Oberlandesgericht München Endurteil, 26. Sept. 2018 - 7 U 3118/17

bei uns veröffentlicht am26.09.2018

Tenor

1. Auf die Berufungen der Klägerin werden das Urteil des Landgerichts München I vom 18.8.2017 und das Schlussurteil des Landgerichts München I vom 29.9.2017 (jeweils Az.: 29 O 13574/16) abgeändert.

2. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin 8.840,42 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 6.9.2016 sowie weitere Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 2.320,23 € vom 31.3.2012 bis zum 5.9.2016 zu bezahlen.

3. Die Beklagte zu 1 wird darüber hinaus verurteilt, an die Klägerin weitere Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 8.840,42 € vom 27.3.2012 bis zum 30.3.2012 und aus 6.520,19 € vom 31.3.2012 bis zum 5.9.2016 zu bezahlen.

4. Es wird festgestellt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin alle weiteren unfallbedingten und übergangsfähigen Aufwendungen zu 50% zu erstatten, die diese aus Anlass der Verletzung ihres Versicherten, M.L. A., P.straße 114, M. vom 4.11.2009, Unfallort D.straße 20, M. nach den gesetzlichen Vorschriften, insbesondere des SGB X erbringen muss.

5. Die weitergehende Klage bleibt abgewiesen.

6. Die weitergehende Berufung gegen das Urteil vom 18.8.2017 wird zurückgewiesen.

7. Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.

8. Der Streithelfer zu 2 hat seine notwendigen Auslagen selbst zu tragen.

9. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

10. Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.

Tatbestand

A.

Die Klägerin macht gegen die Beklagten aus übergegangenem Recht Schadensersatzansprüche unter dem Gesichtspunkt der Verkehrssicherungspflichtverletzung geltend.

Die Klägerin ist ein Träger der gesetzlichen Unfallversicherung. Der Zeuge L. A. unterliegt der Unfallversicherung bei der Klägerin. Der Zeuge war zur Unfallzeit als Koch in einem spanischen Lokal tätig, welches rückseitig an den Innenhof des im Tenor genannten Anwesens grenzt. In diesem Innenhof fanden im November 2009 Bauarbeiten statt, welche die Beklagte zu 1 als Grundstückseigentümerin bei der Beklagten zu 2 als Generalunternehmerin in Auftrag gegeben hatte. Die Beklagte zu 2 hatte wiederum für die Erdarbeiten den Streithelfer zu 2 eingeschaltet. Am 4.11.2009 hatte der Streithelfer zu 2 einen metertiefen Graben quer über den genannten Innenhof ausgehoben. In diesen Graben stürzte der Zeuge L. A., als er einen leeren Pappkarton aus dem Restaurant zu der im Innenhof gegenüber befindlichen Papiermülltonne bringen wollte, und zog sich dabei diverse Verletzungen, vor allem im Gesichtsbereich zu. Die Klägerin steht auf dem Standpunkt, sie könne von den Beklagten die Erstattung der von ihr unfallbedingt erbrachten Leistungen sowie die Feststellung der Pflicht zur Erstattung von Zukunftsschäden verlangen.

Die Klägerin hat beantragt, 1. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin 17.680,83 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 27.3.2012 zu zahlen. 2. Es wird festgestellt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin alle weiteren unfallbedingten und übergangsfähigen Aufwendungen zu erstatten, die diese aus Anlass der Verletzung ihres Versicherten, M. L. A., P.straße 114, … M. vom 4.11.2009, Unfallort: D.straße 20, … M. nach den gesetzlichen Vorschriften, insbesondere des SGB X erbringen muss.

Die Beklagten haben beantragt, die Klage abzuweisen.

Das Landgericht hat die Klage mit Urteil vom 18.8.2017 abgewiesen. Auf Tatbestand und Entscheidungsgründe dieses Urteils wird Bezug genommen. Mit ihrer zulässigen, insbesondere form- und fristgerecht eingelegten und begründeten Berufung verfolgt die Klägerin ihr erstinstanzliches Begehren weiter.

Das genannte Urteil enthielt keine Entscheidung über die Kosten der Nebenintervention. Mit dem als „Schlussurteil“ bezeichneten, im schriftlichen Verfahren ergangenen Urteil vom 29.9.2017 hat das Landgericht die Kosten der Nebenintervention der Klägerin auferlegt. Auf Tatbestand und Entscheidungsgründe dieses Urteils wird Bezug genommen. Mit ihrer zulässigen, insbesondere form- und fristgerecht eingelegten und begründeten Berufung gegen dieses „Schlussurteil“ wendet sich die Klägerin gegen die Auferlegung der Kosten der Nebenintervention.

Mit Beschluss vom 12.12.2017 (Bl. 213 der Akten) hat der Senat die beiden Berufungen der Klägerin zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden.

Gründe

B.

Auf die Berufung der Klägerin war das Urteil des Landgerichts vom 18.8.2013 (unter Zurückweisung der Berufung im übrigen) auf der Basis einer fünfzigprozentigen Haftung der Beklagten abzuändern.

I. Die Beklagten haften dem Zeugen L. A. für 50 Prozent seiner Schäden durch das gegenständliche Unfallereignis (§ 823 Abs. 1 BGB).

1. Zum äußeren Hergang des gegenständlichen Unfallereignisses hat das Landgericht im unstreitigen Tatbestand festgestellt, dass der Zeuge L. A. am 4.11.2009 auf dem fraglichen Grundstück in den vom Streithelfer zu 2 ausgehobenen Graben gestürzt ist. Tatbestandsberichtigung wurde nicht beantragt. Der Senat hat daher davon auszugehen, dass das Unfallgeschehen als solches unstreitig ist. - Unabhängig davon würde sich dieser Unfallhergang auch aus der landgerichtlichen Aussage des Zeugen L. A. ergeben (vgl. Sitzungsniederschrift des Landgerichts, Bl. 102 ff. der Akten, dort S. 3)

Streitig zwischen den Parteien ist jedoch, zu welcher Zeit sich der Unfall ereignete und ob es zum Unfallzeitpunkt dunkel war.

Die Klägerin gibt als Unfallzeit 19.45 Uhr an. Dies entspricht der Angabe im Durchgangsarztbericht (Anlage K 1). Laut Abrechnung des Rettungsdienstes (Anlage K 12) begann der Einsatz des Rettungswagens um 20.03 Uhr. Laut Durchgangsarztbericht traf der Zeuge um 20.09 Uhr im Klinikum G. ein. Laut Angaben des Zeugen L. A. war der Unfall ungefähr um sieben oder halb acht Uhr abends (vgl. Sitzungsniederschrift des Landgerichts, a.a.O. S. 3). In der Gesamtschau dieser Befunde ist der Senat davon überzeugt, dass sich der Unfall abends nach 19.00 Uhr ereignete.

Anfang November ist um 19.00 Uhr in unseren Breiten dunkel. Das ist allgemeinkundig und bedarf keines Beweises. Spekulationen der Beklagtenseite dazu, dass es in Innenstädten nie ganz dunkel wird, mögen in dieser Allgemeinheit zutreffen, sind aber für die konkrete Unfallörtlichkeit unbehelflich. Die Unfallörtlichkeit liegt in einem engen Innenhof, wie auch auf der von der Klagepartei vorgelegten DVD ersichtlich ist. Das bedeutet, dass die zweifellos auf den Straßen vorhandene Beleuchtung an der konkreten Unfallörtlichkeit praktisch keine Wirkung mehr hat. Der Senat ist daher davon überzeugt, dass zur Unfallzeit an der Unfallörtlichkeit extrem schlechte Sichtverhältnisse herrschten, es also praktisch dunkel war.

2. Den Beklagten liegt eine unfallursächliche schuldhafte Verletzung der Verkehrssicherungspflicht zur Last, wofür sie als Gesamtschuldner zu haften haben.

a) Den Verantwortlichen für eine Gefahrenquelle trifft die Pflicht, die notwendigen und zumutbaren Maßnahmen zu treffen, um andere vor Schaden zu bewahren (BGH, Urteil vom 13.6.2017 - VI ZR 395/16, Rz. 6 m.w.Nachw.). Gemeint sind diejenigen Maßnahmen, die ein umsichtiger und verständiger, in vernünftigen Grenzen vorsichtiger Mensch für notwendig und ausreichend hält, um andere vor Schaden zu bewahren (BGH, Urteil vom 2.10.2012 - VI ZR 311/11, Rz. 6). Haftungsbegründend wird eine Gefahr erst dann, wenn sich für ein sachkundiges Urteil die naheliegende Möglichkeit ergibt, dass Rechtsgüter anderer verletzt werden können (BGH, Urteil vom 9.9.2008 - VI ZR 279/06, Rz. 10).

Nach diesen Grundsätzen bedurfte der metertiefe Graben über die gesamte Breite des Innenhofes der Absicherung, weil die naheliegende Möglichkeit bestand, dass jemand - gerade bei Dunkelheit (wie im Unfallzeitpunkt) - hineinstürzen konnte. Insoweit war nämlich auch bei Dunkelheit mit Verkehr auf dem Innenhof zu rechnen, weil sich im Innenhof nicht nur die Mülltonnen, sondern auch ein Zugang zu dem dahinter liegenden Wohngebäude befanden. Da die spezifische Gefahr des Grabens, den man im Hellen nicht übersehen kann, der aber im Dunkeln naturgemäß schwer erkennbar ist, sich bei gerade bei Dunkelheit manifestiert, waren daher Absicherungsmaßnahmen erforderlich, die gerade im Dunkeln wirksam sind.

Die von Beklagtenseite geschilderten Sicherungsmaßnahmen genügen diesen Anforderungen nicht. Dass der Zeuge L. A. - wie er selbst angibt - über Gerüststreben hinwegsteigen musste, um den Unfallort zu erreichen, belegt allenfalls ein Mitverschulden des Zeugen (dazu unten 3.), stellt aber keine ausreichende Sicherungsmaßnahme für den Graben dar, weil die Tatsache, dass ein Gerüst aufgestellt war, nur Hochbauarbeiten belegt, nicht aber den Schluss auf an der Baustelle vorhandene Vertiefungen nahelegt. Ein Brett zur gefahrlosen Überquerung des Grabens ist im Dunkeln ebenso wenig ohne weiteres zu erkennen und mit einer Gefahrenquelle in Verbindung zu bringen, wie eine einzelne Flatterleine. Die Beklagtenseite schildert also keine der herrschenden Dunkelheit adäquaten Sicherungsmaßnahmen (etwa Absperrung des Grabens über seine volle Länge mit Warnbaken bzw. Geländern oder Sperrgittern, wie sie senatsbekannt im Baugewerbe durchaus existieren); laut Klägervortrag waren überhaupt keine Sicherungsmaßnahmen getroffen. Nach dem Streitstand ist daher davon auszugehen, dass ausreichende Sicherungsmaßnahmen nicht getroffen wurden.

b) Diese Verkehrssicherungspflicht traf zwar in erster Linie den Streithelfer zu 2, da dieser den Graben ausgehoben, also die Gefahrenquelle geschaffen hat (BGH, Urteil vom 2.10.2012, a.a.O. Rz. 6; Urteil vom 13.6.2017, a.a.O. Rz. 6). Daneben waren jedoch auch die Beklagten verkehrssicherungspflichtig.

aa) Der Beklagten zu 1 kann zwar weder ein Verhalten des Beklagten zu 2 noch das Verhalten des Nebenintervenienten deliktisch zugerechnet werden. Denn weder die Beklagte zu 2 als selbständiger Handwerksbetrieb noch der Streithelfer als deren Subunternehmer sind mangels hinreichender Abhängigkeit und Weisungsgebundenheit Verrichtungsgehilfen der Beklagten zu 1 (vgl. BGH, Urteil vom 21.6.1994 - VI ZR 215/93, Rz. 6, 7).

Die Erstbeklagte als Grundstückseigentümerin traf jedoch eine eigene Verkehrssicherungspflicht für Gefahren, die von ihrem Grundstück ausgehen (BGH. Urteil vom 22.7.1999 - III ZR 138/98, Rz. 13; Urteil vom 8.10.2004 - VI ZR 84/04, Rz. 11; Urteil vom 13.6.2017 - VI ZR 395/16, Rz. 7). Da sich der Graben auf dem Grundstück der Erstbeklagten befand, ging die Gefahr von diesem Grundstück aus, so dass die Erstbeklagte grundsätzlich verkehrssicherungspflichtig war.

Die Verkehrssicherungspflicht kann jedoch auf einen Dritten delegiert werden, mit der Folge, dass dann der Dritte verantwortlich ist; eine rechtsgeschäftliche Übertragung ist insoweit nicht erforderlich, die faktische Übernahme genügt (BGH, Urteil vom 13.6.2017, a.a.O. Rz. 9). Vorliegend ist davon auszugehen, dass die Beklagte zu 2 als Generalunternehmerin für Bauarbeiten auf dem Grundstück zumindest konkludent die Verkehrssicherungspflicht zur Abwendung von mit den Bauarbeiten zusammenhängenden Gefahren und damit auch betreffend die Gefahren des gegenständlichen Grabens übernommen hat.

Diese Übertragung führt jedoch nicht zum völligen Wegfall der Verkehrssicherungspflicht der Erstbeklagten; sie blieb zur Überwachung und Instruktion des Dritten (also hier der Zweitbeklagten und des Streithelfers als deren Subunternehmer) verpflichtet (vgl. BGH, Urteil vom 13.6.2017, a.a.O.; vgl. auch Urteil vom 22.7.1999 - III ZR 138/98, Rz. 13). Die Erstbeklagte beruft sich insoweit darauf mit dem als Anlage B 1 (auszugsweise) vorgelegten Vertrag einen Herrn S. als Sicherheitsbeauftragten für die Baustelle bestellt zu haben. Dies genügt aber nicht für die Erfüllung der Instruktions- und Überwachungspflicht, weil sich aus der Aussage des Zeugen Walter (Sitzungsniederschrift des Landgerichts vom 18.5.2017, Bl. 102 ffder Akten, dort S. 5 f.) ergibt, dass die Erstbeklagte (durch den Zeugen) diese Aufgabe selbst wahrgenommen hat; der Zeuge habe die Bauarbeiter angewiesen, eine Flatterleine zu spannen. Ein Flatterleine genügte aber nach den obigen Ausführungen nicht zur Absicherung des Grabens. Die Erstbeklagte ist daher ihrer Instruktionspflicht nicht hinreichend nachgekommen; ihr liegt eine Verkehrssicherungspflichtverletzung zur Last.

Hinsichtlich der Kausalität dieser Pflichtverletzung für den nachfolgenden Unfall streitet der Anscheinsbeweis. Ein solcher ist immer dann gegeben, wenn das Schadensereignis nach allgemeiner Lebenserfahrung eine typische Folge der Pflichtverletzung darstellt. Dies gilt nicht nur bei der Verletzung von Schutzgesetzen, sondern auch bei der Verletzung der allgemeinen Verkehrssicherungspflicht (BGH, Urteil vom 14.12.1993 - VI ZR 271/93, Rz. 6, 7). Typische Folge der mangelnden Absicherung eines Loches ist, dass jemand hineinstürzt. Versuche der Beklagten, den somit bestehenden Anscheinsbeweis zu erschüttern, sind nicht ersichtlich.

Die Erstbeklagte handelte auch schuldhaft. Denn die objektive Pflichtverletzung indiziert die Verletzung der inneren Sorgfalt (BGH, Urteil vom 11.3.1986 - VI ZR 22/85, Rz. 19).

bb) Die Zweitbeklagte ist weder Grundstückseigentümerin noch hat sie die Gefahrenquelle geschaffen. Das Delikt des Subunternehmers, also des Streithelfers ist ihr nicht zuzurechnen (vgl. oben). Kraft eigener Verkehrssicherungspflicht würde sie daher nicht haften. Sie haftet jedoch kraft Übernahme für Gefahren, die von den Bauarbeiten ausgehen (vgl. oben). Sie war daher verkehrssicherungspflichtig. Eine eventuelle Übertragung der Verkehrssicherungspflicht für die Gefahren des Grabens auf den Streithelfer wäre zwar diskutabel, würde aber nach den obigen Grundsätzen Instruierungs- und Überwachungspflichten, für deren Erfüllung nichts dargetan ist, bestehen lassen. Kausalität und Verschulden werden nach den obigen Grundsätzen vermutet. Auch die Zweitbeklagte haftet daher dem Grunde nach. c) Beide Beklagte bilden eine Haftungseinheit, d.h. sie haften als Gesamtschuldner und auf die selbe Quote (§ 840 Abs. 1 BGB). Wie sie untereinander und im Verhältnis zum Streithelfer haften, ist Frage ihres Innenverhältnisses und für ihre Haftung nach außen irrelevant.

3. Dem Zeugen L. A. fällt jedoch ein unfallursächliches Mitverschulden zur Last, welches der Senat mit 50 Prozent bemisst.

a) Eine Anspruchskürzung nach § 254 BGB setzt voraus, dass der Geschädigte an der Entstehung des Schadens zurechenbar mitgewirkt hat im Sinne eines Verstoßes gegen die gebotene Eigenvorsorge. Wer diejenige Sorgfalt außer acht lässt, die nach Lage der Dinge erforderlich erscheint, um sich selbst vor Schaden zu bewahren, muss nach Treu und Glauben eine Kürzung seines Anspruchs hinnehmen (BGH, Urteil vom 17.6.2014 - VI ZR 281/13, Rz. 8). Das ist dann anzunehmen, wenn der Verletzte diejenige Sorgfalt außer acht lässt, die ein ordentlicher und verständiger Mensch zur Vermeidung eigener Schäden anzuwenden pflegt (BGH, a.a.O. Rz. 9).

Nach diesen Grundsätzen fällt dem Zeugen L. A. ein haftungsminderndes Mitverschulden zur Last. Er konnte erkennen, dass es im Hof dunkel war. Er wusste auch, dass Bauarbeiten stattfanden (Sitzungsniederschrift des Landgerichts, Bl. 102 ff. der Akten, dort S. 3) und ist nach seinen Angaben sogar über die Querstrebe eines Gerüstes gestiegen (a.a.O. S. 4). Aufgrund des Gesamtbildes hätte ein ordentlicher und verständiger Mensch zur Vermeidung von Eigenschäden damit gerechnet, dass sich im Zuge der Bauarbeiten Hindernisse wie etwa Vertiefungen auf dem Hof befinden könnten, und sich mit höchster Sorgfalt tastend fortbewegt, wobei der Unfall dann vermeidbar gewesen wäre. Ein sorgfältiger Mensch hätte auch in Betracht gezogen, den Gang über den Hof ganz zu unterlassen; der Zeuge wollte nach seinen Angaben nur einen Pappkarton zur Papiermülltonne bringen, was er auch bei Tageslicht am nächsten Morgen hätte erledigen können.

b) Der Senat gewichtet die wechselseitigen schuldhaften Verursachungsbeiträge im wesentlichen gleich hoch, so dass sich eine hälftige Haftung der Beklagten ergibt. Ausschlaggebend ist dabei insbesondere die Überlegung, dass Hauptursache des Unfalles die zur Unfallzeit herrschende Dunkelheit war, die den Graben nicht erkennbar machte. Diese war zwar von den Parteien nicht zu beeinflussen, schlägt aber gleichgewichtig auf beiden Seiten haftungsbegründend zu Buche. Gerade wegen der Möglichkeit eines Personenverkehrs in Hof bei Dunkelheit wäre der Graben besser abzusichern gewesen; umgekehrt hätte gerade die herrschende Dunkelheit den Zeugen L. A. in Kenntnis von den Bauarbeiten zur höchsten Sorgfalt anhalten müssen. Es erscheint daher billig, die wechselseitigen Haftungsbeiträge gleich hoch zu gewichten.

II. Der somit bestehende (hälftige) Schadensersatzanspruch des Zeugen L. A. ist gemäß § 116 SGB X auf die Klägerin übergegangen, soweit sie Leistungen in Bezug auf das gegenständliche Unfallereignis zu erbringen hat. Dass der Zeuge als Arbeitnehmer der gesetzlichen Unfallversicherungspflicht unterliegt, versteht sich von selbst. Dass die Klägerin der zuständige Träger der gesetzlichen Unfallversicherung ist, hat das Landgericht im unstreitigen Tatbestand seines Urteils festgestellt; Tatbestandsberichtigung wurde nicht beantragt. Im übrigen ergäbe sich dies auch aus dem Durchgangsarztbericht (Anlage K 1).

III. Unter Berücksichtigung der Haftungsquote von 50% ergibt sich somit der zuerkannte Zahlungsanspruch nebst Zinsen.

1. Die mit den Anlagen K 2 bis K 12 belegten medizinischen Leistungen waren unfallbedingt erforderlich; von der Gesamtsumme von 17.680,83 € haben die Beklagten die Hälfte zu erstatten.

Schon aus dem Durchgangsarztbericht (Anlage K 1) ergibt sich, dass der Zeuge L. A. durch den Unfall eine Unterkieferfraktur in mehrere Teile erlitten hat und dass eine stationäre Behandlung erforderlich war. Aus der Aussage des Zeugen L. A. (Sitzungsniederschrift des Landgerichts, Bl. 102 ff. der Akten, dort S. 3) ergibt sich, dass er mehrere Zähne verloren hat. Damit ist plausibel, dass die geltend gemachten Klinik- und Zahnarztkosten, deren Höhe durch die vorgelegten Rechnungen belegt wird, unfallbedingt angefallen sind. Nach den Grundsätzen der abgestuften Darlegungs- und Beweislast ist demgegenüber das pauschale Bestreiten der Beklagten unbehelflich.

Ob die Klägerin die vorgelegten Rechnungen bereits bezahlt hat, ist irrelevant. Der Anspruchsübergang nach § 116 SGB X setzt nämlich nur voraus, dass der Träger der Sozialversicherung Leistungen zu erbringen (nicht: erbracht) hat. Es genügt daher, dass die berechneten Behandlungen unfallbedingt erforderlich waren; ob sie schon abgerechnet sind, spielt keine Rolle.

2. Die diesbezügliche Zinsentscheidung folgt aus §§ 286, 288, 291 BGB.

a) Die Beklagten müssen sich die gegenüber ihren Haftpflichtversicherungen erfolgten Mahnungen der Klägerin gemäß § 100 VVG in Verbindung mit Ziffer 5.2 AHB zurechnen lassen. Der Verzug eines Gesamtschuldners wirkt allerdings nicht gegen den anderen (§ 425 Abs. 2 BGB). Daher war hinsichtlich des Verzugseintritts hinsichtlich der Beklagten zu differenzieren.

b) Gegenüber der Beklagten zu 1 (bzw. ihrer Haftpflichtversicherung, der Gothaer Allgemeine Versicherung AG) hat die Klägerin die Klageforderung mit Schreiben vom 13.12.2011 (Anlage K 15) geltend gemacht und mit Schreiben vom 24.1.2012 (Anlage K 16) angemahnt. Die Erstbeklagte befand sich daher zum beantragten Zinsbeginn (27.3.2012) jedenfalls in Verzug.

c) Gegenüber der Beklagten zu 2 (bzw. ihrer Haftpflichtversicherung, der A. Versicherungs-Aktiengesellschaft) wurde mit Schreiben vom 1.7.2010 (Anlage K 17) nur ein Betrag von 4.640,46 € (auf der Basis einer hundertprozentigen Haftung) geltend gemacht und mit Schreiben vom 27.3.2012 (Anlage K 18) angemahnt. Hierdurch konnte die Zweitbeklagte nur mit dem berechtigten Betrag, also bei einer Haftungsquote von 50% mit 2.320,23 € in Verzug kommen, und zwar erst mit Zugang des Mahnschreibens; bei einer üblichen Postlaufzeit von drei Tagen ist von einem Zugang am 30.3.2012 auszugehen, so dass die Verzinsungspflicht insoweit mit dem 31.3.2012 beginnt.

