Oberlandesgericht München Endurteil, 09. Aug. 2017 - 7 U 125/17

bei uns veröffentlicht am09.08.2017

Tenor

– 1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 16.12.2016, Az. 13 HK O 6503/16, wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens und die Kosten der Nebenintervention zu tragen.

3. Dieses Urteil sowie das in Ziffer 1 bezeichnete Urteil des Landgerichts München I sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte kann die Vollstreckung der Klägerin und des Nebenintervenienten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin oder der Nebenintervenient vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages leisten.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

I.

Die Parteien streiten um Schadensersatzansprüche der Klägerin aus einem Kfz-Leasingvertrag.

Am 07.10./21.10.2013 schlossen die Parteien einen Leasingvertrag über den Pkw BMW 750 Li, amtl. Kennzeichen … (Antragsnummer …664, Bestandsnummer …128). Die Vertragslaufzeit beginnend am 11.10.2013 betrug 36 Monate, die monatliche Leasingrate 622,34 € zuzüglich Umsatzsteuer. Der vertraglich vereinbarte Netto-Einstandspreis belief sich auf 44.621,85 € (Anl. K 1 und 2).

Das Fahrzeug wurde am 11.10.2013 an die Beklagte übergeben.

Die Beklagte hat das Fahrzeug weitervermietet, wobei die Berechtigung zur Weitervermietung zwischen den Parteien streitig ist.

Die Beklagte leaste unter Abschluss gesonderter Verträge (u.a. mit den Bestandsnummern …995 und …205) weitere Fahrzeuge von der Klägerin (Anl. K 10). Das Fahrzeug aus dem Vertrag mit der Bestandsnummer …995 wurde von der Beklagten an Dritte weitervermietet und wegen der Benutzung als Drogenkurierfahrzeug vom französischen Zoll sichergestellt. Über das Fahrzeug aus dem Vertrag mit der Bestandsnummer …205 schloss die Beklagte mit Frau Sabrina F. einen Mietkaufvertrag (Anl. K 9).

Mit Schreiben der Klägervertreter vom 09.02.2015 (Anl. K 4) kündigte die Klägerin den Leasingvertrag mit der Beklagten außerordentlich fristlos. Dem Kündigungsschreiben beigelegt war eine von Herrn B. in Vertretung für die Klägerin unterschriebene Originalvollmacht. Die Beklagte wies die Kündigung mit Schreiben vom 13.02.2015 zurück.

Mit Schreiben vom 07.12.2015 stellte die Klägerin der Beklagten die Schlussrechnung über 32.060,60 € (Anl. K 5). Die Klägerin legte dabei einen Restwert des streitgegenständlichen Fahrzeugs in Höhe von 20.672,00 € zu Grunde.

Die Klägerin hat erstinstanzlich beantragt,

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin € 32.282,72 nebst hieraus Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem jeweils gültigen Basiszinssatz seit 19.04.2016 nebst 1.044,91 € Zinsen und 1.239,40 € Kosten zu bezahlen.

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt.

Das Landgericht verurteilte die Beklagte mit Endurteil vom 16.12.2016, an die Klägerin 32.282,72 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 19.04.2016 nebst 1.044,91 € Zinsen und 1.239,40 € Kosten zu zahlen.

Auf den Tatbestand und die Entscheidungsgründe des angegriffenen Urteils wird gemäß § 540 Abs. 1 ZPO Bezug genommen.

Mit der Berufung verfolgt die Beklagte ihr erstinstanzliches Klageabweisungsbegehren weiter.

Die Beklagte hat beantragt,

Unter Abänderung des Urteils des LG München I vom 16.12.2016, uns zugestellt am 02.01.2017, 13 HK O 6503/16, wird die Klage abgewiesen.

Die Klägerin hat die Zurückweisung der Berufung beantragt.

Das Gericht hat am 05.07.2017 mündlich verhandelt. Auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 05.07.2017, die zwischen den Prozessbevollmächtigten gewechselten Schriftsätze sowie den übrigen Akteninhalt wird Bezug genommen.

Gründe

II.

Die zulässige Berufung der Beklagten ist unbegründet.

Die Klägerin hat gegen die Beklagte aufgrund Abschnitt XV 1 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen für das Leasing von Kraftfahrzeugen (Stand 11/2012), die Bestandteil des zwischen den Parteien geschlossenen Leasingvertrages wurden (Anl. K 3) in der Hauptsache Anspruch auf Zahlung von 32.282,72 €.

1. Der Leasingvertrag vom 07.10./21.10.2013 wurde durch die außerordentliche fristlose Kündigung der Klägerin mit Schreiben vom 09.02.2015 (Anl. K 4) beendet.

a. Die Kündigung vom 09.02.2015 ist nicht durch die Zurückweisung der Beklagten vom 13.02.2015 unwirksam geworden. Zwar begründet die zusammen mit der Kündigungserklärung erfolgende Vorlage einer nicht von einem Organvertreter, sondern - wie im streitgegenständlichen Fall - nur von einem Stellvertreter iSd. § 164 Abs. 1 BGB unterschriebenen Vollmachtsurkunde grundsätzlich nach § 174 S. 1 BGB ein Zurückweisungsrecht der Beklagten als Erklärungsempfängerin (vgl. KG Urteil vom 04.02.2008, Az. 8 U 167/07, Rdnr. 28 m.w.N.). Jedoch hat die Klägerin eingewandt, dass die Zurückweisung nicht kausal auf die Nichtvorlage einer hinreichenden Vollmachtsurkunde beruhe (Schriftsatz der Klägervertreterin vom 22.06.2016, dort S. 5, Bl. 23 d.A.). Da diese Kausalität aber Voraussetzung dafür ist, dass die Kündigung durch die Zurückweisung unwirksam wird (KG, aaO), und die Beklagte daher als diejenige, die sich auf die Zurückweisung beruft, insoweit die Darlegungs- und Beweislast trägt, hätte die Beklagte den Kausalzusammenhang zwischen der Zurückweisung und der fehlenden Vorlage einer hinreichenden Vollmachtsurkunde beweisen müssen. Da die Beklagte jedoch trotz des Bestreitens der Klägerin das Zurückweisungsschreiben vom 13.02.2015 nicht vorlegte und auch sonst keinen Beweis angeboten hat, ist sie insoweit beweisfällig geblieben. Die Kündigung vom 09.02.2015 ist daher nicht durch die Zurückweisung vom 13.02.2015 unwirksam geworden.

b. Es lag auch ein wichtiger Grund für eine außerordentliche fristlose Kündigung des Leasingvertrages vor. Da es sich bei einem Leasingvertrag um einen atypischen Mietvertrag handelt (BGH in ständiger Rechtsprechung, vgl. BGH, Urteil vom 04.02.2004, Az. XII ZR 301/01, Rdnr. 21 m.w.N.), bemisst sich das Recht einer Vertragspartei zur außerordentlichen Kündigung nach § 543 BGB. Auszugehen ist dabei von der Legaldefinition in § 543 Abs. 1 S. 2 BGB, wonach eine außerordentliche fristlose Kündigung dann möglich ist, wenn dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles, insbesondere eines Verschuldens der Vertragsparteien und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Mietverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Hierfür sind die Interessen des Kündigenden an der Vertragsbeendigung einerseits und die Interessen der anderen Vertragspartei an der Fortdauer des Mietverhältnisses andererseits zu ermitteln und zu bewerten (vgl. BGH, Urteil vom 15.09.2010, Az. XII ZR 188/08, Rdnr. 11).

Es kann dahinstehen, ob die Beklagte durch die Weitervermietung des streitgegenständlichen Fahrzeuges und/oder des Fahrzeuges BMW 740d mit der Bestandsnummer …995 an einen Dritten gegen ihre Pflichten aus den jeweiligen Leasingverträgen verstoßen hat. Denn jedenfalls war es der Klägerin nicht mehr zumutbar, das streitgegenständliche Leasingverhältnis bis zum Ende der vereinbarten Veragslaufzeit im Oktober 2016 fortzusetzen, da die Beklagte unstreitig ein anderes, ebenfalls von der Klägerin geleastes Fahrzeug (BMW 5xDrive Touring, Fahrzeugident-Nr. …159, Bestandsnummer …205) ab 30.11.2013 an Frau Sabrina F. weitervermietete und dieser gleichzeitig eine Kaufoption an dem Fahrzeug einräumte (vgl. § 2 des Mietkaufvertrages zwischen der Beklagten und Frau Sabrina F. laut Anl. K 9).

Unabhängig von der zwischen den Parteien streitigen Frage, ob die Klägerin durch ihren Mitarbeiter Herrn B. der Beklagten die Erlaubnis erteilt hat, die von letzterer geleasten Fahrzeuge an Dritte weiter zu vermieten, hat die Beklagte durch den Abschluss des von ihr ausdrücklich als „Mietkauf“ bezeichneten Vertrages laut Anl. K 9 mit Frau F. jedenfalls gegen ihre Verpflichtung aus Abschnitt VIII 1 Abs. 2 S. 1 der AGB zum Leasingvertrag mit der Bestandsnummer …205, wonach der Leasingnehmer das Fahrzeug nicht verkaufen darf, verstoßen. Denn die Einräumung einer Kaufoption an die Unterleasingnehmerin F. wäre selbst durch das von der Beklagten behauptete von Herrn B. erklärte Einverständnis in die Weitervermietung der Leasingfahrzeuge an Dritte nicht abgedeckt gewesen. Nicht einmal die Beklagte hat nämlich vorgebracht, dass die Beklagte mit dem Verkauf des weitervermieteten Leasingfahrzeuges an die Unterleasingnehmerin einverstanden war.

Der Abschluss des Mietkaufvertrages mit Frau L. stellt eine Unterschlagung dar, da sich die Beklagte durch die Einräumung der Kaufoption eine ihr tatsächlich nicht zukommende Eigentümerposition an dem Leasingfahrzeug anmaßte wissend, dass sie selbst nicht Eigentümerin des Fahrzeuges ist und auch von der Klägerin nicht zum Verkauf ermächtigt worden war.

In Anbetracht dieses strafrechtlich relevanten Eingriffs von Beklagtenseite in die durch Abschnitt VIII 1 Abs. 2 S. 1 der AGB zum Leasingvertrag ausdrücklich geschützte Eigentümerstellung der Klägerin musste die Klägerin befürchten, dass die Beklagte durch weitere Straftaten auch die Eigentümerstellung der Klägerin am streitgegenständlichen Fahrzeug gefährdet oder beeinträchtigt.

Dies war der Klägerin nicht zumutbar. Ihr Interesse an der schnellstmöglichen Rückgewinnung des an die Beklagte verleasten, durch das strafbare Verhalten der Beklagten gefährdeten Fahrzeuges überwiegt bei weitem das Interesse der Beklagten an der Fortsetzung des Leasingvertrages und der damit verbundenen Erwerbschancen. Berücksichtigt wurde bei dieser Interessenabwägung auch, dass die Beklagte vorsätzlich handelte und dass die Klägerin in hohem Maße schutzbedürftig war, da sie nach Übergabe des Fahrzeuges an die Beklagte weder eine Zugriffsmöglichkeit auf das Fahrzeug hatte noch überhaupt wusste, ob das Fahrzeug von der Beklagten an einen Dritten weiter überlassen worden war und unter welchen Bedingungen dies geschah. Wie schutzbedürftig die Klägerin war, zeigt sich schon daran, dass die Klägerin im weiteren Verlauf - wie noch unter 3. zu zeigen sein wird - ihr Eigentum am streitgegenständlichen Fahrzeug infolge der Weiterüberlassung des Fahrzeuges durch die Beklagte gemäß § 932 BGB an den Streithelfer verlor. Auch hinsichtlich des von der Beklagten weitervermieteten Fahrzeugs mit der Bestandsnummer …995 ist es der Beklagten nur mit Schwierigkeiten und nach längerer Zeit gelungen, den als Drogenkurierfahrzeug genutzten Pkw zurückzuerlangen.

In Anbetracht dieses zur außerordentlichen fristlosen Kündigung berechtigenden wichtigen Grundes kann offen bleiben, ob die Beklagte zur Vorführung des streitgegenständlichen Fahrzeuges bei der Klägerin verpflichtet war und die Unterlassung der Vorführung einen hinreichenden Kündigungsgrund bildet.

c. Eine vorherige Abmahnung oder Fristsetzung iSd. § 543 Abs. 3 S. 1 BGB war nach § 543 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 BGB nicht erforderlich, da die Kündigung auf einer gestörten Vertrauensgrundlage im Verhältnis der Parteien zueinander beruhte, die weder durch eine Fristsetzung noch durch eine Abmahnung wiederhergestellt werden konnte (vgl. BGH, Urteil vom 15.09.2010, Az. XII ZR 188/08, Rdnr. 21). Die Notwendigkeit einer vorherigen Abmahnung oder Fristsetzung auch bei Störungen des Vertrauensverhältnisses lässt sich auch nicht aus Abschnitt XIV 2 4. Spiegelstrich der AGB zum Leasingvertrag entnehmen, da diese Regelung auf Kündigungsgründe, die den Vertrauensbereich berühren, nicht anwendbar ist. Denn ausweislich ihres Wortlauts setzt sie voraus, dass „bereits eingetretene Folgen (der) Vertragsverletzung“ beseitigt werden können. Das ist bei einem gestörten Vertrauensverhältnis jedoch gerade nicht möglich.

d. Ob die Klägerin, die von der Weitervermietung des Fahrzeugs aus dem Vertrag mit der Bestandsnummer …205 seit Oktober 2014 Kenntnis hatte, mit ihrer am 09.02.2015 erfolgten Kündigung die Frist des § 314 Abs. 3 BGB eingehalten hat, kann dahinstehen, da hinsichtlich des streitgegenständlichen Leasingvertrages § 543 BGB, der keine Regelung dahingehend enthält, dass die Kündigung binnen einer angemessenen Frist zu erfolgen habe, eine abschließende Sonderregelung darstellt, die § 314 Abs. 3 BGB verdrängt (BGH, Urteil vom 13.07.2016, Az. VIII ZR 296/15, Rdnr. 24).

Für die Annahme einer Treuwidrigkeit der Kündigung, insbesondere unter Verwirkungsgesichtspunkten, gibt es keine hinreichenden Anhaltspunkte. Hierfür reicht nämlich der bloße Zeitablauf nicht aus, vielmehr muss noch ein Umstandsmoment hinzutreten (vgl. BGH, aaO, Rdnr. 25). Dieses ist im streitgegenständlichen Fall aber nicht ersichtlich.

e. Der Wirksamkeit der Kündigung steht auch nicht das Schreiben der Beklagten vom 07.02.2014 (Anl. B 1) entgegen. Denn darin teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass die von der Beklagten geleasten Fahrzeuge der Klägerin von der Beklagten „innerbetrieblich und außerbetrieblich auch weitervermietet“ werden. Demzufolge nutzte die Beklagte die geleasten Fahrzeug sowohl innerbetrieblich - was nach den Leasingverträgen unproblematisch zulässig ist - als auch durch außerbetriebliche Weitervermietung - was im Hinblick auf den Vertragswortlaut (Abschnitt VIII Abs. 2 S. 1 der AGB zum Leasingvertrag) zumindest problematisch erscheint. Damit wird also nicht jedes Fahrzeug notwendigerweise an Dritte vermietet. Zu einer Kenntnisbegründung auf seiten der Klägerin von der Weitervermietung gerade des streitgegenständlichen Leasingfahrzeuges an Dritte durch die Beklagte hätte die Beklagte daher der Klägerin mitteilen müssen, welches konkrete Fahrzeug an Dritte weitervermietet wird und welches Fahrzeug innerbetrieblich genutzt wird. Das Schreiben vom 07.02.2014 (Anl. B 1) enthält aber keine auf ein konkretes Fahrzeug und damit auch nicht auf das streitgegenständliche Fahrzeug bezogene Information über eine Weitervermietung. Da das Schreiben der Beklagten vom 07.02.2014 daher schon zu keiner Kenntnis der Klägerin von einer Weiterüberlassung gerade des streitgegenständlichen Fahrzeugs durch die Beklagte an Dritte führte und sich aus dem Schreiben auch nicht entnehmen lässt, dass die Beklagte - wie im Fall des Fahrzeugs mit der Bestandsnummer …205 - Dritten sogar eine Kaufoption einräumt, kann dahinstehen, ob eine Kenntnis der Beklagten von der Weiterüberlassung des Fahrzeugs an Dritte bereits im Februar 2014 zu einer Unwirksamkeit der Kündigung vom 09.02.2015 geführt hätte.

2. Hinsichtlich der Höhe der Schadensersatzzahlung wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung gegen die Höhe des von der Klägerin der Berechnung ihrer Forderung zugrunde gelegten Restwertes von 20.672,00 €. Es sei nämlich nicht ersichtlich, woraus sich dieser Wert ergebe (Berufungsbegründungsschriftsatz des Beklagtenvertreters vom 25.01.2017, S. 4, Bl. 80 d.A.).

