Verwaltungsgericht München Urteil, 30. Nov. 2015 - M 8 K 14.2601

bei uns veröffentlicht am30.11.2015

Gericht

Verwaltungsgericht München

Tenor

I.

Die Klage wird abgewiesen.

II.

Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu tragen.

III.

Die Kostenentscheidung ist gegen Sicherheitsleistung i. H. v. 110% des vollstreckbaren Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Klägerin ist eine Wohnungseigentümergemeinschaft auf dem Grundstück ... Eck 1, ..., Fl.Nr. ... der Gemarkung ... Sie wendet sich mit ihrer Klage gegen die der Beigeladenen am ... Mai 2014 erteilte Baugenehmigung, in der Fassung des Nachgangsbescheids vom ... Oktober 2014, für das nördlich angrenzende Grundstück, Fl.Nr. ...

Das sechsgeschossige Gebäude der Klägerin grenzt östlich unmittelbar an das Vordergebäude der Beigeladenen auf dem streitgegenständliche Grundstück ... Eck 3 (Fl.Nr. ...). Das Anwesen der Beigeladenen ragt mit seinem rückwärtigen Seitengebäude in einen schmalen Hinterhof zwischen ...-str. 2 - 4, Fl.Nrn. ... und ... und dem Grundstück der Beigeladenen, Fl.Nr. ...

Mit Bauantrag vom 8. Oktober 2013 nach Pl.Nr. ... beantragte die Beigeladene die Genehmigung für Umbau, Sanierung und Erweiterung des Vorder- und Rückgebäudes mit Nutzungsänderung in Teilbereichen von Büro zu Wohnen und den Einbau einer Tiefgarage im Kellergeschoß, ... Eck 3, Fl.Nr. ... Nach den eingereichten Plänen ist u. a. vorgesehen, den bisher eingeschossigen südlichen Teil des Seitengebäudes terrassenförmig mit einer Traufhöhe von 12,49 m und 15,84 m bis 18,96 m aufzustocken und unmittelbar an die Brandwand auf dem Grundstück ... Eck 5, Fl.Nr. ... anzuschließen. Weiter soll das Vordergebäude mit seiner Hofseite um ca. 2 m vertieft werden, so dass es an das Nachbargebäude der Klägerin ... Eck 1 auch hinsichtlich der Traufhöhe bündig anschließt. Das Dachgeschoss soll nach einem Brandschaden bei unveränderter Firsthöhe ertüchtigt werden, wobei teilweise statt des bisherigen Satteldaches des nördlichen Seitengebäudes eine zurückversetzte Dachterrasse errichtet werden soll.

Zur baulichen Situation auf den Grundstücken sowie zur Umgebungsbebauung siehe folgenden Lageplan 1:1.000, der aufgrund des Einscannens nicht mehr maßstabsgetreu ist.

Bild

Am ... Mai 2014 erteilte die Beklagte der Beigeladenen unter dem Aktenzeichen ... die beantragte Baugenehmigung, in der unter anderem folgende Befreiungen und Abweichungen erteilt wurden:

Unter Nr. 1: Befreiung gemäß § 31 Abs. 2 BauGB wegen Überschreitung der rückwärtigen Baugrenze durch Anbau am Vordergebäude sowie im Dachgeschoss.

Unter Nr. 5: Abweichung gemäß Art. 63 Abs. 1 BayBO von Art. 6 Abs. 2 Satz 1 BayBO wegen Nichteinhaltung erforderlicher Abstandsflächen zu den Nachbargrundstücken Fl.-Nr. ..., ... und ... durch den nördlichen Teil des Seitengebäudes um insgesamt ca. 232 m2.

Unter Nr. 7: Abweichung gemäß Art. 63 Abs. 1 BayBO von Art. 6 Abs. 2 Satz 1 BayBO wegen Nichteinhaltung erforderlicher Abstandsflächen zu den Nachbargrundstücken Fl.-Nr. ... und ... durch den südlichen Teil des Seitengebäudes um insgesamt ca. 91 m2.

Zu den Nrn. 5 und 7 wurde ausgeführt, dass der Schutzzweck der Abstandsflächenvorschriften, ausreichende Belichtung, Belüftung und Besonnung sowohl der neu beantragten wie der bestehenden Wohnnutzungen sowohl auf dem Baugrundstück wie auf den betroffenen Nachbargrundstücken erreicht sei. Da die bestehenden Nachbargebäude ihrerseits das Baugrundstück mit Abstandsflächen belasteten, sei auch dem Gebot nachbarlicher Rücksichtnahme ausreichend Rechnung getragen.

Eine Nachbarausfertigung der Baugenehmigung wurde der Hausverwaltung der Klägerin am 17. Mai 2014 mit Postzustellungsurkunde zugestellt.

Mit Schriftsatz vom 17. Juni 2014, am selben Tag per Fax bei Gericht eingegangen, erhoben die Bevollmächtigten der Klägerin Klage gegen die der Beigeladenen erteilten Baugenehmigung vom ... Mai 2014, Az. ...

Mit Schriftsatz vom 1. August 2014 beantragten sie, die aufschiebende Wirkung ihrer Anfechtungsklage anzuordnen. Dieser Antrag (M 8 SN 14.3336) wurde vom Gericht mit Beschluss vom 13. November 2014 abgelehnt. Wegen der Einzelheiten dieses Verfahrens wird auf diesen Beschluss sowie die Gerichtsakten zum Verfahren M 8 SN 14.3336 verwiesen.

Mit einem weiteren Schriftsatz vom 1. August 2014 beantragten sie,

Der Baugenehmigungsbescheid der ... vom ...05.2014 (Az.: ...) wird aufgehoben.

Zur Begründung wurde vorläufig auf den mit Schriftsatz vom selben Tage eingereichten Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung verwiesen.

Mit Schreiben vom 14. August 2014 beantragte die Beklagte,

die Klage wird abgewiesen.

Auf die Ausführungen im Baugenehmigungsbescheid und den Akteninhalt werde verwiesen.

Mit Nachgangsbescheid vom ... Oktober 2014 verfügte die Beklagte, dass

1. Zwei weitere Abweichungen gem. Art 63 Abs. 1 BayBO von Art. 6 Abs. 2 BayBO zugelassen werden:

a) Eine Abweichung wegen Nichteinhaltung erforderlicher Abstandsflächen gegenüber den Grundstücken Fl.Nr. ... und ... durch die Abstandsflächen der südlichen Außenwand des Vordergebäudes, der südlichen Brüstung der auf diesem befindlichen Dachterrasse und der auf der Südseite des Vordergebäudes befindlichen Dachgaube.

b) Eine Abweichung wegen Nichteinhaltung erforderlicher Abstandsflächen gegenüber den Grundstücken Fl.Nr. ... und ... durch die Abstandsflächen der östlichen Brüstung der auf dem Vorder- /Seitengebäude befindlichen Dachterrasse.

Als Begründung zu a) und b) wurde ausgeführt, dass die Abweichungen unter Berücksichtigung der Absichten des Abstandsflächenrechtes - Gewährleistung einer ausreichenden Belichtung, Belüftung und Besonnung nach Würdigung der Gesamtumstände und der nachbarlichen Belange - mit den öffentlichrechtlichen Vorschriften vereinbar seien.

Zu a): Die drei in der Abweichung genannten Bauteile lösten bei isolierter Betrachtung Abstandsflächen aus. Da das Vordergebäude schräg zur Grenze mit dem Grundstück Fl.Nr. ... verlaufe, fielen diese primär auf den Innenhof des Grundstücks der Klägerin. Aufgrund der Schrägstellung des streitgegenständlichen Vordergebäudes ... Eck 3 bestehe eine atypische Grundstückssituation. Die Lokalbaukommission sei der Auffassung, dass durch diese Abstandsflächenerstreckung geschützte Nachbarrechte nicht in unzumutbarer Weise beeinträchtigt würden. Die Bauteile lösten in der Realität so gut wie keine zusätzliche Verschattung aus.

Zu b): Die östliche Brüstung der Dachterrasse auf dem Vorder-/Seitengebäude löse Abstandsflächen aus, die auf die Grundstücke Fl.Nr. ... und ... fallen würden. Größtenteils lägen sie innerhalb der Abstandsflächen der Südwand des verfahrensgegenständlichen Gebäudes ... Eck 3 und würden deren Ausmaße mit einer geringfügigen Ausnahme in einer Breite von 30 cm nicht überschreiten. Aufgrund der Schrägstellung des streitgegenständlichen Vordergebäudes ... Eck 3 bestehe eine atypische Grundstückssituation. Auch hier würden die geschützten Nachbarrechte nicht in unzumutbarer Weise beeinträchtigt. Die Dachterrassenbrüstung löse in der Realität so gut wie keine zusätzliche Verschattung aus, zumal sie im Norden läge und 8,4 m bis 9,4 m von der Grundstücksgrenze entfernt sei.

2. Zu den in der Baugenehmigung vom ... Mai 2014 erteilten Abweichungen in Ziffern 5 bis 7 wurde die Begründung im Nachgangsbescheid vom ... Oktober 2014 ergänzt:

Zu Ziffer 5: Die für die Abweichung erforderliche atypische Situation ergebe sich aus der beengten Innenstadtlage und dem Gebäudebestand. Der nördliche Teil des Seitengebäudes bestehe bereits, die Traufkante werde nahezu unverändert übernommen, das anschließende Dach sei wegen seines 45 Grad Winkels abstandsflächenneutral. Eine nennenswerte zusätzliche Verschattung ergebe sich gegenüber den Nachbargrundstücken Fl.Nrn. ..., ... und ... nicht, zumal das Gebäude im Nordwesten liege, von wo aus kein direkter Lichteinfall erfolge. Die Dachterrassen auf dem nördlichen Seitengebäude seien ausreichend weit von der Dachkante abgesetzt, so dass auch der Sozialabstand nicht unzureichend verkürzt werde.

Zu Ziffer 7: Die Atypik betreffe auch den südlichen Teil des Seitengebäudes. Keines der benachbarten Gebäude könne die erforderlichen Abstandsflächen einhalten. Gegenüber den Nachbarn Fl.Nrn. ... und ... komme es nicht zu unzumutbaren Beeinträchtigungen; Fl.Nr. ... sei selbst grenzständig bebaut und werfe aufgrund der Höhe massiv Abstandsflächen auf das Baugrundstück, wobei aber aufgrund der Nutzungsanordnung innerhalb der Gebäude keine ungesunden Wohn- und Arbeitsverhältnisse entstünden. Der Nachbar Fl.Nr. ... sei durch die Abweichung nur hinsichtlich des südlichen Teils seiner Freifläche betroffen, die primär als Müllabstellplatz genutzt werde. Die erteilte Abweichung führe damit auch bei ihm nicht zu unzumutbaren Verhältnissen. Das gelte auch in Zusammenschau mit den weiteren ihm gegenüber bereits erteilten Abweichungen. Gegenüber seinen im rückwärtigen Bereich über die Südfassade belichteten Räumen befinde sich eine knapp 30 m tiefe Freifläche, die auch an der Fensterkante des untersten Fensters den Mindestlichteinfallwinkel von 45 Grad deutlich unterschreite. Auch die Belichtungssituation als solche werde nicht in unzumutbarer Weise verschlechtert. Das südliche Seitengebäude sei leicht nach Westen abgesetzt und nach Süden hin abgetreppt, dadurch könne mehr Licht einfallen, und verbliebe ein zusammenhängender ca. 300 m2 großer Innenhof, der die Belichtung ausreichend gewährleiste. Andere Hofbereiche im zentralen Stadtbereich seien bei gleich hoher Bebauung wesentlich kleiner. Die Dachterrassen des südlichen Seitengebäudes seinen ebenfalls von der Außenwand abgesetzt, der Abstand insbesondere zum Gebäude Fl.Nr. ... sei sehr groß. Das Gesamtvorhaben füge sich planungsrechtlich in die vorhandene Umgebung ein und trage dazu bei, den öffentlichen Bedarf nach dringend benötigtem Wohnraum zu erfüllen.

Mit Schriftsatz vom 28. November 2014, am selben Tag per Fax am Verwaltungsgericht eingegangen, erhoben die Bevollmächtigten der Klägerin Klage gegen den mit Postzustellungsurkunde am 28. Oktober 2014 zugestellten Nachgangsbescheid vom ... Oktober 2014, Az. ... und beantragten,

Der Baugenehmigungsbescheid der ... vom ...05.2014 (Az.: ...) sowie der Nachgangsbescheid der ... vom ...10.2014 (Az. ...) werden aufgehoben.

