Verwaltungsgericht Augsburg Urteil, 16. Dez. 2015 - Au 4 K 15.869

bei uns veröffentlicht am16.12.2015

Gericht

Verwaltungsgericht Augsburg

Gründe

Aktenzeichen: Au 4 K 15.869

Gericht: VG Augsburg

Urteil

16. Dezember 2015

4. Kammer

Sachgebiets-Nr. 990

Hauptpunkte: Doppelseitige Werbeanlage auf Monofuß; Überschreitung einer faktischen Baugrenze (bejaht); Gefährdung von Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs, bejaht wegen Unfallhäufungsstelle und schlechter Einsehbarkeit an einem Überweg für Fußgänger und Fahrradfahrer

Rechtsquellen:

In der Verwaltungsstreitsache

...

- Klägerin -

gegen

...

- Beklagte -

beteiligt: ...

wegen Errichtung einer Werbeanlage

erlässt das Bayerische Verwaltungsgericht Augsburg, 4. Kammer, durch die Vorsitzende Richterin am Verwaltungsgericht ..., die Richterin am Verwaltungsgericht ..., den Richter am Verwaltungsgericht ..., den ehrenamtlichen Richter ..., die ehrenamtliche Richterin ... ohne mündliche Verhandlung am 16. Dezember 2015 folgendes

Urteil:

I.

Die Klage wird abgewiesen.

II.

Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

III.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die geplante Errichtung einer doppelseitigen Werbeanlage.

Mit Datum vom 26. Januar 2015 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Erteilung einer Baugenehmigung für eine beleuchtete, doppelseitige Werbeanlage auf dem Grundstück Fl.Nr. ... der Gemarkung ... (... 33 /... Straße 75). Die Werbetafel des Typs „City-Star-Board“ hat Ausmaße von ca. 3,89 m x 2,87 m (Breite x Höhe) und soll auf einem 2,50 m hohen Monofuß errichtet werden. Ein Bebauungsplan besteht nicht.

Mit Datum vom 6. Februar 2015 nahm das Amt für Tiefbau und Verkehr der Beklagten Stellung. Im entsprechenden Formblatt war angekreuzt, dass das Vorhaben abzulehnen sei. Zur Begründung wurde angegeben, die geplante Anlage befinde sich direkt im Bereich der Lichtsignalanlage ... Straße /..., einem Bereich, der von Verkehrsteilnehmern die volle Aufmerksamkeit erfordere. Darüber hinaus sei von Westen her kommend eine Wegweisungsbeschilderung vorhanden. Bei dieser Kreuzung handele es sich zudem um eine Unfallhäufungsstelle, bei der zusätzliche Ablenkungen nicht akzeptiert werden könnten.

In den Akten befindet sich ferner ein Vermerk über eine jährliche Sitzung der Unfallkommission am 4. Dezember 2014, wobei Unfallhäufungen aus den Jahren 2009 bis 2011 betrachtet wurden. Thematisiert wurden unter anderem Linksabbiegeunfälle im Bereich „... /... Straße“.

Ferner findet sich eine Gesprächsnotiz der Beklagten in den Akten, wonach die Lage der beantragten Werbeanlage nach Rücksprache mit der Polizei dahingehend beurteilt werde, dass die Anlage auch unbeleuchtet abzulehnen sei, da aufgrund der nachgewiesenen erheblichen Unfallzahlen an dieser Kreuzung keine weitere Verschlechterung der Situation durch Ablenkung in Form einer zusätzlichen großflächigen Werbetafel stattfinden dürfe. Die Aufmerksamkeit, die für Linksabbieger aus der ... Straße erforderlich sei, werde durch die Werbeanlage negativ beeinflusst. Sowohl die Polizei als auch das Verkehrsamt der Beklagten lehnten die Anlage aus diesen Gründen ab.

Mit Schreiben vom 16. März 2015 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass das Vorhaben nicht genehmigungsfähig sei. Hinsichtlich des Maßes der baulichen Nutzung werde eine faktische Baugrenze überschritten, die durch das Hauptgebäude ... Straße 33 nach Norden definiert werde. Das Vorhaben trete wesentlich von der maßgebenden Bebauung hervor und füge sich folglich nicht bezüglich der überbaubaren Grundstücksflächen in die Eigenart der näheren Umgebung ein. Ferner sei das Vorhaben auch wegen der festgestellten Unfallhäufungsstelle nicht akzeptabel.

Mit Schreiben vom 24. März 2015 trat die Klägerin den von der Beklagten geltend gemachten Versagungsgründen im Einzelnen entgegen.

Daraufhin wurde von einem Mitarbeiter der Beklagten mit Datum vom 17. April 2015 aus straßenverkehrlicher Sicht „nach nochmaliger Ortseinsicht und Abstimmung mit der Polizei“ eine Stellungnahme dahingehend abgegeben, dass auch die Errichtung einer unbeleuchteten Werbeanlage abgelehnt werde.

Mit Bescheid vom 3. Juni 2015 lehnte die Beklagte den Baugenehmigungsantrag ab. Zur Begründung wurde ausgeführt: Hinsichtlich des Maßes der baulichen Nutzung überschreite das Vorhaben eine faktische Baugrenze. Auch aus verkehrsrechtlichen Gründen sei die Anlage abzulehnen. Die Anlage befinde sich direkt im Bereich der Lichtsignalanlage ... Straße /..., der von den Verkehrsteilnehmern die volle Aufmerksamkeit erfordere. Von Westen her sei zusätzlich eine Wegweisungsbeschilderung vorhanden. Es handele sich um eine Unfallhäufigkeitsstelle, bei der zusätzliche Ablenkungen nicht akzeptiert werden könnten.

Die Klägerin ließ am 18. Juni 2015 Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht Augsburg erheben mit dem Antrag,

die Beklagte unter Aufhebung des Versagungsbescheides vom 3. Juni 2015, Az. ..., zu verpflichten, die beantragte Baugenehmigung zur Errichtung eines doppelseitigen City-Star-Boards auf dem Grundstück ... Straße ..., Gemarkung ..., Fl.Nr. ... in ... nach Maßgabe der eingereichten Pläne zu erteilen.

Zur Begründung wurde ausgeführt: Eine einheitliche zurückgesetzte Bebauung, die zu der Annahme führen könnte, es liege eine faktische Baugrenze vor, sei nicht vorhanden. Bei der überbaubaren Grundstücksfläche sei der Rahmen hinsichtlich der prägenden bzw. beeinflussenden Bebauung enger zu bemessen als bei der Art der baulichen Nutzung. Im vorliegenden Fall befinde sich auf dem Baugrundstück ein Gebäude, das in nördlicher Richtung eine Rücklage zum Gehsteig von ca. 5 m bis 10 m aufweise. Östlich hieran schließe die ... Straße an. Weiter östlich folge sodann das Gebäude ... Straße 68, dessen nördliche Außenwand exakt auf gleicher Höhe wie der geplanten Werbeanlage befindlich sei. In diesem Bereich sei direkt an der Straße bereits eine Werbetafel im Euroformat vorhanden, die ca. 35 m weiter nördlich des beantragten Vorhabens, direkt am Gehsteig des ... anschließe. Weiter östlich folgten zunächst unbebaute Grundstücke. In westlicher Richtung grenze an das Baugrundstück das flächenmäßig sehr große Grundstück Fl.Nr. ... an, das zunächst über eine Breite von mehr als 60 m unbebaut sei und dann mit dem Gebäude des ... bebaut sei. Dieses sei nicht parallel zum in südwestlicher Richtung verlaufenden ..., sondern streng in Richtung Norden ausgerichtet und weise zum ... hin - bedingt durch Anbauten und einen zum Gebäude um 45 Grad verschwenkten Baukörper - eine äußerst heterogene Bautiefe auf. Die Umgebung werde damit durch die vorhandenen Freiflächen entscheidend geprägt. Eine Bauflucht sei nicht erkennbar. Soweit die Umgebung bebaut sei, sei ebenfalls keine einheitliche Bauflucht erkennbar. Damit könne von einer faktischen Baugrenze keine Rede sein. Es handele sich vielmehr um eine ausgesprochen heterogene Bebauung, sowohl was das Maß der baulichen Nutzung angehe als auch was die vorhandenen Bautiefen und die Ausrichtung zum Straßenkörper hin angehe. Ein maßstabbildender Rahmen aus dem die geplante Werbeanlage hinausfallen könne, sei nicht vorhanden.

Selbst dann, wenn das Vorhaben ohne Vorbild wäre müsse davon ausgegangen werden, dass sich das Vorhaben in die vorhandene Bebauung einfüge, da es nicht zu zusätzlichen Spannungen führe. Da sich die Umgebung als intensiv genutztes Gewerbegebiet darstelle, in der die Errichtung einer Werbeanlage ohne weiteres planungsrechtlich zulässig sei, könne von einer wesentlichen Verschlechterung der städtebaulichen Situation, die durch eine völlig ungeordnete und uneinheitliche Bebauung geprägt sei, keine Rede sein.

Mit dem Vorhaben trete auch keine Gefährdung der Sicherheit oder Leichtigkeit des Verkehrs ein. Eine Werbeanlage wie die vorliegende ziele nicht darauf ab, die Aufmerksamkeit des Verkehrsteilnehmers länger zu fesseln. Bei der Werbebotschaft einer Fremdwerbeanlage handele es sich regelmäßig um eine reine Suggestiv- bzw. Erinnerungswerbung, die über die unbewusste Wahrnehmung der Werbebotschaft hinaus in der Regel kein Ablenkungspotential darstelle. Hier bestehe ein Unterschied im Vergleich zur Werbung an der Stätte der Leistung. Fremdwerbung solle lediglich bei Gelegenheit der Vorbeifahrt - im wahrsten Sinne des Wortes am Rande - wahrgenommen werden. Der Betrachter einer Fremdwerbetafel könne sich nach Passieren einer Verkehrspassage in der Regel an ein im Unterbewusstsein wahrgenommenes Motiv bzw. ein Markenkennzeichen erinnern, nicht aber daran, eine Werbetafel oder ein Plakat gesehen zu haben. Dies habe die Konsumforschung schon mehrfach erwiesen. Die Entscheidung, die mit der Aufnahme der Werbebotschaft einhergehe, solle dann fallen, wenn ein Kauf anstehe Auswahl den Betrachter angesichts der Ausfall sozusagen vor dem Verkaufsregal beim Anblick der beworbenen Marke ein „kenn ich“ durch den Kopf gehe bzw. ein positiv besetztes Imagebild, das durch das Plakat transportiert werde. Für die Teilnehmer am Straßenverkehr bedeute dies, dass Fremdwerbung in aller Regel überhaupt nicht darauf abziele, dass sich der Verkehrsteilnehmer während der Vorbeifahrt inhaltlich mit ihr beschäftige. Der durchschnittliche Verkehrsteilnehmer habe sich mittlerweile an Plakatwerbung der vorliegenden Art an hierfür geeigneten Plätzen gewöhnt.

Im vorliegenden Fall befänden sich zwischen der Lichtzeichenanlage und dem Baugrundstück noch die Abbiegespur vom ... in die ... Straße und der Gehsteig. Die Lichtzeichenanlage befinde sich im Bereich der Geradeausspuren. Damit befinde sich die Werbeanlage sehr deutlich außerhalb der Sichtachse zur Lichtzeichenanlage, nämlich mindestens 8 m bis 10 m von dieser abgerückt. Dadurch sei ausgeschlossen, dass Lichtzeichen überblendet oder sonst wie beeinflusst würden.

Die Beklagte beantragte mit Schreiben vom 20. Juli 2015,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung wurde ausgeführt: Das Vorhaben sei wegen Verletzung einer faktischen Baugrenze planungsrechtlich unzulässig. Der konkrete Standort werde hauptsächlich durch die Gebäude ... Straße 75 und ... 39 sowie von der Verkehrsader ... geprägt. Diesen Gebäuden, zwischen denen sich ein größeres unbebautes Grundstück befinde, sei gemeinsam, da sie sich vom Straßenrand des stark befahrenen ... mindestens ca. 10 m in Rücklage zum Gehsteig befänden. Hierdurch ergebe sich eine Baugrenze. Da die ... Straße eine Zäsur darstelle, sei das von der Klägerin in Bezug genommene Grundstück ... Straße 68 nicht mehr in die maßgebliche Umgebungsbebauung miteinzubeziehen. Das Vorhaben sei auch geeignet, bodenrechtliche Spannungen und eine negative Vorbildwirkung zu erzeugen. Die Bebauung vom ... aus betrachtet stelle sich als zurückhaltend und abstandswahrend im Hinblick auf die stark befahrene Verkehrsader dar. Eine Monofuß-Werbeanlage würde dieses einheitliche Bild zerstören und Unruhe in die diskrete Bebauung bringen. Schließlich komme der streitgegenständlichen Anlage negative Vorbildwirkung zu. Auch sei das objektivrechtliche Gebot der Rücksichtnahme verletzt.

Außerdem würde das Vorhaben gegen Art. 14 BayBO verstoßen, da Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs beeinträchtigt seien. Die Kreuzung sei, wie aus den Akten ersichtlich, eine Unfallhäufungsstelle. Eine Ablenkung durch eine Werbeanlage könne nicht akzeptiert werden. Der ... sei an der betreffenden Stelle vierspurig. Zwischen der geplanten Werbeanlage und den beiden Geradeausspuren sowie der unfallträchtigen Linksabbiegespur liege die extra abgehende Rechtsabbiegespur, so dass insbesondere die Geradeausfahrer und Linksabbieger durch die Werbeanlage zu einer Blickausrichtung nach rechts und damit weg vom unfallträchtigen Kreuzungspunkt verleitet würden. Durch die geplante Beleuchtung würde der Ablenkungseffekt noch verstärkt. Eine Gefahr sei jedoch auch ohne Beleuchtung gegeben. Die notwendige erhöhte Aufmerksamkeit aufgrund der Lichtsignalanlage, insbesondere der Fußgänger- und Fahrradampel, lasse sich nicht vereinbaren mit der Blickabwendung des Verkehrsteilnehmers Richtung Werbeanlage, auch wenn dies zwar kurzzeitig, aber in unmittelbarer Nähe zur Lichtsignalanlage erfolge.

Die von der Klägerin in Bezug genommene vorhandene Werbeanlage im südöstlichen Teil der Kreuzung sei nicht genehmigt worden. Ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz liege daher nicht vor. Außerdem liege diese Werbeanlage außerhalb der maßgeblichen unmittelbaren Umgebungsbebauung.

Am 11. August 2015 nahm der Berichterstatter das Vorhabengrundstück und die nähere Umgebung in Augenschein.

Mit Schriftsatz vom 26. August 2015 nahm die Klägerin weiter Stellung. Der Augenschein habe gezeigt, dass keine faktische Baugrenze vorhanden sei. Hierfür reiche es nicht aus, wenn auf einem der benachbarten Grundstücke die Bebauung zurückgesetzt sei. Eine faktische Baugrenze liege auch dann nicht vor, wenn die Bebauung in der näheren Umgebung überwiegend oder sogar insgesamt mehr oder weniger hinter die Straßenbegrenzungslinie zurücktrete. Vielmehr müssten die tatsächlichen Verhältnisse planersetzend sein und müsse die Bebauung insofern eine gewisse Homogenität erkennen lassen. Eine Linie, die keine Planmäßigkeit erkennen lasse, gewissermaßen im Zickzack verlaufe, stelle keine faktische Baugrenze im Rechtssinne dar. Im vorliegenden Fall sei die Umgebung entscheidend durch die westlich an das Baugrundstück angrenzende Parkanlage und das Klinikgebäude geprägt, das zweifellos mit dem Gebäude ... Straße 75 keine einheitlich zurückversetzte Bebauung mit planersetzendem Charakter bilde. Auf dem Grundstück ... Straße 68 befinde sich ein Wirtshaus, dessen nördliche Giebelwand sich auf gleicher Höhe wie die beantragte Werbeanlage befinde. Die Werbeanlage wirke sich auch optisch auf dieses aus. Auch Richtung Norden liege angesichts der heterogenen Bebauung keine faktische Baugrenze vor.

Auch eine Gefährdung der Sicherheit und Leichtigkeit des Straßenverkehrs trete nicht ein. Die Unfälle beträfen vornehmlich den Linksabbiegerverkehr aus der ... Straße in den .... Diese Verkehrsteilnehmer verfügten jedoch über eine eigene ampelgeregelte Abbiegespur. Im Zeitpunkt des Abbiegens befinde sich die geplante Werbeanlage nicht nur weit außerhalb von deren Sichtfeld, sondern diese Verkehrsteilnehmer könnten bei der Einfahrt in die Kreuzung aus Richtung Nordwesten kommend die in Richtung Südwesten und Nordosten ausgerichtete Werbeflächen überhaupt nicht wahrnehmen. Allenfalls die Seitenansicht der Werbeanlage sei wahrnehmbar, welche aber kein Ablenkungspotential darstelle. Die Werbeanlage trete insgesamt erst in den Blick, wenn sich die Verkehrsteilnehmer bereits orientiert und sich in die richtige Spur eingeordnet hätten.

Mit Schreiben vom 8. bzw. 16. September 2015 wiederholten und vertieften die Parteien nochmals ihre Ausführungen zur maßgebenden Umgebungsbebauung und zu einer Verkehrsgefährdung.

Die Klägerin erklärte sich beim Ortstermin, die Beklagte im Schreiben vom 8. September 2015 mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und Behördenakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage, über die mit Einverständnis der Parteien ohne mündliche Verhandlung entschieden werden konnte (§ 101 Abs. 2 VwGO), ist nicht begründet.

Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die begehrte Baugenehmigung. Dem Bauvorhaben stehen Vorschriften des Bauplanungsrechts entgegen, die im bauaufsichtlichen Genehmigungsverfahren zu prüfen sind (Art. 68 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 i. V. m. Art. 59 Satz 1 Nr. 1 BayBO; unten 1.). Das Bauvorhaben verstößt ferner gegen sonstige öffentlichrechtliche Vorschriften, auf die sich die Beklagte berufen hat (vgl. Art. 68 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 BayBO; unten 2.). Der Ablehnungsbescheid der Beklagten vom 3. Juni 2015 ist daher rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 5 VwGO).

1.Im hier vorliegenden unbeplanten Innenbereich muss sich ein Vorhaben gemäß § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB auch hinsichtlich der überbaubaren Grundstücksfläche in die Eigenart der näheren Umgebung einfügen. Dies ist wegen der Überschreitung einer faktischen Baugrenze durch die beantragte Werbeanlage nicht der Fall.

Die nähere Umgebung ist für die in § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB bezeichneten Kriterien jeweils gesondert abzugrenzen. Dabei ist der für die Bestimmung der überbaubaren Grundstückfläche maßgebliche Bereich in der Regel enger zu ziehen als derjenige für die Ermittlung der zulässigen Art der Nutzung (vgl. nur BayVGH, B.v. 11.11.2014 - 15 B 12.2765 - juris Rn. 13 m. w. N.).

Nicht mehr in den maßgeblichen Bebauungszusammenhang einzubeziehen ist danach die von der Klägerin angeführte Bebauung östlich der ... Straße. Ob einer Straße bezüglich des maßgeblichen Bebauungszusammenhangs trennende Wirkung zukommt, ist - wie letztlich die Bestimmung der „näheren Umgebung“ im Sinne des § 34 BauGB überhaupt - im jeweiligen Einzelfall festzustellen. Anerkannt ist insoweit beispielsweise ein Abstellen auf die Funktion der Straße, ihren Ausbauzustand und ihre Breite (vgl. BayVGH, B.v. 4.9.2009 - 1 ZB 08.967 - juris Rn. 11 und 13). Vor diesem rechtlichen Hintergrund kommt der ... Straße trennende Wirkung zu.

Die Gesamtsituation des Vorhabengrundstücks und insbesondere des geplanten Standorts der Werbeanlage ist zunächst von der großräumigen und stark befahrenen Kreuzung zwischen ... und ... Straße geprägt. Der Durchmesser des Kreuzungsbereichs liegt, selbst wenn nur die dort mehrspurigen Fahrbahnen berücksichtigt werden, bei ca. 50 Metern. Schon deshalb muss davon ausgegangen werden, dass sich der jeweilige Bebauungszusammenhang nicht über die einzelnen Achsen der Kreuzung (Straßenzüge) hinaus erstreckt. Die ... Straße selbst weist auf Höhe des geplanten Standorts ebenfalls allein mit ihren Fahrbahnen eine Breite von über 20 Metern auf. Auf Höhe der bestehenden Bebauung auf dem Vorhabengrundstück liegt die Breite immer noch bei über 15 Metern. Werden die Gehsteige hinzugezählt, ergeben sich entsprechend höhere Werte. Ferner weist die ... Straße im fraglichen Bereich der geplanten Anlage drei Fahrspuren stadtauswärts (je eine für Linksabbieger, Geradeausfahrer und Rechtsabbieger) sowie eine - breite - Fahrspur stadteinwärts auf. Hinzu kommt jedenfalls auf Höhe der geplanten Anlage das Ende der Rechtsabbiegerspur aus dem ... stadteinwärts. Schließlich dient die ... Straße an dieser Stelle als Verbindung zum Zentrum der Beklagten, insbesondere auch vom mehrspurig um die Innenstadt herumführenden .... Entsprechende Beschilderungen befinden sich an der Kreuzung für Verkehrsteilnehmer aus allen drei in Betracht kommenden Richtungen (Westen, Norden, Osten). Maßgeblich abzustellen ist daher auf den Bereich südlich des ... und westlich der ... Straße.

In Bezug auf die überbaubare Grundstücksfläche kann zur Konkretisierung der Anforderungen des § 34 Abs. 1 BauGB auf die Bestimmungen des § 23 BauNVO zurückgegriffen werden (vgl. BayVGH, B.v. 11.11.2014 - 15 B 12.2765 - juris Rn. 13; BayVGH, U.v. 7.7.2004 - 26 B 03.2798 - juris Rn. 22; BayVGH, B.v. 25.4.2005 - 1 CS 04.3461 - juris Rn. 15 ff.). Danach fügt sich die beantragte Werbeanlage nicht in die Eigenart der näheren Umgebung ein, weil eine faktische Baugrenze besteht, die gem. § 23 Abs. 3 Satz 1 BauNVO nicht überschritten werden darf. Die Anlage soll in unmittelbarem Anschluss an den südlichen Geh- und Radweg des ... errichtet werden. Damit wird bezüglich der überbaubaren Grundstücksfläche der sich aus der näheren Umgebung ergebende Rahmen verlassen.

Auf dem Vorhabengrundstück selbst ist die Bebauung vom ... (einschließlich des zugehörigen Geh- und Radwegs) um mehrere Meter zurückversetzt. Westlich schließt sich das ausgreifende Grundstück FlNr. ... mit zunächst einer Grünfläche bzw. parkähnlichen Nutzung an, die zu dem darauffolgenden, ebenfalls auf diesem Grundstück errichteten ... gehört. Dessen Gebäude weist zwar hinsichtlich seiner äußeren Form und Ausrichtung vermutlich bewusste architektonische Besonderheiten auf (kreuzähnliche Form, strenge Nord-Süd-Ausrichtung, Nordende mit um 45 Grad gedrehtem quadratförmigem Obergeschoss). Auch dieses Gebäude ist jedoch klar vom ... zurückversetzt. Der weiter westlich folgenden Bebauung kommt angesichts der erheblichen Entfernung zum Vorhabengrundstück (ca. 150 Meter und mehr) keine prägende Wirkung mehr zu; ohnehin ist auch bei dieser Bebauung eine Rückversetzung festzustellen. Auf die sich auf dem Grundstück Fl.Nr. ... befindlichen, näher zum ... gelegen Garagen käme es nicht an, weil insoweit lediglich auf die Hauptanlagen abzustellen ist (OVG NRW, U.v. 29.7.2003 - 10 B 1057/03 - BauR 2004, 314 - juris Rn. 10).

Zwar verlangt die Feststellung einer faktischen Baugrenze hinreichende Anhaltspunkte für eine städtebaulich verfestigte Situation; die tatsächlich vorhandene Bebauung und die hieraus zu folgernde Baugrenze - mit der Folge einer nicht überbaubaren Grundstücksfläche - dürfen kein bloßes „Zufallsprodukt“ ohne eigenen städtebaulichen Aussagewert sein (vgl. jüngst VG Augsburg, U.v. 29.10.2015 - Au 5 K 15.351 - UA Rn. 39 unter Hinweis auf OVG Berlin-Brandenburg, U.v. 13.3.2013 - OVG 10 B 4.12 - juris Rn. 45 und auf VG München, U.v. 18.6.2015 - M 11 K 14.1181 - juris Rn. 30). Ähnliches ergibt sich aus der von der Klägerin angeführten Rechtsprechung, wonach die tatsächlichen Verhältnisse planersetzend sein müssen und die Bebauung insofern eine gewisse Homogenität erkennen lassen muss.

Von einer lediglich zufälligen Konstellation ohne städtebaulichen Aussagewert oder planersetzenden Charakter kann hier jedoch keine Rede sein. Die Bebauung ist südlich des ... in der gesamten maßgeblichen näheren Umgebung und sogar darüber hinaus von dieser Straße etliche Meter zurückversetzt. Ein „Zufallsprodukt“ liegt nicht vor. Vielmehr stellt eine von einer derart ausgebauten und stark befahrenen Straße zurückversetzte Bebauung ein wesentliches und prägendes Element dar, dem auch eine eigene städtebauliche Aussage zukommt. Würde der fragliche Bereich mit einem Bebauungsplan überplant, würde es sich geradezu aufdrängen, die durchweg vorhandene Zurückversetzung mittels einer Baugrenze planerisch festzuschreiben. Dass sich zwischen dem Gebäude ... 33 /... Straße 75 auf dem Vorhabengrundstück und dem ... zunächst keine Bebauung, sondern eine Grünanlage befindet, spricht nicht gegen die erforderliche (gewisse) Homogenität, sondern belegt in besonderem Maße das dort faktisch herrschende Prinzip, dass bauliche Anlagen nicht direkt an den ... stoßen.

Eine ausnahmsweise Zulässigkeit nach der überbaubaren Grundstücksfläche - wegen harmonischer Beziehung zur vorhandenen Bebauung (vgl. BVerwG, B.v. 4.2.1986 - 4 B 7/86 u. a. - NVwZ 1986, 740- juris Rn. 4) - ist vorliegend nicht ersichtlich, da die Werbeanlage frontal unmittelbar an der vorderen Grundstücksgrenze mit unmittelbarer Ausrichtung der Werbetafel auf den ... (West-Ost-Richtung) und insbesondere den bisher von Bebauung freien Bereich errichtet werden soll. Als erstes Vorhaben dieser Art im maßgeblichen Bereich außerhalb der faktischen Baugrenze würde die Anlage die ihr vorgegebene Situation gleichsam in Bewegung bringen und damit „Unruhe“ entstehen lassen (BVerwG, B.v. 23.7.1993 - 4 B 59/93 - juris Rn. 4).

2.Dem Vorhaben steht ferner Art. 14 Abs. 2 BayBO entgegen, wonach die Sicherheit und Leichtigkeit des öffentlichen Verkehrs durch bauliche Anlagen nicht gefährdet werden darf. Die Vorschrift ist zwar nicht Gegenstand des hier einschlägigen Prüfprogramms des Art. 59 BayBO. Gemäß Art. 68 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 BayBO durfte die Beklagte den Bauantrag jedoch auch wegen der Verletzung von öffentlichrechtlichen Vorschriften ablehnen, die nicht im bauaufsichtlichen Genehmigungsverfahren zu prüfen sind.

Nach der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (BayVGH, B.v. 27.10.2011 - 15 ZB 10.2409 - juris Rn. 6; B.v. 24.2.2003 - 2 CS 02.2730 - juris Rn. 16) wird die Sicherheit oder Leichtigkeit des Verkehrs - konkret - gefährdet, wenn nach den Erfahrungen des täglichen Lebens mit hinreichender oder - anders ausgedrückt - „bloßer“ Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist, dass durch die Anlage ein Verkehrsunfall verursacht wird oder der Verkehr in seinem Ablauf behindert wird, insbesondere ein Durchschnittskraftfahrer durch sie abgelenkt wird. Der Nachweis, dass jederzeit mit einem Schadenseintritt zu rechnen ist oder eine hohe Wahrscheinlichkeit hierfür sind nicht erforderlich. Zur Annahme einer Gefahrenlage genügt daher die Feststellung, dass die konkrete Situation die Befürchtung nahelegt, dass - möglicherweise durch Zusammentreffen mehrerer gefahrenträchtiger Umstände - irgendwann in überschaubarer Zukunft mit hinreichender Wahrscheinlichkeit die zu bekämpfende Gefahrenlage eintritt. Geht es dabei um die Gefährdung von Leben und Gesundheit, sind an die Feststellung der Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts keine übermäßig hohen Anforderungen zu stellen.

In Anwendung dieser Grundsätze, der auch die Kammer namentlich in jüngerer Zeit in Bezug auf die Gefährdung der Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs durch Werbeanlagen gefolgt ist (VG Augsburg, U.v. 10.6.2015 - Au 4 K 14.1686 bzw. Au 4Au 4 K 15.168 - juris Rn. 34 bzw. Rn. 26; U.v. 12.8.2015 - Au 4 K 15.298 - juris Rn. 20), liegt eine Gefährdung im Sinne von Art. 14 Abs. 2 BayBO durch die streitgegenständliche Werbeanlage vor.

Nach den nachvollziehbaren von der Beklagten im Genehmigungsverfahren eingeholten - einschließlich polizeilichen (vgl. Bl. 41 des Verfahrensakts) - Stellungnahmen handelt es sich bei der vorliegenden Kreuzung ... /... Straße schon bisher um eine Unfallhäufungsstelle, so dass keine weitere Verschlechterung der Situation durch Ablenkung stattfinden dürfe. Derartige Stellungnahmen sind zwar weder für die Genehmigungsbehörde noch für das Gericht bindend; sie haben jedoch namentlich angesichts der Sach- und Problemnähe der örtlichen (polizeilichen) Dienststellen eine nicht unerhebliche Aussagekraft (vgl. VG Augsburg, U.v. 12.8.2015 - Au 4 K 15.298 - juris Rn. 22). In tatsächlicher Hinsicht wird dies dadurch untermauert, dass es in den Jahren 2009 - 2011 (aktuellere Zahlen lagen im Zeitpunkt des Genehmigungsverfahrens nicht vor) zu Unfällen mit insgesamt sechs Verletzten gekommen ist (Bl. 39 des Verfahrensakts).

