. Im Falle der Nichtigkeit der "Sicherungsforderung" sei nämlich eine Eigentümergrundschuld entstanden, die der Pfändung des Klägers unterliege.
7
Die Feststellungsklage sei jedoch unbegründet. Die für den Beklagten eingetragene Zwangshypothek (§ 867 ZPO) habe dessen Anspruch gegen die Schuldnerin aus einem notariell beurkundeten konstitutiven Schuldanerkenntnis (§ 781 BGB) gesichert. Deshalb habe der Kläger darlegen und beweisen müssen , dass dem Anspruch aus dem Schuldanerkenntnis keine Forderungen des Beklagten gegen die Schuldnerin zugrunde gelegen hätten, so dass diese ihr Schuldanerkenntnis von dem Beklagten nach § 812 Abs. 2 BGB habe kondizieren und ihrer Inanspruchnahme aus dem Schuldanerkenntnis den Arglisteinwand (§ 242 BGB) entgegensetzen können.
8
Dieser Nachweis sei dem Kläger nicht gelungen, weil er schon nicht ausreichend dargelegt habe, dass die von dem Beklagten vorgetragenen Abreden über die Abgabe des Schuldanerkenntnisses reine Erfindungen gewesen seien, die ausschließlich dem Ziel gedient hätten, dem Beklagten eine vorteilhafte Rangstelle zum Schutz vor Vollstreckungsmaßnahmen anderer Gläubiger zu verschaffen. Dem Beweisantrag des Klägers auf Vernehmung des Beklagten als Partei nach § 445 ZPO sei nicht nachzugehen gewesen, weil dieser bei seiner Anhörung nach § 141 ZPO seinen - teilweise durch Verträge und Quittungen belegten - Vortrag zur Absicherung von Darlehen über 200.000 € und einer Forderung in gleicher Höhe für von ihm noch vorzunehmende Instandhaltungsarbeiten auf dem Grundstück der Schuldnerin bestätigt habe.

III.

9
Das angefochtene Urteil ist nach § 544 Abs. 7 ZPO aufzuheben, weil das Berufungsgericht den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat.
10
1. Die Nichtzulassungsbeschwerde rügt mit Recht eine Verletzung dieses Verfahrensgrundrechts durch die Zurückweisung des Beweisantrags nach § 445 Abs. 1 ZPO.
11
2. Art. 103 Abs. 1 GG verpflichtet das Gericht, erhebliche Beweisanträge nach den Grundsätzen der Zivilprozessordnung zu berücksichtigen (BVerfGE 50, 32, 26; 69, 141, 144; NJW 2009, 1585, 1586). Gemessen daran hätte das Berufungsgericht die Klage nicht ohne die Erhebung des Beweises als unbegründet abweisen dürfen.
12
a) Das Berufungsgericht durfte den Beweisantrag nach § 445 Abs. 1 ZPO nicht mit dem Hinweis auf die Erklärungen des Beklagten zurückweisen, die dieser bei seiner Anhörung als Partei nach § 141 ZPO zu den dem Schuldanerkenntnis zugrunde liegenden Forderungen gegen die Schuldnerin abgegeben hat.
13
aa) Die Anhörung einer Partei nach § 141 ZPO ist keine Grundlage für die Entscheidung, ob ihr Vortrag oder derjenige des Gegners für wahr zu erachten ist (§ 286 Abs. 1 ZPO). Die Anhörung dient der Klärung des Sachvortrags (Senat, Urteil vom 19. April 2002 - V ZR 90/01, BGHZ 150, 334, 343), jedoch nicht Beweiszwecken. Ein Beweiswert kommt ihr deshalb nicht zu (BGH, Urteil vom 3. Juli 1967 - VII ZR 48/65, Rn. 32 juris).
14
bb) Ist das Vorbringen einer Partei in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet, das geltend gemachte Recht zu begründen, muss das Gericht dem Beweisantritt nachgehen (Senat, Beschluss vom 2. April 2009 - V ZR 177/08, NJW-RR 2009, 1236 mwN). Weitere Anforderungen an die Substantiierung des Sachvortrags des Klägers über die Absprachen zwischen der Schuldnerin und dem Beklagten dürfen schon deshalb nicht gestellt werden, weil der Kläger aus eigener Wahrnehmung dazu nichts beizutragen vermag und insoweit auf Schlussfolgerungen angewiesen ist (vgl. Senat, Beschluss vom 21. Oktober 2010 - V ZR 39/10, Rn. 11 juris).
