Oberlandesgericht Nürnberg Beschluss, 07. Dez. 2015 - 9 UF 1276/15
Gründe
Oberlandesgericht Nürnberg
Az.: 9 UF 1276/15
Beschluss
7.12.2015
4 F 1222/15 AG Ansbach
rechtskräftig
S., JHSekr. Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
In der Familiensache
Q. M., geboren am ..., Jugendhilfeeinrichtung …
- Mündel -
Vormund: Landratsamt ..., - Amt für Jugend und Familie -, …
Vormund: Stadtjugendamt, …
Weitere Beteiligte:
Mutter: Q. F., Vater: Q. N.
Beschwerdeführer: S. W., geboren am …1953, …
wegen Vormundschaft
ergeht durch das Oberlandesgericht Nürnberg - 9. Zivilsenat und Senat für Familiensachen - durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Gehr, die Richterin am Oberlandesgericht Schwarz-Spliesgart und den Richter am Oberlandesgericht Schwaiger am 07.12.2015 folgender
Beschluss
I.
Auf die Beschwerde des Rechtsanwaltes W. S. wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Ansbach
II.
Der Antrag des Landratsamts ... - Amt für Jugend und Familie vom 15.09.2015 i. V. m. dem Antrag vom 4.11.2015, für den Betroffenen M. Q., geboren am ..., Rechtsanwalt R. F., … als Ergänzungspfleger für aufenthalts- und asylrechtliche Angelegenheiten einzusetzen, wird zurückgewiesen.
III.
Von einer Erhebung der Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren wird abgesehen. Die außergerichtlichen Kosten des Verfahrens werden nicht erstattet.
IV.
Der Verfahrenswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 3000,00 € festgesetzt.
Gründe:
Urteilsbesprechung zu Oberlandesgericht Nürnberg Beschluss, 07. Dez. 2015 - 9 UF 1276/15
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Oberlandesgericht Nürnberg Beschluss, 07. Dez. 2015 - 9 UF 1276/15 zitiert oder wird zitiert von 7 Urteil(en).
Tenor
1. Für den Betroffene ... wird Herr Rechtsanwalt ..., als Mitvormund mit dem Wirkungskreis „Regelung der asyl- und ausländerrechtlichen Angelegenheiten“ bestellt. Der Mitvormund übt die Mitvormundschaft berufsmäßig aus.
2. Von einer Erhebung der Gerichtskosten wird abgesehen. Die außergerichtlichen Kosten des Verfahrens werden nicht erstattet.
3. Der Verfahrenswert wird auf 3.000,00 € festgesetzt.
Gründe
I.
Die Entscheidung ergeht antragsgemäß.
Dem Betroffenen war Herr Rechtsanwalt ... als Mitvormund zur Regelung der asyl- und ausländerrechtlichen Angelegenheiten zu bestellen, da besondere Gründe für eine Bestellung vorliegen. Diese liegen darin, dass das Jugendamt als Amtsvormund hinreichend dargetan hat, dass es über keine ausreichenden Kenntnisse im Asyl- und Ausländerrecht verfügt, um die für den Mündel anstehenden ausländerrechtlichen Fragen zu beantworten und die notwendigen Anträge zu stellen.
II.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 81 Abs. 1 Satz 1 und 2 FamFG.
III.
Die Entscheidung über die Festsetzung des Verfahrenswertes beruht auf § 45 FamGKG.
(1) Die Beschwerde steht demjenigen zu, der durch den Beschluss in seinen Rechten beeinträchtigt ist.
(2) Wenn ein Beschluss nur auf Antrag erlassen werden kann und der Antrag zurückgewiesen worden ist, steht die Beschwerde nur dem Antragsteller zu.
(3) Die Beschwerdeberechtigung von Behörden bestimmt sich nach den besonderen Vorschriften dieses oder eines anderen Gesetzes.
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Das Verfahren der Rechtsbeschwerde ist gerichtsgebührenfrei.
Gründe:
I.
- 1
- Das Verfahren betrifft die Bestellung eines Ergänzungspflegers für einen unbegleiteten minderjährigen Flüchtling.
- 2
- Der am 4. März 1996 geborene Mündel ist afghanischer Staatsangehöriger. Er reiste vermutlich Ende 2010 mit Hilfe von Schleppern in das Bundesgebiet ein. Zu seinen in Afghanistan verbliebenen Eltern besteht kein Kontakt. Mit Beschluss vom 22. Dezember 2010 wurde das Ruhen der elterlichen Sorge festgestellt; gleichzeitig wurde für den Betroffenen eine Vormundschaft eingerichtet und das Jugendamt der Stadt H. zum Amtsvormund bestimmt.
- 3
- Der Amtsvormund hat am 2. März 2011 bei dem Familiengericht beantragt , Rechtsanwalt J. zum Mitvormund für den Bereich der ausländerrechtli- chen Angelegenheiten einschließlich der Vertretung im Asylverfahren zu bestellen. Zur Begründung wies der Amtsvormund darauf hin, dass die mit der Führung der Vormundschaft befassten Mitarbeiter auf diesem Gebiete weder über Sachkunde noch über Erfahrung verfügten und der seinerzeit erst 14-jährige Mündel selbst keinen Asylantrag stellen könne. Auf Nachfrage des Gerichts teilte der Amtsvormund mit, dass er Rechtsanwalt J. für diese ausländerrechtlichen Angelegenheiten zwar schon eine entsprechende Vollmacht erteilt habe, dieser seine Vertretungsbereitschaft aber "im Prinzip" von seiner Bestellung zum Mitvormund abhängig gemacht habe.
- 4
- Das Amtsgericht hat den Antrag des Amtsvormunds als Antrag auf Einrichtung einer Ergänzungspflegschaft ausgelegt und diesen nach Anhörung der Beteiligten abgelehnt. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass der Vormund jedenfalls nicht aufgrund fehlender Sachkunde oder Erfahrung als an der sachgemäßen Erledigung asyl- oder ausländerrechtlicher Angelegenheiten verhindert sei. Die diesbezüglichen behördlichen Verfahren seien vom Gesetzgeber als Verfahren ausgestaltet worden, in denen sich die Rechtssuchenden in der Regel auch ohne Rechtskenntnisse selbst vertreten könnten. Diese grundsätzliche Entscheidung des Gesetzgebers könne nicht dadurch umgangen werden, dass den Eltern oder Vormündern die Fähigkeit zur Besorgung der Angelegenheiten in diesen Verfahren schon dann abgesprochen werde, wenn sie nicht über besondere Kenntnisse im Asyl- oder Ausländerrecht verfügten. Es sei auch nicht ersichtlich, dass in den von dem Mündel geführten asyl- oder ausländerrechtlichen Verfahren bislang besondere Schwierigkeiten aufgetreten seien. Zudem gäbe es auch keinen gegenwärtigen Anlass für die Einrichtung einer Ergänzungspflegschaft. Der Mündel habe seinen Asylantrag gestellt und sei vor dem Bundesamt bereits angehört worden. Ein Bescheid läge insoweit noch nicht vor, so dass derzeit keine Entscheidung über weitere asyl- oder ausländerrechtliche Schritte getroffen werden müsste.
- 5
- Die dagegen gerichtete Beschwerde hat das Oberlandesgericht zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich der Mündel mit seiner zugelassenen Rechtsbeschwerde , mit der er das Ziel verfolgt, Rechtsanwalt J. zu seinem Ergänzungspfleger für den Bereich der ausländerrechtlichen Angelegenheiten einschließlich der Vertretung im Asylverfahren bestellen zu lassen.
II.
- 6
- Die Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg.
- 7
- 1. Das Oberlandesgericht hat seine Entscheidung wie folgt begründet:
- 8
- Es könne offen bleiben, ob die rechtliche Umsetzung der von dem Amtsvormund begehrten Unterstützung im Wege der Ergänzungspflegschaft oder im Wege einer Mitvormundschaft zu erfolgen hätte. Besondere Gründe, welche die Einrichtung einer Ergänzungspflegschaft oder Mitvormundschaft ausnahmsweise rechtfertigen könnten, lägen nicht vor. Dies gelte auch in Ansehung des Umstandes , dass der Mündel erst 15 Jahre alt sei. Das Amtsgericht habe mit zutreffender Begründung ausgeführt, dass der Vormund nicht daran gehindert sei, den Betroffenen in asyl- oder ausländerrechtlichen Angelegenheiten zu vertreten. Der pauschale Hinweis des Vormunds auf seine fehlende Sachkunde genüge hierzu nicht. In den ausländerrechtlichen Angelegenheiten des Mündels seien derzeit hauptsächlich tatsächliche Dinge zu klären. Der Mündel stamme aus Afghanistan und daher aus einem typischen Asylbewerberland. Bei dem Vormund handele es sich um einen gerichtsbekannt erfahrenen Vormund aus der zuständigen Fachbehörde.
- 9
- Die Handlungsfähigkeit im Rechtsverkehr und damit auch im Asylverfahren sei gerade Sinn und Zweck der Einrichtung einer Vormundschaft und werde durch diese im Regelfall gewährleistet. Wenn der Amtsvormund meine, nicht über ausreichende Rechtskenntnisse zu verfügen, sei er zunächst verpflichtet, sich selbst rechtskundig zu machen, etwa durch Kontaktaufnahme mit der Rechtsabteilung seiner Behörde. Weiter stehe es ihm, wie jedem anderen gesetzlichen Vertreter eines Minderjährigen, ohne weiteres frei, die Öffentliche Rechtsauskunft um Auskunft nachzusuchen oder im gerichtlichen Verfahren Verfahrens- oder Prozesskostenhilfe zu beantragen. Erst wenn dies nicht ausreiche , komme die Einrichtung einer Ergänzungspflegschaft oder Mitvormundschaft in Betracht.
- 10
- Eine Notwendigkeit zur Bestellung eines Ergänzungspflegers oder Mitvormundes folge auch nicht aus Art. 22 des Übereinkommens vom 20. November 1989 über die Rechte des Kindes (BGBl. 1992 II, S. 121; UNKinderrechtskonvention , im Folgenden: UN-KRK). Zwar stehe dieses Übereinkommen seit der am 15. Juli 2010 erfolgten Rücknahme des Vorbehalts durch die Bundesregierung im Range eines Bundesgesetzes. Art. 22 Abs. 1 UN-KRK begründe aber keine unmittelbaren Rechte der Betroffenen. Selbst wenn aber aus dieser Vorschrift individuelle Rechte abgeleitet werden könnten, würde dies bei dem vorliegenden Sachverhalt keine Bestellung eines Ergänzungspflegers oder Mitvormunds gebieten, weil ein "angemessener Schutz" des Minderjährigen schon durch die Bestellung eines Vormundes gewährleistet sei, der für seinen Mündel die erforderlichen asyl- oder ausländerrechtlichen Schritte ergreifen könne.