Die Beklagte übersieht dabei jedoch, dass Vertragsgrundlage für den streitgegenständlichen Leasingvertrag das von der Beklagten am 07.10.2013 abgegebene Angebot auf Abschluss eines Leasingvertrages laut Anl. K 1 ist, da dieses Angebot im folgenden von der Klägerin zunächst konkludent durch die Übergabe des streitgegenständlichen Fahrzeugs an die Beklagte am 11.10.2013 und sodann nochmals ausdrücklich durch Ausstellung und Übersendung der Vertragsurkunde vom 21.10.2013 (Anl. K 2) angenommen wurde. Da die Vertragsbeendigung - wie oben unter 1 dargelegt - durch eine außerordentliche fristlose Kündigung der Klägerin iSd. Abschnitts XIV 2 der AGB zum Leasingvertrag erfolgte und es sich bei dem Leasingvertrag um einen Vertrag mit Kilometerabrechnung handelt, greift die in Fußnote 2 des Angebots vom 07.10.2013 enthaltene Regelung zur Berechnung des Restwertes. Demnach garantiert die Beklagte als Leasingnehmerin den Restwert mit 48% des Nettoeinstandspreises. Dieser beläuft sich laut dem Angebot vom 07.10.2013 auf 44.621,85 €, so dass sich ein der Vertragsabwicklung zugrundezulegender Restwert des Fahrzeugs von 21.418,49 € ergibt. Dadurch dass die Klägerin nicht diesen Wert, sondern mit lediglich 20.672,00 € einen niedrigeren Wert im Rahmen ihrer Schadensersatzberechnung zugrunde gelegt hat, wird die Beklagte nicht beschwert, sodass der von der Klägerin angenommene Restwert von 20.672,00 € nicht zu beanstanden ist.

Da die Beklagte den von der Klägerin im weiteren laut Schriftsatz der Klägervertreterin vom 18.04.2016, dort S. 4-9, Bl. 4-9 d.A. angewandten Rechenweg zur Bestimmung ihres Schadensersatzanspruchs nicht angegriffen hat, verbleibt es bei der dergestalt ermittelten Differenz Ablösewert/Verkaufserlös in Höhe von 32.060,60. Dazu waren noch die von der Klägerin angesetzten Leasingraten für die Monate Februar bis Dezember 2015 iHv. 8.146,38 € abzüglich der Gutschrift für die Resttage vom 09.02.2015 bis 31.12.2015 iHv. 7.924,26 € und damit 222,12 € zu addieren. Dies ergibt den von der Klägerin verlangten Gesamtbetrag von 32.282,72 €. Die Tatsache, dass sich die Klägerin bei der Berechnung der Leasingraten für den Zeitraum von Februar 2015 bis Dezember 2015 um 0,11 € verrechnete (740,59 € x 11 ergibt 8.146,49 € und nicht 8.146,38 €), ist unerheblich, da dieser Rechenfehler nicht zu Lasten der Beklagten ging.

3. Die Klägerin hat auch entgegen der Ansicht der Beklagten nicht dadurch gegen ihre Schadensminderungspflicht verstoßen, dass sie das streitgegenständliche Fahrzeug nicht vom Streithelfer herausverlangte, sodass sie keinen Verkaufserlös mehr erzielen konnte, der zugunsten der Beklagten in die Endabrechnung hätte eingestellt werden können. Denn der Streithelfer hat an dem Fahrzeug gemäß § 932 BGB gutgläubig Eigentum erworben.

a. Ein gutgläubiger Eigentumserwerb des Streithelfers war nicht schon nach § 935 Abs. 1 BGB ausgeschlossen, da das streitgegenständliche Fahrzeug der Klägerin nicht abhanden gekommen ist. Die Klägerin als ursprüngliche Eigentümerin hat ihren unmittelbaren Besitz an dem Fahrzeug nämlich nicht ohne ihren Willen verloren, da sie das Fahrzeug in Erfüllung des Leasingvertrages mit der Beklagten an diese übergab.

Ein gutgläubiger Erwerb nach § 932 BGB wäre allerdings ausgeschlossen, wenn das Fahrzeug der Beklagten als Besitzmittlerin abhanden gekommen wäre. Dazu hat die Beklagte, die sich auf die Unmöglichkeit eines gutgläubigen Erwerbs durch den Streithelfer beruft und deshalb für den Ausschluss eines gutgläubigen Erwerbs die Darlegungs- und Beweislast trägt, jedoch nichts vorgetragen. Sie hat lediglich behauptet, dass sie das Fahrzeug nicht veräußert habe. Zu den Umständen, wie die Beklagte ihren unmittelbaren Besitz an dem Fahrzeug aufgegeben oder verloren haben soll, äußert sie sich nicht. Damit ist der Ausschluss eines gutgläubigen Erwerbs durch den Streithelfer von der Beklagten nicht ausreichend dargelegt.

b. Das Gericht geht auch nicht von einer Bösgläubigkeit des Streithelfers aus. Nachdem nicht einmal die Beklagte eine Kenntnis des Streithelfers von der fehlenden Eigentümerstellung des Rsyzard Deka als Veräußerer behauptet, käme eine Bösgläubigkeit des Streithelfers nur noch bei grob fahrlässiger Unkenntnis in Betracht. Dazu müsste der Streithelfer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in ungewöhnlich hohem Maße verletzt und dasjenige unbeachtet gelassen haben, was im gegebenen Fall sich jedem hätte aufdrängen müssen (BGH, Urteil vom 09.02.2005, Az. VIII ZR 82/03, Rdnr. 15).

Dies ist hier nicht der Fall, da sich der Streithelfer vor der Übereignung Teil I und II der Zulassungsbescheinigung für das streitgegenständliche Fahrzeug vorlegen ließ, um die Veräußerungsberechtigung des Verkäufers zu prüfen, und somit die Mindestvoraussetzung für einen gutgläubigen Erwerb erfüllt hat (vgl. BGH, Urteil vom 13.09.2006, Az. VIII ZR 184/05, Rdnr. 17 zum früheren Kraftfahrzeugbrief). Bei einem Direktgeschäft zwischen Privatleuten wie im streitgegenständlichen Fall ist ein Privatkäufer wie der Streithelfer, der die dargestellten Mindestanforderungen für den guten Glauben erfüllt, in der Regel als redlich anzusehen (vgl. OLG Braunschweig, Urteil vom 01.09.2011, Az. 8 U 170/10, Rdnr. 34). Daran ändert auch nichts, dass sich die vom Verkäufer dem Streithelfer vorgelegte Zulassungsbescheinigung im Nachhinein als Totalfälschung herausstellte. Denn eine weitere Nachforschungspflicht des Streithelfers als Erwerber hätte nur bestanden, wenn es sich bei der Zulassungsbescheinigung um eine erkennbare Fälschung gehandelt hätte (OLG Braunschweig, aaO, Rdnr. 36). Dass dies gerade nicht der Fall war, ergibt sich schon daraus, dass auch die vom Streithelfer zum Verkaufsort hinzugerufenen Polizisten, die qua Amt erfahren im Umgang mit Zulassungsbescheinigungen sind, dem Streithelfer gegenüber erklärten, dass das vom Streithelfer bemerkte Fehlen eines Stempels nicht ungewöhnlich sei und auf einem Versehen der Zulassungsstelle beruhen könne. Anders als bei einem gewerblichen Verkauf, wo der Käufer annehmen kann, dass der Verkäufer über ein Ladenlokal verfügt, in dem das Geschäft getätigt werden kann, löst bei einem Privatverkauf auch der Verkauf auf einem Parkplatz keine erhöhte Nachforschungspflicht des Streithelfers aus (OLG Braunschweig, aaO, Rdnr. 45 f. zu einem Verkauf auf an einer Tankstelle). Gleiches gilt im Hinblick auf den Verkaufspreis des Fahrzeugs von 28.000,00 €, da nach den Feststellungen im Ermittlungsverfahren gegen den Verkäufer vergleichbare Fahrzeuge bereits ab einem Preis von 34.900,00 € angeboten wurden und das streitgegenständliche Fahrzeug darüber hinaus auch noch wertmindernde Schäden aufwies (vgl. Anl. K 15).

Nach alledem hat die Beklagte infolge gutgläubigen Eigentumserwerbs des Streithelfers eine Verletzung der Schadensminderungspflicht durch die Klägerin nicht nachweisen können.

4. Der Beklagte steht auch kein Zurückbehaltungsrecht zu, das gemäß § 322 Abs. 1 BGB zu einer Zug-um-Zug-Verurteilung der Beklagten hätte führen müssen. Denn die Beklagte hat nach der wirksamen Beendigung des Leasingvertrages durch die Kündigung der Klägerin vom 09.02.2015 keine Ansprüche mehr gegen die Beklagte, insbesondere hat sie kein Recht zum Besitz an dem Fahrzeug.

5. Gegen die vom Landgericht ausgeurteilte Verzinsung der Hauptforderung und die Tragung der vorgerichtlichen Kosten der Klägerin in Höhe von 1.239,40 € hat die Beklagte mit ihrer Berufung nichts vorgetragen.

6. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 97 Abs. 1, 91 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, da Zulassungsgründe (§ 543 Abs. 2 ZPO) nicht vorliegen. Weder hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung noch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts. Zu würdigen waren vielmehr die Umstände des Einzelfalles.

Urteilsbesprechung zu Oberlandesgericht München Endurteil, 09. Aug. 2017 - 7 U 125/17

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Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:1.Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;2.Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;3.Urteile, dur

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(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat. (2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vo

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(1) Die Revision findet nur statt, wenn sie1.das Berufungsgericht in dem Urteil oder2.das Revisionsgericht auf Beschwerde gegen die Nichtzulassungzugelassen hat. (2) Die Revision ist zuzulassen, wenn1.die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat

Zivilprozessordnung - ZPO | § 540 Inhalt des Berufungsurteils


(1) Anstelle von Tatbestand und Entscheidungsgründen enthält das Urteil1.die Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil mit Darstellung etwaiger Änderungen oder Ergänzungen,2.eine kurze Begründung für die Abänderung, Aufh
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(1) Anstelle von Tatbestand und Entscheidungsgründen enthält das Urteil

1.
die Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil mit Darstellung etwaiger Änderungen oder Ergänzungen,
2.
eine kurze Begründung für die Abänderung, Aufhebung oder Bestätigung der angefochtenen Entscheidung.
Wird das Urteil in dem Termin, in dem die mündliche Verhandlung geschlossen worden ist, verkündet, so können die nach Satz 1 erforderlichen Darlegungen auch in das Protokoll aufgenommen werden.

(2) Die §§ 313a, 313b gelten entsprechend.

(1) Eine Willenserklärung, die jemand innerhalb der ihm zustehenden Vertretungsmacht im Namen des Vertretenen abgibt, wirkt unmittelbar für und gegen den Vertretenen. Es macht keinen Unterschied, ob die Erklärung ausdrücklich im Namen des Vertretenen erfolgt oder ob die Umstände ergeben, dass sie in dessen Namen erfolgen soll.

(2) Tritt der Wille, in fremdem Namen zu handeln, nicht erkennbar hervor, so kommt der Mangel des Willens, im eigenen Namen zu handeln, nicht in Betracht.

(3) Die Vorschriften des Absatzes 1 finden entsprechende Anwendung, wenn eine gegenüber einem anderen abzugebende Willenserklärung dessen Vertreter gegenüber erfolgt.

Ein einseitiges Rechtsgeschäft, das ein Bevollmächtigter einem anderen gegenüber vornimmt, ist unwirksam, wenn der Bevollmächtigte eine Vollmachtsurkunde nicht vorlegt und der andere das Rechtsgeschäft aus diesem Grunde unverzüglich zurückweist. Die Zurückweisung ist ausgeschlossen, wenn der Vollmachtgeber den anderen von der Bevollmächtigung in Kenntnis gesetzt hatte.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
XII ZR 301/01 Verkündet am:
4. Februar 2004
Küpferle,
Justizamtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja
SachsAnhGemeindeO § 100 Abs.1

a) Zur Bindung der Zivilgerichte an bestandskräftige Entscheidungen der Verwaltungsbehörde
(hier: Versagung der Genehmigung eines langfristigen Mietvertrages
mit einer Gemeinde).

b) Auch langfristige Mietverträge sind keine kreditähnlichen Geschäfte i.S. von § 100
Abs. 5 der Gemeindeordnung für das Land Sachsen-Anhalt.
BGH, Urteil vom 4. Februar 2004 - XII ZR 301/01 - OLG Naumburg
LG Magdeburg
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 4. Februar 2004 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Hahne und die Richter
Weber-Monecke, Fuchs, Dr. Ahlt und Dose

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 9. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Naumburg vom 23. Oktober 2001 aufgehoben. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der 10. Zivilkammer des Landgerichts Magdeburg vom 6. Juni 2001 wird zurückgewiesen. Der Beklagten werden die Kosten der Berufung und der Revision auferlegt.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

Der Kläger macht rückständige und künftige Miete aus einem gewerblichen Mietverhältnis geltend. Er vermietete mit schriftlichem Vertrag vom 10./16. Juni 1997 ein bebautes Grundstück in N. mit einer Gesamtgröße von 12.600 m² zu einem monatlichen Mietzins von 5.000 DM bis 30. Mai 2022 an die beklagte Gemeinde zum Betrieb einer Kindertagesstätte. Im September 2000 reichte
diese den Mietvertrag bei der Kommunalaufsichtsbehörde zur Genehmigung ein. Mit bestandskräftig gewordener Verfügung vom 16. Oktober 2000 versagte der Landkreis O. als zuständige Kommunalaufsichtsbehörde die Genehmigung. Der Entscheidungssatz lautet: "Die am 19.9.2000, hier eingegangen am 15.9.2000, beantragte Genehmigung des Mietvertrages über das Grundstück M. in N. zwischen der Gemeinde N. und Herrn R. B. vom 10.6.1997/16.6.1997 wird versagt." In der Begründung wird ausgeführt, es handele sich um ein kreditähnliches Geschäft, das gemäß § 100 Abs. 5 der Gemeindeordnung für das Land Sachsen-Anhalt (GO LSA) der Genehmigung der Kommunalaufsichtsbehörde bedürfe. Die Genehmigung könne nicht erteilt werden, weil der Abschluß des Vertrages nicht mit der dauerhaften Leistungsfähigkeit der Gemeinde in Einklang stehe. Die Beklagte, die die Miete zunächst seit 1997 gezahlt hatte, stellte daraufhin im Dezember 2000 ihre Zahlungen ein. Das Landgericht hat der auf Zahlung eines Mietrückstandes von 30.000 DM nebst Zinsen und eines laufenden monatlichen Mietzinses von 5.000 DM bis zum Jahre 2022 gerichteten Klage in vollem Umfang stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht das Urteil aufgehoben und die Klage abgewiesen. Dagegen wendet sich der Kläger mit seiner vom Senat angenommenen Revision.