Hinsichtlich des Restes der Klageforderung ist ein Verzug der Beklagten zu 2 vor Rechtshängigkeit nicht dargetan; insoweit konnten nur Rechtshängigkeitszinsen zuerkannt werden.

IV. Auch der Feststellungsantrag ist zu 50% begründet. Er hätte nur dann abgelehnt werden können, wenn aus der Sicht des Geschädigten bei verständiger Würdigung kein Grund gegeben ist, mit dem Eintritt eines künftigen Schadens wenigstens zu rechnen (BGH, Urteil vom 9.1.2007 - VI ZR 133/06, Rz. 5), wenn also vorliegend nicht mit weiteren unfallbedingten Aufwendungen der Klägerin für den Zeugen L. A. zu rechnen wäre.

Die Klägerin beruft sich (unter Vorlage einer zahnärztlichen Stellungnahme, Anlage K 13) insoweit darauf, dass infolge des Unfalls mehrere Zähne des Zeugen überkront werden mussten und die Kronen bei der mutmaßlichen Restlebensdauer des Zeugen noch mehrfach erneuert werden müssten. Die Beklagten berufen sich dem gegenüber darauf, dass der Zeuge schon vor dem Unfall Kronen hatte und diese auch ohne den Unfall irgendwann hätten erneuert werden müssen.

Die diesbezügliche Argumentation der Beklagten ist aus mehreren Gründen unbehelflich. Zum einen erfolgt sie ins Blaue hinein; aus den vorliegenden Unterlagen ergibt sich kein Anhaltspunkt dafür, dass der Zeuge schon vor dem Unfall Kronen hatte, so dass die Beklagtenseite hier ohne jeden Anhaltspunkt spekuliert; soweit in Anlage K 13 von einer „Erneuerung der Kronen“ die Rede ist, bezieht sich dies offensichtlich auf die Zukunft und besagt nicht, dass der Zeuge schon vor dem Unfall Kronen hatte. Und zum anderen liegt es unabhängig von dieser Fragestellung angesichts der dokumentierten Schwere der Gesichts- bzw. Gebissverletzungen des Zeugen nicht fern, dass hierwegen zukünftig weitere Leistungspflichten der Klägerin entstehen können.

V. Die Klageforderung ist nicht verjährt.

1. Die Verjährungseinrede hat nur die Beklagte zu 2 erhoben. Damit stellt sich die Verjährungsproblematik hinsichtlich der Beklagten zu  nicht (§ 425 Abs. 2 BGB).

2. Verjährung ist auch in Richtung gegen die Beklagte zu 2 nicht eingetreten.

a) Regulär hätte der Lauf der dreijährigen Verjährungsfrist am 31.12.2010 begonnen und damit am 31.12.2013 geendet (§ 195, 199 BGB). Für den Beginn der Verjährung von nach § 116 SGB X übergegangenen Regressansprüchen kommt es auf die Kenntnis bzw. grob fahrlässige Unkenntnis der Mitarbeiter der Regressabteilung des Versicherungsträgers an, vorherige Kenntnisse des Geschädigten lösen den Verjährungsbeginn nicht aus (vgl. Palandt / Ellenberger, BGB, 77. Aufl., § 199 Rz. 26 m.w.Nachw.). Diese Kenntnis der Regressabteilung der Klägerin trat nach unwidersprochenem Klägervortrag im Lauf des Jahres 2010 ein.

b) Die Verjährung war jedoch durch Verhandlungen gehemmt vom 18.7.2012 bis zum 22.10.2015 (§ 203 BGB). Insoweit muss sich die Zweitbeklagte die Verhandlungen ihrer Haftpflichtversicherung (der Allianz Versicherungs AG) mit der Klägerin gemäß § 100 VVG in Verbindung mit Ziffer 5.2 AHB zurechnen lassen. Die Verhandlungen begannen spätestens mit Schreiben der A. vom 18.7.2012 (Anlage K 19), wo die Bereitschaft erklärt wird, die Angelegenheit in der nächsten Sammelbesprechung zu erörtern; damit hat die Allianz zum Ausdruck gebracht, den Anspruch jedenfalls nicht rundheraus abzulehnen, wodurch sie in Verhandlungen eingetreten ist. Mit Schreiben vom 22.10.2015 (Anlage K 20) hat die Allianz sodann auf Vorkorrespondenz und die Sammelbesprechung Bezug genommen und „das weitere Vorgehen anheim gestellt“, womit nur die Klageerhebung gemeint sein kann. Jedenfalls dadurch wurden die Verhandlungen beendet; ein früheres Ende der Verhandlungen ist nicht dargetan. Damit hat die Klägerin ein Verhandeln der Parteien vom 18.7.2012 bis zum 22.5.2015 schlüssig dargelegt; dem ist die Zweitbeklagte nicht mehr entgegen getreten.

Damit wird ein Zeitraum von ca. 15 Monaten nicht in die Verjährungsfrist eingerechnet (§ 209 BGB). Am 18.7.2012 waren ca. 19 Monate der Verjährungsfrist verstrichen; es blieben noch ca. 17 Monate, die ab dem 22.10.2015 weiter liefen. Durch Klagezustellung am 6.9.2016, also nach ca. 11 Monaten wurde die Verjährung erneut gehemmt (§ 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB).

C.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 92, 97, 101 BGB. Dem Senat erscheint es billig, die Kosten des Rechtsstreits gegeneinander aufzuheben. Das hat zur Folge, dass der Streithelfer keinen Kostenerstattungsanspruch hat, also seine notwendigen Auslagen selbst zu tragen hat.

Nach dem Grundsatz der Kostenparallelität besteht der Kostenerstattungsanspruch des Streithelfers gemäß § 101 ZPO nur in dem Umfang, wie ein Kostenerstattungsanspruch der unterstützten Partei besteht. Damit hat ein Streithelfer dann keinen Kostenerstattungsanspruch, wenn die Kosten zwischen den Parteien aufgehoben wurden, weil dann auch die unterstützte Partei ihre außergerichtlichen Kosten selbst zu tragen hat, und zwar unabhängig davon, ob die Kostenregelung zwischen den Hauptparteien auf gerichtlicher Entscheidung oder auf Vergleich beruht (vg. BGH, Beschluss vom 3.4.2003- V ZB 44/02, Rz. 9 ff; Beschluss vom 14.7.2003 _ II ZB 15/02, Rz. 5 ff.).

Damit hat die Berufung der Klägerin gegen das „Schlussurteil“ vom 29.9.2017 (welches der Sache nach ein Ergänzungsurteil nach § 321 ZPO darstellt) in vollem Umfang Erfolg.

D.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

E.

Die Revision war nicht zuzulassen, da Zulassungsgründe (§ 543 Abs. 2 ZPO) nicht vorliegen. Weder hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung noch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts. Die aufgeworfenen Rechtsfragen sind höchstrichterlich geklärt. Zu würdigen waren vorliegend die Umstände des Einzelfalles.

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Eine Geldschuld hat der Schuldner von dem Eintritt der Rechtshängigkeit an zu verzinsen, auch wenn er nicht im Verzug ist; wird die Schuld erst später fällig, so ist sie von der Fälligkeit an zu verzinsen. Die Vorschriften des § 288 Abs. 1 Satz 2, Ab

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 195 Regelmäßige Verjährungsfrist


Die regelmäßige Verjährungsfrist beträgt drei Jahre.

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 204 Hemmung der Verjährung durch Rechtsverfolgung


(1) Die Verjährung wird gehemmt durch1.die Erhebung der Klage auf Leistung oder auf Feststellung des Anspruchs, auf Erteilung der Vollstreckungsklausel oder auf Erlass des Vollstreckungsurteils,1a.die Erhebung einer Musterfeststellungsklage für einen

Zivilprozessordnung - ZPO | § 101 Kosten einer Nebenintervention


(1) Die durch eine Nebenintervention verursachten Kosten sind dem Gegner der Hauptpartei aufzuerlegen, soweit er nach den Vorschriften der §§ 91 bis 98 die Kosten des Rechtsstreits zu tragen hat; soweit dies nicht der Fall ist, sind sie dem Nebeninte

Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - - SGB 10 | § 116 Ansprüche gegen Schadenersatzpflichtige


(1) Ein auf anderen gesetzlichen Vorschriften beruhender Anspruch auf Ersatz eines Schadens geht auf den Versicherungsträger oder Träger der Eingliederungshilfe oder der Sozialhilfe über, soweit dieser auf Grund des Schadensereignisses Sozialleistung

Zivilprozessordnung - ZPO | § 321 Ergänzung des Urteils


(1) Wenn ein nach dem ursprünglich festgestellten oder nachträglich berichtigten Tatbestand von einer Partei geltend gemachter Haupt- oder Nebenanspruch oder wenn der Kostenpunkt bei der Endentscheidung ganz oder teilweise übergangen ist, so ist auf

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 203 Hemmung der Verjährung bei Verhandlungen


Schweben zwischen dem Schuldner und dem Gläubiger Verhandlungen über den Anspruch oder die den Anspruch begründenden Umstände, so ist die Verjährung gehemmt, bis der eine oder der andere Teil die Fortsetzung der Verhandlungen verweigert. Die Verjähru

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 209 Wirkung der Hemmung


Der Zeitraum, während dessen die Verjährung gehemmt ist, wird in die Verjährungsfrist nicht eingerechnet.

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 840 Haftung mehrerer


(1) Sind für den aus einer unerlaubten Handlung entstehenden Schaden mehrere nebeneinander verantwortlich, so haften sie als Gesamtschuldner. (2) Ist neben demjenigen, welcher nach den §§ 831, 832 zum Ersatz des von einem anderen verursachten Sch

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 425 Wirkung anderer Tatsachen


(1) Andere als die in den §§ 422 bis 424 bezeichneten Tatsachen wirken, soweit sich nicht aus dem Schuldverhältnis ein anderes ergibt, nur für und gegen den Gesamtschuldner, in dessen Person sie eintreten. (2) Dies gilt insbesondere von der Kündi

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 97 Zubehör


(1) Zubehör sind bewegliche Sachen, die, ohne Bestandteile der Hauptsache zu sein, dem wirtschaftlichen Zwecke der Hauptsache zu dienen bestimmt sind und zu ihr in einem dieser Bestimmung entsprechenden räumlichen Verhältnis stehen. Eine Sache ist ni

Versicherungsvertragsgesetz - VVG 2008 | § 100 Leistung des Versicherers


Bei der Haftpflichtversicherung ist der Versicherer verpflichtet, den Versicherungsnehmer von Ansprüchen freizustellen, die von einem Dritten auf Grund der Verantwortlichkeit des Versicherungsnehmers für eine während der Versicherungszeit eintretende

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 92 Verbrauchbare Sachen


(1) Verbrauchbare Sachen im Sinne des Gesetzes sind bewegliche Sachen, deren bestimmungsmäßiger Gebrauch in dem Verbrauch oder in der Veräußerung besteht. (2) Als verbrauchbar gelten auch bewegliche Sachen, die zu einem Warenlager oder zu einem s

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 101 Verteilung der Früchte


Ist jemand berechtigt, die Früchte einer Sache oder eines Rechts bis zu einer bestimmten Zeit oder von einer bestimmten Zeit an zu beziehen, so gebühren ihm, sofern nicht ein anderes bestimmt ist:1.die in § 99 Abs. 1 bezeichneten Erzeugnisse und Best

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Tenor Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 7. Zivilsenats des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig vom 5. Juni 2013 aufgehoben, soweit zu ihrem Nachteil erkannt wor

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(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.

(2) Die gleiche Verpflichtung trifft denjenigen, welcher gegen ein den Schutz eines anderen bezweckendes Gesetz verstößt. Ist nach dem Inhalt des Gesetzes ein Verstoß gegen dieses auch ohne Verschulden möglich, so tritt die Ersatzpflicht nur im Falle des Verschuldens ein.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VI ZR 395/16 Verkündet am:
13. Juni 2017
Böhringer-Mangold
Justizamtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja

a) Wird dem zunächst Verkehrssicherungspflichtigen mittels einer hoheitlichen
Maßnahme (hier: vorzeitige Besitzeinweisung gemäß § 18f FStrG) die tatsächliche
Verfügungsgewalt über ein Grundstück gegen oder ohne seinen
Willen entzogen und verbleibt bei ihm infolge dieses Entzugs nur noch eine
rein formale Rechtsposition im Sinne einer vermögensrechtlichen Zuordnung
(Eigentum), so reicht dies für die Begründung einer deliktischen Haftung für
die von dem Grundstück ausgehende Gefahr nicht aus.

b) Es verbleibt in solchen Fällen auch kein Raum für eine reduzierte Verkehrssicherungspflicht
in Form von Überwachungspflichten.
BGH, Urteil vom 13. Juni 2017 - VI ZR 395/16 - OLG Dresden
LG Chemnitz
ECLI:DE:BGH:2017:130617UVIZR395.16.0

Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 13. Juni 2017 durch den Vorsitzenden Richter Galke, den Richter Wellner, die Richterinnen von Pentz und Müller und den Richter Dr. Klein
für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des 1. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Dresden vom 15. Juli 2016 wird zurückgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten des Revisionsrechtszugs einschließlich der Kosten der Streithelferin.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Der Kläger nimmt die Beklagte auf Schadensersatz wegen Verletzung der Verkehrssicherungspflicht in Anspruch.
2
Am 13. Juni 2012 parkte der Kläger seinen Pkw VW Golf auf einem Grundstück in Flöha. Aufgrund eines Windstoßes fiel ein Ast auf den Pkw und beschädigte diesen. Der Ast fiel von einem Baum, der sich auf dem Grundstück der Beklagten befand. Bereits mit Wirkung ab 4. Januar 2010 war die Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch die Streithelferin, in den Besitz dieses Grundstücks gemäß § 18f FStrG eingewiesen worden. Der Kläger hat von der Beklagten Ersatz der Reparaturkosten in Höhe von 5.969,95 €, der vorgerichtli- chen Rechtsanwaltskosten sowie Feststellung der Ersatzpflicht für künftige aus dem Unfallereignis herrührende Schäden verlangt.
3
Das Landgericht hat der Klage überwiegend stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht das Urteil dahingehend abgeändert , dass es die Klage abgewiesen hat. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision begehrt der Kläger die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.

Entscheidungsgründe:

I.

4
Das Berufungsgericht hat einen Schadensersatzanspruch des Klägers gegen die Beklagte aus § 823 Abs. 1 BGB wegen Verletzung der Verkehrssicherungspflicht verneint. Die Beklagte sei ab Wirksamwerden der Besitzeinweisung für das streitgegenständliche Grundstück nicht mehr verkehrssicherungspflichtig gewesen. Sie habe den unmittelbaren und den mittelbaren Besitz sowie jegliche unmittelbare Einwirkungsmöglichkeit auf das Grundstück verloren. Zwar sei es ihr, weil die Fläche frei zugänglich gewesen sei, möglich gewesen, Baumkontrollen durchzuführen. Ab Wirksamkeit der Besitzeinweisung könne es jedoch nicht mehr Sache des Eigentümers sein, das Grundstück regelmäßig zu überprüfen, zumal es im Einzelfall auch ungewiss sein könne, ob der in den Besitz Eingewiesene Einwirkungen seitens des Eigentümers überhaupt dulden würde. Durch den Wegfall der Einflussmöglichkeiten infolge der Besitzeinweisung unterscheide sich der vorliegende Fall von Fällen der vertraglichen Übertragung der Verkehrssicherungspflicht, in welchen im Hinblick auf die fortbestehenden rechtlichen und tatsächlichen Einflussmöglichkeiten Kontroll- und Überwachungspflichten bei dem Übertragenden verblieben. Da die Besitzein- weisung gemäß § 18f FStrG nur zugunsten des Trägers der Straßenbaulast erfolgen könne, habe die Beklagte im Übrigen darauf vertrauen können, dass eine sachkundige und kompetente öffentlich-rechtliche Körperschaft nunmehr für das Grundstück zuständig sei.

II.

5
Diese Erwägungen halten revisionsrechtlicher Nachprüfung stand.
6
1. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ergibt sich aus § 823 Abs. 1 BGB grundsätzlich für jeden, der in seinem Verantwortungsbereich eine Gefahrenlage schafft oder andauern lässt, die Verpflichtung, die notwendigen und zumutbaren Maßnahmen zu treffen, um andere vor Schäden zu bewahren (Senatsurteile vom 1. Oktober 2013 - VI ZR 369/12, VersR 2014, 78 Rn. 13; vom 2. Oktober 2012 - VI ZR 311/11, BGHZ 195, 30 Rn. 6; vom 12. Februar 1985 - VI ZR 193/83, NJW 1985, 1773, 1774; BGH, Urteil vom 2. Februar 2006 - III ZR 159/05, VersR 2006, 803 Rn. 12; jeweils mwN).
7
Im Rahmen dieser Verkehrssicherungspflicht hat derjenige, der die Verfügungsgewalt über ein Grundstück ausübt, soweit möglich und zumutbar grundsätzlich dafür zu sorgen, dass von dort stehenden Bäumen keine Gefahr für die Rechtsgüter anderer - etwa auf öffentlichen Verkehrsflächen oder benachbarten Privatgrundstücken - ausgeht (Senatsurteile vom 31. Mai 1988 - VI ZR 275/87, VersR 1988, 957 f. mwN; vom 30. Oktober 1973 - VI ZR 115/72, VersR 1974, 88, 89; BGH, Urteile vom 8. Oktober 2004 - V ZR 84/04, juris Rn. 11; vom 21. März 2003 - V ZR 319/02, NJW 2003, 1732, 1733; anders zur Verkehrssicherungspflicht des Waldbesitzers: Senatsurteil vom 2. Oktober 2012 - VI ZR 311/11, BGHZ 195, 30 Rn. 10 ff.). Dazu gehört es, den Baumbe- stand in angemessenen Zeitabständen zum Beispiel auf Krankheitsbefall oder Äste, die herunterfallen könnten, zu überwachen (vgl. Senatsurteil vom 30. Oktober 1973 - VI ZR 115/72, aaO, 89; BGH, Urteil vom 8. Oktober 2004 - V ZR 84/04, juris Rn. 11; vom 2. Juli 2004 - V ZR 33/04, BGHZ 160, 18, 22).
8
2. Soweit eine Gefahrenquelle dem Einflussbereich des zunächst Verkehrssicherungspflichtigen ganz oder teilweise entzogen ist, kann sich eine neue Zuständigkeitsverteilung ergeben (vgl. Senatsurteil vom 1. Oktober2013 - VI ZR 369/12, VersR 2014, 78 Rn. 16). Für die haftungsrechtliche Zurechnung kommt es dann vor allem darauf an, wer in der Lage ist, die zur Gefahrenabwehr erforderlichen Maßnahmen zu treffen, was wesentlich von der tatsächlichen Verfügungsgewalt über die jeweilige Gefahrenquelle abhängen kann (vgl. BGH, Urteil vom 2. Februar 2006 - III ZR 159/05, VersR 2006, 803 Rn. 21).
9
a) Wird die Verkehrssicherungspflicht auf einen Dritten - unter Umständen , aber nicht notwendig unter gleichzeitiger Einräumung des unmittelbaren Besitzes - delegiert, so wird der Dritte für den Gefahrenbereich nach allgemeinen Deliktsgrundsätzen verantwortlich. Damit ist der ursprüngliche Verkehrssicherungspflichtige nicht völlig entlastet. Er bleibt - in Grenzen - zur Überwachung des Dritten verpflichtet und ist insofern neben diesem selbst noch verantwortlich (Senatsurteile vom 26. September 2006 - VI ZR 166/05, NJW 2006, 3628 Rn. 11; vom 27. November 1984 - VI ZR 49/83, NJW 1985, 484 f.; vom 2. Oktober 1984 - VI ZR 125/83, VersR 1984, 1190 f.; BGH, Urteil vom 22. Juli 1999 - III ZR 198/98, BGHZ 142, 227, 233). Dies gilt nicht nur dann, wenn die Verkehrssicherungspflicht vertraglich auf einen Dritten übertragen worden ist, sondern auch, wenn letzterer faktisch die Aufgabe der Verkehrssicherung in dem Gefahrenbereich übernommen hat und im Hinblick hierauf Schutzvorkehrungen durch den ursprünglich Verkehrssicherungspflichtigen unterbleiben, weil sich dieser auf ein Tätigwerden des Dritten verlässt (Senatsurteile vom 22. Ja- nuar 2008 - VI ZR 126/07, VersR 2008, 505 Rn. 9; vom 17. Januar 1989 - VI ZR 186/88, VersR 1989, 526). Eine völlige Entlastung des ursprünglich Verkehrssicherungspflichtigen findet auch in den Fällen nicht statt, in denen sich aufgrund der faktischen Gegebenheiten einer Geschäftssparte, etwa bei internationalen Warenlieferungs- und Transportketten, die Verlagerung der Möglichkeiten zur primären Gefahrenbeherrschung auf weitere Beteiligte nicht vermeiden lässt (Senatsurteil vom 1. Oktober 2013 - VI ZR 369/12, VersR 2014, 78 Rn. 16).
10
b) Von den genannten Fällen der Delegierung und der spartentypischen Verlagerung der Verkehrssicherungspflicht sind die Fälle zu unterscheiden, in denen dem zunächst Verkehrssicherungspflichtigen die tatsächliche Verfügungsgewalt über die Gefahrenquelle gegen oder ohne seinen Willen entzogen wird, er sich seiner Einwirkungsmöglichkeiten auf die Gefahrenquelle also nicht freiwillig begibt. Verbleibt infolge dieses Entzugs bei dem ursprünglich Verkehrssicherungspflichtigen nur noch eine rein formale Rechtsposition im Sinne einer vermögensrechtlichen Zuordnung (Eigentum), so reicht dies für die Begründung einer deliktischen Haftung für die von der Sache ausgehende Gefahr nicht aus. So hat bereits das Reichsgericht entschieden, dass für die Dauer der Zwangsverwaltung die Pflicht, für die Beseitigung der den Verkehr gefährdenden Mängel eines Grundstücks zu sorgen, ausschließlich dem Zwangsverwalter obliegt, weil dem Eigentümer infolge der Zwangsverwaltung jede Einwirkung auf das Grundstück verwehrt ist (RGZ 93, 1, 2 f.; vgl. auch BGH, Urteil vom 28. April 1952 - III ZR 118/51, BGHZ 5, 378, 382). Auch dort, wo eine öffentlichrechtliche Herrschaft über eine Sache besteht, wie beispielsweise bei Widmung derselben zum Gemeingebrauch, kann der privatrechtliche Eigentümer dieser Sache sein privates Recht insoweit nicht mehr ausüben und in seiner Rolle als Privateigentümer nichts mehr zur Verkehrssicherung unternehmen. Soweit sein Eigentum durch die hoheitliche Verwaltung zurückgedrängt ist, kann aus ihm (dem Eigentum) eine Rechtspflicht zum Tätigwerden nicht hergeleitet werden (BGH, Urteil vom 30. April 1953 - III ZR 377/51, BGHZ 9, 373, 384 f.). Es verbleibt in solchen Fällen auch kein Raum für eine reduzierte Verkehrssicherungspflicht in Form von Überwachungspflichten. Wer mit der zwangsweisen Verlagerung seiner tatsächlichen Verfügungsgewalt auf einen Dritten konfrontiert wird, den er nicht auswählt und auf den er rechtlich nicht einwirken kann, hat diesen nicht zu überwachen.
11
3. Nach diesen Grundsätzen war die Beklagte zwar ursprünglich verkehrssicherungspflichtig. Sie hatte dafür zu sorgen, dass von den Bäumen auf ihrem Grundstück keine Gefahr auf die Parkfläche ausging. Diese Pflichtenstellung hat sie aber mit Wirksamwerden der vorzeitigen Besitzeinweisung gemäß § 18f FStrG gänzlich verloren; es verblieben auch keine Überwachungspflichten.
12
a) Eine vorzeitige Besitzeinweisung gemäß § 18f FStrG findet statt, wenn sich der Eigentümer oder Besitzer eines für eine Fernstraßenbaumaßnahme benötigten Grundstücks weigert, den Besitz an dem Grundstück dem Baulastträger freiwillig durch Vereinbarung zu überlassen. Die Enteignungsbehörde hat dann den Träger der Straßenbaulast auf Antrag nach Feststellung des Plans oder Erteilung der Plangenehmigung in den Besitz des benötigten Grundstücks einzuweisen, § 18f Abs. 1 Satz 1 FStrG. Durch die Besitzeinweisung, die einen Teil der Enteignung darstellt (Kromer/Müller in Müller/Schulz, FStrG, 2. Aufl., § 18f Rn. 6; Aust in Kodal, Straßenrecht, 7. Aufl., Kap. 39 Rn. 30.1), wird gemäß § 18f Abs. 4 Satz 4 FStrG dem Besitzer der Besitz entzogen und der Träger der Straßenbaulast wird Besitzer, damit er auf dem Grundstück das Bauvorhaben ausführen und die dafür erforderlichen Maßnahmen treffen kann (§ 18f Abs. 4 Satz 5 FStrG). Mit Besitz ist die tatsächliche Gewalt über das Grundstück im Sinne von § 854 Abs. 1 BGB gemeint, also die Fähigkeit, über die Verwendung des Grundstücks unmittelbar zu bestimmen und jeden anderen an dessen Betreten oder Benutzen zu hindern (Kromer/Müller aaO Rn. 2, 13). Der Eigentümer kann nunmehr, notfalls mit Zwangsmaßnahmen, von der Nutzung des Grundstücks ausgeschlossen werden (vgl. BGH, Urteil vom 13. Oktober 1983 - III ZR 155/82, BGHZ 88, 337, 340).
13
b) Wie die Revision insoweit zutreffend erkennt, handelt es sich vorliegend mithin nicht um einen Fall, in dem die Verkehrssicherungspflicht in vertraglichem oder faktischem Einvernehmen - ggf. unter gleichzeitiger freiwilliger Einräumung des unmittelbaren Besitzes - delegiert wurde. Vielmehr wurde der Beklagten mittels einer hoheitlichen Maßnahme die Sachherrschaft und damit die Einwirkungsmöglichkeit auf das Grundstück entzogen. Die Beklagte hat damit trotz der ihr verbliebenen - formalen - Eigentümerstellung die deliktische Verantwortung für die Kontrolle der Bäume auf dem ihrem Besitz und ihrer Bestimmungsmacht entzogenen Grundstück für die Dauer der Besitzeinweisung gänzlich verloren, während gleichzeitig diesbezügliche Verkehrssicherungspflichten auf Seiten der in den Besitz eingewiesenen Bundesrepublik Deutschland , vertreten durch die Streithelferin, begründet wurden. Da sich die Bäume nicht mehr im Verantwortungsbereich der Beklagten befanden, hatte diese die Streithelferin, auf die sie diesbezüglich ohnehin keine rechtliche Einwirkungsmöglichkeiten gehabt hätte, nicht auf die Erfüllung der allein dieser obliegenden Verkehrssicherungspflicht zu überwachen. Der von der Revision angeführte Umstand, dass die Beklagte die Streithelferin rein tatsächlich zur Baumkontrolle hätte anhalten können, vermag eine diesbezügliche deliktsrechtliche Verpflichtung der Beklagten nicht zu begründen.
14
Darauf, ob die Beklagte zudem, wie im angefochtenen Urteil ausgeführt, darauf vertrauen konnte, dass nunmehr eine sachkundige und kompetente öffentlich -rechtliche Körperschaft für die Verkehrssicherung des Grundstücks zuständig sein würde, kommt es nicht an. Dieser Gesichtspunkt kann dem Um- fang von Überwachungspflichten Grenzen setzen (vgl. Senatsurteile vom 1. Oktober 2013 - VI ZR 369/12, VersR 2014, 78 Rn. 16; vom 2. Oktober 1984 - VI ZR 125/83, VersR 1984, 1190, 1191; BGH, Urteil vom 22. Juli 1999 - III ZR 198/98, BGHZ 142, 227, 233), die hier aber schon nicht begründet wurden. Galke Wellner von Pentz Müller Klein
Vorinstanzen:
LG Chemnitz, Entscheidung vom 04.02.2016 - 2 O 999/13 -
OLG Dresden, Entscheidung vom 15.07.2016 - 1 U 345/16 -

