Oberlandesgericht Nürnberg Beschluss, 07. Dez. 2015 - 9 UF 1276/15

bei uns veröffentlicht am07.12.2015

Gericht

Oberlandesgericht Nürnberg

Gründe

Oberlandesgericht Nürnberg

Az.: 9 UF 1276/15

Beschluss

7.12.2015

4 F 1222/15 AG Ansbach

rechtskräftig

S., JHSekr. Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle

In der Familiensache

Q. M., geboren am ..., Jugendhilfeeinrichtung …

- Mündel -

Vormund: Landratsamt ..., - Amt für Jugend und Familie -, …

Vormund: Stadtjugendamt, …

Weitere Beteiligte:

Mutter: Q. F., Vater: Q. N.

Beschwerdeführer: S. W., geboren am …1953, …

wegen Vormundschaft

ergeht durch das Oberlandesgericht Nürnberg - 9. Zivilsenat und Senat für Familiensachen - durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Gehr, die Richterin am Oberlandesgericht Schwarz-Spliesgart und den Richter am Oberlandesgericht Schwaiger am 07.12.2015 folgender

Beschluss

I.

Auf die Beschwerde des Rechtsanwaltes W. S. wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Ansbach vom 24.9.2015, Aktenzeichen 4 F1222/15 aufgehoben.

II.

Der Antrag des Landratsamts ... - Amt für Jugend und Familie vom 15.09.2015 i. V. m. dem Antrag vom 4.11.2015, für den Betroffenen M. Q., geboren am ..., Rechtsanwalt R. F., … als Ergänzungspfleger für aufenthalts- und asylrechtliche Angelegenheiten einzusetzen, wird zurückgewiesen.

III.

Von einer Erhebung der Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren wird abgesehen. Die außergerichtlichen Kosten des Verfahrens werden nicht erstattet.

IV.

Der Verfahrenswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 3000,00 € festgesetzt.

Gründe:

I. Mit Beschluss des Amtsgerichts München vom 24.6.2015 wurde das Landratsamt ... - Amt für Jugend und Familie - zum Vormund für den Betroffenen M. Q., geboren am ..., bestellt. Am 21.7.2015 wurde durch den Amtsvormund für den Betroffenen ein Asylantrag beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge gestellt. Die Anhörung zum Asylantrag fand am 30.09.2015 in der Außenstelle Würzburg statt.

Mit Antragsschrift vom 15.9.2015 an das Amtsgericht - Familiengericht - Ansbach, Aktenzeichen 4 F 1222/15, hat das Landratsamt ... - Amt für Jugend und Familie - für den Betroffenen M. Q. die Bestellung eines Rechtsbeistandes beantragt und hierzu Rechtsanwalt W. S., vorgeschlagen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass dem Vorbringen des Mündels, seine Familie lebe seit drei Generationen mit kurzen Unterbrechungen illegal in Iran, beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge nicht geglaubt und dort unterstellt werde, dass er die iranische Staatsangehörigkeit besitze. Aufgrund der schwierigen Sach- und Rechtslage zur Klärung der Staatsangehörigkeit des Mündels im Asylverfahren sei daher die Bestellung eines Rechtsbeistandes erforderlich.

Mit Beschluss vom 24.9.2015, Az. 4 F 1222/15, hat das Amtsgericht-Familiengericht-Ansbach für den Betroffenen M. Q., geboren am ..., Rechtsanwalt S., als Mitvormund mit dem Wirkungskreis „Regelung der Asyl- und ausländerrechtlichen Angelegenheiten“ bestellt und bestimmt, dass dieser die Mitvormundschaft berufsmäßig ausübt.

Der Beschluss wurde dem bestellten Mitvormund formlos am 24.9.2015 übersandt.

Mit Schriftsatz vom 29.9.2015, eingegangen bei Gericht am 1.10.2015, hat Rechtsanwalt W. S. Beschwerde gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Ansbach vom 24.9.2015 eingelegt.

Der Beschwerdeführer macht sein Recht zur Ablehnung der Bestellung zum Mitvormund gemäß § 1786 Abs. 1 Nr. 2 BGB unter Hinweis auf sein bereits vollendetes 60. Lebensjahr geltend und beantragt, die Bestellung zum Mitvormund aufzuheben.

Das Landratsamt ... - Amt für Jugend und Familie - ist der Beschwerde des Beschwerdeführers mit Schreiben vom 4.11.2015 beigetreten. Es hat beantragt, Rechtsanwalt R. F., als Ergänzungspfleger für Aufenthalts- und asylrechtliche Angelegenheiten einzusetzen.

II. Die gemäß § 58 ff. FamFG statthafte Beschwerde ist form- und fristgerecht eingelegt. Die Beschwerdebefugnis ergibt sich aus § 59 Abs. 1 FamFG. Der Beschwerdeführer hat die Beschwerde ausdrücklich in seiner Eigenschaft als bestellter Mitvormund eingelegt und macht unter Hinweis auf das Ablehnungsrecht nach § 1786 Abs. 1 Nr. 2 BGB eigene, durch die Bestellung betroffene Rechte geltend.

Die Beschwerde ist auch begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückweisung des Antrags des Landratsamts ... - Amt für Jugend und Familie auf Einsetzung eines Ergänzungspflegers für Aufenthalts- und asylrechtliche Angelegenheiten für den Betroffenen M. Q., geboren am ...

1. Der angefochtene Beschluss konnte ungeachtet der Frage, ob im vorliegenden Fall die Voraussetzungen für die Bestellung eines Mitvormundes nach § 1775 BGB vorliegen (dazu nachfolgend unter Ziff. 3.), schon deshalb keinen Bestand haben, weil der Beschwerdeführer als gerichtlich bestellter Mitvormund in zulässiger Weise von seinem Ablehnungsrecht gemäß § 1786 Abs. 1 Nr. 2 BGB Gebrauch macht.

Danach kann die Übernahme der Vormundschaft ablehnen, wer das sechzigste Lebensjahr vollendet hat. Der Beschwerdeführer ist ausweislich seines mit Schreiben vom 19.10.2015 in beglaubigter Kopie vorgelegten Personalausweises am … geboren und somit bereits 62 Jahre alt.

Der Geltendmachung des Ablehnungsrechts nach § 1786 Abs. 1 Nr. 2 BGB steht auch nicht der Ausschlussgrund des § 1786 Abs. 2 BGB entgegen. Danach erlischt das Ablehnungsrecht, wenn es nicht vor der Bestellung beim Familiengericht geltend gemacht wird. Im vorliegenden Fall hat das Familiengericht den Beschwerdeführer aber vor seiner Bestellung zum Mitvormund nicht zu der beabsichtigten Bestellung angehört. Der Beschwerdeführer konnte daher sein Ablehnungsrecht nach § 1786 Abs. 1 Nr. 2 auch nicht vor seiner im schriftlichen Verfahren erfolgten Bestellung geltend machen. In diesem Fall kann dem Beschwerdeführer aber nicht verwehrt sein, sein Ablehnungsrecht noch im Beschwerdeverfahren nachträglich einzuwenden. Dies ergibt sich insbesondere auch unter Heranziehung der Vorschrift des § 1889 Abs. 1 BGB. Danach hat das Familiengericht den Einzelvormund auf seinen Antrag hin zu entlassen, wenn ein wichtiger Grund vorliegt. Ein solcher ist insbesondere der (nachträgliche) Eintritt eines Umstandes, der den Vormund nach § 1786 Abs. 1 Nr. 2 bis 7 zur Ablehnung berechtigen würde (§ 1889 Abs. 1, 2. Halbsatz BGB).

Schon aus vorstehenden Gründen war der angefochtene Beschluss aufzuheben.

2. Soweit das Landratsamt ... - Amt für Jugend und Familie der Beschwerde des Beschwerdeführers beigetreten ist und beantragt hat, statt des Beschwerdeführers Rechtsanwalt R. F., als Ergänzungspfleger für Aufenthalts- und asylrechtliche Angelegenheiten einzusetzen, liegen die Voraussetzungen hierfür nicht vor.

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshof kommt bei bestehender Vormundschaft die Ergänzungspflegschaft grundsätzlich nur dann und nur insoweit in Betracht, als der Vormund von der Vertretung seines Mündels kraft Gesetzes ausgeschlossen (vgl. §§ 1795 Abs. 1, 1795 Abs. 2 i. V. m. 181 BGB) oder durch eine familiengerichtliche Entscheidung (vgl. §§ 1796 Abs. 1, 1801, 1837 Abs. 4 i. V. m. 1666, 1666 a BGB) in seiner Vertretungsmacht beschränkt worden ist. Das gilt auch für die Fälle, in denen sich der Vormund aus tatsächlichen Gründen als ungeeignet für die Besorgung bestimmter Angelegenheiten des Mündels erweist. Ohne eine entsprechende Sorgerechtsbeschränkung durch gerichtliche Entscheidung ist für die Anordnung einer Pflegschaft wegen persönlicher Unzulänglichkeit des Vormunds grundsätzlich kein Raum. Wäre dies anders, müsste das Familiengericht in zahlreichen Fällen den sorgeberechtigten Eltern wegen fehlender Sachkunde oder Geschäftsgewandtheit das Sorgerecht teilweise entziehen und Pflegschaft anordnen, ohne dass die Voraussetzungen der §§ 1666, 1666 a BGB vorliegen (BGH, Beschluss v. 29.05.2013 - Az. XII ZB 530/11 = FamRZ 2013, 1206; Beschluss v. 4.12.2013 - XII ZB 57/13, = FamRZ 2014, 472). Verfügt der Vormund, dessen generelle Eignung nicht in Frage steht, seiner Meinung nach nicht über die zur sachgerechten Besorgung einzelner Geschäfte des Mündels erforderliche Sachkunde, ist es seine Sache, diesen Mangel an Eignung in eigener Verantwortung durch Inanspruchnahme fachspezifischer Hilfen auszugleichen. Bei fehlender juristischer Sachkunde muss sich der Vormund daher um geeignete Rechtsberatung und im gerichtlichen Verfahren um eine anwaltliche Vertretung für seinen Mündel bemühen (BGH FamRZ 2013, 1206). Diese Grundsätze gelten nach der zitierten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ausdrücklich auch für solche vom Amtsvormund zu besorgende Angelegenheiten des Mündels auf dem Gebiet des Asyl- und Ausländerrechts.

Das Landratsamt ... - Amt für Jugend und Familie hat darüber hinaus im vorliegenden Fall nicht konkret dargelegt, inwieweit es nicht über ausreichende Fachkenntnisse verfügt, oder sich solche nicht verschaffen kann, um die für den Mündel im konkreten Asylverfahren anstehenden ausländerrechtlichen Fragen zu beantworten und die notwendigen Anträge zu stellen. Soweit sich das Jugendamt hierzu lediglich allgemein auf einen „schwierigen Sachverhalt zur Klärung der Staatsangehörigkeit“ des Mündels im Asylverfahren bezogen hat, begründet dies noch keine fehlende eigene Sachkunde, zumal das Landratsamt ... über eine für ausländerrechtliche Asylverfahren zuständige Ausländerbehörde (Sachgebiet 33) verfügt.

Aber auch soweit es im Einzelfall tatsächlich an den erforderlichen speziellen Rechtskenntnissen fehlt und die Inanspruchnahme eines rechtlichen Beistands aufgrund der finanziellen Verhältnisse des Mündels nicht in Betracht kommt, bleibt - worauf der Bundesgerichtshof hingewiesen hat - die Möglichkeit der öffentlichen Beratungshilfe und im gerichtlichen Verfahren die Möglichkeit der Inanspruchnahme von Prozesskostenhilfe (BGH FamRZ 2013, 1206). An diesen Grundsätzen hat der Bundesgerichtshof auch im Hinblick auf die Richtlinien 2013/32/EU und 2013/33/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.06.2013 und die Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.06.2013 (sogenannte Dublin-III-Verordnung) und die darin vorgesehene Verpflichtung zu einer sachkundigen Vertretung für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge ausdrücklich festgehalten und sieht eine solche sachkundige Vertretung durch das Jugendamt als Vormund weiterhin gewährleistet (BGH FamRZ 2014, 472).

Die Bestellung eines Rechtsanwalts als Ergänzungspfleger neben dem Amtsvormund ist deshalb nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, der der Senat folgt, nicht zulässig (vgl. BGH FamRZ 2013, 1206).

3. Entgegen der Auffassung des Erstgerichts liegen auch die Voraussetzungen für die Bestellung eines Rechtsanwalts als Mitvormund (§ 1775 BGB) nicht vor.

Der Senat hat auch über die Frage der Mitvormundschaft zu entscheiden, obwohl der Antrag des Jugendamts im Beschwerdeverfahren ausdrücklich nur die Bestellung eines Ergänzungspflegers beinhaltet. Der Antrag ist aber dahingehend auszulegen, dass auch die Bestellung eines Rechtsanwalts als Mitvormund dem Beschwerdeziel entspricht.

Nach § 1775 S. 2 BGB ist die Bestellung eines Vormunds der Regelfall. Die Bestellung eines Mitvormunds kommt nur in Betracht, wenn besondere Gründe hierfür vorliegen. Dies ist nicht der Fall. Das Jugendamt ist zur Führung der Vormundschaft grundsätzlich geeignet (§ 1791 b Abs. 1 BGB). Auch soweit das Jugendamt seinen Antrag vom 15.9.2015 mit einer unzureichenden eigenen Sachkunde zur Klärung der im laufenden Asylverfahren des Mündels aufgeworfenen ausländerrechtlichen Fragestellungen begründet, führt dies nach Auffassung des Senats aus den bereits oben (Ziff. 2) ausgeführten Gründen zu keiner anderen Bewertung. Insoweit gelten die Erwägungen, wie sie in den zitierten Entscheidungen des Bundesgerichtshofs (BGH FamRZ 2013, 1206; FamRZ 2014, 472) zum Ausdruck gekommen sind, auch hier. Der Bundesgerichtshof hat insoweit ausdrücklich darauf hingewiesen, dass es grundsätzlich Sache des Vormunds ist, auch bei fehlender juristischer Sachkunde diesen Mangel durch die Inanspruchnahme fachspezifischer Hilfen auszugleichen, und dass insoweit die Möglichkeit der Beauftragung eines Rechtsanwalts oder - wenn die finanziellen Verhältnisse des Mündels dem entgegenstehen - die Möglichkeit zur öffentlichen Beratungshilfe bzw. im bereits anhängigen gerichtlichen Verfahren zur Inanspruchnahme von Prozesskostenhilfe besteht (BGH FamRZ 2013, 1206).

Der Senat teilt auch die weitere, in den erwähnten Entscheidungen des Bundesgerichtshofs zum Ausdruck kommende Rechtsansicht, wonach sich auch aus internationalem Recht keine Verpflichtung ergibt, einem unbegleiteten minderjährigen Flüchtling neben dem Vormund noch einen Rechtsanwalt als Mitvormund zu bestellen (vgl. hierzu BGH im Beschl. v. 29.05.2013 - Az. XII ZB 530/11 = FamRZ 2013, 1206 zur UN-Kinderrechtskonvention und Genfer Flüchtlingskonvention und BGH, Beschl. v. 4.12.2013 - XII ZB 57/13 = FamRZ 2014, 472 hinsichtlich der EU-Verordnung Nr. 604/2013 - Dublin-III Verordnung - sowie der Richtlinien 2013/32/EU und 2013/33/EU).

Dass deshalb im vorliegenden Fall die Voraussetzungen für die Einrichtung einer Mitvormundschaft nicht gegeben sind, entspricht auch einer zunehmenden Ansicht in den hierzu ergangenen aktuellen Entscheidungen anderer Oberlandesgerichte (so auch: OLG Bamberg, Beschluss v. 13.08.2015 - 2 UF 140/15; OLG Frankfurt, Beschluss v. 23.01.2015 - 3 UF 341/14, = FamRZ 2015, 1119; OLG Frankfurt, Beschluss v. 10.09.2014 - 1 UF 211/14, = FamRZ 2015, 680; OLG Frankfurt, Beschluss v. 17.06.2014 - 5 UF 112, = NJW-RR 2014, 1222 a.A. OLG Frankfurt, Beschluss v. 8.01.2015 - 6 UF 292/14, = FamRZ, 1412; OLG Bamberg, Beschluss v. 7.01.2015 - 7 UF 261/14, = FamRZ 2015, 682; OLG Frankfurt, Beschluss v. 19.02.2014 - 6 UF 28/14, = FamRZ 2014, 1128).

Aus den angeführten Gründen war der angefochtene Beschluss aufzuheben und der Antrag des Landratsamts ... - Amt für Jugend und Familie vom 19.05.2015 i. V. m. dem Antrag vom 4.11.2015 zurückzuweisen.