15
cc) Die Beweiserhebung durch Vernehmung des Beklagten als Partei durfte schließlich auch nicht deshalb unterbleiben, weil nach dem durch die Anhörung präzisierten Sachvortrag des Beklagten das Vorbringen des Klägers über ein zur Vollstreckungsvereitelung vorgenommenes Scheingeschäft nach Ansicht des Berufungsgerichts sich als eine nicht durch weitere tatsächliche Umstände belegte, unwahrscheinliche Annahme des Klägers darstellte. Dem steht entgegen, dass die Parteivernehmung in jeder Hinsicht ein reines Beweismittel ist und ebenso wenig wie die Vernehmung eines Zeugen die Glaubhaftmachung oder Wahrscheinlichkeit der in das Wissen des zu Vernehmenden gestellten Behauptungen verlangt (BGH, Urteil vom 6. Juli 1960 - IV ZR 322/59, BGHZ 33, 63, 66).
16
b) Das Berufungsurteil beruht auf der Verletzung von Art. 103 Abs. 1 GG. Diese Voraussetzung ist schon dann erfüllt, wenn nicht ausgeschlossen werden kann, dass das Gericht bei Berücksichtigung des übergangenen Vorbringens anders entschieden hätte (Senat, Urteil vom 18. Juli 2003 - V ZR 187/02, NJW 2003, 3205 mwN). So ist es hier.
17
aa) Der Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG ist deshalb entscheidungserheblich , weil die Zurückweisung des Feststellungsantrags als unbegründet zur Folge hätte, dass mit Eintritt der Rechtskraft dieser Entscheidung das (kontradiktorische ) Gegenteil feststünde (vgl. BGH, Urteil vom 10. April 1986 - VII ZR 286/85, NJW 1986, 2508, 2509). Eine solche Feststellung, die einem Erfolg eines von dem Kläger erhobenen Widerspruchs gegen den Teilungsplan nach § 115 ZVG entgegenstünde, wäre nur nach einer Beweisaufnahme durch die von dem Kläger beantragte Vernehmung des Beklagten als Partei zulässig gewesen.
18
bb) Der Aufhebung des Berufungsurteils wegen des Verstoßes gegen Art. 103 Abs. 1 GG und der Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Berufungsgerichts nach § 544 Abs. 7 ZPO steht nicht entgegen, dass der allein noch im Streit befindliche, von dem Kläger hilfsweise verfolgte Feststellungsantrag nach § 256 Abs. 1 ZPO auf der Grundlage des bisherigen Sach- und Streitstands - entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts - unzulässig ist.
19
(1) Die beantragte Feststellung, dass dem Schuldanerkenntnis keine Forderungen des Beklagten zugrunde lagen und (deshalb) keine Sicherungshypothek entstanden ist, betrifft allein die Rechte der Schuldnerin.
20
Sollte das Schuldanerkenntnis von der Schuldnerin und dem Beklagten nicht gewollt und deshalb nach § 117 Abs. 1 BGB unwirksam gewesen sein, ist eine der Sicherungshypothek des Klägers vorrangige Eigentümergrundschuld entstanden (vgl. RGZ 78, 398, 404). Die materiell-rechtlichen Bestimmungen des Bürgerlichen Gesetzbuchs über den Erwerb der Hypothek durch den Eigentümer nach § 1163 Abs. 1 Satz 1 BGB werden durch das Vollstreckungsrecht (§§ 867, 868 ZPO) nicht ausgeschlossen (Senat, Urteil vom 30. April 1976 - V ZR 200/74, NJW 1977, 48, 49).
21
War das Schuldanerkenntnis dagegen gewollt, aber nicht oder in wesentlichem Umfang nicht durch Verbindlichkeiten der Schuldnerin unterlegt, so entstand zwar die das Schuldanerkenntnis absichernde Zwangshypothek und keine Eigentümergrundschuld (vgl. RGZ 141, 379, 383). Die Schuldnerin könnte in diesem Falle aber ihr Anerkenntnis nach § 812 Abs. 2 BGB kondizieren und gegenüber der Inanspruchnahme aus dem Schuldanerkenntnis Einreden nach § 242 BGB oder § 821 BGB erheben, die sie nach § 1169 BGB auch gegenüber dem Anspruch aus der Zwangshypothek geltend machen könnte (vgl. RGZ 154, 385, 389; BayObLG, NJW-RR 1999, 506, 507).
