Oberlandesgericht Stuttgart Beschluss, 31. Jan. 2018 - 2 W 35/17

bei uns veröffentlicht am31.01.2018

Gericht

Oberlandesgericht Stuttgart

Tenor

Die Beschwerde der Klägervertreter gegen den Beschluss des Landgerichts Ulm vom 05.09.2017 (Az. 2 W 35/17 [richtigerweise: 2 O 266/17]) wird zurückgewiesen.

Gründe

 
I.
Die Klägerin verlangt als Verbraucherschutzverein von der Beklagten, ein Unternehmen zur Dach- und Fassadensanierung, die Unterlassung von insgesamt sechs AGB-Klauseln. Die Beklagte hat den Anspruch anerkannt. Im angegriffenen Beschluss hat das Landgericht den Streitwert auf 15.000,00 Euro festgesetzt, wobei jede Klausel mit 2.500,00 Euro bewertet wurde. Hiergegen richtet sich die Streitwertbeschwerde. Der Klägervertreter hatte eine Festsetzung von 3.000,00 Euro je Klausel beantragt.
II.
Die Beschwerde ist zulässig, insbesondere liegt der Wert des Beschwerdegegenstandes über 200,00 Euro (§ 68 Absatz 1 GKG). Sie ist jedoch nicht begründet.
1.
Der Streitwert in Verfahren nach dem Gesetz über Unterlassungsklagen bei Verbraucherrechts- und anderen Verstößen (Unterlassungsklagengesetz) orientiert sich regelmäßig an dem Interesse der Allgemeinheit am Unterbleiben des Gebrauchs der strittigen Klauseln. Um die Verbraucherschutzverbände bei der Wahrnehmung der ihnen im Gemeininteresse eingeräumten Befugnis, den Rechtsverkehr von unwirksamen Allgemeinen Geschäftsbedingungen zu befreien, vor unangemessenen Kostenrisiken zu schützen, hat die wirtschaftliche Bedeutung der Verbote, bestimmte Klauseln zu verwenden, bei der Bemessung der Beschwer hingegen keine ausschlaggebende Bedeutung (BGH, Beschluss vom 23. Februar 2017 - III ZR 390/16, juris Rn. 4; BGH, Beschluss vom 30. April 1991 - XI ZR 298/90, juris Rn. 2).
Bei einer herausragenden wirtschaftlichen Bedeutung einer Klausel für die betroffenen Verkehrskreise liegt jedoch ein höherer Streitwert vor, wenn die Entscheidung über die Wirksamkeit einer bestimmten Klausel nicht nur für deren Verwender und die Vertragspartner, sondern für die gesamte Branche von wesentlicher Bedeutung ist, etwa weil es dabei um äußerst umstrittene verallgemeinerungsfähige Rechtsfragen von großer wirtschaftlicher Tragweite geht, über deren Beantwortung bereits vielfältig und mit kontroversen Ergebnissen gestritten wird (BGH, Beschluss vom 05. Februar 2015 - I ZR 106/14, juris Rn. 6; BGH, Beschluss vom 10. Dezember 2013 - XI ZR 405/12, juris Rn. 6).
Nur wenn es sich nicht um eine Verbandsklage nach den Bestimmungen des Unterlassungsklagegesetzes handelt, sondern um eine wettbewerbsrechtliche Unterlassungsklage, kommt es entscheidend auf das vom Kläger satzungsgemäß wahrgenommene Interesse der Verbraucher an, wobei einer geringen finanziellen Ausstattung durch eine Streitwertherabsetzung nach § 12 Absatz 4 UWG Rechnung getragen werden kann (BGH, Beschluss vom 15. September 2016 - I ZR 24/16, juris Rn. 11/13).
2.
Unter Anwendung dieser Maßstäbe setzt der Bundesgerichtshof bei Verbandsklagen nach dem Unterlassungsklagegesetz den Streitwert regelmäßig mit 2.500,00 Euro pro angegriffener Teilklausel fest (vgl. BGH, Beschluss vom 28. Oktober 2015 - III ZR 64/15, juris Rn. 6; BGH, Beschluss vom 29. Juli 2015 - IV ZR 45/15, juris Rn. 3; BGH, Beschluss vom 06. März 2013 - IV ZR 211/11, juris Rn. 3). In Anbetracht dessen, dass der Bundesgerichtshof diese Rechtsprechung auch in jüngerer Zeit bekräftigt hat (BGH, Beschluss vom 23. Februar 2017 - III ZR 389/16, juris Rn. 6), ist der Streitwert im vorliegenden Fall durch das Landgericht zutreffend auf 15.000,00 Euro festgesetzt worden. Umstände, die eine abweichende Bewertung erfordern, sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.