III. Die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens beruht auf § 81 FamFG.

IV. Die Entscheidung über den Beschwerdewert beruht auf §§ 40, 42 Abs. 2 FamGKG.

V. Eine Zulassung der Rechtsbeschwerde ist nicht veranlasst. Zwar gibt es zu der hier maßgeblichen Rechtsfrage, ob wegen fehlender eigener Sachkunde des Amtsvormunds für die asyl- und ausländerrechtlichen Angelegenheiten eines minderjährigen Mündels die Mitvormundschaft eines Rechtsanwalts in Betracht kommt, voneinander abweichende Entscheidungen der Oberlandesgerichte. Der Bundesgerichtshof hat jedoch seine Haltung in dieser Frage bereits deutlich zum Ausdruck gebracht. Hiervon weicht der Senat mit dieser Entscheidung nicht ab, so dass eine Zulassung der Rechtsbeschwerde nicht veranlasst ist.

Urteilsbesprechung zu Oberlandesgericht Nürnberg Beschluss, 07. Dez. 2015 - 9 UF 1276/15

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(1) Das Gericht kann die Kosten des Verfahrens nach billigem Ermessen den Beteiligten ganz oder zum Teil auferlegen. Es kann auch anordnen, dass von der Erhebung der Kosten abzusehen ist. In Familiensachen ist stets über die Kosten zu entscheiden.

Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit - FamFG | § 59 Beschwerdeberechtigte


(1) Die Beschwerde steht demjenigen zu, der durch den Beschluss in seinen Rechten beeinträchtigt ist. (2) Wenn ein Beschluss nur auf Antrag erlassen werden kann und der Antrag zurückgewiesen worden ist, steht die Beschwerde nur dem Antragsteller

Gesetz über Gerichtskosten in Familiensachen - FamGKG | § 40 Rechtsmittelverfahren


(1) Im Rechtsmittelverfahren bestimmt sich der Verfahrenswert nach den Anträgen des Rechtsmittelführers. Endet das Verfahren, ohne dass solche Anträge eingereicht werden, oder werden, wenn eine Frist für die Rechtsmittelbegründung vorgeschrieben ist,
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(1) Soweit in einer vermögensrechtlichen Angelegenheit der Verfahrenswert sich aus den Vorschriften dieses Gesetzes nicht ergibt und auch sonst nicht feststeht, ist er nach billigem Ermessen zu bestimmen. (2) Soweit in einer nichtvermögensrechtliche

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Tenor

1. Für den Betroffene ... wird Herr Rechtsanwalt ..., als Mitvormund mit dem Wirkungskreis „Regelung der asyl- und ausländerrechtlichen Angelegenheiten“ bestellt. Der Mitvormund übt die Mitvormundschaft berufsmäßig aus.

2. Von einer Erhebung der Gerichtskosten wird abgesehen. Die außergerichtlichen Kosten des Verfahrens werden nicht erstattet.

3. Der Verfahrenswert wird auf 3.000,00 € festgesetzt.

Gründe

I.

Die Entscheidung ergeht antragsgemäß.

Dem Betroffenen war Herr Rechtsanwalt ... als Mitvormund zur Regelung der asyl- und ausländerrechtlichen Angelegenheiten zu bestellen, da besondere Gründe für eine Bestellung vorliegen. Diese liegen darin, dass das Jugendamt als Amtsvormund hinreichend dargetan hat, dass es über keine ausreichenden Kenntnisse im Asyl- und Ausländerrecht verfügt, um die für den Mündel anstehenden ausländerrechtlichen Fragen zu beantworten und die notwendigen Anträge zu stellen.

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 81 Abs. 1 Satz 1 und 2 FamFG.

III.

Die Entscheidung über die Festsetzung des Verfahrenswertes beruht auf § 45 FamGKG.

(1) Die Beschwerde steht demjenigen zu, der durch den Beschluss in seinen Rechten beeinträchtigt ist.

(2) Wenn ein Beschluss nur auf Antrag erlassen werden kann und der Antrag zurückgewiesen worden ist, steht die Beschwerde nur dem Antragsteller zu.

(3) Die Beschwerdeberechtigung von Behörden bestimmt sich nach den besonderen Vorschriften dieses oder eines anderen Gesetzes.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII ZB 530/11
vom
29. Mai 2013
in der Kindschaftssache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja

a) Ein Vormund ist im Sinne des § 1909 Abs. 1 Satz 1 BGB nicht bereits dann
an der Besorgung einer Angelegenheit des Mündels verhindert, wenn er aufgrund
fehlender Geschäftsgewandtheit oder mangelnder Sachkunde kein
geeigneter Sachwalter seines Mündels ist.

b) Die Bestellung eines Rechtsanwalts zum Ergänzungspfleger für einen unbegleiteten
minderjährigen Flüchtling zur Vertretung in ausländerrechtlichen
Angelegenheiten einschließlich des Asylverfahrens ist auch dann unzulässig,
wenn es dem Vormund an (einschlägiger) juristischer Sachkunde fehlt.
BGH, Beschluss vom 29. Mai 2013 - XII ZB 530/11 - OLG Hamburg
AG Hamburg-Altona
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 29. Mai 2013 durch den Vorsitzenden
Richter Dose, die Richterin Weber-Monecke und die Richter
Dr. Klinkhammer, Dr. Nedden-Boeger und Dr. Botur

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 2. Familiensenats des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg vom 28. August 2011 wird zurückgewiesen.
Das Verfahren der Rechtsbeschwerde ist gerichtsgebührenfrei.

Gründe:

I.

1
Das Verfahren betrifft die Bestellung eines Ergänzungspflegers für einen unbegleiteten minderjährigen Flüchtling.
2
Der am 4. März 1996 geborene Mündel ist afghanischer Staatsangehöriger. Er reiste vermutlich Ende 2010 mit Hilfe von Schleppern in das Bundesgebiet ein. Zu seinen in Afghanistan verbliebenen Eltern besteht kein Kontakt. Mit Beschluss vom 22. Dezember 2010 wurde das Ruhen der elterlichen Sorge festgestellt; gleichzeitig wurde für den Betroffenen eine Vormundschaft eingerichtet und das Jugendamt der Stadt H. zum Amtsvormund bestimmt.
3
Der Amtsvormund hat am 2. März 2011 bei dem Familiengericht beantragt , Rechtsanwalt J. zum Mitvormund für den Bereich der ausländerrechtli- chen Angelegenheiten einschließlich der Vertretung im Asylverfahren zu bestellen. Zur Begründung wies der Amtsvormund darauf hin, dass die mit der Führung der Vormundschaft befassten Mitarbeiter auf diesem Gebiete weder über Sachkunde noch über Erfahrung verfügten und der seinerzeit erst 14-jährige Mündel selbst keinen Asylantrag stellen könne. Auf Nachfrage des Gerichts teilte der Amtsvormund mit, dass er Rechtsanwalt J. für diese ausländerrechtlichen Angelegenheiten zwar schon eine entsprechende Vollmacht erteilt habe, dieser seine Vertretungsbereitschaft aber "im Prinzip" von seiner Bestellung zum Mitvormund abhängig gemacht habe.
4
Das Amtsgericht hat den Antrag des Amtsvormunds als Antrag auf Einrichtung einer Ergänzungspflegschaft ausgelegt und diesen nach Anhörung der Beteiligten abgelehnt. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass der Vormund jedenfalls nicht aufgrund fehlender Sachkunde oder Erfahrung als an der sachgemäßen Erledigung asyl- oder ausländerrechtlicher Angelegenheiten verhindert sei. Die diesbezüglichen behördlichen Verfahren seien vom Gesetzgeber als Verfahren ausgestaltet worden, in denen sich die Rechtssuchenden in der Regel auch ohne Rechtskenntnisse selbst vertreten könnten. Diese grundsätzliche Entscheidung des Gesetzgebers könne nicht dadurch umgangen werden, dass den Eltern oder Vormündern die Fähigkeit zur Besorgung der Angelegenheiten in diesen Verfahren schon dann abgesprochen werde, wenn sie nicht über besondere Kenntnisse im Asyl- oder Ausländerrecht verfügten. Es sei auch nicht ersichtlich, dass in den von dem Mündel geführten asyl- oder ausländerrechtlichen Verfahren bislang besondere Schwierigkeiten aufgetreten seien. Zudem gäbe es auch keinen gegenwärtigen Anlass für die Einrichtung einer Ergänzungspflegschaft. Der Mündel habe seinen Asylantrag gestellt und sei vor dem Bundesamt bereits angehört worden. Ein Bescheid läge insoweit noch nicht vor, so dass derzeit keine Entscheidung über weitere asyl- oder ausländerrechtliche Schritte getroffen werden müsste.
5
Die dagegen gerichtete Beschwerde hat das Oberlandesgericht zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich der Mündel mit seiner zugelassenen Rechtsbeschwerde , mit der er das Ziel verfolgt, Rechtsanwalt J. zu seinem Ergänzungspfleger für den Bereich der ausländerrechtlichen Angelegenheiten einschließlich der Vertretung im Asylverfahren bestellen zu lassen.

II.

6
Die Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg.
7
1. Das Oberlandesgericht hat seine Entscheidung wie folgt begründet:
8
Es könne offen bleiben, ob die rechtliche Umsetzung der von dem Amtsvormund begehrten Unterstützung im Wege der Ergänzungspflegschaft oder im Wege einer Mitvormundschaft zu erfolgen hätte. Besondere Gründe, welche die Einrichtung einer Ergänzungspflegschaft oder Mitvormundschaft ausnahmsweise rechtfertigen könnten, lägen nicht vor. Dies gelte auch in Ansehung des Umstandes , dass der Mündel erst 15 Jahre alt sei. Das Amtsgericht habe mit zutreffender Begründung ausgeführt, dass der Vormund nicht daran gehindert sei, den Betroffenen in asyl- oder ausländerrechtlichen Angelegenheiten zu vertreten. Der pauschale Hinweis des Vormunds auf seine fehlende Sachkunde genüge hierzu nicht. In den ausländerrechtlichen Angelegenheiten des Mündels seien derzeit hauptsächlich tatsächliche Dinge zu klären. Der Mündel stamme aus Afghanistan und daher aus einem typischen Asylbewerberland. Bei dem Vormund handele es sich um einen gerichtsbekannt erfahrenen Vormund aus der zuständigen Fachbehörde.
9
Die Handlungsfähigkeit im Rechtsverkehr und damit auch im Asylverfahren sei gerade Sinn und Zweck der Einrichtung einer Vormundschaft und werde durch diese im Regelfall gewährleistet. Wenn der Amtsvormund meine, nicht über ausreichende Rechtskenntnisse zu verfügen, sei er zunächst verpflichtet, sich selbst rechtskundig zu machen, etwa durch Kontaktaufnahme mit der Rechtsabteilung seiner Behörde. Weiter stehe es ihm, wie jedem anderen gesetzlichen Vertreter eines Minderjährigen, ohne weiteres frei, die Öffentliche Rechtsauskunft um Auskunft nachzusuchen oder im gerichtlichen Verfahren Verfahrens- oder Prozesskostenhilfe zu beantragen. Erst wenn dies nicht ausreiche , komme die Einrichtung einer Ergänzungspflegschaft oder Mitvormundschaft in Betracht.
10
Eine Notwendigkeit zur Bestellung eines Ergänzungspflegers oder Mitvormundes folge auch nicht aus Art. 22 des Übereinkommens vom 20. November 1989 über die Rechte des Kindes (BGBl. 1992 II, S. 121; UNKinderrechtskonvention , im Folgenden: UN-KRK). Zwar stehe dieses Übereinkommen seit der am 15. Juli 2010 erfolgten Rücknahme des Vorbehalts durch die Bundesregierung im Range eines Bundesgesetzes. Art. 22 Abs. 1 UN-KRK begründe aber keine unmittelbaren Rechte der Betroffenen. Selbst wenn aber aus dieser Vorschrift individuelle Rechte abgeleitet werden könnten, würde dies bei dem vorliegenden Sachverhalt keine Bestellung eines Ergänzungspflegers oder Mitvormunds gebieten, weil ein "angemessener Schutz" des Minderjährigen schon durch die Bestellung eines Vormundes gewährleistet sei, der für seinen Mündel die erforderlichen asyl- oder ausländerrechtlichen Schritte ergreifen könne.
11
2. Gegen diese Ausführungen wendet sich die Rechtsbeschwerde ohne Erfolg.
12
Die Besorgung der ausländer- und asylrechtlichen Angelegenheiten des Mündels gehört als Teil der Personensorge zum Aufgabengebiet des bestellten Vormunds. Wer unter Vormundschaft steht, erhält nach § 1909 Abs. 1 Satz 1 BGB für Angelegenheiten, an denen der Vormund verhindert ist, einen Pfleger (zur Abgrenzung der Ergänzungspflegschaft von der Mitvormundschaft vgl. BayObLGZ 1976, 214, 216 f.). Die Bestellung eines Ergänzungspflegers nach dieser Vorschrift setzt neben einer tatsächlichen oder rechtlichen Verhinderung des Vormundes ein Bedürfnis für die Anordnung der Pflegschaft voraus, das durch einen gegenwärtigen konkreten Anlass begründet sein muss (BGHZ 65, 93, 95 = NJW 1976, 49). Der Amtsvormund ist im vorliegenden Fall weder aus rechtlichen noch aus tatsächlichen Gründen daran gehindert, den Mündel in ausländer- oder asylrechtlichen Angelegenheiten zu vertreten.
13
a) Eine rechtliche Verhinderung des Vormundes liegt nicht vor. Sie könnte grundsätzlich auch nicht damit begründet werden, dass Jugendamt und Ausländeramt derselben Behördenleitung unterstehen und ein deshalb zu befürchtender Interessengegensatz (§ 1796 Abs. 2 BGB), es rechtfertigen könnte, dem Jugendamt als Vormund nach § 1796 Abs. 1 BGB die Vertretungsmacht zu entziehen (vgl. auch Senatsbeschluss vom 5. März 2008 - XII ZB 2/07 - FamRZ 2008, 1156 Rn. 13 f.). Das Jugendamt führt die Vormundschaft in eigener Verantwortung , so dass bei ihrer ordnungsgemäßen Führung kein beachtlicher Interessenkonflikt in asyl- und ausländerrechtlichen Angelegenheiten des Mündels entstehen kann (OLG Köln FamRZ 1999, 1694; Staudinger/Bienwald BGB [2012] § 1909 Rn. 31; vgl. DIJuF-Stellungnahme DAVorm 2001, 43).
14
b) Indessen entspricht es einer verbreiteten und auf einen Aufsatz von Habicht aus dem Jahre 1898 (Gruchot 42, 413, 434) zurückgehenden Auffassung in Rechtsprechung und Literatur, dass bereits das auf fehlender Geschäftsgewandtheit oder mangelnder Sachkunde beruhende Unvermögen des Vormundes, eine Angelegenheit des Mündels angemessen wahrzunehmen, eine Verhinderung tatsächlicher Art im Sinne von § 1909 Abs. 1 BGB begrün- den kann (BayObLGZ 1976, 214, 217; BayObLG FamRZ 1977, 664, 668 f.; OLG Frankfurt DAVorm 2000, 485, 487; Palandt/Götz BGB 72. Aufl. § 1909 Rn. 7; BeckOK BGB/Bettin [Stand: 1. Februar 2013] § 1909 Rn. 7; Erman/Roth BGB 13. Aufl. § 1909 Rn. 9; grundsätzlich zustimmend auch Soergel /Zimmermann BGB 13. Aufl. §1909 Rn. 4). Daraus wird hergeleitet, dass einem unbegleiteten minderjährigen Flüchtling für die Besorgung seiner asylund ausländerrechtlichen Rechtsangelegenheiten schon wegen fehlender (einschlägiger ) juristischer Sachkunde seines Vormundes beim Bestehen eines Fürsorgebedürfnisses ein entsprechend spezialisierter Rechtsanwalt als Ergänzungspfleger für diesen Aufgabenkreis beigegeben werden könne (vgl. OLG Frankfurt DAVorm 2000, 485, 487; AG Gießen FamRZ 2010, 1027 f.; zustimmend Palandt/Götz BGB 72. Aufl. § 1909 Rn. 7; Peter JAmt 2003, 557, 558; Löhr ZAR 2010, 378, 380 f.).
15
c) Dem vermag der Senat nicht beizutreten.
16
aa) Bereits gegen den rechtlichen Ausgangspunkt, wonach eine Verhinderung im Sinne von § 1909 Abs. 1 BGB schon dann anzunehmen sei, wenn Eltern oder Vormund zwar tatsächlich und rechtlich zum Handeln in der Lage sind, jedoch nach dem Stand ihrer Einsicht, Erfahrung oder Geschäftsgewandtheit für bestimmte Angelegenheiten keine geeigneten Sachwalter ihrer Kinder oder Mündel zu sein scheinen, werden mit Recht grundsätzliche Bedenken geltend gemacht (vgl. LG Berlin FamRZ 1991, 1097 f.; Gernhuber/Coester-Waltjen Familienrecht 6. Aufl. § 75 Rn. 32; MünchKommBGB/Schwab 6. Aufl. § 1909 Rn. 14; Oberloskamp Vormundschaft, Pflegschaft und Beistand für Minderjährige 3. Aufl. § 10 Rn. 17; Rohde in Hoppenz Familiensachen 9. Aufl. § 1909 Rn. 5; jurisPK-BGB/Locher [Bearbeitungsstand: Oktober 2012] § 1909 Rn. 61).
17
Die Ergänzungspflegschaft ist ein an sich klar konturiertes Rechtsinstitut (vgl. Gernhuber/Coester-Waltjen Familienrecht 6. Aufl. § 75 Rn. 32), welches die bei der Vertretung des Minderjährigen entstehenden Lücken bei der Besorgung solcher Angelegenheiten schließt, in denen Eltern oder Vormund ihr Vertretungsrecht nicht ausüben können oder dürfen. Diese Fälle ergeben sich aus dem Gesetz. Bei bestehender Vormundschaft kommt die Ergänzungspflegschaft daher grundsätzlich nur dann und nur insoweit in Betracht, als der Vormund von der Vertretung seines Mündels kraft Gesetzes ausgeschlossen(vgl. §§ 1795 Abs. 1, 1795 Abs. 2 i.V.m. 181 BGB) oder durch eine familiengerichtliche Entscheidung (vgl. §§ 1796 Abs. 1, 1801, 1837 Abs. 4 i.V.m. 1666, 1666 a BGB) in seiner Vertretungsmacht beschränkt worden ist. Nach § 1837 Abs. 4 i.V.m. §§ 1666, 1666 a BGB sind auch diejenigen Fälle zu beurteilen, in denen sich der Vormund aus tatsächlichen Gründen als ungeeignet für die Besorgung bestimmter Angelegenheiten des Mündels erweist; ohne eine entsprechende Sorgerechtsbeschränkung durch gerichtliche Entscheidung ist für die Anordnung einer Pflegschaft wegen persönlicher Unzulänglichkeit des Vormunds grundsätzlich kein Raum (MünchKommBGB/Schwab 6. Aufl. § 1909 Rn. 14; vgl. auch Staudinger/Bienwald BGB [2012] § 1909 Rn. 29). Wäre es anders, müsste das Familiengericht bei fehlender Sachkunde oder Geschäftsgewandtheit des Sorgeberechtigten in sehr vielen Fällen nicht nur als berechtigt, sondern sogar als verpflichtet angesehen werden, durch die Anordnung einer Pflegschaft in deren gesetzliche Vertretungsmacht bezüglich bestimmter Angelegenheiten einzugreifen (§ 1794 BGB), ohne dass die Voraussetzungen der §§ 1666, 1666 a BGB vorliegen müssten (zutreffend Oberloskamp Vormundschaft , Pflegschaft und Beistand für Minderjährige 3. Aufl. § 10 Rn. 17).
18
bb) Verfügt der Vormund, dessen generelle Eignung nicht in Frage steht, nicht über die zur sachgerechten Besorgung einzelner Geschäfte des Mündels erforderliche Sachkunde, ist es seine Sache, diesen Mangel an Eignung in ei- gener Verantwortung durch Inanspruchnahme fachspezifischer Hilfen auszugleichen. Bei fehlender juristischer Sachkunde muss sich der Vormund daher um geeignete Rechtsberatung und im gerichtlichen Verfahren um eine anwaltliche Vertretung für seinen Mündel bemühen (vgl. OLG Brandenburg ZKJ 2011, 139, 140; OLG Karlsruhe FamRZ 2012, 1955, 1957; Oberloskamp Vormundschaft , Pflegschaft und Beistand für Minderjährige 3. Aufl. § 10 Rn. 17; Gernhuber /Coester-Waltjen Familienrecht 6. Aufl. § 75 Rn. 32). Etwas anderes lässt sich entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde auch nicht daraus herleiten, dass der Vormund im Falle der Bevollmächtigung eines Rechtsanwaltes zur näheren Instruktion und Überwachung des Rechtsanwaltes verpflichtet bleibt und insoweit auch weiterhin einem Haftungsrisiko ausgesetzt ist. Komplizierte Rechtsangelegenheiten des Mündels können für einen Vormund nicht nur auf dem Gebiet des Asyl- und Ausländerrechts, sondern in vielfältiger Weise auch auf anderen Rechtsgebieten zu besorgen sein. Es entspricht indessen dem Wesen der Vormundschaft, dass der Vormund seinen Mündel erforderlichenfalls auch bei schwierigen Geschäften oder Geschäftskomplexen zu vertreten hat. Dies schließt es im Falle der Bevollmächtigung eines Rechtsanwaltes notwendigerweise ein, dass der Vormund auf der Grundlage der von dem Rechtsanwalt erteilten Beratung und Belehrung für seinen Mündel Entscheidungen zu treffen und den Bevollmächtigten entsprechend zu instruieren hat. Weder dieser Umstand noch das allgemeine Haftungsrisiko, welches der Vormund bei einer schuldhaften (§ 1833 Abs. 1 Satz 1 BGB) Verletzung seiner Pflicht zur treuen und gewissenhaften Führung der Vormundschaft ausgesetzt ist, können es deshalb rechtfertigen, den Vormund aus seiner Verantwortung für den Mündel zu entlassen (vgl. OLG Brandenburg ZKJ 2011, 139, 140).
19
Stehen der Inanspruchnahme rechtlichen Beistands die finanziellen Verhältnisse des Mündels entgegen, ist dieser Mangel durch Beratungshilfe (hier: durch Öffentliche Rechtsberatung) und im gerichtlichen Verfahren durch Pro- zess- bzw. Verfahrenskostenhilfe zu beheben (Oberloskamp Vormundschaft, Pflegschaft und Beistand für Minderjährige 3. Aufl. § 10 Rn. 17). Die Pflegschaft ist demgegenüber kein Instrument, um einem unbemittelten Kind aus öffentlichen Kassen Sozialleistungen zu gewähren, auf die ein mittelloses Kind ohne Einrichtung einer Pflegschaft keinen Anspruch hätte; dies gilt auch für Sozialleistungen im Bereich der Rechtspflege (vgl. Senatsbeschluss vom 20. Dezember 2006 - XII ZB 118/03 - FamRZ 2007, 381, 383 zum Betreuungsrecht