22
In beiden Fällen wäre jedoch - auch wenn der Vortrag des Klägers in der Sache zuträfe - ein der Zwangshypothek des Klägers im Range vorgehendes Grundpfandrecht entstanden, das bei der Verteilung des Erlöses aus der Versteigerung des Grundstücks grundsätzlich vor dem Recht des Klägers zu berücksichtigen ist.
23
(2) Die Feststellungsklage hätte daher auf der Grundlage des bisherigen Sach- und Streitstands mangels eines schutzwürdigen Eigeninteresses des Klägers an der begehrten Feststellung als unzulässig abgewiesen werden müssen.
24
Zwar sind nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs Feststellungsklagen in Bezug auf ein zwischen einer Partei und einem Dritten bestehendes Rechtsverhältnis zulässig (BGH, Urteil vom 16. Juni 1993 - VIII ZR 222/92, BGHZ 123, 44, 46). Voraussetzung ist aber, dass der Kläger ein rechtliches Interesse an einer alsbaldigen Feststellung des Rechtsverhältnisses hat (BGH, Urteil vom 16. Juni 1993 - VIII ZR 222/92, aaO). Solange der Kläger jedoch auf die Rechte der Schuldnerin nicht zugegriffen hat, ist für ihn die Entscheidung der Frage, wem (dem Beklagten oder der Schuldnerin) das seinem Recht vorgehende Grundpfandrecht an dem Grundstück zustand, ohne Bedeutung. Klagen auf Feststellung der Rechtsfolgen eines erst künftig (nach Ausübung von Rechten) möglicherweise entstehenden Rechtsverhältnisses sind nicht nach § 256 Abs. 1 ZPO zulässig (vgl. Zöller/Greger, ZPO, 28. Aufl., § 256 Rn. 3a mwN).
25
(3) Die Nichtzulassungsbeschwerde kann jedoch nicht das Ziel haben, dass die Revision zuzulassen ist, um die unter Verletzung des Art. 103 Abs. 1 GG als unbegründet abgewiesene Feststellungsklage nach § 256 Abs. 1 ZPO nunmehr als unzulässig abzuweisen. Ein solches Verfahren stellte nämlich ebenfalls eine Verletzung von Art. 103 Abs. 1 GG dar, weil die in erster Instanz siegreiche Partei - wenn das Berufungsgericht der Beurteilung der Vorinstanz in einem entscheidungserheblichen Punkt nicht folgen will - darauf vertrauen darf, so rechtzeitig einen Hinweis zu erhalten, dass sie darauf noch vor dem Termin zur mündlichen Verhandlung reagieren kann (vgl. Senat, Beschluss vom 26. Juni 2008 - V ZR 225/07, juris Rn. 5 mwN).
26
Diesem Gebot ist durch die Aufhebung des Berufungsurteils und die Zurückverweisung des Rechtsstreits zu einer neuen Verhandlung und Entscheidung nach § 544 Abs. 7 ZPO zu entsprechen. Da das Berufungsgericht - wie das erstinstanzliche Gericht - rechtsfehlerhaft die Zulässigkeit der Feststellungsklage bejaht hat, ist dem Kläger Gelegenheit zu geben, auf den Umstand der Unzulässigkeit seines Feststellungsantrags in einer neuen mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht (durch ergänzenden Vortrag oder - soweit gemäß § 533 ZPO zulässig - durch eine Änderung der Klage) zu reagieren.

IV.

27
Das für die Bestimmung des Streitwerts des Feststellungsantrags (§ 3 ZPO) maßgebliche wirtschaftliche Interesse des Klägers bemisst sich nach den Vermögensvorteilen, die eine für ihn günstige Entscheidung nach der Versteigerung des Grundstücks noch haben könnte. Angesichts der Zuschlagserteilung auf ein Meistgebot von 160.000 € und anderer vorrangiger, hier nicht im Streit stehender Grundpfandrechte von ca. 115.000 € schätzt der Senat das wirt- schaftliche Interesse des Klägers auf 45.000 €. Krüger Lemke Schmidt-Räntsch Stresemann Czub
Vorinstanzen:
LG Stade, Entscheidung vom 10.02.2010 - 5 O 209/08 -
OLG Celle, Entscheidung vom 29.09.2010 - 4 U 70/10 -

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IV ZR 216/09
vom
21. Juli 2011
in dem Rechtsstreit
Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch die Vorsitzende
Richterin Dr. Kessal-Wulf, die Richterin Harsdorf-Gebhardt, die
Richter Dr. Karczewski, Lehmann und die Richterin Dr. Brockmöller
am 21. Juli 2011

beschlossen:
Auf die Beschwerde des Klägers wird die Revision gegen das Urteil des 5. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 21. Oktober 2009 zugelassen.