Entscheidungsgründe:

Die Revision des Klägers führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückweisung der Berufung. 1. Das Oberlandesgericht hat ausgeführt, mit dem Landgericht sei davon auszugehen, daß die Frage, ob die Versagungsverfügung rechtmäßig sei, insbesondere , ob der zwischen den Parteien geschlossene Mietvertrag gemäß § 100 Abs. 5 GO LSA der Genehmigung durch die Kommunalaufsichtsbehörde bedurfte, nicht zu prüfen sei. Es hat gemeint, durch die bestandskräftige Verweigerung der Genehmigung bestehe eine Bindung dahin, daß der Mietvertrag genehmigungspflichtig sei. Denn die Entscheidung einer Verwaltungsbehörde binde das (Zivil-)Gericht, soweit deren Rechtskraft reiche. Nach Unanfechtbarkeit der Ablehnungsentscheidung der Kommunalaufsichtsbehörde sei der Vertrag im Außenverhältnis mit Rückwirkung auf den Zeitpunkt des Abschlusses nichtig. Die Beklagte könne sich auch auf die Unwirksamkeit des Vertrages berufen. Sie setze sich dadurch nicht mit Treu und Glauben in Widerspruch. 2. Die Entscheidung des Berufungsgerichts hält einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Das Berufungsgericht war weder an die Entscheidung der Rechtsaufsichtsbehörde gebunden noch bedurfte der Mietvertrag deren Genehmigung.
a) Die Vorfrage, ob ein zivilrechtlicher Vertrag zu seiner Wirksamkeit einer behördlichen Genehmigung bedarf, haben grundsätzlich die Zivilgerichte allein zu entscheiden. Dabei ist die materielle Rechtslage zugrunde zu legen. Verweigert eine Behörde die von ihr für erforderlich gehaltene Genehmigung, so bleibt dies ohne Einfluß auf die Wirksamkeit eines Vertrages, wenn dieser - entgegen der Auffassung der Behörde - von vornherein einer Genehmigung
nicht bedarf. Ein Vertrag wird nicht deshalb genehmigungspflichtig, weil ihn eine Behörde - zu Unrecht - für genehmigungsbedürftig hält. Er ist vielmehr von Anfang an voll wirksam und bleibt es auch nach der Versagung der Genehmigung (vgl. BGB-RGRK/Steffen, 12. Aufl. § 182 Rdn. 12, 14 am Ende; Staudinger/ Sack, BGB, 13. Bearb., § 134 Rdn. 176; Staudinger/Carsten Schmidt aaO Vorbem. zu § 244 ff. Rdn. D 337; Soergel/Leptin, BGB, 13. Aufl. vor § 182 Rdn. 10; Soergel/Hefermehl, aaO, § 134 Rdn. 47). Daß im vorliegenden Fall die Rechtsaufsichtsbehörde mit bestandskräftigem Verwaltungsakt die Genehmigung des Mietvertrages abgelehnt hat, vermag daran nichts zu ändern. Eine Bindung des Berufungsgerichts an die in den Gründen des Ablehnungsbescheides geäußerte Auffassung, der Vertrag sei genehmigungsbedürftig, besteht nicht. aa) Eine Bindungswirkung aus Gründen der Rechtskraft scheidet entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts von vornherein aus, da keine gerichtliche Entscheidung über die Genehmigung, sondern lediglich eine Verwaltungsentscheidung vorliegt. Eine Bindungswirkung aus Gründen der materiellen Bestandskraft des Verwaltungsakts scheitert bereits an der mangelnden Beteiligung des Klägers am Verwaltungsverfahren (vgl. Kopp/Ramsauer VwVfG 7. Aufl. § 43 Rdn. 31). Darüber hinaus erstreckt sich diese Bindung nur auf den Entscheidungssatz, nicht aber auf die Gründe der Entscheidung, auf Vorfragen und präjudizielle Rechtsverhältnisse (vgl. Kopp/Ramsauer aaO Rdn. 32 f.). Da der Entscheidungssatz lediglich die Versagung der Genehmigung ausgesprochen hat, scheidet eine Bindung dahin, daß der Vertrag genehmigungsbedürftig , aber nicht genehmigungsfähig sei, aus. bb) Eine Bindung ergibt sich - entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung - auch nicht aus der Tatbestandswirkung des Verwaltungsakts. Die-
se besagt zwar, daß außer der Behörde sowie den Verfahrensbeteiligten im Sinne von § 13 VwVfG auch alle anderen Behörden sowie grundsätzlich alle Gerichte die Tatsache, daß der Verwaltungsakt erlassen wurde, als maßgebend akzeptieren müssen. Sie haben die durch den Verwaltungsakt getroffene Regelung oder Feststellung unbesehen, das heißt ohne daß sie die Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts nachprüfen müßten oder dürften, zugrunde zu legen (Kopp/Ramsauer aaO Rdn. 18 f.). Da die Tatbestandswirkung ebenso wie die materielle Bestandskraft sachlich nicht weiter reichen kann als die Rechtskraft eines Urteils, kann sie die bloße Vorfrage, ob der Mietvertrag überhaupt genehmigungsbedürftig war, nicht umfassen. Regelungsgegenstand ist ausschließlich die Versagung der Genehmigung, nicht aber die Begründung, daß der Mietvertrag nach § 100 Abs. 5 GO LSA genehmigungspflichtig, aber nicht genehmigungsfähig sei (Kopp/Ramsauer aaO Rdn. 19, 22, 26; Kopp/Schenke VwGO 13. Aufl. § 123 Rdn. 5). cc) Schließlich kommt dem Ablehnungsbescheid keine Feststellungswirkung dahin zu, daß der streitgegenständliche Mietvertrag genehmigungsbedürftig im Sinne von § 100 Abs. 5 GO LSA ist. Eine solche - über die durch den Versagungsbescheid getroffene Regelung hinausgehende - Wirkung besteht nur dann, wenn sie gesetzlich angeordnet ist (Kopp/Ramsauer aaO Rdn. 26 f.; Kopp/Schenke aaO Rdn. 6). Das ist hier aber nicht der Fall. Insbesondere läßt sich aus § 100 Abs. 5 GO LSA derartiges nicht entnehmen. Nach alledem ist - entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts - die Frage der Genehmigungsbedürftigkeit des Mietvertrages nach § 100 Abs. 5 GO LSA im vorliegenden Rechtsstreit entscheidungserheblich. Da das Berufungsgericht eine Auslegung der Bestimmung unterlassen hat, kann sie der Senat - obwohl es sich um nicht revisibles Landesrecht handelt - selbst vornehmen
(BGH, Urteil vom 10. April 1997 - III ZR 104/96 - NJW 1997, 2115, 2117; Senatsurteil vom 23. September 1992 - XII ZR 18/91 - NJW-RR 1993, 13, 14).
b) Der streitgegenständliche Mietvertrag bedurfte keiner Genehmigung. Es handelt sich nicht um ein kreditähnliches Geschäft im Sinne von § 100 Abs. 5 GO LSA. Diese - wörtlich oder sinngemäß - auch in Gemeindeordnungen anderer Bundesländer enthaltene Regelung (vgl. Art. 72 Abs. 1 BayGO; § 85 Abs. 5 Brandenb. GO; § 92 Abs. 6 Nds. GO; § 82 Abs. 5 Sächs. GO) soll verhindern, daß unter Ausnutzung der Gestaltungsmöglichkeiten des Privatrechts die kommunalrechtlichen Bestimmungen über die Kreditaufnahme umgangen werden können (nach § 100 Abs. 2 GO LSA bedarf der Gesamtbetrag der vorgesehenen Kreditaufnahme im Rahmen der Haushaltssatzung der Genehmigung der Kommunalaufsichtsbehörde). Eine solche Umgehung liegt vor, wenn das betreffende Rechtsgeschäft bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise zu dem gleichen Erfolg führen würde wie die Aufnahme eines Kredits (Brüggen /Heckendorf Sächs. GO 1993 § 82 Rdn. 316). Das ist dann der Fall, wenn die Gemeinde im laufenden Haushaltsjahr - im wesentlichen - die volle Leistung erhält, die von ihr dafür zu erbringende Gegenleistung jedoch erst zu einem späteren Zeitpunkt erbringen muß (OLG Dresden, Sächs.VBl. 2002, 63, 65; Thiele Nds. GO 4. Aufl. § 92 Ziff. 2.3.1.). Bei reinen Mietverträgen ist das nicht der Fall (OLG Dresden aaO; insoweit auch Gundlach, LKV 1999, 203, 204; vgl. auch Thiele aaO). aa) Die Miete ist die Gegenleistung für die jeweilige Nutzungsüberlassung. Die Verpflichtung des Vermieters erschöpft sich nicht in einer einmaligen Überlassung zu Beginn des Mietverhältnisses, vielmehr muß der Vermieter dem Mieter die Mietsache während der gesamten Mietzeit zur Nutzung zur Verfügung stellen und sie in einem zum vertragsgemäßen Gebrauch geeigneten Zustand erhalten (vgl. §§ 536 BGB a.F., 535 Abs. 1 Satz 2 BGB). Entsprechend
zahlt der Mieter nicht etwa Raten für die (erstmalige) frühere Überlassung, sondern während der Dauer der Mietzeit fortlaufend das Entgelt für die jeweilige aktuelle Nutzung. bb) Daß der Mietvertrag eine lange Laufzeit - hier: 25 Jahre - aufweist, ändert daran nichts. Sie bedeutet lediglich, daß die ordentliche Kündigung ausgeschlossen ist. Eine Verlagerung der Zahlungen auf ein späteres Haushaltsjahr findet auch bei langfristigen Mietverträgen nicht statt. Die Miete in späteren Haushaltsjahren ist die Gegenleistung für die in diesen Jahren gewährte Nutzung. Der Langfristigkeit der Bindung allein kommt bei der Frage, ob ein Geschäft als kreditähnlich im Sinne von § 100 Abs. 5 GO LSA anzusehen ist, keine entscheidende Bedeutung zu. Zwar soll diese Vorschrift nach ihrem Sinn und Zweck die künftige Verschuldung der Gemeinde unter Kontrolle halten (so Gundlach aaO 205). Das folgt aus der Bezugnahme von § 100 Abs. 5 Satz 2 GO LSA auf § 100 Abs. 2 Satz 3 GO LSA, der festlegt, daß die Genehmigung regelmäßig zu versagen ist, wenn die Zahlungsverpflichtung nicht mit der dauerhaften Leistungsfähigkeit der Gemeinde in Einklang steht. Auf die Langfristigkeit der Bindung hat der Gesetzgeber aber nicht abgestellt. Würde die lange Bindung allein reichen, um Kreditähnlichkeit zu bejahen, wären alle langfristigen Dauerschuldverhältnisse (wie z.B. Lieferverträge, Dienstverträge und Gesellschaftsverträge ) genehmigungspflichtig. Hätte der Gesetzgeber das gewollt, hätte es nahegelegen, nicht auf die Kreditähnlichkeit, sondern auf die Langfristigkeit der Bindung abzustellen. cc) Zwar wird in der Literatur die Auffassung vertreten, bei langfristig nicht kündbaren Verträgen wolle die Gemeinde im Zeitpunkt des Vertragsschlusses - bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise - nicht nur eine zeitlich begrenzte Nutzung erreichen, sondern einen maßgeblichen Anteil des wirtschaftlichen Wertes des Gegenstandes bzw. den wirtschaftlichen Wert des Gegen-
standes insgesamt (so wohl Gundlach aaO 206). Das überzeugt aber nicht. Der Mieter wird bei langfristigen Verträgen nicht nur berechtigt, sondern auch langfristig verpflichtet. Der Vermieter kann ihn auch gegen seinen Willen am Vertrag festhalten. Bei Vertragsabschluß werden sich daher der Vorteil der langfristigen Berechtigung und der Nachteil der langfristigen Verpflichtung in der Regel die Waage halten. Der Mieter erhält damit bei Vertragsabschluß noch keine Leistung , für die er erst in späteren Haushaltsjahren zahlen müßte. dd) Soweit in der Literatur "Nutzungsverträge" als kreditähnliche Geschäfte angesehen werden (Thiele aaO § 92 Rdn. 2.3.2.; Wiegand/Grimberg Gemeindeordnung für das Land Sachsen-Anhalt 3. Aufl. § 100 Rdn. 10), handelt es sich nicht um typische Mietverträge, sondern um Sonderfälle, in denen die Kommune gegen Zahlung eines regelmäßigen Nutzungsentgelts ein vom Unternehmer auf einem der Kommune gehörenden Grundstück errichtetes Gebäude nutzen darf. Die Genehmigungsbedürftigkeit solcher Verträge wird darin gesehen, daß der das Gebäude errichtende Unternehmer gemäß § 946 BGB das Eigentum an dem Gebäude verliert, nach § 951 BGB jedoch einen Ausgleich dafür verlangen kann (vgl. Erlaß in kommunalen Angelegenheiten des Ministeriums des Inneren des Landes Brandenburg, Nr. 14/2000 vom 17. November 2000 Ziff. 2.8.). ee) Der Auslegung, auch langfristige Mietverträge nicht als "kreditähnlich" zu behandeln, steht nicht entgegen, daß Leasingverträge und leasingähnliche Verträge allgemein als kreditähnliche Geschäfte im Sinne von § 100 Abs. 5 GO LSA angesehen werden (Gundlach aaO S. 204; Thiele aaO; Wiegand /Grimberg aaO § 100 Rdn. 10). Beim Leasingvertrag handelt es sich um einen atypischen Mietvertrag (st. Rspr. z.B. BGH, Urteil vom 14. Dezember 1989 - IX ZR 283/88 - NJW 1990, 1113 m.w.N.; Palandt/Weidenkaff BGB 63. Aufl. Einführung vor § 535 Rdn. 38). Der Leasinggeber überläßt dem Lea-
singnehmer eine Sache oder Sachgesamtheit gegen ein in Raten gezahltes Entgelt zum Gebrauch, wobei die Gefahr und Haftung für Instandhaltung, Sachmängel, Untergang und Beschädigung der Sache allein den Leasingnehmer trifft (BGH, Urteil vom 11. März 1998 - VIII ZR 205/97 - NJW 1998, 1637 m.w.N.). Der Leasinggeber überläßt dafür seine Ansprüche gegen Dritte (insbesondere gegen den Lieferanten) dem Leasingnehmer. Häufig enthält der Vertrag eine Kaufoption des Leasingnehmers oder ein Andienungsrecht des Leasinggebers , durch dessen Ausübung ein Kaufvertrag zustande kommt (BGH, Urteil vom 29. November 1995 - VIII ZR 32/95 - NJW 1996, 923; Palandt /Weidenkaff aaO). Die Stellung des Leasingnehmers unterscheidet sich damit wesentlich von der des (langfristigen) Mieters. Während der Mieter das Objekt ausschließlich zur Nutzung über einen bestimmten Zeitraum erhält, erlangt der Leasingnehmer von Anfang an eine mehr dem Eigentümer als dem Mieter vergleichbare Rechtsstellung (Büschgen, Praxishandbuch Leasing § 1 Rdn. 4).
3. Der Senat kann in der Sache selbst entscheiden. Da der Mietvertrag wirksam ist, hat die Beklagte die vereinbarte Miete nebst Zinsen zu bezahlen. Insoweit ist das Urteil des Landgerichts im Ergebnis nicht zu beanstanden.
Hahne Weber-Monecke Fuchs
Ahlt Dose

(1) Jede Vertragspartei kann das Mietverhältnis aus wichtigem Grund außerordentlich fristlos kündigen. Ein wichtiger Grund liegt vor, wenn dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere eines Verschuldens der Vertragsparteien, und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Mietverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zur sonstigen Beendigung des Mietverhältnisses nicht zugemutet werden kann.

(2) Ein wichtiger Grund liegt insbesondere vor, wenn

1.
dem Mieter der vertragsgemäße Gebrauch der Mietsache ganz oder zum Teil nicht rechtzeitig gewährt oder wieder entzogen wird,
2.
der Mieter die Rechte des Vermieters dadurch in erheblichem Maße verletzt, dass er die Mietsache durch Vernachlässigung der ihm obliegenden Sorgfalt erheblich gefährdet oder sie unbefugt einem Dritten überlässt oder
3.
der Mieter
a)
für zwei aufeinander folgende Termine mit der Entrichtung der Miete oder eines nicht unerheblichen Teils der Miete in Verzug ist oder
b)
in einem Zeitraum, der sich über mehr als zwei Termine erstreckt, mit der Entrichtung der Miete in Höhe eines Betrages in Verzug ist, der die Miete für zwei Monate erreicht.
Im Falle des Satzes 1 Nr. 3 ist die Kündigung ausgeschlossen, wenn der Vermieter vorher befriedigt wird. Sie wird unwirksam, wenn sich der Mieter von seiner Schuld durch Aufrechnung befreien konnte und unverzüglich nach der Kündigung die Aufrechnung erklärt.

(3) Besteht der wichtige Grund in der Verletzung einer Pflicht aus dem Mietvertrag, so ist die Kündigung erst nach erfolglosem Ablauf einer zur Abhilfe bestimmten angemessenen Frist oder nach erfolgloser Abmahnung zulässig. Dies gilt nicht, wenn

1.
eine Frist oder Abmahnung offensichtlich keinen Erfolg verspricht,
2.
die sofortige Kündigung aus besonderen Gründen unter Abwägung der beiderseitigen Interessen gerechtfertigt ist oder
3.
der Mieter mit der Entrichtung der Miete im Sinne des Absatzes 2 Nr. 3 in Verzug ist.

(4) Auf das dem Mieter nach Absatz 2 Nr. 1 zustehende Kündigungsrecht sind die §§ 536b und 536d entsprechend anzuwenden. Ist streitig, ob der Vermieter den Gebrauch der Mietsache rechtzeitig gewährt oder die Abhilfe vor Ablauf der hierzu bestimmten Frist bewirkt hat, so trifft ihn die Beweislast.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
XII ZR 188/08 Verkündet am:
15. September 2010
Küpferle,
Justizamtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Bei einem gewerblichen Mietverhältnis kann für den Mieter ein Recht zur fristlosen
Kündigung gemäß § 543 Abs. 1 BGB bestehen, wenn der Vermieter gegenüber
Dritten ohne berechtigtes Interesse Behauptungen aufstellt, die geeignet sind, den
Gewerbebetrieb des Mieters nachhaltig zu beeinträchtigen, und deshalb die das
Schuldverhältnis tragende Vertrauensgrundlage derart zerstört ist, dass dem Mieter
unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Mietverhältnisses
bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zur sonstigen Beendigung
des Mietverhältnisses auch bei Anlegung eines strengen Maßstabes nicht mehr
zugemutet werden kann.
BGH, Urteil vom 15. September 2010 - XII ZR 188/08 - OLG München
LG München II
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 15. September 2010 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Hahne und die
Richter Dose, Dr. Klinkhammer, Schilling und Dr. Günter

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 8. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 30. Oktober 2008 aufgehoben. Der Rechtsstreit wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung , auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Oberlandesgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Mit Vertrag vom 30. Oktober 2006 mietete die Klägerin von der Beklagten Gewerberäume zum Betrieb eines "Wellness- und Seminarhauses" auf die Dauer von zwei Jahren.
2
Mit Schreiben vom 4. April 2007 kündigte die Klägerin den Mietvertrag außerordentlich zum 30. April 2007 mit der Begründung, die Beklagte habe seit Beginn des Mietverhältnisses durch verschiedene Handlungen, vor allem durch herabsetzende Äußerungen, versucht, die Ausübung ihres Gewerbebetriebes zu stören.
3
Mit ihrer Klage beansprucht die Klägerin den Ersatz von kündigungsbedingten Kosten und Aufwendungen sowie die Freigabe der Kaution. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin hatte keinen Erfolg.
4
Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihre bisherigen Anträge weiter.