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VI ZR 311/11 Verkündet am:
2. Oktober 2012
Holmes
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja
Eine Haftung des Waldbesitzers wegen Verletzung der Verkehrssicherungspflicht
besteht grundsätzlich nicht für waldtypische Gefahren.
BGH, Urteil vom 2. Oktober 2012 - VI ZR 311/11 - OLG Saarbrücken
LG Saarbrücken
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 2. Oktober 2012 durch den Vorsitzenden Richter Galke, den Richter Wellner
, die Richterin Diederichsen, den Richter Pauge und die Richterin von Pentz

für Recht erkannt:
Auf die Revisionen der Beklagten wird das Urteil des 1. Zivilsenats des Saarländischen Oberlandesgerichts in Saarbrücken vom 9. November 2011 aufgehoben. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Saarbrücken vom 3. März 2010 wird zurückgewiesen. Die Klägerin hat die Kosten der Rechtsmittelzüge zu tragen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Die Klägerin wurde bei einem Waldspaziergang von einem herabfallenden Ast getroffen und dabei schwer verletzt. Sie ging am 18. Juli 2006 mit ihrem Hund in einem etwa 300 ha großen, planmäßig bewirtschafteten Wald der Beklagten zu 1 spazieren, der am Stadtrand von D. gelegen ist und als Naherholungsgebiet dient. Der Beklagte zu 2 ist Diplom-Forstwirt und bei der Beklagten zu 1 für den Bereich des Waldgrundstücks zuständig. In einer Abteilung des Waldgebiets steht ein seinerzeit 106-jähriger Eichenwald, der teilweise mit an- deren Laub- und Nadelhölzern gemischt ist und durch den ein etwa 3,5 m breiter Forstwirtschaftsweg führt. Von einer Eiche, die etwa fünf bis sechs Meter neben diesem von der Klägerin begangenen Weg stand, löste sich ein so genannter Starkast, der die Klägerin am Hinterkopf traf. Der Ast war etwa 17 m lang, mehrfach gekrümmt und in etwa 4,5 m Entfernung vom Stamm gegabelt. Sein Durchmesser betrug an der Basis 26 cm und im Ausgangsbereich des Bruchs - in etwa 1,8 bis 2,0 m Entfernung vom Stamm - etwa 23 cm. Zum Unfallzeitpunkt herrschte leichter Wind, und es war sehr warm.
2
Die Klägerin erlitt eine schwere Hirnschädigung. Sie befindet sich - nach stationären Aufenthalten unter anderem in einer Klinik für Wachkomapatienten - heute in häuslicher Pflege bei ihrer Schwester. Sie wird durch ihre Mutter als Betreuerin vertreten.
3
Die Klägerin nimmt die Beklagten wegen Verletzung der Verkehrssicherungspflicht auf Ersatz materiellen und immateriellen Schadens in Anspruch. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Oberlandesgericht der Klage durch Grund- und Teilurteil stattgegeben. Mit den vom Berufungsgericht zugelassenen Revisionen begehren die Beklagten die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.

Entscheidungsgründe:

I.

4
Das Berufungsgericht, dessen Urteil bei juris veröffentlicht ist (OLG Saarbrücken, Urteil vom 9. November 2011 - 1 U 177/10 - 46), ist der Auffassung , die Beklagten hätten die ihnen obliegenden Verkehrssicherungspflichten schuldhaft verletzt. Soweit in § 14 Abs. 1 Satz 3 BWaldG geregelt sei, dass das Betreten des Waldes "auf eigene Gefahr" erfolge, schließe dies nicht die allgemeine Verkehrssicherungspflicht für Waldbesitzer aus, sondern lediglich die Entstehung besonderer zusätzlicher Verkehrssicherungspflichten. Der Grundsatz , dass der Waldbesitzer nicht für typische, sondern lediglich für atypische Waldgefahren hafte, gelte nicht uneingeschränkt. Unter Berücksichtigung der im Streitfall gegebenen besonderen Umstände habe die Beklagte zu 1 eine - allerdings herabgestufte und eingeschränkte - Verkehrssicherungspflicht hinsichtlich der am Rand des Erholungswegs stehenden Bäume getroffen, die sie unabhängig von der Typizität der Gefahr jedenfalls dann zum Einschreiten verpflichtet habe, wenn sich ihr konkrete Anhaltspunkte für eine besondere, unmittelbare Gefährdung geboten hätten. Diese Voraussetzungen seien vorliegend erfüllt, weil der Wald von der Bevölkerung als Naherholungsgebiet stark frequentiert werde, der Baum etwa fünf bis sechs Meter neben dem Weg gestanden habe und der betreffende Ast aufgrund seines Ausmaßes geeignet gewesen sei, auf den Weg zu stürzen und dort befindliche Waldbesucher zu schädigen. Nach den Ausführungen des Sachverständigen Dipl.-Forstwirt F. seien Auslöser des Bruchs zum einen der generelle Sommerbruch und zum anderen die den oberen Astquerschnitt durch Durchtrennung seines Zugmuskels schwächende Starkastfäule gewesen, welche vermutlich auf Geschosssplitter aus dem Zweiten Weltkrieg zurückgehe. Zwar hätte die Bruchstelle, die sich in einer Höhe von acht bis zehn Metern auf der Oberseite des Astes befunden habe, bei einer Sichtkontrolle vom Boden aus nicht erkannt werden können, doch habe das Spezifische der Gefahr in der fünf bis zehn Jahre zuvor weggebrochenen Hauptkrone und dem lediglich noch verbliebenen Nebenbereich des später abgebrochenen schweren, schräg stehenden Astes bestanden, bei dem es sich um einen "Löwenschwanzast" mit nur noch geringer aktiver Ernährung durch die Laubquaste gehandelt habe. Hauptursache für die Beeinträchtigung der Stabilität sei die ungünstige Statik des Baums gewesen, die durch den Abbruch der Hauptkrone und das erhebliche Gewicht sowie den Schrägstand des Astes eingetreten sei. Aufgrund dieser Besonderheiten sei von dem Baum eine unmittelbare Gefahr ausgegangen, die sich jederzeit habe realisieren können und auf die der Beklagte zu 2 hätte reagieren müssen. Dessen pflichtwidriges Verhalten müsse sich die Beklagte zu 1, da seine Stellung als diejenige eines verfassungsmäßig berufenen Vertreters zu qualifizieren sei, gemäß § 31 BGB als eigenes zurechnen lassen. Darüber hinaus bestehe eine Eigenhaftung des Beklagten zu 2 gemäß §§ 823, 249 ff., 253 BGB.

II.