Ist aber eine Gefährdung des hochrangigen Rechtsgutes Gesundheit nicht „nur“ wahrscheinlich, sondern ist es bereits im Rahmen der bisherigen Situation immer wieder zu einer Verletzung dieses Rechtsguts gekommen, sind die Anforderungen an die Feststellung der Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts weiter gemindert. Erst recht braucht nicht in einer Art „Probephase“ zugewartet werden, ob bei einer Veränderung der Situation (Genehmigung und Errichtung der Werbeanlage) eine weitere Verschlechterung etwa dahin gehend eintritt, dass es zu häufigeren oder gar schwerwiegenderen Unfällen kommt. Ein solches Vorgehen verbietet sich angesichts der Gefährdung hochrangiger Rechtsgüter auch in Abwägung mit den wirtschaftlichen Interessen der Klägerin. Dies gälte selbst dann, wenn es sich bisher nicht um einen Unfallschwerpunkt handelte (vgl. BayVGH, B.v. 27.10.2011 - 15 ZB 10.2409 - juris Rn. 5 unter Verweis auf OVG NRW, U.v. 17.4.2002 - 10 A 4188/01 - BauR 2002, 1231).

Vor diesem Hintergrund spielt es auch keine entscheidende Rolle, dass sich an der in Rede stehenden Kreuzung bisher vor allem die Linksabbiegevorgänge von der ... Straße in den ... als problematisch erwiesen haben, die Werbetafel aber senkrecht zum ... ausgerichtet sein soll. Ist das Verkehrsgeschehen an einer - stark befahrenen - Kreuzung ausweislich des Unfallgeschehens in der Vergangenheit bereits derart komplex und erfordert demzufolge die volle Aufmerksamkeit der Verkehrsteilnehmer, ist es nicht sachgerecht, bezüglich der Gefährdung der Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs lediglich einige spezifische Verkehrsvorgänge herauszugreifen und zu prüfen, ob sich gerade für diese eine Erschwernis oder Verschlechterung ergibt. Bei einer derartig großen und stark befahrenen Kreuzung betrifft zwangsläufig das Verhalten eines Verkehrsteilnehmers bzw. ein Verkehrsvorgang auch andere, selbst wenn sich diese Vorgänge bisher nicht gesondert als problematisch erwiesen haben.

Im Übrigen kann die streitgegenständliche Werbeanlage aufgrund ihrer Platzierung und Ausrichtung durchaus auch Relevanz für Linksabbiegevorgänge aus der ... Straße haben. So beginnt der Linksabbiegevorgang für die aus Richtung Süden kommenden Verkehrsteilnehmer auf der ... Straße bereits mit dem Einordnen in die Linksabbiegerspur, deren Beginn deutlich südlich des Standorts der Anlage liegt, so dass die Anlage während des Vorgangs noch - seitlich - in den Blick geraten kann. Auch die Geradeausfahrer aus Richtung Norden haben jedenfalls in der Mitte der Kreuzung einen schräg seitlichen Blick auf die Anlage. Gerade sie benötigen aber wegen der Linksabbieger aus Richtung Süden an dieser Stelle die volle Aufmerksamkeit. Ein Nachweis, dass die Situierung der Anlage tatsächlich zu einer Verkehrsgefährdung führt, ist dabei - wie ausgeführt - nicht erforderlich.

Ferner hat sich im Zuge des Ortstermins herausgestellt, dass die Werbeanlage für Rechtsabbieger vom ... aus Richtung Westen in die ... Straße in Richtung Süden wegen der Bepflanzungen, insbesondere Bäumen, auf dem genannten Grundstück Fl.Nr. ... erst kurz vor der Kreuzung, während des Rechtsabbiegevorgangs, (vollständig) sichtbar würde. An dieser Stelle ist jedoch die volle Aufmerksamkeit von Rechtsabbiegern nötig, weil Fußgänger und Fahrradfahrer den Rechtsabbiegestreifen aus Richtung Norden queren, hierfür jedoch keine eigene Lichtsignalregelung besteht. Es liegt nach der Lebenserfahrung nahe, dass Fahrradfahrer, aber auch Fußgänger aus Richtung Norden, denen die Lichtsignalanlage für die Querung des eigentlichen ... grünes Licht zeigt, versuchen werden, „in einem Zug“ die Kreuzung vollständig zu überqueren, einschließlich der genannten Rechtsabbiegerspur. Gerade aufgrund der Tatsache, dass sich diese Rechtsabbiegespur am Ende des Querungsvorgangs befindet und des Umstands, dass hier keine Regelung durch eine Lichtsignalanlage stattfindet, haben Autofahrer - die ausweislich der Beschilderung Radfahrern Vorfahrt zu gewähren haben - hier besonders darauf zu achten, ob sich von links ein querender Radfahrer nähert. Damit ist eine unvermittelt auf der rechten Seite in den Blick rückende Werbeanlage nicht zu vereinbaren.

Die Kammer vermag in rechtlicher Hinsicht den Ausführungen der Klägerin zu der Wirkungsweise der von ihr geplanten Werbeanlage nicht zu folgen. Werbepsychologisch bzw. im Bereich der Konsumforschung mag es zutreffen, dass Verkehrsteilnehmer von Anlagen der vorliegenden Art nicht länger „gefesselt“ werden sollen, sondern dass eine vor allem unbewusste Vermittlung der Werbebotschaft bezweckt ist. Letztlich liefe dies jedoch darauf hinaus, Werbeanlagen in aller Regel keine Ablenkungswirkung zuzumessen. Dies findet jedoch so in der Rechtsprechung keine Stütze. Die Klägerin muss sich vielmehr daran festhalten lassen, dass sie die starke Frequentierung der Kreuzung sowie die häufigen Haltevorgänge wegen der Lichtsignalanlagen für ihre Zwecke bzw. diejenigen ihrer Kunden (Erzielung von Aufmerksamkeit; Auffallen) nutzen möchte und damit zumindest in Kauf nimmt, dass sich die Verkehrsteilnehmer nicht mehr ausschließlich auf das Geschehen an der Kreuzung konzentrieren. Es wäre daher widersprüchlich anzunehmen, die Werbeanlage ließe das Verkehrsgeschehen auf der Kreuzung praktisch völlig unberührt. Zudem zeigt die Lebenserfahrung, dass derartige Werbeanlagen durchaus immer wieder auch mit bewusst auffälligen Plakaten versehen werden und dass auch - wie im Bereich der Werbung letztlich selbstverständlich - mit überraschenden oder ungewöhnlichen Gestaltungen und Botschaften gearbeitet wird, um Aufmerksamkeit zu erzielen. Auf Einschränkungen hinsichtlich der Ausgestaltung der Werbeplakate hat sich die Klägerin - soweit dies überhaupt praktikabel wäre - nicht festgelegt.

Nicht von Relevanz ist schließlich die bestehende Werbetafel am südöstlichen Kreuzungsrand. Abgesehen davon, dass insoweit der Grundsatz „keine Gleichheit im Unrecht“ gilt, hat die Beklagte unwidersprochen vorgetragen, für diese Anlage keine Baugenehmigung erteilt zu haben. Die Beklagte dürfte diesbezüglich über die Einleitung von bauaufsichtlichen Maßnahmen gerade angesichts der von ihr festgestellten Unfallhäufung zu befinden haben, zumal diese Anlage in der Tat insbesondere in den Blick von Linksabbiegern aus der ... Straße (nördliche Richtung) gerät.

Von einer Gefährdung der Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs im Sinne von Art. 14 Abs. 2 BayBO ist nach allem auszugehen.

Die Klage war daher mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. ZPO.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen dieses Urteil steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zugelassen wird. Die Zulassung der Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils beim Bayerischen Verwaltungsgericht Augsburg, Hausanschrift: Kornhausgasse 4, 86152 Augsburg, oder Postfachanschrift: Postfach 11 23 43, 86048 Augsburg, schriftlich zu beantragen.

Der Antrag muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof, Hausanschrift in München: Ludwigstr. 23, 80539 München, oder Postfachanschrift in München: Postfach 34 01 48, München, Hausanschrift in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach einzureichen. Die Berufung ist nur zuzulassen, wenn

1. ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,

2. die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,

3. die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,

4. das Urteil von einer Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, des Bundesverwaltungsgerichts, des gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder

5. wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich die Beteiligten durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingeleitet wird. Als Bevollmächtigte sind die in § 67 Absatz 2 Satz 1 und Absatz 2 Satz 2 Nr. 3 bis 7 VwGO bezeichneten Personen und Organisationen zugelassen. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich auch durch die in § 67 Abs. 4 Satz 4 VwGO genannten Personen vertreten lassen.

Beschluss:

Der Streitwert wird auf 10.000,- EUR festgesetzt.

Gründe:

Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 52 Abs. 1 GKG i. V. m. Nr. 9.1.2.3.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013, wobei wegen der Zweiseitigkeit der Werbeanlage der dort ausgewiesene Streitwert zu verdoppeln war.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Beschluss steht den Beteiligten die Beschwerde an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zu, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 200,- EUR übersteigt oder die Beschwerde zugelassen worden ist.

Die Beschwerde ist innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, beim Bayerischen Verwaltungsgericht Augsburg, Hausanschrift: Kornhausgasse 4, 86152 Augsburg, oder Postfachanschrift: Postfach 11 23 43, 86048 Augsburg, schriftlich einzureichen oder zu Protokoll der Geschäftsstelle einzulegen; § 129a der Zivilprozessordnung gilt entsprechend. Der Mitwirkung eines Bevollmächtigten bedarf es hierzu nicht.

Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde auch noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.

Urteilsbesprechung zu Verwaltungsgericht Augsburg Urteil, 16. Dez. 2015 - Au 4 K 15.869

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(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

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(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au

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(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs. (2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungskl
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Referenzen

(1) Das Gericht entscheidet, soweit nichts anderes bestimmt ist, auf Grund mündlicher Verhandlung. Die mündliche Verhandlung soll so früh wie möglich stattfinden.

(2) Mit Einverständnis der Beteiligten kann das Gericht ohne mündliche Verhandlung entscheiden.

(3) Entscheidungen des Gerichts, die nicht Urteile sind, können ohne mündliche Verhandlung ergehen, soweit nichts anderes bestimmt ist.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile ist ein Vorhaben zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und die Erschließung gesichert ist. Die Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse müssen gewahrt bleiben; das Ortsbild darf nicht beeinträchtigt werden.

(2) Entspricht die Eigenart der näheren Umgebung einem der Baugebiete, die in der auf Grund des § 9a erlassenen Verordnung bezeichnet sind, beurteilt sich die Zulässigkeit des Vorhabens nach seiner Art allein danach, ob es nach der Verordnung in dem Baugebiet allgemein zulässig wäre; auf die nach der Verordnung ausnahmsweise zulässigen Vorhaben ist § 31 Absatz 1, im Übrigen ist § 31 Absatz 2 entsprechend anzuwenden.

(3) Von Vorhaben nach Absatz 1 oder 2 dürfen keine schädlichen Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden zu erwarten sein.

(3a) Vom Erfordernis des Einfügens in die Eigenart der näheren Umgebung nach Absatz 1 Satz 1 kann im Einzelfall abgewichen werden, wenn die Abweichung

1.
einem der nachfolgend genannten Vorhaben dient:
a)
der Erweiterung, Änderung, Nutzungsänderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten Gewerbe- oder Handwerksbetriebs,
b)
der Erweiterung, Änderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten, Wohnzwecken dienenden Gebäudes oder
c)
der Nutzungsänderung einer zulässigerweise errichteten baulichen Anlage zu Wohnzwecken, einschließlich einer erforderlichen Änderung oder Erneuerung,
2.
städtebaulich vertretbar ist und
3.
auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist.
Satz 1 findet keine Anwendung auf Einzelhandelsbetriebe, die die verbrauchernahe Versorgung der Bevölkerung beeinträchtigen oder schädliche Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden haben können. In den Fällen des Satzes 1 Nummer 1 Buchstabe b und c kann darüber hinaus vom Erfordernis des Einfügens im Einzelfall im Sinne des Satzes 1 in mehreren vergleichbaren Fällen abgewichen werden, wenn die übrigen Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und die Aufstellung eines Bebauungsplans nicht erforderlich ist.

(4) Die Gemeinde kann durch Satzung

1.
die Grenzen für im Zusammenhang bebaute Ortsteile festlegen,
2.
bebaute Bereiche im Außenbereich als im Zusammenhang bebaute Ortsteile festlegen, wenn die Flächen im Flächennutzungsplan als Baufläche dargestellt sind,
3.
einzelne Außenbereichsflächen in die im Zusammenhang bebauten Ortsteile einbeziehen, wenn die einbezogenen Flächen durch die bauliche Nutzung des angrenzenden Bereichs entsprechend geprägt sind.
Die Satzungen können miteinander verbunden werden.

(5) Voraussetzung für die Aufstellung von Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 ist, dass

1.
sie mit einer geordneten städtebaulichen Entwicklung vereinbar sind,
2.
die Zulässigkeit von Vorhaben, die einer Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung nach Anlage 1 zum Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung oder nach Landesrecht unterliegen, nicht begründet wird und
3.
keine Anhaltspunkte für eine Beeinträchtigung der in § 1 Absatz 6 Nummer 7 Buchstabe b genannten Schutzgüter oder dafür bestehen, dass bei der Planung Pflichten zur Vermeidung oder Begrenzung der Auswirkungen von schweren Unfällen nach § 50 Satz 1 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes zu beachten sind.
In den Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 können einzelne Festsetzungen nach § 9 Absatz 1 und 3 Satz 1 sowie Absatz 4 getroffen werden. § 9 Absatz 6 und § 31 sind entsprechend anzuwenden. Auf die Satzung nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 3 sind ergänzend § 1a Absatz 2 und 3 und § 9 Absatz 1a entsprechend anzuwenden; ihr ist eine Begründung mit den Angaben entsprechend § 2a Satz 2 Nummer 1 beizufügen.

(6) Bei der Aufstellung der Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 sind die Vorschriften über die Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung nach § 13 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 und 3 sowie Satz 2 entsprechend anzuwenden. Auf die Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 1 bis 3 ist § 10 Absatz 3 entsprechend anzuwenden.

Tenor

I.

Das Urteil des Verwaltungsgerichts Augsburg vom 4. August 2011 wird geändert. Die Klage gegen den Bescheid der Stadt Augsburg vom 1. Juli 2010 wird abgewiesen.

II.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

III.

Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

IV.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Am 16. Februar 2010 beantragte die Klägerin die Erteilung einer Baugenehmigung für die Errichtung einer beleuchteten Werbetafel („TopLux“) an der straßenseitigen Außenwand einer flach überdachten Tiefgarageneinfahrt auf dem Grundstück FlNr. .../... der Gemarkung O. im Ortsteil K. der Beklagten. Die Wand, an der das Vorhaben rund 0,20 m oberhalb des unmittelbar vorbeiführenden Gehwegs angebracht werden soll, ist circa 7,00 m lang und 2,63 m hoch. Die aus drei Aluminiumblech-Segmenten bestehende Werbetafel selbst ist knapp 2,84 m hoch und etwas über 3,86 m breit; der auf allen vier Seiten zu öffnende, an den Ecken abgerundete Aluminiumrahmen ist circa 0,12 m tief; diese Konstruktion kann nach den Bauvorlagen mit oben und unten angebrachten Wandhaltern, zu deren Bautiefe keine konkreten Angaben gemacht wurden, an einer Mauer oder Wand befestigt werden. Auf der Oberseite soll die Tafel mit einer 3,46 m langen und insgesamt ab deren (wohl auf der Rückseite der Tafel angebrachten) Befestigungslaschen an zwei Auslegern rund 0,55 m auskragenden Beleuchtungsleiste (insgesamt 72 Watt Lampenleistung) versehen werden.

Die Beklagte lehnte den Bauantrag mit Bescheid vom 1. Juli 2010 ab. Die Plakatanschlagtafel sei in der als faktisches allgemeines Wohngebiet (§ 34 Abs. 2 BauGB i. V. m. § 4 BauNVO) einzustufenden näheren Umgebung bauplanungsrechtlich grundsätzlich unzulässig und könne auch nicht ausnahmsweise als nicht störender Gewerbebetrieb zugelassen werden. Am Aufstellungsort würde sie direkt auf die auf der anderen Seite der N. Straße befindliche Wohnbebauung wirken, in gewerblicher Hinsicht sei das Umfeld durch dem Pietätsbereich zuzuordnende Nutzungen geprägt, die durch ein zurückhaltendes Auftreten im Straßenraum und fehlende Betriebsamkeit gekennzeichnet seien. Daneben stehe die Tafel im Widerspruch zu Art. 18 BayStrWG und zu der gemäß Art. 22a BayStrWG erlassenen Satzung über Straßensondernutzungen in der Stadt Augsburg (SNS) i. d. F. v. 1. Januar 2002. Das Vorhaben werde um die 0,16 m in den Straßenraum hineinragen. Eine Sondernutzungserlaubnis könne nicht erteilt werden, da die Anbringung der Werbetafel zu einer Verunstaltung des Aufstellungsortes selbst und des Orts- bzw. Straßenbildes in der näheren Umgebung i. S. v. Art. 8 BayBO führen würde. Dieses Bild werde vom benachbarten Friedhofsgelände, dessen straßenseitige, zwischen 1,78 m und 2,13 m hohe Einfriedungsmauer circa 1,60 m südlich vom Vorhaben beginne, sowie von Wohnbebauung bestimmt. Die Garageneinfahrtswand, an der sie angebracht werden solle, würde das Vorhaben um 0,67 m überragen.

Mit Urteil vom 4. August 2011 hob das Verwaltungsgericht Augsburg den ablehnenden Bescheid auf und verpflichtete die Beklagte, den Bauantrag unter Beachtung seiner Rechtsauffassung neu zu verbescheiden. Entgegen der Auffassung der Beklagten entspreche das maßgebliche Quartier auf der Ostseite der N. Straße zwischen der Dr. D... Straße im Norden und der U. Straße im Süden einem Mischgebiet i. S. d. § 6 BauNVO, in dem die geplante Werbeanlage als nicht störender Gewerbebetrieb nach § 34 Abs. 2 Halbs. 1 i. V. m. § 6 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 4 BauNVO allgemein zulässig sei. Das Vorhaben wirke auch wegen seiner Größe nicht besonders aufdringlich und dominiere seine Umgebung städtebaulich nicht so sehr, dass es als eine das Wohnen wesentlich störende Anlage angesehen werden könne. Von den auf der Ostseite der N. Straße gelegenen Häusern aus könne die Werbetafel gar nicht eingesehen werden, sie wirke allein auf Betrachter, die sich im Straßenraum bewegten. Nach Art. 59 Satz 1 Nr. 3 BayBO, Art. 21 Satz 1 BayStrWG sei über die Erteilung der Sondernutzungserlaubnis, die hier - unabhängig von einer in der städtischen Satzung mit 0,15 m angesetzten Bagatellgrenze - jedenfalls wegen des um mindestens 0,55 m in den Straßenraum hineinragenden Beleuchtungselements erforderlich sei, im Rahmen des Baugenehmigungsverfahrens zu entscheiden. Dabei habe die Beklagte ihr Ermessen fehlerhaft ausgeübt. Bei der Vergabe von Sondernutzungserlaubnissen sei die Ermessensbetätigung auf solche Kriterien beschränkt, die in sachlichem Zusammenhang mit der Straße, ihrer Funktion und ihrem Widmungszweck stehen; übergeordneter Gesichtspunkt sei die Wahrung der Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs, nur vereinzelt könne auch auf städtebauliche, baupflegerische oder denkmalschützerische Belange abgestellt werden. Rein bauordnungsrechtliche Gesichtspunkte ohne jeden straßenrechtlichen Bezug dürften bei der Interessenabwägung nicht in den Blick genommen werden. Im Übrigen sei die Kammer der Auffassung, dass sich die Plakatanschlagtafel nicht zuletzt deswegen, weil in der näheren Umgebung keine vergleichbaren Objekte vorzufinden seien, nicht als verunstaltend darstellen würde. Der vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof in einer Entscheidung (BayVGH, U. v. 24.5.2011 - 1 B 1.369 - juris) letztlich ohne weitere Begründung vertretenen Auffassung, eine Baugenehmigung könne schon deswegen nicht erteilt werden, weil eine Sondernutzung nach Art. 18 Abs. 2 Satz 1 BayStrWG nur auf Zeit oder auf Widerruf erlaubt werden dürfe, könne die Kammer nicht folgen. Denn dann könnte nach der Einführung der Verfahrenskonzentration zum 1. Januar 2008 in derartigen Fällen praktisch nie eine Bauerlaubnis erteilt werden. Bei der Neubescheidung werde die Beklagte ihre Entscheidung über die Erlaubnis einer Sondernutzung in erster Linie an den Auswirkungen des Vorhabens auf die widmungsgemäße Nutzung der N. Straße, insbesondere auf die Sicherheit und Leichtigkeit des Straßenverkehrs, dem Ausgleich zeitlicher und örtlich gegenläufiger Interessen verschiedener Straßenbenutzer und Straßenanlieger sowie an sonstigen unmittelbar auf den Straßengrund bezogenen sachlichen Erwägungen zu orientieren haben.

Mit der vom Senat zugelassenen Berufung beantragt die Beklagte (sinngemäß),

das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts Augsburg vom 4. August 2011 zu ändern und die Klage gegen den Bescheid vom 1. Juli 2010 abzuweisen.

Das Verwaltungsgericht habe bei der Abgrenzung der maßgeblichen näheren Umgebung außer Acht gelassen, dass der mit einer steinernen Mauer von 65 m Länge eingefriedete, 2,13 ha große Friedhof den Bebauungszusammenhang auf der Ostseite der N. Straße unterbreche und in den nördlich und südlich davon gelegenen Bereichen jeweils Nutzungen vorhanden seien, die nur in unterschiedlichen Baugebieten zulässig seien. Der Betrieb des an der Kreuzung mit der U. Straße ansässigen Clubs sei wegen seiner überregionalen Besucherstruktur und der vom Parkplatzsuchverkehr ausgelösten Störungen nur in einem Mischgebiet möglich. Die nördlich des Friedhofs in der Nähe des Standorts der streitgegenständlichen beleuchteten Werbeanlage vorhandenen Nutzungen (Bestattungsunternehmen, Blumengeschäft, Friseurladen, Gaststätte, Tankstelle, Versicherungsbüro) seien in einem allgemeinen Wohngebiet entweder regelhaft (§ 4 Abs. 2 Nr. 2 BauNVO) oder ausnahmsweise (§ 4 Abs. 3 Nr. 2 und 5 BauNVO) bzw. als freiberufliche Nutzung (§ 13 BauNVO) zulässig; ansonsten befinde sich dort nur Wohnbebauung. Seitens der Beklagten würden Baugenehmigungen für Werbeanlagen im öffentlichen Straßengrund widerruflich und/oder auf Zeit sowie unter Bedingungen und Auflagen erteilt. Die vom Verwaltungsgericht geübte Kritik an dem Kriterienkatalog, auf den die Beklagte dabei zurückgegriffen habe, gehe vor dem Hintergrund der den Bauaufsichtsbehörden von Art. 68 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 BayBO eingeräumten Ablehnungsbefugnis im Ergebnis ins Leere. Auch für Werbeanlagen auf öffentlichen Verkehrsflächen gälten die allgemeinen baugestalterischen Anforderungen des Verunstaltungsverbots, dessen Verletzung im Bescheid vom 1. Juli 2010 bereits festgestellt worden sei.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Landesanwaltschaft Bayern stellt keinen Antrag. Sie hält abweichend vom Urteil des 1. Senats vom 24. Mai 2011 (Az. 1 B 11.369 - juris) eine gänzliche Versagung der Baugenehmigung unter Verweis auf Art. 18 Abs. 2 Satz 1 BayStrWG für unverhältnismäßig.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten und die beigezogenen Behördenakten verwiesen.

Gründe

Die zulässige Berufung der Beklagten ist begründet. Das Verwaltungsgericht hätte die Beklagte nicht unter Aufhebung des Bescheids vom 1. Juli 2010 zur Neubescheidung verpflichten dürfen. Die Beklagte hat den Bauantrag für die Errichtung der beleuchteten Werbetafel im Ergebnis zu Recht abgelehnt. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Erteilung der beantragten Baugenehmigung (§ 113 Abs. 5 VwGO, Art. 68 Abs. 1 BayBO). Das Vorhaben ist aus bauplanungs- und bauordnungsrechtlichen Gründen nicht zulassungsfähig.

1. Die streitgegenständliche Werbetafel für Außen-Fremdwerbung ist eine eigenständige Hauptnutzung im Sinn des Bauplanungsrechts (BVerwG, U. v. 3.12.1992 -4 C 27/91 - BVerwGE 91, 234 = juris Rn. 13 bis 18 und 24 bis 27). Dessen Anwendung auf den vorliegenden Bauantrag wird nicht dadurch ausgeschlossen oder eingeschränkt, dass die Anlage, von Befestigungsteilen in der Wand, an der sie angebracht werden soll, abgesehen, zur Gänze im öffentlichen Straßenraum verwirklicht werden soll, der für eine Bebauung nicht zur Verfügung steht (vgl. BVerwG, B. v. 11.2.2000 - 4 B 1/00 - BRS 63 Nr. 102 = juris Rn. 16). Einerseits zeigt nicht nur der vorliegende Fall, dass der vom Bundesverwaltungsgericht - in anderem Zusammenhang - apodiktisch formulierte Satz gerade bei Werbeanlagen, aber beispielsweise auch bei Freischankflächen oder Werbevitrinen auf Gehsteigen oder in Fußgängerzonen zahlreiche Ausnahmen erfährt. Die zitierte Aussage stellte daneben aber auch nicht die Geltung des Bauplanungsrechts für einen bestimmten Fall in Frage, sondern zog - und insoweit offenkundig in Anwendung materiellen Planungsrechts -aus der prinzipiellen Unbebaubarkeit von Verkehrsflächen nur den Schluss, dass diese zur Klärung der Frage, welche Prägung die nähere Umgebung besitzt, nichts beitragen können und deshalb grundsätzlich nicht zur näheren Umgebung im Sinn des § 34 Abs. 1 BauGB gehören. Die Bayerische Bauordnung macht ihre grundsätzliche Geltung auch für ortsfeste Anlagen der Wirtschaftswerbung im Übrigen ebenfalls nicht von deren Aufstellungsort abhängig, vgl. Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 Satz 2 BayBO.

2. In einem Bauleitplan festgesetzte Baugrenzen sind von allen baulichen Anlagen, damit auch von Werbeanlagen, einzuhalten (BVerwG, U. v. 7.6.2001 - 4 C 1/01 -NVwZ 2002, 90 = juris Ls 2 und Rn. 11 bis 17). In einem, hier unstreitig gegebenen, unbeplanten Innenbereich muss sich das Vorhaben gemäß § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB auch hinsichtlich der überbaubaren Grundstücksfläche in die Eigenart der näheren Umgebung einfügen, zur Konkretisierung dieser Anforderungen kann auf die Bestimmungen des § 23 BauNVO zurückgegriffen werden (vgl. BayVGH, B. v. 25.4.2005 - 1 CS 04.3461 - juris Rn. 15 ff.). Die nähere Umgebung ist für die in § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB bezeichneten Kriterien jeweils gesondert abzugrenzen (BVerwG, B. v. 13.5.2014 - 4 B 38/13 - ZfBR 2014, 574 = juris Ls 1 und Rn. 7). Der für die Bestimmung der überbaubaren Grundstückfläche maßgebliche Bereich ist in der Regel enger zu ziehen als derjenige für die Ermittlung der zulässigen Art der Nutzung (BayVGH, B. v. 25.4.2005 a. a. O. Rn. 18; BVerwG, B. v. 13.5.2014 a. a. O. Rn. 8).