Entscheidungsgründe:

5
Die vom Senat zugelassene Revision der Klägerin führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Oberlandesgericht.

I.

6
Das Oberlandesgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt , ein Grund zur außerordentlichen Kündigung sei nicht gegeben. Die von der Klägerin behaupteten Verstöße der Beklagten seien weder für sich genommen noch in einer Gesamtschau geeignet, bei Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Mietverhältnisses bis zum vereinbarten Ende für die Klägerin als unzumutbar erscheinen zu lassen. Im Übrigen fehle es für eine wirksame außerordentliche Kündigung bezüglich einzelner Verstöße an der gemäß § 543 Abs. 3 Satz 1 BGB erforderlichen Abmahnung. Eine solche sei auch nicht gemäß § 543 Abs. 3 Satz 2 BGB entbehrlich gewesen.

II.

7
Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Überprüfung nicht stand.
8
1. Nach § 543 Abs. 1 Satz 1 BGB kann jede Partei das Mietverhältnis aus wichtigem Grund außerordentlich fristlos kündigen. Ein wichtiger Grund liegt vor, wenn dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere eines Verschuldens der Vertragsparteien, und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Mietverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zur sonstigen Beendigung des Mietverhältnisses nicht zugemutet werden kann (§ 543 Abs. 1 Satz 2 BGB).
9
Die Beantwortung der Frage, ob eine Unzumutbarkeit in diesem Sinne vorliegt, ist das Ergebnis einer wertenden Betrachtung; diese obliegt in erster Linie dem Tatrichter und kann vom Revisionsgericht nur daraufhin überprüft werden, ob der Tatrichter die maßgebenden Tatsachen vollständig und fehlerfrei festgestellt und gewürdigt hat oder ob er die allgemein anerkannten Maßstäbe berücksichtigt und richtig angewandt hat. Das Revisionsgericht kann regelmäßig nur überprüfen, ob das Berufungsgericht Rechtsbegriffe verkannt hat oder ob dem Tatrichter von der Revision gerügte Verfahrensverstöße unterlaufen sind, er etwa wesentliche Tatumstände übersehen oder nicht vollständig gewürdigt oder Erfahrungssätze verletzt hat (Senatsurteil vom 21. März 2007 - XII ZR 36/05 - NJW-RR 2007, 886 Rn. 16).
10
2. Der Prüfung anhand dieses Maßstabs hält das Berufungsurteil nicht stand. Das Oberlandesgericht hat zu hohe Anforderungen an das Vorliegen eines wichtigen Grundes gestellt und damit den Maßstab für die Unzumutbarkeit der Vertragsfortsetzung überspannt.
11
a) Für eine Mietvertragspartei kann ein Recht zur fristlosen Kündigung gemäß § 543 Abs. 1 BGB bestehen, wenn infolge des Verhaltens des anderen Vertragsteils die Durchführung des Vertrages wegen der Zerstörung der das Schuldverhältnis tragenden Vertrauensgrundlage derart gefährdet ist, dass dem Kündigenden unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Mietverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zur sonstigen Beendigung des Mietverhältnisses auch bei Anlegung eines strengen Maßstabes nicht mehr zugemutet werden kann (Senatsurteile vom 23. Januar 2002 - XII ZR 5/00 - NJW-RR 2002, 946 und vom 10. April 2002 - XII ZR 37/00 - NJW-RR 2002, 947, 948; Wolf/Eckert/Ball Handbuch des gewerblichen Miet-, Pacht- und Leasingsrechts 10. Aufl. Rn. 1030; Blank in Schmidt-Futterer Mietrecht 9. Aufl. § 543 BGB Rn. 163). Über die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung nach § 543 Abs. 1 BGB ist auf Grund einer umfassenden Interessenabwägung zu entscheiden (Blank in Blank/Börstinghaus, Miete 3. Aufl. § 543 BGB Rn. 6; Grapentin in Bub/Treier Handbuch der Geschäftsund Wohnraummiete 3. Aufl. IV Rn. 190 mwN). Hierfür sind die Interessen des Kündigenden an der Vertragsbeendigung und die Interessen der anderen Vertragspartei an der Fortdauer des Mietverhältnisses zu ermitteln und zu bewerten (Blank in Schmidt-Futterer aaO § 543 BGB Rn. 159; Emmerich in Emmerich /Sonnenschein Miete 9. Aufl. § 543 BGB Rn. 4). Frühere Vertragsverletzungen des Kündigungsgegners können berücksichtigt werden, selbst wenn diese für sich genommen eine Kündigung nicht rechtfertigen würden (Grapentin in Bub/Treier aaO IV Rn. 190 mwN; Müller in Müller/Walther Miet- und Pachtrecht (Stand 2010) C § 543 BGB Rn. 5).
12
b) Die von der Klägerin vorgetragenen und unter Beweis gestellten Vorfälle lassen auf eine nachhaltige Zerrüttung des Vertrauensverhältnisses zwischen den Parteien schließen und sind daher zumindest in ihrer Gesamtheit geeignet, eine außerordentliche Kündigung gemäß § 543 Abs. 1 BGB zu begründen.
13
Nach dem Vortrag der Klägerin hat die Gesellschafterin der Beklagten die Klägerin nicht nur gegenüber Dritten beleidigt, sondern auch versucht, durch missfällige Äußerungen und Verdächtigungen den Geschäftsbetrieb der Klägerin zu diffamieren. Die von der Klägerin bereits erstinstanzlich vorgetragenen und in der Berufung wiederholten Behauptungen zu Äußerungen der Gesellschafterin der Beklagten, wonach die Klägerin in den Geschäftsräumen „ein schlüpfriges Geschäft mit Sexspielchen“ oder "ein verdecktes Puff" betreibe, sind ebenso wie die behauptete Äußerung, die Klägerin betreibe eine Sekte, geeignet, den Geschäftsbetrieb der Klägerin massiv zu beeinträchtigen. Sollte sich dieser Sachvortrag der Klägerin in einer Beweisaufnahme bestätigen, hätte die Beklagte, die sich das Verhalten ihrer Gesellschafterin zurechnen lassen müsste (§ 31 BGB), ihre mietvertraglichen Pflichten in erheblichem Umfang verletzt. Denn im Rahmen der allgemeinen vertraglichen Treuepflicht (§ 242 BGB) sind Vertragsparteien verpflichtet, alles zu unterlassen, was das Interesse des Vertragspartners an der Durchführung des Vertrages beeinträchtigen könnte, und alles zu tun, was notwendig ist, um die Erfüllung der vertraglich übernommenen Verpflichtung sicherzustellen (Senatsurteil vom 28. April 1982 - IVa ZR 8/81 - NJW 1983, 998, 999 mwN). Diese vertragliche Nebenpflicht wird verletzt, wenn eine Vertragspartei ohne anerkennenswertes Interesse Behauptungen in der Öffentlichkeit verbreitet, die geeignet sind, das Ansehen des Vertragspartners erheblich zu beeinträchtigen (vgl. Blank in Schmidt-Futterer aaO § 543 BGB Rn. 182).
14
Sollten sich daher die Behauptungen der Klägerin in einer Beweisaufnahme bestätigen, hätte ein ausreichender Grund zur außerordentlichen Kündigung des Mietverhältnisses vorgelegen.
15
c) Soweit das Oberlandesgericht den entsprechenden Vortrag der Klägerin für nicht hinreichend schlüssig gehalten und daher von der Erhebung der angebotenen Beweise abgesehen hat, rügt die Klägerin zu Recht eine Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG).
16
aa) Ein Sachvortrag ist dann schlüssig, wenn Tatsachen vorgetragen werden, die in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet und erforderlich sind, das geltend gemachte Recht als entstanden erscheinen zu lassen. Die Angabe näherer Einzelheiten, die den Zeitpunkt und den Vorgang bestimmter Ereignisse betreffen, ist nicht erforderlich, soweit diese Einzelheiten für die Rechtsfolgen nicht von Bedeutung sind. Die Ablehnung eines für eine beweiserhebliche Tatsache angetretenen Zeugenbeweises ist darüber hinaus nur dann zulässig, wenn die unter Beweis gestellten Tatsachen so ungenau bezeichnet sind, dass ihre Erheblichkeit nicht beurteilt werden kann, oder wenn sie zwar in das Gewand einer bestimmt aufgestellten Behauptung gekleidet, aber aufs Geratewohl gemacht, gleichsam "ins Blaue hinein" aufgestellt, mit anderen Worten, aus der Luft gegriffen sind und sich deshalb als Rechtsmissbrauch darstellen (Senatsbeschluss vom 1. Juni 2005 - XII ZR 275/02 - NJW 2005, 2710, 2711).
17
bb) Gegen diese Grundsätze hat das Oberlandesgericht in mehreren Punkten verstoßen.
18
(1) Bereits in der Klageschrift hat die Klägerin ausreichend schlüssig vorgetragen, dass sich die Gesellschafterin der Beklagten im Dezember 2006 gegenüber einer Verkäuferin eines benachbarten Geschäfts dahingehend geäußert habe, dass sie die Klägerin bis Sommer 2007 "aus dem Laden heraus habe" und die Klägerin ein "schlüpfriges Geschäft mit Sexspielchen" betreibe. Zum Beweis dieser Behauptung hat die Klägerin die Verkäuferin namentlich und mit ladungsfähiger Anschrift als Zeugin benannt.
19
(2) In einem weiteren erstinstanzlichen Schriftsatz hat die Klägerin ergänzenden Sachvortrag dazu gehalten, dass die Geschäftsführerin der Beklagten in der Öffentlichkeit verbreite, die Klägerin würde in ihren Geschäftsräumen einer Sektentätigkeit nachgehen bzw. ein "verdecktes Puff" betreiben. Zum Beweis hierfür hat sie Zeugen angeboten, die eigene Wahrnehmungen zu den von ihr behaupteten Äußerungen der Geschäftsführerin der Beklagten gemacht haben sollen.
20
cc) Damit hat die Klägerin ihrer Darlegungslast genügt, so dass bereits das Landgericht die angebotenen Beweise hätte erheben müssen. Da die erstinstanzlich getroffenen Feststellungen somit unvollständig waren, hätte das Oberlandesgericht die notwendigen Tatsachenfeststellungen nachholen müssen (§ 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO). Außerdem hätte das Oberlandesgericht bei seiner Entscheidung auch nicht unberücksichtigt lassen dürfen, dass die Beklagte noch nach Schluss der mündlichen Verhandlung in erster Instanz in einem vom Landgericht nachgelassenen Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten vortragen ließ, die Klägerin betreibe "in rotem Lackleder rauchend vor ihrem Laden Werbung für ihr Haus", ohne diese Behauptung näher zu konkretisieren oder unter Beweis zu stellen. Auch diese Äußerung, die sachlich in dem Schriftsatz nicht notwendig gewesen wäre und daher von dem Prozessbevollmächtigten der Beklagten nur nebenbei erwähnt wurde, lässt Rückschlüsse auf das zerstörte Vertrauensverhältnis zwischen den Mietvertragsparteien zu.
21
3. Schließlich ist entgegen der Auffassung des Oberlandesgerichts die von der Klägerin erklärte außerordentliche Kündigung auch nicht bereits deshalb unwirksam, weil es an einer vorherigen Abmahnung fehlt. Kommt - wie im vorliegenden Fall - eine außerordentliche Kündigung wegen der Zerstörung der das Schuldverhältnis tragenden Vertrauensgrundlage in Betracht, bedarf die Kündigung keiner vorherigen Abmahnung. Zwar ist diese nach § 543 Abs. 3 http://www.juris.de/jportal/portal/t/1nvk/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=4&numberofresults=64&fromdoctodoc=yes&doc.id=BJNR005330950BJNE066202301&doc.part=S&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/1nvk/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=4&numberofresults=64&fromdoctodoc=yes&doc.id=BJNR005330950BJNE066202301&doc.part=S&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/1nvk/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=4&numberofresults=64&fromdoctodoc=yes&doc.id=BJNR005330950BJNE066302301&doc.part=S&doc.price=0.0#focuspoint - 9 - Satz 1 BGB grundsätzlich Voraussetzung, falls das Mietverhältnis wegen der Verletzung einer Pflicht aus dem Mietvertrag außerordentlich gekündigt werden soll. Bei einer Zerrüttungskündigung ist eine Abmahnung jedoch ausnahmsweise entbehrlich, weil die Vertrauensgrundlage auch durch eine Abmahnung nicht wiederhergestellt werden könnte (OLG Celle ZMR 2009, 192, 196; OLG Bremen GuT 2008, 37, 38; Wolf/Eckert/Ball aaO Rn. 1030; Schmidt-Futterer aaO § 543 BGB Rn. 164; Grapentin in Bub/Treier aaO IV Rn. 190 mwN).

III.

22
Das angefochtene Urteil kann daher mit der gegebenen Begründung keinen Bestand haben. Auf die Revision der Klägerin ist es aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO) und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Oberlandesgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Der Senat kann nicht abschließend entscheiden, weil es weiterer tatsächlicher Feststellungen bedarf und das Oberlandesgericht den unter Beweis gestellten Behauptungen der Klägerin wird nachgehen müssen. Sollten sich bei der durchzuführenden Beweisaufnahme die Behauptungen der Klägerin als wahr erweisen, wird das Oberlandesgericht im Rahmen der nach § 543 Abs. 1 Satz 2 BGB vorzunehmenden Abwägung auch zu berücksichtigen haben, dass die Beklagte bereits kurz nach Beginn des Mietverhältnisses der Klägerin wiederholt mit einer außerordentlichen Kündigung gedroht und damit zum Ausdruck gebracht hat, selbst kein Interesse daran zu haben, dass das Mietverhältnis bis zum Ablauf der vereinbarten Frist fortdauert. Dafür spricht auch die von der Klägerin behauptete und unter Beweis gestellte Äußerung der Gesellschafterin der Beklagten , sie werde die Klägerin "bis Sommer 2007 aus dem Laden heraus haben". Hahne Dose Klinkhammer Schilling Günter
Vorinstanzen:
LG München II, Entscheidung vom 26.02.2008 - 1 O 5657/07 -
OLG München, Entscheidung vom 30.10.2008 - 8 U 2621/08 -

(1) Durch eine nach § 929 erfolgte Veräußerung wird der Erwerber auch dann Eigentümer, wenn die Sache nicht dem Veräußerer gehört, es sei denn, dass er zu der Zeit, zu der er nach diesen Vorschriften das Eigentum erwerben würde, nicht in gutem Glauben ist. In dem Falle des § 929 Satz 2 gilt dies jedoch nur dann, wenn der Erwerber den Besitz von dem Veräußerer erlangt hatte.

(2) Der Erwerber ist nicht in gutem Glauben, wenn ihm bekannt oder infolge grober Fahrlässigkeit unbekannt ist, dass die Sache nicht dem Veräußerer gehört.

(1) Jede Vertragspartei kann das Mietverhältnis aus wichtigem Grund außerordentlich fristlos kündigen. Ein wichtiger Grund liegt vor, wenn dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere eines Verschuldens der Vertragsparteien, und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Mietverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zur sonstigen Beendigung des Mietverhältnisses nicht zugemutet werden kann.

(2) Ein wichtiger Grund liegt insbesondere vor, wenn

1.
dem Mieter der vertragsgemäße Gebrauch der Mietsache ganz oder zum Teil nicht rechtzeitig gewährt oder wieder entzogen wird,
2.
der Mieter die Rechte des Vermieters dadurch in erheblichem Maße verletzt, dass er die Mietsache durch Vernachlässigung der ihm obliegenden Sorgfalt erheblich gefährdet oder sie unbefugt einem Dritten überlässt oder
3.
der Mieter
a)
für zwei aufeinander folgende Termine mit der Entrichtung der Miete oder eines nicht unerheblichen Teils der Miete in Verzug ist oder
b)
in einem Zeitraum, der sich über mehr als zwei Termine erstreckt, mit der Entrichtung der Miete in Höhe eines Betrages in Verzug ist, der die Miete für zwei Monate erreicht.
Im Falle des Satzes 1 Nr. 3 ist die Kündigung ausgeschlossen, wenn der Vermieter vorher befriedigt wird. Sie wird unwirksam, wenn sich der Mieter von seiner Schuld durch Aufrechnung befreien konnte und unverzüglich nach der Kündigung die Aufrechnung erklärt.