Das vorbezeichnete Urteil wird nach § 544 Abs. 7 ZPO aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens , an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Streitwert: 269.485,01 €

Gründe:


1
I. Der Kläger begehrt Invaliditätsentschädigung und Krankentagegeld aus einer bei der Beklagten bestehenden Unfallversicherung. Am 10. Juni 2000 erlitt der Kläger einen Verkehrsunfall, bei dem eine Straßenbahn auf sein vor einer Ampel stehendes Fahrzeug auffuhr und dieses durch den Unfall auf das davor befindliche Fahrzeug geschoben wurde. Bei der anschließenden Behandlung im Krankenhaus wurden ein HWS-Distorsionstrauma sowie eine Schädelprellung diagnostiziert. Der Kläger behauptet, er habe bei dem Unfall ein Schleudertrauma mindestens zweiten Grades erlitten, bei dem das Ligamentum alare links (Flügelband des Kopfgelenks) jedenfalls teilweise gerissen sei. Die hierdurch verursachte Instabilität der Halswirbelsäule im Zusammenhang mit weiteren Beschwerden habe zu einer vollständigen Invalidität geführt. Auf dieser Grundlage stehe ihm eine Invaliditätsentschädigung von 525.000 DM (268.428,24 €) sowie ein Tagegeld für sechs Monate in Höhe von 2.340 DM (1.196,42 €) zu. Die Beklagte hat während des erstinstanzlichen Verfahrens Tagegeld in Höhe von insgesamt 139,65 € gezahlt. Das Landgericht hat die Klage nach Einholung eines fachorthopädischen Gutachtens des Prof. Dr. K. abgewiesen. Das Berufungsgericht hat ein weiteres fachorthopädisches Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. E. eingeholt und unter Zurückweisung der weitergehenden Berufung die Beklagte verurteilt, an den Kläger 85,12 € nebst anteiliger Zinsen zu zahlen. Der Kläger erstrebt die Zulassung der Revision, mit der er sein Klagebegehren weiterverfolgen will. Die Beklagte will mit der Hilfsanschlussrevision eine vollständige Klagabweisung erreichen.
2
II. Die Nichtzulassungsbeschwerde hat Erfolg und führt gemäß § 544 Abs. 7 ZPO zur Aufhebung des angegriffenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht. Dieses hat den Anspruch des Klägers auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) in entscheidungserheblicher Weise verletzt.
3
1. Das Berufungsgericht hat sich den Feststellungen des Sachverständigen Prof. Dr. E. angeschlossen, der ausgeführt hat, der Kläger habe lediglich ein HWS-Schleudertrauma ersten Grades erlitten, weil er nach dem Unfall nur über leichte Rückenschmerzen geklagt und auch bei der Krankenhausaufnahme kurze Zeit nach dem Unfall keine Übelkeit, Schwindel oder Nackensteife bzw. -schmerzen angegeben habe. Bei einem Schleudertrauma zweiten Grades müssten aber nach gesicherten medizinischen Erkenntnissen Beschwerden wie Übelkeit, Schwindel oder Nackensteife innerhalb der ersten Stunde nach dem Unfall eintreten. Das HWS-Schleudertrauma ersten Grades habe weder allein noch aufgrund gesundheitlicher Folgen zu einer dauernden Beeinträchtigung der körperlichen oder geistigen Leistungsfähigkeit des Klägers geführt. Die behaupteten weiteren Verletzungen oder Gesundheitsschäden, insbesondere ein schwereres HWS-Schleudertrauma oder ein Schädel-HirnTrauma mit einem Riss der Kopfgelenksbänder lägen nicht vor.