Mit Schriftsatz vom 19. Oktober 2015 begründeten die Bevollmächtigten die Klage unter Bezugnahme auf die mit Schriftsatz vom 28. November 2014 angekündigten Anträge. Die streitgegenständliche Baugenehmigung vom ... Mai 2014 umfasse den Umbau, die Sanierung und die Erweiterung von Vorder- und Rückgebäude mit Nutzungsänderung in Teilbereichen von Büro zu Wohnen sowie den Einbau einer Tiefgarage. Erheblich seien für die Klägerin die Aufstockung der Dachgeschosse des straßenseitigen Vordergebäudes sowie des vorhandenen Seitengebäudes und der Dachgeschossausbau mit Errichtung von zwei zurückversetzten Dachterrassen auf dem straßenseitigen Gebäude und dem Seitengebäude. Durch die Aufstockung würden Wandhöhen von 21,51 m im Vordergebäude bzw. 18,96 m im Seitengebäude erreicht. Weiter sei die Klägerin durch die rückwärtige Erweiterung des Vordergebäudes in Richtung des Hofinnenraumes um rund 2 m sowie die Neuerrichtung eines abgetreppten vier- bis sechsgeschossigen Baukörpers an der nordwestlichen Grundstücksgrenze im Anschluss an das bestehende Seitengebäude anstelle des sich dort befindlichen eingeschossigen Bauteils betroffen. Hier würden Wandhöhen von 12,49 m, 15,84 m und 18,96 m erreicht. Das streitgegenständliche Bauvorhaben verstoße gegen die abstandsrechtlichen Vorgaben nach Art. 6 BayBO, die erteilten Abweichungen seien rechtswidrig. Es läge weder eine Atypik vor noch sei von einer ordnungsgemäßen Ermessensausübung im Hinblick auf die abstandsflächenrechtlich geschützten Belange der Klägerin auszugehen. Vorliegend fehle es bereits an der erforderlichen atypischen Fallgestaltung. Die Beklagte stelle im Wesentlichen auf die zentrale Innenstadtlage sowie auf den Zuschnitt des Baugrundstücks ab. Daraus ergäben sich jedoch keine atypischen Umstände. Allein die Lage in einem dicht bebauten Bereich rechtfertige nicht die Abweichung von den Abstandsflächen. Erforderlich sei vielmehr eine grundstücksbezogene Zwangslage, die eine sinnvolle Grundstücksnutzung ausschließe. Eine solche sei vorliegend nicht ersichtlich. Eine sinnvolle Grundstücksnutzung sei nicht erst dann gegeben, wenn das Maximum der planungsrechtlich zulässigen Bebauung erreicht sei. Die durch einfachen Bebauungsplan festgesetzte vordere Baulinie und die rückwärtige Baugrenze beinhalte keine abstandsflächenverkürzende Wirkung zulasten der Klägerin. Das von dem erkennenden Gericht im Rahmen der Eilentscheidung vom 13. November 2014 unterstellte Baurecht stehe damit von Vornherein unter dem Vorbehalt der bauordnungsrechtlichen Abstandsflächen und könne zur Begründung einer grundstücksbezogenen Atypik nicht herangezogen werden. Auch unter Bezugnahme auf den Zuschnitt des Grundstücks lasse sich eine atypische Situation nicht begründen. Die Lage an einer nicht geradlinig verlaufenden Erschließungsstraße sei entgegen der Ansicht des erkennenden Gerichts im Eilbeschluss in keiner Weise relevant für die vorliegend entscheidungserhebliche Abstandsflächensituation im rückwärtigen Grundstücksbereich. Der Abstandsflächenverstoß werde hier nicht durch die schrägen Grundstücksgrenzen verursacht, sondern dadurch, dass das geplante Bauvorheben in Kombination mit dem vorhandenen Bestand, der ohne Einhaltung der erforderlichen Abstandsflächen verwirklicht worden sei, über eine abstandsflächenrechtlich deutlich überdimensionierte Höhenentwicklung verfüge. Daran ändere auch die Abtreppung nach Süden nichts. Eine atypische Situation bestehe höchstens für das klägerische Grundstück, das äußerst schmal sei und bereits durch den Bestand der zum Teil grenzständig errichteten Nachbargebäude in abstandsflächenrechtlicher Hinsicht vorbelastet sei. Gerade dies spreche gegen eine auf das Baugrundstück bezogene Atypik. Dass die umgebenden Grundstücke sehr massiv bebaut seien, spreche ebenfalls nicht für, sondern gegen die Erteilung der streitgegenständlichen Abweichungen. Die Erteilung der streitgegenständlichen Abweichungen stelle sich außerdem als ermessensfehlerhaft dar. Bei einer Berücksichtigung der erteilten Abweichungen und der Verwirklichung des neuen südlichen Seitengebäudes auf dem Baugrundstück würden sich die Abstandsflächen von drei verschiedenen Baukörpern überschneiden. Das geplante neue Seitengebäude versperre die letzte noch vorhandene freie Blick- und Belüftungsachse des klägerischen Grundstücks und habe damit einen unzumutbaren Einmauerungseffekt zu Folge. Das klägerische Grundstück werde künftig auf beiden Längsseiten von einer Bebauung mit erheblicher Höhenentwicklung ohne Einhaltung der eigentlich erforderlichen Abstandsflächen geradezu „eingekesselt“. Das streitgegenständliche Bauvorhaben orientiere sich vielleicht an der Höhenentwicklung des klägerischen Bestandsgebäudes, dies sei jedoch unerheblich, da die auf dem Baugrundstück genehmigte Baumasse das Maß der baulichen Nutzung auf dem klägerischen Grundstück klar übersteige. Bei Betrachtung der festzustellenden wechselseitigen Abstandsflächenverstöße sei eine deutliche Disproportionalität zulasten des klägerischen Grundstücks festzustellen. Diese sei im Rahmen der erteilten Abweichungen nicht berücksichtigt worden. Der Abstandsflächenverstoß indiziere auf der bauplanungsrechtlichen Ebene einen Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme. Durch die streitgegenständlichen Bescheide werde eine massive Fortentwicklung der Bebauung in den Blockinnenbereich zulasten des klägerischen Grundstücks gestattet. Man dürfe nicht wie das Gericht im Rahmen der Eilentscheidung vorrangig auf die Höhenentwicklung abstellen, sondern müsse auch die Längenentwicklung des genehmigten Baukörpers und dessen Gesamtkubatur in den Blick nehmen. Gerade durch die Länge nach Süden entstehe für die Klägerin eine nicht mehr zumutbare „Gefängnishofsituation“.

Mit Schreiben vom 13. Oktober 2015 beantragte die Beklagte,

die Klage wird abgewiesen.

Das geplante Vorhaben führe nicht zu einer unzumutbaren Beeinträchtigung der Belichtung, Besonnung und Belüftung der Bebauung auf dem klägerischen Grundstück. Das Vordergebäude bestehe bereits und werde ohne wesentliche Erhöhung vor allem umgebaut und saniert; das geplante Vorhaben befinde sich auf der Nord- und Nordwestseite des klägerischen Grundstücks, so dass nur eine ganz geringfügige Verschattung in den Abendstunden in Betracht komme. Hauptkriterien für die Beurteilung einer abriegelnden Wirkung seien die Höhe, die Länge und die Distanz. Das geplante Vorhaben stelle sich im Verhältnis zur Nachbarbebauung nicht als übergroß dar und füge sich hinsichtlich der Höhe in die Umgebung ein. Daher habe es keine erdrückende Wirkung. Auch das Rücksichtnahmegebot sei nicht verletzt. Ein Nachbar habe gerade im dicht bebauten innerstädtischen Bereich keinen Anspruch darauf, von jeglichen Einsichtnahmemöglichkeiten verschont zu werden. Das geplante Vorhaben werde keine unzumutbaren neuen Einsichtnahmemöglichkeiten eröffnen. Es befänden sich am seitlichen Bestandsgebäude in südlicher Richtung bereits Balkone mit Einsichtmöglichkeiten, andererseits seien die geplanten Dachterrassen in südlicher Richtung abgestuft und im Wesentlichen nach Süden ausgerichtet, während sich an der östlichen Seite lediglich Fenster befänden. Die von der Beklagten erteilten Abweichungen wegen Nichteinhaltung der Abstandsflächen zum klägerischen Grundstück seien rechtmäßig. Es liege eine atypische Situation vor, infolge dem besonderen Grundstückszuschnitt und der vorhandenen Bestandsbebauung sowie der Schrägstellung des Vordergebäudes. Das maßgebliche Geviert sei darüber hinaus durch die Überlagerung von Abstandsflächen geprägt. Die Abweichungen führten nur zu einer relativ geringen Verschlechterung der Belichtungs-, Besonnungs- und Belüftungssituation auf dem klägerischen Grundstück, die zumutbar sei. Das Vorhaben füge sich in die Umgebungsbebauung ein und trage dem öffentlichen Interesse an der Schaffung von Wohnraum Rechnung. Die von der Beklagten vorgenommene Abwägung der öffentlichrechtlich geschützten Belange mit den öffentlichen Belangen sei in ermessensfehlerfreier Weise erfolgt.

Mit Schriftsatz vom 18. November 2015 replizierten die Bevollmächtigten der Beigeladenen. Die Atypik ergebe sich aus der historischen Altstadtlage und den schräg verlaufenden Grundstücksgrenzen sowie dem bestehenden Altbestand und der Umgebungsbebauung. Es sei für die Annahme einer Atypik nicht erforderlich, dass faktisch jede Grundstücksnutzung ausgeschlossen sei. Das Vorhaben schöpfe auch nicht das Maximum des planungsrechtlich Zulässigen aus, es gebe in dem Geviert im rückwärtigen Bereich noch deutlich höhere Gebäude. Eine sinnvolle Grundstücksnutzung liege andererseits nicht schon dann vor, wenn es bei dem eingeschossigen Seitengebäude bleibe. Die Ermessenserwägungen der Beklagten seien ausreichend und nicht ermessenfehlerhaft, da die Beklagte berücksichtigt habe, dass der Innenhof etwa 10 m breit und etwa 30 m lang sei und somit ausreichend, um die Belichtung und die Belüftung des klägerischen Anwesens sicherzustellen. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Beibehaltung einer bestimmten Blick- oder Sichtachse, weil vorliegend die Fortentwicklung der Bebauung aufgrund des Bauliniengefüges absehbar gewesen sei. Im Übrigen habe die Beklagte die Abwägung der nachbarlichen Interessen mit den öffentlichen Belangen durch den Ergänzungsbescheid vom ... Oktober 2014 umfänglich nachgeholt. Hinsichtlich des klägerischen Vortrags, das Vorhaben wirke erdrückend und abriegelnd, müsse auf das Vordergebäude der Klägerin und auf das seitliche Rückgebäude der Beigeladenen abgestellt werden. Dieses sei niedriger und wirke nicht abriegelnd infolge der Kombination aus der abgetreppten Bauweise und des Abstandes zur Südfassade des klägerischen Gebäudes. Eine Gefängnishofsituation sei nicht gegeben, da die rückwärtige Hoffläche eine Tiefe von ca. 30 m aufweise.

Über die baulichen Verhältnisse auf dem streitgegenständlichen Grundstück sowie in dessen Umgebung hat das Gericht am 30. November 2015 Beweis durch Einnahme eines Augenscheins erhoben. Hinsichtlich der Feststellungen dieses Augenscheins sowie der anschließenden mündlichen Verhandlung, in der die Beteiligten ihre schriftsätzlich angekündigten Anträge stellten, wird auf das Protokoll verwiesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichts- und die vorgelegten Behördenakten sowohl im Verfahren M 8 K 14.2601 wie auch im Eilverfahren M 8 SN 14.3336 und auf den Beschluss im einstweiligen Rechtsschutzverfahren vom 13. November 2014 verwiesen.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet, da das mit der streitgegenständlichen Baugenehmigung vom ... Mai 2014 in der Fassung des Nachgangsbescheids vom ... Oktober 2014 zugelassene Bauvorhaben weder in bauplanungsrechtlicher noch in bauordnungsrechtlicher Hinsicht gegen drittschützende Rechte der Klägerin verstößt, die im vereinfachten Baugenehmigungsverfahren zu prüfen sind, Art. 59 Abs. 1 BayBO, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.

1. Dritte können sich nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. BVerwG, U. v. 13.6.1969 - IV C 234.65 - BayVBl 1969, 390 - juris Rn. 15; BVerwG, U. v. 25.2.1977 - IV C 22.75 - BayVBl 1977, 639 - juris Rn. 25; BVerwG, U. v. 19.9.1986 - 4 C 8/84 - BayVBl 1987, 151- juris Rn. 9; BVerwG, U. v. 26.9.1991 - 4 C 5/87 - BVerwGE 89, 69 - juris Rn. 18) gegen eine Baugenehmigung nur dann mit Aussicht auf Erfolg zur Wehr setzen, wenn die angefochtene Baugenehmigung rechtswidrig ist und diese Rechtswidrigkeit (auch) auf der Verletzung von Normen beruht, die gerade dem Schutz des betreffenden Nachbarn zu dienen bestimmt sind (vgl. BayVGH, B. v. 26.7.2011 - 14 CS 11.535 - juris Rn. 21; BayVGH, B. v. 24.3.2009 - 14 CS 08.3017 - juris Rn. 20).

2. In bauplanungsrechtlicher Hinsicht beurteilt sich die Zulässigkeit des Vorhabens gemäß § 30 Abs. 3 BauGB nach den Festsetzungen des einfachen übergeleiteten Baulinienplanes, der für das Grundstück eine vordere Baulinie sowie eine hintere und seitliche Baugrenze festsetzt, im Übrigen nach § 34 Abs. 1 und Abs. 2 BauGB.

2.1 Es entspricht der ganz herrschenden Meinung, dass die Regelungen über das Maß der baulichen Nutzung, über die Bauweise und die Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, nicht nachbarschützend sind (vgl. BVerwG, B. v. 19.10.1995 - 4 B 215/95 - juris Rn. 3; BayVGH, B. v. 6.11.2008 - 14 ZB 08.2327 - juris Rn. 9; B. v. 12.9.2013 - 2 CS 13.1351 - juris Rn. 3).

2.2 Es liegt auch keine Verletzung des Gebots der Rücksichtnahme vor. Insoweit kann dahinstehen, ob sich dieses im vorliegenden Fall aus dem Begriff des „Einfügens“ des § 34 Abs. 1 BauGB oder aus § 34 Abs. 2 BauGB i. V. m. § 15 Abs. 1 BauNVO ableitet, da im Ergebnis dieselbe Prüfung stattzufinden hat (vgl. BayVGH, B. v. 12.9.2013 - 2 CS 13.1351 - juris Rn. 4).

Im vorliegenden Fall stellt sich das streitgegenständliche Vorhaben weder im Hinblick auf die gerügte Verschlechterung der Belichtung, Besonnung und Belüftung noch im Hinblick auf die gerügte einmauernde bzw. einkesselnde Gefängnishofwirkung noch hinsichtlich der vorgetragenen Verletzung des Sozialfriedens/Sozialabstands als unzumutbar und damit rücksichtslos dar.

2.2.1 Soweit die Klägerin rügt, dass durch das streitgegenständliche Bauvorhaben die Belichtungs-, Besonnungs- und Belüftungssituation nachhaltig verschlechtert würde, kommt vorliegend keine Verletzung des Rücksichtnahmegebots in Betracht.