).

20
cc) Auch im Lichte der UN-Kinderrechtskonvention ist keine andere Beurteilung geboten.
21
Dabei kann es auf sich beruhen, ob den Regelungen der UNKinderrechtskonvention das Gebot entnommen werden kann, dass ein mittelloses unbegleitetes Kind - neben der Bestellung eines Vormunds - im Falle seiner Beteiligung an einem Asylverfahren oder an sonstigen Verwaltungs- und Gerichtsverfahren unentgeltlichen Zugang zu einem Rechtsbeistand erhalten soll (vgl. UN-Ausschuss für Kinderrechte, General Comment No 6 [2005], Treatment of unaccompanied and separated children outside their country of origin, CRC/GC/2005/6 Rn. 36 und 69, veröffentlicht auf www.unhcr.org; Schmahl, UN-Kinderrechtskonvention Art. 22 Rn. 11; Krieger RdJB 2012, 206, 210 f.; a.A. wohl OLG Karlsruhe FamRZ 2011, 740, 742). Selbst wenn dies der Fall sein sollte, wird dieser Zugang in der Bundesrepublik Deutschland konventionskonform durch das System der Beratungs- und Prozesskostenhilfe gewährleistet; dieses System garantiert gleichzeitig - im Einklang mit Art. 2 UN-KRK und Art. 16 Abs. 1 und Abs. 2 des Abkommens über die Rechtsstellung von Flüchtlingen vom 28. Juli 1951 (BGBl. 1953 II, S. 560; Genfer Flüchtlingskonvention) - auch die Gleichbehandlung von mittellosen Flüchtlingen und unbemittelten deutschen Staatsangehörigen (OLG Karlsruhe FamRZ 2012, 1955, 1958 und FamRZ 2011, 740, 742; OVG Münster EZAR-NF 95 Nr. 22). Eine darüber hinaus gehende Forderung nach Rechtsgewährung, welche die Bestellung eines Rechtsanwalts zum Ergänzungspfleger für die Besorgung von Rechtsangelegenheiten eines unbegleiteten minderjährigen Flüchtlings gebieten würde, lässt sich jedenfalls aus der UN-Kinderrechtskonvention nicht herleiten (so auch Löhr ZAR 2010, 378, 381).
22
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus Art. 3 Abs. 1 UN-KRK, wonach bei allen Maßnahmen, die Kinder betreffen, das Wohl des Kindes als vorrangiger Gesichtspunkt zu berücksichtigen ist. Der Gesichtspunkt des Kindeswohls kann keinen absoluten Vorrang beanspruchen (BVerwG Buchholz 402.242 § 56 AufenthG Nr. 5; OVG Lüneburg InfAuslR 2013, 19, 22), auch nicht gegenüber der Entscheidung des Gesetzgebers, die Rechtsgleichheit von bemittelten und unbemittelten Rechtssuchenden - auch Kindern - im Rahmen der Vorschriften über die Sozialhilfe auf dem Gebiet der Rechtspflege herzustellen. Im Übrigen wird den durch Art. 3 Abs. 1 UN-KRK in den Blick genommenen Belangen des Kindeswohls in ausländer- und asylrechtlichen Verfahren bereits bei der Prüfung der Erfolgsaussichten der Rechtsverfolgung Rechnung zu tragen sein (OLG Karlsruhe FamRZ 2011, 740, 742). Dose Weber-Monecke Klinkhammer Nedden-Boeger Botur
Vorinstanzen:
AG Hamburg-Altona, Entscheidung vom 10.05.2011 - 284 F 59/11 -
OLG Hamburg, Entscheidung vom 28.08.2011 - 2 UF 121/11 -

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII ZB 57/13
vom
4. Dezember 2013
in der Familiensache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja

a) Der als Ergänzungspfleger bestellte Rechtsanwalt kann gemäß § 1835
Abs. 3 BGB eine Pflegschaftstätigkeit nach anwaltlichem Gebührenrecht abrechnen
, wenn und soweit sich die zu bewältigende Aufgabe als eine für den
Beruf des Rechtsanwalts spezifische Tätigkeit darstellt.

b) Der Aufwendungsersatzanspruch des anwaltlichen Ergänzungspflegers
eines mittellosen Pfleglings ist im Rahmen der Abrechnung nach dem
Rechtsanwaltsvergütungsgesetz auf die Gebührensätze der Beratungshilfe
beschränkt.
BGH, Beschluss vom 4. Dezember 2013 - XII ZB 57/13 - OLG Frankfurt am Main
AG Darmstadt
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 4. Dezember 2013 durch den
Vorsitzenden Richter Dose und die Richter Dr. Klinkhammer, Dr. Günter,
Dr. Botur und Guhling

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde der Beteiligten zu 2 wird der Beschluss des 6. Senats für Familiensachen in Darmstadt des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 29. Januar 2013 aufgehoben. Die Beschwerde des Beteiligten zu 1 gegen den Beschluss des Amtsgerichts Darmstadt vom 7. November 2011 wird auf Kosten des Beteiligten zu 1 zurückgewiesen. Das Verfahren der Rechtsbeschwerde ist gerichtsgebührenfrei. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet. Beschwerdewert: 329 €

Gründe:

I.

1
Das Verfahren betrifft die Vergütung des Ergänzungspflegers für einen unbegleitet eingereisten minderjährigen Flüchtling.
2
Das Amtsgericht bestellte das Jugendamt zum Vormund des Minderjährigen und den Beteiligten zu 1, einen Rechtsanwalt, zum Ergänzungspfleger mit dem Wirkungskreis "ausländer- und asylrechtliche Betreuung". Der Ergänzungspfleger führte in Anwesenheit eines Dolmetschers ein Gespräch mit dem Minderjährigen und reichte einen Asylantrag für ihn ein. Ferner begleitete er ihn zur Anhörung im Asylverfahren. Er erstattete sodann seinen Bericht gegenüber dem Amtsgericht und beantragte, seine Kosten und Auslagen "gemäß §§ 1835, 1836 BGB" in Höhe von 498,85 € festzusetzen. Hierbei berechnete er bei einem Gegenstandswert von 3.000 € eine 1,8-Gebühr nach §§ 2, 13, 14 RVG sowie Nr. 2300 VV RVG nebst Auslagen.
3
Das Amtsgericht hat auf Basis der Gebührensätze der Beratungshilfe eine Vergütung in Höhe von 170,17 € festgesetzt. Die hiergegen gerichtete Erinnerung hat das Amtsgericht zurückgewiesen und die Beschwerde zugelassen. Das Oberlandesgericht hat die Beschlüsse des Amtsgerichts abgeändert und dem Vergütungsantrag des Ergänzungspflegers in vollem Umfang stattgegeben. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde begehrt die Beteiligte zu 2 (im Folgenden: Staatskasse) die Wiederherstellung des amtsgerichtlichen Beschlusses.

II.