4
a) Hierbei übersieht das Berufungsgericht die vom Kläger mit Schriftsatz vom 15. Juli 2004 S. 2 unter Beweisantritt der weiteren Unfallbeteiligten S. aufgestellte Behauptung, er habe sofort nach dem Unfall unter Schwindel, Übelkeit und Rückenschmerzen gelitten. Das Berufungsgericht hat dies wegen Widerspruchs zur Unfallschilderung in dem vorangegangenen Schriftsatz vom 10. Oktober 2003 für unbeachtlich gehalten. Dort hatte der Kläger angegeben, dass er nach dem Unfall lediglich leichte Rückenschmerzen verspürt habe, während erst am Abend Kopf- und Nackenschmerzen, die frontal in den Kopf ausgestrahlt seien, hinzugekommen seien.
5
aa) Soweit das Berufungsgericht hierzu ausführt, der Kläger habe keinen Grund für die Abweichung seines neuen Vortrages zu seinem bisherigen Vorbringen gegeben und es sei nicht auszuschließen, dass er seinen Vortrag erst nach Vorlage des Gutachtens des Sachverständigen Prof. Dr. K. entgegen seiner Verpflichtung zu wahrheitsgemäßem Vorbringen lediglich den medizinischen Erfordernissen angepasst habe, verstößt dies gegen den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör gemäß Art. 103 Abs. 1 GG.
6
Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung genügt eine Partei ihrer Darlegungslast, wenn sie Tatsachen vorträgt, die in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet sind, das geltend gemachte Recht als in ihrer Person entstanden erscheinen zu lassen, wobei unerheblich ist, wie wahrscheinlich diese Darstellung ist (BGH, Beschluss vom 21. Mai 2007 - II ZR 266/04, NJW-RR 2007, 1409 Rn. 8; Urteile vom 25. Juli 2005 - II ZR 199/03, WM 2005, 1847 unter II 2 b; Urteil vom 21. Januar 1999 - VII ZR 398/97, NJW 1999, 1859 unter II 2 a). Erfüllt das Parteivorbringen diese Anforderungen, so kann der Vortrag weiterer Einzelheiten oder die Erklärung für einen gehaltenen Vortrag nicht gefordert werden. Es ist vielmehr Sache des Tatrichters, in die Beweisaufnahme einzutreten und dabei gegebenenfalls Zeugen nach weiteren Einzelheiten zu befragen. Die Nichtberücksichtigung eines als erheblich angesehenen Beweisangebots stellt demgegenüber eine unzulässige vorweggenommene Beweiswürdigung dar (Senatsbeschlüsse vom 19. November 2008 - IV ZR 341/07, r+s 2010, 64 Rn. 3; vom 29. Oktober 2008 - IV ZR 272/06, VersR 2009, 517 Rn. 7; Senatsurteil vom 21. November 2007 - IV ZR 129/05, VersR 2008, 382 Rn. 2). Der Umstand , dass der Vortrag des Klägers in seinem Schriftsatz vom 15. Juli 2004 mit seinen Angaben im Schriftsatz vom 10. Oktober 2003 in Widerspruch stehen mag, rechtfertigt die Nichterhebung des angebotenen Beweises ebenfalls nicht. Auch hierin liegt eine vorweggenommene Beweiswürdigung , die im Prozessrecht keine Stütze findet (Senatsurteil vom 17. Februar 2010 - IV ZR 259/08, VersR 2010, 473 Rn. 17; BGH, Urteil vom 12. Dezember 2001 - X ZR 141/00, NJW 2002, 1276 unter I).
Eine Partei ist nicht gehindert, ihr Vorbringen im Laufe des Rechtsstreits zu ändern, insbesondere auch zu berichtigen; dies kann nur im Rahmen der Beweiswürdigung berücksichtigt werden.
7
bb) Die Annahme des Berufungsgerichts, der Kläger habe erst nach Erstattung des Gutachtens von Prof. Dr. K. behauptet, sofort nach dem Unfall unter Schwindel, Übelkeit und Rückenschmerzen gelitten zu haben, ist unzutreffend. Tatsächlich ergibt sich aus dem Gutachten , dass der Kläger bereits anlässlich seiner Befragung und Untersuchung am 5. April 2004 erklärt hat, er habe sofort eine Übelkeit und Schwindel verspürt, sich dauernd hinsetzen müssen sowie Schmerzen im Kreuz, in der Brust und im Bauchbereich gehabt (S. 3 des Gutachtens vom 3. Mai 2004).