5
Diese Erwägungen halten der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand. Das Berufungsgericht überspannt Ausmaß und Umfang der für einen Waldbesitzer geltenden Verkehrssicherungspflichten.
6
1. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist derjenige, der eine Gefahrenlage - gleich welcher Art - schafft, grundsätzlich verpflichtet, die notwendigen und zumutbaren Vorkehrungen zu treffen, um eine Schädigung anderer möglichst zu verhindern. Die rechtlich gebotene Verkehrssicherung umfasst diejenigen Maßnahmen, die ein umsichtiger und verständiger, in vernünftigen Grenzen vorsichtiger Mensch für notwendig und ausreichend hält, um andere vor Schäden zu bewahren (Senatsurteile vom 6. März 1990 - VI ZR 246/89, VersR 1990, 796, 797; vom 8. November 2005 - VI ZR 332/04, VersR 2006, 233 Rn. 9; vom 6. Februar 2007 - VI ZR 274/05, VersR 2007, 659 Rn. 14; vom 3. Juni 2008 - VI ZR 223/07, VersR 2008, 1083 Rn. 9; vom 9. September 2008 - VI ZR 279/06, VersR 2008, 1551 Rn. 10; vom 2. März 2010 - VI ZR 223/09, VersR 2010, 544 Rn. 5 und vom 15. Februar 2011 - VI ZR 176/10, VersR 2011, 546 Rn. 8, jeweils mwN). Verkehrssicherungspflichtig ist auch der- jenige, der in seinem Verantwortungsbereich eine eingetretene Gefahrenlage andauern lässt (vgl. Senatsurteil vom 12. Februar 1985 - VI ZR 193/83, NJW 1985, 1773, 1774; BGH, Urteile vom 2. Februar 2006 - III ZR 159/05, VersR 2006, 803 Rn. 12 und vom 16. Februar 2006 - III ZR 68/05, VersR 2006, 665 Rn. 13).
7
Zu berücksichtigen ist jedoch, dass nicht jeder abstrakten Gefahr vorbeugend begegnet werden kann. Ein allgemeines Verbot, andere nicht zu gefährden , wäre utopisch. Eine Verkehrssicherung, die jede Schädigung ausschließt , ist im praktischen Leben nicht erreichbar. Haftungsbegründend wird eine Gefahr erst dann, wenn sich für ein sachkundiges Urteil die nahe liegende Möglichkeit ergibt, dass Rechtsgüter anderer verletzt werden. Deshalb muss nicht für alle denkbaren Möglichkeiten eines Schadenseintritts Vorsorge getroffen werden. Es sind vielmehr nur die Vorkehrungen zu treffen, die geeignet sind, die Schädigung anderer tunlichst abzuwenden. Der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt ist genügt, wenn im Ergebnis derjenige Sicherheitsgrad erreicht ist, den die in dem entsprechenden Bereich herrschende Verkehrsauffassung für erforderlich hält. Daher reicht es anerkanntermaßen aus, diejenigen Sicherheitsvorkehrungen zu treffen, die ein verständiger, umsichtiger, vorsichtiger und gewissenhafter Angehöriger der betroffenen Verkehrskreise für ausreichend halten darf, um andere Personen vor Schäden zu bewahren, und die den Umständen nach zuzumuten sind (Senatsurteile vom 6. März 1990 - VI ZR 246/89, aaO; vom 8. November 2005 - VI ZR 332/04, aaO Rn. 10; vom 6. Februar 2007 - VI ZR 274/05, aaO Rn. 15; vom 3. Juni 2008 - VI ZR 223/07, aaO; vom 9. September 2008 - VI ZR 279/06, aaO; vom 2. März 2010 - VI ZR 223/09, aaO Rn. 6; vom 15. Februar 2011 - VI ZR 176/10, aaO Rn. 9, jeweils mwN).
8
Kommt es in Fällen, in denen hiernach keine Schutzmaßnahmen getroffen werden mussten, weil eine Gefährdung anderer zwar nicht völlig ausge- schlossen, aber nur unter besonders eigenartigen und entfernter liegenden Umständen zu befürchten war, ausnahmsweise doch einmal zu einem Schaden, so muss der Geschädigte - so hart dies im Einzelfall sein mag - den Schaden selbst tragen.
9
2. Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze und der gesetzlichen Risikozuweisung hinsichtlich waldtypischer Gefahren ist eine Haftung der Beklagten zu 1 wegen Verletzung der Verkehrssicherungspflicht vorliegend nicht gegeben.
10
a) Nach § 25 Abs. 5 Satz 1 des Waldgesetzes für das Saarland vom 26. Oktober 1977 (Landeswaldgesetz, Amtsbl. S. 1009, im Folgenden: LWaldG SL) in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des Landeswaldgesetzes vom 9. Juli 2003 (Amtsbl. S. 2130) erfolgt die Benutzung des Waldes auf eigene Gefahr. Hieraus ergibt sich, wie das Berufungsgericht zutreffend angenommen hat, dass der Waldbesitzer grundsätzlich nur für atypische Gefahren, nicht aber für waldtypische Gefahren haftet.
11
aa) Dem Waldbesucher ist das Betreten des Waldes gestattet. Eine solche Gestattung ist in § 14 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes zur Erhaltung des Waldes und zur Förderung der Forstwirtschaft vom 2. Mai 1975 (BGBl. I S. 1037, im Folgenden: BWaldG) geregelt. § 14 BWaldG enthält allerdings keine für den Bürger unmittelbar verbindlichen Rechtssätze; Normadressaten sind vielmehr allein die Länder, die zum Erlass entsprechender Außenrechtssätze verpflichtet werden. Der Vorschrift kommt insgesamt lediglich ein rahmenrechtlicher Charakter zu (BVerfGE 80, 137, 156 f., vgl. §§ 5, 14 Abs. 2 BWaldG). Die Betretungsbefugnis ergibt sich aber aus den auf dieser Grundlage erlassenen landesgesetzlichen Vorschriften, im Streitfall aus § 25 Abs. 1 Satz 1 LWaldG SL. Mit der Betretungsbefugnis ist nach § 25 Abs. 5 Satz 1 LWaldG SL die Rege- lung verbunden, dass die Benutzung des Waldes auf eigene Gefahr geschieht (siehe auch § 14 Abs. 1 Satz 3 BWaldG).
12
bb) Da der Waldbesucher den Wald auf eigene Gefahr nutzt, ist eine Haftung des Waldbesitzers für waldtypische Gefahren ausgeschlossen. Dies entspricht der in der Rechtsprechung und Literatur ganz überwiegend vertretenen Auffassung (vgl. OLG Köln, NJW-RR 1987, 988; OLG Koblenz, NZV 1990, 391, 392; NJW-RR 2003, 1253, 1254; OLG Celle, VersR 2006, 1423 unter Bezugnahme auf LG Hannover, NuR 2006, 597; OLG Hamm, NuR 2007, 845; OLG Düsseldorf, NJW-RR 2008, 1247, 1248; OLG Karlsruhe, NuR 2011, 823, 824; LG Braunschweig, NuR 2007, 778; LG Tübingen, NuR 2007, 780 f.; siehe auch OLG Nürnberg, MDR 1976, 222; OLG Düsseldorf, VersR 1998, 1166; OLG Naumburg, OLGR 2007, 224, 226; vgl. Fischer-Hüftle in Schumacher /Fischer-Hüftle, BNatSchG, 2. Aufl., § 60 Rn. 6 ff.; Gebhard, NuR 2008, 754, 763; Staudinger/Hager, BGB, Neubearb. 2009, § 823 Rn. E 171; Spindler in Bamberger/Roth, BGB, 3. Aufl., § 823 Rn. 288; Palandt/Sprau, BGB, 71. Aufl., § 823 Rn. 190; Geigel/Wellner, Der Haftpflichtprozess, 26. Aufl., Kap. 14 Rn. 95; vgl. MünchKommBGB/Wagner, 5. Aufl., § 823 Rn. 437).
13
Der Tatbestand des Handelns auf eigene Gefahr ist erfüllt, wenn sich jemand in eine Situation drohender Eigengefährdung begibt, obwohl er die besonderen Umstände kennt, die für ihn eine konkrete Gefahrenlage begründen (vgl. Senatsurteile vom 14. März 1961 - VI ZR 189/59, BGHZ 34, 355, 363 ff.; vom 17. März 2009 - VI ZR 166/08, VersR 2009, 693 Rn. 9 mwN; Gebhard, aaO S. 759 f.; Palandt/Grüneberg, BGB, 71. Aufl., § 254 Rn. 32). Der Waldbesucher setzt sich mit dem Betreten des Waldes bewusst den waldtypischen Gefahren aus. Nach der Wertung des Gesetzgebers fallen diese Gefahren grundsätzlich in seinen Verantwortungsbereich (vgl. Bittner, VersR 2009, 896, 899). In einem Schadensfall ist dieses Handeln auf eigene Gefahr gemäß § 25 Abs. 5 Satz 1 LWaldG SL deshalb ausnahmsweise nicht erst im Rahmen der Abwägung der Verursachungs- und Verschuldensanteile nach § 254 BGB zu berücksichtigen (zu § 254 BGB vgl. Senatsurteile vom 14. März 1961 - VI ZR 189/59, aaO und vom 17. März 2009 - VI ZR 166/08, aaO Rn. 7 ff.). Soweit der Waldbenutzer auf eigene Gefahr handelt, fehlt es vielmehr bereits an einer Verkehrssicherungspflicht des Waldbesitzers, denn diesem sollen nach der Begründung zu dem Gesetzentwurf, der § 14 Abs. 1 BWaldG zugrunde liegt, neben der "normalen" Verkehrssicherungspflicht keine weiteren Sicherungspflichten auferlegt werden (vgl. BT-Drucks. 7/889, S. 29).
14
Die Verkehrssicherungspflicht des Waldbesitzers ist mithin nicht gänzlich ausgeschlossen, sondern auf die Sicherung gegen solche Gefahren beschränkt , die nicht waldtypisch, sondern im Wald atypisch sind (zum jeweiligen Landesrecht vgl. OLG Düsseldorf, VersR 1983, 542 f.; OLG Köln, aaO; OLG Karlsruhe, aaO; OLG Celle, aaO; OLG Hamm, aaO; OLG Düsseldorf, NJW-RR 2008, 1247, 1248; OLG Karlsruhe, aaO; LG Braunschweig, aaO; LG Tübingen, aaO S. 780; Staudinger/Hager, BGB, aaO; Endres, in Kolodziejcok/Endres /Krohn/Bendomir-Kahlo, Naturschutz, Landschaftspflege und einschlägige Regelungen des Jagd- und Forstrechts, § 14 BWaldG Rn. 20 [Stand: Dezember 2011]; Klose/Orf, Forstrecht, 2. Aufl., § 14 BWaldG Rn. 45 f.; anders noch OLG Hamm, VersR 1985, 597: keine Verkehrssicherungspflicht). Dementsprechend stellt § 25 Abs. 5 Satz 2 LWaldG SL klar, dass durch die Benutzung des Waldes keine besonderen Sorgfalts- und Verkehrssicherungspflichten begründet werden.
15
cc) Die Haftungsbeschränkung auf atypische Gefahren gilt auch für Waldwege. Gemäß § 2 Abs. 2 Satz 1 LWaldG SL gelten auch Waldwege als Wald (vgl. § 2 Abs. 1 Satz 2 BWaldG). Der Waldbesucher, der auf eigene Gefahr Waldwege betritt, kann grundsätzlich nicht erwarten, dass der Waldbesitzer Sicherungsmaßnahmen gegen waldtypische Gefahren ergreift. Mit waldtypischen Gefahren muss der Waldbesucher stets, also auch auf Wegen rechnen (vgl. OLG Düsseldorf, NJW-RR 2008, 1247, 1248; Geigel/Wellner, aaO; Orf, RdL 2008, 281, 284). Er ist primär selbst für seine Sicherheit verantwortlich (vgl. OLG Naumburg, aaO; MünchKommBGB/Wagner, aaO Rn. 470). Risiken, die ein freies Bewegen in der Natur mit sich bringt, gehören grundsätzlich zum entschädigungslos hinzunehmenden allgemeinen Lebensrisiko (vgl. Senatsurteil vom 18. Oktober 1988 - VI ZR 94/88, VersR 1989, 155, 156; Braun, AUR 2012, 207, 208).
16
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus den von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen für die Verkehrssicherung von Straßenbäumen. Der Eigentümer des an einer öffentlichen Straße liegenden Waldgrundstücks ist mit Rücksicht auf den Straßenverkehr verpflichtet, schädliche Einwirkungen auf die Verkehrsteilnehmer durch umstürzende Bäume zu vermeiden. Er ist verpflichtet , den Baumbestand so anzulegen, dass er im Rahmen des nach forstwirtschaftlicher Erkenntnis Möglichen gegen Windbruch und Windwurf gesichert ist (vgl. Senatsurteil vom 30. Oktober 1973 - VI ZR 115/72, VersR 1974, 88, 89 mwN; siehe auch BGH, Urteile vom 21. Januar 1965 - III ZR 217/63, VersR 1965, 475, 476; vom 27. Oktober 1988 - III ZR 23/88, NVwZ 1990, 297, 298 und vom 4. März 2004 - III ZR 225/03, VersR 2004, 877, 878). Entsprechendes gilt, wenn Bäume ein Nachbargrundstück gefährden (vgl. Senatsurteil vom 31. Mai 1988 - VI ZR 275/87, VersR 1988, 957 f.; BGH, Urteile vom 21. März 2003 - V ZR 319/02, NJW 2003, 1732, 1733; vom 2. Juli 2004 - V ZR 33/04, BGHZ 160, 18, 22 f. und vom 8. Oktober 2004 - V ZR 84/04, AUR 2005, 410). Diese Grundsätze sind auf Waldwege nicht übertragbar.
17
Waldwege sind mangels entsprechender Widmung keine öffentlichen Straßen nach dem Straßen- und Wegerecht (vgl. Agena, NuR 2007, 707, 713; Kodal/Herber, Straßenrecht, 7. Aufl., Kap. 5 Rn. 5 und 17 sowie Kap. 8 Rn. 1; Orf, RdL 2008, 311, 313; Sauthoff, Öffentliche Straßen, 2. Aufl., Rn. 206). Nach § 25 Abs. 1 Satz 3 LWaldG SL sind Wege im Sinne des Landeswaldgesetzes nicht dem öffentlichen Verkehr gewidmete, dauerhaft angelegte oder naturfeste forstliche Wirtschaftswege. Die Befugnis, Waldwege zu betreten, ergibt sich erst aus den landesgesetzlichen Regelungen, die auf der Grundlage von § 14 BWaldG ergangen sind (vgl. auch OLG Hamm, VersR 1985, 597), im Streitfall aus § 25 Abs. 1 Satz 1 LWaldG SL. Für das Betreten der Waldwege gilt mithin dasselbe wie für das Betreten des Waldes. Beides erfolgt - anders als etwa bei öffentlichen Straßen - grundsätzlich auf eigene Gefahr (vgl. § 25 Abs. 5 Satz 1 LWaldG SL; Orf, RdL 2008, 281, 282).
18
dd) Eine Ausnahme von dem Grundsatz, dass der Waldbesitzer nicht für waldtypische Gefahren an Waldwegen verantwortlich ist, kommt entgegen der vom Berufungsgericht und Teilen der Rechtsprechung und Literatur vertretenen Ansicht nicht bereits dann in Betracht, wenn diese stark frequentiert werden (vgl. zu dieser Ansicht LG Tübingen, aaO S. 781; Agena, aaO S. 715; Breloer, Verkehrssicherungspflicht bei Bäumen, 6. Aufl., S. 77 f.; dies., AFZ-Der Wald 2000, 710, 711; dies., AUR 2004, 174, 176; Endres, aaO; Klose/Orf, aaO Rn. 45 ff., 63; Hötzel, VersR 2004, 1234, 1238; Schaefer/Vanvolxem, LWaldG Rheinland-Pfalz, § 22 Nr. 2.5 [Stand: Februar 2011]; Schneider, VersR 2007, 743, 753; ders. in FLL-Verkehrssicherheitstage 2011, S. 9, 32; Schulz, AUR 2012, 121, 126 f.).
19
Zwar ist dem Berufungsgericht zuzugeben, dass das Bestehen von Verkehrssicherungspflichten von der Verkehrserwartung und der Zweckbestimmung der jeweiligen Verkehrsfläche abhängen kann. Dies gilt angesichts der in § 25 LWaldG SL normierten Risikoverteilung jedoch nicht hinsichtlich waldtypischer Gefahren. Die Befugnis der Waldbesucher, den Wald zu betreten, stellt als Konkretisierung der Sozialgebundenheit (Art. 14 Abs. 2 GG) eine zulässige Inhaltsbestimmung des Eigentums dar (vgl. Bryde in von Münch/Kunig, GG, 6. Aufl., Art. 14 Rn. 65 "Wald"; BT-Drucks. 7/889, S. 29). Indem § 25 LWaldG SL dem Waldbesucher auf der Grundlage von § 14 BWaldG eine Betretungsbefugnis einräumt, ihm aber zugleich das Risiko waldtypischer Gefahren auferlegt, schafft die Vorschrift den nach § 1 Nr. 3 BWaldG und § 1 Abs. 2 Nr. 3 LWaldG SL bezweckten Ausgleich zwischen dem Interesse der Allgemeinheit und den Belangen der Waldeigentümer bzw. Waldbesitzer.
20
Nach der gesetzlichen Risikoverteilung (§ 25 Abs. 5 Satz 1 LWaldG SL) ist auch eine auf stark frequentierte Waldwege beschränkte Verkehrssicherungspflicht des Waldbesitzers hinsichtlich waldtypischer Gefahren grundsätzlich nicht gegeben. Dies gilt ungeachtet der Tatsache, dass die Waldnutzung im Verlauf der Jahre zugenommen hat (vgl. Orf, RdL 2008, 281, 284 f.; ders., RdL 2008, 311 f.). Auch an stark frequentierten Waldwegen werden die Haftungsrisiken relevant, die nach den gesetzlichen Vorschriften der Waldbesucher tragen soll. Gegen eine vom Grad der Frequentierung abhängige Verkehrssicherungspflicht sprechen auch praktische Erwägungen. Eine solche Verkehrssicherungspflicht würde zu erheblicher Rechtsunsicherheit führen (vgl. Agena, aaO S. 714). Unter welchen Voraussetzungen eine starke Frequentierung anzunehmen ist, kann abstrakt nicht mit hinreichender Zuverlässigkeit beschrieben werden. Hinzu kommt, dass die Frage, welche Sicherungsmaßnahmen gegebenenfalls erforderlich sein sollen, nicht allgemein, sondern nur für den jeweiligen Einzelfall beantwortet werden kann.
21
Baumkontrollen wie bei Straßenbäumen sind dem Waldbesitzer auch an stark frequentierten Waldwegen nicht zuzumuten. Sie sind nicht mit einer allgemeinen Überprüfung häufig genutzter Waldwege, die ein Waldbesitzer etwa nach einem Sturm zur Schadensfeststellung durchführen mag, zu vergleichen.
Auch als Kehrseite der Bewirtschaftung ist es dem Waldbesitzer nicht zumutbar , ihm neben seiner mit der Betretungsbefugnis des Waldbesuchers verbundenen Duldungspflicht noch entsprechende Verkehrssicherungspflichten aufzuerlegen (vgl. Gebhard, aaO S. 763; Orf, RdL 2008, 281, 285; zur Gefahrenabwehr als Kehrseite der Bewirtschaftung Senatsurteil vom 31. Mai 1988 - VI ZR 275/87, aaO S. 958). Dass der Waldbesucher die waldtypischen Gefahren selbst tragen muss, ist gleichsam der Preis für die eingeräumte Betretungsbefugnis (vgl. Gebhard, aaO).
22
ee) Dass den Waldbesitzer grundsätzlich keine Pflicht trifft, den Verkehr auf Waldwegen gegen waldtypische Gefahren zu sichern, entspricht auch der nunmehr in § 14 BWaldG für das Betreten des Waldes getroffenen Regelung. In Abs. 1 Satz 3 dieser Vorschrift heißt es, dass die Benutzung auf eigene Gefahr geschieht. Nach Abs. 1 Satz 4 in der heute geltenden Fassung gilt dies insbesondere für waldtypische Gefahren. Diese Vorschrift wurde - zeitlich nach dem Unfall der Klägerin - mit dem Zweiten Gesetz zur Änderung des Bundeswaldgesetzes vom 31. Juli 2010 (BGBl. I 2010, S. 1050) eingeführt und ist am 6. August 2010 in Kraft getreten (zur Gesetzgebung des Bundes und der Länder in den Jahren zuvor vgl. Orf, RdL 2008, 311, 314 ff.). Mit der in § 14 Abs. 1 BWaldG als Satz 4 eingefügten Vorschrift wollte der Gesetzgeber die "derzeit gültige Rechtsprechung" durch eine klarstellende Ergänzung gesetzlich verankern (BT-Drucks. 17/1220, S. 1, 7; vgl. auch OLG Karlsruhe, NuR 2011, 823, 824; Endres, aaO). Zur Begründung wurde angeführt, dass die Waldbesitzer aufgrund Landes- oder Kommunalrechts oft das Ausschildern von Wanderwegen durch Kommunen und/oder anerkannte Wandervereine dulden müssten und außerdem eine möglichst naturnahe Waldbewirtschaftung mit ausreichendem Totholzanteil gefordert werde. Die Waldbesitzer würden folglich durch Vorschriften im Sinne des Gemeinwohls mehr und mehr gezwungen, gefährliche Situationen zu dulden oder gar zu schaffen. Im Gegensatz zu jedem anderen Grundstückseigentümer sei es dem Waldbesitzer aber verwehrt, seinen Verkehrssicherungspflichten dadurch nachzukommen, dass er Besuchern den Zutritt zu seinen Flächen verwehre (BT-Drucks. 17/1220, S. 6; vgl. dazu Gebhard, AFZ-Der Wald 17/2010, 44 f.).
23
Die neu eingeführte Regelung des § 14 Abs. 1 Satz 4 BWaldG entspricht der für die Betretungsbefugnis des § 59 Abs. 1 BNatSchG in § 60 BNatSchG angeordneten Haftungsregelung der neuen Fassung des Gesetzes über Naturschutz und Landschaftspflege vom 29. Juli 2009 (Bundesnaturschutzgesetz, BGBl. I 2009, S. 2542, im Folgenden: BNatSchG, in Kraft getreten am 1. März 2010). Das Betreten der freien Landschaft erfolgt gemäß § 60 Satz 1 BNatSchG auf eigene Gefahr. § 60 Satz 2 BNatSchG regelt, dass durch die Betretungsbefugnis des § 59 Abs. 1 BNatSchG keine zusätzlichen Sorgfalts- oder Verkehrssicherungspflichten begründet werden. Nach § 60 Satz 3 BNatSchG besteht insbesondere keine Haftung für typische, sich aus der Natur ergebende Gefahren. Damit sollen in der Praxis bestehende Unsicherheiten zur Frage der Verkehrssicherungsmaßnahmen durch eine gesetzgeberische Klarstellung verringert werden (vgl. BT-Drucks. 16/12274, S. 74; näher zur Haftungsregelung siehe Fischer-Hüftle in Schumacher/Fischer-Hüftle, BNatSchG, 2. Aufl., § 60 Rn. 4 ff.; Maus in Frenz/Müggenborg, BNatSchG, 2011, § 60 Rn. 4 ff.). Eine Änderung der zuvor bestehenden Rechtslage ist mit den in § 14 Abs. 1 Satz 4 und § 60 Satz 2 und 3 BNatSchG getroffenen Klarstellungen nicht eingetreten. Sie war ausweislich der jeweiligen Gesetzesbegründung auch nicht beabsichtigt.
24
b) Im Streitfall hat sich nach den Feststellungen des Berufungsgerichts eine waldtypische Gefahr verwirklicht, für welche die Beklagte zu 1 mithin nicht verantwortlich war.
25
aa) Zu den typischen Gefahren des Waldes, gegen die der Waldbesitzer Waldwege grundsätzlich nicht sichern muss, zählen solche, die sich aus der Natur oder der ordnungsgemäßen Bewirtschaftung des Waldes unter Beachtung der jeweiligen Zweckbestimmung ergeben (vgl. Endres, aaO; Klose/Orf, aaO Rn. 48; Gebhard, NuR 2008, 754, 758; ders., AFZ-Der Wald 17/2010, 44 f.). Sie umfassen die Gefahren, die von lebenden oder toten Bäumen ausgehen (vgl. § 2 Abs. 1 Satz 3 des Landesforstgesetzes für das Land NordrheinWestfalen in der Fassung vom 19. Juni 2007, GV. NW. S. 234; LG Hannover, aaO S. 597 f., bestätigt durch OLG Celle, VersR 2006, 1423). Zu den typischen Gefahren des Waldes können herabhängende Äste (vgl. OLG Köln, aaO; Bittner , aaO; Gebhard, NuR 2008, 754, 758; Staudinger/Hager, aaO) oder die mangelnde Stand- oder Bruchfestigkeit von Bäumen gehören (vgl. OLG Koblenz , aaO; OLG Hamm, NuR 2007, 845; LG Braunschweig, aaO S. 778 f.; LG Tübingen, aaO; Agena, aaO S. 715; Endres, aaO; Klose/Orf, aaO).
26
Atypische Gefahren sind alle nicht durch die Natur oder durch die Art der Bewirtschaftung mehr oder weniger zwangsläufig vorgegebenen Zustände, insbesondere vom Waldbesitzer geschaffene oder geduldete Gefahren, die ein Waldbesucher nicht oder nicht rechtzeitig erkennen kann und auf die er sich nicht einzurichten vermag, weil er nicht mit ihnen rechnen muss (vgl. OLG Köln, aaO; OLG Düsseldorf, VersR 1998, 1166; NJW-RR 2008, 1247, 1248; OLG Hamm, NuR 2007, 845; OLG Karlsruhe, NuR 2011, 823, 824; LG Braunschweig , aaO S. 778; LG Tübingen, aaO S. 780; Gebhard, NuR 2008, 754, 758; Staudinger/Hager, aaO; Klose/Orf, aaO Rn. 50; Geigel/Wellner, aaO Rn. 95). Dazu können etwa (nicht waldtypische) Hindernisse, die einen Weg versperren, oder nicht gesicherte Holzstapel gehören (vgl. OLG Köln, aaO; OLG Koblenz, aaO; LG Tübingen, aaO S. 780; Gebhard, aaO; Klose/Orf, aaO Rn. 51).
27
bb) Nach den getroffenen Feststellungen hat sich mit dem Astabbruch eine Gefahr verwirklicht, die in der Natur des Baumes begründet war. Wie der Sachverständige F., auf dessen Ausführungen sich das Berufungsgericht stützt, dargelegt hat, war ein Auslöser des Astabbruchs der generelle Sommerbruch, ein durch Trockenheit und hohe Temperaturen begünstigter Versagensmechanismus. Weiterer Auslöser war eine Faulstelle an der Oberseite des Astes. Diese Faulstelle sei vermutlich durch Geschosssplitter aus dem Zweiten Weltkrieg verursacht worden. Auch die Gefahr, dass sich durch Verletzungen eines Baumes über mehrere Jahrzehnte Faulstellen bilden, die einen Ast schwächen, ist jedoch in der Natur des Baumes begründet. Gleiches gilt für die Ausbildung eines langen "Löwenschwanzastes" und den Abbruch der Hauptkrone des Baumes. Eine der Beklagten zu 1 zuzurechnende atypische Gefahr, die eine Verkehrssicherungspflicht begründet hätte, hat nach den getroffenen Feststellungen demnach nicht vorgelegen. Die Gefahr eines Astabbruchs wird nicht deshalb , weil ein geschulter Baumkontrolleur sie erkennen kann, zu einer im Wald atypischen Gefahr, für die der Waldbesitzer einzustehen hätte.
28
3. Eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht ist auch dem Beklagten zu 2, der als Mitarbeiter der Beklagten zu 1 für Baumkontrollen verantwortlich war, nicht anzulasten, denn ihn treffen keine weitergehenden Pflichten als die Beklagte zu 1.
29
4. Da weitere Feststellungen nicht zu treffen sind, kann der Senat gemäß §§ 562, 563 Abs. 3 ZPO in der Sache selbst entscheiden. Die Berufung der Klägerin gegen das klageabweisende Urteil des Landgerichts ist als unbegründet zurückzuweisen. Galke Wellner Diederichsen Pauge von Pentz
Vorinstanzen:
LG Saarbrücken, Entscheidung vom 03.03.2010 - 12 O 271/06 -
OLG Saarbrücken, Entscheidung vom 09.11.2011 - 1 U 177/10-46 -

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VI ZR 279/06 Verkündet am:
9. September 2008
Böhringer-Mangold,
Justizamtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Zur Verkehrssicherungspflicht bei Fahrten mit einem Quad in einem Erlebnispark.
BGH, Urteil vom 9. September 2008 - VI ZR 279/06 - OLG Brandenburg
LG Potsdam
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 9. September 2008 durch die Vizepräsidentin Dr. Müller, die Richterin
Diederichsen und die Richter Pauge, Stöhr und Zoll

für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des 12. Zivilsenats des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 18. Mai 2006 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Die Klägerin macht gegen die Beklagte Schadensersatzansprüche wegen der Verletzung von vertraglichen Schutzpflichten bzw. Verkehrssicherungspflichten nach einem Unfall im Erlebnispark der Beklagten geltend.
2
Der Arbeitgeber der Klägerin veranstaltete dort am 7. Dezember 2002 ein Betriebsfest. Im Rahmen dieses Festes fand eine geführte Tour mit so genannten Quads, einsitzigen vierrädrigen, offenen Fahrzeugen, die ähnlich Motorrädern zu fahren und zu bedienen sind, statt. Die Teilnehmer der Tour fuhren nach einer Einweisung in die Bedienung der Fahrzeuge ohne Schutzhelme in einer Kolonne, die von einem Mitarbeiter der Beklagten angeführt wurde. Die Gruppe befuhr zunächst eine aus Sand künstlich hergestellte "Berglandschaft". Sodann führte ein Weg auf unebenem Waldboden nach oben, links und rechts davon befand sich eine Böschung. Die Klägerin kam vom Weg ab, fuhr in die Böschung und stürzte. Dabei geriet sie unter das Fahrzeug und erlitt eine schwere offene Nasenbeintrümmerfraktur sowie eine Septumtrümmerfraktur mit einer stark blutenden Risswunde im Stirn-/Nasenwurzelbereich.
3
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin hatte keinen Erfolg. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter.

Entscheidungsgründe:

I.

4
Nach Auffassung des Berufungsgerichts besteht ein Schadensersatzanspruch weder aus § 280 Abs. 1 BGB in Verbindung mit dem zwischen dem Arbeitgeber der Klägerin und der Beklagten geschlossenen Vertrag betreffend die Ausrichtung eines Betriebfestes noch aus § 823 Abs. 1 BGB.
5
Der Beklagten sei zwar die Verletzung einer vertraglichen Schutzpflicht bzw. der ihr obliegenden Verkehrssicherungspflicht vorzuwerfen, weil sie die Teilnehmer der Tour nicht mit einem Schutzhelm ausgestattet habe. Bei der Fahrt mit einem Quad im Gelände bestehe ein erhöhtes Risiko von Stürzen und eine Verpflichtung des Veranstalters, die Auswirkungen von Stürzen möglichst gering zu halten. Da bei einem Sturz mit einem offenen Geländefahrzeug der Kopf des Fahrers besonders gefährdet sei, sei es erforderlich und zumutbar gewesen, den Teilnehmern Schutzhelme zur Verfügung zu stellen. Es sei aber nicht notwendig gewesen, diese mit Integralhelmen (Schutzhelm mit einem das Gesicht bedeckenden Visier) auszustatten, auch wenn diese Art des Schutzhelmes gegenüber einem offenen Helm eine zusätzliche Sicherheit biete.
6
Daher hafte die Beklagte im Ergebnis nicht. Es stehe nämlich nicht fest, dass die der Beklagten vorzuwerfende Pflichtverletzung für die Verletzungen der Klägerin kausal geworden sei. Nach dem Gutachten des Brandenburgischen Landesinstituts für Rechtsmedizin wäre zwar möglicherweise bei einem tief sitzenden offenen Helm die Nasenwurzelregion durch die Breite des Helms geschützt oder zumindest die Schwere des Aufpralls vermindert worden, jedenfalls soweit das anprallende Fahrzeugteil gleichzeitig Kontakt zum Helm gehabt hätte. Die Gutachterin habe dazu mangels Angaben über das auftreffende Fahrzeugteil sowie den genauen Bewegungsablauf jedoch keine weitergehenden Feststellungen treffen können und die Möglichkeit aufgezeigt, dass ein Fahrzeugteil isoliert das Gesicht der Klägerin getroffen habe und auch durch einen offenen Helm nicht auf Abstand gehalten worden wäre.
7
Eine Beweislastumkehr sei nicht geboten. Bei der Verletzung vertraglicher Schutzpflichten sei zwar bei verschiedenen Fallgruppen eine Beweislastumkehr anzuerkennen. Das vorliegende Geschehen sei jedoch keiner dieser Fallgruppen zuzuordnen. Für einen Anscheinsbeweis fehle es an einem typischen Geschehensablauf, aus dem gefolgert werden könne, dass der Eintritt der erlittenen Verletzungen beim Tragen eines offenen Helmes verhindert worden wäre.

II.