(3) Besteht der wichtige Grund in der Verletzung einer Pflicht aus dem Mietvertrag, so ist die Kündigung erst nach erfolglosem Ablauf einer zur Abhilfe bestimmten angemessenen Frist oder nach erfolgloser Abmahnung zulässig. Dies gilt nicht, wenn

1.
eine Frist oder Abmahnung offensichtlich keinen Erfolg verspricht,
2.
die sofortige Kündigung aus besonderen Gründen unter Abwägung der beiderseitigen Interessen gerechtfertigt ist oder
3.
der Mieter mit der Entrichtung der Miete im Sinne des Absatzes 2 Nr. 3 in Verzug ist.

(4) Auf das dem Mieter nach Absatz 2 Nr. 1 zustehende Kündigungsrecht sind die §§ 536b und 536d entsprechend anzuwenden. Ist streitig, ob der Vermieter den Gebrauch der Mietsache rechtzeitig gewährt oder die Abhilfe vor Ablauf der hierzu bestimmten Frist bewirkt hat, so trifft ihn die Beweislast.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
XII ZR 188/08 Verkündet am:
15. September 2010
Küpferle,
Justizamtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Bei einem gewerblichen Mietverhältnis kann für den Mieter ein Recht zur fristlosen
Kündigung gemäß § 543 Abs. 1 BGB bestehen, wenn der Vermieter gegenüber
Dritten ohne berechtigtes Interesse Behauptungen aufstellt, die geeignet sind, den
Gewerbebetrieb des Mieters nachhaltig zu beeinträchtigen, und deshalb die das
Schuldverhältnis tragende Vertrauensgrundlage derart zerstört ist, dass dem Mieter
unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Mietverhältnisses
bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zur sonstigen Beendigung
des Mietverhältnisses auch bei Anlegung eines strengen Maßstabes nicht mehr
zugemutet werden kann.
BGH, Urteil vom 15. September 2010 - XII ZR 188/08 - OLG München
LG München II
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 15. September 2010 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Hahne und die
Richter Dose, Dr. Klinkhammer, Schilling und Dr. Günter

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 8. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 30. Oktober 2008 aufgehoben. Der Rechtsstreit wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung , auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Oberlandesgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Mit Vertrag vom 30. Oktober 2006 mietete die Klägerin von der Beklagten Gewerberäume zum Betrieb eines "Wellness- und Seminarhauses" auf die Dauer von zwei Jahren.
2
Mit Schreiben vom 4. April 2007 kündigte die Klägerin den Mietvertrag außerordentlich zum 30. April 2007 mit der Begründung, die Beklagte habe seit Beginn des Mietverhältnisses durch verschiedene Handlungen, vor allem durch herabsetzende Äußerungen, versucht, die Ausübung ihres Gewerbebetriebes zu stören.
3
Mit ihrer Klage beansprucht die Klägerin den Ersatz von kündigungsbedingten Kosten und Aufwendungen sowie die Freigabe der Kaution. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin hatte keinen Erfolg.
4
Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihre bisherigen Anträge weiter.

Entscheidungsgründe:

5
Die vom Senat zugelassene Revision der Klägerin führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Oberlandesgericht.

I.

6
Das Oberlandesgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt , ein Grund zur außerordentlichen Kündigung sei nicht gegeben. Die von der Klägerin behaupteten Verstöße der Beklagten seien weder für sich genommen noch in einer Gesamtschau geeignet, bei Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Mietverhältnisses bis zum vereinbarten Ende für die Klägerin als unzumutbar erscheinen zu lassen. Im Übrigen fehle es für eine wirksame außerordentliche Kündigung bezüglich einzelner Verstöße an der gemäß § 543 Abs. 3 Satz 1 BGB erforderlichen Abmahnung. Eine solche sei auch nicht gemäß § 543 Abs. 3 Satz 2 BGB entbehrlich gewesen.

II.

7
Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Überprüfung nicht stand.
8
1. Nach § 543 Abs. 1 Satz 1 BGB kann jede Partei das Mietverhältnis aus wichtigem Grund außerordentlich fristlos kündigen. Ein wichtiger Grund liegt vor, wenn dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere eines Verschuldens der Vertragsparteien, und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Mietverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zur sonstigen Beendigung des Mietverhältnisses nicht zugemutet werden kann (§ 543 Abs. 1 Satz 2 BGB).
9
Die Beantwortung der Frage, ob eine Unzumutbarkeit in diesem Sinne vorliegt, ist das Ergebnis einer wertenden Betrachtung; diese obliegt in erster Linie dem Tatrichter und kann vom Revisionsgericht nur daraufhin überprüft werden, ob der Tatrichter die maßgebenden Tatsachen vollständig und fehlerfrei festgestellt und gewürdigt hat oder ob er die allgemein anerkannten Maßstäbe berücksichtigt und richtig angewandt hat. Das Revisionsgericht kann regelmäßig nur überprüfen, ob das Berufungsgericht Rechtsbegriffe verkannt hat oder ob dem Tatrichter von der Revision gerügte Verfahrensverstöße unterlaufen sind, er etwa wesentliche Tatumstände übersehen oder nicht vollständig gewürdigt oder Erfahrungssätze verletzt hat (Senatsurteil vom 21. März 2007 - XII ZR 36/05 - NJW-RR 2007, 886 Rn. 16).
10
2. Der Prüfung anhand dieses Maßstabs hält das Berufungsurteil nicht stand. Das Oberlandesgericht hat zu hohe Anforderungen an das Vorliegen eines wichtigen Grundes gestellt und damit den Maßstab für die Unzumutbarkeit der Vertragsfortsetzung überspannt.
11
a) Für eine Mietvertragspartei kann ein Recht zur fristlosen Kündigung gemäß § 543 Abs. 1 BGB bestehen, wenn infolge des Verhaltens des anderen Vertragsteils die Durchführung des Vertrages wegen der Zerstörung der das Schuldverhältnis tragenden Vertrauensgrundlage derart gefährdet ist, dass dem Kündigenden unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Mietverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zur sonstigen Beendigung des Mietverhältnisses auch bei Anlegung eines strengen Maßstabes nicht mehr zugemutet werden kann (Senatsurteile vom 23. Januar 2002 - XII ZR 5/00 - NJW-RR 2002, 946 und vom 10. April 2002 - XII ZR 37/00 - NJW-RR 2002, 947, 948; Wolf/Eckert/Ball Handbuch des gewerblichen Miet-, Pacht- und Leasingsrechts 10. Aufl. Rn. 1030; Blank in Schmidt-Futterer Mietrecht 9. Aufl. § 543 BGB Rn. 163). Über die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung nach § 543 Abs. 1 BGB ist auf Grund einer umfassenden Interessenabwägung zu entscheiden (Blank in Blank/Börstinghaus, Miete 3. Aufl. § 543 BGB Rn. 6; Grapentin in Bub/Treier Handbuch der Geschäftsund Wohnraummiete 3. Aufl. IV Rn. 190 mwN). Hierfür sind die Interessen des Kündigenden an der Vertragsbeendigung und die Interessen der anderen Vertragspartei an der Fortdauer des Mietverhältnisses zu ermitteln und zu bewerten (Blank in Schmidt-Futterer aaO § 543 BGB Rn. 159; Emmerich in Emmerich /Sonnenschein Miete 9. Aufl. § 543 BGB Rn. 4). Frühere Vertragsverletzungen des Kündigungsgegners können berücksichtigt werden, selbst wenn diese für sich genommen eine Kündigung nicht rechtfertigen würden (Grapentin in Bub/Treier aaO IV Rn. 190 mwN; Müller in Müller/Walther Miet- und Pachtrecht (Stand 2010) C § 543 BGB Rn. 5).
12
b) Die von der Klägerin vorgetragenen und unter Beweis gestellten Vorfälle lassen auf eine nachhaltige Zerrüttung des Vertrauensverhältnisses zwischen den Parteien schließen und sind daher zumindest in ihrer Gesamtheit geeignet, eine außerordentliche Kündigung gemäß § 543 Abs. 1 BGB zu begründen.
13
Nach dem Vortrag der Klägerin hat die Gesellschafterin der Beklagten die Klägerin nicht nur gegenüber Dritten beleidigt, sondern auch versucht, durch missfällige Äußerungen und Verdächtigungen den Geschäftsbetrieb der Klägerin zu diffamieren. Die von der Klägerin bereits erstinstanzlich vorgetragenen und in der Berufung wiederholten Behauptungen zu Äußerungen der Gesellschafterin der Beklagten, wonach die Klägerin in den Geschäftsräumen „ein schlüpfriges Geschäft mit Sexspielchen“ oder "ein verdecktes Puff" betreibe, sind ebenso wie die behauptete Äußerung, die Klägerin betreibe eine Sekte, geeignet, den Geschäftsbetrieb der Klägerin massiv zu beeinträchtigen. Sollte sich dieser Sachvortrag der Klägerin in einer Beweisaufnahme bestätigen, hätte die Beklagte, die sich das Verhalten ihrer Gesellschafterin zurechnen lassen müsste (§ 31 BGB), ihre mietvertraglichen Pflichten in erheblichem Umfang verletzt. Denn im Rahmen der allgemeinen vertraglichen Treuepflicht (§ 242 BGB) sind Vertragsparteien verpflichtet, alles zu unterlassen, was das Interesse des Vertragspartners an der Durchführung des Vertrages beeinträchtigen könnte, und alles zu tun, was notwendig ist, um die Erfüllung der vertraglich übernommenen Verpflichtung sicherzustellen (Senatsurteil vom 28. April 1982 - IVa ZR 8/81 - NJW 1983, 998, 999 mwN). Diese vertragliche Nebenpflicht wird verletzt, wenn eine Vertragspartei ohne anerkennenswertes Interesse Behauptungen in der Öffentlichkeit verbreitet, die geeignet sind, das Ansehen des Vertragspartners erheblich zu beeinträchtigen (vgl. Blank in Schmidt-Futterer aaO § 543 BGB Rn. 182).
14
Sollten sich daher die Behauptungen der Klägerin in einer Beweisaufnahme bestätigen, hätte ein ausreichender Grund zur außerordentlichen Kündigung des Mietverhältnisses vorgelegen.
15
c) Soweit das Oberlandesgericht den entsprechenden Vortrag der Klägerin für nicht hinreichend schlüssig gehalten und daher von der Erhebung der angebotenen Beweise abgesehen hat, rügt die Klägerin zu Recht eine Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG).
16
aa) Ein Sachvortrag ist dann schlüssig, wenn Tatsachen vorgetragen werden, die in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet und erforderlich sind, das geltend gemachte Recht als entstanden erscheinen zu lassen. Die Angabe näherer Einzelheiten, die den Zeitpunkt und den Vorgang bestimmter Ereignisse betreffen, ist nicht erforderlich, soweit diese Einzelheiten für die Rechtsfolgen nicht von Bedeutung sind. Die Ablehnung eines für eine beweiserhebliche Tatsache angetretenen Zeugenbeweises ist darüber hinaus nur dann zulässig, wenn die unter Beweis gestellten Tatsachen so ungenau bezeichnet sind, dass ihre Erheblichkeit nicht beurteilt werden kann, oder wenn sie zwar in das Gewand einer bestimmt aufgestellten Behauptung gekleidet, aber aufs Geratewohl gemacht, gleichsam "ins Blaue hinein" aufgestellt, mit anderen Worten, aus der Luft gegriffen sind und sich deshalb als Rechtsmissbrauch darstellen (Senatsbeschluss vom 1. Juni 2005 - XII ZR 275/02 - NJW 2005, 2710, 2711).
17
bb) Gegen diese Grundsätze hat das Oberlandesgericht in mehreren Punkten verstoßen.
18
(1) Bereits in der Klageschrift hat die Klägerin ausreichend schlüssig vorgetragen, dass sich die Gesellschafterin der Beklagten im Dezember 2006 gegenüber einer Verkäuferin eines benachbarten Geschäfts dahingehend geäußert habe, dass sie die Klägerin bis Sommer 2007 "aus dem Laden heraus habe" und die Klägerin ein "schlüpfriges Geschäft mit Sexspielchen" betreibe. Zum Beweis dieser Behauptung hat die Klägerin die Verkäuferin namentlich und mit ladungsfähiger Anschrift als Zeugin benannt.
19
(2) In einem weiteren erstinstanzlichen Schriftsatz hat die Klägerin ergänzenden Sachvortrag dazu gehalten, dass die Geschäftsführerin der Beklagten in der Öffentlichkeit verbreite, die Klägerin würde in ihren Geschäftsräumen einer Sektentätigkeit nachgehen bzw. ein "verdecktes Puff" betreiben. Zum Beweis hierfür hat sie Zeugen angeboten, die eigene Wahrnehmungen zu den von ihr behaupteten Äußerungen der Geschäftsführerin der Beklagten gemacht haben sollen.
20
cc) Damit hat die Klägerin ihrer Darlegungslast genügt, so dass bereits das Landgericht die angebotenen Beweise hätte erheben müssen. Da die erstinstanzlich getroffenen Feststellungen somit unvollständig waren, hätte das Oberlandesgericht die notwendigen Tatsachenfeststellungen nachholen müssen (§ 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO). Außerdem hätte das Oberlandesgericht bei seiner Entscheidung auch nicht unberücksichtigt lassen dürfen, dass die Beklagte noch nach Schluss der mündlichen Verhandlung in erster Instanz in einem vom Landgericht nachgelassenen Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten vortragen ließ, die Klägerin betreibe "in rotem Lackleder rauchend vor ihrem Laden Werbung für ihr Haus", ohne diese Behauptung näher zu konkretisieren oder unter Beweis zu stellen. Auch diese Äußerung, die sachlich in dem Schriftsatz nicht notwendig gewesen wäre und daher von dem Prozessbevollmächtigten der Beklagten nur nebenbei erwähnt wurde, lässt Rückschlüsse auf das zerstörte Vertrauensverhältnis zwischen den Mietvertragsparteien zu.
21
3. Schließlich ist entgegen der Auffassung des Oberlandesgerichts die von der Klägerin erklärte außerordentliche Kündigung auch nicht bereits deshalb unwirksam, weil es an einer vorherigen Abmahnung fehlt. Kommt - wie im vorliegenden Fall - eine außerordentliche Kündigung wegen der Zerstörung der das Schuldverhältnis tragenden Vertrauensgrundlage in Betracht, bedarf die Kündigung keiner vorherigen Abmahnung. Zwar ist diese nach § 543 Abs. 3 http://www.juris.de/jportal/portal/t/1nvk/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=4&numberofresults=64&fromdoctodoc=yes&doc.id=BJNR005330950BJNE066202301&doc.part=S&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/1nvk/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=4&numberofresults=64&fromdoctodoc=yes&doc.id=BJNR005330950BJNE066202301&doc.part=S&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/1nvk/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=4&numberofresults=64&fromdoctodoc=yes&doc.id=BJNR005330950BJNE066302301&doc.part=S&doc.price=0.0#focuspoint - 9 - Satz 1 BGB grundsätzlich Voraussetzung, falls das Mietverhältnis wegen der Verletzung einer Pflicht aus dem Mietvertrag außerordentlich gekündigt werden soll. Bei einer Zerrüttungskündigung ist eine Abmahnung jedoch ausnahmsweise entbehrlich, weil die Vertrauensgrundlage auch durch eine Abmahnung nicht wiederhergestellt werden könnte (OLG Celle ZMR 2009, 192, 196; OLG Bremen GuT 2008, 37, 38; Wolf/Eckert/Ball aaO Rn. 1030; Schmidt-Futterer aaO § 543 BGB Rn. 164; Grapentin in Bub/Treier aaO IV Rn. 190 mwN).

III.