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cc) Dem Erfordernis der Beweisaufnahme steht auch nicht der Umstand entgegen, dass der Kläger die Zeugin S. zu seinen Beschwerden unmittelbar nach dem Unfall nur erstinstanzlich benannt hat. Die Behauptung, dass diese Beschwerden sofort nach dem Unfallgeschehen aufgetreten seien, hat der Kläger durchgängig im Berufungsverfahren aufrechterhalten. Einer Wiederholung des Beweisantritts bedurfte es daher nicht mehr, zumal der Kläger in der Berufungsbegründung ausdrücklich nochmals auf seinen Schriftsatz vom 15. Juli 2004 Bezug genommen hat. Schließlich liegen keine durchgreifenden Anhaltspunkte dafür vor, dass der Kläger seine Angaben zu den nach dem Unfall aufgetretenen Beschwerden gleichsam "ins Blaue hinein" aufgestellt hat und sie sich deshalb als unzulässiger Rechtsmissbrauch darstellen (vgl. hierzu Senatsbeschluss vom 29. Oktober 2008 aaO; BGH, Beschluss vom 1. Juni 2005 - XII ZR 275/02, NJW 2005, 2710 unter II 2 a; Urteil vom 20. September 2002 - V ZR 170/01, NJW-RR 2003, 69 unter II 2 b).
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b) Vom Inhalt dieser ergänzend zu treffenden Feststellungen hängt es ab, ob und inwieweit das Berufungsgericht Beweis durch ergänzendes Sachverständigengutachten zu erheben hat. Das wird dann in Betracht kommen, wenn sich die dem Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. E. bisher zugrunde gelegten Anknüpfungstatsachen zum Zeitpunkt des erstmaligen Auftretens von Beschwerden beim Kläger nach dem Unfall ändern sollten. Hinsichtlich des Beweismaßes wird das Berufungsgericht hierbei zu beachten haben, dass für den Beweis des unfallbedingten ersten Gesundheitsschadens sowie der Invalidität vom Strengbeweis des § 286 ZPO auszugehen ist, während lediglich für den Beweis der Kausalität zwischen dem unfallbedingten ersten Gesundheitsschaden sowie der Invalidität der Maßstab des § 287 ZPO gilt (Senatsurteil vom 13. Mai 2009 - IV ZR 211/05, VersR 2009, 1213 Rn. 19). Hier findet der Beweismaßstab des § 286 ZPO Anwendung, da es um die Frage geht, ob der Kläger bei dem Unfall neben einem HWS-Schleudertrauma ersten Grades noch weitere Verletzungenerlitten hat.
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c) Bleibt es demgegenüber bei der bisherigen Beurteilungsgrundlage , so stellt die Nichteinholung weiterer Zusatzgutachten durch das Berufungsgericht keinen Verstoß gegen den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör dar.
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aa) Ohne Erfolg macht der Kläger zunächst geltend, das Berufungsgericht habe seinem Antrag auf Einholung eines radiologischen/ neuroradiologischen Sachverständigengutachtens stattgeben müssen, weil dem Sachverständigen Prof. Dr. E. die erforderliche Kenntnis in diesem Bereich fehle. Der Sachverständige, der Direktor der Klinik und Poliklinik für Orthopädie des Klinikums der Universität zu K. ist, hat hierzu angegeben, er sei zwar kein Radiologe, doch gehöre es zum Arbeitsalltag eines Orthopäden, anhand von Röntgenbildern, Kernspinoder Computertomografien Pathologien des Skelettapparates zu erkennen , zu klassifizieren und zu diagnostizieren (Ergänzungsgutachten vom 14. Januar 2009 S. 14). Der Sachverständige hat darüber hinaus bei der Beurteilung der radiologischen Aufnahmen einen Oberarzt des Instituts für Radiologie der Universität zu K. zu Rate gezogen (S. 44 des Gutachtens vom 14. Dezember 2007). Es ist nicht ersichtlich, weshalb in einem derartigen Fall die zusätzliche Beauftragung eines Radiologen erforderlich sein sollte. Dies gilt umso mehr, als der Kläger selbst gegenüber dem Sachverständigen die Anfertigung einer Röntgenaufnahme der Halswirbelsäule mit der Begründung verweigert hat, das Röntgen habe bisher nichts gebracht.