- 11
- 2. Gegen diese Ausführungen wendet sich die Rechtsbeschwerde ohne Erfolg.
- 12
- Die Besorgung der ausländer- und asylrechtlichen Angelegenheiten des Mündels gehört als Teil der Personensorge zum Aufgabengebiet des bestellten Vormunds. Wer unter Vormundschaft steht, erhält nach § 1909 Abs. 1 Satz 1 BGB für Angelegenheiten, an denen der Vormund verhindert ist, einen Pfleger (zur Abgrenzung der Ergänzungspflegschaft von der Mitvormundschaft vgl. BayObLGZ 1976, 214, 216 f.). Die Bestellung eines Ergänzungspflegers nach dieser Vorschrift setzt neben einer tatsächlichen oder rechtlichen Verhinderung des Vormundes ein Bedürfnis für die Anordnung der Pflegschaft voraus, das durch einen gegenwärtigen konkreten Anlass begründet sein muss (BGHZ 65, 93, 95 = NJW 1976, 49). Der Amtsvormund ist im vorliegenden Fall weder aus rechtlichen noch aus tatsächlichen Gründen daran gehindert, den Mündel in ausländer- oder asylrechtlichen Angelegenheiten zu vertreten.
- 13
- a) Eine rechtliche Verhinderung des Vormundes liegt nicht vor. Sie könnte grundsätzlich auch nicht damit begründet werden, dass Jugendamt und Ausländeramt derselben Behördenleitung unterstehen und ein deshalb zu befürchtender Interessengegensatz (§ 1796 Abs. 2 BGB), es rechtfertigen könnte, dem Jugendamt als Vormund nach § 1796 Abs. 1 BGB die Vertretungsmacht zu entziehen (vgl. auch Senatsbeschluss vom 5. März 2008 - XII ZB 2/07 - FamRZ 2008, 1156 Rn. 13 f.). Das Jugendamt führt die Vormundschaft in eigener Verantwortung , so dass bei ihrer ordnungsgemäßen Führung kein beachtlicher Interessenkonflikt in asyl- und ausländerrechtlichen Angelegenheiten des Mündels entstehen kann (OLG Köln FamRZ 1999, 1694; Staudinger/Bienwald BGB [2012] § 1909 Rn. 31; vgl. DIJuF-Stellungnahme DAVorm 2001, 43).
- 14
- b) Indessen entspricht es einer verbreiteten und auf einen Aufsatz von Habicht aus dem Jahre 1898 (Gruchot 42, 413, 434) zurückgehenden Auffassung in Rechtsprechung und Literatur, dass bereits das auf fehlender Geschäftsgewandtheit oder mangelnder Sachkunde beruhende Unvermögen des Vormundes, eine Angelegenheit des Mündels angemessen wahrzunehmen, eine Verhinderung tatsächlicher Art im Sinne von § 1909 Abs. 1 BGB begrün- den kann (BayObLGZ 1976, 214, 217; BayObLG FamRZ 1977, 664, 668 f.; OLG Frankfurt DAVorm 2000, 485, 487; Palandt/Götz BGB 72. Aufl. § 1909 Rn. 7; BeckOK BGB/Bettin [Stand: 1. Februar 2013] § 1909 Rn. 7; Erman/Roth BGB 13. Aufl. § 1909 Rn. 9; grundsätzlich zustimmend auch Soergel /Zimmermann BGB 13. Aufl. §1909 Rn. 4). Daraus wird hergeleitet, dass einem unbegleiteten minderjährigen Flüchtling für die Besorgung seiner asylund ausländerrechtlichen Rechtsangelegenheiten schon wegen fehlender (einschlägiger ) juristischer Sachkunde seines Vormundes beim Bestehen eines Fürsorgebedürfnisses ein entsprechend spezialisierter Rechtsanwalt als Ergänzungspfleger für diesen Aufgabenkreis beigegeben werden könne (vgl. OLG Frankfurt DAVorm 2000, 485, 487; AG Gießen FamRZ 2010, 1027 f.; zustimmend Palandt/Götz BGB 72. Aufl. § 1909 Rn. 7; Peter JAmt 2003, 557, 558; Löhr ZAR 2010, 378, 380 f.).
- 15
- c) Dem vermag der Senat nicht beizutreten.
- 16
- aa) Bereits gegen den rechtlichen Ausgangspunkt, wonach eine Verhinderung im Sinne von § 1909 Abs. 1 BGB schon dann anzunehmen sei, wenn Eltern oder Vormund zwar tatsächlich und rechtlich zum Handeln in der Lage sind, jedoch nach dem Stand ihrer Einsicht, Erfahrung oder Geschäftsgewandtheit für bestimmte Angelegenheiten keine geeigneten Sachwalter ihrer Kinder oder Mündel zu sein scheinen, werden mit Recht grundsätzliche Bedenken geltend gemacht (vgl. LG Berlin FamRZ 1991, 1097 f.; Gernhuber/Coester-Waltjen Familienrecht 6. Aufl. § 75 Rn. 32; MünchKommBGB/Schwab 6. Aufl. § 1909 Rn. 14; Oberloskamp Vormundschaft, Pflegschaft und Beistand für Minderjährige 3. Aufl. § 10 Rn. 17; Rohde in Hoppenz Familiensachen 9. Aufl. § 1909 Rn. 5; jurisPK-BGB/Locher [Bearbeitungsstand: Oktober 2012] § 1909 Rn. 61).
- 17
- Die Ergänzungspflegschaft ist ein an sich klar konturiertes Rechtsinstitut (vgl. Gernhuber/Coester-Waltjen Familienrecht 6. Aufl. § 75 Rn. 32), welches die bei der Vertretung des Minderjährigen entstehenden Lücken bei der Besorgung solcher Angelegenheiten schließt, in denen Eltern oder Vormund ihr Vertretungsrecht nicht ausüben können oder dürfen. Diese Fälle ergeben sich aus dem Gesetz. Bei bestehender Vormundschaft kommt die Ergänzungspflegschaft daher grundsätzlich nur dann und nur insoweit in Betracht, als der Vormund von der Vertretung seines Mündels kraft Gesetzes ausgeschlossen(vgl. §§ 1795 Abs. 1, 1795 Abs. 2 i.V.m. 181 BGB) oder durch eine familiengerichtliche Entscheidung (vgl. §§ 1796 Abs. 1, 1801, 1837 Abs. 4 i.V.m. 1666, 1666 a BGB) in seiner Vertretungsmacht beschränkt worden ist. Nach § 1837 Abs. 4 i.V.m. §§ 1666, 1666 a BGB sind auch diejenigen Fälle zu beurteilen, in denen sich der Vormund aus tatsächlichen Gründen als ungeeignet für die Besorgung bestimmter Angelegenheiten des Mündels erweist; ohne eine entsprechende Sorgerechtsbeschränkung durch gerichtliche Entscheidung ist für die Anordnung einer Pflegschaft wegen persönlicher Unzulänglichkeit des Vormunds grundsätzlich kein Raum (MünchKommBGB/Schwab 6. Aufl. § 1909 Rn. 14; vgl. auch Staudinger/Bienwald BGB [2012] § 1909 Rn. 29). Wäre es anders, müsste das Familiengericht bei fehlender Sachkunde oder Geschäftsgewandtheit des Sorgeberechtigten in sehr vielen Fällen nicht nur als berechtigt, sondern sogar als verpflichtet angesehen werden, durch die Anordnung einer Pflegschaft in deren gesetzliche Vertretungsmacht bezüglich bestimmter Angelegenheiten einzugreifen (§ 1794 BGB), ohne dass die Voraussetzungen der §§ 1666, 1666 a BGB vorliegen müssten (zutreffend Oberloskamp Vormundschaft , Pflegschaft und Beistand für Minderjährige 3. Aufl. § 10 Rn. 17).
- 18
- bb) Verfügt der Vormund, dessen generelle Eignung nicht in Frage steht, nicht über die zur sachgerechten Besorgung einzelner Geschäfte des Mündels erforderliche Sachkunde, ist es seine Sache, diesen Mangel an Eignung in ei- gener Verantwortung durch Inanspruchnahme fachspezifischer Hilfen auszugleichen. Bei fehlender juristischer Sachkunde muss sich der Vormund daher um geeignete Rechtsberatung und im gerichtlichen Verfahren um eine anwaltliche Vertretung für seinen Mündel bemühen (vgl. OLG Brandenburg ZKJ 2011, 139, 140; OLG Karlsruhe FamRZ 2012, 1955, 1957; Oberloskamp Vormundschaft , Pflegschaft und Beistand für Minderjährige 3. Aufl. § 10 Rn. 17; Gernhuber /Coester-Waltjen Familienrecht 6. Aufl. § 75 Rn. 32). Etwas anderes lässt sich entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde auch nicht daraus herleiten, dass der Vormund im Falle der Bevollmächtigung eines Rechtsanwaltes zur näheren Instruktion und Überwachung des Rechtsanwaltes verpflichtet bleibt und insoweit auch weiterhin einem Haftungsrisiko ausgesetzt ist. Komplizierte Rechtsangelegenheiten des Mündels können für einen Vormund nicht nur auf dem Gebiet des Asyl- und Ausländerrechts, sondern in vielfältiger Weise auch auf anderen Rechtsgebieten zu besorgen sein. Es entspricht indessen dem Wesen der Vormundschaft, dass der Vormund seinen Mündel erforderlichenfalls auch bei schwierigen Geschäften oder Geschäftskomplexen zu vertreten hat. Dies schließt es im Falle der Bevollmächtigung eines Rechtsanwaltes notwendigerweise ein, dass der Vormund auf der Grundlage der von dem Rechtsanwalt erteilten Beratung und Belehrung für seinen Mündel Entscheidungen zu treffen und den Bevollmächtigten entsprechend zu instruieren hat. Weder dieser Umstand noch das allgemeine Haftungsrisiko, welches der Vormund bei einer schuldhaften (§ 1833 Abs. 1 Satz 1 BGB) Verletzung seiner Pflicht zur treuen und gewissenhaften Führung der Vormundschaft ausgesetzt ist, können es deshalb rechtfertigen, den Vormund aus seiner Verantwortung für den Mündel zu entlassen (vgl. OLG Brandenburg ZKJ 2011, 139, 140).