4
Die zulässige, insbesondere aufgrund der Zulassung durch das Beschwerdegericht gemäß § 70 Abs. 1 FamFG statthafte Rechtsbeschwerde hat in der Sache Erfolg.
5
1. Das Oberlandesgericht hat seine in FamRZ 2013, 1160 veröffentlichte Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:
6
Ein anwaltlicher Ergänzungspfleger, der für einen minderjährigen Pflegling Dienste erbringe, für die ein anderer Pfleger wegen fehlender fachspezifischer Kenntnisse einen Rechtsanwalt hinzuziehen müsse, könne wählen, ob er wegen der von ihm geleisteten Dienste, die zu seinem Beruf gehörten, Aufwendungsersatz nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz oder eine Vergütung seiner Tätigkeit gemäß § 3 VBVG beanspruche. Entscheide er sich für die Geltendmachung von Aufwendungsersatz, könne er nach anwaltlichem Gebührenrecht abrechnen, denn der Betroffene solle keinen Vorteil daraus ziehen, dass der Pfleger aufgrund seiner Qualifikation Dienste erbringen könne, für die ein anderer Pfleger einen Rechtsanwalt gegen Entgelt beauftragen würde.
7
Dabei sei der Ergänzungspfleger nicht auf die Gebührensätze der Beratungshilfe zu verweisen, weil sich sein Einsatz für den unbegleiteten minderjährigen Flüchtling im Asylverfahren nicht auf die "typischen Tätigkeiten der Beratungshilfe" wie die rechtliche Beratung und das Anfertigen der erforderlichen Schriftsätze beschränkt habe, so dass seine Tätigkeit über das hinausgegangen sei, was er als separat beauftragter Anwalt im Rahmen der Beratungshilfe geleistet hätte. Zudem treffe den Ergänzungspfleger gegenüber einem nur aufgrund Beratungshilfe tätigen Anwalt eine höhere Verpflichtung. Der Ergänzungspfleger könne daher ohne Begrenzung durch die Gebührensätze der Beratungshilfe eine Vergütung nach §§ 1915 Abs. 1, 1835 Abs. 3 BGB i.V.m. dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz beanspruchen. Anderenfalls würde er ohne adäquate Vergütung von der staatlichen Gewalt in die Pflicht genommen und es stünde ihm allenfalls bei mehreren gleichzeitigen Pflegschaften ein Ablehnungsrecht zu. Dies hätte zur Folge, dass die für diese Aufgaben qualifiziertesten Anwälte in Fällen dringend nötiger anwaltlicher Hilfe für minderjährige unbegleitete Flüchtlinge vielfach nicht mehr bestellt werden könnten. Andernfalls würde ein berufsmäßig tätiger Ergänzungspfleger, der, ohne Rechtsanwalt zu sein, den Pflegling selbst vertrete, mit einem ihm nicht zu versagenden Vergütungsanspruch nach § 1836 Abs. 1 Satz 2 BGB besser gestellt.
8
2. Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
9
a) Dem Anspruch des Ergänzungspflegers steht allerdings nicht entgegen, dass - wie der Senat zwischenzeitlich entschieden hat (Senatsbeschluss vom 29. Mai 2013 - XII ZB 530/11 - FamRZ 2013, 1206) - in Fällen wie dem vorliegenden die Bestellung eines Ergänzungspflegers für einen unbegleiteten minderjährigen Flüchtling unzulässig ist. Daran hält der Senat auch mit Blick auf Art. 6 der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist, sowie auf Art. 25 der Richtlinie 2013/32/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zu gemeinsamen Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzes und auf Art. 24 der Richtlinie 2013/33/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung von Normen für die Aufnahme von Personen, die internationalen Schutz beantragen, fest (aA AG Gießen Beschluss vom 21. August 2013 - 249 F 1635/13 VM - juris Rn. 11 ff.; Hocks JAmt 2013, 429). Die darin vorgesehene sachkundige Vertretung des unbegleiteten Minderjährigen wird grundsätzlich durch das Jugendamt als Vormund gewährleistet. Bereits aus dem Wortlaut von Art. 25 Abs. 1 Buchst. b Satz 2 RL 2013/32/EU ergibt sich im Übrigen, dass der dem Minderjährigen zu bestellende Vertreter gerade nicht Rechtsanwalt sein muss; denn gemäß dieser Bestimmung ist sicherzustellen, dass bei der Anhörung "ein Ver- treter und/oder ein Rechtsanwalt…" anwesend ist.
10
Dass die Ergänzungspflegschaft fehlerhaft angeordnet wurde, steht der Wirksamkeit der Bestellung jedoch nicht entgegen, so dass die Gerichte im Vergütungsfestsetzungsverfahren hieran gebunden sind (vgl. OLG Düsseldorf FamRZ 2011, 141, 142 mwN).
11
b) Zutreffend ist das Oberlandesgericht davon ausgegangen, dass der als Ergänzungspfleger bestellte Rechtsanwalt eine Pflegschaftstätigkeit gemäß §§ 1915 Abs. 1, 1835 Abs. 3 BGB nach anwaltlichem Gebührenrecht abrech- nen kann, wenn und soweit sich die zu bewältigende Aufgabe als eine für den Beruf des Rechtsanwalts spezifische Tätigkeit darstellt. Dies ergibt sich aus dem Grundsatz, dass der Pflegling - und bei mittellosen Betroffenen die Staatskasse - keinen Vorteil daraus ziehen soll, dass sein Pfleger zufällig aufgrund einer besonderen beruflichen Qualifikation etwas verrichten kann, wozu ein anderer Pfleger berechtigterweise die entgeltlichen Dienste eines Dritten in Anspruch nehmen würde (vgl. Senatsbeschlüsse vom 17. November 2010 - XII ZB 244/10 - FamRZ 2011, 203 Rn. 13 f. und vom 20. Dezember 2006 - XII ZB 118/03 - FamRZ 2007, 381, 382 f.). Daraus folgt jedoch nicht, dass jedwede Tätigkeit des anwaltlichen Ergänzungspflegers, die er im Rahmen der Pflegschaft erbringt (also auch eine solche, die ein nichtanwaltlicher Ergänzungspfleger ohne Hinzuziehung eines Rechtsanwalts geleistet hätte), einen Aufwendungsersatzanspruch gemäß § 1835 Abs. 3 BGB begründet (vgl. hierzu z.B. KG FamRZ 2012, 63; MünchKommBGB/Wagenitz 6. Aufl. § 1835 Rn. 40 ff.; Staudinger/Bienwald BGB [2004] § 1835 Rn. 30 ff.; Erman/Saar BGB 13. Aufl. § 1835 Rn. 6 f.; Pammler-Klein/Pammler in jurisPK-BGB 6. Aufl. § 1835 Rn. 86 ff.; HUK-BUR/Bauer/Deinert [Stand: Juli 2008] § 1835 BGB Rn. 54 ff.; Knittel Betreuungsrecht [Stand: 1. März 2013] § 1835 BGB Rn. 67 ff.; Damrau /Zimmermann Betreuungsrecht 4. Aufl. § 1835 BGB Rn. 57 ff., 63 ff.; Bienwald in Bienwald/Sonnenfeld/Hoffmann Betreuungsrecht 5. Aufl. § 1835 BGB Rn. 34 ff.; BeckOK/Bettin BGB [Stand: 1. August 2013] § 1835 Rn. 7; Palandt/ Götz BGB 73. Aufl. § 1835 Rn. 13; Jürgens Betreuungsrecht 4. Aufl. § 1835 Rn. 15).
12
c) Ob bzw. inwieweit die vorliegend vom Ergänzungspfleger im Rahmen seiner Amtsführung geleisteten Dienste spezifische anwaltliche Tätigkeiten in diesem Sinne darstellen, hat das Oberlandesgericht nicht geprüft. Es hat vielmehr unter Verweis darauf, dass dem anwaltlichen Ergänzungspfleger ein Wahlrecht zwischen Aufwendungsersatz und Vergütung auf Stundenbasis zustehe , einen Aufwendungsersatzanspruch dem Grunde nach bejaht.
13
Diese Erwägung trägt jedenfalls im zu entscheidenden Fall bereits deswegen nicht, weil es an der für den Vergütungsanspruch gemäß § 1836 Abs. 1 Satz 2 BGB konstitutiven Feststellung fehlt, dass die Ergänzungspflegschaft berufsmäßig geführt wird (vgl. Senatsbeschluss vom 9. November 2005 - XII ZB 49/01 - FamRZ 2006, 111, 114), und mithin eine Abrechnung auf Stundenbasis nicht in Betracht kam.
14
d) Das kann hier jedoch dahinstehen. Denn die Rechtsbeschwerde, die das Bestehen eines Aufwendungsersatzanspruchs dem Grunde nach nicht in Frage stellt, hat schon deshalb Erfolg, weil dem Ergänzungspfleger jedenfalls kein die Beratungshilfesätze übersteigender Anspruch zusteht.
15
aa) Den anwaltlichen Ergänzungspfleger trifft ebenso wie den Anwaltsbetreuer die Pflicht zur kostensparenden Amtsführung. Er muss daher für eine gerichtliche Vertretung eines mittellosen Betroffenen Prozesskostenhilfe beantragen und kann auch bei deren Versagung als Aufwendungsersatz gemäß § 1835 Abs. 3 und 4 BGB gegenüber der Staatskasse jedenfalls keine höheren Gebühren geltend machen als diejenigen, die ein beigeordneter Rechtsanwalt gemäß § 49 RVG erhält. In gleicher Weise ist der anwaltliche Ergänzungspfleger verpflichtet, für die außergerichtliche Beratung und Vertretung seines Pfleglings Beratungshilfe in Anspruch zu nehmen (vgl. zum Ganzen Senatsbeschluss vom 20. Dezember 2006 - XII ZB 118/03 - FamRZ 2007, 381, 383 f.). Übernimmt er diese Beratung und Vertretung selbst, ist er im Rahmen seines Aufwendungsersatzanspruchs auf die Beratungshilfesätze beschränkt. Denn das Pflegschaftsverhältnis rechtfertigt keine Besserstellung des mittellosen Pfleglings gegenüber einem anderen unbemittelten Mandanten.
16
bb) Etwas anderes gilt auch nicht hinsichtlich der Tätigkeit des anwaltlichen Ergänzungspflegers für den Minderjährigen im verwaltungsrechtlichen Asylverfahren. Diese geht - entgegen der Annahme des Beschwerdegerichts - nicht über die Leistungen hinaus, die ein Rechtsanwalt im Rahmen der Beratungshilfe schuldet.
17
Beratungshilfe wird gemäß § 1 Abs. 1 BerHG außerhalb eines gerichtlichen Verfahrens und damit auch im verwaltungsrechtlichen Asylverfahren gewährt (vgl. Büttner/Wrobel-Sachs/Gottschalk/Dürbeck Prozess- und Verfahrenskostenhilfe , Beratungshilfe 6. Aufl. Rn. 621). Nach § 2 Abs. 1 BerHG besteht sie in der Beratung und, soweit erforderlich, in der Vertretung. Beratung ist hierbei die Erteilung eines mündlichen oder schriftlichen Rates oder einer Auskunft. Sie kann auch umfangreiche Besprechungen und abschließende Formulierungshilfe - wie beispielsweise bei einem Vertragsentwurf - zum Gegenstand haben (vgl. Mayer/Kroiß/Pukall RVG 6. Aufl. § 44 Rn. 22; Schoreit/Groß BerH/PKH/VKH 11. Aufl. § 2 BerHG Rn. 5 f.; Hartung/Römermann/Schons RVG 2. Aufl. § 44 Rn. 20 f.; Baumgärtel/Hergenröder/Houben RVG 15. Aufl. § 44 Rn. 2; Büttner/Wrobel-Sachs/Gottschalk/Dürbeck Prozess- und Verfahrenskostenhilfe , Beratungshilfe 6. Aufl. Rn. 967). Eine Vertretung ist erforderlich, wenn der Rechtsuchende nach der Beratung angesichts des Umfangs, der Schwierigkeit oder der Bedeutung der Rechtsangelegenheit für ihn seine Rechte nicht selbst wahrnehmen kann. Sie kann sich auf die Anfertigung von Schriftsätzen, das Führen von Telefonaten und auf mündliches Verhandeln für den Rechtsuchenden , etwa mit dem gegnerischen Anwalt, erstrecken (vgl. Mayer/Kroiß/Pukall RVG 6. Aufl. § 44 Rn. 23; Schoreit/Groß BerH/PKH/VKH 11. Aufl. § 2 BerHG Rn. 8 ff.; Poller/Teubel/Köpf Gesamtes Kostenhilferecht § 2 BerHG Rn. 21; Büttner/Wrobel-Sachs/Gottschalk/Dürbeck Prozess- und Verfahrenskostenhilfe, Beratungshilfe 6. Aufl. Rn. 967). Die Geschäftsgebühr der Nr. 2503 VV RVG deckt dabei alle in Nrn. 2300 ff. VV RVG genannten anwaltlichen Tätigkeiten ab, also sowohl den Geschäftsverkehr als auch die Besprechung mit Gegner oder Dritten (vgl. Rehberg in Göttlich /Mümmler RVG 5. Aufl. "Beratungshilfe" Anm. 7.7).
18
Unter den Begriff der Vertretung fällt damit sowohl die Fertigung des Asylantrags als auch die Vertretung des Minderjährigen bei der Anhörung vor dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge.
19
cc) Dem Beschwerdegericht kann auch nicht darin gefolgt werden, dass diese Sichtweise zu einer gegenüber einem anwaltlichen Berufsbetreuer unterschiedlichen Vergütungsregelung führen würde. Denn für beide wird in § 1908 i Abs. 1 BGB bzw. § 1915 Abs. 1 BGB gleichermaßen auf § 1835 Abs. 3 BGB verwiesen.
20
dd) Keinen Anlass zu einer anderen Beurteilung gibt schließlich die Erwägung des Beschwerdegerichts, ein Ergänzungspfleger würde, soweit er nur die Gebührensätze der Beratungshilfe erhielte, ohne adäquate Vergütung von der staatlichen Gewalt in die Pflicht genommen mit der Folge, dass die qualifiziertesten Anwälte für diese Aufgabe nicht mehr gewonnen werden könnten. Denn ein Rechtsanwalt, der berufsmäßig als Ergänzungspfleger tätig wird und bei dem diese berufsmäßige Amtsführung gemäß § 1836 Abs. 1 Satz 2 BGB festgestellt ist, kann eine Vergütung seiner Tätigkeit nach Stunden gemäß §§ 1915 Abs. 1, 1836 Abs. 1 Satz 2 und 3 BGB i. V. m. § 3 VBVG beanspruchen. Dass diese vom Gesetz vorgesehene pauschalierte Vergütung - zumal in Anbetracht der zusätzlichen Abrechnungsmöglichkeit des § 1835 Abs. 3 BGB bei spezifisch anwaltlichen Tätigkeiten - generell unzureichend wäre, ist nicht ersichtlich.
21
e) Dem Ergänzungspfleger steht daher kein höherer Aufwendungsersatzanspruch als die vom Amtsgericht zuerkannten 170,17 € zu, so dass der Rechtsbeschwerde der Staatskasse in vollem Umfang stattzugeben ist. Dose Klinkhammer Günter Botur Guhling
Vorinstanzen:
AG Darmstadt, Entscheidung vom 07.11.2011 - 51 F 1340/10 PF -
OLG Frankfurt am Main, Entscheidung vom 29.01.2013 - 6 UF 344/11 -

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII ZB 530/11
vom
29. Mai 2013
in der Kindschaftssache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja

a) Ein Vormund ist im Sinne des § 1909 Abs. 1 Satz 1 BGB nicht bereits dann
an der Besorgung einer Angelegenheit des Mündels verhindert, wenn er aufgrund
fehlender Geschäftsgewandtheit oder mangelnder Sachkunde kein
geeigneter Sachwalter seines Mündels ist.

b) Die Bestellung eines Rechtsanwalts zum Ergänzungspfleger für einen unbegleiteten
minderjährigen Flüchtling zur Vertretung in ausländerrechtlichen
Angelegenheiten einschließlich des Asylverfahrens ist auch dann unzulässig,
wenn es dem Vormund an (einschlägiger) juristischer Sachkunde fehlt.
BGH, Beschluss vom 29. Mai 2013 - XII ZB 530/11 - OLG Hamburg
AG Hamburg-Altona
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 29. Mai 2013 durch den Vorsitzenden
Richter Dose, die Richterin Weber-Monecke und die Richter
Dr. Klinkhammer, Dr. Nedden-Boeger und Dr. Botur

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 2. Familiensenats des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg vom 28. August 2011 wird zurückgewiesen.
Das Verfahren der Rechtsbeschwerde ist gerichtsgebührenfrei.

Gründe:

I.

1
Das Verfahren betrifft die Bestellung eines Ergänzungspflegers für einen unbegleiteten minderjährigen Flüchtling.
2
Der am 4. März 1996 geborene Mündel ist afghanischer Staatsangehöriger. Er reiste vermutlich Ende 2010 mit Hilfe von Schleppern in das Bundesgebiet ein. Zu seinen in Afghanistan verbliebenen Eltern besteht kein Kontakt. Mit Beschluss vom 22. Dezember 2010 wurde das Ruhen der elterlichen Sorge festgestellt; gleichzeitig wurde für den Betroffenen eine Vormundschaft eingerichtet und das Jugendamt der Stadt H. zum Amtsvormund bestimmt.
3
Der Amtsvormund hat am 2. März 2011 bei dem Familiengericht beantragt , Rechtsanwalt J. zum Mitvormund für den Bereich der ausländerrechtli- chen Angelegenheiten einschließlich der Vertretung im Asylverfahren zu bestellen. Zur Begründung wies der Amtsvormund darauf hin, dass die mit der Führung der Vormundschaft befassten Mitarbeiter auf diesem Gebiete weder über Sachkunde noch über Erfahrung verfügten und der seinerzeit erst 14-jährige Mündel selbst keinen Asylantrag stellen könne. Auf Nachfrage des Gerichts teilte der Amtsvormund mit, dass er Rechtsanwalt J. für diese ausländerrechtlichen Angelegenheiten zwar schon eine entsprechende Vollmacht erteilt habe, dieser seine Vertretungsbereitschaft aber "im Prinzip" von seiner Bestellung zum Mitvormund abhängig gemacht habe.
4
Das Amtsgericht hat den Antrag des Amtsvormunds als Antrag auf Einrichtung einer Ergänzungspflegschaft ausgelegt und diesen nach Anhörung der Beteiligten abgelehnt. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass der Vormund jedenfalls nicht aufgrund fehlender Sachkunde oder Erfahrung als an der sachgemäßen Erledigung asyl- oder ausländerrechtlicher Angelegenheiten verhindert sei. Die diesbezüglichen behördlichen Verfahren seien vom Gesetzgeber als Verfahren ausgestaltet worden, in denen sich die Rechtssuchenden in der Regel auch ohne Rechtskenntnisse selbst vertreten könnten. Diese grundsätzliche Entscheidung des Gesetzgebers könne nicht dadurch umgangen werden, dass den Eltern oder Vormündern die Fähigkeit zur Besorgung der Angelegenheiten in diesen Verfahren schon dann abgesprochen werde, wenn sie nicht über besondere Kenntnisse im Asyl- oder Ausländerrecht verfügten. Es sei auch nicht ersichtlich, dass in den von dem Mündel geführten asyl- oder ausländerrechtlichen Verfahren bislang besondere Schwierigkeiten aufgetreten seien. Zudem gäbe es auch keinen gegenwärtigen Anlass für die Einrichtung einer Ergänzungspflegschaft. Der Mündel habe seinen Asylantrag gestellt und sei vor dem Bundesamt bereits angehört worden. Ein Bescheid läge insoweit noch nicht vor, so dass derzeit keine Entscheidung über weitere asyl- oder ausländerrechtliche Schritte getroffen werden müsste.
5
Die dagegen gerichtete Beschwerde hat das Oberlandesgericht zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich der Mündel mit seiner zugelassenen Rechtsbeschwerde , mit der er das Ziel verfolgt, Rechtsanwalt J. zu seinem Ergänzungspfleger für den Bereich der ausländerrechtlichen Angelegenheiten einschließlich der Vertretung im Asylverfahren bestellen zu lassen.

II.