12
Der Kläger versucht auch erneut, die Qualifikation des Sachverständigen anzugreifen. Soweit es bei einzelnen Punkten zu Ungenauigkeiten oder Missverständnissen bei der Begutachtung gekommen ist, etwa im Bereich der Schichtdicken bzw. Abstände der MRT-Aufnahmen, hat der Gutachter dies in seiner mündlichen Anhörung aufgeklärt. Auf seine fehlende fachliche Eignung kann hieraus nicht geschlossen werden. Dasselbe gilt, soweit der Sachverständige in seinem Gutachten vom 14. Dezember 2007 ausgeführt hat, nach sorgfältiger Betrachtung der vorliegenden Aufnahmen und ausführlicher Analyse der Literatur sowie nach Rücksprache mit zahlreichen namhaften Kollegen der Radiologie der Universität zu Köln halte er die MRT in Bezug auf die Beurteilungen von Verletzungen des Ligamentum alare für kein geeignetes Verfahren, um objektive und vor allem sichere Nachweise führen zu können. Der bloße Umstand, dass in einem anderen Fall durch das Radiologische Institut der Universität zu K. das MRT zur Diagnose einer Verletzung der Ligamenta alaria eingesetzt worden ist, vermag hieran nichts zu ändern. Ohnehin hat das Berufungsgericht seine Entscheidung auf diese wissenschaftliche Frage nicht gestützt, sondern ausgeführt, schon in Anbetracht der unterschiedlichen, teils widersprüchlichen Diagnostik könne den verschiedenen Magnetresonanztomografien keine ausschlaggebende Bedeutung zukommen.
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bb) Auch der vom Sachverständigen Prof. Dr. E. nicht ausdrücklich berücksichtigte Befundbericht des Dr. Kr. vom 17. März 2008 vermag die Einholung eines weiteren Gutachtens nicht zu rechtfertigen. Abgesehen davon, dass diese Untersuchung erst fast acht Jahre nach dem Unfall stattfand, lassen sich dem Bericht sichere Hinweise auf eine Ligamentverletzung nicht entnehmen. Dort ist lediglich von einer "erhöhten Signalstärke" die Rede, ohne dass sich nähere Ausführungen hierzu sowie zur Art und Weise der Untersuchung finden.
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cc) Schließlich hat das Berufungsgericht nicht gegen den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör verstoßen, indem es keinen weiteren Beweis durch Einholung eines neurologischen, neurochirurgischen, augenärztlichen , kieferorthopädischen sowie neurootologischen/HNO-ärztlichen Gutachtens eingeholt hat. Der Sachverständige Prof. Dr. E. hat hierzu ausgeführt, die Einholung derartiger Ergänzungsgutachten sei nicht erforderlich (Stellungnahme vom 14. Januar 2009 S. 69 f.). Das wird vom Kläger im Revisionsverfahren lediglich hinsichtlich der unterlassenen Einholung eines neurologischen Gutachtens im Einzelnen angegriffen. Hierzu hat das Berufungsgericht indessen ausgeführt, dass keine Anhaltspunkte für ein unfallursächliches Schädel-Hirn-Trauma be- stehen. Ausweislich der Feststellungen des Sachverständigen konnten in den neurologischen Untersuchungen nach dem Unfall Symptome eines derartigen Traumas nicht festgestellt werden. Soweit der Kläger demgegenüber auf das Gutachten eines Dr. B. vom 21. Juni 2006 verweist (Anlage 8 zum Schriftsatz vom 17. November 2006), hat das Berufungsgericht hierzu bereits die erforderlichen Feststellungen getroffen. Der Kläger versucht lediglich seine Würdigung an die Stelle des sachverständig beratenen Tatrichters zu stellen. Zudem hat der Sachverständige in seiner mündlichen Anhörung vom 2. September 2009 erläutert, seines Erachtens lägen hier nicht einmal die Voraussetzungen für ein SchädelHirn -Trauma ersten Grades vor.
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Hinsichtlich des ebenfalls beantragten neurochirurgischen Gutachtens hat der Sachverständige ausgeführt, die Orthopädie umfasse die Prävention, Diagnostik und Behandlung des gesamten Bewegungsapparates inklusive der Kopfgelenke. Deren operative oder konservative Versorgung falle daher allein in das Fachgebiet der Orthopädie bzw. Unfallchirurgie , nicht in das Fachgebiet der Neurochirurgie (S. 69 des Ergänzungsgutachtens vom 14. Januar 2009). Das wird vom Kläger nicht konkret in Abrede gestellt. Ebenso wenig legt er dar, warum entgegen den Ausführungen des Berufungsgerichts die Einholung eines kieferorthopädischen , augenärztlichen oder neurootologischen/HNO-ärztlichen Zusatzgutachtens erforderlich sein sollte.