Die Anwendung dieser Grundsätze ergibt im vorliegenden Fall, dass der von der Klägerin für ihr Vorhaben gewählte Standort bauplanungsrechtlich nicht zulässig ist. Der für die Bestimmung der überbaubaren Grundstücksfläche entscheidende Bereich beschränkt sich auf den geplanten Anbringungsort der Werbetafel und die in nordnordwestlicher Richtung auf der Ostseite der N. Straße bis zu deren Kreuzung mit der Dr. D... Straße befindlichen Grundstücke. Dieser Bereich ist etwas über 160 m lang und umfasst sechs verschiedene, jeweils mit Hauptgebäuden bzw. Zapfsäulenanlagen entlang der Straße bebaute Grundstücke. Den Lageplänen und Farbfotos in den Akten der Beklagten und des Verwaltungsgerichts ist zu entnehmen, dass das Erscheinungsbild des südlich hieran anschließenden Teiles der straßenbegleitenden Bebauung auf einer Länge von rund 67 m von der grenzständigen, zwischen 1,78 m und 2,13 m hohen steinernen Mauer des katholischen Friedhofs K. bestimmt wird. Auf den letzten circa 55 m bis zur Kreuzung mit der U. Straße folgt - nur noch - das in Nord-Süd-Richtung angeordnete und damit in spitzem Winkel zur N. Straße stehende und mit seiner Südwestecke bis an die Straße heranreichende Gebäude des „S.-Club“. Die wertende Betrachtung der gesamten Straßenfront ergibt, dass es für die Beurteilung der überbaubaren Grundstücksfläche mit der verfahrensgegenständlichen Hauptnutzung lediglich auf den eingangs beschriebenen, nördlich des Friedhofs gelegenen Teil entlang der N. Straße ankommt, schon weil der Friedhof insoweit eine optisch markante Zäsur im baulichen Erscheinungsbild darstellt. In dem danach maßgeblichen Abschnitt bleibt die maßstabsbildende (vgl. BVerwG, B. v.2.8.2001 -4 B 26/01 - BauR 2002, 277 = juris Rn. 5; BayVGH, B. v. 23.4.2002 - 20 B 03.3002 -NVwZ-RR 2005, 391 = juris Rn. 13/14) Bebauung mit Hauptgebäuden durchgängig um mindestens rund 3 m vom Straßengrundstück zurück. Unmittelbar an der Grenze zum Gehweg befinden sich hier unter anderem Pflanzbeete (FlNr. .../...), eine dichte Hecke (FlNr. .../...) und eine baumbestandene Wiese (FlNr. .../...). Auch wenn es im vorliegenden Zusammenhang hierauf nicht ankommt, lässt sich feststellen, dass selbst die rechtwinklig zur Straße stehenden Hinweisschilder (Preise/Shop/Wäsche/Reifen) auf dem Gelände der Tankstelle (FlNr. .../... und /11)) erst deutlich hinter dem Gehsteigrand beginnen. Daraus folgt, dass sich aus der in der Umgebung vorhandenen Bebauung eine vordere Baugrenze (vgl. § 23 Abs. 3 Satz 1 BauNVO) ablesen lässt. Für die Unzulässigkeit eines Vorhabens nach § 34 Abs. 1 BauGB reicht es aus, dass dieses sich hinsichtlich eines der Maßstäbe - hier: nach der überbaubaren Grundstücksfläche - nicht einfügt (BVerwG, B. v. 23.11.1998 - 4 B 29/98 - BauR 1999, 233 = juris Ls 2 und Rn. 10 zu einem Zurückspringen hinter eine faktische vordere Baulinie). Ein solcher Fall liegt hier vor, weil die Zulassung des in der Umgebung vorbildlosen Vorhabens einen Ansatz für nachfolgende vergleichbare Bauwünsche, etwa auf dem Gelände der Tankstelle oder am straßennahen Rand der Wiese auf der FlNr. .../... bieten und deshalb zu „städtebaulichen Spannungen“ führen würde (vgl. BVerwG, U. v. 26.5.1978 - 4 C 9/77 - BVerwGE 55, 369 = juris Ls 9 und Rn. 45 bis 47). Nur zur Klarstellung sei angemerkt, dass dieses Ergebnis nicht dadurch in Frage gestellt wird, dass es für den Standort einer Werbetafel im öffentlichen Verkehrsraum, weil dieser Bereich als solcher für eine Bebauung nicht zur Verfügung steht (vgl. BVerwG, B. v.11.2.2000 - 4 B 1/00 - BRS 63 Nr. 102 = juris Rn. 16, siehe bereits oben) regelmäßig auch keine faktischen Bauraumbegrenzungen geben kann. Es liegt auf der Hand, dass das im vorliegenden Fall als entscheidungserheblich festgestellte Herausfallen des Vorhabens aus den auf den Baugrundstücken entlang der Straße von maßstabsbildender Bebauung eingenommenen Flächen nicht dadurch relativiert oder beseitigt werden kann, dass die Anlage darüber hinaus auch noch jenseits der Grenze eines anliegenden privaten Grundstücks in den Luftraum einer öffentlichen Verkehrsfläche hineinreichend geplant ist. Dieser Umstand mag in diesem und in vergleichbaren Fällen - wenn überhaupt - allenfalls zusätzlich zulasten des Vorhabens ins Gewicht fallen.

3. Das Vorhaben verstößt auch gegen das Verunstaltungsverbot des Art. 8 Satz 1 BayBO. Danach müssen bauliche Anlage nach Form, Maßstab, Verhältnis der Baumassen und Bauteile zueinander, Werkstoff und Farbe so gestaltet sein, dass sie nicht verunstaltet wirken. Der unbestimmte Rechtsbegriff der Verunstaltung ist erfüllt, wenn die zur Prüfung stehende Anlage das ästhetische Empfinden eines für solche Eindrücke aufgeschlossenen Durchschnittsbetrachters nicht nur beeinträchtigt, sondern verletzt (vgl. Jäde in Jäde/Dirnberger/Bauer, Die neue Bayerische Bauordnung, Stand Mai 2014, Art. 8 Rn. 1; König in Schwarzer/König, BayBO, 4. Aufl. 2012, Art. 8 Rn. 2; Dirnberger in Simon/Busse, BayBO, Stand Januar 2014, Art. 8 Rn. 54; Molodovsky in Molodovsky/Famers/Kraus, BayBO, Stand 1. Juli 2014, Art. 8 Rn. 22 bis 25). In Bezug auf Werbeanlagen entspricht es gefestigter Rechtsprechung, dass sie ihren Anbringungsort verunstalten, wenn sie die entsprechende Wand zu einem Werbeträger umfunktionieren (vgl. BayVGH, B. v. 24.9.2002 - 14 ZB 02.1849 - juris Rn. 2) oder einem vorhandenen ruhigen Erscheinungsbild einen Fremdkörper aufsetzen und dieses damit empfindlich stören (vgl. OVG Berlin, B. v. 7.1.2002 - 2 SN 30.01 - NVwZ 2002, 489 = juris Ls 3 und Rn. 16; HessVGH, B. v. 5.10.1995 - 3 TG 2900/95 - BRS 57 Nr. 179 = juris Rn. 8).

Nach diesen Maßstäben würde die an der 7 m breiten und 2,63 m hohen, unaufdringlicheinheitlich gestalteten Außenwand der Tiefgarageneinfahrt anzubringende, annähernd 3,90 m breite und samt ihrer Beleuchtungsleiste etwa 3,30 m hohe Werbetafel für wechselnde Fremdwerbung gegen die Gebote der Maßstäblichkeit und des Verhältnisses der Baumassen und Bauteile zueinander verstoßen und einen unästhetischen Fremdkörper darstellen. Die Anlage ließe die Wand, an der sie angebracht werden soll, als reinen Werbeträger erscheinen. Dieser Eindruck wird - wie die in der Bauakte enthaltene farbige Lichtbildmontage (vgl. § 4 Abs. 1 Nr. 2 BauVorlV) verdeutlicht - durch den mehr als 60 cm messenden senkrechten Überstand über das Flachdach des „Trägerbauwerks“ noch verstärkt.

Diesen Gesichtspunkt hat der streitgegenständliche Bescheid zwar (unter anderem) lediglich als Ablehnungsgrund für die für das Vorhaben gleichzeitig erforderliche Sondernutzungserlaubnis genannt (Bescheid vom 1.7.2010 s. 12 bis 14 unter Gründe II. 3.). Dies war rechtsfehlerhaft. Denn materieller Maßstab für die Erteilung einer Sondernutzungserlaubnis ist nach Art. 18 Abs. 1 Satz 1 BayStrWG, ob und inwieweit die Nutzung der Straße über den Gemeingebrauch (Art. 14 BayStrWG) hinaus diesen beeinträchtigen kann. Zu prüfen ist dabei grundsätzlich nur, ob die straßenfremde Nutzung mit den Belangen des Straßen- und Wegerechts vereinbar ist. Die abzuwägenden Belange finden sich dabei vor allem in den Vorschriften des Bayerischen Straßen- und Wegegesetzes (namentlich, soweit sie die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs gewährleisten), vereinzelt aber auch in Vorschriften des Straßenverkehrsrechts und - ebenso vereinzelt - auch in städtebaulichen, baupflegerischen oder denkmalschützerischen Vorschriften, soweit diese einen eindeutigen Bezug zur Straße haben (st. Rspr., vgl. BayVGH, B. v. 17.4.2012 - 8 ZB 11.2785 - juris Rn. 13 m. w. N.). Die von Art. 8 Satz 1 BayBO an die Gestaltung baulicher Anlagen gestellten Anforderungen weisen einen solchen eindeutigen (Aussen-)Bezug zur Straße und deren Nutzung nicht auf; ihr rechtlicher Wirkungskreis beschränkt sich unmittelbar nur auf die jeweilige Anlage selbst.

Das ist für die Rechtmäßigkeit der Ablehnungsentscheidung indes ohne Bedeutung. Denn im Berufungsverfahren hat die Beklagte sich hierfür ausdrücklich auf die von Art. 68 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 BayBO eingeräumte Ablehnungsbefugnis berufen (Schrs. vom 8.2.2013 S. 5/6). Danach kann die Bauaufsichtsbehörde einen Bauantrag auch ablehnen, wenn das Bauvorhaben gegen sonstige, im Einzelfall nicht zum Prüfungsumfang (vgl. Art. 59 Satz 1 BayBO) gehörende, öffentlichrechtliche Vorschriften verstößt. Das ist, wie oben ausgeführt, im Hinblick auf die Anforderungen des Art. 8 Satz 1 BayBO, der Fall. Die bauordnungsrechtlichen Gestaltungsanforderungen sind zwar nicht Gegenstand des vorliegenden vereinfachten Genehmigungsverfahrens (vgl. Art. 59 Satz 1 Nr. 1 BayBO), in dem Bauordnungsrecht grundsätzlich nicht (mehr) geprüft wird. Die materiellen bauordnungsrechtlichen Anforderungen gelten, ebenso wie die bauplanungsrechtlichen Vorgaben, ohne jeden Zweifel aber auch für in den öffentlichen Straßenraum hineinragende oder dort angebrachte Werbeanlagen (vgl. zur Anwendung der Abstandsflächenvorschriften: BayVGH, U. v. 15.5.2006 - 1 B 04.1893 - NVwZ-RR 2007, 83 = juris Rn. 2/3 und 18 ff., erfolgreiche Nachbarklage gegen die Genehmigung einer Doppelwerbetafel auf dem benachbarten Gehweg wegen eines Verstoßes gegen Art. 6 Abs. 2 Satz 1 BayBO 1998).

Die Beklagte konnte sich auf die vom Gesetz eingeräumte Möglichkeit, die Ablehnung des Bauantrags auf außerhalb des Prüfungsumfangs stehende Gesichtspunkte zu stützen, hier auch noch berufen, da maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Begründetheit der vorliegenden Verpflichtungsklage der Klägerin nach § 113 Abs. 5 VwGO derjenige der Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof war.

Aus den vorstehenden Gründen war das Berufungsurteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

4. Auf die im Verfahren erörterten Frage, ob die Erteilung einer Baugenehmigung ausscheidet, wenn im bauaufsichtlichen Verfahren zugleich (vgl. Art. 21 Satz 1 BayStrWG, Art. 59 Satz 1 Nr. 3 BayBO) über die Erlaubnis einer Sondernutzung zu entscheiden ist und letztere nur auf Zeit oder auf Widerruf erteilt werden darf (Art. 18 Abs. 2 Satz 1, Art. 21 Satz 3 BayStrWG), kommt es mangels Entscheidungserheblichkeit nicht an. Die Begründung zum Gesetzentwurf der Staatsregierung zur Änderung der Bayerischen Bauordnung und anderer Gesetze (LT-Drs. 15/7161 vom 15.1.2007) mit dem die Konzentration bisher paralleler Genehmigungsverfahren bei der Bauaufsichtsbehörde eingeführt wurde, enthält dazu - auszugsweise - folgende Aussagen (LT-Drs. a. a. O. S. 74, zu § 2 Nr. 2, Art. 21):

„Art. 21 BayStrWG regelt bereits in der geltenden Fassung den Fall des Zusammentreffens einer straßenverkehrsrechtlichen Erlaubnis bzw. Ausnahmegenehmigung für eine übermäßige, d. h. über den Gemeingebrauch hinausgehende Straßenbenutzung mit einer öffentlichrechtlichen Sondernutzungserlaubnis.

Zweck der Neuregelung ist eine Verfahrenskonzentration auch in den Fällen, in denen nach den baurechtlichen Vorschriften eine Baugenehmigung erforderlich ist und zugleich eine nach Straßenrecht erlaubnispflichtige Sondernutzung vorliegt, weil mit dem Vorhaben eine öffentliche Straße über den Gemeingebrauch hinaus in Anspruch genommen wird (z. B. Freischankflächen, ortsfeste Verkaufsstände). Die Vorschrift (erg.: Art. 21 Satz 1 n. F.) will auch in diesen Fällen parallele Verwaltungsverfahren vermeiden und im Außenverhältnis zum Bürger die Entscheidungskompetenz über beide Bereiche bei der Bauaufsichtsbehörde konzentrieren. Sie dient damit der Verwaltungsvereinfachung. Die Belange der sonst für die Sondernutzungserlaubnis zuständigen Behörde (im Regelfall die Gemeinde, ggf. unter Einbeziehung der Straßenbaubehörde, vgl. Art. 18 Abs. 1 BayStrWG) werden durch die vorgeschriebene Beteiligung gewahrt. ….

Der Wegfall der Sondernutzungserlaubnis in diesen Fällen dient nur der Verfahrenskonzentration, materiellrechtlich liegt eine straßenrechtliche Sondernutzung vor, die sich nach den Bestimmungen des Art. 18 Abs. 2 bis 6 BayStrWG richtet. Insbesondere darf die Sondernutzungserlaubnis (im Gegensatz zu Baugenehmigung) nur auf Zeit oder auf Widerruf erteilt werden (vgl. Art. 18 Abs. 2 Satz 1 BayStrWG).

Einer Sondernutzungserlaubnis bedarf es demnach nicht, wenn für den Benutzungstatbestand eine Baugenehmigung erforderlich ist. Das bedeutet, dass die Bauaufsichtsbehörde zugleich die Sondernutzung erlaubt.“

Auf der Grundlage dieser Ausführungen dürfte es nicht ernstlich zweifelhaft sein, dass die Baugenehmigung in den Fällen der hier zu vorliegenden Art (Werbetafel) mit einer Befristung oder einem Widerrufsvorbehalt versehen werden darf und muss. Ob Gleiches für einen Überbau mit einem Gebäude gilt, dessen Fortbestand auf unabsehbare Dauer angelegt ist, oder ob dann die Erteilung einer, regelmäßig für die „Lebenszeit“ der jeweiligen Anlage bestimmten, Baugenehmigung grundsätzlich ausscheidet, ist in Anbetracht der hier zu entscheidenden Sach- und Rechtslage nicht näher zu erörtern.

5. Kosten: § 154 Abs. 2 VwGO. Vorläufige Vollstreckbarkeit: § 167 Abs. 2 VwGO.

6. Gründe für die Zulassung der Revision (§ 132 Abs. 2 VwGO) liegen nicht vor

(1) Innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile ist ein Vorhaben zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und die Erschließung gesichert ist. Die Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse müssen gewahrt bleiben; das Ortsbild darf nicht beeinträchtigt werden.

(2) Entspricht die Eigenart der näheren Umgebung einem der Baugebiete, die in der auf Grund des § 9a erlassenen Verordnung bezeichnet sind, beurteilt sich die Zulässigkeit des Vorhabens nach seiner Art allein danach, ob es nach der Verordnung in dem Baugebiet allgemein zulässig wäre; auf die nach der Verordnung ausnahmsweise zulässigen Vorhaben ist § 31 Absatz 1, im Übrigen ist § 31 Absatz 2 entsprechend anzuwenden.

(3) Von Vorhaben nach Absatz 1 oder 2 dürfen keine schädlichen Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden zu erwarten sein.

(3a) Vom Erfordernis des Einfügens in die Eigenart der näheren Umgebung nach Absatz 1 Satz 1 kann im Einzelfall abgewichen werden, wenn die Abweichung

1.
einem der nachfolgend genannten Vorhaben dient:
a)
der Erweiterung, Änderung, Nutzungsänderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten Gewerbe- oder Handwerksbetriebs,
b)
der Erweiterung, Änderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten, Wohnzwecken dienenden Gebäudes oder
c)
der Nutzungsänderung einer zulässigerweise errichteten baulichen Anlage zu Wohnzwecken, einschließlich einer erforderlichen Änderung oder Erneuerung,
2.
städtebaulich vertretbar ist und
3.
auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist.
Satz 1 findet keine Anwendung auf Einzelhandelsbetriebe, die die verbrauchernahe Versorgung der Bevölkerung beeinträchtigen oder schädliche Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden haben können. In den Fällen des Satzes 1 Nummer 1 Buchstabe b und c kann darüber hinaus vom Erfordernis des Einfügens im Einzelfall im Sinne des Satzes 1 in mehreren vergleichbaren Fällen abgewichen werden, wenn die übrigen Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und die Aufstellung eines Bebauungsplans nicht erforderlich ist.

(4) Die Gemeinde kann durch Satzung

1.
die Grenzen für im Zusammenhang bebaute Ortsteile festlegen,
2.
bebaute Bereiche im Außenbereich als im Zusammenhang bebaute Ortsteile festlegen, wenn die Flächen im Flächennutzungsplan als Baufläche dargestellt sind,
3.
einzelne Außenbereichsflächen in die im Zusammenhang bebauten Ortsteile einbeziehen, wenn die einbezogenen Flächen durch die bauliche Nutzung des angrenzenden Bereichs entsprechend geprägt sind.
Die Satzungen können miteinander verbunden werden.

(5) Voraussetzung für die Aufstellung von Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 ist, dass

1.
sie mit einer geordneten städtebaulichen Entwicklung vereinbar sind,
2.
die Zulässigkeit von Vorhaben, die einer Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung nach Anlage 1 zum Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung oder nach Landesrecht unterliegen, nicht begründet wird und
3.
keine Anhaltspunkte für eine Beeinträchtigung der in § 1 Absatz 6 Nummer 7 Buchstabe b genannten Schutzgüter oder dafür bestehen, dass bei der Planung Pflichten zur Vermeidung oder Begrenzung der Auswirkungen von schweren Unfällen nach § 50 Satz 1 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes zu beachten sind.
In den Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 können einzelne Festsetzungen nach § 9 Absatz 1 und 3 Satz 1 sowie Absatz 4 getroffen werden. § 9 Absatz 6 und § 31 sind entsprechend anzuwenden. Auf die Satzung nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 3 sind ergänzend § 1a Absatz 2 und 3 und § 9 Absatz 1a entsprechend anzuwenden; ihr ist eine Begründung mit den Angaben entsprechend § 2a Satz 2 Nummer 1 beizufügen.

(6) Bei der Aufstellung der Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 sind die Vorschriften über die Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung nach § 13 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 und 3 sowie Satz 2 entsprechend anzuwenden. Auf die Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 1 bis 3 ist § 10 Absatz 3 entsprechend anzuwenden.

(1) Die überbaubaren Grundstücksflächen können durch die Festsetzung von Baulinien, Baugrenzen oder Bebauungstiefen bestimmt werden. § 16 Absatz 5 ist entsprechend anzuwenden.

(2) Ist eine Baulinie festgesetzt, so muss auf dieser Linie gebaut werden. Ein Vor- oder Zurücktreten von Gebäudeteilen in geringfügigem Ausmaß kann zugelassen werden. Im Bebauungsplan können weitere nach Art und Umfang bestimmte Ausnahmen vorgesehen werden.

(3) Ist eine Baugrenze festgesetzt, so dürfen Gebäude und Gebäudeteile diese nicht überschreiten. Ein Vortreten von Gebäudeteilen in geringfügigem Ausmaß kann zugelassen werden. Absatz 2 Satz 3 gilt entsprechend.

(4) Ist eine Bebauungstiefe festgesetzt, so gilt Absatz 3 entsprechend. Die Bebauungstiefe ist von der tatsächlichen Straßengrenze ab zu ermitteln, sofern im Bebauungsplan nichts anderes festgesetzt ist.

(5) Wenn im Bebauungsplan nichts anderes festgesetzt ist, können auf den nicht überbaubaren Grundstücksflächen Nebenanlagen im Sinne des § 14 zugelassen werden. Das Gleiche gilt für bauliche Anlagen, soweit sie nach Landesrecht in den Abstandsflächen zulässig sind oder zugelassen werden können.

Tenor

I.

Das Urteil des Verwaltungsgerichts Augsburg vom 4. August 2011 wird geändert. Die Klage gegen den Bescheid der Stadt Augsburg vom 1. Juli 2010 wird abgewiesen.

II.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

III.

Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

IV.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Am 16. Februar 2010 beantragte die Klägerin die Erteilung einer Baugenehmigung für die Errichtung einer beleuchteten Werbetafel („TopLux“) an der straßenseitigen Außenwand einer flach überdachten Tiefgarageneinfahrt auf dem Grundstück FlNr. .../... der Gemarkung O. im Ortsteil K. der Beklagten. Die Wand, an der das Vorhaben rund 0,20 m oberhalb des unmittelbar vorbeiführenden Gehwegs angebracht werden soll, ist circa 7,00 m lang und 2,63 m hoch. Die aus drei Aluminiumblech-Segmenten bestehende Werbetafel selbst ist knapp 2,84 m hoch und etwas über 3,86 m breit; der auf allen vier Seiten zu öffnende, an den Ecken abgerundete Aluminiumrahmen ist circa 0,12 m tief; diese Konstruktion kann nach den Bauvorlagen mit oben und unten angebrachten Wandhaltern, zu deren Bautiefe keine konkreten Angaben gemacht wurden, an einer Mauer oder Wand befestigt werden. Auf der Oberseite soll die Tafel mit einer 3,46 m langen und insgesamt ab deren (wohl auf der Rückseite der Tafel angebrachten) Befestigungslaschen an zwei Auslegern rund 0,55 m auskragenden Beleuchtungsleiste (insgesamt 72 Watt Lampenleistung) versehen werden.

Die Beklagte lehnte den Bauantrag mit Bescheid vom 1. Juli 2010 ab. Die Plakatanschlagtafel sei in der als faktisches allgemeines Wohngebiet (§ 34 Abs. 2 BauGB i. V. m. § 4 BauNVO) einzustufenden näheren Umgebung bauplanungsrechtlich grundsätzlich unzulässig und könne auch nicht ausnahmsweise als nicht störender Gewerbebetrieb zugelassen werden. Am Aufstellungsort würde sie direkt auf die auf der anderen Seite der N. Straße befindliche Wohnbebauung wirken, in gewerblicher Hinsicht sei das Umfeld durch dem Pietätsbereich zuzuordnende Nutzungen geprägt, die durch ein zurückhaltendes Auftreten im Straßenraum und fehlende Betriebsamkeit gekennzeichnet seien. Daneben stehe die Tafel im Widerspruch zu Art. 18 BayStrWG und zu der gemäß Art. 22a BayStrWG erlassenen Satzung über Straßensondernutzungen in der Stadt Augsburg (SNS) i. d. F. v. 1. Januar 2002. Das Vorhaben werde um die 0,16 m in den Straßenraum hineinragen. Eine Sondernutzungserlaubnis könne nicht erteilt werden, da die Anbringung der Werbetafel zu einer Verunstaltung des Aufstellungsortes selbst und des Orts- bzw. Straßenbildes in der näheren Umgebung i. S. v. Art. 8 BayBO führen würde. Dieses Bild werde vom benachbarten Friedhofsgelände, dessen straßenseitige, zwischen 1,78 m und 2,13 m hohe Einfriedungsmauer circa 1,60 m südlich vom Vorhaben beginne, sowie von Wohnbebauung bestimmt. Die Garageneinfahrtswand, an der sie angebracht werden solle, würde das Vorhaben um 0,67 m überragen.

Mit Urteil vom 4. August 2011 hob das Verwaltungsgericht Augsburg den ablehnenden Bescheid auf und verpflichtete die Beklagte, den Bauantrag unter Beachtung seiner Rechtsauffassung neu zu verbescheiden. Entgegen der Auffassung der Beklagten entspreche das maßgebliche Quartier auf der Ostseite der N. Straße zwischen der Dr. D... Straße im Norden und der U. Straße im Süden einem Mischgebiet i. S. d. § 6 BauNVO, in dem die geplante Werbeanlage als nicht störender Gewerbebetrieb nach § 34 Abs. 2 Halbs. 1 i. V. m. § 6 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 4 BauNVO allgemein zulässig sei. Das Vorhaben wirke auch wegen seiner Größe nicht besonders aufdringlich und dominiere seine Umgebung städtebaulich nicht so sehr, dass es als eine das Wohnen wesentlich störende Anlage angesehen werden könne. Von den auf der Ostseite der N. Straße gelegenen Häusern aus könne die Werbetafel gar nicht eingesehen werden, sie wirke allein auf Betrachter, die sich im Straßenraum bewegten. Nach Art. 59 Satz 1 Nr. 3 BayBO, Art. 21 Satz 1 BayStrWG sei über die Erteilung der Sondernutzungserlaubnis, die hier - unabhängig von einer in der städtischen Satzung mit 0,15 m angesetzten Bagatellgrenze - jedenfalls wegen des um mindestens 0,55 m in den Straßenraum hineinragenden Beleuchtungselements erforderlich sei, im Rahmen des Baugenehmigungsverfahrens zu entscheiden. Dabei habe die Beklagte ihr Ermessen fehlerhaft ausgeübt. Bei der Vergabe von Sondernutzungserlaubnissen sei die Ermessensbetätigung auf solche Kriterien beschränkt, die in sachlichem Zusammenhang mit der Straße, ihrer Funktion und ihrem Widmungszweck stehen; übergeordneter Gesichtspunkt sei die Wahrung der Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs, nur vereinzelt könne auch auf städtebauliche, baupflegerische oder denkmalschützerische Belange abgestellt werden. Rein bauordnungsrechtliche Gesichtspunkte ohne jeden straßenrechtlichen Bezug dürften bei der Interessenabwägung nicht in den Blick genommen werden. Im Übrigen sei die Kammer der Auffassung, dass sich die Plakatanschlagtafel nicht zuletzt deswegen, weil in der näheren Umgebung keine vergleichbaren Objekte vorzufinden seien, nicht als verunstaltend darstellen würde. Der vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof in einer Entscheidung (BayVGH, U. v. 24.5.2011 - 1 B 1.369 - juris) letztlich ohne weitere Begründung vertretenen Auffassung, eine Baugenehmigung könne schon deswegen nicht erteilt werden, weil eine Sondernutzung nach Art. 18 Abs. 2 Satz 1 BayStrWG nur auf Zeit oder auf Widerruf erlaubt werden dürfe, könne die Kammer nicht folgen. Denn dann könnte nach der Einführung der Verfahrenskonzentration zum 1. Januar 2008 in derartigen Fällen praktisch nie eine Bauerlaubnis erteilt werden. Bei der Neubescheidung werde die Beklagte ihre Entscheidung über die Erlaubnis einer Sondernutzung in erster Linie an den Auswirkungen des Vorhabens auf die widmungsgemäße Nutzung der N. Straße, insbesondere auf die Sicherheit und Leichtigkeit des Straßenverkehrs, dem Ausgleich zeitlicher und örtlich gegenläufiger Interessen verschiedener Straßenbenutzer und Straßenanlieger sowie an sonstigen unmittelbar auf den Straßengrund bezogenen sachlichen Erwägungen zu orientieren haben.

Mit der vom Senat zugelassenen Berufung beantragt die Beklagte (sinngemäß),

das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts Augsburg vom 4. August 2011 zu ändern und die Klage gegen den Bescheid vom 1. Juli 2010 abzuweisen.

Das Verwaltungsgericht habe bei der Abgrenzung der maßgeblichen näheren Umgebung außer Acht gelassen, dass der mit einer steinernen Mauer von 65 m Länge eingefriedete, 2,13 ha große Friedhof den Bebauungszusammenhang auf der Ostseite der N. Straße unterbreche und in den nördlich und südlich davon gelegenen Bereichen jeweils Nutzungen vorhanden seien, die nur in unterschiedlichen Baugebieten zulässig seien. Der Betrieb des an der Kreuzung mit der U. Straße ansässigen Clubs sei wegen seiner überregionalen Besucherstruktur und der vom Parkplatzsuchverkehr ausgelösten Störungen nur in einem Mischgebiet möglich. Die nördlich des Friedhofs in der Nähe des Standorts der streitgegenständlichen beleuchteten Werbeanlage vorhandenen Nutzungen (Bestattungsunternehmen, Blumengeschäft, Friseurladen, Gaststätte, Tankstelle, Versicherungsbüro) seien in einem allgemeinen Wohngebiet entweder regelhaft (§ 4 Abs. 2 Nr. 2 BauNVO) oder ausnahmsweise (§ 4 Abs. 3 Nr. 2 und 5 BauNVO) bzw. als freiberufliche Nutzung (§ 13 BauNVO) zulässig; ansonsten befinde sich dort nur Wohnbebauung. Seitens der Beklagten würden Baugenehmigungen für Werbeanlagen im öffentlichen Straßengrund widerruflich und/oder auf Zeit sowie unter Bedingungen und Auflagen erteilt. Die vom Verwaltungsgericht geübte Kritik an dem Kriterienkatalog, auf den die Beklagte dabei zurückgegriffen habe, gehe vor dem Hintergrund der den Bauaufsichtsbehörden von Art. 68 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 BayBO eingeräumten Ablehnungsbefugnis im Ergebnis ins Leere. Auch für Werbeanlagen auf öffentlichen Verkehrsflächen gälten die allgemeinen baugestalterischen Anforderungen des Verunstaltungsverbots, dessen Verletzung im Bescheid vom 1. Juli 2010 bereits festgestellt worden sei.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Landesanwaltschaft Bayern stellt keinen Antrag. Sie hält abweichend vom Urteil des 1. Senats vom 24. Mai 2011 (Az. 1 B 11.369 - juris) eine gänzliche Versagung der Baugenehmigung unter Verweis auf Art. 18 Abs. 2 Satz 1 BayStrWG für unverhältnismäßig.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten und die beigezogenen Behördenakten verwiesen.

Gründe

Die zulässige Berufung der Beklagten ist begründet. Das Verwaltungsgericht hätte die Beklagte nicht unter Aufhebung des Bescheids vom 1. Juli 2010 zur Neubescheidung verpflichten dürfen. Die Beklagte hat den Bauantrag für die Errichtung der beleuchteten Werbetafel im Ergebnis zu Recht abgelehnt. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Erteilung der beantragten Baugenehmigung (§ 113 Abs. 5 VwGO, Art. 68 Abs. 1 BayBO). Das Vorhaben ist aus bauplanungs- und bauordnungsrechtlichen Gründen nicht zulassungsfähig.