22
Das angefochtene Urteil kann daher mit der gegebenen Begründung keinen Bestand haben. Auf die Revision der Klägerin ist es aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO) und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Oberlandesgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Der Senat kann nicht abschließend entscheiden, weil es weiterer tatsächlicher Feststellungen bedarf und das Oberlandesgericht den unter Beweis gestellten Behauptungen der Klägerin wird nachgehen müssen. Sollten sich bei der durchzuführenden Beweisaufnahme die Behauptungen der Klägerin als wahr erweisen, wird das Oberlandesgericht im Rahmen der nach § 543 Abs. 1 Satz 2 BGB vorzunehmenden Abwägung auch zu berücksichtigen haben, dass die Beklagte bereits kurz nach Beginn des Mietverhältnisses der Klägerin wiederholt mit einer außerordentlichen Kündigung gedroht und damit zum Ausdruck gebracht hat, selbst kein Interesse daran zu haben, dass das Mietverhältnis bis zum Ablauf der vereinbarten Frist fortdauert. Dafür spricht auch die von der Klägerin behauptete und unter Beweis gestellte Äußerung der Gesellschafterin der Beklagten , sie werde die Klägerin "bis Sommer 2007 aus dem Laden heraus haben". Hahne Dose Klinkhammer Schilling Günter
Vorinstanzen:
LG München II, Entscheidung vom 26.02.2008 - 1 O 5657/07 -
OLG München, Entscheidung vom 30.10.2008 - 8 U 2621/08 -

(1) Dauerschuldverhältnisse kann jeder Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist kündigen. Ein wichtiger Grund liegt vor, wenn dem kündigenden Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses bis zur vereinbarten Beendigung oder bis zum Ablauf einer Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann.

(2) Besteht der wichtige Grund in der Verletzung einer Pflicht aus dem Vertrag, ist die Kündigung erst nach erfolglosem Ablauf einer zur Abhilfe bestimmten Frist oder nach erfolgloser Abmahnung zulässig. Für die Entbehrlichkeit der Bestimmung einer Frist zur Abhilfe und für die Entbehrlichkeit einer Abmahnung findet § 323 Absatz 2 Nummer 1 und 2 entsprechende Anwendung. Die Bestimmung einer Frist zur Abhilfe und eine Abmahnung sind auch entbehrlich, wenn besondere Umstände vorliegen, die unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die sofortige Kündigung rechtfertigen.

(3) Der Berechtigte kann nur innerhalb einer angemessenen Frist kündigen, nachdem er vom Kündigungsgrund Kenntnis erlangt hat.

(4) Die Berechtigung, Schadensersatz zu verlangen, wird durch die Kündigung nicht ausgeschlossen.

(1) Jede Vertragspartei kann das Mietverhältnis aus wichtigem Grund außerordentlich fristlos kündigen. Ein wichtiger Grund liegt vor, wenn dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere eines Verschuldens der Vertragsparteien, und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Mietverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zur sonstigen Beendigung des Mietverhältnisses nicht zugemutet werden kann.

(2) Ein wichtiger Grund liegt insbesondere vor, wenn

1.
dem Mieter der vertragsgemäße Gebrauch der Mietsache ganz oder zum Teil nicht rechtzeitig gewährt oder wieder entzogen wird,
2.
der Mieter die Rechte des Vermieters dadurch in erheblichem Maße verletzt, dass er die Mietsache durch Vernachlässigung der ihm obliegenden Sorgfalt erheblich gefährdet oder sie unbefugt einem Dritten überlässt oder
3.
der Mieter
a)
für zwei aufeinander folgende Termine mit der Entrichtung der Miete oder eines nicht unerheblichen Teils der Miete in Verzug ist oder
b)
in einem Zeitraum, der sich über mehr als zwei Termine erstreckt, mit der Entrichtung der Miete in Höhe eines Betrages in Verzug ist, der die Miete für zwei Monate erreicht.
Im Falle des Satzes 1 Nr. 3 ist die Kündigung ausgeschlossen, wenn der Vermieter vorher befriedigt wird. Sie wird unwirksam, wenn sich der Mieter von seiner Schuld durch Aufrechnung befreien konnte und unverzüglich nach der Kündigung die Aufrechnung erklärt.

(3) Besteht der wichtige Grund in der Verletzung einer Pflicht aus dem Mietvertrag, so ist die Kündigung erst nach erfolglosem Ablauf einer zur Abhilfe bestimmten angemessenen Frist oder nach erfolgloser Abmahnung zulässig. Dies gilt nicht, wenn

1.
eine Frist oder Abmahnung offensichtlich keinen Erfolg verspricht,
2.
die sofortige Kündigung aus besonderen Gründen unter Abwägung der beiderseitigen Interessen gerechtfertigt ist oder
3.
der Mieter mit der Entrichtung der Miete im Sinne des Absatzes 2 Nr. 3 in Verzug ist.

(4) Auf das dem Mieter nach Absatz 2 Nr. 1 zustehende Kündigungsrecht sind die §§ 536b und 536d entsprechend anzuwenden. Ist streitig, ob der Vermieter den Gebrauch der Mietsache rechtzeitig gewährt oder die Abhilfe vor Ablauf der hierzu bestimmten Frist bewirkt hat, so trifft ihn die Beweislast.

(1) Dauerschuldverhältnisse kann jeder Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist kündigen. Ein wichtiger Grund liegt vor, wenn dem kündigenden Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses bis zur vereinbarten Beendigung oder bis zum Ablauf einer Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann.

(2) Besteht der wichtige Grund in der Verletzung einer Pflicht aus dem Vertrag, ist die Kündigung erst nach erfolglosem Ablauf einer zur Abhilfe bestimmten Frist oder nach erfolgloser Abmahnung zulässig. Für die Entbehrlichkeit der Bestimmung einer Frist zur Abhilfe und für die Entbehrlichkeit einer Abmahnung findet § 323 Absatz 2 Nummer 1 und 2 entsprechende Anwendung. Die Bestimmung einer Frist zur Abhilfe und eine Abmahnung sind auch entbehrlich, wenn besondere Umstände vorliegen, die unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die sofortige Kündigung rechtfertigen.

(3) Der Berechtigte kann nur innerhalb einer angemessenen Frist kündigen, nachdem er vom Kündigungsgrund Kenntnis erlangt hat.

(4) Die Berechtigung, Schadensersatz zu verlangen, wird durch die Kündigung nicht ausgeschlossen.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
VERSÄUMNISURTEIL
VIII ZR 296/15
Verkündet am:
13. Juli 2016
Ermel,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
§ 314 Abs. 3 BGB findet auf die fristlose Kündigung eines (Wohnraum-)
Mietverhältnisses nach §§ 543, 569 BGB keine Anwendung.
BGH, Versäumnisurteil vom 13. Juli 2016 - VIII ZR 296/15 - LG Düsseldorf
AG Düsseldorf
ECLI:DE:BGH:2016:130716UVIIIZR296.15.0

Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 13. Juli 2016 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Milger, die Richterinnen Dr. Hessel und Dr. Fetzer sowie die Richter Dr. Bünger und Kosziol
für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil der 5. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf vom 16. Dezember 2015 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als hinsichtlich des Räumungsund Herausgabeantrags zum Nachteil der Klägerin entschieden worden ist. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts Düsseldorf vom 6. Mai 2015 wird insgesamt zurückgewiesen. Die Beklagte hat die Kosten der Rechtsmittelverfahren zu tragen. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Die Beklagte mietete im Jahr 2006 von der Klägerin eine Wohnung in Düsseldorf, deren Miete zuletzt monatlich 619,50 € zuzüglich Vorauszahlung auf die Nebenkosten betrug. Die Beklagte zahlte die Mieten für die Monate Februar und April 2013 nicht. Die Klägerin mahnte die Zahlung dieser Beträge deswegen mit Schreiben vom 14. August 2013 an. Mit Schreiben vom 3. September 2013 teilte die Beklagte mit, sie habe diese Mieten leider nicht überwiesen und entschuldige sich dafür, beglich die Mietrückstände aber in der Folgezeit nicht. Daraufhin erklärte die Klägerin mit Schreiben vom 15. November 2013 die fristlose Kündigung.
2
Das Amtsgericht hat der auf Räumung und Herausgabe sowie auf Zahlung einer Betriebskostennachforderung für das Jahr 2012 in Höhe von 1.577,50 € nebst Zinsen gerichteten Klage - bis auf einen Betrag von 515,21 € nebst Zinsen - stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Berufungsgericht das amtsgerichtliche Urteil unter Zurückweisung der weitergehenden Berufung teilweise abgeändert, indem es die Klage auf Räumung und Herausgabe der Wohnung abgewiesen hat. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision erstrebt die Klägerin die vollständige Wiederherstellung des amtsgerichtlichen Urteils.

Entscheidungsgründe:

3
Die Revision hat Erfolg.
4
Über das Rechtsmittel ist antragsgemäß durch Versäumnisurteil zu entscheiden , da die Beklagte in der mündlichen Revisionsverhandlung trotz ordnungsgemäßer Ladung nicht anwaltlich vertreten war. Inhaltlich beruht das Urteil indessen nicht auf der Säumnis der Beklagten, sondern auf einer Sachprüfung (vgl. BGH, Urteil vom 4. April 1962 - VIII ZR 110/60, BGHZ 37, 79, 81 f.).

I.

5
Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung, soweit für das Revisionsverfahren von Interesse, im Wesentlichen ausgeführt:
6
Die Klage auf Räumung sei unbegründet. Zwar habe sich die Beklagte zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung mit zwei Monatsmieten im Verzug befunden. Dabei könne dahinstehen, ob die Miete wegen der von der Beklagten behaupteten Mängel der Mietsache gemäß § 536 BGB gemindert gewesen sei, weil es jedenfalls am Zugang einer Mängelanzeige gefehlt habe. Die Beklagte sei daher gemäß § 536c Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 BGB mit der Geltendmachung ihrer Rechte ausgeschlossen.
7
Die Kündigungserklärung vom 15. November 2013 sei aber gemäß § 314 Abs. 3 BGB unwirksam, weil sie nicht innerhalb einer angemessenen Frist ab Kenntniserlangung der Klägerin von dem Kündigungsgrund erfolgt sei. Die Vorschrift finde im Wohnraummietverhältnis Anwendung. Das Kündigungsrecht sei ausgeschlossen, wenn seit der Kenntniserlangung des Vermieters von dem Eintritt der Kündigungsvoraussetzungen längere Zeit vergangen sei und der Mieter aufgrund konkreter Umstände davon ausgehen dürfe, dass der Vermieter von seinem Kündigungsrecht keinen Gebrauch machen werde.
8
Für die Anwendung des § 314 Abs. 3 BGB spreche, dass es sich um eine außerordentliche Kündigung eines Dauerschuldverhältnisses aus wichtigem Grund handele. Die Interessenabwägung gehe in den Fällen des § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BGB zu Lasten des Mieters aus, weil der Vermieter erhebliche finanzielle Einbußen durch Mietrückstände erleide. Es sei aber nicht ersichtlich, warum der Vermieter noch weiter geschützt werden solle, indem er das ihm zustehende Kündigungsrecht zeitlich unbegrenzt ausüben könne. Vielmehr sei einem Vermieter, der trotz Kenntnis des Vorliegens der Kündigungsvoraussetzungen nicht innerhalb einer angemessenen Frist von seinem Kündigungsrecht Gebrauch mache, die Fortsetzung des Mietverhältnisses bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist oder aber der sonstigen Beendigung des Mietverhältnisses zuzumuten. In diesen Fällen sei der Mieter schutzwürdiger, der auf- grund konkreter Umstände davon ausgehen dürfe, der Vermieter werde von seinem Kündigungsrecht keinen Gebrauch mehr machen.
9
Die Beklagte habe darauf vertrauen dürfen, dass eine fristlose Kündigung wegen der Mietrückstände aus Februar und April 2013 mehr als sieben Monate später im November 2013 nicht mehr erfolgen werde. Es seien bis zum Zeitpunkt der Kündigung keine weiteren Umstände hinzugetreten, die das Zuwarten der Klägerin und die im Anschluss erfolgte Kündigung nachvollziehbar machten, wie etwa die Entstehung weiterer Mietrückstände. Der Umstand, dass die Klägerin die Beklagte zuvor gemahnt habe, stehe einem schutzwürdigen Vertrauen auf Seiten der Beklagten nicht entgegen. Die Beklagte habe davon ausgehen dürfen, dass die Klägerin zwar darauf bestehe, dass die offenen Mieten noch gezahlt werden, dies jedoch nicht zum Anlass nehmen werde, das Mietverhältnis fristlos zu kündigen.
10
In diesem Zusammenhang gewinne auch der Umstand an besonderer Bedeutung, dass es sich bei der Klägerin um eine Kirchengemeinde handele, der die Beklagte zudem früher als Küsterin auch beruflich verbunden gewesen sei. Es habe daher für die Beklagte durchaus nahegelegen, dass die Klägerin von ihrem Kündigungsrecht aus sozialen oder auch ethischen Erwägungen keinen Gebrauch machen werde.

II.