Das Gebot der Rücksichtnahme gibt dem Nachbarn nicht das Recht, von jeglicher Beeinträchtigung der Licht- und Luftverhältnisse oder der Verschlechterung der Sichtachsen von seinem Grundstück aus verschont zu bleiben. Eine Rechtsverletzung ist erst dann zu bejahen, wenn von dem Vorhaben eine unzumutbare Beeinträchtigung ausgeht (BayVGH, B. v. 22.6.2011 - 15 CS 11.1101 - juris Rn. 17). Eine Veränderung der Verhältnisse durch ein Vorhaben, das den Rahmen der Umgebungsbebauung wahrt und städtebaulich vorgegeben ist, ist aber regelmäßig als zumutbar hinzunehmen (BayVGH, B. v. 12.9.2013 - 2 CS 13.1351 - juris Rn. 6).

Im vorliegenden Fall ist bereits fraglich, inwieweit der Umbau des Dachgeschosses im Vordergebäude überhaupt zu einer zusätzlichen Beeinträchtigung der Belichtungssituation auf dem klägerischen Grundstück führt. Die Frage der Beeinträchtigung durch das rückwärtige Seitengebäude ist zwar durch keine Verschattungsstudie zum vorliegenden Bauvorhaben abschließend geklärt. Aus dem vorgelegten Verschattungsszenario (Anlage BE 7 im Verfahren M 8 SN 14.336) zu einem - nach Angaben der Beigeladenen - höher geplanten Bauvorhaben auf dem streitgegenständlichen Grundstück wird jedoch deutlich, dass das östlich vom Vorhabengrundstück gelegene Gebäude der Klägerin nicht maßgeblich - allenfalls in den Abendstunden - durch das westlich geplante Bauvorhaben beeinträchtigt wird. Solche geringfügige Beeinträchtigungen durch Schattenwurf sind jedoch hinzunehmen (vgl. BayVGH B. v. 10.12.2008 - 1 CS 08.2770 - juris Rn. 24). Dazu kommt, dass das nördliche Seitengebäude der Beigeladenen, das für die Verschattung des klägerischen Gebäudes maßgeblich ist, bereits seit langem besteht und von der Klägerin bereits seit langem hingenommen werden muss. Das rückwärtige nördliche Seitengebäude und das Vordergebäude sollen bis auf den Umbau im Dachgeschoss - bei gleichbleibender Firsthöhe des Vordergebäudes - und der Errichtung einer Dachterrasse sowie einer Dachgaube unverändert bleiben und lediglich nach einem Brandschaden saniert bzw. modernisiert werden. Die Aufstockung des bisher eingeschossigen südlichen Seitengebäudes entlang der dort seit langem bestehenden Brandmauer des Nachbargebäudes ... Eck 5 lässt ebenfalls sowohl nach den vorgelegten Bildsimulationen wie auch nach dem Ergebnis des Augenscheins keine schwerwiegende zusätzliche Beeinträchtigung der Belichtungs-, Besonnungs-, und Belüftungssituation erkennen, die zu schlechthin unzumutbaren und nicht mehr hinnehmbaren Wohnverhältnissen führen würden. Eine solche Beeinträchtigung ist von der Klägerin auch nicht dargelegt. Die Sichtachse der Klägerin wird durch die im Bestand vorhandene Brandschutzwand des dreigeschossigen Gebäudes auf dem Grundstück Fl.Nr. ..., ... Eck 5 bereits zum gegenwärtigen Zeitpunkt beeinträchtigt. Außerdem verbleibt auch nach Realisierung des Bauvorhabens ein gemeinsamer Innenhofbereich mit einer Gesamtfläche von über 300 m², so dass nach wie vor eine ausreichende Belichtungs-, Belüftungs- und Besonnungssituation gewährleistet ist.

2.2.2 In der Rechtsprechung ist darüber hinaus anerkannt, dass eine Verletzung des Rücksichtnahmegebots dann in Betracht kommt, wenn durch die Verwirklichung des genehmigten Vorhabens ein in der unmittelbaren Nachbarschaft befindliches Wohngebäude „eingemauert“ oder „erdrückt“ wird. Eine solche Wirkung kommt vor allem bei nach Höhe und Volumen „übergroßen“ Baukörpern in geringem Abstand zu benachbarten Wohngebäuden in Betracht (BVerwG, U. v. 13.3.1981 - 4 C 1/78, - juris Rn. 38: 12-geschossiges Gebäude in 15 m Entfernung zum 2,5-geschossigen Nachbarwohnhaus; U. v. 23.5.1986 - 4 C 34/85, - juris Rn. 15: Drei 11,05 m hohe Siloanlagen im Abstand von 6 m zu einem 2-geschossigen Wohnanwesen; BayVGH, B. v. 10.12.2008 - 1 CS 08.2770 - juris Rn. 23; B. v. 5.7.2011 - 14 CS 11.814 - juris Rn. 21). Hauptkriterien bei der Beurteilung einer „abriegelnden“ bzw. „erdrückenden“ Wirkung sind unter anderem die Höhe des Bauvorhabens und seine Länge sowie die Distanz der baulichen Anlage in Relation zur Nachbarbebauung. Für die Annahme der „abriegelnden“ bzw. „erdrückenden“ Wirkung eines Nachbargebäudes ist somit grundsätzlich kein Raum, wenn dessen Baukörper nicht erheblich höher ist als der des betroffenen Gebäudes, was insbesondere gilt, wenn die Gebäude im dicht bebauten innerstädtischen Bereich liegen (BayVGH, B. v. 11.5.2010 - 2 CS 10.454 - juris Rn. 5; B. v. 5.12.2012 - 2 CS 12.2290 - juris Rn. 9).

Vorliegend fehlt es bereits an einer erheblichen Höhendifferenz zwischen den Vorhabengebäuden und dem Anwesen der Klägerin. Durch den Dachgeschossumbau im Vordergebäude bleibt die Firsthöhe von 24,44 m unverändert. Der rückwärtige Seitenbau soll im nördlichen Gebäudeteil eine Traufhöhe von 18,96 m und eine Firsthöhe/Flachdach von 21,51 m zuzüglich der Dachterrassenumwehrung mit 1,10 m, insgesamt demnach 22,61 m erhalten und im südlichen Seitenteil eine Traufhöhe von 12,49 m - 15,48 m. Das Gebäude der Klägerin weist eine Traufhöhe von 18,84 m und eine Firsthöhe von 24,21 m auf. Schon insoweit ist die im dicht bebauten innerstädtischen Bereich zur Bejahung einer abriegelnden oder erdrückenden Wirkung erforderliche erhebliche Höhendifferenz nicht gegeben.

2.2.3 Auch die gerügte Summenwirkung der Überschneidung von Abstandsflächen aus drei unterschiedlichen Richtungen auf dem klägerischen Grundstück führt weder zu einer einkesselnden Wirkung noch zu einer Gefängnishofsituation. Es ist zwar zutreffend, dass der Innenhof auf dem klägerischen Grundstück nach Realisierung des südlichen rückwärtigen Seitengebäudes sowohl von Westen, wie auch von Osten und Süden von Gebäuden mit nicht unerheblicher Höhenentwicklung umgeben ist. Hierbei ist aber auch zu berücksichtigen, dass dies bereits der Bestandssituation geschuldet ist. Die geplante Gebäudeaufstockung des südlichen Seitengebäudes erfolgt im Anschluss an eine bereits bestehende Brandwand in vergleichbarer Höhe. Außerdem besteht ein Teil der nördlichen Begrenzung des Innenhofbereichs aus dem Bestandsgebäude die Klägerin selbst. Zwar verändert das genehmigte Vorhaben die bauliche Situation im Hofbereich, aber das Anwesen der Klägerin sah sich bereits jahrzehntelang dem bestehenden Baukörper gegenüber, der nunmehr im Vordergebäude und nördlichem Seitengebäude lediglich modernisiert und nach einem Brandschaden saniert bzw. erneuert wird. Im südlichen Bereich kommt es durch die terrassenförmige Aufstockung des bisher eingeschossigen südlichen Seitengebäudes zu einer Vertiefung entlang der bestehenden Brandschutzwand des Gebäudes auf dem Grundstück, Fl.Nr. ..., ... Eck 5. Aber nicht schon dann, wenn das angegriffene Vorhaben die Situation für den Nachbarn geringfügig verändert, kann von einer erdrückenden Situation im Sinne einer Gefängnishofsituation die Rede sein. Gerade im innerstädtischen Bereich hat ein Grundstückseigentümer kein Recht auf Beibehaltung einer ungehinderten oder bislang nur geringfügig beeinträchtigten Sicht von seinem Wohngebäude aus (vgl. BayVGH B. v. 10.12.2008 - 1 CS 08.2770 - juris Rn. 23 mit Verweis auf BVerwG, U. v. 28.10.1993 - 4 C 5/93 - NVwZ 1994, 686).

Zweifellos ist der Hof in seiner Querausdehnung schmal und erweckt nicht den Eindruck großzügiger Gestaltung. Eine derartige Situation ist aber im eng bebauten Altstadtbereich in nahezu allen Hinterhöfen gegeben, wie der Blick auf die dem Bauantrag beigefügten Lagepläne zeigt. Gerade in der unmittelbaren Umgebung des Vorhabens sind die Grundstücke dabei in ganz besonderer Dichte baulich genutzt, einige Flurstücke sind ohne jede Freifläche vollständig bebaut.

Die durch die Bestandsbebauung auf dem Vorhabengebäude vorgegebene Situation wird durch die Realisierung des verfahrensgegenständlichen Vorhabens nicht gravierend verändert, sondern entspricht vielmehr der umliegenden üblichen Bebauungsdichte im historischen Ortskern der Altstadt. Der streitgegenständliche Hof hat außerdem auch nach der Verwirklichung des verfahrensgegenständlichen Vorhabens eine unveränderte Länge (Tiefe) von über 30 m. An seiner schmalsten Stelle wird er nach Errichtung des südlichen Seitengebäudes 7,5 m breit sein. Zudem bleibt die gerade Sichtachse aus den Hoffenstern der Klägerin unangetastet. Allein der Blick zur Seite wird geringfügig beeinträchtigt. Dieser Blick zur Seite fällt aber gegenwärtig auf die Brandmauer des Anwesens ... Eck 5 - Hintergebäude, mit vergleichbarer Höhe. Auch nach seiner äußeren Gestaltung sieht ein erkennbar für Wohn- und Bürozwecke bestimmtes Gebäude deutlich weniger „gefängnishofartig“ aus wie die vorhandene kahle Brandmauer. Verschwindet sie wie vorgesehen hinter der neuen Büro- und Wohnbebauung des Vorhabens, so kann dies zumindest insoweit nicht zu einer gefängnishofartigen Verschlechterung führen. Viele der in der Umgebung liegenden Straßen sind von Hausfassade zu Hausfassade wesentlich schmäler, wie beispielsweise der Abstand der straßenseitigen Gebäude ... Eck 2 und 3 bzw. 6 und 9/11 mit unter 15 m und vor allem auch die gesamte ...-straße, die an der Einmündung in das ... Eck nach dem Lageplan nur eine Breite von 6 m hat. Demgegenüber hat man aus den Hoffenstern der Klägerin einen unverstellten Blick in südliche Richtung von rund 31 m bis zur gegenüberliegenden Hausfassade. Eine derartige Situation ist im eng bebauten innerstädtischen Altstadtbereich mit noch aus der Zeit des Mittelalters stammenden Straßen- und Grundstückseinteilungen großzügig, wie auch der Blick auf den amtlichen Lageplan zeigt. Unter solchen Umständen von einer „Gefängnishofsituation“ zu sprechen, verkennt die Rahmenbedingungen, die für das Wohnen in einem solchen Stadtbereich durch die historisch gewachsenen Umstände vorgegeben sind. Hinzu kommt, dass ein Nachbar grundsätzlich nicht das Recht hat, von jeglicher Beeinträchtigung der Licht- und Luftverhältnisse oder der Verschlechterung der Sichtachse von seinem Grundstück verschont zu bleiben (vgl. BayVGH, B. v. 10.12.2008 - 1 CS 08.2770 - juris Rn. 23). Dies gilt umso mehr im historisch gewachsenen, dicht bebauten Ortskern, insbesondere wenn - wie im vorliegenden Fall - die gerade Sichtachse unverändert erhalten bleibt.

2.2.4 Soweit die Klägerin rügt, dass durch das streitgegenständliche Vorhaben der Sozialfrieden und Sozialabstand beeinträchtigt würden, führt dies ebenfalls zu keiner Verletzung des Rücksichtnahmegebots. Trifft eine Wohnnutzung auf eine vorhandene Wohnnutzung, dann kommt unter dem Gesichtspunkt der Nutzungsart ein Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme nur unter ganz außergewöhnlichen Umständen in Betracht (vgl. BayVGH, B. v. 12.09.2005 - 1 ZB 05.42, BayVBl. 2006, 374 - juris Rn. 19). Da im Rahmen des Klageverfahrens hierzu keine neuen Gesichtspunkte von der Klägerin geltend gemacht wurden, wird im Übrigen auf die Ausführungen hierzu im Eilbeschluss vom 13. November 2014 im Verfahren M 8 SN 14.3336 verwiesen.

Die streitgegenständliche Baugenehmigung verstößt daher gegen keine nachbarschützenden bauplanungsrechtlichen Vorschriften.

3. Das beantragte Bauvorhaben wurde im vereinfachten Genehmigungsverfahren gemäß Art. 59 BayBO genehmigt. Da die Beigeladene Abweichungen von den Vorschriften des Abstandsflächenrechts nach Art. 6 BayBO beantragt und die Beklagte diese gemäß Art. 63 Abs. 1 BayBO erteilt hat, gehören die bauordnungsrechtlichen Abstandsflächenvorschriften auch zum Prüfumfang der streitgegenständlichen Baugenehmigung gemäß Art. 59 Satz 1 Nr. 2 BayBO, so dass sie im Rahmen des Nachbarrechtsbehelfes zu prüfen sind (vgl. BayVGH, B. v. 29.10.2015 - 2 B 15.1431 - juris Rn. 36; BayVGH, B. v. 5.11.2015 - 15 B 15.1371 - juris Rn. 15).