1. Die streitgegenständliche Werbetafel für Außen-Fremdwerbung ist eine eigenständige Hauptnutzung im Sinn des Bauplanungsrechts (BVerwG, U. v. 3.12.1992 -4 C 27/91 - BVerwGE 91, 234 = juris Rn. 13 bis 18 und 24 bis 27). Dessen Anwendung auf den vorliegenden Bauantrag wird nicht dadurch ausgeschlossen oder eingeschränkt, dass die Anlage, von Befestigungsteilen in der Wand, an der sie angebracht werden soll, abgesehen, zur Gänze im öffentlichen Straßenraum verwirklicht werden soll, der für eine Bebauung nicht zur Verfügung steht (vgl. BVerwG, B. v. 11.2.2000 - 4 B 1/00 - BRS 63 Nr. 102 = juris Rn. 16). Einerseits zeigt nicht nur der vorliegende Fall, dass der vom Bundesverwaltungsgericht - in anderem Zusammenhang - apodiktisch formulierte Satz gerade bei Werbeanlagen, aber beispielsweise auch bei Freischankflächen oder Werbevitrinen auf Gehsteigen oder in Fußgängerzonen zahlreiche Ausnahmen erfährt. Die zitierte Aussage stellte daneben aber auch nicht die Geltung des Bauplanungsrechts für einen bestimmten Fall in Frage, sondern zog - und insoweit offenkundig in Anwendung materiellen Planungsrechts -aus der prinzipiellen Unbebaubarkeit von Verkehrsflächen nur den Schluss, dass diese zur Klärung der Frage, welche Prägung die nähere Umgebung besitzt, nichts beitragen können und deshalb grundsätzlich nicht zur näheren Umgebung im Sinn des § 34 Abs. 1 BauGB gehören. Die Bayerische Bauordnung macht ihre grundsätzliche Geltung auch für ortsfeste Anlagen der Wirtschaftswerbung im Übrigen ebenfalls nicht von deren Aufstellungsort abhängig, vgl. Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 Satz 2 BayBO.

2. In einem Bauleitplan festgesetzte Baugrenzen sind von allen baulichen Anlagen, damit auch von Werbeanlagen, einzuhalten (BVerwG, U. v. 7.6.2001 - 4 C 1/01 -NVwZ 2002, 90 = juris Ls 2 und Rn. 11 bis 17). In einem, hier unstreitig gegebenen, unbeplanten Innenbereich muss sich das Vorhaben gemäß § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB auch hinsichtlich der überbaubaren Grundstücksfläche in die Eigenart der näheren Umgebung einfügen, zur Konkretisierung dieser Anforderungen kann auf die Bestimmungen des § 23 BauNVO zurückgegriffen werden (vgl. BayVGH, B. v. 25.4.2005 - 1 CS 04.3461 - juris Rn. 15 ff.). Die nähere Umgebung ist für die in § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB bezeichneten Kriterien jeweils gesondert abzugrenzen (BVerwG, B. v. 13.5.2014 - 4 B 38/13 - ZfBR 2014, 574 = juris Ls 1 und Rn. 7). Der für die Bestimmung der überbaubaren Grundstückfläche maßgebliche Bereich ist in der Regel enger zu ziehen als derjenige für die Ermittlung der zulässigen Art der Nutzung (BayVGH, B. v. 25.4.2005 a. a. O. Rn. 18; BVerwG, B. v. 13.5.2014 a. a. O. Rn. 8).

Die Anwendung dieser Grundsätze ergibt im vorliegenden Fall, dass der von der Klägerin für ihr Vorhaben gewählte Standort bauplanungsrechtlich nicht zulässig ist. Der für die Bestimmung der überbaubaren Grundstücksfläche entscheidende Bereich beschränkt sich auf den geplanten Anbringungsort der Werbetafel und die in nordnordwestlicher Richtung auf der Ostseite der N. Straße bis zu deren Kreuzung mit der Dr. D... Straße befindlichen Grundstücke. Dieser Bereich ist etwas über 160 m lang und umfasst sechs verschiedene, jeweils mit Hauptgebäuden bzw. Zapfsäulenanlagen entlang der Straße bebaute Grundstücke. Den Lageplänen und Farbfotos in den Akten der Beklagten und des Verwaltungsgerichts ist zu entnehmen, dass das Erscheinungsbild des südlich hieran anschließenden Teiles der straßenbegleitenden Bebauung auf einer Länge von rund 67 m von der grenzständigen, zwischen 1,78 m und 2,13 m hohen steinernen Mauer des katholischen Friedhofs K. bestimmt wird. Auf den letzten circa 55 m bis zur Kreuzung mit der U. Straße folgt - nur noch - das in Nord-Süd-Richtung angeordnete und damit in spitzem Winkel zur N. Straße stehende und mit seiner Südwestecke bis an die Straße heranreichende Gebäude des „S.-Club“. Die wertende Betrachtung der gesamten Straßenfront ergibt, dass es für die Beurteilung der überbaubaren Grundstücksfläche mit der verfahrensgegenständlichen Hauptnutzung lediglich auf den eingangs beschriebenen, nördlich des Friedhofs gelegenen Teil entlang der N. Straße ankommt, schon weil der Friedhof insoweit eine optisch markante Zäsur im baulichen Erscheinungsbild darstellt. In dem danach maßgeblichen Abschnitt bleibt die maßstabsbildende (vgl. BVerwG, B. v.2.8.2001 -4 B 26/01 - BauR 2002, 277 = juris Rn. 5; BayVGH, B. v. 23.4.2002 - 20 B 03.3002 -NVwZ-RR 2005, 391 = juris Rn. 13/14) Bebauung mit Hauptgebäuden durchgängig um mindestens rund 3 m vom Straßengrundstück zurück. Unmittelbar an der Grenze zum Gehweg befinden sich hier unter anderem Pflanzbeete (FlNr. .../...), eine dichte Hecke (FlNr. .../...) und eine baumbestandene Wiese (FlNr. .../...). Auch wenn es im vorliegenden Zusammenhang hierauf nicht ankommt, lässt sich feststellen, dass selbst die rechtwinklig zur Straße stehenden Hinweisschilder (Preise/Shop/Wäsche/Reifen) auf dem Gelände der Tankstelle (FlNr. .../... und /11)) erst deutlich hinter dem Gehsteigrand beginnen. Daraus folgt, dass sich aus der in der Umgebung vorhandenen Bebauung eine vordere Baugrenze (vgl. § 23 Abs. 3 Satz 1 BauNVO) ablesen lässt. Für die Unzulässigkeit eines Vorhabens nach § 34 Abs. 1 BauGB reicht es aus, dass dieses sich hinsichtlich eines der Maßstäbe - hier: nach der überbaubaren Grundstücksfläche - nicht einfügt (BVerwG, B. v. 23.11.1998 - 4 B 29/98 - BauR 1999, 233 = juris Ls 2 und Rn. 10 zu einem Zurückspringen hinter eine faktische vordere Baulinie). Ein solcher Fall liegt hier vor, weil die Zulassung des in der Umgebung vorbildlosen Vorhabens einen Ansatz für nachfolgende vergleichbare Bauwünsche, etwa auf dem Gelände der Tankstelle oder am straßennahen Rand der Wiese auf der FlNr. .../... bieten und deshalb zu „städtebaulichen Spannungen“ führen würde (vgl. BVerwG, U. v. 26.5.1978 - 4 C 9/77 - BVerwGE 55, 369 = juris Ls 9 und Rn. 45 bis 47). Nur zur Klarstellung sei angemerkt, dass dieses Ergebnis nicht dadurch in Frage gestellt wird, dass es für den Standort einer Werbetafel im öffentlichen Verkehrsraum, weil dieser Bereich als solcher für eine Bebauung nicht zur Verfügung steht (vgl. BVerwG, B. v.11.2.2000 - 4 B 1/00 - BRS 63 Nr. 102 = juris Rn. 16, siehe bereits oben) regelmäßig auch keine faktischen Bauraumbegrenzungen geben kann. Es liegt auf der Hand, dass das im vorliegenden Fall als entscheidungserheblich festgestellte Herausfallen des Vorhabens aus den auf den Baugrundstücken entlang der Straße von maßstabsbildender Bebauung eingenommenen Flächen nicht dadurch relativiert oder beseitigt werden kann, dass die Anlage darüber hinaus auch noch jenseits der Grenze eines anliegenden privaten Grundstücks in den Luftraum einer öffentlichen Verkehrsfläche hineinreichend geplant ist. Dieser Umstand mag in diesem und in vergleichbaren Fällen - wenn überhaupt - allenfalls zusätzlich zulasten des Vorhabens ins Gewicht fallen.

3. Das Vorhaben verstößt auch gegen das Verunstaltungsverbot des Art. 8 Satz 1 BayBO. Danach müssen bauliche Anlage nach Form, Maßstab, Verhältnis der Baumassen und Bauteile zueinander, Werkstoff und Farbe so gestaltet sein, dass sie nicht verunstaltet wirken. Der unbestimmte Rechtsbegriff der Verunstaltung ist erfüllt, wenn die zur Prüfung stehende Anlage das ästhetische Empfinden eines für solche Eindrücke aufgeschlossenen Durchschnittsbetrachters nicht nur beeinträchtigt, sondern verletzt (vgl. Jäde in Jäde/Dirnberger/Bauer, Die neue Bayerische Bauordnung, Stand Mai 2014, Art. 8 Rn. 1; König in Schwarzer/König, BayBO, 4. Aufl. 2012, Art. 8 Rn. 2; Dirnberger in Simon/Busse, BayBO, Stand Januar 2014, Art. 8 Rn. 54; Molodovsky in Molodovsky/Famers/Kraus, BayBO, Stand 1. Juli 2014, Art. 8 Rn. 22 bis 25). In Bezug auf Werbeanlagen entspricht es gefestigter Rechtsprechung, dass sie ihren Anbringungsort verunstalten, wenn sie die entsprechende Wand zu einem Werbeträger umfunktionieren (vgl. BayVGH, B. v. 24.9.2002 - 14 ZB 02.1849 - juris Rn. 2) oder einem vorhandenen ruhigen Erscheinungsbild einen Fremdkörper aufsetzen und dieses damit empfindlich stören (vgl. OVG Berlin, B. v. 7.1.2002 - 2 SN 30.01 - NVwZ 2002, 489 = juris Ls 3 und Rn. 16; HessVGH, B. v. 5.10.1995 - 3 TG 2900/95 - BRS 57 Nr. 179 = juris Rn. 8).

Nach diesen Maßstäben würde die an der 7 m breiten und 2,63 m hohen, unaufdringlicheinheitlich gestalteten Außenwand der Tiefgarageneinfahrt anzubringende, annähernd 3,90 m breite und samt ihrer Beleuchtungsleiste etwa 3,30 m hohe Werbetafel für wechselnde Fremdwerbung gegen die Gebote der Maßstäblichkeit und des Verhältnisses der Baumassen und Bauteile zueinander verstoßen und einen unästhetischen Fremdkörper darstellen. Die Anlage ließe die Wand, an der sie angebracht werden soll, als reinen Werbeträger erscheinen. Dieser Eindruck wird - wie die in der Bauakte enthaltene farbige Lichtbildmontage (vgl. § 4 Abs. 1 Nr. 2 BauVorlV) verdeutlicht - durch den mehr als 60 cm messenden senkrechten Überstand über das Flachdach des „Trägerbauwerks“ noch verstärkt.

Diesen Gesichtspunkt hat der streitgegenständliche Bescheid zwar (unter anderem) lediglich als Ablehnungsgrund für die für das Vorhaben gleichzeitig erforderliche Sondernutzungserlaubnis genannt (Bescheid vom 1.7.2010 s. 12 bis 14 unter Gründe II. 3.). Dies war rechtsfehlerhaft. Denn materieller Maßstab für die Erteilung einer Sondernutzungserlaubnis ist nach Art. 18 Abs. 1 Satz 1 BayStrWG, ob und inwieweit die Nutzung der Straße über den Gemeingebrauch (Art. 14 BayStrWG) hinaus diesen beeinträchtigen kann. Zu prüfen ist dabei grundsätzlich nur, ob die straßenfremde Nutzung mit den Belangen des Straßen- und Wegerechts vereinbar ist. Die abzuwägenden Belange finden sich dabei vor allem in den Vorschriften des Bayerischen Straßen- und Wegegesetzes (namentlich, soweit sie die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs gewährleisten), vereinzelt aber auch in Vorschriften des Straßenverkehrsrechts und - ebenso vereinzelt - auch in städtebaulichen, baupflegerischen oder denkmalschützerischen Vorschriften, soweit diese einen eindeutigen Bezug zur Straße haben (st. Rspr., vgl. BayVGH, B. v. 17.4.2012 - 8 ZB 11.2785 - juris Rn. 13 m. w. N.). Die von Art. 8 Satz 1 BayBO an die Gestaltung baulicher Anlagen gestellten Anforderungen weisen einen solchen eindeutigen (Aussen-)Bezug zur Straße und deren Nutzung nicht auf; ihr rechtlicher Wirkungskreis beschränkt sich unmittelbar nur auf die jeweilige Anlage selbst.

Das ist für die Rechtmäßigkeit der Ablehnungsentscheidung indes ohne Bedeutung. Denn im Berufungsverfahren hat die Beklagte sich hierfür ausdrücklich auf die von Art. 68 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 BayBO eingeräumte Ablehnungsbefugnis berufen (Schrs. vom 8.2.2013 S. 5/6). Danach kann die Bauaufsichtsbehörde einen Bauantrag auch ablehnen, wenn das Bauvorhaben gegen sonstige, im Einzelfall nicht zum Prüfungsumfang (vgl. Art. 59 Satz 1 BayBO) gehörende, öffentlichrechtliche Vorschriften verstößt. Das ist, wie oben ausgeführt, im Hinblick auf die Anforderungen des Art. 8 Satz 1 BayBO, der Fall. Die bauordnungsrechtlichen Gestaltungsanforderungen sind zwar nicht Gegenstand des vorliegenden vereinfachten Genehmigungsverfahrens (vgl. Art. 59 Satz 1 Nr. 1 BayBO), in dem Bauordnungsrecht grundsätzlich nicht (mehr) geprüft wird. Die materiellen bauordnungsrechtlichen Anforderungen gelten, ebenso wie die bauplanungsrechtlichen Vorgaben, ohne jeden Zweifel aber auch für in den öffentlichen Straßenraum hineinragende oder dort angebrachte Werbeanlagen (vgl. zur Anwendung der Abstandsflächenvorschriften: BayVGH, U. v. 15.5.2006 - 1 B 04.1893 - NVwZ-RR 2007, 83 = juris Rn. 2/3 und 18 ff., erfolgreiche Nachbarklage gegen die Genehmigung einer Doppelwerbetafel auf dem benachbarten Gehweg wegen eines Verstoßes gegen Art. 6 Abs. 2 Satz 1 BayBO 1998).

Die Beklagte konnte sich auf die vom Gesetz eingeräumte Möglichkeit, die Ablehnung des Bauantrags auf außerhalb des Prüfungsumfangs stehende Gesichtspunkte zu stützen, hier auch noch berufen, da maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Begründetheit der vorliegenden Verpflichtungsklage der Klägerin nach § 113 Abs. 5 VwGO derjenige der Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof war.

Aus den vorstehenden Gründen war das Berufungsurteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

4. Auf die im Verfahren erörterten Frage, ob die Erteilung einer Baugenehmigung ausscheidet, wenn im bauaufsichtlichen Verfahren zugleich (vgl. Art. 21 Satz 1 BayStrWG, Art. 59 Satz 1 Nr. 3 BayBO) über die Erlaubnis einer Sondernutzung zu entscheiden ist und letztere nur auf Zeit oder auf Widerruf erteilt werden darf (Art. 18 Abs. 2 Satz 1, Art. 21 Satz 3 BayStrWG), kommt es mangels Entscheidungserheblichkeit nicht an. Die Begründung zum Gesetzentwurf der Staatsregierung zur Änderung der Bayerischen Bauordnung und anderer Gesetze (LT-Drs. 15/7161 vom 15.1.2007) mit dem die Konzentration bisher paralleler Genehmigungsverfahren bei der Bauaufsichtsbehörde eingeführt wurde, enthält dazu - auszugsweise - folgende Aussagen (LT-Drs. a. a. O. S. 74, zu § 2 Nr. 2, Art. 21):

„Art. 21 BayStrWG regelt bereits in der geltenden Fassung den Fall des Zusammentreffens einer straßenverkehrsrechtlichen Erlaubnis bzw. Ausnahmegenehmigung für eine übermäßige, d. h. über den Gemeingebrauch hinausgehende Straßenbenutzung mit einer öffentlichrechtlichen Sondernutzungserlaubnis.

Zweck der Neuregelung ist eine Verfahrenskonzentration auch in den Fällen, in denen nach den baurechtlichen Vorschriften eine Baugenehmigung erforderlich ist und zugleich eine nach Straßenrecht erlaubnispflichtige Sondernutzung vorliegt, weil mit dem Vorhaben eine öffentliche Straße über den Gemeingebrauch hinaus in Anspruch genommen wird (z. B. Freischankflächen, ortsfeste Verkaufsstände). Die Vorschrift (erg.: Art. 21 Satz 1 n. F.) will auch in diesen Fällen parallele Verwaltungsverfahren vermeiden und im Außenverhältnis zum Bürger die Entscheidungskompetenz über beide Bereiche bei der Bauaufsichtsbehörde konzentrieren. Sie dient damit der Verwaltungsvereinfachung. Die Belange der sonst für die Sondernutzungserlaubnis zuständigen Behörde (im Regelfall die Gemeinde, ggf. unter Einbeziehung der Straßenbaubehörde, vgl. Art. 18 Abs. 1 BayStrWG) werden durch die vorgeschriebene Beteiligung gewahrt. ….

Der Wegfall der Sondernutzungserlaubnis in diesen Fällen dient nur der Verfahrenskonzentration, materiellrechtlich liegt eine straßenrechtliche Sondernutzung vor, die sich nach den Bestimmungen des Art. 18 Abs. 2 bis 6 BayStrWG richtet. Insbesondere darf die Sondernutzungserlaubnis (im Gegensatz zu Baugenehmigung) nur auf Zeit oder auf Widerruf erteilt werden (vgl. Art. 18 Abs. 2 Satz 1 BayStrWG).

Einer Sondernutzungserlaubnis bedarf es demnach nicht, wenn für den Benutzungstatbestand eine Baugenehmigung erforderlich ist. Das bedeutet, dass die Bauaufsichtsbehörde zugleich die Sondernutzung erlaubt.“

Auf der Grundlage dieser Ausführungen dürfte es nicht ernstlich zweifelhaft sein, dass die Baugenehmigung in den Fällen der hier zu vorliegenden Art (Werbetafel) mit einer Befristung oder einem Widerrufsvorbehalt versehen werden darf und muss. Ob Gleiches für einen Überbau mit einem Gebäude gilt, dessen Fortbestand auf unabsehbare Dauer angelegt ist, oder ob dann die Erteilung einer, regelmäßig für die „Lebenszeit“ der jeweiligen Anlage bestimmten, Baugenehmigung grundsätzlich ausscheidet, ist in Anbetracht der hier zu entscheidenden Sach- und Rechtslage nicht näher zu erörtern.

5. Kosten: § 154 Abs. 2 VwGO. Vorläufige Vollstreckbarkeit: § 167 Abs. 2 VwGO.

6. Gründe für die Zulassung der Revision (§ 132 Abs. 2 VwGO) liegen nicht vor

(1) Die überbaubaren Grundstücksflächen können durch die Festsetzung von Baulinien, Baugrenzen oder Bebauungstiefen bestimmt werden. § 16 Absatz 5 ist entsprechend anzuwenden.

(2) Ist eine Baulinie festgesetzt, so muss auf dieser Linie gebaut werden. Ein Vor- oder Zurücktreten von Gebäudeteilen in geringfügigem Ausmaß kann zugelassen werden. Im Bebauungsplan können weitere nach Art und Umfang bestimmte Ausnahmen vorgesehen werden.

(3) Ist eine Baugrenze festgesetzt, so dürfen Gebäude und Gebäudeteile diese nicht überschreiten. Ein Vortreten von Gebäudeteilen in geringfügigem Ausmaß kann zugelassen werden. Absatz 2 Satz 3 gilt entsprechend.

(4) Ist eine Bebauungstiefe festgesetzt, so gilt Absatz 3 entsprechend. Die Bebauungstiefe ist von der tatsächlichen Straßengrenze ab zu ermitteln, sofern im Bebauungsplan nichts anderes festgesetzt ist.

(5) Wenn im Bebauungsplan nichts anderes festgesetzt ist, können auf den nicht überbaubaren Grundstücksflächen Nebenanlagen im Sinne des § 14 zugelassen werden. Das Gleiche gilt für bauliche Anlagen, soweit sie nach Landesrecht in den Abstandsflächen zulässig sind oder zugelassen werden können.

Gründe

Bayerisches Verwaltungsgericht Augsburg

Au 5 K 15.351

Im Namen des Volkes

Urteil

verkündet am 29.10.2015

5. Kammer

..., als stellvertretende Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle

Sachgebiets-Nr. 920

Hauptpunkte: Verpflichtungsklage auf Baugenehmigung eines Reihenhauses; Innenbereich; Nähere Umgebung; Einfügen; Faktische Baugrenze (verneint); Maß der baulichen Nutzung Rechtsquellen:

In der Verwaltungsstreitsache

...

- Kläger -

bevollmächtigt: ...

gegen

...

- Beklagte -

beteiligt:

...

wegen Baugenehmigung

erlässt das Bayerische Verwaltungsgericht Augsburg, 5. Kammer, durch den Richter am Verwaltungsgericht ... als Vorsitzenden, den Richter am Verwaltungsgericht ..., den Richter am Verwaltungsgericht ..., die ehrenamtliche Richterin ..., die ehrenamtliche Richterin ... aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 29. Oktober 2015 am 29. Oktober 2015 folgendes Urteil:

I.

Der Bescheid der Beklagten vom 11. Februar 2015 wird aufgehoben. Die Beklagte wird verpflichtet, dem Kläger die mit Formblatt vom 4. September 2014 beantragte Baugenehmigung zu erteilen.

II.

Die Kosten des Verfahrens hat die Beklagte zu tragen.

III.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt mit seiner Klage die Erteilung einer Baugenehmigung zur Errichtung eines sechsten Reihenhauses auf dem Grundstück Fl. Nr. ... der Gemarkung ... (...) im Stadtgebiet der Beklagten.

Mit Formblatt vom 9. Dezember 2013 beantragte der Kläger, der Eigentümer des Grundstücks Fl. Nr. ... der Gemarkung ... ist, den Teilabbruch des auf dem Grundstück vorhandenen Baubestandes sowie die Neuerrichtung von sechs Reihenhäusern.

Für das Baugrundstück besteht kein Bebauungsplan. Es befindet sich innerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteiles.

Das Stadtplanungsamt der Beklagten hat mit Stellungnahme vom 27. Februar 2014 ausgeführt, dass als nähere Umgebung zunächst das Geviert zwischen der ... Straße im Osten, der ...-straße im Westen, der ...-straße im Norden sowie der ...-straße im Süden zu betrachten sei. Die Bebauungsstruktur entspreche innerhalb des Gevierts entlang der ... Straße einer dreigeschossigen Zeilenbebauung mit Mischnutzung. Der restliche der ... Straße abgewandte Teil des Gevierts sei durch überwiegende Wohnbebauung mit ausschließlich zweigeschossigem Geschosswohnungsbau mit ausgebautem Dach und ein- bis zweigeschossigen Einzelhäusern geprägt. Insgesamt entspreche die Umgebung einem allgemeinen Wohngebiet mit Tendenz zu einem reinen Wohngebiet. Das Bauvorhaben sei nach den Anforderungen an die überbaubare Grundstücksfläche unzulässig. Es überschreite eine fiktive rückwärtige Baugrenze.

Im Folgenden hat der Kläger seine Baupläne dahingehend abgeändert, dass nur mehr eine Bebauung des Grundstücks mit fünf Reihenhäusern beabsichtigt sei.

Mit Bescheid der Beklagten vom 31. Juli 2014 (Gz. ...) wurde dem Kläger die Baugenehmigung zur Errichtung von fünf Reihenhäusern auf dem Grundstück Fl. Nr. ... der Gemarkung ... nach Maßgabe des Bescheides und der geprüften Bauvorlagen erteilt. Zur Begründung ist im Wesentlichen ausgeführt, dass das Vorhaben gemäß Art. 55 Bayerische Bauordnung (BayBO) genehmigungspflichtig sei. Die Genehmigung habe nach Maßgabe der Prüfvermerke und der in den Beiblättern festgesetzten Nebenbestimmungen erteilt werden können (Art. 68 BayBO).

Auf den weiteren Inhalt des nachfolgend bestandskräftig gewordenen Bescheides vom 31. Juli 2014 wird ergänzend verwiesen.

Mit weiterem Formblatt vom 4. September 2014 beantragte der Kläger erneut die Errichtung von sechs Reihenhäusern (Tektur).

Mit Bescheid der Beklagten vom 11. Februar 2015 (Gz.: ...) wurde der zuletzt gestellte Antrag abgelehnt. Zur Begründung ist im Wesentlichen ausgeführt, dass die Erteilung der beantragten Tekturgenehmigung versagt werde, da das Vorhaben öffentlich-rechtlichen Vorschriften widerspreche, die im bauaufsichtlichen Genehmigungsverfahren zu prüfen seien. Das Vorhaben widerspreche Bauplanungsrecht. Nachdem für das Gebiet kein Bebauungsplan bestehe, sei das Vorhaben gemäß § 34 Baugesetzbuch (BauGB) zu beurteilen. Das Vorhaben sei nach den Anforderungen an die überbaubare Grundstücksfläche gemäß § 34 Abs. 1 BauGB unzulässig. Bei einer Gesamtbetrachtung der antragsgegenständlichen Bebauung mit der vorhandenen Bebauung, insbesondere auf dem Grundstück ...-straße ..., welches eine geringe überbaubare Grundstücksfläche aufweise, sei festzustellen, dass das Bauvorhaben hinsichtlich Gebäudebreite, Gebäudelänge, Wandhöhe und Firsthöhe das gewöhnliche Maß der baulichen Nutzung im Bauquartier überschreite. Demnach füge sich das Vorhaben hinsichtlich überbaubarer Grundstücksfläche und hinsichtlich des Maßes der baulichen Nutzung nicht in die nähere Umgebung ein. Der beantragte Baukörper mit sechs Reihenhäusern sei geradezu beispiellos gegenüber der Bebauung innerhalb der prägenden Umgebung. Es sei zu befürchten, dass es zu bodenrechtlichen Spannungen komme. Die mit Bescheid vom 31. Juli 2014 genehmigte Bebauung mit fünf Reihenhäusern stelle das maximal vertretbare Maß dar. Die maximale zulässige Bebauung sei damit ausgeschöpft.

Auf den weiteren Inhalt des Bescheides der Beklagten vom 11. Februar 2015 wird ergänzend Bezug genommen.

Der Kläger hat gegen den vorbezeichneten Bescheid mit Schriftsatz vom 12. März 2015 Klage erhoben und beantragt:

Der Bescheid der Beklagten vom 11. Februar 2015 (Az. ...) wird aufgehoben und die Beklagte verpflichtet, den Bauantrag des Klägers vom 2. Oktober 2014 auf Erteilung einer Baugenehmigung zum Neubau von sechs Reihenhäusern auf dem Grundstück ..., Fl. Nr. ... der Gemarkung ... positiv zu verbescheiden,

hilfsweise: Über den vorbezeichneten Bauantrag des Klägers erneut unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu verbescheiden.

Zur Begründung der Klage ist im Schriftsatz vom 1. Juli 2015 ausgeführt, dass der Kläger einen Anspruch auf Erteilung der beantragten Tekturgenehmigung habe, da das Bauvorhaben genehmigungsfähig sei. Dabei sei aufgrund des zur Anwendung kommenden vereinfachten Genehmigungsverfahrens lediglich die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit zu bewerten. Diese beurteile sich nach § 34 BauGB. Unstreitig sei, dass sich das Vorhaben hinsichtlich der Art der baulichen Nutzung in die nähere Umgebung einfüge. Die Beklagte habe mit Bescheid vom 31. Juli 2014 ein nahezu deckungsgleiches Bauvorhaben auf dem Grundstück des Klägers genehmigt. Das verfahrensgegenständliche Vorhaben weiche von diesem lediglich dadurch ab, dass die Gesamtlänge des Baukörpers von 28,7 m auf 31,75 m erhöht werde. Bei der ursprünglichen Genehmigung sei die Beklagte erkennbar davon ausgegangen, dass sich das Vorhaben in seiner Gestalt hinsichtlich der Gebäudebreite, Wandhöhe und Firsthöhe in die nähere Umgebung einfüge. Die Bebauung auf dem Grundstück Fl. Nr. ... der Gemarkung ..., welches ebenfalls in die Betrachtung einzubeziehen sei, weise eine wesentlich größere Kubatur als das streitgegenständliche Bauvorhaben auf. Die Beklagte vertrete insoweit die Rechtsauffassung, dass das letztgenannte Gebäude als Fremdkörper aus dem maßgeblichen Baugeviert zu eliminieren sei. Dies sei allerdings nur möglich, wenn die Bebauung von ihrem quantitativen Erscheinungsbild oder nach ihrer Qualität völlig aus dem Rahmen der sonst in der näheren Umgebung anzutreffenden Bebauung heraus falle. Dies sei jedoch nicht der Fall. Auch überschreite das Vorhaben in der verfahrensgegenständlichen Form keine faktische rückwärtige Baugrenze, da hier eine solche erkennbar nicht gegeben sei. Die Länge der Gebäude südlich der ...-straße differiere für eine Verortung einer faktischen Baugrenze zu stark, biete mithin keine einheitliche Linie, aus der ein Ordnungssystem gleich einer Baugrenzenfestsetzung in einem Bebauungsplan abgeleitet werden könne. Für eine solche seien auch die Bebauung auf den Grundstücken Fl. Nr. ..., ... und ... der Gemarkung ... in die Betrachtung einzubeziehen. Nach allem sei das Vorhaben genehmigungsfähig und der Ablehnungsbescheid der Beklagten rechtswidrig.

Auf den weiteren Inhalt des Klagebegründungsschriftsatzes vom 1. Juli 2015 wird ergänzend verwiesen.