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Referenzen - Gesetze

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 68 Beschwerde gegen die Festsetzung des Streitwerts


(1) Gegen den Beschluss, durch den der Wert für die Gerichtsgebühren festgesetzt worden ist (§ 63 Absatz 2), findet die Beschwerde statt, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 200 Euro übersteigt. Die Beschwerde findet auch statt, wenn sie das Geri

Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb - UWG 2004 | § 12 Einstweiliger Rechtsschutz; Veröffentlichungsbefugnis; Streitwertminderung


(1) Zur Sicherung der in diesem Gesetz bezeichneten Ansprüche auf Unterlassung können einstweilige Verfügungen auch ohne die Darlegung und Glaubhaftmachung der in den §§ 935 und 940 der Zivilprozessordnung bezeichneten Voraussetzungen erlassen werden
Oberlandesgericht Stuttgart Beschluss, 31. Jan. 2018 - 2 W 35/17 zitiert 2 §§.

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 68 Beschwerde gegen die Festsetzung des Streitwerts


(1) Gegen den Beschluss, durch den der Wert für die Gerichtsgebühren festgesetzt worden ist (§ 63 Absatz 2), findet die Beschwerde statt, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 200 Euro übersteigt. Die Beschwerde findet auch statt, wenn sie das Geri

Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb - UWG 2004 | § 12 Einstweiliger Rechtsschutz; Veröffentlichungsbefugnis; Streitwertminderung


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(1) Gegen den Beschluss, durch den der Wert für die Gerichtsgebühren festgesetzt worden ist (§ 63 Absatz 2), findet die Beschwerde statt, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 200 Euro übersteigt. Die Beschwerde findet auch statt, wenn sie das Gericht, das die angefochtene Entscheidung erlassen hat, wegen der grundsätzlichen Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Frage in dem Beschluss zulässt. Die Beschwerde ist nur zulässig, wenn sie innerhalb der in § 63 Absatz 3 Satz 2 bestimmten Frist eingelegt wird; ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann sie noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden. Im Fall der formlosen Mitteilung gilt der Beschluss mit dem dritten Tage nach Aufgabe zur Post als bekannt gemacht. § 66 Absatz 3, 4, 5 Satz 1, 2 und 5 sowie Absatz 6 ist entsprechend anzuwenden. Die weitere Beschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung der Entscheidung des Beschwerdegerichts einzulegen.

(2) War der Beschwerdeführer ohne sein Verschulden verhindert, die Frist einzuhalten, ist ihm auf Antrag von dem Gericht, das über die Beschwerde zu entscheiden hat, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn er die Beschwerde binnen zwei Wochen nach der Beseitigung des Hindernisses einlegt und die Tatsachen, welche die Wiedereinsetzung begründen, glaubhaft macht. Ein Fehlen des Verschuldens wird vermutet, wenn eine Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben oder fehlerhaft ist. Nach Ablauf eines Jahres, von dem Ende der versäumten Frist an gerechnet, kann die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt werden. Gegen die Ablehnung der Wiedereinsetzung findet die Beschwerde statt. Sie ist nur zulässig, wenn sie innerhalb von zwei Wochen eingelegt wird. Die Frist beginnt mit der Zustellung der Entscheidung. § 66 Absatz 3 Satz 1 bis 3, Absatz 5 Satz 1, 2 und 5 sowie Absatz 6 ist entsprechend anzuwenden.

(3) Die Verfahren sind gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.