- 19
- Stehen der Inanspruchnahme rechtlichen Beistands die finanziellen Verhältnisse des Mündels entgegen, ist dieser Mangel durch Beratungshilfe (hier: durch Öffentliche Rechtsberatung) und im gerichtlichen Verfahren durch Pro- zess- bzw. Verfahrenskostenhilfe zu beheben (Oberloskamp Vormundschaft, Pflegschaft und Beistand für Minderjährige 3. Aufl. § 10 Rn. 17). Die Pflegschaft ist demgegenüber kein Instrument, um einem unbemittelten Kind aus öffentlichen Kassen Sozialleistungen zu gewähren, auf die ein mittelloses Kind ohne Einrichtung einer Pflegschaft keinen Anspruch hätte; dies gilt auch für Sozialleistungen im Bereich der Rechtspflege (vgl. Senatsbeschluss vom 20. Dezember 2006 - XII ZB 118/03 - FamRZ 2007, 381, 383 zum Betreuungsrecht
).
- 20
- cc) Auch im Lichte der UN-Kinderrechtskonvention ist keine andere Beurteilung geboten.
- 21
- Dabei kann es auf sich beruhen, ob den Regelungen der UNKinderrechtskonvention das Gebot entnommen werden kann, dass ein mittelloses unbegleitetes Kind - neben der Bestellung eines Vormunds - im Falle seiner Beteiligung an einem Asylverfahren oder an sonstigen Verwaltungs- und Gerichtsverfahren unentgeltlichen Zugang zu einem Rechtsbeistand erhalten soll (vgl. UN-Ausschuss für Kinderrechte, General Comment No 6 [2005], Treatment of unaccompanied and separated children outside their country of origin, CRC/GC/2005/6 Rn. 36 und 69, veröffentlicht auf www.unhcr.org; Schmahl, UN-Kinderrechtskonvention Art. 22 Rn. 11; Krieger RdJB 2012, 206, 210 f.; a.A. wohl OLG Karlsruhe FamRZ 2011, 740, 742). Selbst wenn dies der Fall sein sollte, wird dieser Zugang in der Bundesrepublik Deutschland konventionskonform durch das System der Beratungs- und Prozesskostenhilfe gewährleistet; dieses System garantiert gleichzeitig - im Einklang mit Art. 2 UN-KRK und Art. 16 Abs. 1 und Abs. 2 des Abkommens über die Rechtsstellung von Flüchtlingen vom 28. Juli 1951 (BGBl. 1953 II, S. 560; Genfer Flüchtlingskonvention) - auch die Gleichbehandlung von mittellosen Flüchtlingen und unbemittelten deutschen Staatsangehörigen (OLG Karlsruhe FamRZ 2012, 1955, 1958 und FamRZ 2011, 740, 742; OVG Münster EZAR-NF 95 Nr. 22). Eine darüber hinaus gehende Forderung nach Rechtsgewährung, welche die Bestellung eines Rechtsanwalts zum Ergänzungspfleger für die Besorgung von Rechtsangelegenheiten eines unbegleiteten minderjährigen Flüchtlings gebieten würde, lässt sich jedenfalls aus der UN-Kinderrechtskonvention nicht herleiten (so auch Löhr ZAR 2010, 378, 381).
- 22
- Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus Art. 3 Abs. 1 UN-KRK, wonach bei allen Maßnahmen, die Kinder betreffen, das Wohl des Kindes als vorrangiger Gesichtspunkt zu berücksichtigen ist. Der Gesichtspunkt des Kindeswohls kann keinen absoluten Vorrang beanspruchen (BVerwG Buchholz 402.242 § 56 AufenthG Nr. 5; OVG Lüneburg InfAuslR 2013, 19, 22), auch nicht gegenüber der Entscheidung des Gesetzgebers, die Rechtsgleichheit von bemittelten und unbemittelten Rechtssuchenden - auch Kindern - im Rahmen der Vorschriften über die Sozialhilfe auf dem Gebiet der Rechtspflege herzustellen. Im Übrigen wird den durch Art. 3 Abs. 1 UN-KRK in den Blick genommenen Belangen des Kindeswohls in ausländer- und asylrechtlichen Verfahren bereits bei der Prüfung der Erfolgsaussichten der Rechtsverfolgung Rechnung zu tragen sein (OLG Karlsruhe FamRZ 2011, 740, 742). Dose Weber-Monecke Klinkhammer Nedden-Boeger Botur
AG Hamburg-Altona, Entscheidung vom 10.05.2011 - 284 F 59/11 -
OLG Hamburg, Entscheidung vom 28.08.2011 - 2 UF 121/11 -
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Gründe:
I.
- 1
- Das Verfahren betrifft die Vergütung des Ergänzungspflegers für einen unbegleitet eingereisten minderjährigen Flüchtling.
- 2
- Das Amtsgericht bestellte das Jugendamt zum Vormund des Minderjährigen und den Beteiligten zu 1, einen Rechtsanwalt, zum Ergänzungspfleger mit dem Wirkungskreis "ausländer- und asylrechtliche Betreuung". Der Ergänzungspfleger führte in Anwesenheit eines Dolmetschers ein Gespräch mit dem Minderjährigen und reichte einen Asylantrag für ihn ein. Ferner begleitete er ihn zur Anhörung im Asylverfahren. Er erstattete sodann seinen Bericht gegenüber dem Amtsgericht und beantragte, seine Kosten und Auslagen "gemäß §§ 1835, 1836 BGB" in Höhe von 498,85 € festzusetzen. Hierbei berechnete er bei einem Gegenstandswert von 3.000 € eine 1,8-Gebühr nach §§ 2, 13, 14 RVG sowie Nr. 2300 VV RVG nebst Auslagen.
- 3
- Das Amtsgericht hat auf Basis der Gebührensätze der Beratungshilfe eine Vergütung in Höhe von 170,17 € festgesetzt. Die hiergegen gerichtete Erinnerung hat das Amtsgericht zurückgewiesen und die Beschwerde zugelassen. Das Oberlandesgericht hat die Beschlüsse des Amtsgerichts abgeändert und dem Vergütungsantrag des Ergänzungspflegers in vollem Umfang stattgegeben. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde begehrt die Beteiligte zu 2 (im Folgenden: Staatskasse) die Wiederherstellung des amtsgerichtlichen Beschlusses.
II.
- 4
- Die zulässige, insbesondere aufgrund der Zulassung durch das Beschwerdegericht gemäß § 70 Abs. 1 FamFG statthafte Rechtsbeschwerde hat in der Sache Erfolg.
- 5
- 1. Das Oberlandesgericht hat seine in FamRZ 2013, 1160 veröffentlichte Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:
- 6
- Ein anwaltlicher Ergänzungspfleger, der für einen minderjährigen Pflegling Dienste erbringe, für die ein anderer Pfleger wegen fehlender fachspezifischer Kenntnisse einen Rechtsanwalt hinzuziehen müsse, könne wählen, ob er wegen der von ihm geleisteten Dienste, die zu seinem Beruf gehörten, Aufwendungsersatz nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz oder eine Vergütung seiner Tätigkeit gemäß § 3 VBVG beanspruche. Entscheide er sich für die Geltendmachung von Aufwendungsersatz, könne er nach anwaltlichem Gebührenrecht abrechnen, denn der Betroffene solle keinen Vorteil daraus ziehen, dass der Pfleger aufgrund seiner Qualifikation Dienste erbringen könne, für die ein anderer Pfleger einen Rechtsanwalt gegen Entgelt beauftragen würde.
- 7
- Dabei sei der Ergänzungspfleger nicht auf die Gebührensätze der Beratungshilfe zu verweisen, weil sich sein Einsatz für den unbegleiteten minderjährigen Flüchtling im Asylverfahren nicht auf die "typischen Tätigkeiten der Beratungshilfe" wie die rechtliche Beratung und das Anfertigen der erforderlichen Schriftsätze beschränkt habe, so dass seine Tätigkeit über das hinausgegangen sei, was er als separat beauftragter Anwalt im Rahmen der Beratungshilfe geleistet hätte. Zudem treffe den Ergänzungspfleger gegenüber einem nur aufgrund Beratungshilfe tätigen Anwalt eine höhere Verpflichtung. Der Ergänzungspfleger könne daher ohne Begrenzung durch die Gebührensätze der Beratungshilfe eine Vergütung nach §§ 1915 Abs. 1, 1835 Abs. 3 BGB i.V.m. dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz beanspruchen. Anderenfalls würde er ohne adäquate Vergütung von der staatlichen Gewalt in die Pflicht genommen und es stünde ihm allenfalls bei mehreren gleichzeitigen Pflegschaften ein Ablehnungsrecht zu. Dies hätte zur Folge, dass die für diese Aufgaben qualifiziertesten Anwälte in Fällen dringend nötiger anwaltlicher Hilfe für minderjährige unbegleitete Flüchtlinge vielfach nicht mehr bestellt werden könnten. Andernfalls würde ein berufsmäßig tätiger Ergänzungspfleger, der, ohne Rechtsanwalt zu sein, den Pflegling selbst vertrete, mit einem ihm nicht zu versagenden Vergütungsanspruch nach § 1836 Abs. 1 Satz 2 BGB besser gestellt.
- 8
- 2. Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
- 9
- a) Dem Anspruch des Ergänzungspflegers steht allerdings nicht entgegen, dass - wie der Senat zwischenzeitlich entschieden hat (Senatsbeschluss vom 29. Mai 2013 - XII ZB 530/11 - FamRZ 2013, 1206) - in Fällen wie dem vorliegenden die Bestellung eines Ergänzungspflegers für einen unbegleiteten minderjährigen Flüchtling unzulässig ist. Daran hält der Senat auch mit Blick auf Art. 6 der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist, sowie auf Art. 25 der Richtlinie 2013/32/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zu gemeinsamen Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzes und auf Art. 24 der Richtlinie 2013/33/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung von Normen für die Aufnahme von Personen, die internationalen Schutz beantragen, fest (aA AG Gießen Beschluss vom 21. August 2013 - 249 F 1635/13 VM - juris Rn. 11 ff.; Hocks JAmt 2013, 429). Die darin vorgesehene sachkundige Vertretung des unbegleiteten Minderjährigen wird grundsätzlich durch das Jugendamt als Vormund gewährleistet. Bereits aus dem Wortlaut von Art. 25 Abs. 1 Buchst. b Satz 2 RL 2013/32/EU ergibt sich im Übrigen, dass der dem Minderjährigen zu bestellende Vertreter gerade nicht Rechtsanwalt sein muss; denn gemäß dieser Bestimmung ist sicherzustellen, dass bei der Anhörung "ein Ver- treter und/oder ein Rechtsanwalt…" anwesend ist.
- 10
- Dass die Ergänzungspflegschaft fehlerhaft angeordnet wurde, steht der Wirksamkeit der Bestellung jedoch nicht entgegen, so dass die Gerichte im Vergütungsfestsetzungsverfahren hieran gebunden sind (vgl. OLG Düsseldorf FamRZ 2011, 141, 142 mwN).