Die Beklagte ist der Klage mit Schriftsatz vom 20. April 2015 entgegengetreten und beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat mit Schriftsatz vom 12. August 2015 vorgetragen, dass das streitgegenständliche Vorhaben, auch wenn es lediglich geringfügig von dem genehmigten Vorhaben abweiche, nicht genehmigungsfähig sei. Es widerspreche Bauplanungsrecht. Wesentlich sei, dass sich die mit der Tektur beantragte Erweiterung nicht mit der Grundstücksfläche, die überbaut werden solle, und damit dem Maß der baulichen Nutzung in die Eigenart der näheren Umgebung einfüge. In dem Bereich, mit welchem das Geviert an die viel befahrene ... Straße angrenze, finde sich eine dreigeschossige, massive Bebauung als Abschirmung des Bauquartiers. Im Unterschied zum übrigen Bauquartier fänden sich in den Erdgeschossbereichen der Grundstücke Fl. Nr. ..., ... und ... jeweils der Gemarkung ... kleine Ladengeschäfte, welche zur ...-straße orientiert und von dort erschlossen seien. Die Hausnummerierung sei ebenfalls der ... Straße zugeordnet. Der Zugang zu den über den Ladeneinheiten vorhandenen Wohnungen erfolge über den geschützten rückwärtigen Gebäudeteil. Die Wohngebäude ..., ..., ... und ... sowie ...-straße ..., ..., ..., ..., ... und ... verfügten über einen geschützten, allenfalls mit Nebengebäuden bebauten rückwärtigen Grundstücks- bzw. Gartenbereich. Die hintere Gebäudekante auf dem Grundstück ...-straße bilde die faktische Baugrenze für die zur ...-straße hin orientierten Baukörper. Eine Überschreitung der faktischen Baugrenze mit Hauptnutzungen würde zu bodenrechtlichen Spannungen führen. Insbesondere hätte eine Überschreitung Vorbildwirkung für weitere Vorhaben. Nicht maßgeblich für die Situierung der hinteren faktischen Baugrenze sei der Baukörper auf dem Grundstück Fl. Nr. ... der Gemarkung .... Dies folge daraus, dass dieser Baukörper gänzlich zur ...-straße orientiert sei und daher nicht als maßbildend für die hintere Baugrenze herangezogen werden könne. Entlang von Hauptverkehrsstraßen finde sich oftmals massive Bebauung, welche eine sich dahinter anschließende, kleinteiligere Wohnstruktur vor Beeinträchtigungen abschirme. Bei der Zulassung der beantragten Tektur wäre ein Bezugsfall für das in der Umgebung vorzufindende Maß der baulichen Nutzung geschaffen.

Auf den weiteren Vortrag im Schriftsatz der Beklagten vom 12. August 2015 wird ergänzend Bezug genommen.

Das Gericht hat durch den Berichterstatter am 29. Juli 2015 einen nichtöffentlichen Augenscheinstermin am Baugrundstück und in dessen näherer Umgebung durchgeführt. Auf die Niederschrift und die hierbei gefertigten Lichtbilder wird verwiesen.

Am 29. Oktober 2015 fand die mündliche Verhandlung statt. Für den Hergang der Sitzung wird auf die hierüber gefertigte Niederschrift verwiesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die von der Beklagten vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig und begründet. Der Kläger besitzt einen Anspruch auf Erteilung der beantragten Baugenehmigung, da dem Bauvorhaben keine öffentlich-rechtlichen Vorschriften entgegenstehen, die im bauaufsichtlichen Genehmigungsverfahren zu prüfen sind (§ 113 Abs. 5 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO, Art. 68 Abs. 1 Satz 1 BayBO). Damit erfolgte die Ablehnung der beantragten Baugenehmigung im Bescheid der Beklagten vom 11. Februar 2015 zu Unrecht und verletzt den Kläger in dessen subjektiv-öffentlichen Rechten. Das vom Kläger geplante Vorhaben - Errichtung eines sechsten Reihenhauses auf dem Grundstück Fl. Nr. ... der Gemarkung ... - ist hinsichtlich des Maßes der baulichen Nutzung und der zu überbauenden Grundstücksfläche nicht zu beanstanden. Der Kläger besitzt mithin einen Anspruch auf die von ihm begehrte Baugenehmigung.

Gemäß Art. 68 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 BayBO ist die Baugenehmigung zu erteilen, wenn dem Bauvorhaben keine öffentlich-rechtlichen Vorschriften entgegenstehen, die im bauaufsichtlichen Genehmigungsverfahren zu prüfen sind.

Bei dem streitgegenständlichen Vorhaben handelt es sich nicht um einen Sonderbau im Sinne des Art. 2 Abs. 4 BayBO, so dass sich der Prüfungsumfang der Bauaufsichtsbehörde aus Art. 59 BayBO ergibt.

Nach Art. 59 Satz 1 BayBO prüft die Bauaufsichtsbehörde demnach die Übereinstimmungen mit den Vorschriften über die Zulässigkeit der baulichen Anlagen nach den § 29 bis 38 BauGB und den Regelungen örtlicher Bauvorschriften im Sinne des Art. 81 Abs. 1 BayBO (Nr. 1), beantragte Abweichungen im Sinne des Art. 63 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 2 BayBO (Nr. 2) sowie andere öffentlich-rechtliche Anforderungen, soweit wegen der Baugenehmigung eine Entscheidung nach anderen öffentlich-rechtlichen Vorschriften entfällt, ersetzt, oder eingeschlossen wird (Nr. 3).

Vorliegend streiten die Beteiligten einzig um die Frage, ob das Vorhaben des Klägers mit den § 29 bis 38 BauGB in Einklang steht.

Das Bauvorhaben ist bauplanungsrechtlich zulässig.

Das Baugrundstück liegt nicht im Umgriff eines Bebauungsplanes. Die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens bestimmt sich daher nach § 34 BauGB.

Nach § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB ist ein Vorhaben innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und die Erschließung gesichert ist.

Maßgeblich für die Frage des Einfügens in die nähere Umgebung ist dabei der Bereich, soweit sich die Ausführung des Vorhabens auf ihn auswirken kann und soweit dieser seinerseits den bodenrechtlichen Charakter des betroffenen Grundstücks prägt oder beeinflusst (vgl. BVerwG, B. v. 20.8.1998 - 4 B 89/98 - NVwZ-RR 1999, 105; U. v. 26.5.1978 - 4 C 9.77 - BVerwGE 55, 369 ff; Söfker in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand: Mai 2015, § 34 Rn. 36). Hierbei ist auf den räumlichen Umkreis und die städtebauliche Situation, in die das Grundstück eingebettet ist, abzustellen (Söfker in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, a. a. O., § 34 Rn. 36). Grundsätzlich relevanter Bereich zur Bestimmung der näheren Umgebung ist das maßgebliche Straßengeviert (vgl. BayVGH, B. v. 1.12.2011 - 14 CS 11.2577 - juris Rn. 26). Maßgeblich sind damit nicht nur die unmittelbaren Nachbargrundstücke, sondern auch die Grundstücke, auf die sich die Ausführung des Vorhabens auswirken kann und ihrerseits die Umgebung den bodenrechtlichen Charakter des Baugrundstücks prägt oder beeinflusst (BVerwG, B. v. 16.6.2009 - 4 B 50/08 - BauR 2009, 1564; Krautzberger in Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB - Kommentar, 12. Aufl. 2014, § 34 Rn. 13).

Nach den Ergebnissen der Beweisaufnahme durch Augenschein vom 29. Juli 2015 sowie der Auswertung von Katasterauszügen und Luftbildaufnahmen wird das hier maßgebliche Gebiet durch die ...-straße im Westen, die ...-straße im Norden, die ... Straße im Westen sowie die ...-straße im Süden begrenzt. Dass das vorbezeichnete Straßengeviert die maßgebliche Grundlage für die Beurteilung des Sich-Einfügens des Bauvorhabens des Klägers in die nähere Umgebung darstellt, wird so auch von den Beteiligten des Verfahrens geteilt.

Ob sich das maßgebliche Gebiet aufgrund der sich in den zur ...-straße hin orientierten Gebäuden im Erdgeschoss befindenden gewerblichen Nutzungen als allgemeines Wohngebiet im Sinne von § 4 BauNVO darstellt oder ob dieses bereits überwiegend Wesensmerkmale eines reinen Wohngebiets im Sinne von § 3 BauNVO aufweist, bedarf letztlich keiner Entscheidung.

Die vom Kläger geplante weitere Wohnnutzung ist sowohl nach § 4 Abs. 2 Nr. 1 BauNVO als auch nach § 3 Abs. 2 Nr. 1 BauNVO allgemein zulässig. Für eine Unzulässigkeit im Einzelfall gemäß § 15 Abs. 1 BauNVO ist nichts ersichtlich bzw. vorgetragen.

Die Beklagte hat die Versagung der Baugenehmigung im angefochtenen Bescheid vom 11. Februar 2015 allein damit begründet, dass das Bauvorhaben des Klägers im rückwärtigen Grundstücksbereich eine dort vorhandene faktische Baugrenze in erheblichen Umfang überschreite und die geplante Gesamtlänge des Baukörpers (31,75 m statt der genehmigten 28,70 m) sich nach dem Maß der baulichen Nutzung nicht in die nähere Umgebung einfüge.

Die Kammer ist der Auffassung, dass sich das Bauvorhaben des Klägers hinsichtlich des städtebaulichen Kriteriums der überbaubaren Grundstücksfläche in der von § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB geforderten Weise in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt. Bei dem Merkmal der überbaubaren Grundstücksfläche, das den Standort des Bauvorhabens im Sinne von § 23 BauNVO betrifft, stellt das Städtebaurecht Anforderungen an die räumliche Lage der Baukörper auf den Grundstücken und verlangt eine Prüfung, ob sich in der als Vergleichsmaßstab heranzuziehenden Umgebungsbebauung Beschränkungen in Form faktischer Baulinien (§ 23 Abs. 2 BauNVO) und/oder Baugrenzen (§ 23 Abs. 3 BauNVO) entnehmen lassen, welche bei der Realisierung des hinzutretenden Bauvorhabens beachtet werden müssen. Auch unter diesem Aspekt ist - wie beim Tatbestandsmerkmal des „Einfügens“ (§ 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB) insgesamt - zunächst der sich aus der konkret vorhandenen, nicht notwendig bauaufsichtsbehördlich genehmigten Umgebungsbebauung ergebende Beurteilungsrahmen zu bestimmen, wobei der Baubestand bezogen auf das jeweils untersuchte städtebauliche Kriterium im Sinne der Vorschrift insoweit zu berücksichtigen ist, als sich die Ausführung des Vorhabens auf die städtebauliche Situation in seiner Umgebung auswirkt und soweit die Umgebung ihrerseits den bodenrechtlichen Charakter des Baugrundstücks prägt oder zumindest beeinflusst.

Die Kammer vermag die von der Beklagten vorgetragene faktische Baugrenze im rückwärtigen Bereich der südlich an der ...-straße gelegenen Wohngebäude nicht zu erkennen. Dies ergibt sich aus den Feststellungen im gerichtlichen Augenschein und einer Auswertung der im Verfahren vorgelegten Luftbilder bzw. Katasterauszüge. Die Beklagte hat den Verlauf der von ihr geltend gemachten faktischen Baugrenze und damit die Tiefe des bebaubaren Teils der Grundstücke, die unmittelbar südlich an die ...-straße angrenzen, an dem südlichen Abschluss des sich auf dem Grundstück Fl. Nr. ... der Gemarkung ... (...str. ...) gelegenen Wohngebäudes festgemacht. Die sich auf dem Grundstück Fl. Nr. ... Gemarkung ... befindliche Bebauung ist jedoch unter Berücksichtigung der Umgebungsbebauung im maßgeblichen Bauquartier nicht geeignet, eine faktische Baugrenze im Sinne von § 23 Abs. 3 BauNVO zu begründen. Dies ergibt sich insbesondere daraus, dass sich im maßgeblichen Quartier auf den Grundstücken Fl. Nr. ... bzw. ... der Gemarkung ... eine Bebauung befindet bzw. von der Beklagten bauaufsichtlich zugelassen worden ist, die die von der Beklagten zur Anwendung gebrachte faktische Baugrenze im rückwärtigen Grundstücksbereich in größerem Maße überschreitet als das vom Kläger beabsichtigte Bauvorhaben. Dem kann auch nicht entgegen gehalten werden, dass es sich bei den Bebauungen auf den Grundstücken Fl. Nr. ... und ... der Gemarkung ... jeweils um eine Abschlussbebauung (Ringbebauung) am nördlichen bzw. südlichen Abschluss des jeweiligen Bauquartiers handelt. Grundsätzlich sind bei der Bestimmung der Eigenart der Umgebung nämlich alle städtebaulich bedeutsamen baulichen und sonstigen Nutzungen zu berücksichtigen. Unzulässig wäre es, die Eigenart auf das zu beschränken, was städtebaulich wünschenswert oder vertretbar ist (vgl. Söfker in Ernst/Zinkahn/Bielen-berg/Krautzberger, a. a. O., § 34 Rn. 37). Die Betrachtung ist dabei auf das Wesentliche zurückzuführen und es ist alles außer Acht zu lassen, was die Umgebung nicht prägt oder in ihr gar als Fremdkörper erscheint. Dies führt dazu, dass bauliche Anlagen außer Acht zu bleiben haben, die von ihrem quantitativen Erscheinungsbild oder nach ihrer Qualität völlig aus dem Rahmen der sonst in der näheren Umgebung anzutreffenden Bebauung herausfallen bzw. nicht die Kraft haben, die Eigenart der näheren Umgebung zu beeinflussen. Ein Herausfallen aus der maßgeblichen Umgebungsbebauung ist auch dann anzunehmen, wenn eine singuläre Anlage in einem auffälligen Kontrast zur übrigen Bebauung steht.

Der Begründung, dass die Bebauung auf den Grundstücken Fl. Nr. ... bzw. ... der Gemarkung ..., die die von der Beklagten angenommene faktische Baugrenze bereits deutlich überschreitet aufgrund einer abweichenden Struktur aus der näheren Umgebung zu isolieren ist, vermag die Kammer nicht zu folgen. Dies mag - wie von der Beklagten vorgetragen - vielleicht noch hinsichtlich der Bebauung entlang der ...-straße (Grundstück Fl. Nr. ...) aufgrund des abschirmenden Charakters zur hinterliegenden Bebauung der Fall sein. Gründe, warum die die angenommene faktische Baugrenze gleichfalls überschreitende zukünftige Bebauung auf dem Grundstück Fl. Nr. ... bei der Betrachtung der näheren Umgebung und einer sich hieraus ableitenden faktischen Baugrenze außer Betracht bleiben soll, drängen sich dem Gericht nicht auf.

Nach den Eindrücken von der Umgebung des Bauvorhabens im gerichtlichen Augenschein lässt sich ein einheitlich in Erscheinung tretendes, deutlich ablesbares Bild der Situierung der im Bauquartier vorhandenen Gebäude, der die Annahme einer faktischen Baugrenze rechtfertigen könnte, nicht feststellen. Zwar trifft es zu, dass anders bei einer Baulinie (§ 23 Abs. 2 BauNVO) Gebäude bei einer (faktischen) Baugrenze auch hinter dieser zurückbleiben können, jedoch verlangt die Feststellung einer Baugrenze hinreichende Anhaltspunkte für eine städtebaulich verfestigte Situation (OVG Berlin-Brandenburg, U. v. 13.3.2013 - OVG 10 B 4.12 - juris Rn. 45). Die tatsächlich vorhandene Bebauung und die hieraus zu folgernde Baugrenze zu einer nicht überbaubaren Grundstücksfläche darf kein bloßes „Zufallsprodukt“ ohne eigenen städtebaulichen Aussagewert sein. Dies folgt auch daraus, dass die Feststellung einer faktischen Baugrenze mit einer mit Hauptanlagen nicht überbaubaren Grundstücksfläche eine Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums (Art. 14 Abs. 1 Grundgesetz - GG) darstellt, die auch im Rahmen der gesetzlichen Grundlage des § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB einer Rechtfertigung bedarf (vgl. VG München, U. v. 18.6.2015 - M 11 K 14.1181 - juris Rn. 30).

An einer solchen Rechtfertigung fehlt es hier aufgrund der konkret festgestellten baulichen Situation. Die Tatsache, dass sich am nördlichen bzw. südlichen Abschluss des maßgeblichen Bauquartiers größere Baukörper befinden, die bereits deutlich die von der Beklagten angenommene Baugrenze überschreiten und die übrigen Gebäude im Verhältnis zueinander durch Vor- bzw. Rücksprünge gekennzeichnet sind, legt für das Gericht die Annahme einer im Wesentlichen zufälligen Anordnung der Baukörper nahe und lässt die Annahme einer faktischen Baugrenze nicht zu. Selbst unter Außerbetrachtlassung der Gebäude auf den Grundstücken Fl. Nr. ... Gemarkung ... und der genehmigten Nutzung auf dem Grundstück ... der Gemarkung ... weist das maßgebliche Quartier keine prägende Bebauung entlang der von der Beklagten angenommene Baugrenze auf. Vielmehr verhält es sich so, dass die Baugrenze mehr oder minder zufällig auf das südliche Ende der Bebauung auf dem Grundstück Fl. Nr. ... der Gemarkung ... festgelegt wurde. Die sich dort befindliche Bebauung ist, da in ihrer Ausdehnung ebenfalls isoliert geblieben, innerhalb des kleinräumigen Bauquartiers nicht geeignet, eine entsprechende Prägung im Sinne einer einheitlich zu beachtenden faktischen Baugrenze zu begründen. Das ergibt sich auch daraus, dass die Festlegung der faktischen Baugrenze anhand einer vereinzelt gebliebenen Bebauung eines Grundstückes erfolgt ist und in der unmittelbaren westlichen sowie östlichen Umgebung des Bauvorhabens bereits nennenswerte Durchbrechungen der angenommenen Baugrenze stattgefunden haben. Dies alles legt die Annahme einer zufälligen Anordnung der Baukörper im kleinräumigen Bauquartier nahe, wenngleich der Wunsch der Beklagten, die rückwärtigen Grundstücksbereiche von Bebauung freizuhalten, durchaus anerkennenswert sein mag. Ohne eine entsprechend städtebaulich verfestigte Situation, die äußerlich prägend in Erscheinung tritt, ist die Annahme einer faktischen Baugrenze jedoch nicht gerechtfertigt, mag diese auch städtebaulich wünschenswert erscheinen.

Das klägerische Bauvorhaben fügt sich auch hinsichtlich des Maßes der Nutzung in die Eigenart der näheren Umgebung ein. Maßgebend für das Einfügen in die Eigenart der näheren Umgebung im Sinne von § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB nach dem Maß der baulichen Nutzung ist die von außen wahrnehmbare Erscheinung des Gebäudes im Verhältnis zu seiner Umgebungsbebauung. Vorrangig ist dabei auf diejenigen Maßkriterien abzustellen, in denen die prägende Wirkung besonders zum Ausdruck gelangt. Sachgerechte Beurteilungsmaßstäbe sind damit vorrangig diejenigen der entsprechend heranzuziehenden Kriterien der Baunutzungsverordnung zur Bestimmung des Nutzungsmaßes, welche die Baukörpergröße durch absolute Maße begrenzen. Das sind die die „flächenmäßige Ausdehnungen“ des Baukörpers (BVerwG, B. v. 21.6.2007 - 4 B 8.07 -ZfBR 2007, 687) erfassende Größe der Grundfläche (§ 16 Abs. 2 Nr. 1 Alt. 2 BauNVO) und die Anlagenhöhe (§ 16 Abs. 2 Nr. 4, § 18 BauNVO) bzw. die Zahl der Vollgeschosse (vgl. § 16 Abs. 2 Nr. 3 BauNVO) (BayVGH, U. v. 18.7.2013 - 14 B 11.1238 - juris Rn. 25).

Im Hinblick auf die sich in der näheren Umgebung bereits befindlichen größeren Baukörper auf den Grundstücken Fl. Nr. ... und dem insbesondere nördlich der ...-straße gelegenen Baukörper auf Grundstück Fl. Nr. ... der Gemarkung ... (... Str. ...), welcher ebenfalls als gegenüber liegende Bebauung noch in die nähere Umgebung einzubeziehen ist, kann gerade nicht davon gesprochen werden, dass die mit der angestrebten Baugenehmigung begehrte Verlängerung des Reihenhauskomplexes um ca. 3 m (Errichtung eines sechsten Reihenhauses) geeignet wäre, dass in der Umgebung festzustellende Maß der baulichen Nutzung nennenswert zu beeinträchtigen bzw. zu verletzen. Auch ist nicht ersichtlich, dass der zwischenzeitlich von der Beklagten auf Grundstück Fl. Nr. ... der Gemarkung ... genehmigte Reihenhauskomplex einen geringeren Umfang wie der vom Kläger geplante besitzt. Deshalb lässt sich ein bodenrechtliche Spannung auslösender Konflikt des beabsichtigten Bauvorhabens des Klägers mit der Umgebungsbebauung hinsichtlich des Maßes der baulichen Nutzung nicht ausmachen.

Nach alledem stehen der vom Kläger beantragten Baugenehmigung keine öffentlich-rechtlichen Vorschriften entgegen, die im Baugenehmigungsverfahren zu prüfen sind. Daher war die Beklagte zu verpflichten, dem Kläger die beantragte Baugenehmigung zu erteilen. Aufgrund des Erfolges der Klage im Hauptantrag, war über den gestellten hilfsweisen Antrag nicht mehr zu entscheiden.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Als im Verfahren unterlegen hat die Beklagte die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 2 VwGO i. V. m. § 708 Nr. 11, § 711 Zivilprozessordnung (ZPO).

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen dieses Urteil steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zugelassen wird. Die Zulassung der Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils beim Bayerischen Verwaltungsgericht Augsburg,

Hausanschrift: Kornhausgasse 4, 86152 Augsburg, oder

Postfachanschrift: Postfach 11 23 43, 86048 Augsburg,

schriftlich zu beantragen.

Der Antrag muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof,

Hausanschrift in München: Ludwigstr. 23, 80539 München, oder

Postfachanschrift in München: Postfach 34 01 48, München,

Hausanschrift in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach

einzureichen. Die Berufung ist nur zuzulassen, wenn

1. ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,

2. die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,

3. die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,

4. das Urteil von einer Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, des Bundesverwaltungsgerichts, des gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder

5. wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich die Beteiligten durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingeleitet wird. Als Bevollmächtigte sind die in § 67 Absatz 2 Satz 1 und Absatz 2 Satz 2 Nr. 3 bis 7 VwGO bezeichneten Personen und Organisationen zugelassen. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich auch durch die in § 67 Abs. 4 Satz 4 VwGO genannten Personen vertreten lassen.

Der Antragsschrift sollen 4 Abschriften beigefügt werden.

Beschluss:

Der Streitwert wird auf 10.000,- Euro festgesetzt (§ 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz (GKG).

Gründe:

Als Streitwert wurde der hälftige Ansatz eines Einfamilienhauses gemäß Nr. 9.1.1.1 (20.000 Euro) der Empfehlungen des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit gewählt.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Beschluss steht den Beteiligten die Beschwerde an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zu, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 200,- Euro übersteigt oder die Beschwerde zugelassen worden ist.

Die Beschwerde ist innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, beim Bayerischen Verwaltungsgericht Augsburg,

Hausanschrift: Kornhausgasse 4, 86152 Augsburg, oder

Postfachanschrift: Postfach 11 23 43, 86048 Augsburg,

schriftlich einzureichen oder zu Protokoll der Geschäftsstelle einzulegen; § 129a der Zivilprozessordnung gilt entsprechend. Der Mitwirkung eines Bevollmächtigten bedarf es hierzu nicht.

Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde auch noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.

Der Beschwerdeschrift sollen 4 Abschriften beigefügt werden.

Gründe

Bayerisches Verwaltungsgericht München

Aktenzeichen: M 11 K 14.1181

Im Namen des Volkes

Urteil

vom 18. Juni 2015

Kammer

Sachgebiets-Nr. 920

Hauptpunkte:

Werbeanlage;

Faktische Baugrenze (verneint);

Unwirksame Werbeanlagesatzung;

Verkehrssicherheit

Rechtsquellen:

In der Verwaltungsstreitsache

... - Klägerin -

bevollmächtigt: Rechtsanwältin ...

gegen

... - Beklagter -

beigeladen: ...

bevollmächtigt: Rechtsanwälte ...

wegen Baugenehmigung, FlNr. ..., Gemarkung ...

erlässt das Bayerische Verwaltungsgericht München, 11. Kammer,

durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgericht ..., die Richterin am Verwaltungsgericht ..., den Richter am Verwaltungsgericht ..., den ehrenamtlichen Richter ..., die ehrenamtliche Richterin ... aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 18. Juni 2015 am 18. Juni 2015 folgendes Urteil:

I.

Der Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheids vom ... Februar 2014 verpflichtet, die mit Antrag vom 5. November 2013 beantragte Baugenehmigung zu erteilen.

II.

Der Beklagte und die Beigeladene haben die Kosten des Verfahrens je zur Hälfte zu tragen.

III.

Die Kostenentscheidung ist vorläufig volltreckbar.

Der jeweilige Kostenschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Kostengläubiger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um das Bauvorhaben der Klägerin, auf dem Grundstück FlNr. ... Gemarkung ..., ... Str. 172 in ..., zwei großflächige Plakatwerbetafeln für Fremdwerbung zu errichten.

Die Klägerin stellte für das soeben genannte Vorhaben einen Bauantrag am 5. November 2013, der bei der Beigeladenen am 6. und beim Landratsamt am 29. November 2013 einging.

Das Vorhabensgrundstück liegt bauplanungsrechtlich im unbebauten Innenbereich gemäß § 34 BauGB; nach den Beteiligten soll es sich bei dem Gebiet, in dem das Vorhaben gelegen ist, um ein faktisches Mischgebiet handeln. Die Beigeladene hat eine Webeanlagensatzung datierend vom 18. April 2006.

Die Beigeladene verweigerte zu dem Vorhaben ihr gemeindliches Einvernehmen, wobei sie die Entscheidung über die Erteilung des Einvernehmens als Angelegenheit der laufenden Verwaltung behandelte.

Das Landratsamt ... (im Folgenden Landratsamt) holte im Verwaltungsverfahren u. a. eine Stellungnahme der Polizeiinspektion ... zu dem Vorhaben ein, die mit Schreiben der PI ... vom 10. Februar 2014 (Bl. 31 f BA) abgegeben wurde.

Nach vorheriger Anhörung zur beabsichtigten Ablehnung lehnte das Landratsamt ... mit Bescheid vom ... Februar 2014, welcher der Klägerin ausweislich der in den Behördenakten befindlichen Postzustellungsurkunde am 4. März 2014 zuging, den Bauantrag ab. Zur Begründung ist im Wesentlichen ausgeführt, dass für das genehmigungspflichtige Vorhaben das gemeindliche Einvernehmen nicht erteilt worden sei. Das Vorhaben sei bauplanungsrechtlich nach § 34 Abs. 2 BauGB i. V. m. § 6 BauNVO zu beurteilen und danach grundsätzlich, insbesondere nach dem Einfügen und nach der Art der baulichen Nutzung zulässig. Allerdings füge sich das Vorhaben hinsichtlich des Einfügensmerkmals der Grundstücksfläche, die überbaut werden solle, nicht ein. Im Bereich des Vorhabens sei eine faktische Baulinie zur ... Straße hin vorzufinden. Die Gebäude entlang der ... Straße seien abgesetzt von dieser, während die beiden Werbeanlagen unmittelbar nördlich an der Grundstücksgrenze zur ... Straße bzw. zum dortigen Gehsteig errichtet werden sollten. Außerdem stehe § 2 Abs. 1 Satz 1 der Werbeanlagensatzung entgegen. Schließlich mache das Landratsamt von seiner Befugnis nach Art. 68 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 BayBO i. V. m. Art. 14 Abs. 2 BayBO Gebrauch. Bei der ... Straße handele es sich um eine stark befahrene vierspurige Bundesstraße, über die laut der letzten Verkehrszählung ca. 28.000 Fahrzeuge am Tag fahren würden. Wie sich aus der Stellungnahme der PI ... ergebe, hätten sich in den letzten fünf Jahren, d. h. von 2009 bis 2013, auf dem ca. 1 ½ km langen Straßenverlauf in diesem Bereich 569 Verkehrsunfälle mit insgesamt 158 Verletzen ereignet; es handele sich um einen Unfallschwerpunkt.

Mit Schreiben ihrer Bevollmächtigten vom 18. März 2014, beim Gericht eingegangen am 19. März 2014, erhob die Klägerin Klage und beantragte,

den Beklagten zur Erteilung der abgelehnten Baugenehmigung zu verpflichten.

Zur Begründung ist ausgeführt, es handele sich um ein Mischgebiet, in dem das Vorhaben allgemein zulässig sei. Eine faktische Baulinie gebe es nicht. Die Werbeanlagensatzung sei nichtig. Für den Straßenverkehr bestünden keine Gefahren.

Mit Schreiben vom 6. Mai 2014 erwiderte der Beklagte hierauf und beantragte,

Klageabweisung.

Im Bereich des beabsichtigten Vorhabens gebe es eine nördliche faktische Baulinie. Die Bebauung gehe nicht weiter als bis maximal 2 m an die nördlichen Grundstücksgrenzen. Einzige Ausnahme sei die Überdachung der Tankstelle auf dem streitgegenständlichen Grundstück, die bis 1 m an die nördliche Grundstücksgrenze herangehe. Diese habe jedoch keine Wirkung wie die eines Hauses. Da die Werbeanlagen direkt an der nördlichen Einfriedung angebracht werden sollten, würden diese die faktische Baulinie um ca. 2 m überschreiten. Ein Vergleich mit dem auf der anderen Straße liegenden Einkaufszentrum „... Meile“ inklusive des dortigen ... Markts sei nicht stichhaltig, da hierfür die Festsetzungen des Bebauungsplans (Nr. ..., östlich der ... Straße zwischen ...-straße und ...-straße) der Beigeladenen einschlägig seien. Außerdem könnten sich faktische Baulinien durchaus auch nur auf einer Straße befinden. An der Ortsdurchfahrt ... der B ... im weiteren Bereich des Vorhabens seien insgesamt drei vergleichbare Werbeanlagen vorhanden, die jedoch keine hinreichende Bezugsfallwirkung für das Vorhaben auslösten. Zwei davon seien in Bushäuschen integrierte Werbeanlagen, auf Höhe der Hausnummern 160 bzw. 200. Diese seien beide nicht genehmigt. Zwar sei eine weitere Werbeanlage, die frei stehe, auf Höhe der Hausnummer 201 genehmigt, im Jahre der Genehmigungserteilung 1990 habe es jedoch noch keine Werbeanlagensatzung der Beigeladenen gegeben und die Verkehrsverhältnisse seien damals noch nicht so gewesen wie heute. Im Übrigen sei diese Anlage so weit entfernt, dass sie nicht mehr zur näheren Umgebung zähle. Die Werbeanlagensatzung der Beigeladenen stehe dem Vorhaben entgegen und da das Landratsamt ... über keine sog. Normverwerfungskompetenz verfüge, obliege die Prüfung dieser Satzung dem Verwaltungsgericht München. Schließlich gefährdeten die geplanten Werbeanlagen die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehres. Bei der betroffenen Ortsdurchfahrt liege eine außergewöhnlich schwierige Fahrstrecke für die Verkehrsteilnehmer vor. Dies begründe sich insbesondere aus der Vielzahl von Einmündungen und Kreuzungsbereichen mit Lichtzeichenanlagen, der Vielzahl von gewerblichen Betrieben an der vierspurigen Straße und nicht zuletzt aus der extrem hohen Verkehrsbelastung, was sich in den hohen Unfallzahlen widerspiegle. Dabei dürften die tatsächlichen Unfallzahlen noch höher liegen. Bei durchschnittlich über 1,5 Unfällen am Tag sei bei einer weiteren Ablenkung in überschaubarer Zukunft mit einem Schadenseintritt zu rechnen. Die Werbeanlagen sollten parallel zur Straße angebracht werden. Dies hätte zur Folge, dass diese auf beide Fahrtrichtungen der B ... und zusätzlich frontal auf die ...-Straße im Kreuzungsbereich wirkten. Letztere diene derzeit zur Erschließung des Einkaufszentrums „... Meile“. Gleichzeitig sei geplant, hierüber die Haupterschließung der in nächster Zukunft kommenden Wohn- und Gewerbebebauung „Neue Mitte ...“ abzuwickeln, so dass hier noch eine zusätzliche deutliche Steigerung der Verkehrsbelastung zu erwarten sei. Daher sei es dringend nötig, eine weitere informatorische Belastung, die zusätzlich Werbeanlagen naturgemäß mit sich brächten, zu vermeiden, um zu gewährleisten, dass wichtige Verkehrszeigen und Lichtzeichen wahrgenommen würden.