4
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs orientiert sich die Beschwer in Verfahren nach dem Gesetz über Unterlassungsklagen bei Verbraucherrechts- und anderen Verstößen (Unterlassungsklagengesetz) regelmäßig an dem Interesse der Allgemeinheit am Unterbleiben des Gebrauchs der strittigen Klauseln. Um die Verbraucherschutzverbände bei der Wahrnehmung der ihnen im Gemeininteresse eingeräumten Befugnis, den Rechtsverkehr von unwirksamen Allgemeinen Geschäftsbedingungen zu befreien, vor unangemessenen Kostenrisiken zu schützen, hat die wirtschaftliche Bedeutung der Verbote, bestimmte Klauseln zu verwenden, bei der Bemessung der Beschwer hingegen keine ausschlaggebende Bedeutung (st. Rspr., z.B. Senatsbeschlüsse vom 28. Oktober 2015 - III ZR 64/15, BeckRS 2015, 19182 Rn. 5 und III ZR 36/15, BeckRS 2015, 19181 Rn. 4; vom 8. September 2011 - III ZR 229/10, BeckRS 2011, 23098 Rn. 1; vom 28. September 2006 - III ZR 33/06, NJW-RR 2007, 497 Rn. 2; BGH, Beschlüsse vom 5. Februar 2015 - I ZR 106/14, BeckRS 2015, 06518 Rn. 5; vom 9. Dezember 2014 - VIII ZR 160/14, BeckRS 2014, 23598 Rn. 5; vom 6. März 2013 - IV ZR 211/11, BeckRS 2013, 05735 Rn. 3; vom 26. September 2012 - IV ZR 203/11, BeckRS 2012, 21855 Rn. 20 und IV ZR 208/11, NJW 2013, 875 Rn. 20). Dies gilt nicht nur für die Beschwer eines Verbraucherschutzverbandes, sondern auch für die Bemessung der Beschwer des im Unterlassungsprozess unterliegenden Verwenders (st. Rspr., z.B. Senatsbeschlüsse vom 28. Oktober 2015 jew. aaO und mwN; vom 8. September 2011 aaO Rn. 2; BGH, Beschlüsse vom 9. Dezember 2014 aaO und vom 6. März 2013 aaO Rn. 4 jew. mwN).
6
Diese Grundsätze schließen es jedoch nicht von vornherein aus, der herausragenden wirtschaftlichen Bedeutung einer Klausel für die betroffenen Verkehrskreise im Einzelfall ausnahmsweise Rechnung zu tragen, wenn die Entscheidung über die Wirksamkeit einer bestimmten Klausel nicht nur für deren Verwender und die Vertragspartner, sondern für die gesamte Branche von wesentlicher Bedeutung ist, etwa weil es dabei um äußerst umstrittene verallgemeinerungsfähige Rechtsfragen von großer wirtschaftlicher Tragweite geht, über deren Beantwortung bereits vielfältig und mit kontroversen Ergebnissen gestritten wird (vgl. BGH, ZIP 2014, 96 Rn. 6 f.; BGH, Beschluss vom 10. Dezember 2013 - XI ZR 405/12, juris Rn. 6). Im Streitfall hat die Beklagte jedoch nicht glaubhaft gemacht, dass die in Rede stehende Klausel für sie eine solche herausragende wirtschaftliche Bedeutung hat.
6
cc) Diese Grundsätze schließen es jedoch auch nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht von vornherein aus, der herausragenden wirtschaftlichen Bedeutung einer Klausel für die betroffenen Verkehrskreise im Einzelfall ausnahmsweise Rechnung zu tragen (vgl. Erman/Roloff, BGB, 13. Aufl., § 5 UKlaG Rn. 7; Witt in Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Recht, 11. Aufl., § 5 UKlaG Rn. 30 mwN). Demgemäß hat der erkennende Senat die erhebliche wirtschaftliche Bedeutung der Entscheidung über die Wirksamkeit einer Entgeltregelung nicht nur für deren Verwender sowie die Vertragspartner, sondern auch für andere Kreditinstitute und ihre Kunden bei der Festsetzung des Wertes der Beschwer und des Streitwerts wiederholt maßgeblich berücksichtigt (Senatsbeschlüsse vom 30. April 1991 - XI ZR 298/90, NJW-RR 1991, 1074 und vom 12. Dezember 2000 - XI ZR 180/00, juris Rn. 3).

(1) Zur Sicherung der in diesem Gesetz bezeichneten Ansprüche auf Unterlassung können einstweilige Verfügungen auch ohne die Darlegung und Glaubhaftmachung der in den §§ 935 und 940 der Zivilprozessordnung bezeichneten Voraussetzungen erlassen werden.