8
Die Revision der Klägerin hat keinen Erfolg. Das Berufungsgericht ist ohne Rechtsfehler zu dem Ergebnis gelangt, dass die Beklagte weder wegen einer Verletzung vertraglicher Schutzpflichten noch aus § 823 Abs. 1 BGB wegen Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht für die der Klägerin durch den Unfall entstandenen Schäden haftet.
9
1. Die vertraglichen Schutzpflichten zielen im Streitfall darauf ab, eine Verletzung der Klägerin möglichst zu vermeiden und dadurch ihr Integritätsinteresse zu erhalten. Sie entsprechen mithin inhaltlich den Verkehrssicherungspflichten , so dass die dazu entwickelten Grundsätze anwendbar sind.
10
Danach ist derjenige, der eine Gefahrenlage - gleich welcher Art - schafft, grundsätzlich verpflichtet, die notwendigen und zumutbaren Vorkehrungen zu treffen, um eine Schädigung anderer möglichst zu verhindern (vgl. etwa Senat, Urteile vom 4. Dezember 2001 - VI ZR 447/00 - VersR 2002, 247, 248; vom 15. Juli 2003 - VI ZR 155/02 - VersR 2003, 1319; vom 5. Oktober 2004 - VI ZR 294/03 - VersR 2005, 279, 280; vom 8. November 2005 - VI ZR 332/04 - VersR 2006, 233, 234; vom 6. Februar 2007 - VI ZR 274/05 - VersR 2007, 659, 660; vom 3. Juni 2008 - VI ZR 223/07 - VersR 2008, 1083, Rn. 9, jeweils m.w.N.). Die rechtlich gebotene Verkehrssicherung umfasst diejenigen Maßnahmen, die ein umsichtiger und verständiger, in vernünftigen Grenzen vorsichtiger Mensch für notwendig und ausreichend hält, um andere vor Schäden zu bewahren. Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, dass nicht jeder abstrakten Gefahr vorbeugend begegnet werden kann. Ein allgemeines Verbot, andere nicht zu gefährden, wäre utopisch. Eine Verkehrssicherung, die jede Schädigung ausschließt, ist im praktischen Leben nicht erreichbar. Haftungsbegründend wird eine Gefahr erst dann, wenn sich für ein sachkundiges Urteil die nahe liegende Möglichkeit ergibt, dass Rechtsgüter anderer verletzt werden (vgl. Senat, Urteile vom 8. November 2005 - VI ZR 332/04 -; vom 6. Februar 2007 - VI ZR 274/05 -; vom 3. Juni 2008 - VI ZR 223/07 -, jeweils aaO). Deshalb muss nicht für alle denkbaren Möglichkeiten eines Schadenseintritts Vorsorge getroffen werden. Es sind vielmehr nur die Vorkehrungen zu treffen, die geeignet sind, die Schädigung anderer tunlichst abzuwenden (vgl. Senat, Urteile vom 15. Juli 2003 - VI ZR 155/02 -; vom 8. November 2005 - VI ZR 332/04 -; vom 6. Februar 2007 - VI ZR 274/05 -; vom 3. Juni 2008 - VI ZR 223/07 -, jeweils aaO). Der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt (§ 276 Abs. 2 BGB) ist genügt, wenn im Ergebnis derjenige Sicherheitsgrad erreicht ist, den die in dem entsprechenden Bereich herrschende Verkehrsauffassung für erforderlich hält (vgl. Senat, Urteile vom 15. Juli 2003 - VI ZR 155/02 -; vom 8. November 2005 - VI ZR 332/04 -; vom 6. Februar 2007 - VI ZR 274/05 -; vom 3. Juni 2008 - VI ZR 223/07 -, jeweils aaO). Daher reicht es anerkanntermaßen aus, diejenigen Sicherheitsvorkehrungen zu treffen, die ein verständiger, umsichtiger, vorsichtiger und gewissenhafter Angehöriger der betroffenen Verkehrskreise für ausreichend halten darf, um andere Personen vor Schäden zu bewahren, und die ihm den Umständen nach zuzumuten sind (vgl. Senat, Urteile vom 15. Juli 2003 - VI ZR 155/02 - aaO; vom 8. November 2005 - VI ZR 332/04 - aaO; vom 16. Mai 2006 - VI ZR 189/05 - VersR 2006, 1083, 1084; vom 6. Februar 2007 - VI ZR 274/05 - aaO; vom 3. Juni 2008 - VI ZR 223/07 - aaO).
11
Der Betreiber einer Sport- und Spielanlage braucht demnach zwar nicht allen denkbaren Gefahren vorzubeugen. Die Verkehrssicherungspflicht erfordert jedoch regelmäßig den Schutz vor Gefahren, die über das übliche Risiko bei der Anlagenbenutzung hinausgehen, vom Benutzer nicht vorhersehbar und für ihn nicht ohne weiteres erkennbar sind (vgl. Senat, Urteile vom 25. April 1978 - VI ZR 194/76 - VersR 1978, 739; vom 3. Juni 2008 - VI ZR 223/07 - aaO, Rn. 10; BGH, Urteil vom 12. Juni 2007 - X ZR 87/06 - NJW 2007, 2549, 2551; OLG Köln, VersR 2002, 859, 860; OLG Celle, NJW 2003, 2544).
12
2. Nach diesen Grundsätzen hat das Berufungsgericht eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht der Beklagten zu Recht bejaht, weil diese die Teilnehmer der Quad-Tour nicht mit einem Schutzhelm ausgestattet hat. Dies wird weder von Seiten der Revision noch der Revisionserwiderung in Frage gestellt. Entgegen der Auffassung der Revision hat das Berufungsgericht aufgrund der von ihm getroffenen Feststellungen aber auch ohne Rechtsfehler eine Not- wendigkeit verneint, der Klägerin einen so genannten Integralhelm zur Verfügung zu stellen.
13
a) Im Streitfall hat die Beklagte Quadfahrten im Gelände angeboten. Auch wenn diese in Form einer geführten Gruppenausfahrt und grundsätzlich mit einer relativ geringen Geschwindigkeit durchgeführt wurden, bestand für die ungeübten Quadfahrer ein erhöhtes Risiko von Stürzen. Da bei einem solchen Sturz mit einem offenen Geländefahrzeug der Kopf des Fahrers mangels Vorhandenseins einer Knautschzone oder eines Rückhaltesystems besonders gefährdet ist, handelte es sich dabei nicht um eine anlagentypische Gefahr, die von Teilnehmern einer solchen Tour in einem "Fun-Park" in Kauf genommen wird. Infolgedessen war die Beklagte verpflichtet, den Teilnehmern Schutzhelme zur Verfügung zu stellen, um Kopfverletzungen im Falle eines Unfalls möglichst zu vermeiden.
14
b) Es war aber jedenfalls zum Zeitpunkt des Unfalls im Jahre 2002 nicht erforderlich, die Fahrer mit Integralhelmen auszustatten, auch wenn diese Art des Schutzhelms gegenüber einem offenen Helm eine zusätzliche Sicherheit geboten hätte. Das Berufungsgericht hat zu Recht berücksichtigt, dass die Beklagte die Touren hat begleiten lassen, so dass zum einen die Fahrstrecke vorgegeben war und zum andern die Möglichkeit bestand, die Teilnehmer von dem Eingehen zu großer Risiken abzuhalten und sie ggf. zu unterstützen. Daher bestand grundsätzlich nicht die Gefahr, dass aufgrund einer gefährlichen Geländewahl und einer zu hohen Geschwindigkeit eine besondere Verletzungsgefahr bestand, der mit erhöhten Sicherheitsanforderungen hätte begegnet werden müssen.
15
Unter diesen Umständen gewinnt bei der Abwägung Bedeutung, dass der Gesetzgeber zum damaligen Zeitpunkt noch keine Notwendigkeit gesehen hat, für Quads das Tragen eines Schutzhelms anzuordnen. Erst mit der am 1. Januar 2006 in Kraft getretenen Neufassung des § 21a Abs. 2 StVO durch die Verordnung vom 22. Dezember 2005 (BGBl. I S. 3716) wurden die Fahrer von "Quads" in die Schutzhelmpflicht einbezogen. Dadurch sollte das Verletzungsrisiko im Kopfbereich für die Benutzer von Quads entsprechend der bisherigen Regelung für Krafträder gemindert werden. Die Beklagte hat mithin zum Unfallzeitpunkt nicht gegen Schutzvorschriften der Straßenverkehrsordnung verstoßen, die der Gesetzgeber im Interesse der Vermeidung schwerer Verletzungen erlassen hat.
16
Der Umfang der Verkehrssicherungspflicht wird freilich nicht alleine durch gesetzliche Vorgaben bestimmt. Der zur Verkehrssicherung Verpflichtete hat vielmehr grundsätzlich selbständig zu prüfen, ob und welche Sicherungsmaßnahmen zur Vermeidung von Schädigungen notwendig sind; er hat die erforderlichen Maßnahmen eigenverantwortlich zu treffen, auch wenn gesetzliche oder andere Anordnungen, Unfallverhütungsvorschriften oder technische Regeln wie DIN-Normen seine Sorgfaltspflichten durch Bestimmungen über Sicherheitsmaßnahmen konkretisieren. Solche Bestimmungen enthalten im Allgemeinen keine abschließenden Verhaltensanforderungen gegenüber den Schutzgütern. Sie können aber regelmäßig zur Feststellung von Inhalt und Umfang bestehender Verkehrssicherungspflichten herangezogen werden und sind deshalb für die Bestimmung des Umfangs der Verkehrssicherungspflichten durchaus von Bedeutung (vgl. Senat BGHZ 103, 338, 342; Urteile vom 29. November 1983 - VI ZR 137/82 - VersR 1984, 164, 165; vom 23. Oktober 1984 - VI ZR 85/83 - VersR 1985, 64, 65; vom 7. Oktober 1986 - VI ZR 187/85 - VersR 1987, 102, 103; vom 13. März 2001 - VI ZR 142/00 - VersR 2001, 1040, 1041). Welche Maßnahmen zur Wahrung der Verkehrssicherungspflicht erforderlich sind, hängt von den tatsächlichen Umständen des Einzelfalls ab (vgl. Senat, Urteile vom 21. März 2000 - VI ZR 158/99 - VersR 2000, 984 f.; vom 3. Juni 2008 - VI ZR 223/07 - aaO, Rn. 18).
17
Auch unter Berücksichtigung dieses Grundsatzes würde man indes die Anforderung an die Beklagte überspannen, wenn man über die Verletzung der Verkehrssicherungspflicht wegen der nicht erfolgten Ausstattung mit offenen Schutzhelmen hinaus für das Jahr 2002 die Ausstattung mit einem so genannten Integralhelm verlangte. Immerhin hat sich der Gesetzgeber erst ca. drei Jahre nach dem hier zu beurteilenden Unfall dazu entschlossen, Fahrer eines Quads überhaupt der Schutzhelmpflicht zu unterwerfen. Im Hinblick darauf ist nicht davon auszugehen und auch von der Revision nicht dargelegt, dass die betroffenen Verkehrskreise schon im Jahre 2002 über die Notwendigkeit, einen Schutzhelm zu tragen, hinaus auch die Ausstattung von Quadfahrern mit Integralhelmen als erforderlich angesehen haben. Bei einer geführten Tour im Gelände bestand nämlich für die Teilnehmer jedenfalls kein größeres Risiko, als dies wegen der höheren gefahrenen Geschwindigkeit und der Gefährdung durch andere Straßenverkehrsteilnehmer für Motorradfahrer im öffentlichen Verkehrsbereich besteht. Bei diesen reicht zur Erfüllung der Helmpflicht das Tragen eines offenen Helms aus; es ist nicht erforderlich, einen Integralhelm zu tragen (vgl. VG Augsburg, DAR 2001, 233, 234). Unter diesen Umständen konnten die von der Revision geltend gemachten höheren Anforderungen von der Beklagten nicht erwartet werden (vgl. auch Senat, Urteil vom 30. Januar 1979 - VI ZR 144/77 - VersR 1979, 369 f.).
18
3. Die Revision hat auch keinen Erfolg, soweit sie meint, das Berufungsgericht habe zu Unrecht die Kausalität der angenommenen Pflichtverletzung für den eingetretenen Schaden verneint, weil es übersehen habe, dass die Voraussetzungen eines Anscheinsbeweises vorliegen.
19
Das Berufungsgericht hat sich wegen der Ausführungen der gerichtsmedizinischen Sachverständigen keine Überzeugung bilden können, dass die der Beklagten vorzuwerfende Pflichtverletzung für die von der Klägerin erlittenen Verletzungen kausal geworden ist. Entscheidend dafür war, dass die Sachverständige wegen der fehlenden Angaben keine Feststellungen über den genauen Ablauf und das aufprallende Fahrzeugteil treffen konnte und deshalb die Möglichkeit aufgezeigt hat, dass ein Fahrzeugteil isoliert das Gesicht der Klägerin getroffen hat und auch durch einen offenen Helm nicht auf Abstand gehalten worden wäre. Das Berufungsgericht hat unter diesen Umständen neben der - von der Revision nicht angegriffenen - Ablehnung einer Beweislastumkehr einen für den Anscheinsbeweis typischen Geschehensablauf verneint, aus dem gefolgert werden könnte, dass der Eintritt der erlittenen Verletzungen beim Tragen eines offenen Helms verhindert worden wäre. Dies ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
20
Zwar ist in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs anerkannt, dass bei der Verletzung von Schutzgesetzen sowie von Unfallverhütungsvorschriften ein Beweis des ersten Anscheins dafür spricht, dass der Verstoß für den Schadenseintritt ursächlich war, sofern sich gerade diejenige Gefahr verwirklicht hat, der das Schutzgesetz oder die Unfallverhütungsvorschrift entgegen wirken soll (vgl. Senat, Urteile vom 25. Januar 1983 - VI ZR 92/81 - VersR 1983, 440 f.; vom 22. April 1986 - VI ZR 77/85 - VersR 1986, 916, 917). Der Beweis des ersten Anscheins ist auch bei der Verletzung von Verkehrssicherungspflichten geboten , die wie Schutzgesetze und Unfallverhütungsvorschriften typischen Gefährdungen entgegenwirken sollen, wenn sich in dem Schadensfall gerade diejenige Gefahr verwirklicht, der durch die Auferlegung bestimmter Verhaltenspflichten begegnet werden soll (vgl. Senat, Urteil vom 14. Dezember 1993 - VI ZR 271/92 - VersR 1994, 324, 325). Nach dem Senatsurteil vom 25. Januar 1983 spricht der Beweis des ersten Anscheins für den ursächlichen Zusam- menhang zwischen dem Nichtbenutzen eines Schutzhelms und den eingetretenen Kopfverletzungen, wenn ein Kraftfahrer, der ohne Schutzhelm fährt, bei einem Unfall Kopfverletzungen erleidet, vor denen der Schutzhelm allgemein schützen soll. Indessen ist ein Anscheinsbeweis nur möglich, wenn ein typischer Geschehensablauf vorliegt, sich also aufgrund allgemeiner Erfahrungssätze der Schluss aufdrängt, die erlittenen Verletzungen seien darauf zurückzuführen , dass der Verletzte keinen (offenen) Schutzhelm getragen hat (vgl. Senatsurteil vom 3. Juli 1990 - VI ZR 239/89 - VersR 1991, 195 m.w.N.). Diese Frage unterliegt der Prüfung durch das Revisionsgericht (vgl. BGHZ 115, 141, 144). Sie ist im Streitfall zu verneinen.
21
Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts ist ein detaillierter Vortrag zum Unfallhergang und zur genauen Entstehung der Verletzungen nicht erfolgt. Zudem liegt eine Gesichtsverletzung vor, die dadurch verursacht wurde, dass ein Fahrzeugteil das Gesicht der Klägerin getroffen hat. Unter diesen Umständen kann nicht typischerweise darauf geschlossen werden, dass ein offener Schutzhelm den Aufprall verhindert oder zumindest vermindert hätte. Ein solcher Helm schützt zwar typischerweise den oberen Kopfteil und den Hinterkopf, kann aber nach den Ausführungen der Sachverständigen nur unter besonderen Umständen die Nasenwurzelregion und die Nase vor aufprallenden Fahrzeugteilen schützen. Daher kann man für die konkreten Verletzungen der Klägerin nicht von einem typischen Geschehensablauf ausgehen, der zu diesen Verletzungen geführt hat. Jedenfalls ist nach den Ausführungen der Sachverständigen von der ernsthaften Möglichkeit eines anderen Geschehensablaufs auszugehen, so dass auch deshalb ein Anscheinsbeweis nicht angewendet werden kann.
22
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Müller Diederichsen Pauge Stöhr Zoll
Vorinstanzen:
LG Potsdam, Entscheidung vom 10.11.2005 - 11 O 223/03 -
OLG Brandenburg, Entscheidung vom 18.05.2006 - 12 U 186/05 -

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VI ZR 395/16 Verkündet am:
13. Juni 2017
Böhringer-Mangold
Justizamtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja

a) Wird dem zunächst Verkehrssicherungspflichtigen mittels einer hoheitlichen
Maßnahme (hier: vorzeitige Besitzeinweisung gemäß § 18f FStrG) die tatsächliche
Verfügungsgewalt über ein Grundstück gegen oder ohne seinen
Willen entzogen und verbleibt bei ihm infolge dieses Entzugs nur noch eine
rein formale Rechtsposition im Sinne einer vermögensrechtlichen Zuordnung
(Eigentum), so reicht dies für die Begründung einer deliktischen Haftung für
die von dem Grundstück ausgehende Gefahr nicht aus.

b) Es verbleibt in solchen Fällen auch kein Raum für eine reduzierte Verkehrssicherungspflicht
in Form von Überwachungspflichten.
BGH, Urteil vom 13. Juni 2017 - VI ZR 395/16 - OLG Dresden
LG Chemnitz
ECLI:DE:BGH:2017:130617UVIZR395.16.0

Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 13. Juni 2017 durch den Vorsitzenden Richter Galke, den Richter Wellner, die Richterinnen von Pentz und Müller und den Richter Dr. Klein
für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des 1. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Dresden vom 15. Juli 2016 wird zurückgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten des Revisionsrechtszugs einschließlich der Kosten der Streithelferin.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Der Kläger nimmt die Beklagte auf Schadensersatz wegen Verletzung der Verkehrssicherungspflicht in Anspruch.
2
Am 13. Juni 2012 parkte der Kläger seinen Pkw VW Golf auf einem Grundstück in Flöha. Aufgrund eines Windstoßes fiel ein Ast auf den Pkw und beschädigte diesen. Der Ast fiel von einem Baum, der sich auf dem Grundstück der Beklagten befand. Bereits mit Wirkung ab 4. Januar 2010 war die Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch die Streithelferin, in den Besitz dieses Grundstücks gemäß § 18f FStrG eingewiesen worden. Der Kläger hat von der Beklagten Ersatz der Reparaturkosten in Höhe von 5.969,95 €, der vorgerichtli- chen Rechtsanwaltskosten sowie Feststellung der Ersatzpflicht für künftige aus dem Unfallereignis herrührende Schäden verlangt.
3
Das Landgericht hat der Klage überwiegend stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht das Urteil dahingehend abgeändert , dass es die Klage abgewiesen hat. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision begehrt der Kläger die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.

Entscheidungsgründe:

I.

4
Das Berufungsgericht hat einen Schadensersatzanspruch des Klägers gegen die Beklagte aus § 823 Abs. 1 BGB wegen Verletzung der Verkehrssicherungspflicht verneint. Die Beklagte sei ab Wirksamwerden der Besitzeinweisung für das streitgegenständliche Grundstück nicht mehr verkehrssicherungspflichtig gewesen. Sie habe den unmittelbaren und den mittelbaren Besitz sowie jegliche unmittelbare Einwirkungsmöglichkeit auf das Grundstück verloren. Zwar sei es ihr, weil die Fläche frei zugänglich gewesen sei, möglich gewesen, Baumkontrollen durchzuführen. Ab Wirksamkeit der Besitzeinweisung könne es jedoch nicht mehr Sache des Eigentümers sein, das Grundstück regelmäßig zu überprüfen, zumal es im Einzelfall auch ungewiss sein könne, ob der in den Besitz Eingewiesene Einwirkungen seitens des Eigentümers überhaupt dulden würde. Durch den Wegfall der Einflussmöglichkeiten infolge der Besitzeinweisung unterscheide sich der vorliegende Fall von Fällen der vertraglichen Übertragung der Verkehrssicherungspflicht, in welchen im Hinblick auf die fortbestehenden rechtlichen und tatsächlichen Einflussmöglichkeiten Kontroll- und Überwachungspflichten bei dem Übertragenden verblieben. Da die Besitzein- weisung gemäß § 18f FStrG nur zugunsten des Trägers der Straßenbaulast erfolgen könne, habe die Beklagte im Übrigen darauf vertrauen können, dass eine sachkundige und kompetente öffentlich-rechtliche Körperschaft nunmehr für das Grundstück zuständig sei.

II.