Mit Schreiben ihrer Bevollmächtigten vom 13. Juli 2014 ließ die Klägerin die Klagebegründung weiter vertiefen.

Der Beklagte äußerte sich hierauf mit Schreiben vom 21. Juli 2014, in dem er jedoch lediglich auf die Klageerwiderung vom 6. Mai 2014 verwies.

Mit Beschluss vom 21. April 2015 erfolgte die Beiladung der Gemeinde ....

Am 18. Juni 2015 erhob das Gericht Beweis durch Einnahme eines Augenscheins. Auf die Niederschrift über den Augenschein wird Bezug genommen. Im Anschluss fand die mündliche Verhandlung statt. Auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung wird Bezug genommen.

Die Hauptbeteiligten stellten die bereits schriftsätzlich angekündigten Anträge. Die

Beigeladene beantragte,

Klageabweisung.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- sowie die vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage hat Erfolg.

Die Klägerin hat einen Anspruch auf Erteilung der beantragten Baugenehmigung, § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO, Art. 68 Abs. 1 Satz 1 BayBO.

Das Vorhaben ist genehmigungsfähig, Art. 59 Satz 1 Nr. 1 BayBO. Die vom Beklagten angeführten Ablehnungsgründe greifen nicht durch.

1. Das Vorhaben ist bauplanungsrechtlich zulässig, Art. 59 Satz 1 Nr. 1 Variante 1 i. V. m. §§ 29 ff. BauGB.

Das Vorhaben ist im unbeplanten Innenbereich gemäß § 34 Abs. 1, Abs. 2 BauGB zulässig. Ob es sich im Bereich des Vorhabens um ein faktisches Mischgebiet handelt, muss nicht abschließend entschieden werden. Jedenfalls liegt mindestens ein faktisches Mischgebiet, von dem die Beteiligten ausgehen, vor, jedenfalls unstreitig kein Gebiet, in dem Anlagen der Fremdwerbung nicht allgemein zulässig wären. Unter der Annahme des Vorliegens eines Mischgebiets ist das Vorhaben hinsichtlich des Einfügens nach der Art der baulichen Nutzung allgemein zulässig gemäß § 34 Abs. 2 Halbsatz 1 BauGB i. V. m. § 6 Abs. 2 Nr. 4 BauNVO. Auch die übrigen Einfügensmerkmale des § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB sind gegeben. Das Vorhaben fügt sich ohne weiteres hinsichtlich des Maßes der baulichen Nutzung ein, ebenso hinsichtlich der Bauweise.

Auch hinsichtlich des Einfügens bezüglich der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, ist das Einfügen entgegen der Auffassung des Landratsamtes ... zu bejahen.

Dabei ist zunächst darauf hinzuweisen, dass in keinem Fall eine faktische Baulinie, wie das Landratsamt aber meint, existiert. Zur Konkretisierung des Einfügungsgebots kann hinsichtlich der überbaubaren Grundstücksfläche auf § 23 BauNVO zurückgegriffen werden (Jäde/Dirnberger/Weiss, BauGB, 7. Aufl., § 34 Rn. 83 m. w. N.). Dabei kommt jedoch eine faktische Baulinie entsprechend § 23 Abs. 2 Satz 1 BauNVO nicht in Betracht. Das würde voraussetzen, dass die tatsächlichen Verhältnisse eine einheitliche Linie vorgeben, auf der gebaut werden muss. Das ist bereits aus den bei den Behördenakten befindlichen Lageplänen ersichtlich nicht der Fall. Von einer einheitlichen Baulinie kann danach und auch nach den Feststellungen und Eindrücken im gerichtlichen Augenschein nicht die Rede sein. Es existieren im Bereich des Vorhabensgrundstücks viele Gebäude, darunter auch Hauptgebäude, die nicht in einem Abstand von etwa 2 m nördlich zur ... Straße, sondern viel weiter abgerückt von dieser errichtet sind.

Es existiert jedoch auch keine faktische Baugrenze, welche das Landratsamt zwar nicht als gegeben erachtet hat, was jedoch möglicherweise in Verkennung des Begriffs der Baulinie tatsächlich gemeint war. Lässt sich aus der Umgebungsbebauung eine faktische Baugrenze entsprechend § 23 Abs. 3 BauNVO ableiten, so dürfen Gebäude und Gebäudeteile diese nicht überschreiten.

Eine solche faktische Baugrenze ergibt sich nach den Feststellungen im gerichtlichen Augenschein im Bereich des Vorhabens nicht.

Der maßgebliche Bereich, ausgehend vom Vorhabensgrundstück reicht in östlicher Himmelsrichtung höchstens bis etwa zur Einmündung der ... Straße in die ... Straße sowie in westlicher Himmelsrichtung höchstens bis etwa zur FlNr. ... Gemarkung .... Eine faktische Baugrenze lässt sich aus der Bebauung in diesem Bereich nicht ableiten. Die insbesondere aus den Lageplänen ersichtliche Bebauung, die, was dem Landratsamt zuzugeben ist, relativ einheitlich knapp vor den jeweiligen nördlichen Grundstücksgrenzen Halt macht und nicht ganz an diese heranreicht, genügt im konkret zu entscheidenden Einzelfall für die Annahme einer vorderen faktischen Baugrenze nicht. Dabei stehen weniger die Unterbrechungen dieser Einheitlichkeit entgegen. Zwar reicht insbesondere auf dem Vorhabensgrundstück die Überdachung der auf diesem Grundstück befindlichen Tankstelle näher an die einheitlichen Grundstücksgrenzen heran als die übrigen Gebäude und ist dieser Gebäudeteil entgegen der Auffassung des Landratsamtes insofern auch erheblich, da die Vorschrift des § 22 Abs. 3 Satz 1 BauNVO eben gerade auch Gebäudeteile nennt. Auch sind die beiden in Bus- und Wartehäuschen integrierten Werbeanlagen jenseits dieser Grundstücksgrenzen errichtet, so dass erwogen werden könnte, ob bereits dadurch die Annahme einer faktischen vorderen Baugrenze ausgeschlossen ist. Das kann jedoch im Ergebnis offen bleiben. Denn nach den Eindrücken von der Umgebung des Vorhabens im gerichtlichen Augenschein drängt sich mangels Vorhandenseins eines irgendwie gearteten einigermaßen einheitlichen Erscheinungsbildes der Gebäude auf der südlichen Straßenseite der ... Straße die Annahme einer faktischen vorderen Baugrenze nicht auf. Eine solche wird beispielsweise angenommen, wenn im unbeplanten Innenbereich die Bebauung einen vorderen straßenseitigen Vorgartenbereich oder ähnliches unbebaut lässt. Da die Gebäude hier jedoch völlig uneinheitlich sind und miteinander nicht in irgendeiner Beziehung stehen, kommt das hier nicht in Betracht. Für die Feststellung einer faktischen Baugrenze müssen hinreichende Anhaltspunkte für eine städtebaulich verfestigte Situation bestehen (OVG Berlin-Brandenburg, U.v. 13.03.2013 - OVG 10 B 4.12 -, juris Rn. 45). Die tatsächlich vorhandene Bebauung und die daraus folgende Baugrenze zu einer nicht überbaubaren Grundstücksfläche darf kein bloßes „Zufallsprodukt“ ohne eigenen städtebaulichen Aussagewert sein. Dies folgt auch daraus, dass die Feststellung einer faktischen Baugrenze mit einer mit Hauptanlagen nicht überbaubaren Grundstücksfläche eine Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums (Art. 14 Abs. 1 GG) ist, die auch im Rahmen der gesetzlichen Grundlage des § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB einer Rechtfertigung bedarf (vgl. dazu Fickert/Fieseler/Determann/Stühler, BauNVO, 11. Aufl., 2008, § 23 Anm. 3.1). Eine solche Rechtfertigung fehlt hier aufgrund der konkreten Situation. Ein städtebaulicher Aussagewert in diesem Sinne lässt sich nach den Feststellungen im gerichtlichen Augenschein nicht bejahen, vielmehr drängt sich hier die Annahme einer zufälligen Situation im oben beschriebenen Sinne auf.

Jedenfalls jedoch vermag das streitgegenständliche Vorhaben aufgrund der sehr unruhigen Umgebung, die, wie die Feststellungen im Augenschein ergeben haben, von vielen ablenkenden Nebenanlagen geprägt ist, keine bodenrechtlichen Spannungen auszulösen. Zwar sind die vorzufindenden Nebenanlagen, wie der Wortlaut des § 22 Abs. 3 BauNVO zeigt, für die Betrachtung einer faktischen Baugrenze nicht erheblich (vgl. aber BayVGH, U.v. 11.11.2014 - 15 B 12.2765 -, juris Rn. 14, wonach sich werbliche Nebenanlagen jedenfalls auf die Frage der bodenrechtlichen bzw. städtebaulichen Spannungen durchaus auswirken können). Das ändert jedoch nichts daran, dass nach dem Eindruck im Augenschein die streitgegenständlichen Werbeanlagen aufgrund des unruhigen und uneinheitlichen Eindrucks der Umgebungsbebauung einschließlich dazugehöriger Nebenanlagen keine bodenrechtlich relevanten Spannungen auszulösen vermögen:

Die geplante Werbeanlage als Hauptnutzung (ohne funktionalen Zusammenhang i. S. d. § 14 Abs. 1 BauNVO mit dem Baugrundstück oder dem Baugebiet) fügt sich hinsichtlich der überbaubaren Grundstücksfläche in die Eigenart der näheren Umgebung ein, selbst wenn sie außerhalb einer faktischen Baugrenze errichtet werden sollte. Ein Vorhaben fügt sich zwar im Allgemeinen nur ein, wenn es sich innerhalb des Rahmens hält, der durch die in der Umgebung vorhandene Bebauung gezogen wird. Ein den Rahmen überschreitendes Vorhaben ist aber ausnahmsweise zulässig, wenn es keine „städtebaulichen Spannungen“ hervorruft oder erhöht (BVerwG, U.v. 26.5.1978 - IV C 9.77 -, BVerwGE 55, 369/386 f. = juris Rn. 47).

Dies ist hier der Fall.

Bodenrechtlich beachtliche und bewältigungsbedürftige Spannungen sind dadurch gekennzeichnet, dass das Vorhaben die vorhandene Situation in bauplanungsrechtlich relevanter Weise verschlechtert, stört oder belastet und das Bedürfnis hervorruft, die Voraussetzungen für seine Zulassung unter Einsatz der Mittel der Bauleitplanung zu schaffen (zuletzt BVerwG, U.v. 16.09.2010 - 4 C 7/10 -, juris Rn. 23; B.v. 25.03.1999 - 4 B 15/99 -, juris Rn. 5f.). Das Gebiet südlich bzw. südwestlich entlang der ... Straße ist durch gewerbliche Nutzung und eine Vielzahl bestehender Werbeanlagen geprägt. Das Hinzutreten der beantragten Werbeanlagen der Klägerin verschlechtert die vorgefundene Situation nicht in relevanter Weise und ruft im Hinblick auf die überbaubare Grundstücksfläche kein Bedürfnis nach einer Bauleitplanung hervor. Dabei ist es weder unter dem städtebaulichen Gesichtspunkt der Ortsbildgestaltung, noch unter demjenigen der überbaubaren Grundstücksfläche entscheidend, dass es sich bei der beantragten um eine Anlage zur Fremdwerbung, bei den vorhandenen dagegen um Anlagen zur Eigenwerbung handelt (vgl. hierzu BayVGH, B.v. 12.01.2012 - 15 ZB 10.445 -, juris Rn. 12).

2. Die Werbeanlagensatzung der Beigeladenen steht dem Vorhaben nicht entgegen, Art. 59 Satz 1 Nr. 1 Variante 2 BayBO.

Die Werbeanlagensatzung der Beigeladenen ist unwirksam. Sie entspricht nicht den Maßgaben der hierzu ergangenen Rechtsprechung (vgl. insbesondere BVerwG, U.v. 28.4.1972 - 4 C 11.69 -, BVerwGE 40, 94 = BayVBl 1973, 471; U.v. 16.3.1995 - 4 C 3.94 -, NVwZ 1995, 899; BayVfGH, Entscheidung v. 23.1.2012 - Vf.18-7-09 -, BayVBl 2012, 397 = NVwZ-RR 2012, 297). Ein wie hier von der Beigeladenen vorgenommener Ausschluss jeglicher Fremdwerbung im gesamten Ortsbereich ohne jegliche Differenzierung danach, welches Baugebiet jeweils vorliegt, ist ohne weiteres rechtswidrig und damit unwirksam. Dazu kommt noch, bezogen auf den konkreten Einzelfall, dass in einem wie hier faktischen Mischgebiet gemäß § 34 Abs. 2 Halbsatz 1 BauGB i. V. m. § 6 BauNVO ein Ausschluss von Fremdwerbeanlagen nur dann möglich ist, wenn in dem fraglichen (faktischen) Mischgebiet Umstände anzutreffen sind, die aus ortsgestalterischen Gründen im Sinne von Art. 81 Abs. 1 Nr. 2 BayBO eine entsprechende Ausschlussregelung rechtfertigten. Das ist im streitgegenständlichen Vorhabensbereich und dessen Umgriff eindeutig nicht der Fall. Es gibt insofern keinerlei ortsgestalterisch nachvollziehbaren Gründe, warum hier keine Werbeanlagen sein sollten; es ist von der Beigeladenen auch nichts Gegenteiliges vorgebracht.

3. Auch die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs, Art. 14 Abs. 2 BayBO i. V. m. Art. 68 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 BayBO, steht dem Vorhaben nicht entgegen.

Das Landratsamt hat hier von der durch Art. 68 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 BayBO eröffneten Befugnis, ausnahmsweise im vereinfachten Baugenehmigungsverfahren auch Bauordnungsrecht zu prüfen, Gebrauch gemacht und hat die Ablehnung auf einen Verstoß gegen Art. 14 Abs. 2 BayBO gestützt. Die Voraussetzungen hierfür liegen jedoch nicht vor. Es ist nicht davon auszugehen, dass die streitgegenständlichen Werbeanlagen am Vorhabensstandort die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehres gefährden. Der Oberbegriff der Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehres hat zum Ziel, dass kein Verkehrsteilnehmer gefährdet (Sicherheit) oder mehr als nach den Umständen unvermeidlich behindert oder belästigt wird (Leichtigkeit). Die Sicherheit hat also die Abwendung von Gefahren für den Verkehr und von diesem, die Leichtigkeit den möglichst ungehinderten Verkehrsfluss im Blick.

Im vorliegenden innerörtlichen Bereich, bei dem es sich mindestens um ein faktisches Mischgebiet handelt, sind die Verkehrsteilnehmer an das Vorhandensein von Werbeanlagen ersichtlich gewöhnt. Die Feststellungen im gerichtlichen Augenschein haben ergeben, dass entlang der ... Straße in diesem Bereich eine größere Zahl von potentiell ablenkenden Werbeeinrichtungen - überwiegend als Nebenanlagen - vorzufinden sind. Diese Werbeanlagen - ob nun als Haupt- oder Nebenanlage - werden insbesondere dann wahrgenommen, wenn der Verkehr stockt oder vollständig zum Erliegen kommt (vgl. BayVGH, B.v. 30.7.2012 - 9 ZB 11.2280 -, juris Rn. 10). Das Gericht schätzt die Ablenkungswirkung der geplanten beiden Werbeanlagen hier deshalb als gering ein, weil sie parallel zur Fahrbahn errichtet werden sollen und keine durchlaufende Wechselwerbung tragen. Im Bereich des Vorhabensgrundstücks gibt es auch keine Situationen, in denen von den Werbeanlagen Verkehrsschilder oder ähnliches verdeckt werden. Angesichts der zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 60 km/h auf der ... Straße in ... innerorts kann nicht von einer merklichen Beeinträchtigung der Sicherheit des Verkehres ausgegangen werden (vgl. hierzu BayVGH, a. a. O.); ein der Straßenverkehrsordnung nicht entsprechendes Verhalten der Verkehrsteilnehmer und damit die Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit kann der Beurteilung der Zulässigkeit des Vorhabens dabei nicht zugrunde gelegt werden. Bei dieser Situation kommt, anders als das Landratsamt meint, der Zahl der vorbeifahrenden Fahrzeuge keine eigenständige Bedeutung zu (vgl. BayVGH a. a. O. Rn. 9; VG Würzburg, U.v. 9.8.2011 - W 4 L 10.1140 -, juris Rn. 53). Gleiches gilt hier für die vom Landratsamt als Argument angeführten Unfallzahlen. Bei einer Straße mit einem Verkehrsdurchsatz von etwa 28.000 Fahrzeugen am Tag sind die angeführten Unfallzahlen wohl nicht als außergewöhnlich einzustufen. Diese bedeuten übrigens nicht, wie vom Landratsamt angenommen, etwas über 1,5 Unfälle am Tag, sondern richtig gerechnet ca. 0,3 Unfälle am Tag. Das Landratsamt hat bei seiner Berechnung offensichtlich lediglich die 28.000 Fahrzeuge pro Tag durch 365 geteilt, es aber versäumt, zu berücksichtigen, dass die 569 Verkehrsunfälle eine Summe aus den Unfällen von fünf Jahren sind. Bei einem Durchsatz dieser Größenordnung erscheinen der Kammer 0,3 Verkehrsunfälle pro Tag nicht als außergewöhnlich hoch. Jedenfalls ist vom Beklagten nicht belegt worden, dass die Unfälle in diesem Bereich der ... Straße durch zwei weitere Werbeanlagen signifikant steigen würden. Angesichts der Vielzahl der hier in diesem Bereich anzutreffenden Werbungen, die auf den Straßenverkehr potentiell einwirken, dürfte dies auch nicht zu belegen sein. Die Einschränkung der Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs durch die beiden streitgegenständlichen Werbeanlagen allein auf den Umstand zu stützen, dass jede weitere Beeinträchtigung des Verkehrs zu viel ist, überzeugt nicht. Denn das würde bedeuten, dass der Beklagte auch gegen weitere Werbungen, die in Form von Nebenanlagen zu bestehenden Hauptanlagen hinzutreten, einschreiten müsste, was er angesichts der Vielzahl dieser Nebenanlagen weder tut noch wozu er rechtlich in der Lage ist. Bei einer realistischen Betrachtungsweise wirken die beiden streitgegenständlichen Werbeanlagen hauptsächlich auf die Fahrzeuge ein, die im Kreuzungsbereich von der ...-Straße in die ... Straße einbiegen. Die Fahrzeugführer dieser Fahrzeuge schauen mehr oder weniger direkt auf die nahezu gegenüber der Einmündung der ...-Straße in die ... Straße anzubringenden Werbeanlagen. Dass insofern die Verkehrssicherheit unter Zugrundelegung des heutigen, an vielfältige Ablenkungen im Straßenverkehr gewöhnten durchschnittlichen Autofahrers über Gebühr beeinträchtigt sein könnte, ist weder dargetan noch ersichtlich. Die Aufmerksamkeit der Fahrzeugführer, die aus der ...-Straße in die ... Straße einbiegen wollen, kann sich in der Zeit, in der sie an der Ampel warten müssen, auf die Werbeanlagen richten. Sobald die Ampel hier jedoch die Fahrt frei gibt, wird der durchschnittliche Fahrzeugführer, der heutzutage an vielfältige Ablenkungen im Straßenverkehr gewöhnt ist, seine Aufmerksamkeit auf den Abbiegevorgang richten, der hier noch nicht einmal durch Fußgängerüberwege weder beim Rechts- noch beim Linksabbiegen erschwert wird. Die Sichtverhältnisse sind an dieser Stelle weder unübersichtlich noch sonst schwierig. Die Einfahrt von der ...-Straße in die ... Straße ist breit und übersichtlich. Es ist auch nicht ersichtlich, dass die Gesamtsituation durch die an dieser Kreuzung befindliche Tankstelle und deren Zufahrt erschwert werden könnte. Schließlich ist zu berücksichtigen, dass im streitgegenständlichen Bereich bereits eine Vielzahl anderer Werbeanlagen vorhanden ist. Eine konkrete Verkehrsgefährdung kann aus den dargelegten Gründen daher nicht angenommen werden.

Nach alledem ist der Beklagte zu verpflichten, die beantragte Baugenehmigung zu erteilen.

Durch das stattgebende Urteil wird das rechtswidrig verweigerte Einvernehmen der Beigeladenen ersetzt. Darauf, dass die Entscheidung über das gemeindliche Einvernehmen wohl keine Angelegenheit der laufenden Verwaltung darstellt, sondern ein Gremiumsbeschluss erforderlich gewesen wäre (dafür z. B. Söfker in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, § 36 Rn. 35 m. w. N.), kommt es nicht an, zumal sich die Klägerin darauf nicht berufen kann.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1, § 159 Satz 1 VwGO. Die Beigeladene hat einen Antrag gestellt, weshalb ihr billigerweise Kosten auferlegt werden können, § 154 Abs. 3 Hs. 1 VwGO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. ZPO.

Rechtsmittelbelehrung:

Nach §§ 124, 124 a Abs. 4 VwGO können die Beteiligten die Zulassung der Berufung gegen dieses Urteil innerhalb eines Monats nach Zustellung beim Bayerischen Verwaltungsgericht München,

Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder

Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München

schriftlich beantragen. In dem Antrag ist das angefochtene Urteil zu bezeichnen. Dem Antrag sollen vier Abschriften beigefügt werden.

Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist bei dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof,

Hausanschrift in München: Ludwigstraße 23, 80539 München, oder

Postanschrift in München: Postfach 34 01 48, 80098 München

Hausanschrift in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach

einzureichen, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist.

Über die Zulassung der Berufung entscheidet der Bayerische Verwaltungsgerichtshof.

Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich die Beteiligten, außer im Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingeleitet wird. Als Prozessbevollmächtigte zugelassen sind neben Rechtsanwälten und den in § 67 Abs. 2 Satz 1 VwGO genannten Rechtslehrern mit Befähigung zum Richteramt die in § 67 Abs. 4 Sätze 4 und 7 VwGO sowie in §§ 3, 5 RDGEG bezeichneten Personen und Organisationen.

Beschluss:

Der Streitwert wird auf EUR 10.000,- festgesetzt (§ 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz -GKG- in Verbindung mit dem Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit NVwZ 2013, Beilage 2, dort Nr. 9.1.2.3.1).

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Beschluss steht den Beteiligten die Beschwerde an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zu, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes EUR 200,- übersteigt oder die Beschwerde zugelassen wurde. Die Beschwerde ist innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, beim Bayerischen Verwaltungsgericht München,

Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder

Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München

schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen.

Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde auch noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.

Der Beschwerdeschrift eines Beteiligten sollen Abschriften für die übrigen Beteiligten beigefügt werden.

Gründe

Bayerisches Verwaltungsgericht Augsburg

Au 4 K 14.1686

Im Namen des Volkes

Urteil

vom 10. Juni 2015

4. Kammer

Sachgebiets-Nr. 990

Hauptpunkte: Zweiseitige Werbeanlage; Weder faktisches Wohngebiet noch faktisches Mischgebiet; Kein Einfügen in die Eigenart der näheren Umgebung nach Art der baulichen Nutzung; Verletzung des Gebots der Rücksichtnahme; Gefährdung von Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs (bejaht wegen Nähe zu Fußgängerüberweg/„Zebrastreifen“)

Rechtsquellen:

In der Verwaltungsstreitsache

...

- Klägerin -

bevollmächtigt: ...

gegen

...

- Beklagte -

beteiligt: ...

wegen Errichtung einer Werbeanlage (... Str. 72)

erlässt das Bayerische Verwaltungsgericht Augsburg, 4. Kammer, durch die Vorsitzende Richterin am Verwaltungsgericht ..., die Richterin am Verwaltungsgericht ..., den Richter am Verwaltungsgericht ..., die ehrenamtliche Richterin ..., den ehrenamtlichen Richter ..., ohne mündliche Verhandlung am 10. Juni 2015 folgendes Urteil:

I.

Die Klage wird abgewiesen.

II.

Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

III.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand:

Mit bei der Beklagten am 26. Juni 2014 eingegangenen Unterlagen stellte die Klägerin den Antrag auf Erteilung einer Baugenehmigung für eine beleuchtete City-Star-Werbeanlage, 2-seitig, freistehend, auf dem nördlichen Ende des Grundstücks Fl. Nr. ... der Gemarkung ... (... Straße ...). Die Anlage dient der Ankündigung von Fremdwerbung.

Für eine weitere von der Klägerin beantragte Werbeanlage im südlichen Bereich des gleichen Grundstücks erteilte die Beklagte mit Bescheid vom 21. Oktober 2014 eine Baugenehmigung.

Bezüglich der streitgegenständlichen Anlage erließ die Beklagte am 20. Oktober 2014 einen Ablehnungsbescheid. Zur Begründung wurde ausgeführt: Der Standort befinde sich im unbeplanten Innenbereich gemäß § 34 Abs. 2 BauGB. Aufgrund der Umgebungsbebauung sei von einem allgemeinen Wohngebiet auszugehen, wo die Werbeanlage als nicht störende gewerbliche Nutzung zwar grundsätzlich zulässig sei.

An der Nordfassade des Gebäudes ... Straße ... sei jedoch bereits eine Werbetafel angebracht. Durch die beantragten beiden weiteren Werbeanlagen würde der Gebietscharakter im Sinne von § 15 BauNVO beeinträchtigt. Zwei Werbeanlagen seien städtebaulich vertretbar, während drei Anlagen zu einer nicht vertretbaren Häufung führten. Im Gegensatz zu der genehmigten Werbeanlage am Südende des Grundstücks sei die vorliegende Werbeanlage städtebaulich nicht vertretbar. Sie grenze unmittelbar an ein reines Wohngebiet. Schon allein aufgrund ihrer Größe störe die Anlage empfindlich das Ortsbild in diesem Bereich, der nicht überwiegend durch gewerbliche Nutzung geprägt sei.

Die Klägerin ließ am 24. November 2014 Klage zum Verwaltungsgericht Augsburg erheben mit dem Antrag,

die Beklagte unter Aufhebung des am 22.10.2014 zugestellten Bescheids (Az. ...) zu verpflichten, der Klägerin die begehrte Bauerlaubnis zu erteilen.

Zur Begründung führte sie aus: Das fragliche Gebiet sei als Mischgebiet bzw. nach § 34 Abs. 1 BauGB als atypisch, jedenfalls nicht als allgemeines Wohngebiet zu klassifizieren, da sich in der Nähe des Vorhabens zahlreiche Gewerbebetriebe befänden, welche die Wohnruhe schon bisher störten. Darüber hinaus sei in unmittelbarer Nähe des Vorhabens bereits Wirtschaftswerbung sowohl auf privatem als auch auf öffentlichem Grund und Boden vorhanden.

Die Beklagte beantragte mit Schreiben vom 30. Januar 2015,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung führte sie aus: Unter Berücksichtigung der bestehenden Werbetafel am Gebäude ... Straße ... sowie der der Klägerin genehmigten Werbeanlage am Südende des Grundstücks sei eine städtebaulich unverträgliche Häufung von Werbeanlagen eingetreten, die die Zulassung weiterer großflächiger Monofußwerbeanlagen verbiete.

Der streitgegenständliche Vorhabenstandort am nördlichen Grundstücksende sei einem reinen bzw. einem allgemeinen Wohngebiet zuzuordnen. Unmittelbar westlich des geplanten Standorts schlössen Reihenhauszeilen an, welche im Gebiet des Bebauungsplans ... lägen, der ein reines Wohngebiet festsetze. Die Ausnahmen gemäß § 3 Abs. 3 BauNVO seien nicht Bestandteil dieses Bebauungsplans. Gegenüber dem geplanten Standort befinde sich ebenfalls Wohnnutzung.

Nach einer im Genehmigungsverfahren eingeholten Stellungnahme des Staatlichen Bauamtes ... sei zudem die Werbeanlage aufgrund des in diesem Bereich vorhandenen Zebrastreifens über die Ortsdurchfahrt der Staatsstraße abzulehnen. Die durch den Zebrastreifen notwendige erhöhte Aufmerksamkeit lasse sich nicht vereinbaren mit der längeren Blickabwendung der Verkehrsteilnehmer in Richtung der Werbeanlage.

Schließlich führe das Vorhaben auch zu einer bauordnungsrechtlich unzulässigen störenden Häufung von Werbeanlagen.

Am 10. März 2015 nahm der Berichterstatter das Vorhabengrundstück sowie die nähere Umgebung in Augenschein.