- 11
- b) Zutreffend ist das Oberlandesgericht davon ausgegangen, dass der als Ergänzungspfleger bestellte Rechtsanwalt eine Pflegschaftstätigkeit gemäß §§ 1915 Abs. 1, 1835 Abs. 3 BGB nach anwaltlichem Gebührenrecht abrech- nen kann, wenn und soweit sich die zu bewältigende Aufgabe als eine für den Beruf des Rechtsanwalts spezifische Tätigkeit darstellt. Dies ergibt sich aus dem Grundsatz, dass der Pflegling - und bei mittellosen Betroffenen die Staatskasse - keinen Vorteil daraus ziehen soll, dass sein Pfleger zufällig aufgrund einer besonderen beruflichen Qualifikation etwas verrichten kann, wozu ein anderer Pfleger berechtigterweise die entgeltlichen Dienste eines Dritten in Anspruch nehmen würde (vgl. Senatsbeschlüsse vom 17. November 2010 - XII ZB 244/10 - FamRZ 2011, 203 Rn. 13 f. und vom 20. Dezember 2006 - XII ZB 118/03 - FamRZ 2007, 381, 382 f.). Daraus folgt jedoch nicht, dass jedwede Tätigkeit des anwaltlichen Ergänzungspflegers, die er im Rahmen der Pflegschaft erbringt (also auch eine solche, die ein nichtanwaltlicher Ergänzungspfleger ohne Hinzuziehung eines Rechtsanwalts geleistet hätte), einen Aufwendungsersatzanspruch gemäß § 1835 Abs. 3 BGB begründet (vgl. hierzu z.B. KG FamRZ 2012, 63; MünchKommBGB/Wagenitz 6. Aufl. § 1835 Rn. 40 ff.; Staudinger/Bienwald BGB [2004] § 1835 Rn. 30 ff.; Erman/Saar BGB 13. Aufl. § 1835 Rn. 6 f.; Pammler-Klein/Pammler in jurisPK-BGB 6. Aufl. § 1835 Rn. 86 ff.; HUK-BUR/Bauer/Deinert [Stand: Juli 2008] § 1835 BGB Rn. 54 ff.; Knittel Betreuungsrecht [Stand: 1. März 2013] § 1835 BGB Rn. 67 ff.; Damrau /Zimmermann Betreuungsrecht 4. Aufl. § 1835 BGB Rn. 57 ff., 63 ff.; Bienwald in Bienwald/Sonnenfeld/Hoffmann Betreuungsrecht 5. Aufl. § 1835 BGB Rn. 34 ff.; BeckOK/Bettin BGB [Stand: 1. August 2013] § 1835 Rn. 7; Palandt/ Götz BGB 73. Aufl. § 1835 Rn. 13; Jürgens Betreuungsrecht 4. Aufl. § 1835 Rn. 15).
- 12
- c) Ob bzw. inwieweit die vorliegend vom Ergänzungspfleger im Rahmen seiner Amtsführung geleisteten Dienste spezifische anwaltliche Tätigkeiten in diesem Sinne darstellen, hat das Oberlandesgericht nicht geprüft. Es hat vielmehr unter Verweis darauf, dass dem anwaltlichen Ergänzungspfleger ein Wahlrecht zwischen Aufwendungsersatz und Vergütung auf Stundenbasis zustehe , einen Aufwendungsersatzanspruch dem Grunde nach bejaht.
- 13
- Diese Erwägung trägt jedenfalls im zu entscheidenden Fall bereits deswegen nicht, weil es an der für den Vergütungsanspruch gemäß § 1836 Abs. 1 Satz 2 BGB konstitutiven Feststellung fehlt, dass die Ergänzungspflegschaft berufsmäßig geführt wird (vgl. Senatsbeschluss vom 9. November 2005 - XII ZB 49/01 - FamRZ 2006, 111, 114), und mithin eine Abrechnung auf Stundenbasis nicht in Betracht kam.
- 14
- d) Das kann hier jedoch dahinstehen. Denn die Rechtsbeschwerde, die das Bestehen eines Aufwendungsersatzanspruchs dem Grunde nach nicht in Frage stellt, hat schon deshalb Erfolg, weil dem Ergänzungspfleger jedenfalls kein die Beratungshilfesätze übersteigender Anspruch zusteht.
- 15
- aa) Den anwaltlichen Ergänzungspfleger trifft ebenso wie den Anwaltsbetreuer die Pflicht zur kostensparenden Amtsführung. Er muss daher für eine gerichtliche Vertretung eines mittellosen Betroffenen Prozesskostenhilfe beantragen und kann auch bei deren Versagung als Aufwendungsersatz gemäß § 1835 Abs. 3 und 4 BGB gegenüber der Staatskasse jedenfalls keine höheren Gebühren geltend machen als diejenigen, die ein beigeordneter Rechtsanwalt gemäß § 49 RVG erhält. In gleicher Weise ist der anwaltliche Ergänzungspfleger verpflichtet, für die außergerichtliche Beratung und Vertretung seines Pfleglings Beratungshilfe in Anspruch zu nehmen (vgl. zum Ganzen Senatsbeschluss vom 20. Dezember 2006 - XII ZB 118/03 - FamRZ 2007, 381, 383 f.). Übernimmt er diese Beratung und Vertretung selbst, ist er im Rahmen seines Aufwendungsersatzanspruchs auf die Beratungshilfesätze beschränkt. Denn das Pflegschaftsverhältnis rechtfertigt keine Besserstellung des mittellosen Pfleglings gegenüber einem anderen unbemittelten Mandanten.
- 16
- bb) Etwas anderes gilt auch nicht hinsichtlich der Tätigkeit des anwaltlichen Ergänzungspflegers für den Minderjährigen im verwaltungsrechtlichen Asylverfahren. Diese geht - entgegen der Annahme des Beschwerdegerichts - nicht über die Leistungen hinaus, die ein Rechtsanwalt im Rahmen der Beratungshilfe schuldet.
- 17
- Beratungshilfe wird gemäß § 1 Abs. 1 BerHG außerhalb eines gerichtlichen Verfahrens und damit auch im verwaltungsrechtlichen Asylverfahren gewährt (vgl. Büttner/Wrobel-Sachs/Gottschalk/Dürbeck Prozess- und Verfahrenskostenhilfe , Beratungshilfe 6. Aufl. Rn. 621). Nach § 2 Abs. 1 BerHG besteht sie in der Beratung und, soweit erforderlich, in der Vertretung. Beratung ist hierbei die Erteilung eines mündlichen oder schriftlichen Rates oder einer Auskunft. Sie kann auch umfangreiche Besprechungen und abschließende Formulierungshilfe - wie beispielsweise bei einem Vertragsentwurf - zum Gegenstand haben (vgl. Mayer/Kroiß/Pukall RVG 6. Aufl. § 44 Rn. 22; Schoreit/Groß BerH/PKH/VKH 11. Aufl. § 2 BerHG Rn. 5 f.; Hartung/Römermann/Schons RVG 2. Aufl. § 44 Rn. 20 f.; Baumgärtel/Hergenröder/Houben RVG 15. Aufl. § 44 Rn. 2; Büttner/Wrobel-Sachs/Gottschalk/Dürbeck Prozess- und Verfahrenskostenhilfe , Beratungshilfe 6. Aufl. Rn. 967). Eine Vertretung ist erforderlich, wenn der Rechtsuchende nach der Beratung angesichts des Umfangs, der Schwierigkeit oder der Bedeutung der Rechtsangelegenheit für ihn seine Rechte nicht selbst wahrnehmen kann. Sie kann sich auf die Anfertigung von Schriftsätzen, das Führen von Telefonaten und auf mündliches Verhandeln für den Rechtsuchenden , etwa mit dem gegnerischen Anwalt, erstrecken (vgl. Mayer/Kroiß/Pukall RVG 6. Aufl. § 44 Rn. 23; Schoreit/Groß BerH/PKH/VKH 11. Aufl. § 2 BerHG Rn. 8 ff.; Poller/Teubel/Köpf Gesamtes Kostenhilferecht § 2 BerHG Rn. 21; Büttner/Wrobel-Sachs/Gottschalk/Dürbeck Prozess- und Verfahrenskostenhilfe, Beratungshilfe 6. Aufl. Rn. 967). Die Geschäftsgebühr der Nr. 2503 VV RVG deckt dabei alle in Nrn. 2300 ff. VV RVG genannten anwaltlichen Tätigkeiten ab, also sowohl den Geschäftsverkehr als auch die Besprechung mit Gegner oder Dritten (vgl. Rehberg in Göttlich /Mümmler RVG 5. Aufl. "Beratungshilfe" Anm. 7.7).
- 18
- Unter den Begriff der Vertretung fällt damit sowohl die Fertigung des Asylantrags als auch die Vertretung des Minderjährigen bei der Anhörung vor dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge.
- 19
- cc) Dem Beschwerdegericht kann auch nicht darin gefolgt werden, dass diese Sichtweise zu einer gegenüber einem anwaltlichen Berufsbetreuer unterschiedlichen Vergütungsregelung führen würde. Denn für beide wird in § 1908 i Abs. 1 BGB bzw. § 1915 Abs. 1 BGB gleichermaßen auf § 1835 Abs. 3 BGB verwiesen.
- 20
- dd) Keinen Anlass zu einer anderen Beurteilung gibt schließlich die Erwägung des Beschwerdegerichts, ein Ergänzungspfleger würde, soweit er nur die Gebührensätze der Beratungshilfe erhielte, ohne adäquate Vergütung von der staatlichen Gewalt in die Pflicht genommen mit der Folge, dass die qualifiziertesten Anwälte für diese Aufgabe nicht mehr gewonnen werden könnten. Denn ein Rechtsanwalt, der berufsmäßig als Ergänzungspfleger tätig wird und bei dem diese berufsmäßige Amtsführung gemäß § 1836 Abs. 1 Satz 2 BGB festgestellt ist, kann eine Vergütung seiner Tätigkeit nach Stunden gemäß §§ 1915 Abs. 1, 1836 Abs. 1 Satz 2 und 3 BGB i. V. m. § 3 VBVG beanspruchen. Dass diese vom Gesetz vorgesehene pauschalierte Vergütung - zumal in Anbetracht der zusätzlichen Abrechnungsmöglichkeit des § 1835 Abs. 3 BGB bei spezifisch anwaltlichen Tätigkeiten - generell unzureichend wäre, ist nicht ersichtlich.
- 21
- e) Dem Ergänzungspfleger steht daher kein höherer Aufwendungsersatzanspruch als die vom Amtsgericht zuerkannten 170,17 € zu, so dass der Rechtsbeschwerde der Staatskasse in vollem Umfang stattzugeben ist. Dose Klinkhammer Günter Botur Guhling
AG Darmstadt, Entscheidung vom 07.11.2011 - 51 F 1340/10 PF -
OLG Frankfurt am Main, Entscheidung vom 29.01.2013 - 6 UF 344/11 -
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Das Verfahren der Rechtsbeschwerde ist gerichtsgebührenfrei.