11
Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung kann die Wirksamkeit der fristlosen Kündigung vom 15. November 2013 und die Begründetheit des hierauf gestützten Anspruchs auf Räumung und Herausgabe der gemieteten Wohnung (§§ 546, 985 BGB) nicht verneint werden. Denn der Zeitablauf von sieben Monaten zwischen der erstmaligen Kündigungsmöglichkeit wegen Zahlungsver- zugs (5. April 2013) und der Erklärung der Kündigung am 15. November 2013 steht der Wirksamkeit der Kündigung nicht entgegen.
12
1. Das Berufungsgericht hat einen Räumungsanspruch der Klägerin (§§ 546, 985) verneint, weil die mit Schreiben vom 15. November 2015 erklärte Kündigung der Klägerin das Mietverhältnis mit der Beklagten nicht beendet habe. Dabei hat das Berufungsgericht - insoweit rechtsfehlerfrei - einen Zahlungsverzug in Höhe von zwei Monatsmieten bejaht, der den Vermieter grundsätzlich zur Kündigung nach § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchst. b BGB berechtigt. Die Annahme des Berufungsgerichts, die Kündigung sei gleichwohl unwirksam, weil sie erst sieben Monate nach der ersten Kündigungsmöglichkeit und deshalb nicht in einer angemessenen Frist (§ 314 Abs. 3 BGB) erklärt worden sei, ist indes mit Rechtsfehlern behaftet.
13
Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist die Vorschrift des § 314 Abs. 3 BGB auf die fristlose Kündigung eines Mietverhältnisses gemäß §§ 543, 569 BGB schon nicht anwendbar. Davon abgesehen wäre die vom Berufungsgericht innerhalb der von ihm bejahten Anwendung des § 314 Abs. 3 BGB vorgenommene Beurteilung aber auch nach den Maßstäben dieser Bestimmung rechtsfehlerhaft. Denn die Annahme, die Kündigung sei nicht in angemessener Frist ausgesprochen worden, ist angesichts des vom Berufungsgericht nicht berücksichtigten Umstands, dass die Zahlungsrückstände trotz Mahnung fortbestanden und die Klägerin durch das Zuwarten mit der Kündigung Rücksicht auf die Belange der Beklagten genommen hat (vgl. § 543 Abs. 2 Satz 2 BGB), nicht berechtigt. Die Sichtweise des Berufungsgerichts liefe darauf hinaus, dass ein für die Mieter gerade günstiges Zuwarten unterbliebe und der Vermieter gehalten wäre, zur Vermeidung eigener Nachteile, frühestmöglich eine fristlose Kündigung auszusprechen.
14
a) § 314 Abs. 3 BGB findet auf die fristlose Kündigung eines (Wohnraum -)Mietverhältnisses nach §§ 543, 569 BGB keine Anwendung.
15
Allerdings hat der Senat diese Frage bisher offen gelassen (vgl. Senatsurteile vom 15. April 2015 - VIII ZR 281/13, NJW 2015, 2417 Rn. 29; vom 11. März 2009 - VIII ZR 115/08, WuM 2009, 231 Rn. 17; Senatsbeschluss vom 13. April 2010 - VIII ZR 206/09, NZM 2011, 32 Rn. 5; vgl. in diesem Zusammenhang ferner zur Gewerberaummiete BGH, Urteil vom 21. März 2007 - XII ZR 36/05, NJW-RR 2007, 886 Rn. 21: dort wurde eine illoyale Verspätung sowohl im Rahmen der Verwirkung als auch im Rahmen des § 314 Abs. 3 BGB verneint, ohne dass dessen Anwendbarkeit näher erörtert wurde), weil sie nicht entscheidungserheblich war. Dem lag die Überlegung zugrunde, dass es (bei Anlegung eines zutreffenden Maßstabes) im Falle einer nach § 314 Abs. 3 BGB durchgreifenden illoyalen Verspätung typischerweise ebenso an einer Unzumutbarkeit nach § 543 Abs. 1 BGB fehlen wird oder die Voraussetzungen des Einwandes von Treu und Glauben, insbesondere der Verwirkung, erfüllt sein werden (vgl. Senatsbeschluss vom 13. April 2010 - VIII ZR 206/09, aaO Rn. 5 mwN), wohingegen es bei Einhaltung einer angemessenen Frist nach § 314 Abs. 3 BGB ohnehin bei der Wirksamkeit der fristlosen Kündigung nach § 543 BGB verbliebe.
16
b) Nunmehr gibt die vom Berufungsgericht zugelassene Revision Anlass, die Frage zu klären, ob § 314 Abs. 3 BGB auf die fristlose Kündigung eines Mietverhältnisses gemäß §§ 543, 569 BGB überhaupt Anwendung findet oder ob es sich bei diesen Bestimmungen um abschließende Sonderregelungen handelt.
17
aa) Schon der Wortlaut dieser Vorschriften spricht gegen eine zeitliche Schranke für den Ausspruch einer fristlosen Kündigung (vgl. Senatsbeschluss vom 13. April 2010 - VIII ZR 206/09, aaO). § 543 BGB, der - sei es als Generalklausel (Abs. 1), sei es als Regeltatbestände (Abs. 2) - die Voraussetzungen für die fristlose Kündigung eines Mietverhältnisses regelt, bestimmt in seinen weiteren Absätzen im Einzelnen die Modalitäten der Kündigung. Eine zeitliche Beschränkung für den Ausspruch der Kündigung schreibt diese Bestimmung nicht vor. Ebenso wenig enthält sie einen Verweis auf § 314 Abs. 3 BGB. Auch § 569 BGB, der für Wohnraummietverhältnisse die Vorschrift des § 543 BGB um weitere Tatbestände und Kündigungsmodalitäten ergänzt, sieht weder eine Zeitspanne , innerhalb derer die fristlose Kündigung auszusprechen ist, noch einen Verweis auf § 314 Abs. 3 BGB vor.
18
bb) Dies wird bestätigt durch die in den Gesetzesmaterialien zum Ausdruck gekommene Zielsetzung des Gesetzgebers. Aus den Gesetzesmaterialien zu §§ 543, 569 BGB und zu § 314 BGB ergibt sich eindeutig, dass die Vorschriften über die fristlose Kündigung eines Mietverhältnisses als abschließende spezielle Regelung konzipiert sind und von der Einfügung einer Bestimmung , wonach die Kündigung in "angemessener Frist" zu erfolgen habe, bewusst abgesehen wurde.
19
(1) Die Neufassung der mietrechtlichen Kündigungsbestimmungen im Rahmen des Mietrechtsreformgesetzes vom 19. Juni 2001 (BGBl. I S. 1149) sollte die bisherigen Rechtsprechungsgrundsätze ablösen und das zuvor aus allgemeinen Rechtsgrundsätzen hergeleitete fristlose Kündigungsrecht aus wichtigem Grund sowie die über mehrere Einzelvorschriften verstreuten speziellen Kündigungsgründe ablösen (BT-Drucks. 14/4553, S. 43). Mit Ausnahme der Verlängerung der Schonfrist (§ 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB) sollte damit eine inhaltliche Änderung nicht verbunden sein (BT-Drucks. 14/4553, S. 64). Die Regelung des § 314 BGB oder eine vergleichbare allgemeine Vorschrift gab es zum da- maligen Zeitpunkt nicht. Auch in der höchstrichterlichen Rechtsprechung war ein allgemeiner Grundsatz dieses Inhalts nicht entwickelt worden.
20
Es war allerdings seit langem anerkannt, dass eine längere Verzögerung der Kündigungserklärung Rechtsfolgen nach sich zieht, etwa in der Weise, dass es bei Kündigungstatbeständen, die auf eine Unzumutbarkeit der Vertragsfortsetzung abstellen, angesichts einer längeren Kündigungsverzögerung an einer solchen Unzumutbarkeit und somit an einem durchgreifenden Kündigungsgrund fehlen kann (vgl. dazu Senatsurteil vom 23. September 1987 - VIII ZR 265/86, NJW-RR 1988, 77, unter II 2 a mwN [zu § 554a BGB aF]). Ebenso stand und steht außer Frage, dass eine fristlose Kündigung im Einzelfall aufgrund besonderer Umstände treuwidrig, insbesondere verwirkt sein kann (vgl. BGH, Urteile vom 29. April 2009 - VIII ZR 142/08, NJW 2009, 2297 Rn. 17; vom 18. Oktober 2006 - XII ZR 33/04, NJW 2007, 147 Rn. 11; vgl. ferner die frühere Rechtsprechung zur Verwirkung eines Rechts zur fristlosen Kündigung des Mieters gemäß § 542 BGB aF bei vorbehaltloser Weiterzahlung der Miete für eine gewisse Zeit, dazu BGH, Urteil vom 31. Mai 2000 - XII ZR 41/98, NJW 2000, 2663 unter II 3).
21
(2) Vor diesem Hintergrund hat der Gesetzgeber bei der Mietrechtsreform vom 19. Juni 2001 bewusst davon abgesehen festzulegen, dass die Kündigung innerhalb einer "angemessenen Zeit" ab Kenntnis vom Kündigungsgrund zu erfolgen hat (BT-Drucks. 14/4553, S. 44) Die Gesetzesbegründung verweist darauf, dass nach ständiger Rechtsprechung ein Kündigungsrecht verwirkt werden könne und deshalb ein Bedürfnis für eine solche Festlegung nicht bestehe. Zusätzlich wird darauf abgestellt, dass eine einheitliche konkrete Ausschlussfrist angesichts der Vielgestaltigkeit der Mietverhältnisse nicht festgelegt werden könne und eine "offenere" Bestimmung eine Auslegung durch die Rechtsprechung erfordere und somit kaum etwas zur Vereinfachung des Mietrechts beitragen könne. Wörtlich heißt es hierzu in den Gesetzesmaterialien (BT-Drucks. 14/4553, S. 44): "Es wird davon abgesehen, festzulegen, dass die Kündigung innerhalb einer angemessenen Zeit seit der Kenntnis vom Kündigungsgrund zu erfolgen hat. Ein Kündigungsrecht aus wichtigem Grund kann schon jetzt nach ständiger Rechtsprechung verwirkt werden […]. Eine einheitliche feste Ausschlussfrist in Anlehnung an § 626 Abs. 2 BGB sowie §§ 6, 24 und 70 VVG erscheint wegen der Vielgestaltigkeit der Mietverhältnisse (Wohnraum, Geschäfts- raum, Grundstücke, bewegliche Sachen) nicht möglich […]. Eine offenere Bestimmung wäre durch die Rechtsprechung in jedem Falle auslegungsbedürftig. Die mögliche Regelung könnte damit nur wenig zur Vereinfachung des Mietrechts beitragen."
22
(3) Hieran hat die Einführung des § 314 BGB durch das Schuldrechtsmodernisierungsgesetz vom 26. November 2001 (BGBl. I S. 3138) nichts geändert. Es erschien dem Gesetzgeber zwar geboten, bei einer allgemeinen Überarbeitung des Leistungsstörungsrechts die Kündigung aus wichtigem Grund bei Dauerschuldverhältnissen in das Bürgerliche Gesetzbuch aufzunehmen. Dafür sprach sowohl die erhebliche praktische Bedeutung dieses Rechtsinstituts als auch die seit langem gefestigte Rechtsprechung zu seinem Anwendungsbereich (BT-Drucks. 14/6040, S. 177). Schon der Gesetzgeber sah jedoch, dass § 314 BGB damit als lex generalis in einem Konkurrenzverhältnis zu zahlreichen Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs und anderer Gesetze steht, in denen die Kündigung aus wichtigem Grund bei einzelnen Dauerschuldverhältnissen besonders geregelt ist. Wörtlich heißt es in der Gesetzesbegründung hierzu: "Diese Einzelbestimmungen sollen nicht aufgehoben oder geändert werden, sondern als leges speciales Vorrang vor § 314 RE haben." (BT-Drucks. 14/6040, S. 177).
23
Dementsprechend hat der Gesetzgeber des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes zwar an manchen Stellen im Mietrecht Anpassungen vorgenommen , so auch bei § 543 Abs. 4 Satz 1 BGB (vgl. die Übersicht zu den Änderungen bei Palandt/Weidenkaff, BGB, 75. Aufl., Einf v § 535 Rn. 77a), jedoch davon abgesehen, in §§ 543, 569 BGB einen Verweis auf § 314 Abs. 3 BGB aufzunehmen.
24
Die fristlose Kündigung eines Mietverhältnisses ist also in §§ 543, 569 BGB abschließend geregelt und eine Anwendung des § 314 Abs. 3 BGB somit ausgeschlossen (ebenso MünchKommBGB/Gaier, 7. Aufl., § 314 Rn. 9; Erman/ Böttcher, aaO, § 314 Rn 5; Palandt/Grüneberg, aaO, § 314 Rn. 4; Palandt/ Weidenkaff, aaO, § 543 Rn. 44 f.). Die von Teilen der Literatur (vgl. Häublein, ZMR 2005, 1 f; Staudinger/V. Emmerich, Neubearb. 2014, § 543 BGB Rn. 2, 90; Erman/Lützenkirchen, BGB, 14. Aufl., § 543 Rn. 12 ff., 49) vertretene gegenteilige Auffassung verkennt die aus den Materialien ersichtliche eindeutige Zielsetzung des Gesetzgebers.
25
2. Die Entscheidung des Berufungsgerichts stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO). Zwar finden - wie bereits oben unter II 1 a ausgeführt - bei einer auf § 543 Abs. 2 BGB gestützten Kündigungserklärung die Grundsätze von Treu und Glauben, insbesondere der Verwirkung, Anwendung. Die vom Berufungsgericht beanstandete "Verzögerung" der Kündigung erfüllt jedoch die Voraussetzungen der Verwirkung schon deshalb nicht, weil es - offensichtlich - an einem Umstandsmoment (vgl. dazu Senatsurteil vom 31. Juli 2013 - VIII ZR 162/09, BGHZ 198, 111 Rn. 66) fehlt. Tragfähige Anhaltspunkte für ein Vertrauen der Beklagten, die Klägerin werde von ihrem Recht zur fristlosen Kündigung wegen Verzugs mit zwei Monatsmieten keinen Gebrauch machen, sind vom Berufungsgericht nicht festgestellt und auch sonst nicht ersichtlich. Sie liegen insbesondere nicht schon darin, dass es sich bei der Klägerin um eine Kirchengemeinde handelt und die Beklagte früher bei ihr als Küsterin beschäftigt gewesen ist.

III.

26
Das Berufungsurteil kann demnach keinen Bestand haben, soweit bezüglich der Räumung zum Nachteil der Beklagten entschieden worden ist; es ist daher insoweit aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO).
27
Der Senat entscheidet in der Sache selbst, da es keiner weiteren Feststellungen mehr bedarf und die Sache zur Endentscheidung reif ist (§ 563 Abs. 3 ZPO). Dies führt zur Zurückweisung der Berufung der Beklagten und somit zur vollständigen Wiederherstellung des amtsgerichtlichen Urteils. Die Räumungs- und Herausgabeklage ist begründet (§§ 546, 985 BGB), weil die fristlose Kündigung der Klägerin vom 15. November 2013 das Mietverhältnis beendet hat. Denn die Beklagte befand sich im Zeitpunkt der Kündigung mit den Mieten für die Monate Februar und April 2013 in Verzug, so dass die Kündigung gemäß § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchst. b BGB berechtigt war.
Rechtsbehelfsbelehrung Gegen dieses Versäumnisurteil steht der säumigen Partei der Einspruch zu. Dieser ist von einem bei dem Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt binnen einer Notfrist von zwei Wochen ab der Zustellung des Versäumnisurteils bei dem Bundesgerichtshof, Karlsruhe, durch Einreichung einer Einspruchsschrift einzulegen.
Dr. Milger Dr. Hessel Dr. Fetzer Dr. Bünger Kosziol
Vorinstanzen:
AG Düsseldorf, Entscheidung vom 06.05.2015 - 23 C 626/14 -
LG Düsseldorf, Entscheidung vom 16.12.2015 - 5 S 40/15 -

(1) Durch eine nach § 929 erfolgte Veräußerung wird der Erwerber auch dann Eigentümer, wenn die Sache nicht dem Veräußerer gehört, es sei denn, dass er zu der Zeit, zu der er nach diesen Vorschriften das Eigentum erwerben würde, nicht in gutem Glauben ist. In dem Falle des § 929 Satz 2 gilt dies jedoch nur dann, wenn der Erwerber den Besitz von dem Veräußerer erlangt hatte.

(2) Der Erwerber ist nicht in gutem Glauben, wenn ihm bekannt oder infolge grober Fahrlässigkeit unbekannt ist, dass die Sache nicht dem Veräußerer gehört.

(1) Der Erwerb des Eigentums auf Grund der §§ 932 bis 934 tritt nicht ein, wenn die Sache dem Eigentümer gestohlen worden, verloren gegangen oder sonst abhanden gekommen war. Das Gleiche gilt, falls der Eigentümer nur mittelbarer Besitzer war, dann, wenn die Sache dem Besitzer abhanden gekommen war.

(2) Diese Vorschriften finden keine Anwendung auf Geld oder Inhaberpapiere sowie auf Sachen, die im Wege öffentlicher Versteigerung oder in einer Versteigerung nach § 979 Absatz 1a veräußert werden.

(1) Durch eine nach § 929 erfolgte Veräußerung wird der Erwerber auch dann Eigentümer, wenn die Sache nicht dem Veräußerer gehört, es sei denn, dass er zu der Zeit, zu der er nach diesen Vorschriften das Eigentum erwerben würde, nicht in gutem Glauben ist. In dem Falle des § 929 Satz 2 gilt dies jedoch nur dann, wenn der Erwerber den Besitz von dem Veräußerer erlangt hatte.

(2) Der Erwerber ist nicht in gutem Glauben, wenn ihm bekannt oder infolge grober Fahrlässigkeit unbekannt ist, dass die Sache nicht dem Veräußerer gehört.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VIII ZR 184/05 Verkündet am:
13. September 2006
Kirchgeßner,
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
StVZO: § 25 Abs. 4 Satz 2
Beim Autokauf kann der Käufer, der den Kaufpreis noch nicht gezahlt hat, die Einbehaltung
des Fahrzeugbriefes bei der Übergabe des Fahrzeugs regelmäßig nur dahin
verstehen, dass der Verkäufer ihm das Eigentum am Fahrzeug zur Sicherung seiner
Kaufpreisforderung nur unter der aufschiebenden Bedingung vollständiger Zahlung
des Kaufpreises übertragen will.
BGH, Urteil vom 13. September 2006 - VIII ZR 184/05 - OLG Hamm
LG Münster
Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 13. September 2006 durch den Vorsitzenden Richter Ball, die Richterinnen
Hermanns und Dr. Milger, den Richter Dr. Koch sowie die Richterin Dr. Hessel

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 5. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 20. Juni 2005 aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Mit Kaufvertrag vom 20. November 2003 verkaufte der Kläger sein Fahrzeug C. zum Preis von 10.000 € an die O. W. GmbH (fortan: W. GmbH). Er übergab dieser das Fahrzeug, nicht aber den zugehörigen Kraftfahrzeugbrief. Die W. GmbH veräußerte den Kraftwagen, ohne den Kaufpreis an den Kläger bezahlt zu haben, zum Preis von 11.560 € an den Beklagten. Der Beklagte zahlte den Kaufpreis an die W. GmbH und erhielt das Fahrzeug. Zu dem Fahrzeugbrief heißt es im Kaufvertrag vom 25. November 2003, dieser werde per Einschreiben nachgeschickt. Dies geschah allerdings nicht. Der Kläger hat den Fahrzeugbrief noch in Besitz.
2
Mit seiner Klage verlangt der Kläger Herausgabe des Fahrzeugs sowie im Wege der Stufenklage Auskunft über die von dem Beklagten mit dem Fahrzeug zurückgelegte Fahrstrecke und Zahlung einer sich daraus errechnenden Nutzungsvergütung. Der Beklagte begehrt im Wege der Widerklage Herausgabe des Kraftfahrzeugbriefs. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und der Widerklage stattgegeben. Die hiergegen gerichtete Berufung des Klägers hat das Berufungsgericht zurückgewiesen. Mit der vom erkennenden Senat zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren und seinen Antrag auf Abweisung der Widerklage weiter.

Entscheidungsgründe:

3
Die Revision hat Erfolg.

I.

4
Zur Begründung seiner Entscheidung hat das Berufungsgericht ausgeführt :
5
Der Kläger habe gegen den Beklagten keinen Anspruch aus § 985 BGB auf Herausgabe des Fahrzeugs. Nach § 1006 Abs. 1 BGB werde das Eigentum des Beklagten an dem Pkw C. vermutet. Diese Vermutung habe der Kläger nicht zu widerlegen vermocht. Auch der Besitzer eines Kraftfahrzeugbriefs, der darin als Halter eingetragen sei, habe den Beweis zu führen, dass der Fahrzeugbesitzer das Eigentum nie erlangt oder aber wieder verloren habe. Für die Behauptung eines Kaufs unter Eigentumsvorbehalt finde sich in der Vertragsurkunde vom 20. November 2003 keine Stütze. Sonstigen Beweis für seine Behauptung habe der Kläger nicht angetreten. Es sei daher davon auszugehen , dass er das Kraftfahrzeug der W. GmbH nach dem Abschluss des Vertrages ausgehändigt und - so seine Erklärung vor dem Senat - erklärt habe, den Kraftfahrzeugbrief bis zur Überweisung des Kaufpreises zurückzubehalten. Aus der Sicht der W. GmbH habe der Kläger ihr damit das Eigentum an dem Kraftwagen vorbehaltlos übertragen und lediglich den Kraftfahrzeugbrief als Sicherheit bis zur Begleichung des Kaufpreises einbehalten. Die W. GmbH habe demnach als Berechtigte über das Fahrzeug verfügt, so dass sich die Frage nach einem etwaigen gutgläubigen Erwerb des Kraftwagens durch den Beklagten nicht stelle.