6
Die Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg.
7
1. Das Oberlandesgericht hat seine Entscheidung wie folgt begründet:
8
Es könne offen bleiben, ob die rechtliche Umsetzung der von dem Amtsvormund begehrten Unterstützung im Wege der Ergänzungspflegschaft oder im Wege einer Mitvormundschaft zu erfolgen hätte. Besondere Gründe, welche die Einrichtung einer Ergänzungspflegschaft oder Mitvormundschaft ausnahmsweise rechtfertigen könnten, lägen nicht vor. Dies gelte auch in Ansehung des Umstandes , dass der Mündel erst 15 Jahre alt sei. Das Amtsgericht habe mit zutreffender Begründung ausgeführt, dass der Vormund nicht daran gehindert sei, den Betroffenen in asyl- oder ausländerrechtlichen Angelegenheiten zu vertreten. Der pauschale Hinweis des Vormunds auf seine fehlende Sachkunde genüge hierzu nicht. In den ausländerrechtlichen Angelegenheiten des Mündels seien derzeit hauptsächlich tatsächliche Dinge zu klären. Der Mündel stamme aus Afghanistan und daher aus einem typischen Asylbewerberland. Bei dem Vormund handele es sich um einen gerichtsbekannt erfahrenen Vormund aus der zuständigen Fachbehörde.
9
Die Handlungsfähigkeit im Rechtsverkehr und damit auch im Asylverfahren sei gerade Sinn und Zweck der Einrichtung einer Vormundschaft und werde durch diese im Regelfall gewährleistet. Wenn der Amtsvormund meine, nicht über ausreichende Rechtskenntnisse zu verfügen, sei er zunächst verpflichtet, sich selbst rechtskundig zu machen, etwa durch Kontaktaufnahme mit der Rechtsabteilung seiner Behörde. Weiter stehe es ihm, wie jedem anderen gesetzlichen Vertreter eines Minderjährigen, ohne weiteres frei, die Öffentliche Rechtsauskunft um Auskunft nachzusuchen oder im gerichtlichen Verfahren Verfahrens- oder Prozesskostenhilfe zu beantragen. Erst wenn dies nicht ausreiche , komme die Einrichtung einer Ergänzungspflegschaft oder Mitvormundschaft in Betracht.
10
Eine Notwendigkeit zur Bestellung eines Ergänzungspflegers oder Mitvormundes folge auch nicht aus Art. 22 des Übereinkommens vom 20. November 1989 über die Rechte des Kindes (BGBl. 1992 II, S. 121; UNKinderrechtskonvention , im Folgenden: UN-KRK). Zwar stehe dieses Übereinkommen seit der am 15. Juli 2010 erfolgten Rücknahme des Vorbehalts durch die Bundesregierung im Range eines Bundesgesetzes. Art. 22 Abs. 1 UN-KRK begründe aber keine unmittelbaren Rechte der Betroffenen. Selbst wenn aber aus dieser Vorschrift individuelle Rechte abgeleitet werden könnten, würde dies bei dem vorliegenden Sachverhalt keine Bestellung eines Ergänzungspflegers oder Mitvormunds gebieten, weil ein "angemessener Schutz" des Minderjährigen schon durch die Bestellung eines Vormundes gewährleistet sei, der für seinen Mündel die erforderlichen asyl- oder ausländerrechtlichen Schritte ergreifen könne.
11
2. Gegen diese Ausführungen wendet sich die Rechtsbeschwerde ohne Erfolg.
12
Die Besorgung der ausländer- und asylrechtlichen Angelegenheiten des Mündels gehört als Teil der Personensorge zum Aufgabengebiet des bestellten Vormunds. Wer unter Vormundschaft steht, erhält nach § 1909 Abs. 1 Satz 1 BGB für Angelegenheiten, an denen der Vormund verhindert ist, einen Pfleger (zur Abgrenzung der Ergänzungspflegschaft von der Mitvormundschaft vgl. BayObLGZ 1976, 214, 216 f.). Die Bestellung eines Ergänzungspflegers nach dieser Vorschrift setzt neben einer tatsächlichen oder rechtlichen Verhinderung des Vormundes ein Bedürfnis für die Anordnung der Pflegschaft voraus, das durch einen gegenwärtigen konkreten Anlass begründet sein muss (BGHZ 65, 93, 95 = NJW 1976, 49). Der Amtsvormund ist im vorliegenden Fall weder aus rechtlichen noch aus tatsächlichen Gründen daran gehindert, den Mündel in ausländer- oder asylrechtlichen Angelegenheiten zu vertreten.
13
a) Eine rechtliche Verhinderung des Vormundes liegt nicht vor. Sie könnte grundsätzlich auch nicht damit begründet werden, dass Jugendamt und Ausländeramt derselben Behördenleitung unterstehen und ein deshalb zu befürchtender Interessengegensatz (§ 1796 Abs. 2 BGB), es rechtfertigen könnte, dem Jugendamt als Vormund nach § 1796 Abs. 1 BGB die Vertretungsmacht zu entziehen (vgl. auch Senatsbeschluss vom 5. März 2008 - XII ZB 2/07 - FamRZ 2008, 1156 Rn. 13 f.). Das Jugendamt führt die Vormundschaft in eigener Verantwortung , so dass bei ihrer ordnungsgemäßen Führung kein beachtlicher Interessenkonflikt in asyl- und ausländerrechtlichen Angelegenheiten des Mündels entstehen kann (OLG Köln FamRZ 1999, 1694; Staudinger/Bienwald BGB [2012] § 1909 Rn. 31; vgl. DIJuF-Stellungnahme DAVorm 2001, 43).
14
b) Indessen entspricht es einer verbreiteten und auf einen Aufsatz von Habicht aus dem Jahre 1898 (Gruchot 42, 413, 434) zurückgehenden Auffassung in Rechtsprechung und Literatur, dass bereits das auf fehlender Geschäftsgewandtheit oder mangelnder Sachkunde beruhende Unvermögen des Vormundes, eine Angelegenheit des Mündels angemessen wahrzunehmen, eine Verhinderung tatsächlicher Art im Sinne von § 1909 Abs. 1 BGB begrün- den kann (BayObLGZ 1976, 214, 217; BayObLG FamRZ 1977, 664, 668 f.; OLG Frankfurt DAVorm 2000, 485, 487; Palandt/Götz BGB 72. Aufl. § 1909 Rn. 7; BeckOK BGB/Bettin [Stand: 1. Februar 2013] § 1909 Rn. 7; Erman/Roth BGB 13. Aufl. § 1909 Rn. 9; grundsätzlich zustimmend auch Soergel /Zimmermann BGB 13. Aufl. §1909 Rn. 4). Daraus wird hergeleitet, dass einem unbegleiteten minderjährigen Flüchtling für die Besorgung seiner asylund ausländerrechtlichen Rechtsangelegenheiten schon wegen fehlender (einschlägiger ) juristischer Sachkunde seines Vormundes beim Bestehen eines Fürsorgebedürfnisses ein entsprechend spezialisierter Rechtsanwalt als Ergänzungspfleger für diesen Aufgabenkreis beigegeben werden könne (vgl. OLG Frankfurt DAVorm 2000, 485, 487; AG Gießen FamRZ 2010, 1027 f.; zustimmend Palandt/Götz BGB 72. Aufl. § 1909 Rn. 7; Peter JAmt 2003, 557, 558; Löhr ZAR 2010, 378, 380 f.).
15
c) Dem vermag der Senat nicht beizutreten.
16
aa) Bereits gegen den rechtlichen Ausgangspunkt, wonach eine Verhinderung im Sinne von § 1909 Abs. 1 BGB schon dann anzunehmen sei, wenn Eltern oder Vormund zwar tatsächlich und rechtlich zum Handeln in der Lage sind, jedoch nach dem Stand ihrer Einsicht, Erfahrung oder Geschäftsgewandtheit für bestimmte Angelegenheiten keine geeigneten Sachwalter ihrer Kinder oder Mündel zu sein scheinen, werden mit Recht grundsätzliche Bedenken geltend gemacht (vgl. LG Berlin FamRZ 1991, 1097 f.; Gernhuber/Coester-Waltjen Familienrecht 6. Aufl. § 75 Rn. 32; MünchKommBGB/Schwab 6. Aufl. § 1909 Rn. 14; Oberloskamp Vormundschaft, Pflegschaft und Beistand für Minderjährige 3. Aufl. § 10 Rn. 17; Rohde in Hoppenz Familiensachen 9. Aufl. § 1909 Rn. 5; jurisPK-BGB/Locher [Bearbeitungsstand: Oktober 2012] § 1909 Rn. 61).
17
Die Ergänzungspflegschaft ist ein an sich klar konturiertes Rechtsinstitut (vgl. Gernhuber/Coester-Waltjen Familienrecht 6. Aufl. § 75 Rn. 32), welches die bei der Vertretung des Minderjährigen entstehenden Lücken bei der Besorgung solcher Angelegenheiten schließt, in denen Eltern oder Vormund ihr Vertretungsrecht nicht ausüben können oder dürfen. Diese Fälle ergeben sich aus dem Gesetz. Bei bestehender Vormundschaft kommt die Ergänzungspflegschaft daher grundsätzlich nur dann und nur insoweit in Betracht, als der Vormund von der Vertretung seines Mündels kraft Gesetzes ausgeschlossen(vgl. §§ 1795 Abs. 1, 1795 Abs. 2 i.V.m. 181 BGB) oder durch eine familiengerichtliche Entscheidung (vgl. §§ 1796 Abs. 1, 1801, 1837 Abs. 4 i.V.m. 1666, 1666 a BGB) in seiner Vertretungsmacht beschränkt worden ist. Nach § 1837 Abs. 4 i.V.m. §§ 1666, 1666 a BGB sind auch diejenigen Fälle zu beurteilen, in denen sich der Vormund aus tatsächlichen Gründen als ungeeignet für die Besorgung bestimmter Angelegenheiten des Mündels erweist; ohne eine entsprechende Sorgerechtsbeschränkung durch gerichtliche Entscheidung ist für die Anordnung einer Pflegschaft wegen persönlicher Unzulänglichkeit des Vormunds grundsätzlich kein Raum (MünchKommBGB/Schwab 6. Aufl. § 1909 Rn. 14; vgl. auch Staudinger/Bienwald BGB [2012] § 1909 Rn. 29). Wäre es anders, müsste das Familiengericht bei fehlender Sachkunde oder Geschäftsgewandtheit des Sorgeberechtigten in sehr vielen Fällen nicht nur als berechtigt, sondern sogar als verpflichtet angesehen werden, durch die Anordnung einer Pflegschaft in deren gesetzliche Vertretungsmacht bezüglich bestimmter Angelegenheiten einzugreifen (§ 1794 BGB), ohne dass die Voraussetzungen der §§ 1666, 1666 a BGB vorliegen müssten (zutreffend Oberloskamp Vormundschaft , Pflegschaft und Beistand für Minderjährige 3. Aufl. § 10 Rn. 17).
18
bb) Verfügt der Vormund, dessen generelle Eignung nicht in Frage steht, nicht über die zur sachgerechten Besorgung einzelner Geschäfte des Mündels erforderliche Sachkunde, ist es seine Sache, diesen Mangel an Eignung in ei- gener Verantwortung durch Inanspruchnahme fachspezifischer Hilfen auszugleichen. Bei fehlender juristischer Sachkunde muss sich der Vormund daher um geeignete Rechtsberatung und im gerichtlichen Verfahren um eine anwaltliche Vertretung für seinen Mündel bemühen (vgl. OLG Brandenburg ZKJ 2011, 139, 140; OLG Karlsruhe FamRZ 2012, 1955, 1957; Oberloskamp Vormundschaft , Pflegschaft und Beistand für Minderjährige 3. Aufl. § 10 Rn. 17; Gernhuber /Coester-Waltjen Familienrecht 6. Aufl. § 75 Rn. 32). Etwas anderes lässt sich entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde auch nicht daraus herleiten, dass der Vormund im Falle der Bevollmächtigung eines Rechtsanwaltes zur näheren Instruktion und Überwachung des Rechtsanwaltes verpflichtet bleibt und insoweit auch weiterhin einem Haftungsrisiko ausgesetzt ist. Komplizierte Rechtsangelegenheiten des Mündels können für einen Vormund nicht nur auf dem Gebiet des Asyl- und Ausländerrechts, sondern in vielfältiger Weise auch auf anderen Rechtsgebieten zu besorgen sein. Es entspricht indessen dem Wesen der Vormundschaft, dass der Vormund seinen Mündel erforderlichenfalls auch bei schwierigen Geschäften oder Geschäftskomplexen zu vertreten hat. Dies schließt es im Falle der Bevollmächtigung eines Rechtsanwaltes notwendigerweise ein, dass der Vormund auf der Grundlage der von dem Rechtsanwalt erteilten Beratung und Belehrung für seinen Mündel Entscheidungen zu treffen und den Bevollmächtigten entsprechend zu instruieren hat. Weder dieser Umstand noch das allgemeine Haftungsrisiko, welches der Vormund bei einer schuldhaften (§ 1833 Abs. 1 Satz 1 BGB) Verletzung seiner Pflicht zur treuen und gewissenhaften Führung der Vormundschaft ausgesetzt ist, können es deshalb rechtfertigen, den Vormund aus seiner Verantwortung für den Mündel zu entlassen (vgl. OLG Brandenburg ZKJ 2011, 139, 140).
19
Stehen der Inanspruchnahme rechtlichen Beistands die finanziellen Verhältnisse des Mündels entgegen, ist dieser Mangel durch Beratungshilfe (hier: durch Öffentliche Rechtsberatung) und im gerichtlichen Verfahren durch Pro- zess- bzw. Verfahrenskostenhilfe zu beheben (Oberloskamp Vormundschaft, Pflegschaft und Beistand für Minderjährige 3. Aufl. § 10 Rn. 17). Die Pflegschaft ist demgegenüber kein Instrument, um einem unbemittelten Kind aus öffentlichen Kassen Sozialleistungen zu gewähren, auf die ein mittelloses Kind ohne Einrichtung einer Pflegschaft keinen Anspruch hätte; dies gilt auch für Sozialleistungen im Bereich der Rechtspflege (vgl. Senatsbeschluss vom 20. Dezember 2006 - XII ZB 118/03 - FamRZ 2007, 381, 383 zum Betreuungsrecht

).

20
cc) Auch im Lichte der UN-Kinderrechtskonvention ist keine andere Beurteilung geboten.
21
Dabei kann es auf sich beruhen, ob den Regelungen der UNKinderrechtskonvention das Gebot entnommen werden kann, dass ein mittelloses unbegleitetes Kind - neben der Bestellung eines Vormunds - im Falle seiner Beteiligung an einem Asylverfahren oder an sonstigen Verwaltungs- und Gerichtsverfahren unentgeltlichen Zugang zu einem Rechtsbeistand erhalten soll (vgl. UN-Ausschuss für Kinderrechte, General Comment No 6 [2005], Treatment of unaccompanied and separated children outside their country of origin, CRC/GC/2005/6 Rn. 36 und 69, veröffentlicht auf www.unhcr.org; Schmahl, UN-Kinderrechtskonvention Art. 22 Rn. 11; Krieger RdJB 2012, 206, 210 f.; a.A. wohl OLG Karlsruhe FamRZ 2011, 740, 742). Selbst wenn dies der Fall sein sollte, wird dieser Zugang in der Bundesrepublik Deutschland konventionskonform durch das System der Beratungs- und Prozesskostenhilfe gewährleistet; dieses System garantiert gleichzeitig - im Einklang mit Art. 2 UN-KRK und Art. 16 Abs. 1 und Abs. 2 des Abkommens über die Rechtsstellung von Flüchtlingen vom 28. Juli 1951 (BGBl. 1953 II, S. 560; Genfer Flüchtlingskonvention) - auch die Gleichbehandlung von mittellosen Flüchtlingen und unbemittelten deutschen Staatsangehörigen (OLG Karlsruhe FamRZ 2012, 1955, 1958 und FamRZ 2011, 740, 742; OVG Münster EZAR-NF 95 Nr. 22). Eine darüber hinaus gehende Forderung nach Rechtsgewährung, welche die Bestellung eines Rechtsanwalts zum Ergänzungspfleger für die Besorgung von Rechtsangelegenheiten eines unbegleiteten minderjährigen Flüchtlings gebieten würde, lässt sich jedenfalls aus der UN-Kinderrechtskonvention nicht herleiten (so auch Löhr ZAR 2010, 378, 381).
22
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus Art. 3 Abs. 1 UN-KRK, wonach bei allen Maßnahmen, die Kinder betreffen, das Wohl des Kindes als vorrangiger Gesichtspunkt zu berücksichtigen ist. Der Gesichtspunkt des Kindeswohls kann keinen absoluten Vorrang beanspruchen (BVerwG Buchholz 402.242 § 56 AufenthG Nr. 5; OVG Lüneburg InfAuslR 2013, 19, 22), auch nicht gegenüber der Entscheidung des Gesetzgebers, die Rechtsgleichheit von bemittelten und unbemittelten Rechtssuchenden - auch Kindern - im Rahmen der Vorschriften über die Sozialhilfe auf dem Gebiet der Rechtspflege herzustellen. Im Übrigen wird den durch Art. 3 Abs. 1 UN-KRK in den Blick genommenen Belangen des Kindeswohls in ausländer- und asylrechtlichen Verfahren bereits bei der Prüfung der Erfolgsaussichten der Rechtsverfolgung Rechnung zu tragen sein (OLG Karlsruhe FamRZ 2011, 740, 742). Dose Weber-Monecke Klinkhammer Nedden-Boeger Botur
Vorinstanzen:
AG Hamburg-Altona, Entscheidung vom 10.05.2011 - 284 F 59/11 -
OLG Hamburg, Entscheidung vom 28.08.2011 - 2 UF 121/11 -

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII ZB 57/13
vom
4. Dezember 2013
in der Familiensache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja

a) Der als Ergänzungspfleger bestellte Rechtsanwalt kann gemäß § 1835
Abs. 3 BGB eine Pflegschaftstätigkeit nach anwaltlichem Gebührenrecht abrechnen
, wenn und soweit sich die zu bewältigende Aufgabe als eine für den
Beruf des Rechtsanwalts spezifische Tätigkeit darstellt.

b) Der Aufwendungsersatzanspruch des anwaltlichen Ergänzungspflegers
eines mittellosen Pfleglings ist im Rahmen der Abrechnung nach dem
Rechtsanwaltsvergütungsgesetz auf die Gebührensätze der Beratungshilfe
beschränkt.
BGH, Beschluss vom 4. Dezember 2013 - XII ZB 57/13 - OLG Frankfurt am Main
AG Darmstadt
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 4. Dezember 2013 durch den
Vorsitzenden Richter Dose und die Richter Dr. Klinkhammer, Dr. Günter,
Dr. Botur und Guhling

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde der Beteiligten zu 2 wird der Beschluss des 6. Senats für Familiensachen in Darmstadt des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 29. Januar 2013 aufgehoben. Die Beschwerde des Beteiligten zu 1 gegen den Beschluss des Amtsgerichts Darmstadt vom 7. November 2011 wird auf Kosten des Beteiligten zu 1 zurückgewiesen. Das Verfahren der Rechtsbeschwerde ist gerichtsgebührenfrei. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet. Beschwerdewert: 329 €

Gründe:

I.