Gründe:
I.
- 1
- Das Verfahren betrifft die Bestellung eines Ergänzungspflegers für einen unbegleiteten minderjährigen Flüchtling.
- 2
- Der am 4. März 1996 geborene Mündel ist afghanischer Staatsangehöriger. Er reiste vermutlich Ende 2010 mit Hilfe von Schleppern in das Bundesgebiet ein. Zu seinen in Afghanistan verbliebenen Eltern besteht kein Kontakt. Mit Beschluss vom 22. Dezember 2010 wurde das Ruhen der elterlichen Sorge festgestellt; gleichzeitig wurde für den Betroffenen eine Vormundschaft eingerichtet und das Jugendamt der Stadt H. zum Amtsvormund bestimmt.
- 3
- Der Amtsvormund hat am 2. März 2011 bei dem Familiengericht beantragt , Rechtsanwalt J. zum Mitvormund für den Bereich der ausländerrechtli- chen Angelegenheiten einschließlich der Vertretung im Asylverfahren zu bestellen. Zur Begründung wies der Amtsvormund darauf hin, dass die mit der Führung der Vormundschaft befassten Mitarbeiter auf diesem Gebiete weder über Sachkunde noch über Erfahrung verfügten und der seinerzeit erst 14-jährige Mündel selbst keinen Asylantrag stellen könne. Auf Nachfrage des Gerichts teilte der Amtsvormund mit, dass er Rechtsanwalt J. für diese ausländerrechtlichen Angelegenheiten zwar schon eine entsprechende Vollmacht erteilt habe, dieser seine Vertretungsbereitschaft aber "im Prinzip" von seiner Bestellung zum Mitvormund abhängig gemacht habe.
- 4
- Das Amtsgericht hat den Antrag des Amtsvormunds als Antrag auf Einrichtung einer Ergänzungspflegschaft ausgelegt und diesen nach Anhörung der Beteiligten abgelehnt. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass der Vormund jedenfalls nicht aufgrund fehlender Sachkunde oder Erfahrung als an der sachgemäßen Erledigung asyl- oder ausländerrechtlicher Angelegenheiten verhindert sei. Die diesbezüglichen behördlichen Verfahren seien vom Gesetzgeber als Verfahren ausgestaltet worden, in denen sich die Rechtssuchenden in der Regel auch ohne Rechtskenntnisse selbst vertreten könnten. Diese grundsätzliche Entscheidung des Gesetzgebers könne nicht dadurch umgangen werden, dass den Eltern oder Vormündern die Fähigkeit zur Besorgung der Angelegenheiten in diesen Verfahren schon dann abgesprochen werde, wenn sie nicht über besondere Kenntnisse im Asyl- oder Ausländerrecht verfügten. Es sei auch nicht ersichtlich, dass in den von dem Mündel geführten asyl- oder ausländerrechtlichen Verfahren bislang besondere Schwierigkeiten aufgetreten seien. Zudem gäbe es auch keinen gegenwärtigen Anlass für die Einrichtung einer Ergänzungspflegschaft. Der Mündel habe seinen Asylantrag gestellt und sei vor dem Bundesamt bereits angehört worden. Ein Bescheid läge insoweit noch nicht vor, so dass derzeit keine Entscheidung über weitere asyl- oder ausländerrechtliche Schritte getroffen werden müsste.
- 5
- Die dagegen gerichtete Beschwerde hat das Oberlandesgericht zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich der Mündel mit seiner zugelassenen Rechtsbeschwerde , mit der er das Ziel verfolgt, Rechtsanwalt J. zu seinem Ergänzungspfleger für den Bereich der ausländerrechtlichen Angelegenheiten einschließlich der Vertretung im Asylverfahren bestellen zu lassen.
II.
- 6
- Die Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg.
- 7
- 1. Das Oberlandesgericht hat seine Entscheidung wie folgt begründet:
- 8
- Es könne offen bleiben, ob die rechtliche Umsetzung der von dem Amtsvormund begehrten Unterstützung im Wege der Ergänzungspflegschaft oder im Wege einer Mitvormundschaft zu erfolgen hätte. Besondere Gründe, welche die Einrichtung einer Ergänzungspflegschaft oder Mitvormundschaft ausnahmsweise rechtfertigen könnten, lägen nicht vor. Dies gelte auch in Ansehung des Umstandes , dass der Mündel erst 15 Jahre alt sei. Das Amtsgericht habe mit zutreffender Begründung ausgeführt, dass der Vormund nicht daran gehindert sei, den Betroffenen in asyl- oder ausländerrechtlichen Angelegenheiten zu vertreten. Der pauschale Hinweis des Vormunds auf seine fehlende Sachkunde genüge hierzu nicht. In den ausländerrechtlichen Angelegenheiten des Mündels seien derzeit hauptsächlich tatsächliche Dinge zu klären. Der Mündel stamme aus Afghanistan und daher aus einem typischen Asylbewerberland. Bei dem Vormund handele es sich um einen gerichtsbekannt erfahrenen Vormund aus der zuständigen Fachbehörde.
- 9
- Die Handlungsfähigkeit im Rechtsverkehr und damit auch im Asylverfahren sei gerade Sinn und Zweck der Einrichtung einer Vormundschaft und werde durch diese im Regelfall gewährleistet. Wenn der Amtsvormund meine, nicht über ausreichende Rechtskenntnisse zu verfügen, sei er zunächst verpflichtet, sich selbst rechtskundig zu machen, etwa durch Kontaktaufnahme mit der Rechtsabteilung seiner Behörde. Weiter stehe es ihm, wie jedem anderen gesetzlichen Vertreter eines Minderjährigen, ohne weiteres frei, die Öffentliche Rechtsauskunft um Auskunft nachzusuchen oder im gerichtlichen Verfahren Verfahrens- oder Prozesskostenhilfe zu beantragen. Erst wenn dies nicht ausreiche , komme die Einrichtung einer Ergänzungspflegschaft oder Mitvormundschaft in Betracht.
- 10
- Eine Notwendigkeit zur Bestellung eines Ergänzungspflegers oder Mitvormundes folge auch nicht aus Art. 22 des Übereinkommens vom 20. November 1989 über die Rechte des Kindes (BGBl. 1992 II, S. 121; UNKinderrechtskonvention , im Folgenden: UN-KRK). Zwar stehe dieses Übereinkommen seit der am 15. Juli 2010 erfolgten Rücknahme des Vorbehalts durch die Bundesregierung im Range eines Bundesgesetzes. Art. 22 Abs. 1 UN-KRK begründe aber keine unmittelbaren Rechte der Betroffenen. Selbst wenn aber aus dieser Vorschrift individuelle Rechte abgeleitet werden könnten, würde dies bei dem vorliegenden Sachverhalt keine Bestellung eines Ergänzungspflegers oder Mitvormunds gebieten, weil ein "angemessener Schutz" des Minderjährigen schon durch die Bestellung eines Vormundes gewährleistet sei, der für seinen Mündel die erforderlichen asyl- oder ausländerrechtlichen Schritte ergreifen könne.
- 11
- 2. Gegen diese Ausführungen wendet sich die Rechtsbeschwerde ohne Erfolg.
- 12
- Die Besorgung der ausländer- und asylrechtlichen Angelegenheiten des Mündels gehört als Teil der Personensorge zum Aufgabengebiet des bestellten Vormunds. Wer unter Vormundschaft steht, erhält nach § 1909 Abs. 1 Satz 1 BGB für Angelegenheiten, an denen der Vormund verhindert ist, einen Pfleger (zur Abgrenzung der Ergänzungspflegschaft von der Mitvormundschaft vgl. BayObLGZ 1976, 214, 216 f.). Die Bestellung eines Ergänzungspflegers nach dieser Vorschrift setzt neben einer tatsächlichen oder rechtlichen Verhinderung des Vormundes ein Bedürfnis für die Anordnung der Pflegschaft voraus, das durch einen gegenwärtigen konkreten Anlass begründet sein muss (BGHZ 65, 93, 95 = NJW 1976, 49). Der Amtsvormund ist im vorliegenden Fall weder aus rechtlichen noch aus tatsächlichen Gründen daran gehindert, den Mündel in ausländer- oder asylrechtlichen Angelegenheiten zu vertreten.
- 13
- a) Eine rechtliche Verhinderung des Vormundes liegt nicht vor. Sie könnte grundsätzlich auch nicht damit begründet werden, dass Jugendamt und Ausländeramt derselben Behördenleitung unterstehen und ein deshalb zu befürchtender Interessengegensatz (§ 1796 Abs. 2 BGB), es rechtfertigen könnte, dem Jugendamt als Vormund nach § 1796 Abs. 1 BGB die Vertretungsmacht zu entziehen (vgl. auch Senatsbeschluss vom 5. März 2008 - XII ZB 2/07 - FamRZ 2008, 1156 Rn. 13 f.). Das Jugendamt führt die Vormundschaft in eigener Verantwortung , so dass bei ihrer ordnungsgemäßen Führung kein beachtlicher Interessenkonflikt in asyl- und ausländerrechtlichen Angelegenheiten des Mündels entstehen kann (OLG Köln FamRZ 1999, 1694; Staudinger/Bienwald BGB [2012] § 1909 Rn. 31; vgl. DIJuF-Stellungnahme DAVorm 2001, 43).
- 14
- b) Indessen entspricht es einer verbreiteten und auf einen Aufsatz von Habicht aus dem Jahre 1898 (Gruchot 42, 413, 434) zurückgehenden Auffassung in Rechtsprechung und Literatur, dass bereits das auf fehlender Geschäftsgewandtheit oder mangelnder Sachkunde beruhende Unvermögen des Vormundes, eine Angelegenheit des Mündels angemessen wahrzunehmen, eine Verhinderung tatsächlicher Art im Sinne von § 1909 Abs. 1 BGB begrün- den kann (BayObLGZ 1976, 214, 217; BayObLG FamRZ 1977, 664, 668 f.; OLG Frankfurt DAVorm 2000, 485, 487; Palandt/Götz BGB 72. Aufl. § 1909 Rn. 7; BeckOK BGB/Bettin [Stand: 1. Februar 2013] § 1909 Rn. 7; Erman/Roth BGB 13. Aufl. § 1909 Rn. 9; grundsätzlich zustimmend auch Soergel /Zimmermann BGB 13. Aufl. §1909 Rn. 4). Daraus wird hergeleitet, dass einem unbegleiteten minderjährigen Flüchtling für die Besorgung seiner asylund ausländerrechtlichen Rechtsangelegenheiten schon wegen fehlender (einschlägiger ) juristischer Sachkunde seines Vormundes beim Bestehen eines Fürsorgebedürfnisses ein entsprechend spezialisierter Rechtsanwalt als Ergänzungspfleger für diesen Aufgabenkreis beigegeben werden könne (vgl. OLG Frankfurt DAVorm 2000, 485, 487; AG Gießen FamRZ 2010, 1027 f.; zustimmend Palandt/Götz BGB 72. Aufl. § 1909 Rn. 7; Peter JAmt 2003, 557, 558; Löhr ZAR 2010, 378, 380 f.).