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2. Soweit die Beklagte mit der Hilfsanschlussrevision zugleich die Abweisung der Klage auch in Höhe der vom Berufungsgericht zuerkannten 85,12 € nebst anteiliger Zinsen erstrebt, dürfte der von ihr gerügte Verstoß gegen §§ 286, 287 ZPO nicht vorliegen. Zwar hatte der Sachverständige Prof. Dr. K. zunächst nur eine Arbeitsunfähigkeit von sechs Wochen festgestellt. Demgegenüber ist der vom Berufungsgericht beauftragte Gutachter Prof. Dr. E. davon ausgegangen, beim Kläger habe eine 100%-ige Arbeitsunfähigkeit ab dem Unfallereignis für die Dauer von zwei Wochen sowie danach bis zu einem halben Jahr zu 20% bestanden (Gutachten vom 14. Dezember 2007 S. 60). Dies hat der Sachverständige auch im Einzelnen in seiner Anhörung vom 2. September 2009 begründet und hierzu ausgeführt, die Arbeitsunfähigkeit sei auf insgesamt sechs Monate festgesetzt worden, weil die relative Empfindlichkeit der Wirbelsäule des Klägers zugrunde gelegt worden sei. Insoweit halte er seine Einschätzung für realistischer als die anderer Gutachter , die zu kürzeren Zeiträumen gekommen seien.
Dr. Kessal-Wulf Harsdorf-Gebhardt Dr. Karczewski
Lehmann Dr. Brockmöller
Vorinstanzen:
LG Köln, Entscheidung vom 16.11.2005- 23 O 200/03 -
OLG Köln, Entscheidung vom 21.10.2009 - 5 U 191/05 -

(1) Kosten, die bei richtiger Behandlung der Sache nicht entstanden wären, werden nicht erhoben. Das Gleiche gilt für Auslagen, die durch eine von Amts wegen veranlasste Verlegung eines Termins oder Vertagung einer Verhandlung entstanden sind. Für abweisende Entscheidungen sowie bei Zurücknahme eines Antrags kann von der Erhebung von Kosten abgesehen werden, wenn der Antrag auf unverschuldeter Unkenntnis der tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse beruht.

(2) Die Entscheidung trifft das Gericht. Solange nicht das Gericht entschieden hat, können Anordnungen nach Absatz 1 im Verwaltungsweg erlassen werden. Eine im Verwaltungsweg getroffene Anordnung kann nur im Verwaltungsweg geändert werden.

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.

Die Zwangsvollstreckung ist einzustellen oder zu beschränken:

1.
wenn die Ausfertigung einer vollstreckbaren Entscheidung vorgelegt wird, aus der sich ergibt, dass das zu vollstreckende Urteil oder seine vorläufige Vollstreckbarkeit aufgehoben oder dass die Zwangsvollstreckung für unzulässig erklärt oder ihre Einstellung angeordnet ist;
2.
wenn die Ausfertigung einer gerichtlichen Entscheidung vorgelegt wird, aus der sich ergibt, dass die einstweilige Einstellung der Vollstreckung oder einer Vollstreckungsmaßregel angeordnet ist oder dass die Vollstreckung nur gegen Sicherheitsleistung fortgesetzt werden darf;
3.
wenn eine öffentliche Urkunde vorgelegt wird, aus der sich ergibt, dass die zur Abwendung der Vollstreckung erforderliche Sicherheitsleistung oder Hinterlegung erfolgt ist;
4.
wenn eine öffentliche Urkunde oder eine von dem Gläubiger ausgestellte Privaturkunde vorgelegt wird, aus der sich ergibt, dass der Gläubiger nach Erlass des zu vollstreckenden Urteils befriedigt ist oder Stundung bewilligt hat;
5.
wenn der Einzahlungs- oder Überweisungsnachweis einer Bank oder Sparkasse vorgelegt wird, aus dem sich ergibt, dass der zur Befriedigung des Gläubigers erforderliche Betrag zur Auszahlung an den Gläubiger oder auf dessen Konto eingezahlt oder überwiesen worden ist.