1
Das Verfahren betrifft die Vergütung des Ergänzungspflegers für einen unbegleitet eingereisten minderjährigen Flüchtling.
2
Das Amtsgericht bestellte das Jugendamt zum Vormund des Minderjährigen und den Beteiligten zu 1, einen Rechtsanwalt, zum Ergänzungspfleger mit dem Wirkungskreis "ausländer- und asylrechtliche Betreuung". Der Ergänzungspfleger führte in Anwesenheit eines Dolmetschers ein Gespräch mit dem Minderjährigen und reichte einen Asylantrag für ihn ein. Ferner begleitete er ihn zur Anhörung im Asylverfahren. Er erstattete sodann seinen Bericht gegenüber dem Amtsgericht und beantragte, seine Kosten und Auslagen "gemäß §§ 1835, 1836 BGB" in Höhe von 498,85 € festzusetzen. Hierbei berechnete er bei einem Gegenstandswert von 3.000 € eine 1,8-Gebühr nach §§ 2, 13, 14 RVG sowie Nr. 2300 VV RVG nebst Auslagen.
3
Das Amtsgericht hat auf Basis der Gebührensätze der Beratungshilfe eine Vergütung in Höhe von 170,17 € festgesetzt. Die hiergegen gerichtete Erinnerung hat das Amtsgericht zurückgewiesen und die Beschwerde zugelassen. Das Oberlandesgericht hat die Beschlüsse des Amtsgerichts abgeändert und dem Vergütungsantrag des Ergänzungspflegers in vollem Umfang stattgegeben. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde begehrt die Beteiligte zu 2 (im Folgenden: Staatskasse) die Wiederherstellung des amtsgerichtlichen Beschlusses.

II.

4
Die zulässige, insbesondere aufgrund der Zulassung durch das Beschwerdegericht gemäß § 70 Abs. 1 FamFG statthafte Rechtsbeschwerde hat in der Sache Erfolg.
5
1. Das Oberlandesgericht hat seine in FamRZ 2013, 1160 veröffentlichte Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:
6
Ein anwaltlicher Ergänzungspfleger, der für einen minderjährigen Pflegling Dienste erbringe, für die ein anderer Pfleger wegen fehlender fachspezifischer Kenntnisse einen Rechtsanwalt hinzuziehen müsse, könne wählen, ob er wegen der von ihm geleisteten Dienste, die zu seinem Beruf gehörten, Aufwendungsersatz nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz oder eine Vergütung seiner Tätigkeit gemäß § 3 VBVG beanspruche. Entscheide er sich für die Geltendmachung von Aufwendungsersatz, könne er nach anwaltlichem Gebührenrecht abrechnen, denn der Betroffene solle keinen Vorteil daraus ziehen, dass der Pfleger aufgrund seiner Qualifikation Dienste erbringen könne, für die ein anderer Pfleger einen Rechtsanwalt gegen Entgelt beauftragen würde.
7
Dabei sei der Ergänzungspfleger nicht auf die Gebührensätze der Beratungshilfe zu verweisen, weil sich sein Einsatz für den unbegleiteten minderjährigen Flüchtling im Asylverfahren nicht auf die "typischen Tätigkeiten der Beratungshilfe" wie die rechtliche Beratung und das Anfertigen der erforderlichen Schriftsätze beschränkt habe, so dass seine Tätigkeit über das hinausgegangen sei, was er als separat beauftragter Anwalt im Rahmen der Beratungshilfe geleistet hätte. Zudem treffe den Ergänzungspfleger gegenüber einem nur aufgrund Beratungshilfe tätigen Anwalt eine höhere Verpflichtung. Der Ergänzungspfleger könne daher ohne Begrenzung durch die Gebührensätze der Beratungshilfe eine Vergütung nach §§ 1915 Abs. 1, 1835 Abs. 3 BGB i.V.m. dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz beanspruchen. Anderenfalls würde er ohne adäquate Vergütung von der staatlichen Gewalt in die Pflicht genommen und es stünde ihm allenfalls bei mehreren gleichzeitigen Pflegschaften ein Ablehnungsrecht zu. Dies hätte zur Folge, dass die für diese Aufgaben qualifiziertesten Anwälte in Fällen dringend nötiger anwaltlicher Hilfe für minderjährige unbegleitete Flüchtlinge vielfach nicht mehr bestellt werden könnten. Andernfalls würde ein berufsmäßig tätiger Ergänzungspfleger, der, ohne Rechtsanwalt zu sein, den Pflegling selbst vertrete, mit einem ihm nicht zu versagenden Vergütungsanspruch nach § 1836 Abs. 1 Satz 2 BGB besser gestellt.
8
2. Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
9
a) Dem Anspruch des Ergänzungspflegers steht allerdings nicht entgegen, dass - wie der Senat zwischenzeitlich entschieden hat (Senatsbeschluss vom 29. Mai 2013 - XII ZB 530/11 - FamRZ 2013, 1206) - in Fällen wie dem vorliegenden die Bestellung eines Ergänzungspflegers für einen unbegleiteten minderjährigen Flüchtling unzulässig ist. Daran hält der Senat auch mit Blick auf Art. 6 der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist, sowie auf Art. 25 der Richtlinie 2013/32/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zu gemeinsamen Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzes und auf Art. 24 der Richtlinie 2013/33/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung von Normen für die Aufnahme von Personen, die internationalen Schutz beantragen, fest (aA AG Gießen Beschluss vom 21. August 2013 - 249 F 1635/13 VM - juris Rn. 11 ff.; Hocks JAmt 2013, 429). Die darin vorgesehene sachkundige Vertretung des unbegleiteten Minderjährigen wird grundsätzlich durch das Jugendamt als Vormund gewährleistet. Bereits aus dem Wortlaut von Art. 25 Abs. 1 Buchst. b Satz 2 RL 2013/32/EU ergibt sich im Übrigen, dass der dem Minderjährigen zu bestellende Vertreter gerade nicht Rechtsanwalt sein muss; denn gemäß dieser Bestimmung ist sicherzustellen, dass bei der Anhörung "ein Ver- treter und/oder ein Rechtsanwalt…" anwesend ist.
10
Dass die Ergänzungspflegschaft fehlerhaft angeordnet wurde, steht der Wirksamkeit der Bestellung jedoch nicht entgegen, so dass die Gerichte im Vergütungsfestsetzungsverfahren hieran gebunden sind (vgl. OLG Düsseldorf FamRZ 2011, 141, 142 mwN).
11
b) Zutreffend ist das Oberlandesgericht davon ausgegangen, dass der als Ergänzungspfleger bestellte Rechtsanwalt eine Pflegschaftstätigkeit gemäß §§ 1915 Abs. 1, 1835 Abs. 3 BGB nach anwaltlichem Gebührenrecht abrech- nen kann, wenn und soweit sich die zu bewältigende Aufgabe als eine für den Beruf des Rechtsanwalts spezifische Tätigkeit darstellt. Dies ergibt sich aus dem Grundsatz, dass der Pflegling - und bei mittellosen Betroffenen die Staatskasse - keinen Vorteil daraus ziehen soll, dass sein Pfleger zufällig aufgrund einer besonderen beruflichen Qualifikation etwas verrichten kann, wozu ein anderer Pfleger berechtigterweise die entgeltlichen Dienste eines Dritten in Anspruch nehmen würde (vgl. Senatsbeschlüsse vom 17. November 2010 - XII ZB 244/10 - FamRZ 2011, 203 Rn. 13 f. und vom 20. Dezember 2006 - XII ZB 118/03 - FamRZ 2007, 381, 382 f.). Daraus folgt jedoch nicht, dass jedwede Tätigkeit des anwaltlichen Ergänzungspflegers, die er im Rahmen der Pflegschaft erbringt (also auch eine solche, die ein nichtanwaltlicher Ergänzungspfleger ohne Hinzuziehung eines Rechtsanwalts geleistet hätte), einen Aufwendungsersatzanspruch gemäß § 1835 Abs. 3 BGB begründet (vgl. hierzu z.B. KG FamRZ 2012, 63; MünchKommBGB/Wagenitz 6. Aufl. § 1835 Rn. 40 ff.; Staudinger/Bienwald BGB [2004] § 1835 Rn. 30 ff.; Erman/Saar BGB 13. Aufl. § 1835 Rn. 6 f.; Pammler-Klein/Pammler in jurisPK-BGB 6. Aufl. § 1835 Rn. 86 ff.; HUK-BUR/Bauer/Deinert [Stand: Juli 2008] § 1835 BGB Rn. 54 ff.; Knittel Betreuungsrecht [Stand: 1. März 2013] § 1835 BGB Rn. 67 ff.; Damrau /Zimmermann Betreuungsrecht 4. Aufl. § 1835 BGB Rn. 57 ff., 63 ff.; Bienwald in Bienwald/Sonnenfeld/Hoffmann Betreuungsrecht 5. Aufl. § 1835 BGB Rn. 34 ff.; BeckOK/Bettin BGB [Stand: 1. August 2013] § 1835 Rn. 7; Palandt/ Götz BGB 73. Aufl. § 1835 Rn. 13; Jürgens Betreuungsrecht 4. Aufl. § 1835 Rn. 15).
12
c) Ob bzw. inwieweit die vorliegend vom Ergänzungspfleger im Rahmen seiner Amtsführung geleisteten Dienste spezifische anwaltliche Tätigkeiten in diesem Sinne darstellen, hat das Oberlandesgericht nicht geprüft. Es hat vielmehr unter Verweis darauf, dass dem anwaltlichen Ergänzungspfleger ein Wahlrecht zwischen Aufwendungsersatz und Vergütung auf Stundenbasis zustehe , einen Aufwendungsersatzanspruch dem Grunde nach bejaht.
13
Diese Erwägung trägt jedenfalls im zu entscheidenden Fall bereits deswegen nicht, weil es an der für den Vergütungsanspruch gemäß § 1836 Abs. 1 Satz 2 BGB konstitutiven Feststellung fehlt, dass die Ergänzungspflegschaft berufsmäßig geführt wird (vgl. Senatsbeschluss vom 9. November 2005 - XII ZB 49/01 - FamRZ 2006, 111, 114), und mithin eine Abrechnung auf Stundenbasis nicht in Betracht kam.
14
d) Das kann hier jedoch dahinstehen. Denn die Rechtsbeschwerde, die das Bestehen eines Aufwendungsersatzanspruchs dem Grunde nach nicht in Frage stellt, hat schon deshalb Erfolg, weil dem Ergänzungspfleger jedenfalls kein die Beratungshilfesätze übersteigender Anspruch zusteht.
15
aa) Den anwaltlichen Ergänzungspfleger trifft ebenso wie den Anwaltsbetreuer die Pflicht zur kostensparenden Amtsführung. Er muss daher für eine gerichtliche Vertretung eines mittellosen Betroffenen Prozesskostenhilfe beantragen und kann auch bei deren Versagung als Aufwendungsersatz gemäß § 1835 Abs. 3 und 4 BGB gegenüber der Staatskasse jedenfalls keine höheren Gebühren geltend machen als diejenigen, die ein beigeordneter Rechtsanwalt gemäß § 49 RVG erhält. In gleicher Weise ist der anwaltliche Ergänzungspfleger verpflichtet, für die außergerichtliche Beratung und Vertretung seines Pfleglings Beratungshilfe in Anspruch zu nehmen (vgl. zum Ganzen Senatsbeschluss vom 20. Dezember 2006 - XII ZB 118/03 - FamRZ 2007, 381, 383 f.). Übernimmt er diese Beratung und Vertretung selbst, ist er im Rahmen seines Aufwendungsersatzanspruchs auf die Beratungshilfesätze beschränkt. Denn das Pflegschaftsverhältnis rechtfertigt keine Besserstellung des mittellosen Pfleglings gegenüber einem anderen unbemittelten Mandanten.
16
bb) Etwas anderes gilt auch nicht hinsichtlich der Tätigkeit des anwaltlichen Ergänzungspflegers für den Minderjährigen im verwaltungsrechtlichen Asylverfahren. Diese geht - entgegen der Annahme des Beschwerdegerichts - nicht über die Leistungen hinaus, die ein Rechtsanwalt im Rahmen der Beratungshilfe schuldet.
17
Beratungshilfe wird gemäß § 1 Abs. 1 BerHG außerhalb eines gerichtlichen Verfahrens und damit auch im verwaltungsrechtlichen Asylverfahren gewährt (vgl. Büttner/Wrobel-Sachs/Gottschalk/Dürbeck Prozess- und Verfahrenskostenhilfe , Beratungshilfe 6. Aufl. Rn. 621). Nach § 2 Abs. 1 BerHG besteht sie in der Beratung und, soweit erforderlich, in der Vertretung. Beratung ist hierbei die Erteilung eines mündlichen oder schriftlichen Rates oder einer Auskunft. Sie kann auch umfangreiche Besprechungen und abschließende Formulierungshilfe - wie beispielsweise bei einem Vertragsentwurf - zum Gegenstand haben (vgl. Mayer/Kroiß/Pukall RVG 6. Aufl. § 44 Rn. 22; Schoreit/Groß BerH/PKH/VKH 11. Aufl. § 2 BerHG Rn. 5 f.; Hartung/Römermann/Schons RVG 2. Aufl. § 44 Rn. 20 f.; Baumgärtel/Hergenröder/Houben RVG 15. Aufl. § 44 Rn. 2; Büttner/Wrobel-Sachs/Gottschalk/Dürbeck Prozess- und Verfahrenskostenhilfe , Beratungshilfe 6. Aufl. Rn. 967). Eine Vertretung ist erforderlich, wenn der Rechtsuchende nach der Beratung angesichts des Umfangs, der Schwierigkeit oder der Bedeutung der Rechtsangelegenheit für ihn seine Rechte nicht selbst wahrnehmen kann. Sie kann sich auf die Anfertigung von Schriftsätzen, das Führen von Telefonaten und auf mündliches Verhandeln für den Rechtsuchenden , etwa mit dem gegnerischen Anwalt, erstrecken (vgl. Mayer/Kroiß/Pukall RVG 6. Aufl. § 44 Rn. 23; Schoreit/Groß BerH/PKH/VKH 11. Aufl. § 2 BerHG Rn. 8 ff.; Poller/Teubel/Köpf Gesamtes Kostenhilferecht § 2 BerHG Rn. 21; Büttner/Wrobel-Sachs/Gottschalk/Dürbeck Prozess- und Verfahrenskostenhilfe, Beratungshilfe 6. Aufl. Rn. 967). Die Geschäftsgebühr der Nr. 2503 VV RVG deckt dabei alle in Nrn. 2300 ff. VV RVG genannten anwaltlichen Tätigkeiten ab, also sowohl den Geschäftsverkehr als auch die Besprechung mit Gegner oder Dritten (vgl. Rehberg in Göttlich /Mümmler RVG 5. Aufl. "Beratungshilfe" Anm. 7.7).
18
Unter den Begriff der Vertretung fällt damit sowohl die Fertigung des Asylantrags als auch die Vertretung des Minderjährigen bei der Anhörung vor dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge.
19
cc) Dem Beschwerdegericht kann auch nicht darin gefolgt werden, dass diese Sichtweise zu einer gegenüber einem anwaltlichen Berufsbetreuer unterschiedlichen Vergütungsregelung führen würde. Denn für beide wird in § 1908 i Abs. 1 BGB bzw. § 1915 Abs. 1 BGB gleichermaßen auf § 1835 Abs. 3 BGB verwiesen.
20
dd) Keinen Anlass zu einer anderen Beurteilung gibt schließlich die Erwägung des Beschwerdegerichts, ein Ergänzungspfleger würde, soweit er nur die Gebührensätze der Beratungshilfe erhielte, ohne adäquate Vergütung von der staatlichen Gewalt in die Pflicht genommen mit der Folge, dass die qualifiziertesten Anwälte für diese Aufgabe nicht mehr gewonnen werden könnten. Denn ein Rechtsanwalt, der berufsmäßig als Ergänzungspfleger tätig wird und bei dem diese berufsmäßige Amtsführung gemäß § 1836 Abs. 1 Satz 2 BGB festgestellt ist, kann eine Vergütung seiner Tätigkeit nach Stunden gemäß §§ 1915 Abs. 1, 1836 Abs. 1 Satz 2 und 3 BGB i. V. m. § 3 VBVG beanspruchen. Dass diese vom Gesetz vorgesehene pauschalierte Vergütung - zumal in Anbetracht der zusätzlichen Abrechnungsmöglichkeit des § 1835 Abs. 3 BGB bei spezifisch anwaltlichen Tätigkeiten - generell unzureichend wäre, ist nicht ersichtlich.
21
e) Dem Ergänzungspfleger steht daher kein höherer Aufwendungsersatzanspruch als die vom Amtsgericht zuerkannten 170,17 € zu, so dass der Rechtsbeschwerde der Staatskasse in vollem Umfang stattzugeben ist. Dose Klinkhammer Günter Botur Guhling
Vorinstanzen:
AG Darmstadt, Entscheidung vom 07.11.2011 - 51 F 1340/10 PF -
OLG Frankfurt am Main, Entscheidung vom 29.01.2013 - 6 UF 344/11 -

Tenor

1. Die Beschwerde des Stadtjugendamtes ... gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengerichts - Aschaffenburg vom 20. 4. 2015 wird zurückgewiesen.

2. Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren werden nicht erhoben. Außergerichtlichen Kosten der Beteiligten im Beschwerdeverfahren werden nicht erstattet.

3. Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 3000,00 Euro festgesetzt.

4. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe

I.

Der Betroffene ist in Marokko, A., geboren und in B. aufgewachsen. Er ist marokkanischer Staatsangehöriger. Seine Eltern sind in Marokko unbekannten Aufenthalts. Er ist am 00.00.2000 geboren. Er hat vor mehreren Monaten seine Heimat alleine verlassen und wurde am 08.04.2015 ohne gültige Fahrerlaubnis in einem Zug von der Bundespolizei aufgegriffen und dem Jugendamt der Stadt ... übergeben. Nach einem vorübergehenden Aufenthalt in der Schutzstelle des S.-Hauses in N. befindet er sich nunmehr in einer Jugendgruppe in G. Er will in Deutschland bleiben, hier die Schule besuchen und eine Lehre machen. Politisch verfolgt ist er nach seinen Angaben nicht.

Das Amtsgericht - Familiengericht - Aschaffenburg hat mit Beschluss vom 20.04.2015, ohne den Jugendlichen vorher anzuhören, festgestellt, dass die elterliche Sorge ruht, Vormundschaft angeordnet und als Vormund das Stadtjugendamt ... bestimmt. Wegen der Einzelheiten wird auf die Entscheidung verwiesen.

Gegen die ihm am 22.04.2015 zugegangene Entscheidung wendet sich das Stadtjugendamt ... mit seiner am 19.05.2015 beim Amtsgericht Aschaffenburg eingegangenen Beschwerde, die als Sachgebiet „bestellte Amtsvormundschaft, § 1791 b BGB“ ausweist und von einer Beauftragten nach § 55 SGB XIII unterzeichnet ist. Zur Begründung wird im Wesentlichen ausgeführt, dass nach einer Entscheidung des OLG Bamberg (7. Senat) vom 07.01.2015 das Jugendamt nur insoweit als Amtsvormund zu bestellen sei, als es nicht um asyl- und ausländerrechtliche Fragen gehe. Insoweit sei ein Rechtsanwalt als Mitvormund zu bestimmen. Das Jugendamt könne ohne Spezialkenntnisse nicht beurteilen, welche Maßnahmen ausländerrechtlicher Art zu ergreifen seien und wie nach den Interessen des Mündels bestmöglichst zu handeln sei. Insoweit bedürfe es eines speziell ausgebildeten Fachanwalts. Das Stadtjugendamt ... sei nicht in der Lage, dem bereits benannten Wirkungskreis gerecht zu werden. Es liege ein Eignungsmangel vor. Es sei deshalb ein weiterer Vormund, hilfsweise ein Ergänzungspfleger zu bestellen. Rechtlich hat es sich auf die Entscheidung des OLG Bamberg vom 07.01.2015 (FamRZ 2015, 682-683) sowie des OLG Frankfurt vom 11.09.2014 (FamRZ 2014, 2015) berufen.

Nachdem der Senat auf die einschlägige Rechtsprechung des BGH (FamRZ 2014, 472-473; 2014, 460) hingewiesen hat, wurde von der Beschwerde mit Schriftsatz vom 25.06.2015 weiter die Meinung vertreten, dass die vom Senat geäußerte Rechtsauffassung und die Rechtsprechung des BGH gegen die Kindeswohlinteressen verstoße und nicht den EU-Richtlinien entspreche. Die von Art. 25 der Verfahrensrichtlinie 2013/32/EU verlangten Fachkenntnisse des Vormundes verlangten zwingend Kenntnisse im aufenthalts- und asylverfahrensrechtlichen Bereich. Bei wörtlicher Auslegung der Richtlinie müsse der bestellte Vertreter selbst über entsprechende Fachkenntnisse verfügen. Sofern der Vormund diese Fachkenntnisse nicht habe, müsse zumindest ein Ergänzungspfleger bestellt werden. Außerdem habe sich der BGH in seiner Entscheidung vom 29.05.2013 nicht mit der Auslegung des Art. 25 der bereits erwähnten Richtlinie auseinandersetzen können, da sie zum Zeitpunkt der Entscheidung am 26.06.2013 noch nicht in Kraft gewesen sei. Auch die weitere Entscheidung des BGH vom 04.12.2013 befasse sich in erster Linie mit Vergütungsfragen. Für die Betreuung der oft traumatisierten Jugendlichen sei vom Jugendamt eine Sozialpädagogin eingesetzt. Sie besitze jedoch nicht die erforderlichen ausländer- und asylrechtlichen Spezialkenntnisse. Die Möglichkeit der Gewährung von Beratungshilfe durch einen Rechtsanwalt stehe nur auf dem Papier. Wegen der geringen Honorierung sei die Beratungspraxis durch einen Rechtsbeistand rein theoretischer Natur.

Die Gerichte könnten sich bei der Auswahl und der Bestellung des Vormundes ihrer Aufgabe nicht dadurch entledigen, dass die Kommunalverwaltung verpflichtet würde, sich entsprechende anwaltliche Hilfe einzukaufen.

Wegen der Einzelheiten wird auf den Schriftsatz vom 25.06.2015 Bezug genommen.

Der Senat hat den Jugendlichen im Termin vom 13.08.2015 persönlich angehört und dem Jugendamt Gelegenheit zur mündlichen Stellungnahme gegeben.

II.

A) Die Beschwerde des Stadtjugendamtes als Amtsvormund ist gem. §§ 58 ff. FamFG zulässig. Nach dem Eingangssatz im Schriftsatz vom 19.05.2015 richtet sich das Rechtsmittel zwar gegen den gesamten Beschluss vom 20.04.2015. Aus der Begründung ergibt sich jedoch, dass mit der Beschwerde die Feststellung des Ruhens der elterlichen Sorge sowie die Anordnung der Vormundschaft selbst nicht angegriffen werden sollen, ebenso wenig die Bestellung des Jugendamtes als Vormund. Ziel des Rechtsmittels ist es vielmehr „nur“ einen Mitvormund bzw. einen Ergänzungspfleger bestellt zu erhalten. Dies wurde im Termin vom 13.8.2015 vom Beschwerdeführer nochmals ausdrücklich klargestellt. Damit verfolgt die Beschwerde ein zulässiges Ziel, insbesondere besteht insoweit die nach § 59 Abs. 1 FamFG erforderliche Beschwerdeberechtigung. Nach der gesamten Diktion des bereits erwähnten Beschwerdeschreibens ist das Rechtsmittel nämlich vom Stadtjugendamt in seiner Funktion als Amtsvormund eingelegt und nicht im Rahmen seiner Aufgabe als nach § 162 FamFG mitzuwirkende Behörde, deren Beschwerdeberechtigung sich aus § 162 Abs. 3 Satz 2 FamFG ergeben würde. Der Amtsvormund rügt zulässigerweise die Verletzung seiner Rechte, weil er im Falle der Bestellung eines Ergänzungspflegers oder Mitvormundes einen Teil seiner Aufgaben bzw. Verantwortung an eine dritte Person abgeben könnte (OLG Frankfurt FamRZ 2014, 2015; 2014, 673).

B) In der Sache ist das Rechtsmittel allerdings ohne Erfolg.

Vorab ist festzuhalten, dass die Anordnung des Ruhens der elterlichen Sorge sowie die Anordnung der Vormundschaft nach der Begründung der Beschwerde nicht in Frage gestellt werden und deshalb auch nicht Gegenstand der Überprüfung durch den Senat sind.

Weiter ist festzuhalten, dass ein nach § 1791 b Abs. 1 BGB vorrangig zu bestellender ehrenamtlicher Einzelvormund dem Senat nicht bekannt ist und auch vom Jugendamt nicht benannt wurde. Auch dem Jugendamt gleichrangig zu behandelnde berufsmäßige Vormünder im Raum ... kennt der Senat nicht. Auch vom Jugendamt werden solche nicht benannt oder aufgezeigt. Die Bestimmung des Jugendamtes als Amtsvormund nach § 1791 b BGB ist deshalb in der Sache nicht zu beanstanden und wird letztlich im Kern mit dem Rechtsmittel auch nicht in Frage gestellt.

Die alternativ mit der Beschwerde erstrebte Bestellung eines Ergänzungspflegers nach § 1909 Abs. 1 BGB kommt schon aus rechtlichen Gründen nicht in Betracht. Ein Vormund ist an der Besorgung der Angelegenheiten des Mündels nur dann i. S. d. § 1909 Abs. 1 BGB verhindert, wenn er von der Vertretung des Mündels kraft Gesetzes ausgeschlossen ist (§§ 1795 Abs. 1, Abs. 2 i. V. m. § 181 BGB) oder seine Vertretungsmacht durch eine familiengerichtliche Entscheidung beschränkt wurde (vgl. §§ 1796 Abs. 1, 1801, 1837 Abs. 4 i. V. m. §§ 1666, 1666 a BGB). Nach § 1837 Abs. 4 i. V. m. §§ 1666, 1666 a BGB sind auch diejenigen Fälle zu beurteilen, in denen sich der Vormund aus tatsächlichen Gründen als ungeeignet für die Besorgung bestimmter Angelegenheiten erweist. Ohne eine entsprechende Sorgerechtsbeschränkung durch eine gerichtliche Entscheidung ist für die Anordnung einer Pflegschaft wegen persönlicher Unzulänglichkeiten des Vormunds grundsätzlich kein Raum. Wäre dies nämlich anders, müsste das Familiengericht in vielen Fällen den sorgeberechtigten Eltern wegen fehlender Sachkunde oder Geschäftsgewandtheit das Sorgerecht teilweise entziehen und Pflegschaft anordnen, ohne dass die Voraussetzungen der §§ 1666, 1666 a BGB vorliegen (BGH FamRZ 2013, 1206 - 1208).

Verfügt ein generell geeigneter Vormund - wie das Jugendamt - seiner Meinung nach nicht über die erforderliche Sachkunde im Einzelfall, hat er dies in eigener Verantwortung durch Inanspruchnahme fachspezifischer Hilfen auszugleichen. Fehlt es im Einzelfall an den erforderlichen Rechtskenntnissen, woran aufgrund der bei den kreisfreien Städten bzw. den Landratsämtern vorhandenen Rechtsabteilung erhebliche Zweifel bestehen, besteht die Möglichkeit der Beratungshilfe bzw. für den Fall eines Rechtsstreits die Möglichkeit der Prozesskostenhilfe.

Diese können von dem Mündel, vertreten durch den Vormund, kostenlos in Anspruch genommen werden, so dass es nicht darum geht, dass die Kommunen bzw. Landratsämter entsprechenden Sachverstand auf ihre Kosten einkaufen müssen.

Eine rechtliche Verhinderung des Amtsvormundes lässt sich auch nicht damit begründen, dass das Jugendamt und das Ausländeramt der gleichen Behördenleitung unterstehen und deshalb ein Interessengegensatz zu befürchten ist (§ 1796 Abs. 2 BGB). Das Jugendamt führt die Vormundschaft nämlich in eigener Verantwortung, so dass bei ordnungsgemäßer Führung kein beachtlicher Interessenkonflikt entstehen kann (BGH FamRZ 2013, 1206-1208).

Nachdem die Voraussetzungen der §§ 1837 Abs. 4 i. V. m. §§ 1666, 1666 a BGB seitens des Jugendamtes selbstverständlich nicht vorliegen, lässt sich eine Verhinderung des Amtsvormunds nicht feststellen. Die Bestellung eines Ergänzungspflegers ist nicht nur nicht möglich, sondern nach der Rechtsprechung des BGH, der der Senat folgt, nicht zulässig (BGH FamRZ 2013, 1206-1208).

Zu thematisieren ist deshalb nur noch die mit der Beschwerde in erster Linie aufgeworfene Frage, ob ein Rechtsanwalt als Mitvormund zu bestellen ist. Auch das ist jedoch abzulehnen.

Nach § 1775 Satz 2 BGB ist die Bestellung eines Vormundes der Regelfall. Die Bestellung eines Mitvormundes kommt nur dann in Betracht, wenn besondere Gründe hierfür vorliegen. Dies ist jedoch nicht der Fall. Ein Jugendamt ist generell zur Führung der Vormundschaft geeignet (§ 1791 b Abs. 1 BGB). Nach dem schriftsätzlichen Vorbringen des Jugendamtes ist innerhalb der Behörde eine Sozialpädagogin mit der Betreuung des Jugendlichen betraut. Damit ist die erforderliche Sachkompetenz gewährleistet.

Soweit mit der Beschwerde die fehlenden Rechtskenntnisse im Bereich des Ausländer- und Asylrechtsverfahren gerügt werden, führt dies zu keinem anderen Ergebnis.

Soweit es wegen dem ausländerrechtlichen Status des Mündels zu einem gerichtlichen Verfahren kommen sollte, steht ihm die kostenlose Inanspruchnahme eines Rechtsanwalts nach den einschlägigen Regelungen der Prozesskostenhilfe zur Verfügung. Der Bestellung eines Mitvormundes bedarf es deshalb insoweit nicht. Infrage stehen kann deshalb nur die Notwendigkeit einer anwaltlichen Beratung vor oder während eines Verwaltungsverfahrens. Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass die Möglichkeit der Beratungshilfe offensteht und insoweit grundsätzlich eine Verpflichtung der Rechtsanwälte zur Übernahme besteht (§ 49 a BRAO). Nur aus wichtigem Grund kann die Übernahme der Beratung und auch der Vertretung (ggfs. im Anhörungsverfahren) abgelehnt werden. Bei gesetzmäßiger Umsetzung dieser Verpflichtung ist damit die entsprechende Beratung des Minderjährigen gewährleistet. Anhaltspunkte dafür, dass dies in der Praxis nicht funktioniert, hat der Senat nicht. Auf einen in Asylverfahren spezialisierten Rechtsanwalt besteht kein Rechtsanspruch.

Auch aus internationalem Recht ergibt sich keine Verpflichtung einem unbegleiteten minderjährigen Flüchtling neben dem Vormund noch einen Rechtsanwalt als Mitvormund zu bestellen. Dies ist vom BGH in dem Beschluss vom 29.05.2013 (FamRZ 2013, 1206-1208) hinsichtlich der UN-Kinderrechtskonvention und der Genfer Flüchtlingskonvention und in dem Beschluss vom 04.12.2013 (FamRZ 2014, 472-473), bestätigt durch Beschluss vom 16.01.2014 (FamRZ 2014, 640) hinsichtlich der EU-Verordnung Nr. 604/2013 (Dublin-III Verordnung) sowie der Richtlinien 2013/32 EU und 2013/33 EU bestätigt worden. Die Dublin-III Verordnung ist seit 01.01.2014 anzuwenden, die Umsetzungsfrist für die Richtlinien 2013/32 EU und 2013/33 EU seit 20.07.2015 abgelaufen. Damit sind die deutschen Gerichte nach der Rechtsprechung des EUGH (Beschluss vom 04.07.2006, C-212/04) im Falle des Fehlens einschlägiger Bestimmungen verpflichtet das nationale Recht ab dem Ablauf der Umsetzungsfrist so weit wie möglich im Lichte des Wortlauts und des Zweckes der betreffenden Richtlinie auszulegen, um das mit ihr verfolgte Ergebnis zu erreichen.

Die Verpflichtung zur Bestellung eines Rechtsanwalts zum Mitvormund ist jedoch weder aus Art. 6 Abs. 2 der Dublin-III Verordnung, noch aus Art. 25 der Richtlinie 2013/32 EU oder Art. 24 der Richtlinie 2013/33 EU zu entnehmen.

Daraus ergibt sich nur die Verpflichtung, für den minderjährigen unbegleiteten Flüchtling einen Vertreter zu bestellen, der nach Art. 6 Abs. 2 der Dublin-III Verordnung über „Qualifikationen und Fachkenntnisse verfügen muss, um zu gewährleisten, dass das Wohl des Minderjährigen während der nach der Verordnung durchgeführten Verfahren Rechnung getragen wird“, nach Art. 25 der Richtlinie 2013/32 EU „über die erforderlichen Fachkenntnisse“ verfügen muss und nach Art. 24 der Richtlinie 2013/33 EU „in der Lage sein muss, die Aufgaben in Einklang mit dem Grundsatz des Kindeswohls gem. Art. 23 Abs. 2 der Richtlinie wahrzunehmen und entsprechend versiert sein muss“.