(2) Ist auf Grund dieses Gesetzes Klage auf Unterlassung erhoben worden, so kann das Gericht der obsiegenden Partei die Befugnis zusprechen, das Urteil auf Kosten der unterliegenden Partei öffentlich bekannt zu machen, wenn sie ein berechtigtes Interesse dartut. Art und Umfang der Bekanntmachung werden im Urteil bestimmt. Die Befugnis erlischt, wenn von ihr nicht innerhalb von drei Monaten nach Eintritt der Rechtskraft Gebrauch gemacht worden ist. Der Ausspruch nach Satz 1 ist nicht vorläufig vollstreckbar.

(3) Macht eine Partei in Rechtsstreitigkeiten, in denen durch Klage ein Anspruch aus einem der in diesem Gesetz geregelten Rechtsverhältnisse geltend gemacht wird, glaubhaft, dass die Belastung mit den Prozesskosten nach dem vollen Streitwert ihre wirtschaftliche Lage erheblich gefährden würde, so kann das Gericht auf ihren Antrag anordnen, dass die Verpflichtung dieser Partei zur Zahlung von Gerichtskosten sich nach einem ihrer Wirtschaftslage angepassten Teil des Streitwerts bemisst. Die Anordnung hat zur Folge, dass

1.
die begünstigte Partei die Gebühren ihres Rechtsanwalts ebenfalls nur nach diesem Teil des Streitwerts zu entrichten hat,
2.
die begünstigte Partei, soweit ihr Kosten des Rechtsstreits auferlegt werden oder soweit sie diese übernimmt, die von dem Gegner entrichteten Gerichtsgebühren und die Gebühren seines Rechtsanwalts nur nach dem Teil des Streitwerts zu erstatten hat und
3.
der Rechtsanwalt der begünstigten Partei, soweit die außergerichtlichen Kosten dem Gegner auferlegt oder von ihm übernommen werden, seine Gebühren von dem Gegner nach dem für diesen geltenden Streitwert beitreiben kann.

(4) Der Antrag nach Absatz 3 kann vor der Geschäftsstelle des Gerichts zur Niederschrift erklärt werden. Er ist vor der Verhandlung zur Hauptsache anzubringen. Danach ist er nur zulässig, wenn der angenommene oder festgesetzte Streitwert später durch das Gericht heraufgesetzt wird. Vor der Entscheidung über den Antrag ist der Gegner zu hören.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
I ZR 24/16
vom
15. September 2016
in dem Rechtsstreit
ECLI:DE:BGH:2016:150916BIZR24.16.0

Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 15. September 2016 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Büscher, die Richter Prof. Dr. Schaffert, Dr. Kirchhoff, Dr. Löffler und die Richterin Dr. Schwonke

beschlossen:
Der Gegenstandswert für die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberlandesgerichts Stuttgart - 2. Zivilsenat - vom 7. Januar 2016 wird auf 30.000 Euro festgesetzt.

Gründe:


1
I. Die Klägerin ist die Verbraucherzentrale Baden-Württemberg e.V. Die Beklagte mit Sitz in der Schweiz bietet deutschen Verbrauchern Eilkredite, Kredite ohne Schufa-Eintragungen und sogenannte Finanzsanierungen an. Sie verwendet eine Widerrufsbelehrung, die nach Ansicht der Klägerin gegen das Deutlichkeitsgebot des Art. 246 Abs. 3 Satz 2 EGBGB verstößt und die sie außerdem als irreführend beanstandet. Die Klägerin hat die Beklagte, gestützt auf die §§ 8, 3, 4 Nr. 2 und 11, § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 UWG 2008 auf Unterlassung in Anspruch genommen.
2
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die dagegen gerichtete Berufung der Klägerin hat das Berufungsgericht zurückgewiesen und die Revision gegen sein Urteil nicht zugelassen. Den Streitwert für beide Instanzen hat es auf 3.000 Euro festgesetzt.
3
Dagegen richtet sich die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin. Mit der zuzulassenden Revision will sie ihre Klage weiterverfolgen.
4
Die Beklagte beantragt, den Gegenstandswert für das Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde festzusetzen.
5
II. Der Wert der mit der beabsichtigten Revision geltend zu machenden Beschwer beträgt 30.000 Euro und übersteigt damit den für die Zulässigkeit der Beschwerde erforderlichen Wert gemäß § 26 Nr. 8 EGZPO.
6
1. Das Berufungsgericht hat zur Begründung der Herabsetzung des vom Landgericht auf 30.000 Euro festgesetzten Streitwerts auf 3.000 € ausgeführt, dieser Wert sei regelmäßig angemessen, wenn es um die Verbannung unlauterer Widerrufsbelehrungen aus dem Geschäftsverkehr gehe. Die für die Streitwertbemessung von Verbandsklagen maßgeblichen Erwägungen gälten unabhängig davon, ob eine qualifizierte Einrichtung ihre Klagebefugnis auf das Unterlassungsklagengesetz oder auf das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb stütze. Verbraucherschutzverbände müssten bei der Wahrnehmung der ihnen im Allgemeininteresse eingeräumten Befugnis, den Rechtsverkehr von unwirksamen Allgemeinen Geschäftsbedingungen zu befreien, vor unangemessenen Kostenrisiken geschützt werden. Diesen Ausführungen kann nicht zugestimmt werden.
7
2. Der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer bemisst sich gemäß § 3 ZPO grundsätzlich nach dem Interesse des Rechtsmittelklägers an der Abänderung des angefochtenen Urteils. Die Klägerin will sich mit der Revision dagegen wenden, dass ihre auf Unterlassung der von der Beklagten verwendeten Widerrufsbelehrung gerichtete Klage abgewiesen worden ist.
Der Wert der Beschwer richtet sich daher nach dem Interesse der Klägerin an einer entsprechenden Verurteilung und entspricht damit dem Streitwert.
8
Maßgeblich für die Bestimmung des Streitwerts in Verfahren über Ansprüche nach dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb ist seit dem 16. Juli 2014 die Vorschrift des § 51 Abs. 2 GKG. Danach ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen. Die Festsetzung des Streitwerts kann nicht anhand von Regelstreitwerten erfolgen, weil dies mit den Vorschriften des § 3 ZPO und des § 51 Abs. 2 GKG nicht vereinbar ist, die eine Ermessensausübung des Gerichts vorsehen (BGH, Beschluss vom 22. Januar 2015 - I ZR 95/14, WRP 2015, 454 Rn. 2 mwN). Entscheidend ist bei Unterlassungsanträgen das Interesse des Klägers an der Unterbindung weiterer gleichartiger Verstöße, das maßgeblich durch die Art des Verstoßes, insbesondere seine Gefährlichkeit und Schädlichkeit für die Träger der maßgeblichen Interessen, bestimmt wird (BGH, Urteil vom 12. Juli 2012 - I ZR 54/11, GRUR 2013, 301 Rn. 56 = WRP 2013, 491 - Solarinitiative).
9
Bei wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsklagen von Verbraucherverbänden im Sinne von § 8 Abs. 3 Nr. 3 UWG kommt es für den Streitwert auf das satzungsmäßig wahrgenommene Interesse der Verbraucher an; maßgebend sind die gerade diesen drohenden Nachteile (BGH, Beschluss vom 17. März 2011 - I ZR 183/09, GRUR 2011, 560 Rn. 6 = WRP 2011, 752 - Streitwertherabsetzung II; Beschluss vom 6. Juni 2013 - I ZR 128/11, GRUR-RR 2013, 528 Rn. 2; Köhler/Feddersen in Köhler/Bornkamm, UWG, 34. Aufl., § 12 Rn. 5.9).