5
Diese Erwägungen halten revisionsrechtlicher Nachprüfung stand.
6
1. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ergibt sich aus § 823 Abs. 1 BGB grundsätzlich für jeden, der in seinem Verantwortungsbereich eine Gefahrenlage schafft oder andauern lässt, die Verpflichtung, die notwendigen und zumutbaren Maßnahmen zu treffen, um andere vor Schäden zu bewahren (Senatsurteile vom 1. Oktober 2013 - VI ZR 369/12, VersR 2014, 78 Rn. 13; vom 2. Oktober 2012 - VI ZR 311/11, BGHZ 195, 30 Rn. 6; vom 12. Februar 1985 - VI ZR 193/83, NJW 1985, 1773, 1774; BGH, Urteil vom 2. Februar 2006 - III ZR 159/05, VersR 2006, 803 Rn. 12; jeweils mwN).
7
Im Rahmen dieser Verkehrssicherungspflicht hat derjenige, der die Verfügungsgewalt über ein Grundstück ausübt, soweit möglich und zumutbar grundsätzlich dafür zu sorgen, dass von dort stehenden Bäumen keine Gefahr für die Rechtsgüter anderer - etwa auf öffentlichen Verkehrsflächen oder benachbarten Privatgrundstücken - ausgeht (Senatsurteile vom 31. Mai 1988 - VI ZR 275/87, VersR 1988, 957 f. mwN; vom 30. Oktober 1973 - VI ZR 115/72, VersR 1974, 88, 89; BGH, Urteile vom 8. Oktober 2004 - V ZR 84/04, juris Rn. 11; vom 21. März 2003 - V ZR 319/02, NJW 2003, 1732, 1733; anders zur Verkehrssicherungspflicht des Waldbesitzers: Senatsurteil vom 2. Oktober 2012 - VI ZR 311/11, BGHZ 195, 30 Rn. 10 ff.). Dazu gehört es, den Baumbe- stand in angemessenen Zeitabständen zum Beispiel auf Krankheitsbefall oder Äste, die herunterfallen könnten, zu überwachen (vgl. Senatsurteil vom 30. Oktober 1973 - VI ZR 115/72, aaO, 89; BGH, Urteil vom 8. Oktober 2004 - V ZR 84/04, juris Rn. 11; vom 2. Juli 2004 - V ZR 33/04, BGHZ 160, 18, 22).
8
2. Soweit eine Gefahrenquelle dem Einflussbereich des zunächst Verkehrssicherungspflichtigen ganz oder teilweise entzogen ist, kann sich eine neue Zuständigkeitsverteilung ergeben (vgl. Senatsurteil vom 1. Oktober2013 - VI ZR 369/12, VersR 2014, 78 Rn. 16). Für die haftungsrechtliche Zurechnung kommt es dann vor allem darauf an, wer in der Lage ist, die zur Gefahrenabwehr erforderlichen Maßnahmen zu treffen, was wesentlich von der tatsächlichen Verfügungsgewalt über die jeweilige Gefahrenquelle abhängen kann (vgl. BGH, Urteil vom 2. Februar 2006 - III ZR 159/05, VersR 2006, 803 Rn. 21).
9
a) Wird die Verkehrssicherungspflicht auf einen Dritten - unter Umständen , aber nicht notwendig unter gleichzeitiger Einräumung des unmittelbaren Besitzes - delegiert, so wird der Dritte für den Gefahrenbereich nach allgemeinen Deliktsgrundsätzen verantwortlich. Damit ist der ursprüngliche Verkehrssicherungspflichtige nicht völlig entlastet. Er bleibt - in Grenzen - zur Überwachung des Dritten verpflichtet und ist insofern neben diesem selbst noch verantwortlich (Senatsurteile vom 26. September 2006 - VI ZR 166/05, NJW 2006, 3628 Rn. 11; vom 27. November 1984 - VI ZR 49/83, NJW 1985, 484 f.; vom 2. Oktober 1984 - VI ZR 125/83, VersR 1984, 1190 f.; BGH, Urteil vom 22. Juli 1999 - III ZR 198/98, BGHZ 142, 227, 233). Dies gilt nicht nur dann, wenn die Verkehrssicherungspflicht vertraglich auf einen Dritten übertragen worden ist, sondern auch, wenn letzterer faktisch die Aufgabe der Verkehrssicherung in dem Gefahrenbereich übernommen hat und im Hinblick hierauf Schutzvorkehrungen durch den ursprünglich Verkehrssicherungspflichtigen unterbleiben, weil sich dieser auf ein Tätigwerden des Dritten verlässt (Senatsurteile vom 22. Ja- nuar 2008 - VI ZR 126/07, VersR 2008, 505 Rn. 9; vom 17. Januar 1989 - VI ZR 186/88, VersR 1989, 526). Eine völlige Entlastung des ursprünglich Verkehrssicherungspflichtigen findet auch in den Fällen nicht statt, in denen sich aufgrund der faktischen Gegebenheiten einer Geschäftssparte, etwa bei internationalen Warenlieferungs- und Transportketten, die Verlagerung der Möglichkeiten zur primären Gefahrenbeherrschung auf weitere Beteiligte nicht vermeiden lässt (Senatsurteil vom 1. Oktober 2013 - VI ZR 369/12, VersR 2014, 78 Rn. 16).
10
b) Von den genannten Fällen der Delegierung und der spartentypischen Verlagerung der Verkehrssicherungspflicht sind die Fälle zu unterscheiden, in denen dem zunächst Verkehrssicherungspflichtigen die tatsächliche Verfügungsgewalt über die Gefahrenquelle gegen oder ohne seinen Willen entzogen wird, er sich seiner Einwirkungsmöglichkeiten auf die Gefahrenquelle also nicht freiwillig begibt. Verbleibt infolge dieses Entzugs bei dem ursprünglich Verkehrssicherungspflichtigen nur noch eine rein formale Rechtsposition im Sinne einer vermögensrechtlichen Zuordnung (Eigentum), so reicht dies für die Begründung einer deliktischen Haftung für die von der Sache ausgehende Gefahr nicht aus. So hat bereits das Reichsgericht entschieden, dass für die Dauer der Zwangsverwaltung die Pflicht, für die Beseitigung der den Verkehr gefährdenden Mängel eines Grundstücks zu sorgen, ausschließlich dem Zwangsverwalter obliegt, weil dem Eigentümer infolge der Zwangsverwaltung jede Einwirkung auf das Grundstück verwehrt ist (RGZ 93, 1, 2 f.; vgl. auch BGH, Urteil vom 28. April 1952 - III ZR 118/51, BGHZ 5, 378, 382). Auch dort, wo eine öffentlichrechtliche Herrschaft über eine Sache besteht, wie beispielsweise bei Widmung derselben zum Gemeingebrauch, kann der privatrechtliche Eigentümer dieser Sache sein privates Recht insoweit nicht mehr ausüben und in seiner Rolle als Privateigentümer nichts mehr zur Verkehrssicherung unternehmen. Soweit sein Eigentum durch die hoheitliche Verwaltung zurückgedrängt ist, kann aus ihm (dem Eigentum) eine Rechtspflicht zum Tätigwerden nicht hergeleitet werden (BGH, Urteil vom 30. April 1953 - III ZR 377/51, BGHZ 9, 373, 384 f.). Es verbleibt in solchen Fällen auch kein Raum für eine reduzierte Verkehrssicherungspflicht in Form von Überwachungspflichten. Wer mit der zwangsweisen Verlagerung seiner tatsächlichen Verfügungsgewalt auf einen Dritten konfrontiert wird, den er nicht auswählt und auf den er rechtlich nicht einwirken kann, hat diesen nicht zu überwachen.
11
3. Nach diesen Grundsätzen war die Beklagte zwar ursprünglich verkehrssicherungspflichtig. Sie hatte dafür zu sorgen, dass von den Bäumen auf ihrem Grundstück keine Gefahr auf die Parkfläche ausging. Diese Pflichtenstellung hat sie aber mit Wirksamwerden der vorzeitigen Besitzeinweisung gemäß § 18f FStrG gänzlich verloren; es verblieben auch keine Überwachungspflichten.
12
a) Eine vorzeitige Besitzeinweisung gemäß § 18f FStrG findet statt, wenn sich der Eigentümer oder Besitzer eines für eine Fernstraßenbaumaßnahme benötigten Grundstücks weigert, den Besitz an dem Grundstück dem Baulastträger freiwillig durch Vereinbarung zu überlassen. Die Enteignungsbehörde hat dann den Träger der Straßenbaulast auf Antrag nach Feststellung des Plans oder Erteilung der Plangenehmigung in den Besitz des benötigten Grundstücks einzuweisen, § 18f Abs. 1 Satz 1 FStrG. Durch die Besitzeinweisung, die einen Teil der Enteignung darstellt (Kromer/Müller in Müller/Schulz, FStrG, 2. Aufl., § 18f Rn. 6; Aust in Kodal, Straßenrecht, 7. Aufl., Kap. 39 Rn. 30.1), wird gemäß § 18f Abs. 4 Satz 4 FStrG dem Besitzer der Besitz entzogen und der Träger der Straßenbaulast wird Besitzer, damit er auf dem Grundstück das Bauvorhaben ausführen und die dafür erforderlichen Maßnahmen treffen kann (§ 18f Abs. 4 Satz 5 FStrG). Mit Besitz ist die tatsächliche Gewalt über das Grundstück im Sinne von § 854 Abs. 1 BGB gemeint, also die Fähigkeit, über die Verwendung des Grundstücks unmittelbar zu bestimmen und jeden anderen an dessen Betreten oder Benutzen zu hindern (Kromer/Müller aaO Rn. 2, 13). Der Eigentümer kann nunmehr, notfalls mit Zwangsmaßnahmen, von der Nutzung des Grundstücks ausgeschlossen werden (vgl. BGH, Urteil vom 13. Oktober 1983 - III ZR 155/82, BGHZ 88, 337, 340).
13
b) Wie die Revision insoweit zutreffend erkennt, handelt es sich vorliegend mithin nicht um einen Fall, in dem die Verkehrssicherungspflicht in vertraglichem oder faktischem Einvernehmen - ggf. unter gleichzeitiger freiwilliger Einräumung des unmittelbaren Besitzes - delegiert wurde. Vielmehr wurde der Beklagten mittels einer hoheitlichen Maßnahme die Sachherrschaft und damit die Einwirkungsmöglichkeit auf das Grundstück entzogen. Die Beklagte hat damit trotz der ihr verbliebenen - formalen - Eigentümerstellung die deliktische Verantwortung für die Kontrolle der Bäume auf dem ihrem Besitz und ihrer Bestimmungsmacht entzogenen Grundstück für die Dauer der Besitzeinweisung gänzlich verloren, während gleichzeitig diesbezügliche Verkehrssicherungspflichten auf Seiten der in den Besitz eingewiesenen Bundesrepublik Deutschland , vertreten durch die Streithelferin, begründet wurden. Da sich die Bäume nicht mehr im Verantwortungsbereich der Beklagten befanden, hatte diese die Streithelferin, auf die sie diesbezüglich ohnehin keine rechtliche Einwirkungsmöglichkeiten gehabt hätte, nicht auf die Erfüllung der allein dieser obliegenden Verkehrssicherungspflicht zu überwachen. Der von der Revision angeführte Umstand, dass die Beklagte die Streithelferin rein tatsächlich zur Baumkontrolle hätte anhalten können, vermag eine diesbezügliche deliktsrechtliche Verpflichtung der Beklagten nicht zu begründen.
14
Darauf, ob die Beklagte zudem, wie im angefochtenen Urteil ausgeführt, darauf vertrauen konnte, dass nunmehr eine sachkundige und kompetente öffentlich -rechtliche Körperschaft für die Verkehrssicherung des Grundstücks zuständig sein würde, kommt es nicht an. Dieser Gesichtspunkt kann dem Um- fang von Überwachungspflichten Grenzen setzen (vgl. Senatsurteile vom 1. Oktober 2013 - VI ZR 369/12, VersR 2014, 78 Rn. 16; vom 2. Oktober 1984 - VI ZR 125/83, VersR 1984, 1190, 1191; BGH, Urteil vom 22. Juli 1999 - III ZR 198/98, BGHZ 142, 227, 233), die hier aber schon nicht begründet wurden. Galke Wellner von Pentz Müller Klein
Vorinstanzen:
LG Chemnitz, Entscheidung vom 04.02.2016 - 2 O 999/13 -
OLG Dresden, Entscheidung vom 15.07.2016 - 1 U 345/16 -

(1) Sind für den aus einer unerlaubten Handlung entstehenden Schaden mehrere nebeneinander verantwortlich, so haften sie als Gesamtschuldner.

(2) Ist neben demjenigen, welcher nach den §§ 831, 832 zum Ersatz des von einem anderen verursachten Schadens verpflichtet ist, auch der andere für den Schaden verantwortlich, so ist in ihrem Verhältnis zueinander der andere allein, im Falle des § 829 der Aufsichtspflichtige allein verpflichtet.

(3) Ist neben demjenigen, welcher nach den §§ 833 bis 838 zum Ersatz des Schadens verpflichtet ist, ein Dritter für den Schaden verantwortlich, so ist in ihrem Verhältnis zueinander der Dritte allein verpflichtet.

(1) Hat bei der Entstehung des Schadens ein Verschulden des Beschädigten mitgewirkt, so hängt die Verpflichtung zum Ersatz sowie der Umfang des zu leistenden Ersatzes von den Umständen, insbesondere davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teil verursacht worden ist.

(2) Dies gilt auch dann, wenn sich das Verschulden des Beschädigten darauf beschränkt, dass er unterlassen hat, den Schuldner auf die Gefahr eines ungewöhnlich hohen Schadens aufmerksam zu machen, die der Schuldner weder kannte noch kennen musste, oder dass er unterlassen hat, den Schaden abzuwenden oder zu mindern. Die Vorschrift des § 278 findet entsprechende Anwendung.

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 7. Zivilsenats des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig vom 5. Juni 2013 aufgehoben, soweit zu ihrem Nachteil erkannt worden ist.

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Flensburg vom 12. Januar 2012 wird insgesamt zurückgewiesen.

Die Beklagten haben die Kosten der Rechtsmittel zu tragen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Klägerin begehrt Schadensersatz nach einem Verkehrsunfall, der sich am 7. April 2011 ereignete. Sie befuhr gegen 15:45 Uhr mit ihrem Fahrrad die C.-Straße in G. in Richtung Zentrum auf dem Weg zu ihrer dort gelegen Arbeitsstelle. Am rechten Fahrbahnrand parkte die Beklagte zu 1 mit ihrem bei der Beklagten zu 2 haftpflichtversicherten Pkw. Die Beklagte zu 1 öffnete unmittelbar vor der sich nähernden Klägerin die Fahrertür. Die Klägerin konnte nicht mehr ausweichen, prallte gegen die Tür, stürzte zu Boden und fiel auf den Hinterkopf. Dabei zog sich die Klägerin, die keinen Fahrradhelm trug, schwere Schädel-Hirnverletzungen zu. Es steht außer Streit, dass die Beklagte zu 1 den Unfall allein verursacht hat. Die Beklagten lasten der Klägerin jedoch ein Mitverschulden von 50 % an, weil sie keinen Helm getragen hat. Die Beklagte zu 2 hat ihre hälftige Eintrittspflicht außergerichtlich anerkannt.

2

Das Landgericht hat der Feststellungsklage stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht das Urteil des Landgerichts teilweise abgeändert und - unter Abweisung der Klage im Übrigen - dem Feststellungsbegehren mit einer Haftungsquote von (nur) 80 % entsprochen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision begehrt die Klägerin die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.

Entscheidungsgründe

I.

3

Das Berufungsgericht, dessen Entscheidung u.a. in r+s 2013, 353 veröffentlicht ist, lastet der Klägerin ein Mitverschulden von 20 % an, weil sie als Radfahrerin keinen Helm getragen und damit Schutzmaßnahmen zu ihrer eigenen Sicherheit unterlassen habe. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme stehe fest, dass das Nichttragen eines Schutzhelms für das Ausmaß der erlittenen Kopfverletzungen ursächlich sei. Der Sachverständige Prof. Dr. G. habe dargelegt, dass die eingetretenen Verletzungsfolgen auf eine massive Gewalteinwirkung auf den Kopf der Klägerin hindeuteten. Das Verletzungsmuster spreche für eine überwiegend lineare Akzeleration und Krafteinwirkung in Längsrichtung des Kopfes. Gerade bei linearen Krafteinwirkungen mit entsprechenden Hirnquetschungen an den Grenzen des Schädels und bei Schädelbrüchen böten Fahrradhelme (im Gegensatz zu Verletzungen durch Rotationsbeschleunigungen des Kopfes oder durch penetrierende Gewalteinwirkung) den größten Schutz. Die Helme hätten die Funktion einer Knautschzone, welche die stumpf einwirkenden Energien absorbiere. Die Kraft des Aufpralls werde auf eine größere Fläche verteilt und dadurch abgemildert. Damit würden die Wahrscheinlichkeit eines Schädelbruchs verringert und die Bewegung des Gehirns, das auf der gegenüberliegenden Seite eine weniger starke Quetschung erfahre (sogenannte Contre-coup-Verletzung), gebremst. Da ein Fahrradhelm naturgemäß seine größte Schutzwirkung bei einem leichten bis mittelgradigen Trauma entfalte und beim Fahrradsturz der Klägerin nach Art und Schwere eine starke Krafteinwirkung auf den Kopf stattgefunden habe, hätte ein Helm das Trauma zwar nicht verhindern, aber zumindest in einem gewissen Umfang verringern können.

4

Entgegen der bisher herrschenden obergerichtlichen Rechtsprechung begründe das Radfahren ohne Schutzhelm bei einer Kopfverletzung durch Fahrradsturz auch den Vorwurf des Mitverschuldens, wenn der Radfahrer am öffentlichen Straßenverkehr teilnehme. Auch ohne einen Verstoß gegen gesetzliche Vorschriften sei ein Mitverschulden anzunehmen, wenn der Geschädigte diejenige Sorgfalt außer Acht lasse, die ein ordentlicher und verständiger Mensch zur Vermeidung eigenen Schadens anzuwenden pflege; er müsse sich insoweit verkehrsrichtig verhalten. Dies bestimme sich nicht nur nach den geschriebenen Regeln der Straßenverkehrsordnung, sondern auch nach den konkreten Umständen und Gefahren im Verkehr sowie nach dem, was den Verkehrsteilnehmern zumutbar sei, um diese Gefahr möglichst gering zu halten. Das allgemeine Verkehrsbewusstsein in Bezug auf das Tragen von Schutzhelmen beim Fahrradfahren habe sich in den letzten Jahren stark gewandelt. Nach dem heutigen Erkenntnisstand könne grundsätzlich davon ausgegangen werden, dass ein ordentlicher und verständiger Mensch zur Vermeidung eigenen Schadens beim Radfahren einen Helm trage, wenn er sich in den öffentlichen Straßenverkehr begebe.

II.

5

Die Revision hat Erfolg. Die Auffassung des Berufungsgerichts, die Ansprüche der Klägerin auf Ersatz materiellen und immateriellen Schadens gemäß §§ 7, 18 StVG - bezüglich der Beklagten zu 2 in Verbindung mit § 115 VVG - seien wegen Mitverschuldens gemäß § 9 StVG, § 254 Abs. 1 BGB gemindert, weil die Klägerin keinen Fahrradhelm getragen habe, hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand.

6

1. Die Entscheidung über eine Haftungsverteilung im Rahmen des § 254 BGB ist allerdings grundsätzlich Sache des Tatrichters und im Revisionsverfahren nur darauf zu überprüfen, ob dieser alle in Betracht kommenden Umstände vollständig und richtig berücksichtigt und der Abwägung rechtlich zulässige Erwägungen zugrunde gelegt hat (vgl. Senatsurteile vom 12. Juli 1988 - VI ZR 283/87, VersR 1988, 1238, 1239; vom 5. März 2002 - VI ZR 398/00, VersR 2002, 613, 615 f.; vom 25. März 2003 - VI ZR 161/02, VersR 2003, 783, 785 f., und vom 28. Februar 2012 - VI ZR 10/11, VersR 2012, 772, Rn. 6, jeweils mwN; BGH, Urteile vom 20. Juli 1999 - X ZR 139/96, NJW 2000, 217, 219, und vom 14. September 1999 - X ZR 89/97, NJW 2000, 280, 281 f.). In erster Linie ist hierbei nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs das Maß der Verursachung von Belang, in dem die Beteiligten zur Schadensentstehung beigetragen haben (Senatsurteil vom 20. September 2011 - VI ZR 282/10, VersR 2011, 1540 Rn. 14 mwN). Nach den vom Berufungsgericht getroffenen und von der Revision nicht angegriffenen Feststellungen war das Nichttragen eines Fahrradhelms ursächlich für das Ausmaß der von der Klägerin erlittenen Kopfverletzungen. Ein Helm hätte das bei dem Sturz erlittene Schädel-Hirn-Trauma zwar nicht verhindern können. Ein Helm habe aber die Funktion einer Knautschzone, welche die stumpf einwirkenden Energien absorbiere. Die Kraft des Aufpralls werde auf eine größere Fläche verteilt und dadurch abgemildert. Im vorliegenden Fall hätte ein Fahrradhelm die Verletzungsfolgen deshalb zumindest in einem gewissen Umfang verringern können.

7

2. Die durch das Nichttragen eines Fahrradhelms begründete objektive Mitverursachung hinsichtlich des Ausmaßes der von der Klägerin erlittenen Verletzungen führt entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts jedoch nicht zu einer Anspruchskürzung gemäß § 254 Abs. 1 BGB.

8

a) Der Vorschrift des § 254 BGB liegt der allgemeine Rechtsgedanke zugrunde, dass der Geschädigte für jeden Schaden mitverantwortlich ist, bei dessen Entstehung er in zurechenbarer Weise mitgewirkt hat (vgl. BGH, Urteil vom 18. April 1997 - V ZR 28/96, BGHZ 135, 235, 240 mwN). § 254 BGB ist eine Ausprägung des in § 242 BGB festgelegten Grundsatzes von Treu und Glauben (Senatsurteile vom 14. März 1961 - VI ZR 189/59, BGHZ 34, 355, 363 f., und vom 22. September 1981 - VI ZR 144/79, VersR 1981, 1178, 1179 mwN). Da die Rechtsordnung eine Selbstgefährdung und Selbstbeschädigung nicht verbietet, geht es im Rahmen von § 254 BGB nicht um eine rechtswidrige Verletzung einer gegenüber einem anderen oder gegenüber der Allgemeinheit bestehenden Rechtspflicht, sondern nur um einen Verstoß gegen Gebote der eigenen Interessenwahrnehmung, also um die Verletzung einer sich selbst gegenüber bestehenden Obliegenheit (vgl. Senatsurteil vom 17. November 2009 - VI ZR 58/08, VersR 2010, 270 Rn. 16 mwN; BGH, Urteile vom 14. Oktober 1971 - VII ZR 313/69, BGHZ 57, 137, 145; vom 18. April 1997 - V ZR 28/96, aaO, und vom 29. April 1999 - I ZR 70/97, VersR 2000, 474). Die vom Gesetz vorgesehene Möglichkeit der Anspruchsminderung des Geschädigten beruht auf der Überlegung, dass jemand, der diejenige Sorgfalt außer acht lässt, die nach Lage der Sache erforderlich erscheint, um sich selbst vor Schaden zu bewahren, auch den Verlust oder die Kürzung seiner Ansprüche hinnehmen muss (vgl. Senatsurteil vom 29. April 1953 - VI ZR 63/52, BGHZ 9, 316, 318 f.), weil es im Verhältnis zwischen Schädiger und Geschädigtem unbillig erscheint, dass jemand für den von ihm erlittenen Schaden trotz eigener Mitverantwortung vollen Ersatz fordert (vgl. Senatsurteile vom 14. März 1961 - VI ZR 189/59, aaO, und vom 22. September 1981 - VI ZR 144/79, aaO; BGH, Urteil vom 14. Mai 1998 - I ZR 95/96, VersR 1998, 1443, 1445). Eine Anspruchskürzung gemäß § 254 Abs. 1 BGB hängt nicht davon ab, dass der Geschädigte eine Rechtspflicht verletzt hat (vgl. MünchKommBGB/Oetker, 6. Aufl., § 254 Rn. 3 mwN). Insbesondere ist es nicht erforderlich, dass er gegen eine gesetzliche Vorschrift (vgl. Senatsurteil vom 30. Januar 1979 - VI ZR 144/77, VersR 1979, 369 f. mwN) oder eine andere Verhaltensanweisung wie etwa eine Unfallverhütungsvorschrift verstoßen hat (vgl. Senatsurteile vom 10. März 1970 - VI ZR 218/68, - VI ZR 86/69, VersR 1970, 469, 470; vom 25. Januar 1983 - VI ZR 92/81, VersR 1983, 440 und vom 10. März 1987 - VI ZR 123/86, VersR 1987, 781).

9

b) Ein Mitverschulden des Verletzten im Sinne von § 254 Abs. 1 BGB ist bereits dann anzunehmen, wenn dieser diejenige Sorgfalt außer acht lässt, die ein ordentlicher und verständiger Mensch zur Vermeidung eigenen Schadens anzuwenden pflegt (st. Rspr., vgl. etwa Senatsurteile vom 29. April 1953 - VI ZR 63/52, aaO, S. 318; vom 27. Juni 1961 - VI ZR 205/60, BGHZ 35, 317, 321; vom 18. April 1961 - VI ZR 166/60, VersR 1961, 561, 562; vom 22. Juni 1965 - VI ZR 53/64, VersR 1965, 816, 817 und vom 9. Mai 1978 - VI ZR 212/76, VersR 1978, 923, 924). Er muss sich "verkehrsrichtig" verhalten, was sich nicht nur durch die geschriebenen Regeln der Straßenverkehrsordnung bestimmt, sondern durch die konkreten Umstände und Gefahren im Verkehr sowie nach dem, was den Verkehrsteilnehmern zumutbar ist, um diese Gefahr möglichst gering zu halten (Senatsurteile vom 30. Januar 1979 - VI ZR 144/77, VersR 1979, 369, 370 und vom 10. April 1979 - VI ZR 83/78, VersR 1979, 532). Danach würde es für eine Mithaftung der Klägerin ausreichen, wenn für Radfahrer das Tragen von Schutzhelmen zur Unfallzeit im Jahr 2011 nach allgemeinem Verkehrsbewusstsein zum eigenen Schutz erforderlich war.