- 15
- c) Dem vermag der Senat nicht beizutreten.
- 16
- aa) Bereits gegen den rechtlichen Ausgangspunkt, wonach eine Verhinderung im Sinne von § 1909 Abs. 1 BGB schon dann anzunehmen sei, wenn Eltern oder Vormund zwar tatsächlich und rechtlich zum Handeln in der Lage sind, jedoch nach dem Stand ihrer Einsicht, Erfahrung oder Geschäftsgewandtheit für bestimmte Angelegenheiten keine geeigneten Sachwalter ihrer Kinder oder Mündel zu sein scheinen, werden mit Recht grundsätzliche Bedenken geltend gemacht (vgl. LG Berlin FamRZ 1991, 1097 f.; Gernhuber/Coester-Waltjen Familienrecht 6. Aufl. § 75 Rn. 32; MünchKommBGB/Schwab 6. Aufl. § 1909 Rn. 14; Oberloskamp Vormundschaft, Pflegschaft und Beistand für Minderjährige 3. Aufl. § 10 Rn. 17; Rohde in Hoppenz Familiensachen 9. Aufl. § 1909 Rn. 5; jurisPK-BGB/Locher [Bearbeitungsstand: Oktober 2012] § 1909 Rn. 61).
- 17
- Die Ergänzungspflegschaft ist ein an sich klar konturiertes Rechtsinstitut (vgl. Gernhuber/Coester-Waltjen Familienrecht 6. Aufl. § 75 Rn. 32), welches die bei der Vertretung des Minderjährigen entstehenden Lücken bei der Besorgung solcher Angelegenheiten schließt, in denen Eltern oder Vormund ihr Vertretungsrecht nicht ausüben können oder dürfen. Diese Fälle ergeben sich aus dem Gesetz. Bei bestehender Vormundschaft kommt die Ergänzungspflegschaft daher grundsätzlich nur dann und nur insoweit in Betracht, als der Vormund von der Vertretung seines Mündels kraft Gesetzes ausgeschlossen(vgl. §§ 1795 Abs. 1, 1795 Abs. 2 i.V.m. 181 BGB) oder durch eine familiengerichtliche Entscheidung (vgl. §§ 1796 Abs. 1, 1801, 1837 Abs. 4 i.V.m. 1666, 1666 a BGB) in seiner Vertretungsmacht beschränkt worden ist. Nach § 1837 Abs. 4 i.V.m. §§ 1666, 1666 a BGB sind auch diejenigen Fälle zu beurteilen, in denen sich der Vormund aus tatsächlichen Gründen als ungeeignet für die Besorgung bestimmter Angelegenheiten des Mündels erweist; ohne eine entsprechende Sorgerechtsbeschränkung durch gerichtliche Entscheidung ist für die Anordnung einer Pflegschaft wegen persönlicher Unzulänglichkeit des Vormunds grundsätzlich kein Raum (MünchKommBGB/Schwab 6. Aufl. § 1909 Rn. 14; vgl. auch Staudinger/Bienwald BGB [2012] § 1909 Rn. 29). Wäre es anders, müsste das Familiengericht bei fehlender Sachkunde oder Geschäftsgewandtheit des Sorgeberechtigten in sehr vielen Fällen nicht nur als berechtigt, sondern sogar als verpflichtet angesehen werden, durch die Anordnung einer Pflegschaft in deren gesetzliche Vertretungsmacht bezüglich bestimmter Angelegenheiten einzugreifen (§ 1794 BGB), ohne dass die Voraussetzungen der §§ 1666, 1666 a BGB vorliegen müssten (zutreffend Oberloskamp Vormundschaft , Pflegschaft und Beistand für Minderjährige 3. Aufl. § 10 Rn. 17).
- 18
- bb) Verfügt der Vormund, dessen generelle Eignung nicht in Frage steht, nicht über die zur sachgerechten Besorgung einzelner Geschäfte des Mündels erforderliche Sachkunde, ist es seine Sache, diesen Mangel an Eignung in ei- gener Verantwortung durch Inanspruchnahme fachspezifischer Hilfen auszugleichen. Bei fehlender juristischer Sachkunde muss sich der Vormund daher um geeignete Rechtsberatung und im gerichtlichen Verfahren um eine anwaltliche Vertretung für seinen Mündel bemühen (vgl. OLG Brandenburg ZKJ 2011, 139, 140; OLG Karlsruhe FamRZ 2012, 1955, 1957; Oberloskamp Vormundschaft , Pflegschaft und Beistand für Minderjährige 3. Aufl. § 10 Rn. 17; Gernhuber /Coester-Waltjen Familienrecht 6. Aufl. § 75 Rn. 32). Etwas anderes lässt sich entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde auch nicht daraus herleiten, dass der Vormund im Falle der Bevollmächtigung eines Rechtsanwaltes zur näheren Instruktion und Überwachung des Rechtsanwaltes verpflichtet bleibt und insoweit auch weiterhin einem Haftungsrisiko ausgesetzt ist. Komplizierte Rechtsangelegenheiten des Mündels können für einen Vormund nicht nur auf dem Gebiet des Asyl- und Ausländerrechts, sondern in vielfältiger Weise auch auf anderen Rechtsgebieten zu besorgen sein. Es entspricht indessen dem Wesen der Vormundschaft, dass der Vormund seinen Mündel erforderlichenfalls auch bei schwierigen Geschäften oder Geschäftskomplexen zu vertreten hat. Dies schließt es im Falle der Bevollmächtigung eines Rechtsanwaltes notwendigerweise ein, dass der Vormund auf der Grundlage der von dem Rechtsanwalt erteilten Beratung und Belehrung für seinen Mündel Entscheidungen zu treffen und den Bevollmächtigten entsprechend zu instruieren hat. Weder dieser Umstand noch das allgemeine Haftungsrisiko, welches der Vormund bei einer schuldhaften (§ 1833 Abs. 1 Satz 1 BGB) Verletzung seiner Pflicht zur treuen und gewissenhaften Führung der Vormundschaft ausgesetzt ist, können es deshalb rechtfertigen, den Vormund aus seiner Verantwortung für den Mündel zu entlassen (vgl. OLG Brandenburg ZKJ 2011, 139, 140).
- 19
- Stehen der Inanspruchnahme rechtlichen Beistands die finanziellen Verhältnisse des Mündels entgegen, ist dieser Mangel durch Beratungshilfe (hier: durch Öffentliche Rechtsberatung) und im gerichtlichen Verfahren durch Pro- zess- bzw. Verfahrenskostenhilfe zu beheben (Oberloskamp Vormundschaft, Pflegschaft und Beistand für Minderjährige 3. Aufl. § 10 Rn. 17). Die Pflegschaft ist demgegenüber kein Instrument, um einem unbemittelten Kind aus öffentlichen Kassen Sozialleistungen zu gewähren, auf die ein mittelloses Kind ohne Einrichtung einer Pflegschaft keinen Anspruch hätte; dies gilt auch für Sozialleistungen im Bereich der Rechtspflege (vgl. Senatsbeschluss vom 20. Dezember 2006 - XII ZB 118/03 - FamRZ 2007, 381, 383 zum Betreuungsrecht
).
- 20
- cc) Auch im Lichte der UN-Kinderrechtskonvention ist keine andere Beurteilung geboten.
- 21
- Dabei kann es auf sich beruhen, ob den Regelungen der UNKinderrechtskonvention das Gebot entnommen werden kann, dass ein mittelloses unbegleitetes Kind - neben der Bestellung eines Vormunds - im Falle seiner Beteiligung an einem Asylverfahren oder an sonstigen Verwaltungs- und Gerichtsverfahren unentgeltlichen Zugang zu einem Rechtsbeistand erhalten soll (vgl. UN-Ausschuss für Kinderrechte, General Comment No 6 [2005], Treatment of unaccompanied and separated children outside their country of origin, CRC/GC/2005/6 Rn. 36 und 69, veröffentlicht auf www.unhcr.org; Schmahl, UN-Kinderrechtskonvention Art. 22 Rn. 11; Krieger RdJB 2012, 206, 210 f.; a.A. wohl OLG Karlsruhe FamRZ 2011, 740, 742). Selbst wenn dies der Fall sein sollte, wird dieser Zugang in der Bundesrepublik Deutschland konventionskonform durch das System der Beratungs- und Prozesskostenhilfe gewährleistet; dieses System garantiert gleichzeitig - im Einklang mit Art. 2 UN-KRK und Art. 16 Abs. 1 und Abs. 2 des Abkommens über die Rechtsstellung von Flüchtlingen vom 28. Juli 1951 (BGBl. 1953 II, S. 560; Genfer Flüchtlingskonvention) - auch die Gleichbehandlung von mittellosen Flüchtlingen und unbemittelten deutschen Staatsangehörigen (OLG Karlsruhe FamRZ 2012, 1955, 1958 und FamRZ 2011, 740, 742; OVG Münster EZAR-NF 95 Nr. 22). Eine darüber hinaus gehende Forderung nach Rechtsgewährung, welche die Bestellung eines Rechtsanwalts zum Ergänzungspfleger für die Besorgung von Rechtsangelegenheiten eines unbegleiteten minderjährigen Flüchtlings gebieten würde, lässt sich jedenfalls aus der UN-Kinderrechtskonvention nicht herleiten (so auch Löhr ZAR 2010, 378, 381).
- 22
- Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus Art. 3 Abs. 1 UN-KRK, wonach bei allen Maßnahmen, die Kinder betreffen, das Wohl des Kindes als vorrangiger Gesichtspunkt zu berücksichtigen ist. Der Gesichtspunkt des Kindeswohls kann keinen absoluten Vorrang beanspruchen (BVerwG Buchholz 402.242 § 56 AufenthG Nr. 5; OVG Lüneburg InfAuslR 2013, 19, 22), auch nicht gegenüber der Entscheidung des Gesetzgebers, die Rechtsgleichheit von bemittelten und unbemittelten Rechtssuchenden - auch Kindern - im Rahmen der Vorschriften über die Sozialhilfe auf dem Gebiet der Rechtspflege herzustellen. Im Übrigen wird den durch Art. 3 Abs. 1 UN-KRK in den Blick genommenen Belangen des Kindeswohls in ausländer- und asylrechtlichen Verfahren bereits bei der Prüfung der Erfolgsaussichten der Rechtsverfolgung Rechnung zu tragen sein (OLG Karlsruhe FamRZ 2011, 740, 742). Dose Weber-Monecke Klinkhammer Nedden-Boeger Botur
AG Hamburg-Altona, Entscheidung vom 10.05.2011 - 284 F 59/11 -
OLG Hamburg, Entscheidung vom 28.08.2011 - 2 UF 121/11 -
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Gründe:
I.