Schon aus dem Wortlaut der erwähnten Vorschriften ergibt sich, dass nur eine Person bestellt werden muss und nicht mehrere. Dies entspricht dem Regelfall des deutschen Vormundschaftsrechts in § 1775 BGB.

Aus dieser Ausgangslage ergibt sich weiter, dass das Fehlen von Spezialkenntnissen bei einem Vormund und auch bei dem Vertreter, den die erwähnten EU-Regelungen vorschreiben, kein Grund sein kann, dem Minderjährigen einen zusätzlichen Vertreter als gesetzlichen Vertreter zu bestellen.

Vor diesem Hintergrund ist es sowohl Aufgabe der Eltern als gesetzliche Vertreter ihrer Kinder, wie auch eines Einzelvormundes und damit auch des Amtsvormundes, sich im Einzelfall die erforderlichen Kenntnisse entweder selbst zu verschaffen oder im Falle des Fehlens entsprechender finanzieller Mittel die vom Staat zur Verfügung gestellten Sozialleistungsformen (Beratungshilfe-Prozesskostenhilfe) in Anspruch zu nehmen. Weitergehende Rechte hat auch ein minderjähriger unbegleiteter Flüchtling nicht. Durch die Prozesskostenhilfe wird gewährleistet, dass er in einem gerichtlichen Verfahren durch einen Rechtsanwalt vertreten wird. Durch die Beratungshilfe ist sichergestellt, dass er Rechtsrat erhält und ggfs. auch in einem Anhörungstermin durch einen Rechtsanwalt vertreten wird (§ 2 Abs. 1 Satz 1 Beratungshilfegesetz).

Ausreichende Anhaltspunkte dafür, dass die Rechtsanwälte ihre gesetzliche Verpflichtung zur Übernahme der Beratungshilfe (§ 49 a BRAO) nicht erfüllen, hat der Senat nicht. Dass die mit dem Beschwerdevorbringen aufgestellte gegenteilige Behauptung nicht den Tatsachen entspricht, ergibt sich im Übrigen auch aus den bereits erwähnten Entscheidungen des BGH, in denen Rechtsanwälte letztlich im Ergebnis nach den Entschädigungsregelungen des Beratungshilfegesetzes minderjährige Flüchtlinge im Rahmen des Asylverfahrens beraten und beim Anhörungstermin begleitet haben.

Schwierigkeiten im Einzelfall einen geeigneten Rechtsanwalt zu finden, rechtfertigen es nicht, generell immer einen Rechtsanwalt als Mitvormund zu bestellen. Die bereits thematisierten europarechtlichen Normen verlangen keinen bestimmten Qualitätsstandard des zugelassenen Rechtsberaters. Damit ist grundsätzlich jeder Rechtsanwalt als ausreichend qualifiziert zur Rechtsberatung anzusehen.

Auch die Verpflichtung der Mitgliedsstaaten aus Art. 25 Abs. 1 b der Richtlinie 2013/32, dafür zu sorgen, dass die Minderjährigen im Anhörungstermin von einem Rechtsanwalt oder zugelassenen Rechtsberater begleitet werden, führt zu keinem anderen Ergebnis. Auch dies ist dem Grunde nach durch die Regelungen der Beratungshilfe gewährleistet, wie sich exemplarisch aus den Sachverhalten der bereits zitierten BGH-Entscheidungen ergibt.

Dies gilt unabhängig davon, dass sich im vorliegenden Verfahren die Frage einer anwaltlichen Beratung bzw. Vertretung im Asylverfahren überhaupt nicht stellt, nachdem bisher kein Asylantrag gestellt wurde und nach dem Vorbringen des Betroffenen im Termin vom 13. August 2015 auch kein Asylgrund ersichtlich ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 20 Abs. 1 FamGKG, 84 FamFG. Die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens sind niederzuschlagen, weil das Familiengericht die gesetzlich vorgesehene Anhörung des Mündels unterlassen hat. Der Beschwerdeführer hat seine eigenen Kosten selbst zu tragen, weil das Rechtsmittel ohne Erfolg geblieben ist.

Nach § 70 Abs. 2 FamFG ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen. Der BGH hat sich zwar in den bereits zitierten Entscheidungen explizit zu der hier einschlägigen Rechtsfrage geäußert. Die Ausführungen haben jedoch nicht den jeweiligen Kern des Verfahrens betroffen und waren jeweils ein obiter dictum. Die Umsetzungsfrist für die Richtlinien 2013/32 EU und 2013/33 EU war im Zeitpunkt der Entscheidungen des BGH noch nicht abgelaufen. Außerdem hatte der BGH bisher keine Gelegenheit, sich mit der Frage auseinanderzusetzen, ob die Sache wegen der Auslegung der bereits thematisierten EU Rechtsnormen dem Europäischen Gerichtshof vorzulegen ist.

Gründe

I.

Der am xx.xx.1998 geborene A. wurde am 16.07.2014 ohne Begleitung seiner Eltern in X. aufgegriffen. Der Jugendlichen wurde in Obhut genommen, das Kreisjugendamt X. hat die Errichtung einer Vormundschaft beantragt.

Das Amtsgericht hat den Jugendlichen persönlich angehört und mit Beschluss vom 04.09.2014 das Ruhen der elterlichen Sorge festgestellt, Vormundschaft angeordnet und als Vormund das Kreisjugendamt X. bestellt. Auf die Gründe des Beschlusses (Bl. 20/21 d.A.) wird Bezug genommen.

Gegen diesen ihm am 16.09.204 zugestellten Beschluss hat das Kreisjugendamt X. mit Schriftsatz vom 10.10.2014, eingegangen per Telefax am selben Tag beim Amtsgericht Hof, Beschwerde eingelegt und beantragt, einen Mitvormund zur Regelung der asyl- und ausländerrechtlichen Angelegenheiten zu bestellen und den Beschluss entsprechend abzuändern. Mit Schriftsatz vom 14.10.2014, eingegangen per Telefax am selben Tag beim Amtsgericht Hof, hat das Kreisjugendamt sodann seine Beschwerde begründet. Ohne die Bestellung eines Mitvormunds zur Regelung der asyl- und ausländerrechtlichen Angelegenheiten würden die Interessen des Jugendlichen in diesem für ihn substantiell wichtigen Lebensbereich nicht gewahrt. Beim Kreisjugendamt X. gebe es aktuell keine gemäß § 55 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII beauftragte Person, die über ausreichende asyl- und ausländerrechtlichen Kenntnisse verfüge, um die anstehenden ausländerrechtlichen Fragen fachgerecht zu beantworten und die dem Wohl des Jugendlichen dienenden richtigen Anträge zu stellen. Würde es bei der alleinigen Vormundschaft des Kreisjugendamtes X. bleiben, würden demnach Entscheidungen von einem nicht ausreichend fachkundigen Vormund getroffen. Im Hinblick auf die Tragweite der Entscheidungen für den Jugendlichen sei es nicht hinnehmbar, dass der Vormund mangels ausreichender Fachkenntnisse Entscheidungen treffen müssen. Es lägen auch besondere Gründe für die Bestellung eines Mitvormundes vor. Zudem vorstoße der angefochtene Beschluss auch gegen europarechtlichen Vorgaben, insbesondere die Richtlinie 2013/32/EU des europäischen Parlaments und des Rates vom 26.06.2013 zu gemeinsamen Verfahren über die Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzes, dem unbegleiteten Minderjährigen einen mit erforderlichen Fachkenntnissen ausgestatteten Vertreter zur Seite zu stellen. Auf die Beschwerdebegründung wird Bezug genommen.

Die Beschwerde des Kreisjugendamtes X. als Amtsvormund für den betroffenen Jugendlichen ist gemäß §§ 58 ff. FamFG zulässig und begründet.

Die Beschwerdeberechtigung des Jugendamtes als anzuhörende Fachbehörde folgt aus § 162 Abs. 3 Satz 2 FamFG. Soweit es dem Amtsvormund darum geht, nicht alleine die Verantwortung für den unbegleitet eingereisten Minderjährigen übernehmen zu müssen, ist insoweit auch seine Rechtsstellung tangiert, so dass er beschwerdebefugt ist (vgl. OLG Frankfurt, JAmt 2014. S. 166 ff).

Die Beschwerde ist auch begründet. Dem betroffenen Jugendlichen ist ein Mitvormund in Person eines Rechtsanwalts für die Betreuung des Jugendlichen in asyl- und ausländerrechtlichen Angelegenheiten zu bestellen. Gemäß § 1909 BGB erhält der unter Vormundschaft stehende Minderjährige einen Pfleger für solche Angelegenheiten, an deren Besorgung der Vormund verhindert ist. Die Verhinderung kann aus tatsächlichen oder aus rechtlichen Gründen bestehen. Eine Verhinderung aus Rechtsgründen kommt insbesondere bei Vorliegen der Voraussetzungen der §§ 1795, 1796 BGB in Betracht. Beide Vorschriften sind vorliegend nicht einschlägig (vgl. BGH FamRZ 2013, 1206 f.).

Dem betroffenen Jugendlichen ist jedoch ein Mitvormund in Person eines Rechtsanwaltes für die Betreuung in asyl- und ausländerrechtlichen Angelegenheiten zu bestellen (vgl. OLG Frankfurt, Jugendamt 2014, S. 166 ff.). Gemäß § 1775 BGB können ausnahmsweise mehrere Vormünder für ein Mündel bestellt werden, sofern besondere Gründe hierfür vorliegen. Dabei ist vorliegend vom Grundsatz der Einzelvormundschaft abzuweichen, weil besondere Gründe dafür vorliegen, neben dem Jugendamt als Amtsvormund noch einen weiteren Vormund mit dem Wirkungskreis asyl- und ausländerrechtliche Angelegenheiten zu bestellen. Die Entscheidung, ob besondere Gründe im Sinne der genannten Vorschrift vorliegen, hat das Familiengericht nach pflichtgemäßem Ermessen zu treffen (vgl. Palandt/Götz, BGB, 74. Auflage, § 1775 Rnr. 1). Das Amtsgericht hat die Bestellung eines Mitvormundes nicht geprüft. Vorliegend sind jedoch die Voraussetzungen der §§ 1775, 1779 BGB von Amtswegen zu prüfen. Die Bestellung des Jugendamts als Amtsvormund ist nicht zu beanstanden. Allerdings hat das Jugendamt als Amtsvormund in der Beschwerdeinstanz dargelegt, dass es über keine ausreichende asyl- und ausländerrechtlichen Kenntnisse verfügt, um die für den Mündel anstehenden ausländerrechtlichen Fragen zu beantworten und die notwendigen Anträge zu stellen. Insoweit ist dem Jugendlichen ein Mitvormund mit entsprechenden Kenntnissen zu bestellen. In Übereinstimmung mit der Selbsteinschätzung der Jugendämter kann jedenfalls gegenwärtig nicht davon ausgegangen werden, dass die dort als Amtsvormünder zur Verfügung stehenden Mitarbeiter über ausreichende Spezialkenntnisse des Asyl- und Ausländerrechts verfügen. Der Amtsvormund hat nachvollziehbar dargelegt, dass er ausreichende Spezialkenntnisse nicht besitzt. Insbesondere nach den europarechtlichen Vorschriften kann dieser Eignungsmangel, der zwar nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs keine tatsächliche Verhinderung i.S.v. § 1909 BGB darstellt, bei dieser Rechtsmaterie nicht einfach dadurch ausgeräumt werden, dass sich das Jugendamt externen fachlichen Rat beschafft. Die Verordnung Nr. 604/2013/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.06.2013 (sog. Dublin-III-Verordnung) nach deren Regelung der Mitgliedstaat bestimmt wird, der für die Durchführung eines Asylverfahrens zuständig ist, ist ab dem 01.01.2014 in der Bundesrepublik Deutschland bereits als unmittelbar geltendes Recht anzuwenden. Diese Richtlinie verpflichtet die Mitgliedsstaaten dazu, dem unbegleiteten Minderjährigen zur Wahrnehmung der Rechte aus dieser Richtlinie eine Person zur Seite zu stellen, der über die erforderlichen Fachkenntnisse verfügt, Art. 25 Abs. 1 a der Richtlinie. Zwar haben die Mitgliedstaaten nach Art. 51 Abs. 1 der Richtlinie noch bis zum 20.07.2015 Zeit, um die zur Umsetzung der Richtlinie erforderlichen gesetzlichen Neuregelung zu schaffen. Für die Auslegung des Begriffes der Geeignetheit der Vormunds i.S.d. § 1779 Abs. 2 BGB kann die Richtlinie aber bereits jetzt herangezogen werden (vgl. hierzu OLG Frankfurt, FamRZ 2014, 1128 und 1129).

Da im Hinblick auf diese europarechtlichen Grundsätze das Jugendamt als allein bestellter Amtsvormund eine unmittelbare ausreichende Vertretung des Jugendlichen in seinen asyl- und ausländerrechtlichen Angelegenheiten mangels entsprechender Fachkenntnis nicht führen kann, muss ihm ein Mitvormund zur Seite gestellt werden. Entsprechend hat der Senat in Anwendung von § 1797 Abs. 2 BGB die von den beiden Mitvormündern selbständig zu führenden Wirkungskreise unter ihnen aufgeteilt. Die Bestellung der Person des Mitvormundes bleibt dem Familiengericht Hof vorbehalten.

Von einer erneuten persönlichen Anhörung des betroffenen Jugendlichen hat der Senat gemäß § 68 Abs. 3 Satz 2 FamFG abgesehen, da hiervon keine weiteren Erkenntnisse zu erwarten waren.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 81 FamFG.

Die Festsetzung des Verfahrenswertes für das Beschwerdeverfahren beruht auf §§ 40, 42 Abs. 2 FamGKG, wobei sich der Senat bei der Bestimmung nach der Bedeutung der Sache an § 45 Abs. 1 FamGKG orientiert.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde liegen nicht vor.

(1) Das Gericht kann die Kosten des Verfahrens nach billigem Ermessen den Beteiligten ganz oder zum Teil auferlegen. Es kann auch anordnen, dass von der Erhebung der Kosten abzusehen ist. In Familiensachen ist stets über die Kosten zu entscheiden.

(2) Das Gericht soll die Kosten des Verfahrens ganz oder teilweise einem Beteiligten auferlegen, wenn

1.
der Beteiligte durch grobes Verschulden Anlass für das Verfahren gegeben hat;
2.
der Antrag des Beteiligten von vornherein keine Aussicht auf Erfolg hatte und der Beteiligte dies erkennen musste;
3.
der Beteiligte zu einer wesentlichen Tatsache schuldhaft unwahre Angaben gemacht hat;
4.
der Beteiligte durch schuldhaftes Verletzen seiner Mitwirkungspflichten das Verfahren erheblich verzögert hat;
5.
der Beteiligte einer richterlichen Anordnung zur Teilnahme an einem kostenfreien Informationsgespräch über Mediation oder über eine sonstige Möglichkeit der außergerichtlichen Konfliktbeilegung nach § 156 Absatz 1 Satz 3 oder einer richterlichen Anordnung zur Teilnahme an einer Beratung nach § 156 Absatz 1 Satz 4 nicht nachgekommen ist, sofern der Beteiligte dies nicht genügend entschuldigt hat.

(3) Einem minderjährigen Beteiligten können Kosten in Kindschaftssachen, die seine Person betreffen, nicht auferlegt werden.

(4) Einem Dritten können Kosten des Verfahrens nur auferlegt werden, soweit die Tätigkeit des Gerichts durch ihn veranlasst wurde und ihn ein grobes Verschulden trifft.

(5) Bundesrechtliche Vorschriften, die die Kostenpflicht abweichend regeln, bleiben unberührt.

(1) Im Rechtsmittelverfahren bestimmt sich der Verfahrenswert nach den Anträgen des Rechtsmittelführers. Endet das Verfahren, ohne dass solche Anträge eingereicht werden, oder werden, wenn eine Frist für die Rechtsmittelbegründung vorgeschrieben ist, innerhalb dieser Frist Rechtsmittelanträge nicht eingereicht, ist die Beschwer maßgebend.

(2) Der Wert ist durch den Wert des Verfahrensgegenstands des ersten Rechtszugs begrenzt. Dies gilt nicht, soweit der Gegenstand erweitert wird.

(3) Im Verfahren über den Antrag auf Zulassung der Sprungrechtsbeschwerde ist Verfahrenswert der für das Rechtsmittelverfahren maßgebende Wert.

(1) Soweit in einer vermögensrechtlichen Angelegenheit der Verfahrenswert sich aus den Vorschriften dieses Gesetzes nicht ergibt und auch sonst nicht feststeht, ist er nach billigem Ermessen zu bestimmen.

(2) Soweit in einer nichtvermögensrechtlichen Angelegenheit der Verfahrenswert sich aus den Vorschriften dieses Gesetzes nicht ergibt, ist er unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere des Umfangs und der Bedeutung der Sache und der Vermögens- und Einkommensverhältnisse der Beteiligten, nach billigem Ermessen zu bestimmen, jedoch nicht über 500 000 Euro.

(3) Bestehen in den Fällen der Absätze 1 und 2 keine genügenden Anhaltspunkte, ist von einem Wert von 5 000 Euro auszugehen.