Nachbarschützende bauordnungsrechtliche Vorschriften werden durch den streitgegenständlichen Bescheid vom ... Mai 2014 unter Berücksichtigung des Nachgangsbescheids vom ... Oktober 2014 ebenfalls nicht verletzt. Die bestehenden Mängel der Baugenehmigung vom ... Mai 2014 hinsichtlich der erteilten Abweichungen von den Abstandsflächenvorschriften sind in nicht zu beanstandender Art und Weise durch den Erlass des Nachgangsbescheids vom ... Oktober 2014 ausgeräumt worden.

3.1 Gemäß Art. 63 Abs. 1 Satz 1 BayBO kann die Bauaufsichtsbehörde Abweichungen von bauaufsichtlichen Anforderungen zulassen, wenn sie unter Berücksichtigung der jeweiligen Anforderung und unter Würdigung der nachbarlichen Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar sind. Die Zulassung einer Abweichung setzt Gründe von ausreichendem Gewicht voraus, durch die sich das Vorhaben vom Regelfall unterscheidet und die die Einbuße an Belichtung und Belüftung im konkreten Fall als vertretbar erscheinen lassen (vgl. BayVGH B. v. 9.2.2015 - 15 ZB 12.1152 - juris Rn. 16). Es muss sich um eine atypische, von der gesetzlichen Regel nicht zureichend erfasste oder bedachte Fallgestaltung handeln (vgl. BayVGH, B. v. 13.2.2002 - 2 CS 01.1506 - juris Rn. 16; B. v. 23.5.2005 - 25 ZB 03.881 - juris Rn. 8; B. v. 15.11.2005 - 2 CS 05.2817 - juris Rn. 2; B. v. 29.11.2006 - 1 CS 06.2717 - juris Rn. 24; B. v. 11.1.2007 - 14 B 03.572 - juris Rn. 22; B. v. 16.7.2007 - 1 CS 07.1340 - juris Rn. 16; B. v. 4.8.2011 - 2 CS 11.997 - juris Rn. 23; B. v. 5.12.2011 - 2 CS 11.1902 - juris Rn. 3; U. v. 22.12.2011 - 2 B 11.2231, BayVBl. 2012, 535 - juris Rn. 16; B. v. 20.11.2014 - 2 CS 14.2199 - juris Rn. 4; B. v. 15.10.2014 - 2 ZB 13.530 - juris Rn. 3; B. v. 9.2.2015 - 15 ZB 12.1152 - juris Rn. 16). Es müssen rechtlich erhebliche Unterschiede vorliegen, die das Vorhaben als einen sich von der Regel unterscheidenden atypischen Fall erscheinen lassen und dadurch eine Abweichung rechtfertigen können (vgl. BayVGH, B. v. 3.12.2014 - 1 B 14.819 - juris Rn. 15; B. v. 11.12.2014 - 15 CS 14.1710 - juris Rn. 19). Diese können sich etwa aus einem besonderen Grundstückszuschnitt, einer aus dem Rahmen fallenden Bebauung auf dem Bau- oder dem Nachbargrundstück oder einer besonderen städtebaulichen Situation, wie der Lage des Baugrundstücks in einem historischen Ortskern, ergeben (vgl. BayVGH, B. v. 22.9.2006 - 25 ZB 01.1004 - juris Rn. 4; B. v. 16.7.2007 - 1 CS 07.1340 - juris Rn. 16; B. v. 20.11.2014 - 2 CS 14.2199 - juris Rn. 4; B. v. 2.12.2014 - 2 ZB 14.2077 - juris Rn. 4; B. v. 9.2.2015 - 15 ZB 12.1152 - juris Rn. 16). In solchen Lagen kann auch das Interesse des Grundstückseigentümers, vorhandene Bausubstanz zu erhalten und sinnvoll zu nutzen oder bestehenden Wohnraum zu modernisieren, eine Verkürzung der Abstandsflächen durch Zulassung einer Abweichung rechtfertigen. Hingegen begründen allein Wünsche eines Eigentümers, sein Grundstück stärker auszunutzen als dies ohnehin schon zulässig wäre, noch keine Atypik, da Modernisierungsmaßnahmen, die nur der Gewinnmaximierung dienen sollen, auch in Ballungsräumen nicht besonders schützenswert sind (vgl. BayVGH, B. v. 20.11.2014 - 2 CS 14.2199 - juris Rn. 4; B. v. 2.12.2014 - 2 ZB 14.2077 - juris Rn. 3).

Liegt die erforderliche Atypik nicht vor, erweist sich eine trotzdem erteilte Abweichung von der Einhaltung der gesetzlich vorgeschrieben Abstandsflächen von vornherein als rechtswidrig; die Baugenehmigung ist auf eine Nachbarklage hin aufzuheben (vgl. BayVGH, B. v. 9.2.2015 - 15 ZB 12.1152 - juris Rn. 16).

Liegt die erforderliche Atypik vor, ist weitere Voraussetzung die Vereinbarkeit der Abweichung mit den öffentlichen Belangen unter Würdigung der öffentlichrechtlich geschützten nachbarlichen Interessen. Mit der Verpflichtung zur Würdigung nachbarlicher Interessen verlangt das Gesetz - wie bei dem bauplanungsrechtlichen Gebot der Rücksichtnahme - eine Abwägung zwischen den für das Vorhaben sprechenden Gründen und den Belangen des Nachbarn (BayVGH, B. v. 16.7.2007 - 1 CS 07.1340 - juris Rn. 17). Ob eine Abweichung von den Abstandsflächenvorschriften zugelassen werden kann, beurteilt sich dabei nicht allein danach, wie stark die Interessen des betroffenen Nachbarn beeinträchtigt werden. Es ist stets auch zu prüfen, ob die Schmälerung der nachbarlichen Interessen durch überwiegende Interessen des Bauherrn oder überwiegende öffentliche Belange gerechtfertigt ist (BayVGH, B. v. 16.7.2007 - 1 CS 07.1340 - juris Rn. 20).

3.2 Eine derartige Sondersituation (Atypik) ist im vorliegenden Fall hinsichtlich der streitgegenständlichen Abweichungen gegeben.

Das Bauplanungsrecht gibt hier eine Bebauung unter Beachtung der vorderen Baulinie und der rückwärtigen Baugrenze vor. Bauplanungsrechtlich darf in diesen Bereich auf dem Vorhabengrundstück gebaut werden. Soll auch in diesem Bereich Instandsetzung, Aufwertung oder Erneuerung der zum Teil überalterten Bausubstanz ermöglicht werden, so kommt man nicht umhin, Ausnahmen vom generalisierenden Abstandsflächenrecht zuzulassen (vgl. BayVGH B. v. 5.12.2011 - 2 CS 11.1902 - juris Rn. 3). Dies gilt auch insbesondere deshalb, weil hier im dicht bebauten Altstadtbereich kaum ein Anwesen die Abstandsflächen wahrt (vgl. BayVGH, B. v. 4.8.2011 - 2 CS 11.997 - juris Rn. 23 m. w. N.; BayVGH, B. v. 7.10.2010 - 2 B 09.328 - juris Rn. 34). Entscheidend ist, ob sich ein Vorhaben vom normativen Regelfall unterscheidet (vgl. BayVGH vom 7.10.2010 - 2 B 09.328 - juris Rn. 34), was vorliegend aus mehreren, sich gegenseitig verstärkenden Gründen der Fall ist. Zum einen weist das Vorhabengrundstück einen besonderen Grundstücksschnitt auf, zum anderen liegt das Vorhabengrundstück in einem Geviert, das durch eine aus dem Rahmen fallende Bebauung auf dem Bau- und dem Nachbargrundstücken wesentlich geprägt wird. Zudem wird die besondere städtebauliche Situation durch die Lage des Vorhabengrundstücks im historischen Ortskern begründet (vgl. BayVGH, B. v. 16.7.2007 - 1 CS 07.1340 - juris Rn. 16 m. w. N.; B. v. 23.3.2010 - 1 BV 07.2363 - juris Rn. 35; BayVGH, B. v. 4.8.2011 - 2 CS 11.997 - juris Rn. 23). Da das streitgegenständliche Grundstück an einer nicht geradlinig verlaufenden Straße situiert ist, verlaufen auch die Grundstückgrenzen schräg. Dadurch wirft das streitgegenständliche Bestandsvordergebäude sowie der bündige Anschluss des Vordergebäudes an das klägerische Anwesen unweigerlich Abstandsflächen auf das Grundstück der Klägerin. Die besondere Hinterhofsituation ist ebenfalls durch die nicht rechteckig verlaufenden Grundstückschnitte bedingt. Nicht nur das streitgegenständliche Grundstück, sondern auch die benachbarten Grundstücke haben einen irregulären Grundstücksschnitt. Außerdem sind die Grundstücke im vorliegenden Geviert ausnahmslos massiv bebaut und weisen nur wenig Freifläche im Verhältnis zu ihrer Grundstücksfläche auf. Hinzu kommt, dass das streitgegenständliche Vorhabengrundstück ... Eck 3 mit einer Länge von über 60 m außergewöhnlich lang und zugleich ausgesprochen schmal ist, wobei es sich zudem im Innenhofbereich zunehmend verschmälert. Das Vorhabengrundstück hat an der Straße noch eine Breite von 16,09 m (vermaßt) und verengt sich bis zur schmalsten Stelle mit 10,5 m am Südende. Im Wesentlichen ist das Vorhabengrundstück also im rückwärtigen Bereich bei einer Länge von knapp 65 m zwischen ca. 10,5 m und 11,5 m breit. Angesichts dieses äußerst schmalen Grundstückszuschnitts und der bereits vorhandenen Bestandsbebauung auf dem Vorhabengrundstück ist es nicht möglich, irgendeine über ein Erdgeschoss hinausgehende der Höhenentwicklung der Umgebungsbebauung im maßgeblichen Geviert entsprechende Bebauung auf irgendeinem Teil des gesamten hinteren Grundstücks zu errichten, ohne die Abstandsflächenvorschriften zu verletzen. Jede nutzbare Bebauung auf dem Vorhabengrundstück im Geviertinneren, die über das Erdgeschoss hinausgeht, muss folglich die Abstandsflächenbestimmungen verletzen. Die unmittelbare Umgebungsbebauung weist im rückwärtigen Bereich jedoch erheblich höhere Trauf- und Firsthöhen auf. Das Rückgebäude ... Eck 5 beispielsweise hat mit drei Vollgeschossen sowie ausgebautem Dachgeschoss eine Trauf- und Firsthöhe von 14,62 m bzw. 21,88 m. Das gegenüberliegende Gebäude ...-straße 4 hat vier Vollgeschosse mit 13,11 m Trauf- und 17,35 m Firsthöhe. Das Rückgebäude ... Eck 13 weist eine Traufhöhe von 16,18 m sowie eine Firsthöhe von 17,20 m auf. Hinzu kommt die historisch gewachsene Bebauungsstruktur, die maßgeblich auch auf den historischen Straßenverlauf im streitgegenständlichen Geviert zurückzuführen ist. Wie aus alten Karten von beispielsweise 1644 ersichtlich ist, verliefen die umliegenden Straßen bereits damals in der heutigen Weise. Der historische Straßenverlauf und die damit verbundenen historisch bedingten Grundstückszuschnitte führen dazu, dass in dieser historisch gewachsenen Situation in der Regel jedwede Änderung des historischen Baubestandes zu einer weiteren Verletzung der Abstandsflächen führt. Möchte man diese Grundstücke unter Beachtung der vorgegebenen Bestandsbebauung innerhalb des durch Baulinien und Baugrenzen vorgegebenen Bauraums sinnvoll nutzen, wird man nicht umhin kommen, eine Verkürzung der Abstandsflächen durch die Zulassung von Abweichungen zu ermöglichen.

Schließlich ist zu berücksichtigen, dass nach gefestigter obergerichtlicher Rechtsprechung das durch Art. 14 GG geschützte Interesse des Bauherrn an einer sinnvollen Verwertung der vorhandenen Bausubstanz mit einer zeitgemäßen, den Wohnungsbedürfnissen entsprechende Sanierung, Instandsetzung, Aufwertung oder Erneuerung der zum Teil überalterten Bausubstanz durch die Erteilung einer Abweichung Rechnung getragen werden kann, wenn die Änderung weder die Interessen der Nachbarn noch sonstige öffentliche Belange nennenswert beeinträchtigt und die nach heutigem Recht vorgeschriebenen Abstandsflächen wegen der Lage im dicht bebauten Innenstadtbereich nicht einhalten werden können (vgl. BayVGH, B. v. 20.9.2011 - 2 CS 11.1849 - juris Rn. 9 m. w. N.; B. v. 4.8.2011 - 2 CS 11.997 - juris Rn. 23 m. w. N.; B. v. 8.9.2008 - 1 CS 08.1380 - juris Rn. 17; B. v. 15.11.2005 - 2 CS 05.2817 - juris Rn. 2 m. w. N.; B. v. 10.2.2003 - 2 ZB 02.2015 - juris Rn. 2). Die bereits vorhandenen bestandsgeschützten Gebäude auf dem Vorhabengrundstück stellen einen noch nutzbaren und wirtschaftlichen Wert dar. Vorliegend ist infolge des Brandschadens eine Instandsetzung und Erneuerung der zum Teil geschädigten Bausubstanz erforderlich. Bei einer derartigen Erhaltungsmaßnahme an einem bestandsgeschützten Gebäude im dicht bebauten innerstädtischen Bereich kommt man daher nicht umhin, Ausnahmen vom generalisierenden Abstandsflächenrecht zuzulassen (vgl. BayVGH, B. v. 4.8.2011 - 2 CS 11.997 - juris Rn. 23). Eine wesentliche Veränderung soll dabei nicht stattfinden, denn bereits in der Baugenehmigung vom ... Dezember 1960 und vom ... November 1961 war das Dachgeschoss als ausgebauter Wohnraum bzw. Atelier dargestellt und genehmigt.

Der vom Klägerbevollmächtigten zitierten Rechtsprechung lagen andere Fallkonstellationen zugrunde, da die Grundstücke dort weder im historisch gewachsenen Altstadtbereich lagen noch in Form und Zuschnitt vergleichbar waren.