10

c) Das Berufungsgericht nimmt an, dass dies der Fall gewesen sei. Es meint, das allgemeine Verkehrsbewusstsein in Bezug auf das Tragen von Schutzhelmen beim Fahrradfahren habe sich in den letzten Jahren stark gewandelt, weshalb nach dem heutigen Erkenntnisstand grundsätzlich davon ausgegangen werden könne, dass ein ordentlicher und verständiger Mensch zur Vermeidung eigenen Schadens beim Radfahren einen Helm trage, wenn er sich in den öffentlichen Straßenverkehr begebe. Gegen diese Beurteilung wendet sich die Revision mit Erfolg.

11

aa) Das Berufungsgericht stützt seine Beurteilung im Wesentlichen auf Überlegungen hinsichtlich des besonderen Verletzungsrisikos, dem Radfahrer im Straßenverkehr heute ausgesetzt seien. Allein mit dem Verletzungsrisiko und der Kenntnis davon lässt sich ein verkehrsgerechtes Verhalten jedoch nicht begründen. Auch der heutige Erkenntnisstand hinsichtlich der Möglichkeiten, dem Verletzungsrisiko durch Schutzmaßnahmen zu begegnen, rechtfertigt noch nicht den Schluss, dass ein Radfahrer sich nur dann verkehrsgerecht verhält, wenn er einen Helm trägt. Insoweit mag der Fortschritt der Sicherheitstechnik zwar in gewissem Maße Berücksichtigung finden (vgl. Staudinger/Schiemann, BGB, Neubearb. 2005, § 254 Rn. 51 mwN). Die technische Entwicklung hat aber nur bedingte Aussagekraft für die Beurteilung der Frage, welches Verhalten tatsächlich dem heutigen allgemeinen Verkehrsbewusstsein entspricht.

12

bb) Der erkennende Senat hat in einer Entscheidung, in der es um die Frage des Mitverschuldens eines Mopedfahrers ging, der bei einem Verkehrsunfall im Jahr 1974 eine Kopfverletzung erlitt, weil er keinen Helm trug, zu den Voraussetzungen für die Annahme eines verkehrsgerechten Verhaltens näher Stellung genommen (Senatsurteil vom 30. Januar 1979 - VI ZR 144/77, aaO). Er hat dazu ausgeführt, dass weder die Gefährlichkeit noch das gegenüber früher - nicht zuletzt wegen der zunehmenden Dichte des Verkehrs - bei Mopedfahrern möglicherweise gesteigerte Bewusstsein für solche Gefährdungen ausreichten, um das Fahren ohne Helm als nicht verkehrsgerecht zu bewerten. Zur Beurteilung einer allgemeinen Überzeugung könnten Umfrageergebnisse, Statistiken und amtliche oder nichtamtliche Erhebungen herangezogen werden, die jedoch nicht vorhanden seien. Ohne solche zureichend verlässlichen Unterlagen könne von einer allgemeinen Überzeugung, dass es für einen ordentlichen und gewissenhaften Mopedfahrer zum eigenen Schutz in jedem Falle erforderlich sei, auf seinen Fahrten einen Schutzhelm zu tragen, so lange nicht gesprochen werden, als selbst der Verordnungsgesetzgeber, von dem zu dieser Frage gewissenhafte Überlegungen und Nachforschungen erwartet werden könnten, noch Ende 1975 die einschlägigen Gefahren relativiert und die Anordnung entsprechender Anschaffungen der Mopedfahrer im Hinblick darauf noch als unzumutbar angesehen habe. Bei dieser Sachlage habe sich dem verunglückten Mopedfahrer zu damaliger Zeit nicht aufdrängen müssen, dass er zu seinem Schutz einen Helm aufsetzen müsse. Davon abgesehen sei nicht festgestellt, ob gerade in der Umgebung, in der er gewohnt habe, bei Mopedfahrern schon eine entsprechende Übung bestanden habe.

13

cc) Diese Erwägungen können auch vorliegend zur Beurteilung verkehrsgerechten Verhaltens herangezogen werden. Anders als damals gibt es, worauf die Revision zutreffend hinweist, amtliche Statistiken über die tatsächliche Akzeptanz von Fahrradhelmen. Die Bundesanstalt für Straßenwesen führt seit Mitte der 70er Jahre regelmäßig repräsentative Verkehrsbeobachtungen im gesamten Bundesgebiet durch, bei denen jährlich u.a. das Tragen von Schutzhelmen und Schutzkleidung bei Zweiradbenutzern erfasst wird. Danach trugen im Jahr 2011 über alle Altersgruppen hinweg innerorts elf Prozent der Fahrradfahrer einen Schutzhelm (Bundesanstalt für Straßenwesen, Forschung kompakt 06/12, veröffentlicht auf www.bast.de). Damit sei, so die seinerzeitige Beurteilung seitens der Bundesanstalt für Straßenwesen, die Helmtragequote gegenüber dem Vorjahr (neun Prozent) leicht gestiegen, sie befinde sich aber weiterhin auf niedrigem Niveau. Bei dieser Sachlage ist die Annahme, die Erforderlichkeit des Tragens von Fahrradhelmen habe im Jahr 2011 dem allgemeinen Verkehrsbewusstsein entsprochen, nicht gerechtfertigt.

14

Allerdings hat der Arbeitskreis IV des 47. Verkehrsgerichtstages 2009 eine Empfehlung beschlossen, in der es unter Nr. 6 heißt: "Teilnehmern am Radfahrverkehr wird das Tragen eines Helmes sowie dringend der Abschluss einer Haftpflichtversicherung empfohlen" (47. VGT 2009, 8). Der Verordnungsgesetzgeber hat aus verkehrspolitischen Erwägungen bislang jedoch bewusst davon abgesehen, eine Helmpflicht für Radfahrer einzuführen. Die Bundesregierung hat im Jahr 2012 auf eine kleine Anfrage von Abgeordneten und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zur Verkehrssicherheit im Radverkehr erklärt, dass die Freiwilligkeit des Tragens eines Fahrradhelmes der Ansatz des gerade verabschiedeten Verkehrssicherheitsprogramms 2011 sei (BT-Drucks. 17/8560, S. 13). Die Einführung einer Helmpflicht wird auch von der derzeitigen Bundesregierung bislang nicht verfolgt. So heißt es im Koalitionsvertrag "Deutschlands Zukunft gestalten" zwischen CDU, CSU und SPD, 18. Legislaturperiode (abrufbar unter http://www.bundesregierung.de/Content/DE/_Anlagen/2013/2013-12-17-koalitionsvertrag.pdf?__blob=publicationFile&v=2, S. 45) zum Thema Fahrradverkehr vielmehr, man wolle darauf hinwirken, dass deutlich mehr Fahrradfahrer Helm tragen. Solche Aussagen und Empfehlungen mögen langfristig dazu beitragen, die Akzeptanz des Tragens von Fahrradhelmen zu erhöhen. Einen Beleg für ein entsprechendes allgemeines Verkehrsbewusstsein im Jahr 2011 vermögen sie nicht zu liefern.

15

d) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist daher mit der bisherigen obergerichtlichen Rechtsprechung und der überwiegenden Auffassung der Literatur daran festzuhalten, dass Schadensersatzansprüche eines Radfahrers, der im Straßenverkehr bei einem Verkehrsunfall Kopfverletzungen erlitten hat, die durch das Tragen eines Schutzhelms zwar nicht verhindert, wohl aber hätten gemildert werden können, jedenfalls bei Unfallereignissen bis zum Jahr 2011 grundsätzlich nicht wegen Mitverschuldens gemäß § 9 StVG, § 254 Abs. 1 BGB gemindert sind (vgl. OLG Stuttgart, VRS 97, 15, 18 f.; OLG Hamm, VersR 2001, 1257, 1259; OLG Düsseldorf, NZV 2007, 38, 39 mit Anm. Kettler; OLG Düsseldorf, NZV 2007, 614, 618 f.; OLG Saarbrücken, NZV 2008, 202, 203 f. mit Anm. Jahnke, jurisPR-VerkR 1/2008 Anm. 3; OLG Celle, VD 2014, 101, 102 ff. mit Anm. Wenker, jurisPR-VerkR 5/2014 Anm. 3; Greger/Zwickel, Haftungsrecht des Straßenverkehrs, 5. Aufl., § 22 Rn. 62; Jahnke in FS Gerda Müller, 2009, S. 396 mwN; Kettler, Recht für Radfahrer, 3. Aufl., S. 174 ff.; Hufnagel, DAR 2007, 289, 292; Kettler, NZV 2007, 603 f.; Prelinger, juris-PR-VerK 21/2013 Anm. 2 [Anm. zum Urteil des Berufungsgerichts]; Türpe, VRR 2013, 404, 405 f. [Anm. zum Urteil des Berufungsgerichts]; aA: Geigel/Knerr, Der Haftpflichtprozess, 26. Aufl. Kap. 2 Rn. 58; Staudinger/Schiemann, aaO; vgl. dazu auch Stöhr, zfS 2010, 62, 66 sowie Scholten, SVR 2012, 161 ff.). Inwieweit in Fällen sportlicher Betätigung des Radfahrers das Nichtragen eines Schutzhelms ein Mitverschulden begründen kann (vgl. dazu OLG Düsseldorf, NZV 2007, 614, 618; OLG Düsseldorf, NZV 2007, 619, 622; OLG Saarbrücken, NJW-RR 2008, 266, 267 f.; OLG München, Urteil vom 3. März 2011 - 24 U 384/10, juris Rn. 32; OLG Celle, aaO; MünchKommBGB/Oetker, aaO Rn. 42; Kettler, NZV 2007, 603 ff.), bedarf vorliegend keiner Entscheidung.

16

3. Nach alledem kann das angefochtene Urteil, soweit zum Nachteil der Klägerin erkannt worden ist, keinen Bestand haben. Da es keiner weiteren Feststellungen mehr bedarf, kann der erkennende Senat gemäß § 563 Abs. 3 ZPO in der Sache selbst entscheiden. Die Berufung der Beklagten gegen das landgerichtliche Urteil ist insgesamt zurückzuweisen, denn das Feststellungsbegehren der Klägerin erweist sich in vollem Umfang als begründet.

Galke                    Wellner                          Pauge

             Stöhr                       Offenloch

(1) Ein auf anderen gesetzlichen Vorschriften beruhender Anspruch auf Ersatz eines Schadens geht auf den Versicherungsträger oder Träger der Eingliederungshilfe oder der Sozialhilfe über, soweit dieser auf Grund des Schadensereignisses Sozialleistungen zu erbringen hat, die der Behebung eines Schadens der gleichen Art dienen und sich auf denselben Zeitraum wie der vom Schädiger zu leistende Schadensersatz beziehen. Dazu gehören auch

1.
die Beiträge, die von Sozialleistungen zu zahlen sind, und
2.
die Beiträge zur Krankenversicherung, die für die Dauer des Anspruchs auf Krankengeld unbeschadet des § 224 Abs. 1 des Fünften Buches zu zahlen wären.

(2) Ist der Anspruch auf Ersatz eines Schadens durch Gesetz der Höhe nach begrenzt, geht er auf den Versicherungsträger oder Träger der Eingliederungshilfe oder der Sozialhilfe über, soweit er nicht zum Ausgleich des Schadens des Geschädigten oder seiner Hinterbliebenen erforderlich ist.

(3) Ist der Anspruch auf Ersatz eines Schadens durch ein mitwirkendes Verschulden oder eine mitwirkende Verantwortlichkeit des Geschädigten begrenzt, geht auf den Versicherungsträger oder Träger der Eingliederungshilfe oder der Sozialhilfe von dem nach Absatz 1 bei unbegrenzter Haftung übergehenden Ersatzanspruch der Anteil über, welcher dem Vomhundertsatz entspricht, für den der Schädiger ersatzpflichtig ist. Dies gilt auch, wenn der Ersatzanspruch durch Gesetz der Höhe nach begrenzt ist. Der Anspruchsübergang ist ausgeschlossen, soweit der Geschädigte oder seine Hinterbliebenen dadurch hilfebedürftig im Sinne der Vorschriften des Zwölften Buches werden.

(4) Stehen der Durchsetzung der Ansprüche auf Ersatz eines Schadens tatsächliche Hindernisse entgegen, hat die Durchsetzung der Ansprüche des Geschädigten und seiner Hinterbliebenen Vorrang vor den übergegangenen Ansprüchen nach Absatz 1.

(5) Hat ein Versicherungsträger oder Träger der Eingliederungshilfe oder der Sozialhilfe auf Grund des Schadensereignisses dem Geschädigten oder seinen Hinterbliebenen keine höheren Sozialleistungen zu erbringen als vor diesem Ereignis, geht in den Fällen des Absatzes 3 Satz 1 und 2 der Schadenersatzanspruch nur insoweit über, als der geschuldete Schadenersatz nicht zur vollen Deckung des eigenen Schadens des Geschädigten oder seiner Hinterbliebenen erforderlich ist.

(6) Ein nach Absatz 1 übergegangener Ersatzanspruch kann bei nicht vorsätzlichen Schädigungen durch eine Person, die im Zeitpunkt des Schadensereignisses mit dem Geschädigten oder seinen Hinterbliebenen in häuslicher Gemeinschaft lebt, nicht geltend gemacht werden. Ein Ersatzanspruch nach Absatz 1 kann auch dann nicht geltend gemacht werden, wenn der Schädiger mit dem Geschädigten oder einem Hinterbliebenen nach Eintritt des Schadensereignisses die Ehe geschlossen oder eine Lebenspartnerschaft begründet hat und in häuslicher Gemeinschaft lebt. Abweichend von den Sätzen 1 und 2 kann ein Ersatzanspruch bis zur Höhe der zur Verfügung stehenden Versicherungssumme geltend gemacht werden, wenn der Schaden bei dem Betrieb eines Fahrzeugs entstanden ist, für das Versicherungsschutz nach § 1 des Gesetzes über die Pflichtversicherung für Kraftfahrzeughalter oder § 1 des Gesetzes über die Haftpflichtversicherung für ausländische Kraftfahrzeuge und Kraftfahrzeuganhänger besteht. Der Ersatzanspruch kann in den Fällen des Satzes 3 gegen den Schädiger in voller Höhe geltend gemacht werden, wenn er den Versicherungsfall vorsätzlich verursacht hat.

(7) Haben der Geschädigte oder seine Hinterbliebenen von dem zum Schadenersatz Verpflichteten auf einen übergegangenen Anspruch mit befreiender Wirkung gegenüber dem Versicherungsträger oder Träger der Eingliederungshilfe oder der Sozialhilfe Leistungen erhalten, haben sie insoweit dem Versicherungsträger oder Träger der Eingliederungshilfe oder der Sozialhilfe die erbrachten Leistungen zu erstatten. Haben die Leistungen gegenüber dem Versicherungsträger oder Träger der Sozialhilfe keine befreiende Wirkung, haften der zum Schadenersatz Verpflichtete und der Geschädigte oder dessen Hinterbliebene dem Versicherungsträger oder Träger der Sozialhilfe als Gesamtschuldner.

(8) Weist der Versicherungsträger oder Träger der Sozialhilfe nicht höhere Leistungen nach, sind vorbehaltlich der Absätze 2 und 3 je Schadensfall für nicht stationäre ärztliche Behandlung und Versorgung mit Arznei- und Verbandmitteln 5 vom Hundert der monatlichen Bezugsgröße nach § 18 des Vierten Buches zu ersetzen.

(9) Die Vereinbarung einer Pauschalierung der Ersatzansprüche ist zulässig.

(10) Die Bundesagentur für Arbeit und die Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch gelten als Versicherungsträger im Sinne dieser Vorschrift.

*

(1) Leistet der Schuldner auf eine Mahnung des Gläubigers nicht, die nach dem Eintritt der Fälligkeit erfolgt, so kommt er durch die Mahnung in Verzug. Der Mahnung stehen die Erhebung der Klage auf die Leistung sowie die Zustellung eines Mahnbescheids im Mahnverfahren gleich.

(2) Der Mahnung bedarf es nicht, wenn

1.
für die Leistung eine Zeit nach dem Kalender bestimmt ist,
2.
der Leistung ein Ereignis vorauszugehen hat und eine angemessene Zeit für die Leistung in der Weise bestimmt ist, dass sie sich von dem Ereignis an nach dem Kalender berechnen lässt,
3.
der Schuldner die Leistung ernsthaft und endgültig verweigert,
4.
aus besonderen Gründen unter Abwägung der beiderseitigen Interessen der sofortige Eintritt des Verzugs gerechtfertigt ist.

(3) Der Schuldner einer Entgeltforderung kommt spätestens in Verzug, wenn er nicht innerhalb von 30 Tagen nach Fälligkeit und Zugang einer Rechnung oder gleichwertigen Zahlungsaufstellung leistet; dies gilt gegenüber einem Schuldner, der Verbraucher ist, nur, wenn auf diese Folgen in der Rechnung oder Zahlungsaufstellung besonders hingewiesen worden ist. Wenn der Zeitpunkt des Zugangs der Rechnung oder Zahlungsaufstellung unsicher ist, kommt der Schuldner, der nicht Verbraucher ist, spätestens 30 Tage nach Fälligkeit und Empfang der Gegenleistung in Verzug.

(4) Der Schuldner kommt nicht in Verzug, solange die Leistung infolge eines Umstands unterbleibt, den er nicht zu vertreten hat.

(5) Für eine von den Absätzen 1 bis 3 abweichende Vereinbarung über den Eintritt des Verzugs gilt § 271a Absatz 1 bis 5 entsprechend.

*

(1) Eine Geldschuld ist während des Verzugs zu verzinsen. Der Verzugszinssatz beträgt für das Jahr fünf Prozentpunkte über dem Basiszinssatz.

(2) Bei Rechtsgeschäften, an denen ein Verbraucher nicht beteiligt ist, beträgt der Zinssatz für Entgeltforderungen neun Prozentpunkte über dem Basiszinssatz.

(3) Der Gläubiger kann aus einem anderen Rechtsgrund höhere Zinsen verlangen.

(4) Die Geltendmachung eines weiteren Schadens ist nicht ausgeschlossen.

(5) Der Gläubiger einer Entgeltforderung hat bei Verzug des Schuldners, wenn dieser kein Verbraucher ist, außerdem einen Anspruch auf Zahlung einer Pauschale in Höhe von 40 Euro. Dies gilt auch, wenn es sich bei der Entgeltforderung um eine Abschlagszahlung oder sonstige Ratenzahlung handelt. Die Pauschale nach Satz 1 ist auf einen geschuldeten Schadensersatz anzurechnen, soweit der Schaden in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist.

(6) Eine im Voraus getroffene Vereinbarung, die den Anspruch des Gläubigers einer Entgeltforderung auf Verzugszinsen ausschließt, ist unwirksam. Gleiches gilt für eine Vereinbarung, die diesen Anspruch beschränkt oder den Anspruch des Gläubigers einer Entgeltforderung auf die Pauschale nach Absatz 5 oder auf Ersatz des Schadens, der in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist, ausschließt oder beschränkt, wenn sie im Hinblick auf die Belange des Gläubigers grob unbillig ist. Eine Vereinbarung über den Ausschluss der Pauschale nach Absatz 5 oder des Ersatzes des Schadens, der in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist, ist im Zweifel als grob unbillig anzusehen. Die Sätze 1 bis 3 sind nicht anzuwenden, wenn sich der Anspruch gegen einen Verbraucher richtet.

Eine Geldschuld hat der Schuldner von dem Eintritt der Rechtshängigkeit an zu verzinsen, auch wenn er nicht im Verzug ist; wird die Schuld erst später fällig, so ist sie von der Fälligkeit an zu verzinsen. Die Vorschriften des § 288 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2, Abs. 3 und des § 289 Satz 1 finden entsprechende Anwendung.

Bei der Haftpflichtversicherung ist der Versicherer verpflichtet, den Versicherungsnehmer von Ansprüchen freizustellen, die von einem Dritten auf Grund der Verantwortlichkeit des Versicherungsnehmers für eine während der Versicherungszeit eintretende Tatsache geltend gemacht werden, und unbegründete Ansprüche abzuwehren.

(1) Andere als die in den §§ 422 bis 424 bezeichneten Tatsachen wirken, soweit sich nicht aus dem Schuldverhältnis ein anderes ergibt, nur für und gegen den Gesamtschuldner, in dessen Person sie eintreten.

(2) Dies gilt insbesondere von der Kündigung, dem Verzug, dem Verschulden, von der Unmöglichkeit der Leistung in der Person eines Gesamtschuldners, von der Verjährung, deren Neubeginn, Hemmung und Ablaufhemmung, von der Vereinigung der Forderung mit der Schuld und von dem rechtskräftigen Urteil.

Die regelmäßige Verjährungsfrist beträgt drei Jahre.

(1) Die regelmäßige Verjährungsfrist beginnt, soweit nicht ein anderer Verjährungsbeginn bestimmt ist, mit dem Schluss des Jahres, in dem

1.
der Anspruch entstanden ist und
2.
der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste.

(2) Schadensersatzansprüche, die auf der Verletzung des Lebens, des Körpers, der Gesundheit oder der Freiheit beruhen, verjähren ohne Rücksicht auf ihre Entstehung und die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in 30 Jahren von der Begehung der Handlung, der Pflichtverletzung oder dem sonstigen, den Schaden auslösenden Ereignis an.

(3) Sonstige Schadensersatzansprüche verjähren

1.
ohne Rücksicht auf die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in zehn Jahren von ihrer Entstehung an und
2.
ohne Rücksicht auf ihre Entstehung und die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in 30 Jahren von der Begehung der Handlung, der Pflichtverletzung oder dem sonstigen, den Schaden auslösenden Ereignis an.
Maßgeblich ist die früher endende Frist.

(3a) Ansprüche, die auf einem Erbfall beruhen oder deren Geltendmachung die Kenntnis einer Verfügung von Todes wegen voraussetzt, verjähren ohne Rücksicht auf die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in 30 Jahren von der Entstehung des Anspruchs an.

(4) Andere Ansprüche als die nach den Absätzen 2 bis 3a verjähren ohne Rücksicht auf die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in zehn Jahren von ihrer Entstehung an.

(5) Geht der Anspruch auf ein Unterlassen, so tritt an die Stelle der Entstehung die Zuwiderhandlung.

(1) Ein auf anderen gesetzlichen Vorschriften beruhender Anspruch auf Ersatz eines Schadens geht auf den Versicherungsträger oder Träger der Eingliederungshilfe oder der Sozialhilfe über, soweit dieser auf Grund des Schadensereignisses Sozialleistungen zu erbringen hat, die der Behebung eines Schadens der gleichen Art dienen und sich auf denselben Zeitraum wie der vom Schädiger zu leistende Schadensersatz beziehen. Dazu gehören auch

1.
die Beiträge, die von Sozialleistungen zu zahlen sind, und
2.
die Beiträge zur Krankenversicherung, die für die Dauer des Anspruchs auf Krankengeld unbeschadet des § 224 Abs. 1 des Fünften Buches zu zahlen wären.