10
Wenn Gegenstand des Rechtsstreits die Verbandsklage eines Verbraucherschutzverbandes ist, wird der wirtschaftlichen Bedeutung des Verbots, bestimmte Klauseln zu verwenden, bei der Bemessung der Beschwer und des Streitwerts in der Regel allerdings keine ausschlaggebende Bedeutung beigemessen. Dem liegt die Erwägung zugrunde, Verbraucherschutzverbände bei der Wahrnehmung der ihnen im Allgemeininteresse eingeräumten Befugnis, den Rechtsverkehr von unwirksamen Allgemeinen Geschäftsbedingungen zu befreien, vor unangemessenen Kostenrisiken zu schützen (BGH, Beschluss vom 10. Dezember 2013 - XI ZR 405/12, ZIP 2014, 96 Rn. 5; Beschluss vom 9. Dezember 2014 - VIII ZR 160/14, juris Rn. 5, jeweils mwN; Beschluss vom 5. Februar 2015 - I ZR 106/14, juris Rn. 5; Beschluss vom 7. Mai 2015 - I ZR 108/14, juris Rn. 7).
11
Die Bewertung von Verbandsklagen, die sich gegen die Verwendung von missbräuchlichen Klauseln in Allgemeinen Geschäftsbedingungen richten, ist für die Bewertung der Interessen in einem Wettbewerbsprozess jedoch nicht maßgeblich (BGH, GRUR-RR 2013, 528 Rn. 3). Dem Umstand, dass die finanzielle Ausstattung der - ausschließlich im öffentlichen Interesse tätigen - Verbraucherverbände in der Regel gering bemessen ist, kann im Wettbewerbsprozess dadurch Rechnung getragen werden, dass auf deren Antrag gemäß § 12 Abs. 4 UWG eine Streitwertherabsetzung erfolgt. Dabei ist die Frage, ob ihre Belastung mit den Prozesskosten nach dem vollen Streitwert nicht tragbar erscheint , bei ihnen nach weniger strengen Maßstäben zu beurteilen als bei Wettbewerbsverbänden (BGH, GRUR 2011, 560 Rn. 6 - Streitwertherabsetzung II). Dies gilt gleichermaßen für die seit dem 9. Oktober 2013 geltende Neufassung des § 12 Abs. 4 UWG, nach der es maßgeblich darauf ankommt, ob die Belastung mit den Prozesskosten nach dem vollen Streitwert die wirtschaftliche Lage einer Partei erheblich gefährden würde.
12
3. Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe sind der Wert der Beschwer und der Streitwert für das Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde auf 30.000 Euro festzusetzen.
13
Da die Klägerin im Streitfall keine Verbandsklage nach den Bestimmungen des Unterlassungsklagengesetzes erhoben hat, sondern eine wettbewerbsrechtliche Unterlassungsklage, kommt es für die Streitwertbemessung ent- scheidend auf das von der Klägerin satzungsmäßig wahrgenommene Interesse der Verbraucher an.
14
Die Klägerin hat dieses Interesse in der Klageschrift mit 30.000 Euro angegeben. Sie hat vorgetragen, die Beklagte habe sich nach Erteilung eines Kreditvermittlungsauftrags durch einen Verbraucher und nach einem von ihm erklärten Widerruf darauf berufen, ein Widerrufsrecht sei ausgeschlossen, weil der Verbraucher ausdrücklich verlangt habe, dass sie den erteilten Auftrag bereits vor Ablauf der gesetzlichen Widerrufsfrist bearbeite. Verbraucher hätten sich in einer Vielzahl identischer Fälle an sie gewandt. Die Beklagte ist diesem Vortrag und der Streitwertangabe der Klägerin nicht entgegengetreten. Dementsprechend hat das Landgericht den Streitwert auf 30.000 Euro festgesetzt. Dieser Streitwert erscheint im Hinblick auf die in vergleichbaren Fällen festgesetzten Streitwerte angemessen.
15
Bei einer derartigen Sachlage bestand für das Berufungsgericht keine Veranlassung, das Interesse der Klägerin an einer Verurteilung der Beklagten anders zu bewerten und den Streitwert auf einen Betrag herabzusetzen, der der Klägerin die Möglichkeit nimmt, die Nichtzulassung der Revision durch das Revisionsgericht überprüfen zu lassen. Insbesondere kam eine Herabsetzung des Streitwerts unter dem Gesichtspunkt, die Klägerin vor einem unangemessenen Kostenrisiko zu schützen, nicht in Betracht. Die Klägerin hatte das von ihr verfolgte Interesse beziffert und keinen Antrag auf Streitwertherabsetzung nach § 12 Abs. 4 UWG gestellt. Büscher Schaffert Kirchhoff Löffler Schwonke