Die spezifische Lage des streitgegenständlichen Grundstücks im dicht bebauten Altstadtkern mit zum Teil historischer Bausubstanz in Verbindung mit den besonderen historisch gewachsenen irregulären Grundstücksschnitten im vorliegenden Areal sowie die vorhandene bestandsgeschützte, einen wirtschaftlichen Wert darstellende Bausubstanz begründen für die verfahrensgegenständlichen Abweichungen jeweils eine atypische Situation, die sich vom Regelfall wesentlich unterscheidet.

3.3 Die verfahrensgegenständlichen Abweichungen von den Abstandsflächenvorschriften sind auch mit den öffentlichen und mit den geschützten nachbarlichen Belangen vereinbar.

Zwar wird durch die Verwirklichung des streitgegenständlichen Vorhabens eine Verschlechterung der abstandsflächenrechtlich geschützten Belange der Klägerin - hier Belichtung und Besonnung - bewirkt, weil dies Folge einer jeden Abweichung ist. Jedoch werden die Schutzziele der Art. 3 und Art. 6 BayBO nicht dergestalt verfehlt, dass eine Abweichung mit den nachbarlichen Belangen unvereinbar wäre. In die erforderliche Interessenabwägung ist zunächst einzustellen, dass der Um- und Ausbau auch der Schaffung von Wohnraum dient und insoweit ein rechtlich beachtliches Bauherreninteresse darstellt (vgl. BayVGH B. v. 5.12.2011 - 2 CS 11.1902 - juris Rn. 5) und durchaus auch im öffentlichen Interesse liegt. Die Schaffung von Wohnraum ist zwar nicht geeignet, das Vorliegen einer atypischen Fallgestaltung zu begründen, aber - bei Vorliegen der erforderlichen Atypik - stellt die Wohnraumschaffung einen gewichtigen öffentlichen Belang dar, der im Rahmen der nach Art. 63 Abs. 1 BayBO vorzunehmenden Abwägung zu berücksichtigen ist. Außerdem musste die Klägerin aufgrund der vorliegenden städtebaulichen Situation damit rechnen, dass früher oder später eine der Umgebung angepasste Baulückenschließung durch die Aufstockung des eingeschossigen Seitengebäudes im rückwärtigen Bereich erfolgen würde. Das Maß dessen, was zumutbar ist, ist situationsbedingt. Vorliegend befindet sich das Vorhaben im innerstädtischen Altstadtbereich mit Baustrukturen, die historisch zu einer Zeit gewachsen sind, als das Abstandsflächenrecht in seiner heutigen Fassung noch nicht bestand.

Die Bestandssituation wird mit der Realisierung des Bauvorhabens keine nachhaltige Verschlechterung erfahren. Das klägerische Wohnhaus bleibt von der Veränderung selbst unberührt, insbesondere wird der Lichteinfallswinkel der Fenster des klägerischen Gebäudes durch das verfahrensgegenständliche Bauvorhaben nicht verringert. Betroffen ist allein der geteerte Freibereich im Hinterhof, der durch die verfahrensgegenständlichen Abweichungen stärker als bisher beeinträchtigt wird. Wie der Augenschein jedoch gezeigt hat, kommt dieser Fläche eine wirkliche Freibereichsqualität nicht zu. In diesem Bereich sind nur Mülltonnen und Fahrräder abgestellt, er wird weder als Gartenfläche genutzt noch dient er den Bewohnern zum Aufenthalt im Freien. Das hinter dem streitgegenständlichen Vorhaben stehende Interesse der Beigeladenen, durch die Nutzungsänderung und den Umbau sowie die Erweiterung des Anwesens zeitgemäßen Wohnraum zu schaffen, ist rechtlich beachtlich. Dies gilt insbesondere auch deshalb, weil im vorliegenden dicht bebauten innerstädtischen Altstadtbereich kaum ein Anwesen die Abstandsflächen wahrt (vgl. BayVGH, B. v. 4.08.2011 - 2 CS 11.997 - juris Rn. 23; B. v. 7.10.2010 - 2 B 09.328 - juris). Hinzu kommt, dass dem verfahrensgegenständlichen Bauvorhaben keine nachbarlichen Belange der Klägerin von ausreichendem Gewicht entgegenstehen, da durch die Realisierung die Bestandssituation nicht wesentlich zum Nachteil der Klägerin verändert wird. Das verfahrensgegenständliche Bauvorhaben ist weder rücksichtslos noch führt es zu einer Reduzierung des erforderlichen Lichteinfallswinkels des Tageslichts von 45°. Im vorliegenden städtebaulichen Zusammenhang führt jede Veränderung der Bestandsbebauung zwangsläufig zu einer gewissen Beeinträchtigung der Belichtungssituation auf dem klägerischen Grundstück. Vorliegend ist dabei jedoch nicht das Wohngebäude betroffen, sondern allein die Hoffläche, die wie bereits dargestellt, nur als Abstellfläche genutzt wird. Insgesamt ist die Verschattungswirkung des Bauvorhabens hinsichtlich des klägerischen Anwesens daher nicht derart gravierend, dass eine Abweichung nicht erteilt werden könnte (vgl. BayVGH, B. v. 4.8.2011 - 2 CS 11.997 - juris Rn. 25).

Bei der Interessenabwägung ist weiter zu berücksichtigen, dass die Beigeladene einen Rechtsanspruch auf Bebauung ihres Grundstücks in dem durch die Umgebung vorgegebenen Nutzungsmaß hat (vgl. BayVGH, B. v. 4.8.2011 - 2 CS 11.997 - juris Rn. 26 m. w. N.). Zudem fällt ins Gewicht, dass das Gebäude der Klägerin die Abstandsflächen zum Grundstück der Beigeladenen ebenfalls nicht einhält und die Klägerin auf ihrem Grundstück das Baurecht auch in großem Umfang, insbesondere im Verhältnis zur Größe ihres eigenen Grundstücks ausgeschöpft hat. Schließlich sind die Grundstückszuschnitte zu beachten. Da das Gebäude der Beigeladenen an der westlichen Grundstücksgrenze ausgerichtet werden muss, wäre die Errichtung eines Bauwerks in der Größenordnung der Nachbarbebauung bei vollständiger Einhaltung der Abstandsflächen angesichts der Schmalheit des Vorhabengrundstücks im Bereich des festgesetzten Bauraums nicht möglich (vgl. BayVGH, B. v. 4.8.2011 - 2 CS 11.997 - juris Rn. 26 m. w. N.). Hinzu kommt das durch Art. 14 GG geschützte Interesse der Beigeladenen an der sinnvollen Verwertung der vorhandenen Bestandsgebäude.

3.4 Die erforderlichen Abweichungen konnten daher von der Beklagten nach pflichtgemäßer Ermessensausübung erteilt werden. Sie hat dabei die gesetzlichen Grenzen des Art. 63 Abs. 1 Satz 1 BayBO beachtet. Das durch Art. 63 Abs. 1 Satz 1 BayBO eingeräumte Ermessen ist ein tatbestandlich intendiertes Ermessen, d. h. sind die Tatbestandsvoraussetzungen für eine Abweichung gegeben, so ist sie zuzulassen, es sei denn besondere Umstände stünden dem entgegen (vgl. BayVGH, B. v. 29.10.2015 - 2 B 15.1431 - juris Rn. 38; BayVGH, B. v. 22.7.2003 - 15 ZB 02.1233 - juris Rn. 8; Dhom in Simon/Busse, Bayerische Bauordnung, Kommentar, Stand: Januar 2014, Art. 63 Rn. 39). Denn bereits auf der Tatbestandsseite des Art. 63 Abs. 1 Satz 1 BayBO ist eine Abwägung vorzunehmen, die jeweils die vorgesehene Abweichung zu den genannten Einzelaspekten in Beziehung setzt und die betroffenen Belange untereinander koordiniert (BayVGH, B. v. 22.7.2003 - 15 ZB 02.1223 - juris Rn. 8). Zu den wesentlichen Zielen der gesetzlichen Abstandsflächenregelung gehört es einen gerechten Ausgleich zwischen den Belangen der benachbarten Grundeigentümer herzustellen. In der vorgegebenen dichtbebauten Altstadtlage würde keine nennenswerte Verbesserung der Situation auf dem klägerischen Grundstück und vor allem nicht in Bezug auf das klägerische Wohnhaus eintreten, wenn man der Beigeladenen das verfahrensgegenständliche Vorhaben verwehren würde.

3.5 Die mit Bescheid vom ... Mai 2014 erteilten Abweichungen für das südliche und nördliche Seitengebäude waren zunächst, obschon es bei Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen des Art. 63 BayBO auf die im Bescheid angegebenen Ermessenserwägungen nicht im Einzelnen ankommt (BayVGH, B. v. 22.7.2003, a. a. O.), vorliegend dennoch zu knapp und pauschal. Diese Mängel sind allerdings durch den Nachgangsbescheid vom ... Oktober 2014 behoben worden. Die Beklagte hat im Nachgangsbescheid vom ... Oktober 2014 zudem eine Gesamtschau und Gesamtwürdigung der hier im vorliegenden Fall erforderlichen abstandsrechtlichen Abweichungsentscheidungen vorgenommen, da sie nicht lediglich zwei zusätzliche Abweichungen erteilt, sondern ihre bereits erteilten Abweichungen nachträglich ergänzend begründet hat. Die Voraussetzungen für die Zulassung einer Abweichung von den Vorgaben des Art. 6 Abs. 2 Satz 1 BayBO liegen hier vor, da im Rahmen der Ausübung des „Abweichungsermessens“ die vorstehenden Ausführungen zum Rücksichtnahmegebot gelten (vgl. BayVGH, U. v. 07.10.2010 - 2 B 09.328 - juris Rn. 35; B. v. 23.10.2010 - 1 BV 07.2363 - juris Rn. 35).

4. Da die Klägerin ihre Ausführungen hinsichtlich der einzelnen Abweichungen im Hauptsacheverfahren gegenüber ihren Ausführungen im Eilverfahren nicht ergänzt hat, wird insoweit auf die Ausführungen im einstweiligen Rechtsschutzverfahren verwiesen (vgl. VG München, B. v. 13.11.2014 - M 8 SN 14.3336). Soweit in der mündlichen Verhandlung die Abweichungsentscheidung für die Seitenwand der Dachgaube auf dem Vordergebäude von der Beklagten ergänzt wurde, hat sie dies getan, um der nach Erlass der streitgegenständlichen Baugenehmigung und erst kurz vor der mündlichen Verhandlung in diesem Verfahren geänderten Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs in seinem Beschluss vom 11. November 2015 (Az.: 2 CS 15.1251) gerecht zu werden. Diese ergänzte Abweichung ist im Ergebnis ebenfalls nicht zu beanstanden.

5. Soweit die Klägerin rügt, durch die Summenwirkung der sich von vier Seiten auf ihrem Grundstück treffenden Abstandsflächen in ihren Rechten verletzt zu sein, kann das Gericht diesem Einwand nicht folgen. Ein Fall der Erstreckung von Abstandsflächen auf das Grundstück der Klägerin (Art. 6 Abs. 2 Satz 2 und 3 BayBO) liegt hier gerade durch das streitgegenständliche Vorhaben nicht vor, da die erteilten Abweichungen auf eine entsprechende Verkürzung der gesetzlichen Tiefe der Abstandsfläche abzielen (vgl. BayVGH, B. v. 15.11.2005 - 2 CS 05.2817 - juris Rn. 2; Dhom, in: Simon/Busse, BayBO, Kommentar Stand Januar 2014, Art. 63 Rn. 46).

6. Die Klage ist daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.

7. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. ZPO.

Rechtsmittelbelehrung:

Nach §§ 124, 124 a Abs. 4 VwGO können die Beteiligten die Zulassung der Berufung gegen dieses Urteil innerhalb eines Monats nach Zustellung beim Bayerischen Verwaltungsgericht München,

Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder

Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München

schriftlich beantragen. In dem Antrag ist das angefochtene Urteil zu bezeichnen. Dem Antrag sollen vier Abschriften beigefügt werden.

Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist bei dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof,

Hausanschrift in München: Ludwigstraße 23, 80539 München, oder

Postanschrift in München: Postfach 34 01 48, 80098 München

Hausanschrift in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach

einzureichen, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist.

Über die Zulassung der Berufung entscheidet der Bayerische Verwaltungsgerichtshof.

Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich die Beteiligten, außer im Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingeleitet wird. Als Prozessbevollmächtigte zugelassen sind neben Rechtsanwälten und den in § 67 Abs. 2 Satz 1 VwGO genannten Rechtslehrern mit Befähigung zum Richteramt die in § 67 Abs. 4 Sätze 4 und 7 VwGO sowie in §§ 3, 5 RDGEG bezeichneten Personen und Organisationen.

Beschluss:

Der Streitwert wird auf EUR 7.500.- festgesetzt (§ 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz - GKG-).

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Beschluss steht den Beteiligten die Beschwerde an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zu, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes EUR 200,-- übersteigt oder die Beschwerde zugelassen wurde. Die Beschwerde ist innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, beim Bayerischen Verwaltungsgericht München,

Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder

Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München

schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen.

Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde auch noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.

Der Beschwerdeschrift eines Beteiligten sollen Abschriften für die übrigen Beteiligten beigefügt werden.

Urteilsbesprechung zu Verwaltungsgericht München Urteil, 30. Nov. 2015 - M 8 K 14.2601

Urteilsbesprechungen zu Verwaltungsgericht München Urteil, 30. Nov. 2015 - M 8 K 14.2601

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Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 113


(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 167


(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs. (2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungskl
Verwaltungsgericht München Urteil, 30. Nov. 2015 - M 8 K 14.2601 zitiert 14 §§.

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Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 14


(1) Das Eigentum und das Erbrecht werden gewährleistet. Inhalt und Schranken werden durch die Gesetze bestimmt. (2) Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen. (3) Eine Enteignung ist nur zum Wohle der All

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(1) Die Beteiligten können vor dem Verwaltungsgericht den Rechtsstreit selbst führen. (2) Die Beteiligten können sich durch einen Rechtsanwalt oder einen Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaate

Baugesetzbuch - BBauG | § 34 Zulässigkeit von Vorhaben innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile


(1) Innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile ist ein Vorhaben zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und di

Einführungsgesetz zum Rechtsdienstleistungsgesetz - RDGEG | § 3 Gerichtliche Vertretung


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Einführungsgesetz zum Rechtsdienstleistungsgesetz - RDGEG | § 5 Diplom-Juristen aus dem Beitrittsgebiet


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Baugesetzbuch - BBauG | § 31 Ausnahmen und Befreiungen


(1) Von den Festsetzungen des Bebauungsplans können solche Ausnahmen zugelassen werden, die in dem Bebauungsplan nach Art und Umfang ausdrücklich vorgesehen sind. (2) Von den Festsetzungen des Bebauungsplans kann befreit werden, wenn die Grundzüg

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Verwaltungsgericht München Urteil, 30. Nov. 2015 - M 8 K 14.2601 zitiert oder wird zitiert von 13 Urteil(en).