(2) Ist der Anspruch auf Ersatz eines Schadens durch Gesetz der Höhe nach begrenzt, geht er auf den Versicherungsträger oder Träger der Eingliederungshilfe oder der Sozialhilfe über, soweit er nicht zum Ausgleich des Schadens des Geschädigten oder seiner Hinterbliebenen erforderlich ist.

(3) Ist der Anspruch auf Ersatz eines Schadens durch ein mitwirkendes Verschulden oder eine mitwirkende Verantwortlichkeit des Geschädigten begrenzt, geht auf den Versicherungsträger oder Träger der Eingliederungshilfe oder der Sozialhilfe von dem nach Absatz 1 bei unbegrenzter Haftung übergehenden Ersatzanspruch der Anteil über, welcher dem Vomhundertsatz entspricht, für den der Schädiger ersatzpflichtig ist. Dies gilt auch, wenn der Ersatzanspruch durch Gesetz der Höhe nach begrenzt ist. Der Anspruchsübergang ist ausgeschlossen, soweit der Geschädigte oder seine Hinterbliebenen dadurch hilfebedürftig im Sinne der Vorschriften des Zwölften Buches werden.

(4) Stehen der Durchsetzung der Ansprüche auf Ersatz eines Schadens tatsächliche Hindernisse entgegen, hat die Durchsetzung der Ansprüche des Geschädigten und seiner Hinterbliebenen Vorrang vor den übergegangenen Ansprüchen nach Absatz 1.

(5) Hat ein Versicherungsträger oder Träger der Eingliederungshilfe oder der Sozialhilfe auf Grund des Schadensereignisses dem Geschädigten oder seinen Hinterbliebenen keine höheren Sozialleistungen zu erbringen als vor diesem Ereignis, geht in den Fällen des Absatzes 3 Satz 1 und 2 der Schadenersatzanspruch nur insoweit über, als der geschuldete Schadenersatz nicht zur vollen Deckung des eigenen Schadens des Geschädigten oder seiner Hinterbliebenen erforderlich ist.

(6) Ein nach Absatz 1 übergegangener Ersatzanspruch kann bei nicht vorsätzlichen Schädigungen durch eine Person, die im Zeitpunkt des Schadensereignisses mit dem Geschädigten oder seinen Hinterbliebenen in häuslicher Gemeinschaft lebt, nicht geltend gemacht werden. Ein Ersatzanspruch nach Absatz 1 kann auch dann nicht geltend gemacht werden, wenn der Schädiger mit dem Geschädigten oder einem Hinterbliebenen nach Eintritt des Schadensereignisses die Ehe geschlossen oder eine Lebenspartnerschaft begründet hat und in häuslicher Gemeinschaft lebt. Abweichend von den Sätzen 1 und 2 kann ein Ersatzanspruch bis zur Höhe der zur Verfügung stehenden Versicherungssumme geltend gemacht werden, wenn der Schaden bei dem Betrieb eines Fahrzeugs entstanden ist, für das Versicherungsschutz nach § 1 des Gesetzes über die Pflichtversicherung für Kraftfahrzeughalter oder § 1 des Gesetzes über die Haftpflichtversicherung für ausländische Kraftfahrzeuge und Kraftfahrzeuganhänger besteht. Der Ersatzanspruch kann in den Fällen des Satzes 3 gegen den Schädiger in voller Höhe geltend gemacht werden, wenn er den Versicherungsfall vorsätzlich verursacht hat.

(7) Haben der Geschädigte oder seine Hinterbliebenen von dem zum Schadenersatz Verpflichteten auf einen übergegangenen Anspruch mit befreiender Wirkung gegenüber dem Versicherungsträger oder Träger der Eingliederungshilfe oder der Sozialhilfe Leistungen erhalten, haben sie insoweit dem Versicherungsträger oder Träger der Eingliederungshilfe oder der Sozialhilfe die erbrachten Leistungen zu erstatten. Haben die Leistungen gegenüber dem Versicherungsträger oder Träger der Sozialhilfe keine befreiende Wirkung, haften der zum Schadenersatz Verpflichtete und der Geschädigte oder dessen Hinterbliebene dem Versicherungsträger oder Träger der Sozialhilfe als Gesamtschuldner.

(8) Weist der Versicherungsträger oder Träger der Sozialhilfe nicht höhere Leistungen nach, sind vorbehaltlich der Absätze 2 und 3 je Schadensfall für nicht stationäre ärztliche Behandlung und Versorgung mit Arznei- und Verbandmitteln 5 vom Hundert der monatlichen Bezugsgröße nach § 18 des Vierten Buches zu ersetzen.

(9) Die Vereinbarung einer Pauschalierung der Ersatzansprüche ist zulässig.

(10) Die Bundesagentur für Arbeit und die Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch gelten als Versicherungsträger im Sinne dieser Vorschrift.

Schweben zwischen dem Schuldner und dem Gläubiger Verhandlungen über den Anspruch oder die den Anspruch begründenden Umstände, so ist die Verjährung gehemmt, bis der eine oder der andere Teil die Fortsetzung der Verhandlungen verweigert. Die Verjährung tritt frühestens drei Monate nach dem Ende der Hemmung ein.

Bei der Haftpflichtversicherung ist der Versicherer verpflichtet, den Versicherungsnehmer von Ansprüchen freizustellen, die von einem Dritten auf Grund der Verantwortlichkeit des Versicherungsnehmers für eine während der Versicherungszeit eintretende Tatsache geltend gemacht werden, und unbegründete Ansprüche abzuwehren.

Der Zeitraum, während dessen die Verjährung gehemmt ist, wird in die Verjährungsfrist nicht eingerechnet.

(1) Die Verjährung wird gehemmt durch

1.
die Erhebung der Klage auf Leistung oder auf Feststellung des Anspruchs, auf Erteilung der Vollstreckungsklausel oder auf Erlass des Vollstreckungsurteils,
1a.
die Erhebung einer Musterfeststellungsklage für einen Anspruch, den ein Gläubiger zu dem zu der Klage geführten Klageregister wirksam angemeldet hat, wenn dem angemeldeten Anspruch derselbe Lebenssachverhalt zugrunde liegt wie den Feststellungszielen der Musterfeststellungsklage,
2.
die Zustellung des Antrags im vereinfachten Verfahren über den Unterhalt Minderjähriger,
3.
die Zustellung des Mahnbescheids im Mahnverfahren oder des Europäischen Zahlungsbefehls im Europäischen Mahnverfahren nach der Verordnung (EG) Nr. 1896/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 zur Einführung eines Europäischen Mahnverfahrens (ABl. EU Nr. L 399 S. 1),
4.
die Veranlassung der Bekanntgabe eines Antrags, mit dem der Anspruch geltend gemacht wird, bei einer
a)
staatlichen oder staatlich anerkannten Streitbeilegungsstelle oder
b)
anderen Streitbeilegungsstelle, wenn das Verfahren im Einvernehmen mit dem Antragsgegner betrieben wird;
die Verjährung wird schon durch den Eingang des Antrags bei der Streitbeilegungsstelle gehemmt, wenn der Antrag demnächst bekannt gegeben wird,
5.
die Geltendmachung der Aufrechnung des Anspruchs im Prozess,
6.
die Zustellung der Streitverkündung,
6a.
die Zustellung der Anmeldung zu einem Musterverfahren für darin bezeichnete Ansprüche, soweit diesen der gleiche Lebenssachverhalt zugrunde liegt wie den Feststellungszielen des Musterverfahrens und wenn innerhalb von drei Monaten nach dem rechtskräftigen Ende des Musterverfahrens die Klage auf Leistung oder Feststellung der in der Anmeldung bezeichneten Ansprüche erhoben wird,
7.
die Zustellung des Antrags auf Durchführung eines selbständigen Beweisverfahrens,
8.
den Beginn eines vereinbarten Begutachtungsverfahrens,
9.
die Zustellung des Antrags auf Erlass eines Arrests, einer einstweiligen Verfügung oder einer einstweiligen Anordnung, oder, wenn der Antrag nicht zugestellt wird, dessen Einreichung, wenn der Arrestbefehl, die einstweilige Verfügung oder die einstweilige Anordnung innerhalb eines Monats seit Verkündung oder Zustellung an den Gläubiger dem Schuldner zugestellt wird,
10.
die Anmeldung des Anspruchs im Insolvenzverfahren oder im Schifffahrtsrechtlichen Verteilungsverfahren,
10a.
die Anordnung einer Vollstreckungssperre nach dem Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz, durch die der Gläubiger an der Einleitung der Zwangsvollstreckung wegen des Anspruchs gehindert ist,
11.
den Beginn des schiedsrichterlichen Verfahrens,
12.
die Einreichung des Antrags bei einer Behörde, wenn die Zulässigkeit der Klage von der Vorentscheidung dieser Behörde abhängt und innerhalb von drei Monaten nach Erledigung des Gesuchs die Klage erhoben wird; dies gilt entsprechend für bei einem Gericht oder bei einer in Nummer 4 bezeichneten Streitbeilegungsstelle zu stellende Anträge, deren Zulässigkeit von der Vorentscheidung einer Behörde abhängt,
13.
die Einreichung des Antrags bei dem höheren Gericht, wenn dieses das zuständige Gericht zu bestimmen hat und innerhalb von drei Monaten nach Erledigung des Gesuchs die Klage erhoben oder der Antrag, für den die Gerichtsstandsbestimmung zu erfolgen hat, gestellt wird, und
14.
die Veranlassung der Bekanntgabe des erstmaligen Antrags auf Gewährung von Prozesskostenhilfe oder Verfahrenskostenhilfe; wird die Bekanntgabe demnächst nach der Einreichung des Antrags veranlasst, so tritt die Hemmung der Verjährung bereits mit der Einreichung ein.

(2) Die Hemmung nach Absatz 1 endet sechs Monate nach der rechtskräftigen Entscheidung oder anderweitigen Beendigung des eingeleiteten Verfahrens. Die Hemmung nach Absatz 1 Nummer 1a endet auch sechs Monate nach der Rücknahme der Anmeldung zum Klageregister. Gerät das Verfahren dadurch in Stillstand, dass die Parteien es nicht betreiben, so tritt an die Stelle der Beendigung des Verfahrens die letzte Verfahrenshandlung der Parteien, des Gerichts oder der sonst mit dem Verfahren befassten Stelle. Die Hemmung beginnt erneut, wenn eine der Parteien das Verfahren weiter betreibt.

(3) Auf die Frist nach Absatz 1 Nr. 6a, 9, 12 und 13 finden die §§ 206, 210 und 211 entsprechende Anwendung.

(1) Verbrauchbare Sachen im Sinne des Gesetzes sind bewegliche Sachen, deren bestimmungsmäßiger Gebrauch in dem Verbrauch oder in der Veräußerung besteht.

(2) Als verbrauchbar gelten auch bewegliche Sachen, die zu einem Warenlager oder zu einem sonstigen Sachinbegriff gehören, dessen bestimmungsmäßiger Gebrauch in der Veräußerung der einzelnen Sachen besteht.

(1) Zubehör sind bewegliche Sachen, die, ohne Bestandteile der Hauptsache zu sein, dem wirtschaftlichen Zwecke der Hauptsache zu dienen bestimmt sind und zu ihr in einem dieser Bestimmung entsprechenden räumlichen Verhältnis stehen. Eine Sache ist nicht Zubehör, wenn sie im Verkehr nicht als Zubehör angesehen wird.

(2) Die vorübergehende Benutzung einer Sache für den wirtschaftlichen Zweck einer anderen begründet nicht die Zubehöreigenschaft. Die vorübergehende Trennung eines Zubehörstücks von der Hauptsache hebt die Zubehöreigenschaft nicht auf.

Ist jemand berechtigt, die Früchte einer Sache oder eines Rechts bis zu einer bestimmten Zeit oder von einer bestimmten Zeit an zu beziehen, so gebühren ihm, sofern nicht ein anderes bestimmt ist:

1.
die in § 99 Abs. 1 bezeichneten Erzeugnisse und Bestandteile, auch wenn er sie als Früchte eines Rechts zu beziehen hat, insoweit, als sie während der Dauer der Berechtigung von der Sache getrennt werden,
2.
andere Früchte insoweit, als sie während der Dauer der Berechtigung fällig werden; bestehen jedoch die Früchte in der Vergütung für die Überlassung des Gebrauchs oder des Fruchtgenusses, in Zinsen, Gewinnanteilen oder anderen regelmäßig wiederkehrenden Erträgen, so gebührt dem Berechtigten ein der Dauer seiner Berechtigung entsprechender Teil.

(1) Die durch eine Nebenintervention verursachten Kosten sind dem Gegner der Hauptpartei aufzuerlegen, soweit er nach den Vorschriften der §§ 91 bis 98 die Kosten des Rechtsstreits zu tragen hat; soweit dies nicht der Fall ist, sind sie dem Nebenintervenienten aufzuerlegen.

(2) Gilt der Nebenintervenient als Streitgenosse der Hauptpartei (§ 69), so sind die Vorschriften des § 100 maßgebend.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZB 44/02
vom
8. Mai 2003
in dem Rechtsstreit
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 8. Mai 2003 durch den Vize-
präsidenten des Bundesgerichtshofes Dr. Wenzel und die Richter Tropf,
Dr. Lemke, Dr. Gaier und Dr. Schmidt-Räntsch

beschlossen:
1. Der Tenor des Senatsbeschlusses vom 3. April 2003 wird wegen eines Schreibfehlers berichtigt und wie folgt neu gefaßt: "Unter Aufhebung des Beschlusses des Oberlandesgerichts Nürnberg vom 30. Juli 2002 wird der Antrag der Nebenintervenienten auf Festsetzung ihrer Kosten abgewiesen.
Die Nebenintervenienten tragen die Kosten des Festsetzungsverfahrens einschließlich des Rechtsbeschwerdeverfahrens." 2. Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 9.089,76 Wenzel Tropf Lemke Gaier Schmidt-Räntsch

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
II ZB 15/02
vom
14. Juli 2003
in der Rechtsbeschwerdesache
Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 14. Juli 2003 durch
den Vorsitzenden Richter Dr. h.c. Röhricht und die Richter Prof. Dr. Goette,
Dr. Kurzwelly, Münke und Dr. Graf

beschlossen:
Unter Aufhebung des Beschlusses des 20. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 6. Juni 2002 unter Ziffer II 1 2. und 3. Abs. wird der Antrag der Nebenintervenienten zu 1 [Dr. D.] und zu 2 [Dipl.-Ing. B.] auf Festsetzung ihrer Kosten abgewiesen.
Die Nebenintervenienten zu 1 und zu 2 tragen die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens zu 54,4 % bzw. 45,6 %.
Beschwerdewert: 104.836,08

Gründe:


I. Der Kläger nahm als Konkursverwalter der A. AG den Beklagten in seiner Eigenschaft als früheres Aufsichtsratsmitglied der A. AG auf Schadenersatz in Anspruch. Der Beklagte verkündete in der ersten Instanz Herrn Dr. D. und im Berufungsrechtszuge dem Sachverständigen Dipl.-Ing. B. den Streit, die beide dem Rechtsstreit auf seiten des Beklagten beitraten. Ohne Mitwirkung der beiden Streitverkündeten schlossen die Parteien vor dem Berufungsgericht einen Vergleich, der hinsichtlich der Kosten folgende Regelung enthält:

"Jede Partei trägt in beiden Instanzen ihre eigenen außergerichtlichen Kosten sowie die Hälfte der Gerichtskosten. ... Die Parteien erklären ausdrücklich, daß durch diesen Vergleich weder dem ... noch den beiden Nebenintervenienten auf seiten des Beklagten Kostenerstattungsansprüche eingeräumt werden sollen."
Die Nebenintervenienten haben die Auffassung vertreten, daß zu ihren Gunsten ungeachtet der Regelung im Vergleich der Parteien Kostenentscheidungen zu treffen sind; während der Nebenintervenient zu 1 beantragt hat, nach § 91 a ZPO zu entscheiden, hat der Nebenintervenient zu 2 verlangt, die Hälfte der durch seine Nebenintervention verursachten Kosten dem Kläger aufzuerlegen.
Das Berufungsgericht (OLG-Report Stuttgart 2003, 55 f.) hat die durch die Nebenintervenienten zu 1 und zu 2 entstandenen Kosten jeweils zur Hälfte ihnen selbst und im übrigen dem Kläger auferlegt. Dagegen wendet sich der Kläger mit der - zugelassenen - Rechtsbeschwerde.
II. Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg. Der Kläger ist nicht verpflichtet, die Hälfte der den Nebenintervenienten des Beklagten entstandenen Kosten zu tragen.
1. Mit Recht hat das Berufungsgericht seinen Beschluß auf § 101 ZPO gestützt und sich an einer zugunsten der Nebenintervenienten ergehenden Entscheidung nicht schon durch den Vergleich der Parteien gehindert gesehen, der den Rechtsbeschwerdegegnern Kostenerstattungsansprüche ausdrücklich nicht einräumen sollte. Der Kostenerstattungsanspruch nach § 101 ZPO, der die
Gleichstellung des Nebenintervenienten mit der von ihm unterstützten Hauptpartei sicherstellen will ("Grundsatz der Kostenparallelität"), steht als gesetzlicher Anspruch ohne Mitwirkung des Nebenintervenienten nicht zur Disposition der Prozeßparteien (vgl. BGH, Beschl. v. 23. Januar 1967 - III ZR 15/64, NJW 1967, 983).
2. Kommt es danach auf die Kostenregelung an, die die Parteien im Verhältnis zueinander getroffen haben (§§ 101, 98 ZPO), kann dem Berufungsgericht nicht darin gefolgt werden, daß die vereinbarte Aufhebung der Kosten (§ 92 ZPO) genauso zu behandeln ist wie eine Kostenteilung.
Das Berufungsgericht befindet sich mit seiner gegenteiligen Auffassung zwar im Einklang mit der grundlegenden Entscheidung des V. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs vom 1. November 1960 (V ZR 47/55, NJW 1961, 460) und der ihr weithin folgenden Rechtsprechung der Oberlandesgerichte und des Schrifttums (vgl. z.B. OLG Celle, NJW-RR 2002, 140, OLGR 2001, 16 und OLGR 2000, 60; OLG München, OLGR 2002, 17; OLG Koblenz, OLGR 2000, 17; OLG Bremen, OLGR 1998, 285; Zöller/Herget, ZPO 23. Aufl. § 101 Rdn. 23; Thomas/Putzo, ZPO 24. Aufl. § 101 Rdn. 4), wenn es bei vergleichsweise geregelter Kostenaufhebung zwischen den Hauptparteien dem Nebenintervenienten einen Anspruch auf Ersatz der Hälfte seiner Kosten gegen den Gegner der unterstützten Hauptpartei zuerkennt.
Mit seinem nach Erlaß der angefochtenen Entscheidung ergangenen Beschluß vom 3. April 2003 (V ZB 44/02 - z.V. in BGHZ bestimmt) hat der V. Zivilsenat jedoch die genannte Rechtsprechung aufgegeben. Er hat im Anschluß an andere Entscheidungen von Oberlandesgerichten (vgl. OLG Karlsruhe, NJW-RR 1997, 1293; OLG Dresden, NJW-RR 1999, 1668; OLG
Frankfurt/Main, OLGR 2000, 156; OLG Stuttgart, NJW-RR 2002, 215; OLG Frankfurt/Main, OLGR 1998, 363; OLG Celle, Anwaltsblatt 1983, 176; OLG Nürnberg, Juristisches Büro 1988, 613; OLG Karlsruhe, OLGZ 86, 383; OLG Nürnberg, MDR 1995, 533; OLG Karlsruhe, MDR 1997, 401; OLG Nürnberg, BauR 2000, 1379) und strikt zwischen Kostenaufhebung und Kostenteilung unterscheidend nunmehr ausgesprochen, daß der Nebenintervenient bei einer Kostenaufhebung zwischen den Hauptparteien Kostenerstattung nicht verlangen kann.
Dieser Ansicht schließt sich der Senat an. Der Streithelfer ist - wie die Vorschrift in § 101 ZPO unter Bezugnahme auf § 98 ZPO belegt - an die durch Vergleich vorgenommene Kostenquotierung im Verhältnis zwischen den Hauptparteien gebunden und damit ebenso zu behandeln, wie die von ihm unterstützte Hauptpartei. Kostenaufhebung bedeutet, daß jede Partei die Gerichtskosten je zur Hälfte und ihre eigenen außergerichtlichen Kosten selbst trägt (vgl. hierzu zur Entstehungsgeschichte BGH, V. Zivilsenat, Beschl. v. 3. April 2003 aaO u. Zöller/Herget aaO, § 92 Rdn. 1; Musielak/Wolst, ZPO § 92 Rdn. 5). Ebenso wie die unterstützte Hauptpartei von ihrem Gegner nicht Kostenerstattung fordern kann, muß der Nebenintervenient/Streithelfer es als Konsequenz seiner Rechtsstellung im Verhältnis zu den Parteien hinnehmen, daß auch er die durch seine Beteiligung an dem Rechtsstreit entstandenen Kosten selbst tragen muß. Daß dies die Folge der Vergleichsvereinbarungen zwischen den Prozeßparteien ist, rechtfertigt nicht, in diesem Fall den Grundsatz der Kostenparallelität aufzugeben. Denn auch sonst muß der Nebenintervenient die für ihn unter Umständen nachteiligen Auswirkungen von Prozeßhandlungen der
Hauptpartei tragen und hat auch etwa in den Fällen der Klage- oder Rechtsmittelrücknahme oder des Anerkenntnisses keine Möglichkeit, von dem Gegner der Hauptpartei Erstattung seiner Kosten zu verlangen.
Röhricht Goette Kurzwelly
Münke Graf

(1) Wenn ein nach dem ursprünglich festgestellten oder nachträglich berichtigten Tatbestand von einer Partei geltend gemachter Haupt- oder Nebenanspruch oder wenn der Kostenpunkt bei der Endentscheidung ganz oder teilweise übergangen ist, so ist auf Antrag das Urteil durch nachträgliche Entscheidung zu ergänzen.

(2) Die nachträgliche Entscheidung muss binnen einer zweiwöchigen Frist, die mit der Zustellung des Urteils beginnt, durch Einreichung eines Schriftsatzes beantragt werden.

(3) Auf einen Antrag, der die Ergänzung des Urteils um einen Hauptanspruch zum Gegenstand hat, ist ein Termin zur mündlichen Verhandlung anzuberaumen. Dem Gegner des Antragstellers ist mit der Ladung zu diesem Termin der den Antrag enthaltende Schriftsatz zuzustellen. Über einen Antrag, der die Ergänzung des Urteils um einen Nebenanspruch oder den Kostenpunkt zum Gegenstand hat, kann ohne mündliche Verhandlung entschieden werden, wenn die Bedeutung der Sache keine mündliche Verhandlung erfordert; § 128 Absatz 2 Satz 2 gilt entsprechend.

(4) Eine mündliche Verhandlung hat nur den nicht erledigten Teil des Rechtsstreits zum Gegenstand.

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.

(1) Die Revision findet nur statt, wenn sie

1.
das Berufungsgericht in dem Urteil oder
2.
das Revisionsgericht auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung
zugelassen hat.

(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert.
Das Revisionsgericht ist an die Zulassung durch das Berufungsgericht gebunden.