Mit Schriftsätzen vom 31. März 2015 verzichteten die Parteien auf mündliche Verhandlung.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und die vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage, über die mit Einverständnis der Parteien gem. § 101 Abs. 2 VwGO ohne mündliche Verhandlung entschieden werden konnte, ist nicht begründet.

Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die begehrte Baugenehmigung. Dem Bauvorhaben stehen öffentlich-rechtliche Vorschriften entgegen, die im bauaufsichtlichen Verfahren zu prüfen sind (Art. 68 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 BayBO; unten 1.). Ferner verstößt es gegen sonstige öffentlich-rechtliche Vorschriften, auf die sich die Beklagte berufen hat (vgl. Art. 68 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 BayBO; unten 2.). Der Ablehnungsbescheid der Beklagten vom 20. Oktober 2014 ist daher rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 5 VwGO).

1. Die beantragte Werbeanlage steht nicht im Einklang mit den Vorschriften des Bauplanungsrechts (§§ 29 ff. BauGB), welches gem. Art. 68 Abs. 1 Satz 1 HS 1 BayBO i. V. m. Art. 59 Satz 1 Nr. 1 BayBO Prüfungsgegenstand im vorliegenden vereinfachten Baugenehmigungsverfahren ist.

Der Standort des Vorhabens liegt im unbeplanten Innenbereich, so dass sich seine bauplanungsrechtliche Zulässigkeit nach § 34 BauGB richtet. Zwar entspricht die Eigenart der näheren Umgebung entgegen der Auffassung der Beklagten nicht einem allgemeinen oder gar einem reinen Wohngebiet (§ 34 Abs. 2 BauGB i. V. m. § 4 bzw. § 3 BauNVO). Jedoch sind die Voraussetzungen für ein Einfügen des Vorhabens nach § 34 Abs. 1 BauGB nicht gegeben.

Als „nähere Umgebung“ im Sinn von § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB ist der umliegende Bereich anzusehen, soweit sich die Ausführung des Vorhabens auf ihn auswirken kann und soweit er seinerseits den bodenrechtlichen Charakter des zur Bebauung vorgesehenen Grundstücks prägt oder doch beeinflusst. Die Grenzen sind nicht schematisch, sondern nach der jeweiligen städtebaulichen Situation zu bestimmen (BayVGH, B. v. 30.6.2011 - 2 CS 11.824 - juris Rn. 6 m. w. N.). Dabei geht in aller Regel die größere Nähe mit einer stärker prägenden Wirkung Hand in Hand (vgl. bereits BVerwG, U. v. 26.5.1978 - IV C 9.77 - BVerwGE 55, 369 - juris Rn. 33).

Nach diesen Maßstäben ist danach als nähere Umgebung die nördlich, südlich und westlich an den Vorhabenstandort angrenzende Bebauung anzusehen. Maßgeblich prägend sind im Süden die bestehenden baulichen Anlagen und Nutzungen auf dem Vorhabengrundstück. Dabei kommt dem Gebäude ... Straße ... aufgrund seiner Größe, seiner direkten Lage an der Grundstücksgrenze und wegen des Vorspringens des 1. und 2. Obergeschosses gleichsam bereits eine Riegel- und damit abschließende Funktion zu. Im Norden bzw. Nordwesten und im Westen prägen vor allem Reihenhäuser des Bebauungsplangebiets „...“ das Bild, unmittelbar nördlich schließen sich Einzelgaragen an. Der östlich verlaufenden ... Straße kommt aufgrund ihrer Breite und ihres Charakters als Ein- und Ausfallstraße trennende Wirkung zu.

Die dementsprechend in die Betrachtung einzubeziehende Bebauung entspricht keinem Gebietstyp der §§ 2 ff. BauNVO, so dass hinsichtlich der zulässigen Art der Nutzung § 34 Abs. 2 BauGB nicht einschlägig ist. Gegen die Annahme eines allgemeinen oder gar reinen Wohngebiets sprechen die gewerblichen Nutzungen im mittleren und südlichen Bereich des Vorhabengrundstücks. Hier befinden sich ein Gebrauchtwagenhandel, die bisherige Nutzung als Hotel und Gaststätte im Anwesen ... Straße ... (diesbezüglich kann nach wie vor mit einer Aufnahme einer gleichartigen Nutzung gerechnet werden, vgl. dazu OVG NRW, U. v. 22.1.2004 - 7 A 1273/2 - juris Rn. 53 m. w. N.) sowie die an diesem Gebäude angebrachte Werbetafel, die einer gewerblichen Nutzung gleichsteht. Aber auch die Voraussetzungen für ein Mischgebiet gem. § 6 BauNVO liegen nicht vor. Dies ergibt sich aus dem unmittelbaren Angrenzen des Gebiets des Bebauungsplans „...“, der ein reines Wohngebiet gem. § 3 BauNVO unter Ausschluss der Ausnahmen nach § 3 Abs. 3 BauNVO (hier noch anzuwenden in der Fassung von 1968) festsetzt. Die Prägung der näheren Umgebung ist auch durch umliegende Bebauungspläne möglich (Söfker in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand September 2013, § 34 Rn. 36), wobei der durchgeführte Augenschein nicht ergeben hat, dass die genannten Festsetzungen in der hier maßgeblichen näheren Umgebung nicht eingehalten worden wären.

Die für ein Mischgebiet erforderliche Gleichwertigkeit und Gleichgewichtigkeit von Wohnen und das Wohnen nicht störendem Gewerbe sowie deren wechselseitiger Verträglichkeit (BVerwG, U. v. 4.5.1988 - 4 C 34/86 - BVerwGE 79, 309 - juris Rn. 18) liegen hier schon deswegen nicht vor, weil für ein Mischgebiet nach der Konzeption des § 6 BauNVO eine Durchmischung von Wohnen und nicht störendem Gewerbe charakteristisch ist. Im vorliegenden Fall „prallen“ jedoch namentlich die reine Wohnnutzung des Bebauungsplangebiets und die gewerblichen Nutzungen in der Mitte und im südlichen Bereich des Vorhabengrundstücks unmittelbar aufeinander; eine Durchmischung findet gerade nicht statt. Daran ändert das sich im Anwesen ... Straße ... befindliche „...-center“ nichts, da dieses aufgrund seiner Entfernung zum Vorhabenstandort kaum noch prägend wirkt; zudem befindet sich das „...-center“ im Erdgeschoss, im Übrigen dominiert die Wohnnutzung dieses Anwesens. Auch das noch näher zum Vorhabenstandort gelegenen Anwesen ... Straße ... wird zu Wohnzwecken genutzt.

Da folglich die für die Annahme eines „faktischen“ Baugebiets nötige Eindeutigkeit der Zuordnung eines der in der BauNVO geregelten Baugebietstyps (vgl. BVerwG, B. v. 2.7.1991 - 4 B 1/91 - NVwZ 1991, 982 - juris Rn. 8) nicht gegeben ist, beurteilt sich das streitgegenständliche Vorhaben nach § 34 Abs. 1 BauGB. Das nach dieser Norm erforderliche Einfügen des Vorhabens nach der Art der baulichen Nutzung liegt jedoch nicht vor.

An einem Einfügen i. S. v. § 34 Abs. 1 BauGB fehlt es, wenn das streitgegenständliche Vorhaben den durch die Umgebung gesetzten Rahmen überschreitet, es sei denn, dass es weder selbst noch infolge einer nicht auszuschließenden Vorbildwirkung geeignet ist, bodenrechtlich beachtliche Spannungen zu begründen oder vorhandene Spannungen zu erhöhen, mit anderen Worten, wenn trotz der Überschreitung des Rahmens die gegebene Situation nicht verschlechtert, gestört, belastet oder in Bewegung gebracht wird (vgl. BayVGH, B. v. 13.1.2012 - 14 ZB 11.1256 - juris Rn. 7; BVerwG vom 15.12.1994 - 4 C 13/93 - NVwZ 1995, 698 - juris Rn. 17). Im vorliegenden Fall wird dieser Rahmen überschritten, und das Vorhaben führt zu bodenrechtlichen Spannungen.

Wie bereits ausgeführt, nimmt die Prägung der näheren Umgebung und damit des durch die Umgebung gesetzten Rahmens mit zunehmender Nähe zu. Der Augenschein, aber auch die von der Klägerin im Baugenehmigungsverfahren vorgelegten Lagepläne und Fotomontagen haben gezeigt, dass der konkrete Vorhabenstandort stark von der angrenzenden (reinen) Wohnbebauung geprägt ist. Umgekehrt würde die Werbeanlage prägende Wirkung für diese Wohnnutzung haben, gerade weil sie - zumal wegen ihrer Zweiseitigkeit - auf diese Wohnnutzung ausgerichtet ist. Demgegenüber wirken die bestehenden gewerblichen Nutzungen auf dem Vorhabengrundstück bislang nicht derart in die Wohnnutzung hinein, dass bereits von einer wechselseitigen Prägung gesprochen werden könnte und sich die geplante Werbeanlage in einen solcherart bestehenden Rahmen einfügen könnte. Gerade durch das Hineinwirken der Werbeanlage in die Wohnbebauung würde die bisher noch bestehende Trennung zwischen gewerblicher und (reiner) Wohnnutzung aufgehoben, jedenfalls aber in Frage gestellt. Die bisher - trotz der sich in der Nähe befindlichen gewerblichen Nutzungen - noch vorhandene Wohnruhe würde beeinträchtigt. Jedenfalls käme der Werbeanlage in Bezug auf die Wohnnutzung in der unmittelbaren Nähe eine negative Vorbildwirkung zu (vgl. dazu BayVGH, B. v. 24.1.2005 - 14 ZB 05.2351 - juris Rn. 5). Damit liegt die Werbeanlage nicht nur außerhalb des bestehenden Rahmens, sondern würde auch den bisherigen Zustand negativ in Bewegung bringen, in dem sie die vorhandene Situation in bauplanungsrechtlich relevanter Weise verschlechtert, stört bzw. belastet (vgl. BayVGH, B. v. 2.1.2012 - 15 ZB 10.445 - juris Rn. 11).

Darüber hinaus verstößt das Vorhaben gegen das - objektiv-rechtliche - Gebot der Rücksichtnahme, das Bestandteil des Einfügensgebots ist (Söfker in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand September 2013, § 34 Rn. 48). Auch ein Vorhaben, das sich - in jeder Hinsicht - innerhalb des aus seiner Umgebung hervorgehenden Rahmens hält, fügt sich in seine Umgebung nicht ein, wenn es das Vorhaben an der gebotenen Rücksichtnahme auf die sonstige, d. h. vor allem auf die in seiner unmittelbaren Nähe vorhandene, Bebauung fehlen lässt (BVerwG, U. v. 26.5.1978 - IV C 9.77 - BVerwGE 55, 369 - juris Rn. 46). So liegen die Dinge hier.

Rücksichtnahme kann umso mehr verlangt werden, je empfindlicher und schutzwürdiger die Stellung derer ist, denen Rücksichtnahme im gegebenen Zusammenhang zugute kommt; umgekehrt braucht derjenige, der das Vorhaben verwirklichen will, umso weniger Rücksicht zu nehmen, je verständlicher und unabweisbarer die von ihm mit seinem Vorhaben verfolgten Interessen sind (Söfker in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand September 2013, § 34 Rn. 49a). Im vorliegenden Fall ist auf die Belange der angrenzenden Wohnbebauung besonders Rücksicht zu nehmen; demgegenüber vermag die Kammer ein unabweisbares Interesse der Klägerin an der Errichtung der Werbeanlage an der streitgegenständlichen Stelle nicht zu erkennen.

Wie bereits ausgeführt, würde die Werbeanlage klar in die angrenzende Wohnbebauung hineinwirken. Dies gilt umso mehr, als es sich um eine beleuchtete Anlage handelt, die - wie die von der Klägerin erstellte Fotomontage (Bl. 5 der Baugenehmigungsakten) zeigt - die nördlich angrenzenden Garagen überragen würde. Die rückwärtigen Fenster der Wohnanwesen ...-straße ... ff. sind in Richtung Süden ausgerichtet, so dass die Anlage sowohl vom Baukörper wie von der Beleuchtung her - insbesondere freilich bei den näher zur Anlage gelegenen Anwesen - nicht nur wahrnehmbar wäre, sondern auch eine störende Wirkung nicht verneint werden kann. Gleichfalls wurde bereits dargelegt, dass sich die gewerblichen Nutzungen zwar in der Nähe der Wohnnutzung befinden, gleichwohl noch nicht von einer wechselseitigen Prägung gesprochen werden kann. Ob davon bei Errichtung der Werbeanlage noch gesprochen werden kann, erscheint fraglich; schon diese Infragestellung ist jedoch ein im Rahmen des Gebots der Rücksichtnahme zu beachtender erheblicher Belang.

Demgegenüber sind Belange der Klägerin, denen im Rahmen des Gebots der Rücksichtnahme besonderes Gewicht zukäme, weder von ihr vorgetragen noch ersichtlich. Die Klägerin hat maßgeblich auf die bereits vorhandenen gewerblichen Nutzungen abgestellt, ohne darzutun, welche Gründe trotz der sich in der unmittelbaren Nähe befindlichen Wohnnutzungen für eine Errichtung der Werbeanlage an dieser Stelle sprechen.

2. Darüber hinaus verstößt die geplante Werbeanlage wegen des in der Nähe gelegenen Fußgängerüberwegs („Zebrastreifen“) gegen Art. 14 Abs. 2 BayBO, wonach die Sicherheit und Leichtigkeit des öffentlichen Verkehrs durch bauliche Anlagen und deren Nutzung nicht gefährdet werden darf.

Zwar zählt die Vorschrift nicht zum Prüfprogramm des hier anzuwendenden Art. 59 BayBO. Gem. Art. 68 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 BayBO darf die Bauaufsichtsbehörde den Bauantrag jedoch auch dann ablehnen, wenn das Bauvorhaben gegen sonstige öffentlich-rechtliche Vorschriften verstößt. Dabei ist unschädlich, dass sich die Beklagte nicht schon im Ablehnungsbescheid, sondern erst in der Klageerwiderung auf das Vorhandensein des Fußgängerüberwegs und damit in der Sache auf Art. 14 Abs. 2 BayBO berufen hat. Ein Nachschieben von Gründen im Verwaltungsprozess ist grundsätzlich zulässig, es sei denn - wofür hier nichts ersichtlich ist - der Verwaltungsakt würde in seinem Wesen verändert oder die Klägerin in ihrer Rechtsverteidigung beeinträchtigt (Kopp/Schenke, VwGO, 19. Aufl., § 113 Rn. 64 m. w. N.). Bei der hier vorliegenden Verpflichtungsklage hinsichtlich einer gebundenen Entscheidung ist zudem zu berücksichtigen, dass sich bei Ablehnung des Antrags mit rechtswidriger Begründung nichts an der Erfolglosigkeit der Klage ändert, wenn die Anspruchsvoraussetzungen fehlen (vgl. Kopp/Schenke, a. a. O., § 113 Rn. 232). Zudem handelt es sich bei Art. 68 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 BayBO lediglich um eine Verfahrensvorschrift, aus der eine Rechtsverletzung nicht abgeleitet werden kann (vgl. BayVGH, B. v. 17.7.2013 - 14 ZB 12.1153 - BauR 2014, 810 - juris Rn. 15).

Die Sicherheit oder Leichtigkeit des Verkehrs wird i. S. v. Art. 14 Abs. 2 BayBO - konkret - gefährdet, wenn nach den Erfahrungen des täglichen Lebens mit hinreichender oder - anders ausgedrückt - „bloßer“ Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist, dass durch die Anlage ein Verkehrsunfall verursacht wird oder der Verkehr in seinem Ablauf behindert wird, insbesondere ein Durchschnittskraftfahrer durch sie abgelenkt wird. Der Nachweis, dass jederzeit mit einem Schadenseintritt zu rechnen ist, oder eine hohe Wahrscheinlichkeit hierfür sind nicht erforderlich. Zur Annahme einer Gefahrenlage genügt daher die Feststellung, dass die konkrete Situation die Befürchtung nahe legt, dass - möglicherweise durch Zusammentreffen mehrerer gefahrenträchtiger Umstände - irgendwann in überschaubarer Zukunft mit hinreichender Wahrscheinlichkeit die zu bekämpfende Gefahrenlage eintritt. Geht es dabei um die Gefährdung von Leben und Gesundheit, sind an die Feststellung der Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts keine übermäßig hohen Anforderungen zu stellen (vgl. zum Ganzen BayVGH, B. v. 24.2.2003 - 2 CS 02.2730 - juris Rn. 17 m. w. N.). So liegt der Fall hier.

Bereits das Staatliche Bauamt ... hat in seiner Stellungnahme vom 9. Juli 2014 ausgeführt, dass der sich in der Nähe befindliche Zebrastreifen von den Verkehrsteilnehmern eine erhöhte Aufmerksamkeit erfordere, dass aber wegen der Lage der Werbeanlage eine längere Blickabwendung nicht auszuschließen sei.

Auch sonst spricht alles dafür, dass eine Situation vorliegt, in der eine Ablenkung der Verkehrsteilnehmer durch eine in der Nähe befindliche Werbeanlage zu vermeiden ist, anderenfalls mit hinreichender Wahrscheinlichkeit von einer Gefährdung von Leben und Gesundheit auszugehen ist. Nach dem von der Klägerin vorgelegten Lageplan (Bl. 12 der Baugenehmigungsakten) beträgt die Entfernung zwischen Werbeanlage und Fußgängerüberweg ca. 35 m. Diese liegt also bereits unter dem Anhalteweg von 40 m, der sich nach der „Faustformel“ bei der hier zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h ergibt, wobei angesichts der Breite und der Abschüssigkeit der ... Straße in diesem Bereich sowie wegen ihres Charakters als Einfallstraße nicht ausgeschlossen erscheint, dass diese zulässige Höchstgeschwindigkeit nicht nur sporadisch nicht eingehalten wird. Darüber hinaus ist der Fußgängerüberweg die einzige beschilderte und ausgewiesene Möglichkeit in einem Bereich von beidseits ca. 250 m, die ... Straße zu überqueren. Da ein Fußweg aus dem Gebiet des Bebauungsplans „...“ (reines Wohngebiet) zu dem Fußgängerüberweg führt, wurde dieser offenbar geschaffen, um den dortigen Bewohnern ein sicheres Überqueren der ... Straße zu ermöglichen. Dieser Fußweg ist, wie der Augenschein ergeben hat, leicht abschüssig, so dass insbesondere Kinder dazu verleitet werden können, sich schnell auf die ... Straße zuzubewegen. Hinzu kommt, dass sich auf der Ostseite des Überwegs eine Haltestelle für den Stadtbusverkehr anschließt. Nach der Lebenserfahrung ist es nicht ausgeschlossen, dass Personen hier ohne die nötige Aufmerksamkeit versuchen, schnell die Straße zu überqueren, um einen Bus noch zu erreichen. Ferner wird auf der Ostseite des Fußgängerüberwegs der Fußweg in östlicher Richtung fortgesetzt, so dass der Fußgängerüberweg nicht nur dem reinen Wechseln der Straßenseite dient, sondern Teil eines in Ost-West-Richtung verlaufenden eigenen Fußwegs ist. Schließlich ist, wie der Augenschein ebenfalls ergeben hat, gerade die Einmündung des westlichen Teils dieses Fußwegs in den Gehweg der ... Straße nur schwer einsehbar. Es ist kaum erkennbar, dass nicht nur mit der Querung von Fußgängern auf dem Gehweg zu rechnen ist, sondern auch mit Fußgängern, die - möglichweise unvermittelt - aus dem Fußweg hervortreten. § 26 Abs. 1 StVO verlangt jedoch von Autofahrern, dass sie an Fußgängerüberwegen den zu Fuß Gehenden sowie Fahrenden von Krankenfahrstühlen oder Rollstühlen, „welche den Überweg erkennbar benutzen wollen“, das Überqueren der Fahrbahn ermöglichen. Dann dürfen sie nur mit mäßiger Geschwindigkeit heranfahren; wenn nötig, müssen sie warten. Gerade angesichts der beschriebenen unübersichtlichen Situation wegen des aus dem Wohngebiet führenden Fußwegs müssen Autofahrer an der fraglichen Stelle ihre Konzentration der Beurteilung widmen, ob eine Person den Überweg erkennbar benutzen will. Auch deshalb ist eine Ablenkung der Verkehrsteilnehmer durch die beantragte Werbeanlage zu vermeiden.

Da sich nach allem das Vorhaben aus bauplanungsrechtlichen Gründen sowie wegen eines Verstoßes gegen Art. 14 Abs. 2 BayBO als nicht genehmigungsfähig erweist, kann offen bleiben, ob auch eine, wie die Beklagte meint, störende Häufung von Werbeanlagen gem. Art. 8 Satz 3 BayBO vorliegt.

Die Klage war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 1 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. ZPO.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen dieses Urteil steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zugelassen wird. Die Zulassung der Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils beim Bayerischen Verwaltungsgericht Augsburg,

Hausanschrift: Kornhausgasse 4, 86152 Augsburg, oder

Postfachanschrift: Postfach 11 23 43, 86048 Augsburg,

schriftlich zu beantragen.

Der Antrag muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof,

Hausanschrift in München: Ludwigstr. 23, 80539 München, oder

Postfachanschrift in München: Postfach 34 01 48, München,

Hausanschrift in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach

einzureichen. Die Berufung ist nur zuzulassen, wenn

1. ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,

2. die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,

3. die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,

4. das Urteil von einer Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, des Bundesverwaltungsgerichts, des gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder

5. wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich die Beteiligten durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingeleitet wird. Als Bevollmächtigte sind die in § 67 Absatz 2 Satz 1 und Absatz 2 Satz 2 Nr. 3 bis 7 VwGO bezeichneten Personen und Organisationen zugelassen. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich auch durch die in § 67 Abs. 4 Satz 4 VwGO genannten Personen vertreten lassen.

Der Antragsschrift sollen 4 Abschriften beigefügt werden.

Beschluss:

Der Streitwert wird auf 10.000,- Euro festgesetzt.

Gründe:

Die Streitwertentscheidung beruht auf § 52 Abs. 1 GKG i. V. m. Nr. 9.1.2.3.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013, wobei wegen der - vorliegend auch rechtlich relevanten - Zweiseitigkeit der Werbeanlage ein Streitwert von 2 x 5.000,- Euro anzusetzen war.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Beschluss steht den Beteiligten die Beschwerde an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zu, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 200,- Euro übersteigt oder die Beschwerde zugelassen worden ist.

Die Beschwerde ist innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, beim Bayerischen Verwaltungsgericht Augsburg,

Hausanschrift: Kornhausgasse 4, 86152 Augsburg, oder

Postfachanschrift: Postfach 11 23 43, 86048 Augsburg,

schriftlich einzureichen oder zu Protokoll der Geschäftsstelle einzulegen; § 129a der Zivilprozessordnung gilt entsprechend. Der Mitwirkung eines Bevollmächtigten bedarf es hierzu nicht.

Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde auch noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.

Der Beschwerdeschrift sollen 4 Abschriften beigefügt werden.

Gründe

Bayerisches Verwaltungsgericht Augsburg

Au 4 K 15.298

Im Namen des Volkes

Urteil

vom 12. August 2015

4. Kammer

Sachgebiets-Nr. 990

Hauptpunkte:

Baugenehmigung für zweiseitige beleuchtete Werbeanlage; Gefährdung von Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs; Hier bejaht wegen komplexem Geschehen (insbesondere Querungs- und Einmündungssituationen) an stark befahrener Kreuzung

Rechtsquellen:

In der Verwaltungsstreitsache

...

- Klägerin -

bevollmächtigt: ...

gegen

...

- Beklagte -

beteiligt: ...

wegen Errichtung einer Werbeanlage

erlässt das Bayerische Verwaltungsgericht Augsburg, 4. Kammer, durch die Vorsitzende Richterin am Verwaltungsgericht ..., die Richterin am Verwaltungsgericht ..., den Richter am Verwaltungsgericht ..., den ehrenamtlichen Richter ..., die ehrenamtliche Richterin ... ohne mündliche Verhandlung

am 12. August 2015

folgendes Urteil:

I.

Die Klage wird abgewiesen.

II.

Die Kosten des Verfahrens hat die Klägerin zu tragen

III.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand:

Mit bei der Beklagten am 5. Juli 2013 eingegangenen Unterlagen beantragte die Klägerin die Erteilung einer Baugenehmigung zur Errichtung einer beleuchteten Plakatwerbetafel (City-Star-Board; Monofuß; 3,80 m x 2,30 m) auf dem Grundstück Fl.Nr. ... der Gemarkung ... (...str. ...).

Am 10. Juli 2013 nahm das Tiefbauamt der Beklagten dahingehend Stellung, dass das Vorhaben nicht zuzulassen sei, weil es im Konflikt mit der Lichtsignalanlage und mit der Übersichtlichkeit an der Einmündung oder Kreuzung stehe. Auf schriftliche Anforderung der Beklagten teilte die Polizeiinspektion ..., Sachbereich Verkehr, am 23. Juli 2013 mit, dass die Anlage im Konflikt mit der Lichtsignalanlage an dieser stark befahrenen Einmündung/Kreuzung stehe. Es sei nicht auszuschließen, dass sich Verkehrsteilnehmer von der Werbeanlage ablenken ließen und es dadurch zu Unfällen kommen könne. Aus Verkehrssicherheitsgründen werde daher die Anbringung einer solchen Werbeanlage an dieser Stelle abgelehnt.

Mit Schreiben vom 2. August 2013 hörte die Beklagte die Klägerin zur möglichen Ablehnung des Baugenehmigungsantrags an.

Mit E-Mail vom 8. August 2013 nahm die Klägerin dahingehend Stellung, dass die geplante Werbeanlage nicht in Konflikt mit der Lichtzeichenanlage stehen könne. Die Anlage solle in einem Abstand von ca. 4 m bis 5 m zu der Kreuzung errichtet werden. Zudem stünden die Ampelanlagen wesentlich tiefer als die geplante Anlage. Damit seien die Lichtsignale auch nach einer Errichtung problemlos einsehbar. Zudem solle die Werbeanlage in einem schlichten Design errichtet werden, welches die Verkehrsteilnehmer keinesfalls beeinträchtige oder deren Aufmerksamkeit raube. Heutzutage seien alle Verkehrsteilnehmer an die unterschiedlichsten Arten, Farben und Formen von Werbeanlagen gewöhnt. Der Klägerin seien keine Unfälle bekannt, welche durch die von ihr errichteten Werbeanlagen verursacht worden seien.

Dem schloss sich weiterer Schriftverkehr zwischen der Klägerin und der Beklagten wegen der Möglichkeit des Wegfalls nötiger Stellplätze auf dem Vorhabengrundstück an.

Mit Bescheid vom 2. Februar 2015 versagte die Beklagte die beantragte Baugenehmigung. Zur Begründung wurde ausgeführt: Entgegen Art. 14 Abs. 2 BayBO werde durch die geplante Werbeanlage die Sicherheit und Leichtigkeit des öffentlichen Verkehrs gefährdet. Ausweislich ihrer Stellungnahme vom 23. Juli 2013 lehne die Polizeiinspektion ... die Anbringung der Anlage aus Gründen der Verkehrssicherheit ab.

Am 3. März 2015 ließ die Klägerin Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht Augsburg erheben mit dem Antrag,

die Beklagte unter Aufhebung des Ablehnungsbescheids vom 2.2.2015 zu verpflichten, die Baugenehmigung zur Errichtung einer Plakatwerbetafel auf Monofuß auf der Liegenschaft ..., ...str. ..., gemäß näherer Darstellung in Bauvorlagen zu erteilen.

Mit Schriftsatz vom 9. April 2015 wurde die Klage begründet. Das zur Genehmigung stehende Werbevorhaben sei bauplanungsrechtlich und bauordnungsrechtlich genehmigungsfähig. Der Nahbereich um das Vorhabengrundstück herum erweise sich jedenfalls als Mischgebiet gemäß § 6 BauNVO. Das Vorhabengrundstück sei gewerblich genutzt. Unter anderem befinde sich darauf ein Autovermietungsbetrieb. Nördlich schließe sich eine Kfz-Werkstatt an. Weiter nördlich schließe ein großflächiger Supermarkt an, der der überörtlichen Versorgung diene. Die Voraussetzungen für ein Einfügen nach § 34 BauGB lägen daher vor.

Entgegen den Annahmen der Beklagten werde eine Gefährdung der Sicherheit und Leichtigkeit des Straßenverkehrs durch die zur Genehmigung stehende Werbeanlage nicht bewirkt. Nach der Rechtsprechung müsse hierfür eine konkrete Verkehrsgefährdung vorliegen. Es werde auf eine Entscheidung des OVG Münster vom 28. August 2013 verwiesen. Danach sei nicht von einer generellen Verkehrsgefährdung von Fremdwerbeanlagen auszugehen, sondern es müsse immer eine konkrete Verkehrsgefährdung abgeprüft werden. Dies habe das OVG Münster selbst für eine deutlich auffälliger gestaltete Mega-Light-Werbeanlage entschieden, bei der die Bildfläche sekündlich wechsle und die zudem hinterleuchtet sei. Hingegen diene die beantragte Werbeanlage dem statischen Plakatanschlag, der in dekadischen Abständen händisch plakatiert werde. Die Werbeanlage werde auch nicht hinterleuchtet, sondern angestrahlt. Eine Lichtzeichenverdeckung oder Verkehrszeichenüberdeckung werde nicht bewirkt. Dies ergebe sich bereits aus der von der Klägerin mit den Bauantragsunterlagen vorgelegten Standortfotomontage. Auch sonst werde das Vorhaben deutlich von der Verkehrsfläche der ...straße und der ...straße abgesetzt, so dass eine konkrete Verkehrsgefährdung nicht entstehe. Dass die ...straße/...straße hoch frequentiert seien, reiche nach der Rechtsprechung nicht aus, es müssten vielmehr andere Umstände hinzutreten. Die Ausbausituation der genannten Straßen sei so großräumig vorgenommen, dass die verkehrliche, innerstädtisch gelegene Situation als einfach bzw. jedenfalls normal zu bezeichnen sei. Der durchschnittliche Verkehrsteilnehmer, der den Sorgfaltsanforderungen der StVO Folge leiste, könne die verkehrliche Situation ohne besondere Mühewaltung bewältigen. Auch liege um das Vorhaben herum kein Unfallschwerpunkt vor.