II.

6
Dies hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand.
7
1. Zu Unrecht hat das Berufungsgericht angenommen, dem Kläger stehe kein Herausgabeanspruch gemäß § 985 BGB zu, weil das Eigentum des Beklagten an dem Fahrzeug nach § 1006 Abs. 1 BGB vermutet werde und der Kläger diese Vermutung nicht widerlegt habe. Das Berufungsgericht hat nicht erkannt, dass der Kläger - bei rechtsfehlerfreier Auslegung des Verhaltens der Parteien - Eigentümer des Fahrzeugs geblieben ist. Steht aber fest, wer Eigentümer einer beweglichen Sache ist, bleibt für die zugunsten des Besitzers sprechende Eigentumsvermutung des § 1006 BGB kein Raum (vgl. Schulte, BB 1977, 269, 270, 272).
8
Der Kläger hat sein Eigentum am Fahrzeug - was hier alleine in Betracht kommt - weder auf die W. GmbH übertragen (a) noch an den Beklagten verloren (b).
9
a) Der Kläger hat der W. GmbH das Eigentum an dem Fahrzeug nur unter der aufschiebenden Bedingung vollständiger Zahlung des Kaufpreises übertragen (§ 449 Abs. 1 BGB). Da die W. GmbH den Kaufpreis nicht ent- http://www.juris.de/jportal/portal/t/d6i/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=48&fromdoctodoc=yes&doc.id=KORE302042003&doc.part=K&doc.price=0.0#focuspoint - 5 - richtet hat, ist diese Bedingung nicht eingetreten und das Eigentum nicht auf sie übergegangen.
10
Dass der Kläger der W. GmbH das Fahrzeug nur unter der aufschiebenden Bedingung der Kaufpreiszahlung übereignet hat, ergibt sich allerdings nicht schon aus der vom Berufungsgericht getroffenen - wenn auch rechtlich abweichend gewürdigten - Feststellung, der Kläger habe bei der Übergabe des Fahrzeugs erklärt, den Kraftfahrzeugbrief bis zur Überweisung des Kaufpreises zurückzubehalten. Denn die dahingehende Behauptung des Klägers ist, wie die Revisionserwiderung mit Recht rügt, vom Beklagten bestritten und vom Kläger nicht unter Beweis gestellt worden. Unabhängig davon verstößt die Auslegung durch das Berufungsgericht gegen den Grundsatz einer nach beiden Seiten hin interessengerechten Auslegung (vgl. BGHZ 152, 153, 156 m.w.Nachw.). Mit Rücksicht darauf, dass sie dem Kläger den Kaufpreis nicht gezahlt hatte, konnte die W. GmbH das Einbehalten des Fahrzeugbriefes auch ohne entsprechende Erläuterung redlicherweise nur dahin verstehen, dass der Kläger seine Kaufpreisforderung sichern und sich deshalb das Eigentum an dem Fahrzeug bis zur Zahlung des Kaufpreises vorbehalten wollte. Mit der Entgegennahme des Fahrzeugs hat die W. GmbH dieses nur bedingte Übereignungsangebot des Klägers angenommen.
11
Dieser Auslegung des Verhaltens der Parteien steht nicht entgegen, dass sich aus der Kaufvertragsurkunde vom 20. November 2003 keine Anhaltspunkte für die Vereinbarung eines Eigentumsvorbehalts ergeben. Vorbehaltseigentum kann auch dadurch nachträglich begründet werden, dass der Verkäufer - unter Umständen sogar vertragswidrig - die dingliche Einigungserklärung nur unter der Bedingung vollständiger Kaufpreiszahlung abgibt und der Käufer dies hinnimmt. Voraussetzung ist allerdings, dass der Vorbehalt spätestens bei der Besitzübergabe der verkauften Sache dem Empfänger gegenüber deutlich er- klärt wird, wobei an die Klarheit einer solchen Erklärung ein strenger Maßstab anzulegen ist (Senat, BGHZ 64, 395, 397). Diese Voraussetzungen sind hier jedoch erfüllt.
12
Es kann dahinstehen, ob ein konkludent vereinbarter Eigentumsvorbehalt allgemein schon dann anzunehmen ist, wenn der Käufer bei Übergabe des Kaufgegenstandes den Kaufpreis nicht zahlt (vgl. MünchKommBGB/H.P. Westermann , 4. Aufl., § 449 Rdnr. 15 f. m.w.Nachw.; Bamberger/Roth/Faust, BGB [2003] § 449 Rdnr. 12; Schulte, BB 1977, 269 ff.). Jedenfalls beim Autokauf kann der Käufer, der den Kaufpreis noch nicht gezahlt hat, die Einbehaltung des Fahrzeugbriefes bei der Übergabe des Fahrzeugs regelmäßig nur dahin verstehen, dass der Verkäufer ihm das Eigentum am Fahrzeug zur Sicherung seiner Kaufpreisforderung nur unter der aufschiebenden Bedingung vollständiger Zahlung des Kaufpreises übertragen will (vgl. OLG Düsseldorf, OLGR 1997, 4, 6; vgl. zu einem Sonderfall Senat, Urteil vom 14. Juli 1965 - VIII ZR 216/63, WM 1965, 1136 unter III 1).
13
Mit dem Einbehalten des Kraftfahrzeugbriefes bringt der Verkäufer in aller Regel zum Ausdruck, sich gegen unberechtigte Verfügungen des Käufers über das Fahrzeug schützen zu wollen. Dies folgt aus der den beteiligten Verkehrskreisen bekannten Schutzfunktion des Kraftfahrzeugbriefes. Der Kraftfahrzeugbrief ist nach § 25 Abs. 4 Satz 2 StVZO zur Sicherung des Eigentums oder anderer Rechte am Fahrzeug bei jeder Befassung der Zulassungsbehörde mit dem Fahrzeug, besonders bei Meldungen über den Eigentumswechsel (§ 27 Abs. 3 StVZO), vorzulegen und soll dadurch - auch wenn er kein Traditionspapier ist - den Eigentümer oder sonst dinglich am Kraftfahrzeug Berechtigten vor Verfügungen Nichtberechtigter schützen (Senat, Urteil vom 9. Februar 2005 - VIII ZR 82/03, WM 2005, 761 = NJW 2005, 1365 unter II 1; BGH, Urteil vom 13. Mai 1996 - II ZR 222/95, WM 1996, 1318 = NJW 1996, 2226 unter 2 a m.w.Nachw.). Im Streitfall gibt es keine Anhaltspunkte dafür, dass dem Einbehalten des Fahrzeugbriefes ausnahmsweise nicht diese Bedeutung beizumessen wäre. Dass der Kläger den Brief möglicherweise nur deshalb nicht zusammen mit dem Fahrzeug übergab, weil er ihn bei der Übergabe nicht verfügbar hatte, ist lediglich eine unbeachtliche Vermutung des Beklagten.
14
Dem mit dem Einbehalten des Fahrzeugbriefes deutlich gemachten Sicherungsinteresse des Verkäufers entspräche es nicht, das Einbehalten des Fahrzeugbriefes nicht als Erklärung eines Eigentumsvorbehalts am Fahrzeug, sondern lediglich als Geltendmachung eines Zurückbehaltungsrechts am Fahrzeugbrief zu verstehen. Die Revision weist zutreffend darauf hin, dass das Zurückbehalten des Fahrzeugbriefes kein taugliches Sicherungsmittel darstellt. Alleine durch das Zurückbehalten des Fahrzeugbriefes kann der Verkäufer nicht verhindern, dass der Käufer das Eigentum am Fahrzeug auf einen Dritten überträgt. Denn ist der Käufer bereits Eigentümer geworden, kann er als Berechtigter auch ohne Vorlage des Fahrzeugbriefes wirksam über das Fahrzeug verfügen. Nur wenn der Verkäufer nicht nur den Fahrzeugbrief einbehält, sondern sich auch das Eigentum am Fahrzeug vorbehält, kann er eine Übertragung des Eigentums auf einen Dritten verhindern und damit einem Verlust der dinglichen Sicherung seiner Kaufpreisforderung vorbeugen.
15
b) Der Kläger hat sein Eigentum am Fahrzeug auch nicht dadurch verloren , dass die W. GmbH das Fahrzeug an den Beklagten veräußert hat. Da die W. GmbH nicht Eigentümerin des Fahrzeugs geworden ist, hat sie als Nichtberechtigte über das Fahrzeug verfügt. Der Beklagte hätte daher nur dann Eigentum erworben, wenn die Verfügung der W. GmbH mit Einwilligung des Klägers erfolgt wäre (§ 185 Abs. 1 BGB) oder wenn der Beklagte hinsichtlich des Eigentums oder der Verfügungsbefugnis der W. GmbH in gutem Glauben gewesen wäre (§§ 932 Abs. 1 Satz 1 BGB, 366 Abs. 1 HGB). Dies ist jedoch nicht der Fall.
16
Entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung kann nicht angenommen werden, dass der Kläger die W. GmbH mit der Übergabe des Fahrzeugs stillschweigend zur Veräußerung im Rahmen des ordnungsgemäßen Geschäftsverkehrs ermächtigte. Einer solchen Auslegung seines Verhaltens steht das durch das Einbehalten des Kraftfahrzeugbriefes verdeutlichte Interesse des Klägers entgegen, zur Sicherung seiner Kaufpreisforderung bis zur Kaufpreiszahlung Eigentümer des Fahrzeugs zu bleiben.
17
Der Beklagte hat das Eigentum am Fahrzeug auch nicht gutgläubig von der W. GmbH erworben. Beim Kauf eines gebrauchten Kraftfahrzeugs begründet der Besitz desselben allein nicht den für einen Gutglaubenserwerb nach § 932 BGB bzw. § 366 HGB erforderlichen Rechtsschein. Der Beklagte kann sich entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung auch nicht mit Erfolg darauf berufen, er sei hinsichtlich des Eigentums und der Verfügungsbefugnis der W. GmbH gutgläubig gewesen, weil es sich bei der W. GmbH um eine überregional bekannte Autohändlerin mit großem Geschäftsbetrieb und repräsentativen Büroräumen gehandelt habe und ihm erklärt worden sei, der Fahrzeugbrief befinde sich noch bei der Bank, werde aber unverzüglich übersandt. Es gehört zu den Mindestvoraussetzungen gutgläubigen Erwerbs eines gebrauchten Kraftfahrzeugs, dass sich der Käufer den Kraftfahrzeugbrief vorlegen lässt, um die Berechtigung des Veräußerers überprüfen zu können (BGH, aaO; Senat, Urteil vom 27. Januar 1965 - VIII ZR 62/63, WM 1965, 196 = NJW 1965, 687 unter 3). Dies ist vorliegend nicht geschehen. Indem der Beklagte sich nicht anhand des Briefes über das Eigentum oder die Verfügungsbefugnis der W. GmbH vergewisserte, handelte er grob fahrlässig i.S. von § 932 Abs. 2 BGB.
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Der Beklagte macht ohne Erfolg geltend, er habe von der W. GmbH gutgläubig Eigentum erwerben können, weil für diese die Vermutung des § 1006 Abs. 2 BGB streite. Zwar kommt die Vermutung, dass ein früherer Besitzer während der Dauer seines Besitzes Eigentümer der beweglichen Sache gewesen ist, jedem zugute, der sein Recht - wie hier der Beklagte als Käufer des Fahrzeugs - von dem früheren Besitzer ableitet (Senat, BGHZ 161, 90, 108 f.; BGH, Urteil vom 4. Februar 2002 - II ZR 37/00, WM 2002, 755 = NJW 2002, 2101 unter I 2 a). Die Vermutung des § 1006 BGB greift hier hinsichtlich eines Eigentumserwerbs der W. GmbH jedoch nicht ein, weil feststeht, dass der Kläger das Fahrzeug nur aufschiebend bedingt an die W. GmbH übereignet hat und mangels Bedingungseintritts Eigentümer desselben geblieben ist.
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2. Als Eigentümer des Fahrzeugs kann der Kläger von dem Beklagten als dessen Besitzer nach § 985 BGB Herausgabe des Fahrzeugs verlangen. Es bedarf allerdings in tatsächlicher Hinsicht noch der Klärung, ob der Beklagte die Herausgabe verweigern kann, weil er ein Recht zum Besitz am Fahrzeug hat (§ 986 Abs. 1 Satz 1 BGB).
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a) Der Besitzer kann die Herausgabe der Sache verweigern, wenn der mittelbare Besitzer, von dem er sein Recht zum Besitz ableitet, dem Eigentümer gegenüber zum Besitz berechtigt ist (§ 986 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 BGB). Diese Regelung ist über ihren Wortlaut hinaus auch dann anwendbar, wenn - wie im Streitfall - zwischen dem Besitzer und dem Vorbesitzer kein Besitzmittlungsverhältnis besteht und der unmittelbare Besitzer daher nicht Fremdbesitzer, sondern Eigenbesitzer ist (statt aller: Staudinger/Gursky, BGB [2006], § 986 Rdnr. 37 m.w.Nachw.). Ein abgeleitetes Besitzrecht des Beklagten bestünde jedoch nicht, wenn der Kläger von dem Kaufvertrag mit der W. GmbH - etwa wegen ausbleibender Kaufpreiszahlung - zurückgetreten und die W.
GmbH gegenüber dem Kläger deshalb nicht mehr zum Besitz berechtigt wäre. Die Parteien haben hierzu bislang nichts vorgetragen. Dazu werden sie im wiedereröffneten Berufungsverfahren Gelegenheit haben.
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b) Von der Klärung der Frage, ob der Kläger vom Kaufvertrag mit der W. GmbH zurückgetreten ist, hängt es ferner ab, ob der Beklagte sich dem Kläger gegenüber auf ein eigenes Recht zum Besitz berufen kann (§ 986 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB). Als eigenes Besitzrecht des Beklagten käme allenfalls - dies ist umstritten (vgl. zum Meinungsstand Staudinger/Gursky, aaO, Rdnr. 13 m.w.Nachw.) - ein dingliches Anwartschaftsrecht am Fahrzeug in Betracht. Der Kläger hat der W. GmbH durch die aufschiebend bedingte Eigentumsübertragung ein dingliches Anwartschaftsrecht am Fahrzeug verschafft. In der fehlgeschlagenen Übertragung des Eigentums von der W. GmbH auf den Beklagten liegt zugleich eine wirksame Übertragung dieses Anwartschaftsrechts (vgl. dazu Senat, Urteil vom 25. November 1958 - VIII ZR 57/58, LM § 929 BGB Nr. 11 a unter 1; Serick, Eigentumsvorbehalt und Sicherungsübereignung , Bd. I 1963, S. 257). Auch dieses Anwartschaftsrecht wäre indessen durch einen Rücktritt des Klägers vom Kaufvertrag mit der W. GmbH hinfällig (vgl. Senat, BGHZ 35, 85, 94).

III.

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Nach alledem kann das angefochtene Urteil keinen Bestand haben. Der Rechtsstreit ist nicht zur Endentscheidung reif, da es noch weiterer tatsächlicher Feststellungen bedarf. Daher ist das Berufungsurteil aufzuheben, und die Sache ist an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Ball Hermanns Dr. Milger Dr. Koch Dr. Hessel
Vorinstanzen:
LG Münster, Entscheidung vom 25.02.2005 - 10 O 703/04 -
OLG Hamm, Entscheidung vom 20.06.2005 - 5 U 37/05 -

(1) Erhebt aus einem gegenseitigen Vertrag der eine Teil Klage auf die ihm geschuldete Leistung, so hat die Geltendmachung des dem anderen Teil zustehenden Rechts, die Leistung bis zur Bewirkung der Gegenleistung zu verweigern, nur die Wirkung, dass der andere Teil zur Erfüllung Zug um Zug zu verurteilen ist.

(2) Hat der klagende Teil vorzuleisten, so kann er, wenn der andere Teil im Verzug der Annahme ist, auf Leistung nach Empfang der Gegenleistung klagen.

(3) Auf die Zwangsvollstreckung findet die Vorschrift des § 274 Abs. 2 Anwendung.

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.

(1) Die Revision findet nur statt, wenn sie

1.
das Berufungsgericht in dem Urteil oder
2.
das Revisionsgericht auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung
zugelassen hat.

(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert.
Das Revisionsgericht ist an die Zulassung durch das Berufungsgericht gebunden.