Vorinstanzen:
LG Stuttgart, Entscheidung vom 18.06.2015 - 36 O 104/14 KfH -
OLG Stuttgart, Entscheidung vom 07.01.2016 - 2 U 95/15 -
6
Diesen Wert setzt der Bundesgerichtshof in ständiger Rechtsprechung mit 2.500 Euro je angegriffener Teilklausel an (z.B. Senatsbeschlüsse vom 8. September 2011 aaO Rn. 1 und vom 28. September 2006 aaO Rn. 3; BGH, Beschlüsse vom 6. März 2013 aaO Rn. 3; vom 26. September 2012 - IV ZR 203/11, juris Rn. 21 und vom 26. September 2012 - IV ZR 208/11, NJW 2013, 875 Rn. 21). Dieser Ansatz ist auch in dem vorliegenden Fall zutreffend. Gründe dafür, den Wert der Beschwer ausnahmsweise über diesem Betrag anzusetzen , bestehen nicht. Zwar ist es nicht von vornherein ausgeschlossen, der herausragenden wirtschaftlichen Bedeutung einer Klausel für die betroffenen Ver- kehrskreise im Einzelfall ausnahmsweise durch die Ansetzung eines höheren Werts Rechnung zu tragen, wenn die Entscheidung über die Wirksamkeit einer bestimmten Klausel nicht nur für deren Verwender und die Vertragspartner, sondern für die gesamte Branche von wesentlicher Bedeutung ist. Dies kommt etwa in Betracht, wenn es um äußerst umstrittene verallgemeinerungsfähige Rechtsfragen von großer wirtschaftlicher Tragweite geht, über deren Beantwortung bereits vielfältig und mit kontroversen Ergebnissen gestritten wird (BGH, Beschlüsse vom 5. Februar 2015 aaO Rn. 6; vom 9. Dezember 2014 aaO Rn. 6 und vom 10. Dezember 2013 - XI ZR 405/12, BeckRS 2013, 22513 Rn. 6 f). Umstände, die im Streitfall eine solche Abweichung rechtfertigen könnten, sind weder ausreichend dargetan noch sonst ersichtlich.
3
1. Nach bisheriger Rechtsprechung des Senats richten sich Streitwert und Beschwer in Verfahren nach dem Unterlassungsklagengesetz (UKlaG) allein nach dem Interesse der Allgemeinheit an der Beseitigung der gesetzwidrigen AGB-Bestimmung, nicht hingegen nach der wirtschaftlichen Bedeutung eines Klauselverbots. Auf diese Weise sollen Verbraucherschutzverbände vor Kostenrisiken bei der Wahrnehmung der ihnen im Allgemeininteresse eingeräumten Befugnisse zur Befreiung des Rechtsverkehrs von unwirksamen AGB geschützt werden. Den Wert setzt der Senat in ständiger Rechtsprechung mit 2.500 € je angegriffener Teilklausel an (vgl. Senatsbeschluss vom 6. März 2013 - IV ZR 211/11, juris Rn. 3; ferner BGH, Beschluss vom 28. September 2006 - III ZR 33/06, NJW-RR 2007, 497 Rn. 2 f.).
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Den Streitwert sowie die Beschwer setzt der Bundesgerichtshof in ständiger Rechtsprechung mit 2.500 Euro je angegriffener Teilklausel an (z.B. Senatsbeschlüsse vom 28. Oktober 2015 - III ZR 64/15 aaO Rn. 6 und III ZR 36/15 aaO Rn. 5; vom 8. September 2011 aaO Rn. 1 und vom 28. September 2006 aaO Rn. 3; BGH, Beschlüsse vom 6. März 2013 aaO Rn. 3; vom 26. September 2012 - IV ZR 203/11 aaO Rn. 21 und IV ZR 208/11 aaO Rn. 21). Dies ist auch in dem vorliegenden Fall angemessen. Gründe dafür, den Wert der Beschwer ausnahmsweise über diesem Betrag anzusetzen, bestehen nicht. Zwar ist es nicht von vornherein ausgeschlossen, der herausragenden wirtschaftlichen Bedeutung einer Klausel für die betroffenen Verkehrskreise im Einzelfall ausnahmsweise durch die Bemessung mit einem höheren Wert Rechnung zu tragen, wenn die Entscheidung über die Wirksamkeit einer bestimmten Klausel nicht nur für deren Verwender und die Vertragspartner, sondern für die gesamte Branche von wesentlicher Bedeutung ist. Dies kommt etwa in Betracht , wenn es um äußerst umstrittene verallgemeinerungsfähige Rechtsfragen von großer wirtschaftlicher Tragweite geht, über deren Beantwortung bereits vielfältig und mit kontroversen Ergebnissen gestritten wird (Senatsbeschlüsse vom 28. Oktober 2015 jew. aaO; BGH, Beschlüsse vom 5. Februar 2015 aaO Rn. 6; vom 9. Dezember 2014 aaO Rn. 6 und vom 10. Dezember 2013 - XI ZR 405/12, BeckRS 2013, 22513 Rn. 6). Umstände, die im Streitfall eine solche Abweichung rechtfertigen könnten, sind weder dargetan noch sonst ersichtlich.