Das Vorhabengrundstück stehe nach wie vor im Eigentum des Vertragspartners der Klägerin. Die Werbefläche werde auf einem Monofuß in einer Höhe von 2,50 m errichtet, so dass ein Stellplatz nicht wegfallen könne. Auf dem Vorhabengrundstück seien so viele Stellplätze vorhanden, dass selbst bei Wegfall eines Stellplatzes jedenfalls kein notwendiger Stellplatz betroffen sei.

Die Beklagte beantragte mit Schriftsatz vom 30. April 2015,

die Klage abzuweisen.

Auf den Ablehnungsbescheid werde verwiesen. Zudem befänden sich am beantragten Aufstellungsort Stellplätze der dortigen Betriebe. Ferner sei das Sachbescheidungsinteresse der Klägerin in Zweifel zu ziehen, da der Stadtrat der Beklagten am 3. März 2015 die Zustimmung zum Neubau eines Bio-Marktes auf diesem Grundstück erteilt habe. Daher sei fraglich, ob die Einverständniserklärung des Grundstückseigentümers gegenüber der Klägerin noch Gültigkeit habe.

Am 16. Juni 2015 nahm der Berichterstatter das Vorhabengrundstück sowie die nähere Umgebung in Augenschein. Dort erklärten die Beteiligten einen Verzicht auf mündliche Verhandlung.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte sowie die Behördenakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage, über die gem. § 101 Abs. 2 VwGO ohne mündliche Verhandlung entschieden werden konnte, ist zulässig, aber unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die begehrte Baugenehmigung, weil Vorschriften des Bauordnungsrechts dem Bauvorhaben entgegenstehen, auf die sich die Beklagte berufen hat (vgl. Art. 68 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 BayBO). Der Ablehnungsbescheid der Beklagten vom 2. Februar 2015 ist daher rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 5 VwGO).

Die Klage bleibt nicht bereits wegen fehlenden Sachbescheidungsinteresses deshalb ohne Erfolg, weil die Beklagte für das Vorhabengrundstück zwischenzeitlich die Baugenehmigung für einen Bio-Markt erteilt hat. Das Sachbescheidungsinteresse fehlt nicht schon dann, wenn zweifelhaft oder ungewiss ist, ob ein privatrechtliches Hindernis der Verwertung der Genehmigung im Wege steht. Erforderlich ist vielmehr, dass sich das Hindernis „schlechthin“ nicht ausräumen lässt (BVerwG, B.v. 20.7.1993 - 4 B 110/93 - NVwZ 1994, 482 - juris Rn. 3). Von einer solchen Situation ist hier nicht auszugehen. Die Klägerin hat - zuletzt beim Ortstermin - unwidersprochen vorgetragen, dass das Einverständnis des Grundstückseigentümers nach wie vor vorliege. Ferner hat die Beklagte nicht vorgetragen, dass und wann mit der Ausnutzung der Genehmigung für den Bio-Markt begonnen wird. Zudem hat der Ortstermin ergeben, dass sich der Fuß der streitgegenständlichen Werbeanlage auch künftig im Bereich von Kfz-Stellplätzen befinden und damit der Standort der Werbeanlage nicht überbaut würde.

Dem Vorhaben steht jedoch Art. 14 Abs. 2 BayBO entgegen, wonach die Sicherheit und Leichtigkeit des öffentlichen Verkehrs durch bauliche Anlagen nicht gefährdet werden darf. Die Vorschrift ist zwar nicht Gegenstand des hier einschlägigen Prüfprogramms des Art. 59 BayBO. Gemäß Art. 68 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 BayBO durfte die Beklagte den Bauantrag jedoch auch wegen der Verletzung von Vorschriften ablehnen, die nicht im bauaufsichtlichen Genehmigungsverfahren zu prüfen sind.

Nach der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (BayVGH, B.v. 27.10.2011 - 15 ZB 10.2409 - juris Rn. 6; B.v. 24.2.2003 - 2 CS 02.2730 - juris Rn. 16) wird die Sicherheit oder Leichtigkeit des Verkehrs - konkret - gefährdet, wenn nach den Erfahrungen des täglichen Lebens mit hinreichender oder - anders ausgedrückt - „bloßer“ Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist, dass durch die Anlage ein Verkehrsunfall verursacht wird oder der Verkehr in seinem Ablauf behindert wird, insbesondere ein Durchschnittskraftfahrer durch sie abgelenkt wird. Der Nachweis, dass jederzeit mit einem Schadenseintritt zu rechnen ist oder eine hohe Wahrscheinlichkeit hierfür sind nicht erforderlich. Zur Annahme einer Gefahrenlage genügt daher die Feststellung, dass die konkrete Situation die Befürchtung nahelegt, dass - möglicherweise durch Zusammentreffen mehrerer gefahrenträchtiger Umstände - irgendwann in überschaubarer Zukunft mit hinreichender Wahrscheinlichkeit die zu bekämpfende Gefahrenlage eintritt. Geht es dabei um die Gefährdung von Leben und Gesundheit, sind an die Feststellung der Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts keine übermäßig hohen Anforderungen zu stellen.

In Anwendung dieser Grundsätze, der auch die Kammer namentlich in jüngerer Zeit in Bezug auf die Gefährdung der Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs durch Werbeanlagen gefolgt ist (VG Augsburg, Urteile vom 10.6.2015 - Au 4 K 14.1686 bzw. Au 4Au 4 K 15.168 - juris Rn. 34 bzw. Rn. 26), liegt eine Gefährdung im Sinne von Art. 14 Abs. 2 BayBO durch die streitgegenständliche Werbeanlage vor.

Die von der Beklagten um Stellungnahme ersuchte Polizeiinspektion ... - Sachbereich Verkehr - hat am 23. Juli 2013 darauf hingewiesen, dass die Anlage in Konflikt mit der Lichtsignalanlage an dieser stark befahrenen Einmündung/Kreuzung stehe. Es sei nicht auszuschließen, dass sich Verkehrsteilnehmer von der Werbeanlage ablenken ließen und es dadurch zu Unfällen kommen könne (Bl. 17 des Behördenakts). Derartige Stellungnahmen sind zwar weder für die Genehmigungsbehörde noch für das Gericht bindend; sie haben jedoch namentlich angesichts der Sach- und Problemnähe der örtlichen verkehrspolizeilichen Dienststellen eine nicht unerhebliche Aussagekraft.

Aber auch eine eigene Würdigung der Gesamtumstände durch das Gericht ergibt, dass Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs im Falle der Errichtung der Werbeanlage in rechtlich erheblicher Weise gefährdet wären.

Die Werbeanlage würde direkt in den Kreuzungsbereich ...straße/...straße hineinwirken. Standort und Ausrichtung der Werbeanlage wurden von der Klägerin ganz offensichtlich so gewählt, dass gezielt und bewusst die Aufmerksamkeit der Verkehrsteilnehmer an dieser Kreuzung auf die Werbeanlage gerichtet werden sollte. Gerade der konkrete Standort der Werbetafel soll diese in das Blickfeld von möglichst vielen Verkehrsteilnehmern rücken. Der Standort wurde weder weiter in die ...straße hinein versetzt (was der Anlage geringere Aufmerksamkeit aus Richtung der ...straße bescheren würde), noch ist er näher zu der Bahnunterführung in Richtung Osten versetzt (insoweit wäre die Entfernung zum Verkehrsgeschehen auf der Kreuzung wohl zu groß; zudem wäre die Anlage dann für Verkehrsteilnehmer aus Richtung Osten wegen der Bahnunterführung kaum wahrnehmbar). Die von der Klägerin geltend gemachte „deutliche Absetzung“ von der Kreuzung beruht nicht darauf, dass eine Verminderung der Ablenkung der Verkehrsteilnehmer bezweckt werden sollte. Vielmehr verläuft direkt südlich und tiefer gelegen ein Geh- und Radweg, so dass eine nähere Platzierung der Werbeanlage am Fahrbahnrand ohnehin nicht möglich war. Die Klägerin muss sich daran festhalten lassen, dass sie die starke Frequentierung der Kreuzung sowie die häufigen Haltevorgänge wegen der Lichtsignalanlagen für ihre Zwecke (Erzielung von Aufmerksamkeit) nutzen möchte und damit gerade vermeiden will, dass sich die Verkehrsteilnehmer ausschließlich auf das Geschehen an der Kreuzung konzentrieren, bzw. sie nimmt in Kauf, dass dies nicht geschieht.

Die - wie auch der durchgeführte Augenschein ergeben hat - starke Frequentierung der Kreuzung erfordert die gesamte Aufmerksamkeit aller Verkehrsteilnehmer. Entgegen dem Vorbringen der Klägerin ist die Kreuzung auch nicht derart großzügig ausgebaut, dass von einem problemlosen Durchfahren ausgegangen werden kann. Vielmehr liegt ein Missverhältnis zwischen dem Ausbauzustand der Kreuzung (insbesondere bezüglich Breite und Länge von Abbiegespuren, Kurvenradien) und der ihrer starken Frequentierung nahe. Auf engem Raum treffen zahlreiche Verkehrsteilnehmer (Kfz, Fußgänger, Fahrradfahrer) auf Querungs- und Einmündungssituationen, die zum Teil mit, zum Teil ohne Lichtsignalanlagen, geregelt sind.

Insbesondere gilt dies für Linksabbieger aus der ...straße in die ...straße. Gerade für diese läge die Werbetafel im Blickfeld. Zwar verfügen die Linksabbieger über eine eigene Lichtsignalanlage („Linksabbiegerpfeil“), die auch durch die Werbeanlage nicht verdeckt wäre. Die Lichtsignalanlage für Linksabbieger und die streitgegenständliche Werbeanlage würden sich jedoch zeitgleich im Blickfeld in etwa in der gleichen Sichtachse der Verkehrsteilnehmer befinden. Besondere Aufmerksamkeit erfordert die Situation an der Kreuzung vor allem deshalb, weil nach dem Linksabbiegen in die ...straße die Rechtsabbiegerspur, aus der Bahnunterführung kommend, einmündet. Diese Einmündung verfügt nicht über eine eigene Lichtsignalanlage. Für die Rechtsabbieger in die ...straße stellt sich die Verkehrssituation als besonders komplex dar, weil sie Fußgängern und Radfahrern, die die Rechtsabbiegespur überqueren wollen, Vorrang gewähren müssen, ohne dass insbesondere hierfür eine Lichtsignalanlage zur Verfügung steht. Diese Überquerungssituation wird zusätzlich dadurch erschwert, dass der Geh- und Radweg in der Bahnunterführung deutlich höher als die Fahrstraße verläuft, so dass namentlich Radfahrer, die die Einbiegespur überqueren wollen, sich erst kurz vor der Überquerungsmöglichkeit auf gleicher Höhe mit den Autofahren befinden. Ferner ist der Geh- und Radweg entlang der Bahnunterführung auch in Richtung Osten für Fußgänger und Radfahrer freigegeben, so dass - womit zunächst nicht zu rechnen ist - auch Verkehrsteilnehmern aus Richtung Westen kommend die Überquerung der Rechtsabbiegespur zu ermöglichen ist. Rechtsabbieger aus der Bahnunterführung müssen daher zwei Mal kurz hintereinander anderen Verkehrsteilnehmern Vorrang gewähren: Fußgängern und Fahrradfahrern bei der Überquerung der Abbiegespur, und anschließend den Linksabbiegern aus der ...straße. Hinzu kommt, dass sich jedenfalls derzeit eine Ausfahrt aus dem Vorhabengrundstück in das letzte Stück der Rechtsabbiegerspur in die ...straße befindet. Auf dem Vorhabengrundstück befinden sich gewerbliche Nutzungen, so dass diese Ausfahrt durchaus häufiger genutzt wird.

Von diesem komplexen, nicht durch Lichtsignalanlagen geregelten Verkehrsgeschehen im letzten Teil der Rechtsabbiegerspur sind zwangsläufig auch die Linksabbieger aus der ...straße, in die die Rechtsabbiegerspur einmündet, betroffen bzw. diese müssen bereit sein, auf dieses Geschehen zu reagieren. Insbesondere erscheint es durchaus möglich, dass Rechtsabbieger in die ...straße aufgrund der beschriebenen Situation derart hinsichtlich ihrer Aufmerksamkeit in Anspruch genommen werden, dass die Einmündung in die ...straße, an der den Linksabbiegern aus der ...straße Vorfahrt zu gewähren ist, nicht mehr mit der nötigen Aufmerksamkeit passiert wird.

Insoweit kann auch nicht eingewendet werden, dass die Werbeanlage an dieser Einmündungssituation nicht mehr frontal zu sehen sein wird. Vielmehr könnten Linksabbieger, nachdem sie zunächst ihre Aufmerksamkeit dem „Linksabbiegerpfeil“ der Lichtsignalanlage gewidmet haben, dazu verleitet werden, nunmehr den Blick Richtung der Werbeanlage zu wenden. Gerade nach dem Passieren der Lichtsignalanlage stellt sich das Einmündungsgeschehen jedoch nochmals in der dargestellten als komplex dar. Zudem kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Aufmerksamkeit der Verkehrsteilnehmer sogleich mit dem Passieren der „Hauptwirkrichtung“ der Werbeanlage wieder hergestellt ist; vielmehr wäre während jedenfalls einer kurzen - wegen der konkreten Situation aber relevanten - Zeitspanne die volle Aufmerksamkeit noch nicht wieder gegeben.

Insgesamt ergibt sich wegen der Linksabbieger aus der ...straße, der von rechts einmündenden Abbieger aus der Bahnunterführung, der - ohne Lichtsignalanlage - querenden Fußgänger und Radfahrer sowie der Einmündung aus dem gewerblich genutzten Vorhabengrundstück eine Situation, die permanent die volle Aufmerksamkeit der Verkehrsteilnehmer fordert. Abgesehen davon soll die Werbeanlage auch in Richtung Osten, d. h. in Richtung der Bahnunterführung wirken. Gerade die Verkehrsteilnehmer aus Richtung Osten müssen beim Rechtsabbiegen ihre volle Aufmerksamkeit der beschriebenen komplexen Verkehrssituation widmen.

Eine besondere Verkehrssituation ergibt sich auch für die Geradeausfahrer in Richtung Osten, in deren Blickfeld die Werbeanlage, wie ausgeführt, ebenfalls liegen soll. Aus Richtung Süden führt eine Ausfahrt (Grundstück Fl.Nr. ...) der gewerblich genutzten Grundstücke unmittelbar in den Kreuzungsbereich. Aufgrund der westlich der Werksausfahrt bis an den Gehweg reichenden Bebauung vermögen Verkehrsteilnehmer Ausfahrten erst spät zu erkennen, zumal sie kaum erkennen bzw. erwarten können, dass zusätzlich zu der T-förmigen Kreuzung eine gewerbliche Ausfahrt in die Kreuzung existiert. Dies hat auch die Ausfahrt eines Lkw gezeigt, die beim Ortstermin beobachtet werden konnte. Wegen solcher Ausfahrten können sich daher auch für Geradeausfahrer - trotz grünen Lichts - überraschende Situationen ergeben. Gegebenenfalls sind auch - insbesondere bei unmittelbar ausfahrenden Lkw - Ausweichvorgängen von Kfz nach links nicht auszuschließen. Auch mit ausweichenden Fußgängern und Fahrradfahrern muss gerechnet werden, wenn überraschend eine Ausfahrt erfolgt. Die streitgegenständliche Werbeanlage läge auch noch im Blick derjenigen, die die gewerbliche Ausfahrt verlassen. Sie müssen aber aus den gleichen Gründen beim Einfahren in den Kreuzungsbereich besonders aufmerksam sein.

Nach allem stellen sich die Ausgestaltung des Kreuzungsbereichs sowie die zu bewältigenden Verkehrsvorgänge als derart komplex dar, dass angesichts der durch die Werbeanlage bezweckten Anziehung der Aufmerksamkeit der Verkehrsteilnehmer mit hinreichender Wahrscheinlichkeit eine Gefährdung der Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs eintreten würde. Dass es sich bei der Kreuzung bisher nicht um einen Unfallschwerpunkt handelt, ändert daran nichts. Denn eine Art Probephase, ob sich bei einer Genehmigung einer Werbeanlage Unfälle mit schwerwiegenden Folgen ereignet können, verbietet sich angesichts der Gefährdung der hochrangigen Rechtsgüter Leben und Gesundheit auch in Abwägung mit den wirtschaftlichen Interessen der Klägerin (BayVGH, B.v. 27.10.2011, 15 ZB 10.2409 - juris Rn. 5 unter Verweis auf OVG NRW, U.v. 17.4.2002 - 10 A 4188/01 - BauR 2002, 1231).

Grundlegend andere als die hier zugrunde gelegten rechtlichen Maßstäbe ergeben sich aus dem von der Klägerin in Bezug genommenen Urteil des Oberverwaltungsgerichts Münster vom 28. August 2013 (10 A 1150/12) nicht. Das OVG Münster geht - wie der Bayerische Verwaltungsgerichtshof - davon aus, dass es entscheidend ist, ob durch die geplante Werbeanlage ein Zustand geschaffen wird, der eine konkrete Verkehrsgefährdung erwarten lasse. Es müsse gerade in dem jeweiligen Einzelfall in überschaubarer Zukunft mit einem Schadenseintritt zu rechnen sein. Bei der Gefährdung von Leben oder Gesundheit seien - auch insoweit besteht keine Abweichung zur Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs - an die Feststellungen der Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts keine übermäßig hohen Anforderungen zu stellen (OVG NRW, U.v. 28.8.2013 - 10 A 1150/12 - Rn. 29 ff.). In jedem Einzelfall sei eine Beurteilung auf der Grundlage der örtlichen Verhältnisse und unter Berücksichtigung des konkreten Vorhabens vorzunehmen. Auch von einer - hier vorliegenden - Werbeanlage ohne Bildwechsel gingen verkehrsgefährdende Wirkungen dann aus, wenn die verkehrliche Situation in der Nähe der vorgesehenen Anbringungsstelle außergewöhnlich schwierig ist (OVG NRW, a. a. O. Rn. 35 und 42). Eine solche Situation liegt im vorliegenden Einzelfall nach dem vorstehend Ausgeführten vor. Anders als in dem vom OVG Münster entschiedenen Fall (vgl. a. a. O., Rn. 47) ist hier zudem durchaus anzunehmen, dass die Werbeanlage als Lichtquelle bei Dunkelheit die Aufmerksamkeit der Verkehrsteilnehmer auf sich ziehen und die Wahrnehmung der Lichtsignalanlage überlagern könnte, weil die Werbeanlage direkt in der Sichtachse zu den Lichtsignalanlagen der Kreuzung steht, in die sie gerade hineinwirken soll.

Im Übrigen ist zu bemerken, dass die Werbeanlage außerhalb einer sich aus dem Vorhabengrundstück sowie den nördlich entlang der ...straße anschließenden Grundstücken ergebenden faktischen Baugrenze (vgl. § 23 Abs. 3 BauNVO) liegen würde, so dass sie sich nicht gem. § 34 Abs. 1 BauGB hinsichtlich der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt.

Die Klage war daher mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen, ohne dass die zwischen den Beteiligten streitige Frage des etwaigen Wegfalls nötiger Stellplätze einer Erörterung bedürfte.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 Abs. 1 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. ZPO.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen dieses Urteil steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zugelassen wird. Die Zulassung der Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils beim Bayerischen Verwaltungsgericht Augsburg,

Hausanschrift:Kornhausgasse 4, 86152 Augsburg, oder

Postfachanschrift:Postfach 11 23 43, 86048 Augsburg,

schriftlich zu beantragen.

Der Antrag muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof,

Hausanschrift in München:Ludwigstr. 23, 80539 München, oder

Postfachanschrift in München:Postfach 34 01 48, München,

Hausanschrift in Ansbach:Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach

einzureichen. Die Berufung ist nur zuzulassen, wenn

1.ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,

2.die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,

3.die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,

4.das Urteil von einer Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, des Bundesverwaltungsgerichts, des gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder

5.wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich die Beteiligten durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingeleitet wird. Als Bevollmächtigte sind die in § 67 Absatz 2 Satz 1 und Absatz 2 Satz 2 Nr. 3 bis 7 VwGO bezeichneten Personen und Organisationen zugelassen. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich auch durch die in § 67 Abs. 4 Satz 4 VwGO genannten Personen vertreten lassen.

Der Antragsschrift sollen 4 Abschriften beigefügt werden.

Beschluss:

Der Streitwert wird auf 10.000,-- EUR festgesetzt.

Gründe:

Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 52 Abs. 1 GKG i. V. m. Nr. 9.1.2.3.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013, wobei wegen der Zweiseitigkeit der Werbeanlage der dort ausgewiesene Streitwert zu verdoppeln war.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Beschluss steht den Beteiligten die Beschwerde an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zu, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 200,-- EUR übersteigt oder die Beschwerde zugelassen worden ist.

Die Beschwerde ist innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, beim Bayerischen Verwaltungsgericht Augsburg,

Hausanschrift:Kornhausgasse 4, 86152 Augsburg, oder

Postfachanschrift:Postfach 11 23 43, 86048 Augsburg,

schriftlich einzureichen oder zu Protokoll der Geschäftsstelle einzulegen; § 129a der Zivilprozessordnung gilt entsprechend. Der Mitwirkung eines Bevollmächtigten bedarf es hierzu nicht.

Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde auch noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.

Der Beschwerdeschrift sollen 4 Abschriften beigefügt werden.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

(1) Die Beteiligten können vor dem Verwaltungsgericht den Rechtsstreit selbst führen.

(2) Die Beteiligten können sich durch einen Rechtsanwalt oder einen Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, der die Befähigung zum Richteramt besitzt, als Bevollmächtigten vertreten lassen. Darüber hinaus sind als Bevollmächtigte vor dem Verwaltungsgericht vertretungsbefugt nur

1.
Beschäftigte des Beteiligten oder eines mit ihm verbundenen Unternehmens (§ 15 des Aktiengesetzes); Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich auch durch Beschäftigte anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen,
2.
volljährige Familienangehörige (§ 15 der Abgabenordnung, § 11 des Lebenspartnerschaftsgesetzes), Personen mit Befähigung zum Richteramt und Streitgenossen, wenn die Vertretung nicht im Zusammenhang mit einer entgeltlichen Tätigkeit steht,
3.
Steuerberater, Steuerbevollmächtigte, Wirtschaftsprüfer und vereidigte Buchprüfer, Personen und Vereinigungen im Sinne der §§ 3a und 3c des Steuerberatungsgesetzes im Rahmen ihrer Befugnisse nach § 3a des Steuerberatungsgesetzes, zu beschränkter geschäftsmäßiger Hilfeleistung in Steuersachen nach den §§ 3d und 3e des Steuerberatungsgesetzes berechtigte Personen im Rahmen dieser Befugnisse sowie Gesellschaften im Sinne des § 3 Satz 1 Nummer 2 und 3 des Steuerberatungsgesetzes, die durch Personen im Sinne des § 3 Satz 2 des Steuerberatungsgesetzes handeln, in Abgabenangelegenheiten,
3a.
Steuerberater, Steuerbevollmächtigte, Wirtschaftsprüfer und vereidigte Buchprüfer, Personen und Vereinigungen im Sinne der §§ 3a und 3c des Steuerberatungsgesetzes im Rahmen ihrer Befugnisse nach § 3a des Steuerberatungsgesetzes, zu beschränkter geschäftsmäßiger Hilfeleistung in Steuersachen nach den §§ 3d und 3e des Steuerberatungsgesetzes berechtigte Personen im Rahmen dieser Befugnisse sowie Gesellschaften im Sinne des § 3 Satz 1 Nummer 2 und 3 des Steuerberatungsgesetzes, die durch Personen im Sinne des § 3 Satz 2 des Steuerberatungsgesetzes handeln, in Angelegenheiten finanzieller Hilfeleistungen im Rahmen staatlicher Hilfsprogramme zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie, wenn und soweit diese Hilfsprogramme eine Einbeziehung der Genannten als prüfende Dritte vorsehen,
4.
berufsständische Vereinigungen der Landwirtschaft für ihre Mitglieder,
5.
Gewerkschaften und Vereinigungen von Arbeitgebern sowie Zusammenschlüsse solcher Verbände für ihre Mitglieder oder für andere Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder,
6.
Vereinigungen, deren satzungsgemäße Aufgaben die gemeinschaftliche Interessenvertretung, die Beratung und Vertretung der Leistungsempfänger nach dem sozialen Entschädigungsrecht oder der behinderten Menschen wesentlich umfassen und die unter Berücksichtigung von Art und Umfang ihrer Tätigkeit sowie ihres Mitgliederkreises die Gewähr für eine sachkundige Prozessvertretung bieten, für ihre Mitglieder in Angelegenheiten der Kriegsopferfürsorge und des Schwerbehindertenrechts sowie der damit im Zusammenhang stehenden Angelegenheiten,
7.
juristische Personen, deren Anteile sämtlich im wirtschaftlichen Eigentum einer der in den Nummern 5 und 6 bezeichneten Organisationen stehen, wenn die juristische Person ausschließlich die Rechtsberatung und Prozessvertretung dieser Organisation und ihrer Mitglieder oder anderer Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder entsprechend deren Satzung durchführt, und wenn die Organisation für die Tätigkeit der Bevollmächtigten haftet.
Bevollmächtigte, die keine natürlichen Personen sind, handeln durch ihre Organe und mit der Prozessvertretung beauftragten Vertreter.

(3) Das Gericht weist Bevollmächtigte, die nicht nach Maßgabe des Absatzes 2 vertretungsbefugt sind, durch unanfechtbaren Beschluss zurück. Prozesshandlungen eines nicht vertretungsbefugten Bevollmächtigten und Zustellungen oder Mitteilungen an diesen Bevollmächtigten sind bis zu seiner Zurückweisung wirksam. Das Gericht kann den in Absatz 2 Satz 2 Nr. 1 und 2 bezeichneten Bevollmächtigten durch unanfechtbaren Beschluss die weitere Vertretung untersagen, wenn sie nicht in der Lage sind, das Sach- und Streitverhältnis sachgerecht darzustellen.

(4) Vor dem Bundesverwaltungsgericht und dem Oberverwaltungsgericht müssen sich die Beteiligten, außer im Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht oder einem Oberverwaltungsgericht eingeleitet wird. Als Bevollmächtigte sind nur die in Absatz 2 Satz 1 bezeichneten Personen zugelassen. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich durch eigene Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt oder durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen. Vor dem Bundesverwaltungsgericht sind auch die in Absatz 2 Satz 2 Nr. 5 bezeichneten Organisationen einschließlich der von ihnen gebildeten juristischen Personen gemäß Absatz 2 Satz 2 Nr. 7 als Bevollmächtigte zugelassen, jedoch nur in Angelegenheiten, die Rechtsverhältnisse im Sinne des § 52 Nr. 4 betreffen, in Personalvertretungsangelegenheiten und in Angelegenheiten, die in einem Zusammenhang mit einem gegenwärtigen oder früheren Arbeitsverhältnis von Arbeitnehmern im Sinne des § 5 des Arbeitsgerichtsgesetzes stehen, einschließlich Prüfungsangelegenheiten. Die in Satz 5 genannten Bevollmächtigten müssen durch Personen mit der Befähigung zum Richteramt handeln. Vor dem Oberverwaltungsgericht sind auch die in Absatz 2 Satz 2 Nr. 3 bis 7 bezeichneten Personen und Organisationen als Bevollmächtigte zugelassen. Ein Beteiligter, der nach Maßgabe der Sätze 3, 5 und 7 zur Vertretung berechtigt ist, kann sich selbst vertreten.

(5) Richter dürfen nicht als Bevollmächtigte vor dem Gericht auftreten, dem sie angehören. Ehrenamtliche Richter dürfen, außer in den Fällen des Absatzes 2 Satz 2 Nr. 1, nicht vor einem Spruchkörper auftreten, dem sie angehören. Absatz 3 Satz 1 und 2 gilt entsprechend.

(6) Die Vollmacht ist schriftlich zu den Gerichtsakten einzureichen. Sie kann nachgereicht werden; hierfür kann das Gericht eine Frist bestimmen. Der Mangel der Vollmacht kann in jeder Lage des Verfahrens geltend gemacht werden. Das Gericht hat den Mangel der Vollmacht von Amts wegen zu berücksichtigen, wenn nicht als Bevollmächtigter ein Rechtsanwalt auftritt. Ist ein Bevollmächtigter bestellt, sind die Zustellungen oder Mitteilungen des Gerichts an ihn zu richten.

(7) In der Verhandlung können die Beteiligten mit Beiständen erscheinen. Beistand kann sein, wer in Verfahren, in denen die Beteiligten den Rechtsstreit selbst führen können, als Bevollmächtigter zur Vertretung in der Verhandlung befugt ist. Das Gericht kann andere Personen als Beistand zulassen, wenn dies sachdienlich ist und hierfür nach den Umständen des Einzelfalls ein Bedürfnis besteht. Absatz 3 Satz 1 und 3 und Absatz 5 gelten entsprechend. Das von dem Beistand Vorgetragene gilt als von dem Beteiligten vorgebracht, soweit es nicht von diesem sofort widerrufen oder berichtigt wird.

(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.

(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.

(4) In Verfahren

1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro,
2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro,
3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und
4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
angenommen werden.

(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.

(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert

1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist,
2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
Maßgebend für die Berechnung ist das laufende Kalenderjahr. Bezügebestandteile, die vom Familienstand oder von Unterhaltsverpflichtungen abhängig sind, bleiben außer Betracht. Betrifft das Verfahren die Verleihung eines anderen Amts oder den Zeitpunkt einer Versetzung in den Ruhestand, ist Streitwert die Hälfte des sich nach den Sätzen 1 bis 3 ergebenden Betrags.

(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.

(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.

(1) Anträge und Erklärungen, deren Abgabe vor dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle zulässig ist, können vor der Geschäftsstelle eines jeden Amtsgerichts zu Protokoll abgegeben werden.

(2) Die Geschäftsstelle hat das Protokoll unverzüglich an das Gericht zu übermitteln, an das der Antrag oder die Erklärung gerichtet ist. Die Wirkung einer Prozesshandlung tritt frühestens ein, wenn das Protokoll dort eingeht. Die Übermittlung des Protokolls kann demjenigen, der den Antrag oder die Erklärung zu Protokoll abgegeben hat, mit seiner Zustimmung überlassen werden.