- 1
- Das Verfahren betrifft die Vergütung des Ergänzungspflegers für einen unbegleitet eingereisten minderjährigen Flüchtling.
- 2
- Das Amtsgericht bestellte das Jugendamt zum Vormund des Minderjährigen und den Beteiligten zu 1, einen Rechtsanwalt, zum Ergänzungspfleger mit dem Wirkungskreis "ausländer- und asylrechtliche Betreuung". Der Ergänzungspfleger führte in Anwesenheit eines Dolmetschers ein Gespräch mit dem Minderjährigen und reichte einen Asylantrag für ihn ein. Ferner begleitete er ihn zur Anhörung im Asylverfahren. Er erstattete sodann seinen Bericht gegenüber dem Amtsgericht und beantragte, seine Kosten und Auslagen "gemäß §§ 1835, 1836 BGB" in Höhe von 498,85 € festzusetzen. Hierbei berechnete er bei einem Gegenstandswert von 3.000 € eine 1,8-Gebühr nach §§ 2, 13, 14 RVG sowie Nr. 2300 VV RVG nebst Auslagen.
- 3
- Das Amtsgericht hat auf Basis der Gebührensätze der Beratungshilfe eine Vergütung in Höhe von 170,17 € festgesetzt. Die hiergegen gerichtete Erinnerung hat das Amtsgericht zurückgewiesen und die Beschwerde zugelassen. Das Oberlandesgericht hat die Beschlüsse des Amtsgerichts abgeändert und dem Vergütungsantrag des Ergänzungspflegers in vollem Umfang stattgegeben. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde begehrt die Beteiligte zu 2 (im Folgenden: Staatskasse) die Wiederherstellung des amtsgerichtlichen Beschlusses.
II.
- 4
- Die zulässige, insbesondere aufgrund der Zulassung durch das Beschwerdegericht gemäß § 70 Abs. 1 FamFG statthafte Rechtsbeschwerde hat in der Sache Erfolg.
- 5
- 1. Das Oberlandesgericht hat seine in FamRZ 2013, 1160 veröffentlichte Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:
- 6
- Ein anwaltlicher Ergänzungspfleger, der für einen minderjährigen Pflegling Dienste erbringe, für die ein anderer Pfleger wegen fehlender fachspezifischer Kenntnisse einen Rechtsanwalt hinzuziehen müsse, könne wählen, ob er wegen der von ihm geleisteten Dienste, die zu seinem Beruf gehörten, Aufwendungsersatz nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz oder eine Vergütung seiner Tätigkeit gemäß § 3 VBVG beanspruche. Entscheide er sich für die Geltendmachung von Aufwendungsersatz, könne er nach anwaltlichem Gebührenrecht abrechnen, denn der Betroffene solle keinen Vorteil daraus ziehen, dass der Pfleger aufgrund seiner Qualifikation Dienste erbringen könne, für die ein anderer Pfleger einen Rechtsanwalt gegen Entgelt beauftragen würde.
- 7
- Dabei sei der Ergänzungspfleger nicht auf die Gebührensätze der Beratungshilfe zu verweisen, weil sich sein Einsatz für den unbegleiteten minderjährigen Flüchtling im Asylverfahren nicht auf die "typischen Tätigkeiten der Beratungshilfe" wie die rechtliche Beratung und das Anfertigen der erforderlichen Schriftsätze beschränkt habe, so dass seine Tätigkeit über das hinausgegangen sei, was er als separat beauftragter Anwalt im Rahmen der Beratungshilfe geleistet hätte. Zudem treffe den Ergänzungspfleger gegenüber einem nur aufgrund Beratungshilfe tätigen Anwalt eine höhere Verpflichtung. Der Ergänzungspfleger könne daher ohne Begrenzung durch die Gebührensätze der Beratungshilfe eine Vergütung nach §§ 1915 Abs. 1, 1835 Abs. 3 BGB i.V.m. dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz beanspruchen. Anderenfalls würde er ohne adäquate Vergütung von der staatlichen Gewalt in die Pflicht genommen und es stünde ihm allenfalls bei mehreren gleichzeitigen Pflegschaften ein Ablehnungsrecht zu. Dies hätte zur Folge, dass die für diese Aufgaben qualifiziertesten Anwälte in Fällen dringend nötiger anwaltlicher Hilfe für minderjährige unbegleitete Flüchtlinge vielfach nicht mehr bestellt werden könnten. Andernfalls würde ein berufsmäßig tätiger Ergänzungspfleger, der, ohne Rechtsanwalt zu sein, den Pflegling selbst vertrete, mit einem ihm nicht zu versagenden Vergütungsanspruch nach § 1836 Abs. 1 Satz 2 BGB besser gestellt.
- 8
- 2. Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
- 9
- a) Dem Anspruch des Ergänzungspflegers steht allerdings nicht entgegen, dass - wie der Senat zwischenzeitlich entschieden hat (Senatsbeschluss vom 29. Mai 2013 - XII ZB 530/11 - FamRZ 2013, 1206) - in Fällen wie dem vorliegenden die Bestellung eines Ergänzungspflegers für einen unbegleiteten minderjährigen Flüchtling unzulässig ist. Daran hält der Senat auch mit Blick auf Art. 6 der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist, sowie auf Art. 25 der Richtlinie 2013/32/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zu gemeinsamen Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzes und auf Art. 24 der Richtlinie 2013/33/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung von Normen für die Aufnahme von Personen, die internationalen Schutz beantragen, fest (aA AG Gießen Beschluss vom 21. August 2013 - 249 F 1635/13 VM - juris Rn. 11 ff.; Hocks JAmt 2013, 429). Die darin vorgesehene sachkundige Vertretung des unbegleiteten Minderjährigen wird grundsätzlich durch das Jugendamt als Vormund gewährleistet. Bereits aus dem Wortlaut von Art. 25 Abs. 1 Buchst. b Satz 2 RL 2013/32/EU ergibt sich im Übrigen, dass der dem Minderjährigen zu bestellende Vertreter gerade nicht Rechtsanwalt sein muss; denn gemäß dieser Bestimmung ist sicherzustellen, dass bei der Anhörung "ein Ver- treter und/oder ein Rechtsanwalt…" anwesend ist.
- 10
- Dass die Ergänzungspflegschaft fehlerhaft angeordnet wurde, steht der Wirksamkeit der Bestellung jedoch nicht entgegen, so dass die Gerichte im Vergütungsfestsetzungsverfahren hieran gebunden sind (vgl. OLG Düsseldorf FamRZ 2011, 141, 142 mwN).
- 11
- b) Zutreffend ist das Oberlandesgericht davon ausgegangen, dass der als Ergänzungspfleger bestellte Rechtsanwalt eine Pflegschaftstätigkeit gemäß §§ 1915 Abs. 1, 1835 Abs. 3 BGB nach anwaltlichem Gebührenrecht abrech- nen kann, wenn und soweit sich die zu bewältigende Aufgabe als eine für den Beruf des Rechtsanwalts spezifische Tätigkeit darstellt. Dies ergibt sich aus dem Grundsatz, dass der Pflegling - und bei mittellosen Betroffenen die Staatskasse - keinen Vorteil daraus ziehen soll, dass sein Pfleger zufällig aufgrund einer besonderen beruflichen Qualifikation etwas verrichten kann, wozu ein anderer Pfleger berechtigterweise die entgeltlichen Dienste eines Dritten in Anspruch nehmen würde (vgl. Senatsbeschlüsse vom 17. November 2010 - XII ZB 244/10 - FamRZ 2011, 203 Rn. 13 f. und vom 20. Dezember 2006 - XII ZB 118/03 - FamRZ 2007, 381, 382 f.). Daraus folgt jedoch nicht, dass jedwede Tätigkeit des anwaltlichen Ergänzungspflegers, die er im Rahmen der Pflegschaft erbringt (also auch eine solche, die ein nichtanwaltlicher Ergänzungspfleger ohne Hinzuziehung eines Rechtsanwalts geleistet hätte), einen Aufwendungsersatzanspruch gemäß § 1835 Abs. 3 BGB begründet (vgl. hierzu z.B. KG FamRZ 2012, 63; MünchKommBGB/Wagenitz 6. Aufl. § 1835 Rn. 40 ff.; Staudinger/Bienwald BGB [2004] § 1835 Rn. 30 ff.; Erman/Saar BGB 13. Aufl. § 1835 Rn. 6 f.; Pammler-Klein/Pammler in jurisPK-BGB 6. Aufl. § 1835 Rn. 86 ff.; HUK-BUR/Bauer/Deinert [Stand: Juli 2008] § 1835 BGB Rn. 54 ff.; Knittel Betreuungsrecht [Stand: 1. März 2013] § 1835 BGB Rn. 67 ff.; Damrau /Zimmermann Betreuungsrecht 4. Aufl. § 1835 BGB Rn. 57 ff., 63 ff.; Bienwald in Bienwald/Sonnenfeld/Hoffmann Betreuungsrecht 5. Aufl. § 1835 BGB Rn. 34 ff.; BeckOK/Bettin BGB [Stand: 1. August 2013] § 1835 Rn. 7; Palandt/ Götz BGB 73. Aufl. § 1835 Rn. 13; Jürgens Betreuungsrecht 4. Aufl. § 1835 Rn. 15).
- 12
- c) Ob bzw. inwieweit die vorliegend vom Ergänzungspfleger im Rahmen seiner Amtsführung geleisteten Dienste spezifische anwaltliche Tätigkeiten in diesem Sinne darstellen, hat das Oberlandesgericht nicht geprüft. Es hat vielmehr unter Verweis darauf, dass dem anwaltlichen Ergänzungspfleger ein Wahlrecht zwischen Aufwendungsersatz und Vergütung auf Stundenbasis zustehe , einen Aufwendungsersatzanspruch dem Grunde nach bejaht.
- 13
- Diese Erwägung trägt jedenfalls im zu entscheidenden Fall bereits deswegen nicht, weil es an der für den Vergütungsanspruch gemäß § 1836 Abs. 1 Satz 2 BGB konstitutiven Feststellung fehlt, dass die Ergänzungspflegschaft berufsmäßig geführt wird (vgl. Senatsbeschluss vom 9. November 2005 - XII ZB 49/01 - FamRZ 2006, 111, 114), und mithin eine Abrechnung auf Stundenbasis nicht in Betracht kam.