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Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 11. Dez. 2014 - 15 CS 14.1710

bei uns veröffentlicht am 11.12.2014

Tenor I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen. II. Die Antragstellerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen. Der Beigeladene trägt seine außergerichtlichen Kosten selbst. III. Der Streitwert für das Beschwerde

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 02. Dez. 2014 - 2 ZB 14.2077

bei uns veröffentlicht am 02.12.2014

Tenor I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt. II. Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens. Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst. III. Der Streitwert wird auf 7.

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 20. Nov. 2014 - 2 CS 14.2199

bei uns veröffentlicht am 20.11.2014

Tenor I. Unter Abänderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts München vom 15. September 2014 wird die aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage der Antragstellerin gegen den Baugenehmigungsbescheid der Antragsgegnerin vom 26. Feb

Verwaltungsgericht München Urteil, 30. Nov. 2015 - M 8 K 14.2601

bei uns veröffentlicht am 30.11.2015

Tenor I. Die Klage wird abgewiesen. II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu tragen. III. Die Kostenentscheidung ist gegen Sicherheitsleistun

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 15. Okt. 2014 - 2 ZB 13.530

bei uns veröffentlicht am 15.10.2014

Tenor I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt. II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens. III. Der Streitwert wird auf 7.500 Euro festgesetzt. Gründe Der Antrag

Verwaltungsgericht München Beschluss, 13. Nov. 2014 - M 8 SN 14.3336

bei uns veröffentlicht am 13.11.2014

Tenor I. Der Antrag wird abgelehnt. II. Die Beklagte und die Beigeladene haben die Kosten des Verfahrens je zur Hälfte zu tragen. III. Der Streitwert wird auf 3.750,- EUR festgesetzt. Gründe

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 09. Feb. 2015 - 15 ZB 12.1152

bei uns veröffentlicht am 09.02.2015

Tenor I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt. II. Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens. Der Beigeladene trägt seine außergerichtlichen Kosten selbst. III. Der Streitwert für

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Urteil, 03. Dez. 2014 - 1 B 14.819

bei uns veröffentlicht am 03.12.2014

Tenor I. Das Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 27. September 2012 und der Bescheid des Landratsamts D. vom 22. November 2011 werden aufgehoben. II. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 05. Nov. 2015 - 15 B 15.1371

bei uns veröffentlicht am 05.11.2015

Tenor I. Das Verfahren wird eingestellt. II. Das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts Regensburg vom 25. September 2014 ist wirkungslos geworden. III. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens in beiden

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 11. Nov. 2015 - 2 CS 15.1251

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Tenor I. Unter Abänderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts München vom 18. Mai 2015 wird die aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage der Antragstellerin gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 25. November 2014 insgesamt

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Urteil, 29. Okt. 2015 - 2 B 15.1431

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Gründe Bayerischer Verwaltungsgerichtshof München 2 B 15.1431 Im Namen des Volkes Urteil vom 29. Oktober 2015 (VG München, Entscheidung vom 11. November 2013, Az.: M 8 K 12.3084) 2. Senat H.-Z. als stellve
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Verwaltungsgericht München Beschluss, 13. Nov. 2014 - M 8 SN 14.3336

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Tenor I. Der Antrag wird abgelehnt. II. Die Beklagte und die Beigeladene haben die Kosten des Verfahrens je zur Hälfte zu tragen. III. Der Streitwert wird auf 3.750,- EUR festgesetzt. Gründe

Referenzen

(1) Von den Festsetzungen des Bebauungsplans können solche Ausnahmen zugelassen werden, die in dem Bebauungsplan nach Art und Umfang ausdrücklich vorgesehen sind.

(2) Von den Festsetzungen des Bebauungsplans kann befreit werden, wenn die Grundzüge der Planung nicht berührt werden und

1.
Gründe des Wohls der Allgemeinheit, einschließlich der Wohnbedürfnisse der Bevölkerung, des Bedarfs zur Unterbringung von Flüchtlingen oder Asylbegehrenden, des Bedarfs an Anlagen für soziale Zwecke und des Bedarfs an einem zügigen Ausbau der erneuerbaren Energien, die Befreiung erfordern oder
2.
die Abweichung städtebaulich vertretbar ist oder
3.
die Durchführung des Bebauungsplans zu einer offenbar nicht beabsichtigten Härte führen würde
und wenn die Abweichung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist.

(3) In einem Gebiet mit einem angespannten Wohnungsmarkt, das nach § 201a bestimmt ist, kann mit Zustimmung der Gemeinde im Einzelfall von den Festsetzungen des Bebauungsplans zugunsten des Wohnungsbaus befreit werden, wenn die Befreiung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist. Von Satz 1 kann nur bis zum Ende der Geltungsdauer der Rechtsverordnung nach § 201a Gebrauch gemacht werden. Die Befristung in Satz 2 bezieht sich nicht auf die Geltungsdauer einer Genehmigung, sondern auf den Zeitraum, bis zu dessen Ende im bauaufsichtlichen Verfahren von der Vorschrift Gebrauch gemacht werden kann. Für die Zustimmung der Gemeinde nach Satz 1 gilt § 36 Absatz 2 Satz 2 entsprechend.

Tenor

I.

Der Antrag wird abgelehnt.

II.

Die Beklagte und die Beigeladene haben die Kosten des Verfahrens je zur Hälfte zu tragen.

III.

Der Streitwert wird auf 3.750,- EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Die Antragstellerin ist Wohnungseigentümergemeinschaft auf dem Grundstück ... Eck 1, ..., Fl.Nr. ... der Gemarkung ...

Das sechsgeschossige Gebäude der Antragstellerin grenzt westlich unmittelbar an das Vordergebäude der Beigeladenen auf dem streitgegenständliche Grundstück ... Eck 3 (Fl.Nr. ...). Das Vorhabengebäude der Beigeladenen ragt mit seinem rückwärtigen Seitengebäude in einen schmalen Hinterhof zwischen ...str. 2, 4, Fl.Nrn. ..., ... und dem Grundstück der Beigeladenen, Fl.Nr. ...

Mit Bauantrag vom 8. Oktober 2013 nach Plannr. ... beantragte die Beigeladene die Genehmigung für Umbau, Sanierung und Erweiterung des Vorder- und Rückgebäudes mit Nutzungsänderung in Teilbereichen von Büro zu Wohnen und den Einbau einer Tiefgarage im Kellergeschoß, ... Eck 3, Fl.Nr. ... in ... Nach den eingereichten Plänen ist u. a. vorgesehen, den bisher eingeschossigen südlichen Teil des Seitengebäudes terrassenförmig mit einer Traufhöhe von 12,49 m und 15,84 m bis 18,96 m aufzustocken und unmittelbar zum Grundstück ... Eck 5, Fl.Nr. ... an die dortige Brandwand anzuschließen. Das Vordergebäude soll mit seiner Rückseite um ca. 2 m in den Innenhof vorrücken, so dass es an das Nachbargebäude der Antragstellerin, ... Eck 1, Fl.Nr. ... bündig anschließt.

Zur baulichen Situation auf den Grundstücken sowie zur Umgebungsbebauung siehe folgenden Lageplan 1:1.000. Der Plan ist aufgrund des Einscannens möglicherweise nicht mehr maßstabsgetreu.

Bild

Am ... Mai 2014 erteilte die Antragsgegnerin der Beigeladenen unter dem Aktenzeichen ... die beantragte Baugenehmigung für das Grundstück ... Eck 3, Fl.Nr... In der Baugenehmigung wurden unter anderem folgende Befreiungen und Abweichungen erteilt: Unter Nr. 1: Befreiung gemäß § 31 Abs. 2 BauGB wegen Überschreitung der rückwärtigen Baugrenze durch Anbau am Vordergebäude sowie im Dachgeschoss. Unter Nr. 5: Abweichung gemäß Art. 63 Abs. 1 BayBO von Art. 6 Abs. 2 Satz 1 BayBO wegen Nichteinhaltung erforderlicher Abstandsflächen zu den Nachbargrundstücken Fl.-Nr. ..., ... und ... durch den nördlichen Teil des Seitengebäudes um insgesamt ca. 232 m2. Unter Nr. 7: Abweichung gemäß Art. 63 Abs. 1 BayBO von Art. 6 Abs. 2 Satz 1 BayBO wegen Nichteinhaltung erforderlicher Abstandsflächen zu den Nachbargrundstücken Fl.-Nr. ... und ... durch den südlichen Teil des Seitengebäudes um insgesamt ca. 91 m2. Zu den Nrn. 5 und 7 wurde ausgeführt, dass der Schutzzweck der Abstandsflächenvorschriften, Gewährleistung einer ausreichenden Belichtung, Belüftung und Besonnung sowohl der neu beantragten wie der bestehenden Wohnnutzungen sowohl auf dem Baugrundstück wie auf den betroffenen Nachbargrundstücken erreicht sei. Da die bestehenden Nachbargebäude ihrerseits das Baugrundstück mit Abstandsflächen belasteten, sei auch dem Gebot nachbarlicher Rücksichtnahme ausreichend Rechnung getragen.

Eine Nachbarausfertigung der Baugenehmigung wurde der Hausverwaltung der Antragstellerin, WEG ... Eck 1, am 17. Mai 2014 mit Postzustellungsurkunde zugestellt.

Mit Schriftsatz vom 17. Juni 2014, am selben Tag per Fax bei Gericht eingegangen, erhoben die Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin Klage gegen die der Beigeladenen erteilten Baugenehmigung vom ... Mai 2014. Mit Schriftsatz vom 1. August 2014 beantragten sie,

die aufschiebende Wirkung der mit Schriftsatz vom 17.06.2014 erhobenen Anfechtungsklage (Az. M 8 K 14.2601) gegen den Baugenehmigungsbescheid der ... vom ...05.2014 (Az: ...) anzuordnen.

Zur Begründung wurde ausgeführt, das Bauvorhaben der Beigeladenen verstoße gegen die nachbarschützenden Vorschriften des Abstandsflächenrechts. Der streitgegenständliche Baugenehmigungsbescheid vom ... Mai 2014 berücksichtige in den Nrn. 5 und 7 lediglich die durch den südlichen und den nördlichen Teil des Rückgebäudes verursachten Abstandsflächen. Nicht berücksichtigt seien die in Richtung Süden/Südosten aufgrund der rückseitigen Erweiterungen des straßenseitigen Bestandsgebäudes sowie aufgrund der Erhöhung der südlichen Außenwand des straßenseitigen Vordergebäudes auf 21,51 m anfallenden Abstandsflächen. Hierfür seien keine Abweichungen erteilt worden. Das führe bereits zur Rechtswidrigkeit der Baugenehmigung. Weiter seien die in Ziffern 5 und 7 in Ansehung des nördlichen und des südlichen Teils des Seitengebäudes erteilten Abweichungen ermessensfehlerhaft. Es fehle an der detaillierten Auseinandersetzung mit den Auswirkungen der geplanten Bebauung. Auch eine Darlegung, inwieweit seitens des klägerseitigen Grundstücks ein vergleichbarer Abstandsflächenverstoß gegenüber dem Baugrundstück vorliege, sei nicht erfolgt. Daher sei sogar von einem Abwägungsausfall auszugehen. Das genehmigte Bauvorhaben überdecke mit seinen Abstandsflächen gut das gesamte klägerische Grundstück, während für das antragstellerseitige Grundstück Abstandsflächen nur geringfügig auf dem Baugrundstück der Beigeladenen anfielen. Durch die genehmigte Bebauung würden die Belichtung, Belüftung und Besonnung in erheblichem und unzumutbarem Umfang verschlechtert. Das antragstellerseitige Grundstück sei durch die vorhandene Situation bereits stark vorbelastet, die einzige Richtung für Belichtung und Belüftung sei Süd bzw. Südwest, genau hier solle nun die vier- bis sechsgeschossige Erweiterung des Seitengebäudes erfolgen. Durch diese Baumaßnahmen werde das Grundstück beinahe von jeglicher Belichtung und Belüftung abgeschottet. Dies sei weder in der Baugenehmigung noch bei der Ermessensausübung berücksichtigt worden. Selbst bei offenen Erfolgsaussichten überwiege das Interesse der Antragstellerin, da sonst Tatsachen geschaffen würden, die kaum mehr rückgängig gemacht werden könnten.

Mit Schreiben vom 14. August 2014 beantragte die Antragsgegnerin,

den Antrag abzulehnen.

Die Baugenehmigung verletze keine Nachbarrechte. Zur Begründung werde auf die Ausführungen im Baugenehmigungsbescheid und den Akteninhalt verwiesen.

Mit Schriftsatz vom 12. August 2014 beantragten die Bevollmächtigten der Beigeladenen,

den Antrag abzulehnen.

Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass das bestehende fünfgeschossige Seitengebäude der Beigeladenen bereits jetzt den nördlichen Teil der Freifläche des Grundstücks der Antragstellerin vollständig überdecke und sich damit aus dem Bauvorhaben keine Verschlechterung ergäbe. Allein im südlichen Teil dieser Freifläche, der nur als Müllabstellplatz bzw. als Fahrradabstellfläche genutzt werde, ergäbe sich in geringem Umfang eine zusätzliche Verschattung. Die der Beigeladenen erteilten Abweichungen von den Abstandsflächen seien rechtmäßig. Es läge eine atypische Situation wegen der sehr dicht gedrängten innerstädtischen Bebauung vor. In der gesamten Umgebung seien gegenseitigen Abstandsflächenüberlagerungen vorzufinden, nirgendwo seien die erforderlichen Abstandsflächen eingehalten. Diese Atypik werde durch den Grundstückszuschnitt verstärkt. Es werde nur das Bestandsgebäude saniert und in gegenüber der Antragstellerin nicht abstandsrelevanter Weise erweitert. Soweit es durch das hinzukommende südliche Seitengebäude zu einer zusätzlichen Verschattung der Freifläche komme, so werde diese Fläche nur als Abstellplatz genutzt, eine Bebauung scheide aus. Auch nach Errichtung des neuen südlichen Teils des Seitengebäudes werde die Süd-West-Fassade der Antragstellerin nicht unzumutbar verschattet, denn der neue Gebäudeteil liege seitlich und sei deutlich abgesetzt. Durch die Terrassierung sei weiterhin ein Lichteinfall von 45 Grad möglich. Mögliche abstandsrechtliche Mängel des Ausgangsbescheids könnten durch einen Nachgangsbescheid jederzeit behoben werden.

Mit Schriftsatz vom 15. September 2014 erwiderten die Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin, der von der Beigeladenen vorgelegte Abstandsflächenplan (Anlage BE 4) zeige deutlich, dass bereits die im Bereich des Vordergebäudes geplanten Maßnahmen zu einer maßgeblichen Erhöhung der von dort anfallenden Abstandsflächentiefe führen würden. Im Dachgeschoss würde nunmehr eine Wohnnutzung mit Dachterrasse realisiert. Hierbei handele es sich um eine abstandsflächenrechtlich relevante Nutzungsänderung, die eine abstandsflächenrelevante Neubetrachtung erforderlich mache (vgl. BayVGH, B. v. 19.02.2004 - 26 ZB 03.1559 - juris). Die erteilten Abweichungen seien lediglich pauschal und gänzlich ohne Einzelfallbetrachtung erfolgt. Die getroffenen Abweichungsentscheidungen gingen davon aus, dass das Gebäude der Antragstellerin das Baugrundstück ebenfalls in etwa gleichwertig mit Abstandsflächen belaste. Dies sei unzutreffend. Nicht alle in abstandflächenrechtlicher Hinsicht erforderlichen Abweichungen seien erteilt worden (Anlage BE 4). Der Fall normwidriger Unterlassung einer notwendigen Abweichung stehe dem Fall einer normwidrig erteilten Abweichung gleich (vgl. VG Würzburg, B. v. 03.09.2012 - W 5 S 12.729 - juris mit Verweis auf Simon/Busse Art. 66 BayBO Rn. 587 m. w. N.). Bereits deshalb sei die erteilte Baugenehmigung rechtswidrig. Es sei zwar richtig, dass das antragstellerseitige Grundstück bereits durch Abstandsflächen in östlicher, nördlicher und westlicher Richtung stark vorbelastet sei. Hieraus könne aber nicht der Schluss gezogen werden, dass eine weitere Verschlechterung der Abstandsflächensituation unproblematisch möglich sei. Ganz im Gegenteil führe die bestehende Vorbelastung zu einer gesteigerten Schutzbedürftigkeit des antragstellerseitigen Grundstücks. Die Überschneidung von bis zu 3 Abstandsflächen aus drei verschiedenen Richtungen zeige die einkesselnde Wirkung des Bauvorhabens. Eine ausreichende Belichtung, Besonnung, Belüftung sowie Sozialfrieden und Sozialabstand könnten daher nicht mehr gewährleistet werden. Nach Realisierung des Bauvorhabens werde das Grundstück der Antragstellerin künftig von beiden Längsseiten von einer Bebauung mit erheblicher Höhenentwicklung ohne Einhaltung der eigentlich erforderlichen Abstandsflächen geradezu eingekesselt. Gerade in den Wintermonaten werde mit einem niedrigen Sonnenstand die Belichtung und Besonnung aus südwestlicher bis südlicher Richtung erheblich beeinträchtigt. Die für die erteilten abstandsflächenrechtlichen Abweichungen erforderlichen Tatbestandsvoraussetzungen würden nicht vorliegen und von einer ordnungsgemäßen Ermessensausübung könne ebenfalls nicht ausgegangen werden. Es fehle bereits an der erforderlichen atypischen Fallgestaltung. Der streitgegenständliche Bescheid setze sich mit dem Vorliegen einer atypischen Fallgestaltung nicht im Ansatz auseinander, ferner fehle eine einzelfallbezogene Betrachtung. Zahlreiche Aspekte würden überhaupt nicht in das Ermessen eingestellt, so dass von einem Ermessensausfall auszugehen sei.

Mit Schriftsatz vom 29. September 2014 ergänzten die Prozessbevollmächtigten der Beigeladenen, dass entgegen den Ausführungen der Antragstellerin das Vordergebäude und der bereits bestehende nördliche Teil des rückwärtigen Seitengebäudes nicht aufgestockt würden. Es werde lediglich die Dachform abgeändert. Die streitgegenständliche Planung stelle eine Verbesserung der bisherigen Nachbarsituation dar. Die „neuen“ Dachterrassen seien deutlich von der Dachkante zurückgesetzt, die künftige Dachwohnung erhalte mit Ausnahme des Dachaustritts (bereits als Dachgaube vorhanden) auch künftig nur Dachflächenfenster. Diese seien ebenfalls deutlich von der Dachkante abgesetzt. Soweit eine Neubetrachtung der Abstandsflächen erforderlich gewesen sei, habe man dies entsprechend berücksichtigt. Die Abstandsflächen seien im genehmigten Abstandsflächenplan dargestellt und die insoweit erforderlichen Abweichungen erteilt. Soweit die Antragstellerin meine, dass die für die östliche Außenwand des rückwärtigen Seitengebäudes anfallenden Abstandsfläche erforderliche Abweichung übersehen worden sei, werde auf den genehmigten Abstandsflächenplan verwiesen. Dort seien die Abstandsflächen insbesondere im Bereich der Dachgeschossänderung sowie der Dachterrasse eingetragen und soweit hierfür erforderlich auch die entsprechenden Abweichungen gegenüber dem Grundstück der Antragstellerin erteilt worden. Dem Verschattungsszenario am 21.12. jeden Jahres für ein zunächst noch umfänglicheres und höher geplantes Neubauvorhaben auf dem streitgegenständlichen Grundstück könne entnommen werden, dass die Belichtungssituation um 9.00 Uhr und um 12.00 Uhr am Gebäude der Antragstellerin ausschließlich durch die Bebauung auf den Grundstücken Fl.Nrn. ... und ... bestimmt werde. Das gesamte rückwärtige Seitengebäude spiele hingegen keine Rolle.

Mit Schriftsatz vom 21. Oktober 2014 ergänzten die Bevollmächtigten der Beigeladenen ihre Ausführungen. Die Beigeladene habe zwischenzeitlich einen Antrag hinsichtlich der vom Vordergebäude nach Süden anfallenden Abstandsflächen gestellt. Diese Abweichungen könnten auch unter Nachbargesichtspunkten erteilt werden. Die wegen des atypischen Grundstücksverlaufs zusätzlich vom streitgegenständlichen Vordergebäude auf die Freifläche fallenden Abstandsflächen überlagerten lediglich die Abstandsflächen des Gebäudes der Antragstellerin. Der Kommunanschluss des Vordergebäudes in gleicher Tiefe an das Gebäude der Antragstellerin sei planungsrechtlich zulässig. Dürfe an der Grundstücksgrenze gebaut werden, ginge das nach Art. 6 Abs. 1 Satz 3 BayBO dem landesrechtlichen Abstandsflächenrecht vor.

Mit Schriftsatz vom 22. Oktober 2014 führten die Bevollmächtigten der Antragstellerin aus, im Dachgeschoß des Vordergebäudes sei nunmehr eine Wohnnutzung vorgesehen, wofür die Wandhöhe abstandsflächenrelevant erhöht werde. Gleiches gelte für das Seitengebäude. Auch die südwestliche Außenwand des Vordergebäudes solle abstandsflächenrelevant verschoben werde. Damit belasteten die geplanten Baumaßnahmen die abstandsflächenrechtliche Situation zulasten der Antragstellerin erheblich. Weiter dürfe die abstandsflächenrechtliche Situation nicht isoliert auf die Mehrung der Abstandsfläche vor der südlichen Außenwand des Vordergebäudes beschränkt werden. Vielmehr müsse gerade die Summenwirkung der aus Richtung Nordwesten anfallenden Abstandsflächen durch das bestehende/neue Seitengebäude berücksichtigt werden. Die Errichtung des neuen Seitengebäudes verschärfe die abstandsflächenrechtliche Situation dabei erheblich.

Wegen des Umfanges der geplanten Maßnahmen sei eine vollständige neue Abstandsflächenbetrachtung erforderlich. Dass dies im Rahmen der Baugenehmigung erfolgt sei, sei wegen der lediglich formelhaften Begründung nicht nachvollziehbar. Die wechselseitigen Abstandsflächen stünden gerade im Bereich des neuen Rückgebäudes außerhalb jeden Verhältnisses. Auf das Erfordernis eines quantitativen Vergleiches sei bereits im Schriftsatz vom 15. September 2014 hingewiesen worden. Auch das von der Beigeladenen dazu zitierte Urteil des erkennenden Gerichts vom 7. Oktober 2013 postuliere das Erfordernis eines quantitativ wie qualitativ vergleichbaren wechselseitigen Abstandsflächenverstoßes als Grundlage für eine Abweichungserteilung. Die Erteilung der erforderlichen Abweichungen sei auch nicht nachholbar. Auch in einem dicht bebauten Innenstadtbereich sei bei Erteilung von Abweichungen stets eine einzelfallbezogene Betrachtung vorzunehmen, die hier fehle. Nach den Grundsätzen der Entscheidung des Gerichts vom 27. Februar 2012 führe die Nichtausübung des Ermessens und das Fehlen der erforderlichen Einzelfallbetrachtung zur Rechtswidrigkeit der Baugenehmigung. Auch bei einer Höhenreduzierung der Erweiterung des Seitengebäudes sei von der Möglichkeit einer adäquaten Grundstücksausnutzung auszugehen. Das Abstellen auf die Verschattungswirkung greife zu kurz, es käme nicht nur auf die Besonnung, sondern gerade auch auf adäquate Belichtungsverhältnisse an. Im vorliegenden Fall würde das Grundstück der Antragstellerin auf beiden Seiten durch eine erhebliche Bebauung eingeklammert. Gleiches gelte für den ebenfalls abstandsflächenrechtlich geschützten Sozialfrieden, da sich wegen der Dachterrassen erhebliche Einblickmöglichkeiten auf das Grundstück der Antragstellerin ergäben.

Mit Schreiben vom 24.10.2014 teilten die Bevollmächtigten der Beigeladenen mit, dass bis zum Erlass des beantragten Nachgangsbescheids keine Baumaßnahmen ausgeführt würden, durch die die Rechte der Nachbarn beeinträchtigt werden könnten.

Mit Nachgangsbescheid vom ... Oktober 2014 verfügte die Beklagten, dass

1. zwei weitere Abweichungen gem. Art 63 Abs. 1 BayBO von Art. 6 Abs. 2 BayBO zugelassen werden:

a) Eine Abweichung wegen Nichteinhaltung erforderlicher Abstandsflächen gegenüber den Grundstücken Fl.Nr. ... und ... durch die Abstandsflächen der südlichen Außenwand des Vordergebäudes, der südlichen Brüstung der auf diesem befindlichen Dachterrasse und der auf der Südseite des Vordergebäudes befindlichen Dachgaube.

b) Eine Abweichung wegen Nichteinhaltung erforderlicher Abstandsflächen gegenüber den Grundstücken Fl.Nr. ... und ... durch die Abstandsflächen der östlichen Brüstung der auf dem Vorder-/Seitengebäude befindlichen Dachterrasse.

Als Begründung zu a) und b) wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die Abweichungen unter Berücksichtigung der Absichten des Abstandsflächenrechtes - Gewährleistung einer ausreichenden Belichtung, Belüftung und Besonnung nach Würdigung der Gesamtumstände und der nachbarlichen Belange - mit den öffentlich-rechtlichen Vorschriften vereinbar seien. Zu a): Die 3 in der Abweichung genannten Bauteile lösten bei isolierter Betrachtung Abstandsflächen aus. Da das Vordergebäude schräg zur Grenze mit dem Grundstück Fl.Nr. ... verlaufe, fielen diese primär auf den Innenhof des Grundstücks ... Eck 1. Aufgrund der Schrägstellung des Vordergebäudes ... Eck 3 bestehe eine atypische Grundstückssituation. Die Antragsgegnerin sei der Auffassung, dass durch diese „Abstandsflächenerstreckung“ geschützte Nachbarrechte nicht in unzumutbarer Weise beeinträchtigt würden. Die Bauteile lösten in der Realität so gut wie keine zusätzliche Verschattung aus. Zu b): Die östliche Brüstung der Dachterrasse auf dem Vorder-/Seitengebäude löse Abstandsflächen aus, die auf die Grundstücke Fl.Nr. ... und ... fallen würden. Größtenteils lägen sie innerhalb der Abstandsflächen der Südwand des Gebäudes ... Eck 3 und würden deren Ausmaße mit einer geringfügigen Ausnahme in einer Breite von 30 cm nicht überschreiten. Aufgrund der Schrägstellung des Vordergebäudes ... Eck 3 bestehe eine atypische Grundstückssituation. Auch hier würden die geschützten Nachbarrechte nicht in unzumutbarer Weise beeinträchtigt. Die Dachterrassenbrüstung löse in der Realität so gut wie keine zusätzliche Verschattung aus, zumal sie im Norden läge und 8,4 bis 9,4 m von der Grundstücksgrenze entfernt sei.