- 14
- d) Das kann hier jedoch dahinstehen. Denn die Rechtsbeschwerde, die das Bestehen eines Aufwendungsersatzanspruchs dem Grunde nach nicht in Frage stellt, hat schon deshalb Erfolg, weil dem Ergänzungspfleger jedenfalls kein die Beratungshilfesätze übersteigender Anspruch zusteht.
- 15
- aa) Den anwaltlichen Ergänzungspfleger trifft ebenso wie den Anwaltsbetreuer die Pflicht zur kostensparenden Amtsführung. Er muss daher für eine gerichtliche Vertretung eines mittellosen Betroffenen Prozesskostenhilfe beantragen und kann auch bei deren Versagung als Aufwendungsersatz gemäß § 1835 Abs. 3 und 4 BGB gegenüber der Staatskasse jedenfalls keine höheren Gebühren geltend machen als diejenigen, die ein beigeordneter Rechtsanwalt gemäß § 49 RVG erhält. In gleicher Weise ist der anwaltliche Ergänzungspfleger verpflichtet, für die außergerichtliche Beratung und Vertretung seines Pfleglings Beratungshilfe in Anspruch zu nehmen (vgl. zum Ganzen Senatsbeschluss vom 20. Dezember 2006 - XII ZB 118/03 - FamRZ 2007, 381, 383 f.). Übernimmt er diese Beratung und Vertretung selbst, ist er im Rahmen seines Aufwendungsersatzanspruchs auf die Beratungshilfesätze beschränkt. Denn das Pflegschaftsverhältnis rechtfertigt keine Besserstellung des mittellosen Pfleglings gegenüber einem anderen unbemittelten Mandanten.
- 16
- bb) Etwas anderes gilt auch nicht hinsichtlich der Tätigkeit des anwaltlichen Ergänzungspflegers für den Minderjährigen im verwaltungsrechtlichen Asylverfahren. Diese geht - entgegen der Annahme des Beschwerdegerichts - nicht über die Leistungen hinaus, die ein Rechtsanwalt im Rahmen der Beratungshilfe schuldet.
- 17
- Beratungshilfe wird gemäß § 1 Abs. 1 BerHG außerhalb eines gerichtlichen Verfahrens und damit auch im verwaltungsrechtlichen Asylverfahren gewährt (vgl. Büttner/Wrobel-Sachs/Gottschalk/Dürbeck Prozess- und Verfahrenskostenhilfe , Beratungshilfe 6. Aufl. Rn. 621). Nach § 2 Abs. 1 BerHG besteht sie in der Beratung und, soweit erforderlich, in der Vertretung. Beratung ist hierbei die Erteilung eines mündlichen oder schriftlichen Rates oder einer Auskunft. Sie kann auch umfangreiche Besprechungen und abschließende Formulierungshilfe - wie beispielsweise bei einem Vertragsentwurf - zum Gegenstand haben (vgl. Mayer/Kroiß/Pukall RVG 6. Aufl. § 44 Rn. 22; Schoreit/Groß BerH/PKH/VKH 11. Aufl. § 2 BerHG Rn. 5 f.; Hartung/Römermann/Schons RVG 2. Aufl. § 44 Rn. 20 f.; Baumgärtel/Hergenröder/Houben RVG 15. Aufl. § 44 Rn. 2; Büttner/Wrobel-Sachs/Gottschalk/Dürbeck Prozess- und Verfahrenskostenhilfe , Beratungshilfe 6. Aufl. Rn. 967). Eine Vertretung ist erforderlich, wenn der Rechtsuchende nach der Beratung angesichts des Umfangs, der Schwierigkeit oder der Bedeutung der Rechtsangelegenheit für ihn seine Rechte nicht selbst wahrnehmen kann. Sie kann sich auf die Anfertigung von Schriftsätzen, das Führen von Telefonaten und auf mündliches Verhandeln für den Rechtsuchenden , etwa mit dem gegnerischen Anwalt, erstrecken (vgl. Mayer/Kroiß/Pukall RVG 6. Aufl. § 44 Rn. 23; Schoreit/Groß BerH/PKH/VKH 11. Aufl. § 2 BerHG Rn. 8 ff.; Poller/Teubel/Köpf Gesamtes Kostenhilferecht § 2 BerHG Rn. 21; Büttner/Wrobel-Sachs/Gottschalk/Dürbeck Prozess- und Verfahrenskostenhilfe, Beratungshilfe 6. Aufl. Rn. 967). Die Geschäftsgebühr der Nr. 2503 VV RVG deckt dabei alle in Nrn. 2300 ff. VV RVG genannten anwaltlichen Tätigkeiten ab, also sowohl den Geschäftsverkehr als auch die Besprechung mit Gegner oder Dritten (vgl. Rehberg in Göttlich /Mümmler RVG 5. Aufl. "Beratungshilfe" Anm. 7.7).
- 18
- Unter den Begriff der Vertretung fällt damit sowohl die Fertigung des Asylantrags als auch die Vertretung des Minderjährigen bei der Anhörung vor dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge.
- 19
- cc) Dem Beschwerdegericht kann auch nicht darin gefolgt werden, dass diese Sichtweise zu einer gegenüber einem anwaltlichen Berufsbetreuer unterschiedlichen Vergütungsregelung führen würde. Denn für beide wird in § 1908 i Abs. 1 BGB bzw. § 1915 Abs. 1 BGB gleichermaßen auf § 1835 Abs. 3 BGB verwiesen.
- 20
- dd) Keinen Anlass zu einer anderen Beurteilung gibt schließlich die Erwägung des Beschwerdegerichts, ein Ergänzungspfleger würde, soweit er nur die Gebührensätze der Beratungshilfe erhielte, ohne adäquate Vergütung von der staatlichen Gewalt in die Pflicht genommen mit der Folge, dass die qualifiziertesten Anwälte für diese Aufgabe nicht mehr gewonnen werden könnten. Denn ein Rechtsanwalt, der berufsmäßig als Ergänzungspfleger tätig wird und bei dem diese berufsmäßige Amtsführung gemäß § 1836 Abs. 1 Satz 2 BGB festgestellt ist, kann eine Vergütung seiner Tätigkeit nach Stunden gemäß §§ 1915 Abs. 1, 1836 Abs. 1 Satz 2 und 3 BGB i. V. m. § 3 VBVG beanspruchen. Dass diese vom Gesetz vorgesehene pauschalierte Vergütung - zumal in Anbetracht der zusätzlichen Abrechnungsmöglichkeit des § 1835 Abs. 3 BGB bei spezifisch anwaltlichen Tätigkeiten - generell unzureichend wäre, ist nicht ersichtlich.
- 21
- e) Dem Ergänzungspfleger steht daher kein höherer Aufwendungsersatzanspruch als die vom Amtsgericht zuerkannten 170,17 € zu, so dass der Rechtsbeschwerde der Staatskasse in vollem Umfang stattzugeben ist. Dose Klinkhammer Günter Botur Guhling
AG Darmstadt, Entscheidung vom 07.11.2011 - 51 F 1340/10 PF -
OLG Frankfurt am Main, Entscheidung vom 29.01.2013 - 6 UF 344/11 -
Tenor
1. Die Beschwerde des Stadtjugendamtes ... gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengerichts - Aschaffenburg vom 20. 4. 2015 wird zurückgewiesen.
2. Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren werden nicht erhoben. Außergerichtlichen Kosten der Beteiligten im Beschwerdeverfahren werden nicht erstattet.
3. Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 3000,00 Euro festgesetzt.
4. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
I.
II.
Gründe
I.
(1) Das Gericht kann die Kosten des Verfahrens nach billigem Ermessen den Beteiligten ganz oder zum Teil auferlegen. Es kann auch anordnen, dass von der Erhebung der Kosten abzusehen ist. In Familiensachen ist stets über die Kosten zu entscheiden.
(2) Das Gericht soll die Kosten des Verfahrens ganz oder teilweise einem Beteiligten auferlegen, wenn
- 1.
der Beteiligte durch grobes Verschulden Anlass für das Verfahren gegeben hat; - 2.
der Antrag des Beteiligten von vornherein keine Aussicht auf Erfolg hatte und der Beteiligte dies erkennen musste; - 3.
der Beteiligte zu einer wesentlichen Tatsache schuldhaft unwahre Angaben gemacht hat; - 4.
der Beteiligte durch schuldhaftes Verletzen seiner Mitwirkungspflichten das Verfahren erheblich verzögert hat; - 5.
der Beteiligte einer richterlichen Anordnung zur Teilnahme an einem kostenfreien Informationsgespräch über Mediation oder über eine sonstige Möglichkeit der außergerichtlichen Konfliktbeilegung nach § 156 Absatz 1 Satz 3 oder einer richterlichen Anordnung zur Teilnahme an einer Beratung nach § 156 Absatz 1 Satz 4 nicht nachgekommen ist, sofern der Beteiligte dies nicht genügend entschuldigt hat.
(3) Einem minderjährigen Beteiligten können Kosten in Kindschaftssachen, die seine Person betreffen, nicht auferlegt werden.
(4) Einem Dritten können Kosten des Verfahrens nur auferlegt werden, soweit die Tätigkeit des Gerichts durch ihn veranlasst wurde und ihn ein grobes Verschulden trifft.
(5) Bundesrechtliche Vorschriften, die die Kostenpflicht abweichend regeln, bleiben unberührt.
(1) Im Rechtsmittelverfahren bestimmt sich der Verfahrenswert nach den Anträgen des Rechtsmittelführers. Endet das Verfahren, ohne dass solche Anträge eingereicht werden, oder werden, wenn eine Frist für die Rechtsmittelbegründung vorgeschrieben ist, innerhalb dieser Frist Rechtsmittelanträge nicht eingereicht, ist die Beschwer maßgebend.
(2) Der Wert ist durch den Wert des Verfahrensgegenstands des ersten Rechtszugs begrenzt. Dies gilt nicht, soweit der Gegenstand erweitert wird.
(3) Im Verfahren über den Antrag auf Zulassung der Sprungrechtsbeschwerde ist Verfahrenswert der für das Rechtsmittelverfahren maßgebende Wert.
(1) Soweit in einer vermögensrechtlichen Angelegenheit der Verfahrenswert sich aus den Vorschriften dieses Gesetzes nicht ergibt und auch sonst nicht feststeht, ist er nach billigem Ermessen zu bestimmen.
(2) Soweit in einer nichtvermögensrechtlichen Angelegenheit der Verfahrenswert sich aus den Vorschriften dieses Gesetzes nicht ergibt, ist er unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere des Umfangs und der Bedeutung der Sache und der Vermögens- und Einkommensverhältnisse der Beteiligten, nach billigem Ermessen zu bestimmen, jedoch nicht über 500 000 Euro.
(3) Bestehen in den Fällen der Absätze 1 und 2 keine genügenden Anhaltspunkte, ist von einem Wert von 5 000 Euro auszugehen.