2. Zu den in der Baugenehmigung vom ... Mai 2014 erteilten Abweichungen in Ziffern 5 bis 7 wurde die Begründung im Nachgangsbescheid vom ...10.2014 ergänzt: Zu Ziffer 5: Die für die Abweichung erforderliche atypische Situation ergäbe sich aus der beengten Innenstadtlage und dem Gebäudebestand. Der nördliche Teil des Seitengebäudes bestehe bereits, die Traufkante werde nahezu unverändert übernommen, das anschließende Dach sei wegen seines 45 Grad Winkels abstandsflächenneutral. Eine nennenswerte zusätzliche Verschattung ergäbe sich gegenüber den Nachbargrundstücken Fl. Nrn. ..., ... und ... nicht, zumal das Gebäude im Nordwesten läge, von wo aus kein direkter Lichteinfall erfolge. Die Dachterrassen auf dem nördlichen Seitengebäude seien ausreichend weit von der Dachkante abgesetzt, so dass auch der Sozialabstand nicht unzureichend verkürzt werde. Zu Ziffer 7: Die Atypik betreffe auch den südlichen Teil des Seitengebäudes. Keines der benachbarten Gebäude könne die erforderlichen Abstandsflächen einhalten. Gegenüber den Nachbarn Fl.Nrn. ... und ... würde es nicht zu unzumutbaren Beeinträchtigungen kommen, Fl.Nr. ... sei selbst grenzständig bebaut und werfe aufgrund der Höhe massiv Abstandsflächen auf das Baugrundstück, wobei aber aufgrund der Nutzungsanordnung innerhalb der Gebäude keine ungesunden Wohn- und Arbeitsverhältnisse entstünden. Der Nachbar Fl.Nr. ... sei durch die Abweichung nur hinsichtlich des südlichen Teils seiner Freifläche betroffen, die er primär als Müllabstellplatz nutze. Die erteilte Abweichung führe damit auch bei ihm nicht zu unzumutbaren Verhältnissen. Das gelte auch in Zusammenschau mit den weiteren ihm gegenüber bereits erteilten Abweichungen. Gegenüber seinem im rückwärtigen Bereich über die Südfassade belichteten Räumen befände sich eine knapp 30 m tiefe Freifläche, die auch an der Fensterkante des untersten Fensters den Mindestlichteinfallwinkel von 45 Grad deutlich unterschreite. Auch die Belichtungssituation als solche werde nicht in unzumutbarer Weise verschlechtert. Das südliche Seitengebäude sei leicht nach Westen abgesetzt und nach Süden hin abgetreppt, dadurch könne mehr Licht einfallen und es verbliebe ein zusammenhängender ca. 300 m2 großer Innenhof, der die Belichtung ausreichend gewährleiste. Andere Hofbereiche im zentralen Stadtbereich seien bei gleich hoher Bebauung wesentlich kleiner. Die Dachterrassen des südlichen Seitengebäudes seien ebenfalls von der Außenwand abgesetzt, der Abstand insbesondere zum Gebäude Fl.Nr. ... sei sehr groß. Das Gesamtvorhaben füge sich planungsrechtlich in die vorhandene Umgebung ein und trage dazu bei, den öffentlichen Bedarf nach dringend benötigtem Wohnraum zu erfüllen.

Mit Schriftsatz vom 5. November 2014 erklärten die Bevollmächtigten der Beigeladenen, dass der Gebäudebestand nicht aufgestockt und der künftige Wohnraum im Dachgeschoss zurückversetzt innerhalb des Bestandes verwirklicht werde. Die geplante Dachterrasse halte einen deutlichen Sozialabstand zur Richtung der Antragstellerin ein. Hinsichtlich des Seitengebäudes wurden die in Anlage BE 12 dargestellte Dachgestaltung und die dort angegebenen First- und Traufhöhen näher dargestellt. Es sei zutreffend, dass sich auf der rückwärtigen Freifläche der Antragstellerin zahlreiche Abstandsflächen überschnitten. Das sei aber kein unzumutbarer Ausnahmefall, vielmehr würden sich in zentralen Innenstadtlagen in nahezu allen Hofbereichen Abstandsflächen überlagern. Allein das führe nicht zur Unzumutbarkeit für den Eigentümer. Vielmehr komme es nach der Rechtsprechung darauf an, ob sich hinsichtlich der auf dem Grundstück stattfindenden Nutzungen eine unzumutbare Beeinträchtigung ergäbe. Nach den Ausführungen des BayVGH vom 8.12.2011 (15 ZB 11.1882 - juris) komme es für die Rechtmäßigkeit der Abweichung auf die konkrete aktuelle Grundstückssituation zum Zeitpunkt der Erteilung an. Im südlichen Teil der Freifläche der Antragstellerin komme es infolge der geplanten Baumaßnahmen zu weiteren Abstandsflächenüberlagerungen. Dessen gegenwärtige Nutzung sei aber Abstellplatz für Mülltonnen und Fahrräder. Diese bedürfe keiner Belichtung, der Platz sei für einen längeren Aufenthalt nicht vorgesehen. Es wäre daher ermessensfehlerhaft, der Nebennutzung dieser Freifläche gegenüber dem bestehenden Baurecht Vorrang einzuräumen. Soweit die Antragstellerin den unzureichenden Sozialabstand infolge des geplanten Dachterrassenausbaues bemängelt, so würden Gaube und Dachterrasse in Zukunft zurückversetzt und so weit vom Gebäude der Antragstellerin entfernt liegen, dass ein direkter Einblick nicht möglich sei. In zentraler Innenstadtlage könne dabei nicht mehr von einem unzureichenden Sozialabstand gesprochen werden. Dasselbe gelte auch für die im Süden angrenzende Terrasse im Seitengebäude und für die Terrassen im 3. und 4. Obergeschoß. Bei der Einhaltung der östlichen Abstandsflächen des Seitengebäudes ausschließlich auf dem Baugrundstück selbst, wäre nur noch eine eingeschossige Bebauung möglich. Angesichts des aus planungsrechtlichen Gesichtspunkten möglichen Baurechts schlösse dies eine sinnvolle Grundstücksnutzung aus. Im Übrigen seien die fehlenden Abweichungen von der Beklagten inzwischen erteilt und die Abweichungsbegründungen umfänglich ergänzt worden.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten (auch im Klageverfahren M 8 K 14.2601) sowie auf die vorgelegten Behördenakten verwiesen.

II.

Der zulässige Antrag ist unbegründet.

Nach der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nur möglichen, aber auch ausreichenden summarischen Überprüfung sprechen die überwiegenden Gründe dafür, dass das mit der streitgegenständlichen Baugenehmigung zugelassene Bauvorhaben weder in bauplanungsrechtlicher noch in bauordnungsrechtlicher Hinsicht gegen drittschützende Rechte der Antragstellerin verstößt, die im vereinfachten Baugenehmigungsverfahren zu prüfen sind, Art. 59 Abs. 1 BayBO, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.

1. Nach § 212a Abs. 1 BauGB hat die Anfechtungsklage eines Dritten gegen die bauaufsichtliche Zulassung eines Vorhabens keine aufschiebende Wirkung. Legt ein Dritter gegen die einem anderen erteilte und diesen begünstigende Baugenehmigung eine Anfechtungsklage ein, so kann das Gericht auf Antrag gemäß § 80 a Abs. 3 Satz 2 VwGO in entsprechender Anwendung von § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO die aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage ganz oder teilweise anordnen.

Beim Antrag gem. § 80 a Abs. 3 Satz 2 i. V. m. § 80 Abs. 5 VwGO trifft das Gericht eine eigene Ermessensentscheidung darüber, welche Interessen höher zu bewerten sind - die für einen sofortigen Vollzug des angefochtenen Verwaltungsakts oder die für die Anordnung der aufschiebenden Wirkung (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 18. Auflage 2012, § 80 Rn. 146; Schmidt in: Eyermann, VwGO, 14. Auflage 2013, § 80 Rn. 71). Im Rahmen dieser Interessenabwägung sind auch die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache als wesentliches, aber nicht alleiniges Indiz zu berücksichtigen (Schmidt a. a. O., § 80 Rn. 73 f.). Wird der in der Hauptsache erhobene Rechtsbehelf voraussichtlich erfolgreich sein, so wird im Regelfall die Anordnung der aufschiebenden Wirkung in Betracht kommen. Erweist sich der angefochtene Bescheid dagegen bei summarischer Prüfung als rechtmäßig, besteht ein öffentliches Interesse an dessen sofortiger Vollziehung.

Bei Würdigung der maßgeblichen Umstände ist das Interesse der Beigeladenen am Sofortvollzug der Baugenehmigung hier höher einzuschätzen als das Interesse der Antragstellerin an der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage. Es entspricht der ständigen Rechtsprechung, dass die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs dann nicht angeordnet werden muss, wenn eine Baugenehmigung zwar möglicherweise Rechte der Antragstellerin verletzt, dieser Mangel aber behebbar ist oder - wie hier - durch einen Nachgangsbescheid eine Rechtsverletzung jedenfalls für die Zukunft entfallen ist (vgl. BayVGH, B. v. 04.08.2011 - 2 CS 11.997 - juris Rn. 21; BayVGH, B. v. 08.08.2001 - 2 ZS 01.1331 - juris Rn. 8; BayVGH, B. v. 24.10.2000 - 26 ZS 99.3637 - juris Rn. 23; VG München, B. v. 12.07.2010 - M 8 SN 10.2346 - juris Rn. 74). Selbst die von der Antragstellerin zitierte Entscheidung des VG Würzburg vom 3. September 2012 (W 5 S 12.729 - juris Rn. 23) verweist auf die Kommentarliteratur, in der ausgeführt wird, dass die Verwaltungsbehörde die Abweichung nachträglich erteilen kann. Ein Rechtsschutzinteresse des Nachbarn an einer Entscheidung, dass der angefochtene Baugenehmigungsbescheid in seiner ursprünglichen Fassung rechtswidrig war, besteht dann im Allgemeinen nicht mehr (vgl. Simon/Busse Art. 66 BayBO Rn. 587 mit Verweis auf BayVGH, U. v. 1. 6. 1976 - 65 I 75 n.V.).

2. Dritte können sich gegen eine Baugenehmigung nur dann mit Aussicht auf Erfolg zur Wehr setzen, wenn die angefochtene Baugenehmigung rechtswidrig ist und diese Rechtswidrigkeit zumindest auch auf der Verletzung von Normen beruht, die gerade auch dem Schutz des betreffenden Nachbarn zu dienen bestimmt sind (BayVGH, B. v. 24.3.2009 - 14 CS 08.3017 - juris Rn. 20).

3. In bauplanungsrechtlicher Hinsicht beurteilt sich die Zulässigkeit des Vorhabens gemäß § 30 Abs. 3 BauGB nach den Festsetzungen des einfachen übergeleiteten Baulinienplanes, der für das Grundstück eine vordere Baulinie sowie eine hintere und seitliche Baugrenze festsetzt, im Übrigen nach § 34 Abs. 1 und Abs. 2 BauGB.

3.1 Es entspricht der ganz herrschenden Meinung, dass die Regelungen über das Maß der baulichen Nutzung, über die Bauweise und die Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, nicht nachbarschützend sind (vgl. BVerwG, B. v. 19.10.1995 - 4 B 215/95 - juris Rn. 3; BayVGH, B. v. 6.11.2008 - 14 ZB 08.2327 - juris Rn. 9; B. v. 12.9.2013 - 2 CS 13.1351 - juris Rn. 3).

3.2 Es liegt auch keine Verletzung des Gebots der Rücksichtnahme vor. Insoweit kann dahinstehen, ob sich dieses im vorliegenden Fall aus dem Begriff des „Einfügens“ des § 34 Abs. 1 BauGB oder aus § 34 Abs. 2 BauGB i. V. m. § 15 Abs. 1 BauNVO ableitet, da im Ergebnis dieselbe Prüfung stattzufinden hat (vgl. BayVGH, B. v. 12.9.2013 - 2 CS 13.1351 - juris Rn. 4).

Inhaltlich zielt das Gebot der Rücksichtnahme darauf ab, Spannungen und Störungen, die durch unverträgliche Grundstücksnutzungen entstehen können, möglichst zu vermeiden. Welche Anforderungen das Gebot der Rücksichtnahme begründet, hängt wesentlich von den jeweiligen Umständen des Einzelfalls ab. Je empfindlicher und schutzwürdiger die Stellung desjenigen ist, den die Rücksichtnahme im gegebenen Zusammenhang zugutekommt, umso mehr kann er eine Rücksichtnahme verlangen. Je verständlicher und unabweisbarer die mit dem Vorhaben verfolgten Interessen sind, umso weniger braucht derjenige, der das Vorhaben verwirklichen will, Rücksicht zu nehmen. Bei der Interessengewichtung spielt es eine maßgebliche Rolle, ob es um ein Vorhaben geht, das grundsätzlich zulässig und nur ausnahmsweise unter bestimmten Voraussetzungen nicht zuzulassen ist, oder ob es sich - umgekehrt - um ein solches handelt, das an sich unzulässig ist und nur ausnahmsweise zugelassen werden kann. Bedeutsam ist ferner, inwieweit derjenige, der sich gegen das Vorhaben wendet, eine rechtlich geschützte wehrfähige Position inne hat (vgl. BVerwG B. v. 6.12.1996 - 4 B 215/96 - juris Rn. 9 m. w. N.). Für eine sachgerechte Bewertung des Einzelfalles kommt es wesentlich auf eine Abwägung zwischen dem, was einerseits dem Rücksichtnahmebegünstigten und andererseits dem Rücksichtnahmeverpflichteten nach Lage der Dinge zuzumuten ist, an (vgl. BVerwG U. v. 18.11.2004 - 4 C 1/04 - juris Rn. 22; U. v. 29.11.2012 - 4 C 8/11 - juris Rn. 16; BayVGH, B. v. 12.9.2013 - 2 CS 13.1351 - juris Rn. 4).

Im vorliegenden Fall stellt sich das streitgegenständliche Vorhaben weder im Hinblick auf die gerügte Verschlechterung der Belichtung, Besonnung und Belüftung noch im Hinblick auf die gerügte einmauernde bzw. einkesselnde Wirkung noch hinsichtlich der vorgetragenen Verletzung des Sozialfriedens/Sozialabstands und schließlich auch nicht im Hinblick auf den gerügten Abstandsflächenverstoß als unzumutbar und damit rücksichtslos dar.

3.2.1 Soweit die Antragstellerin rügt, dass durch das streitgegenständliche Bauvorhaben die Belichtungs-, Besonnungs- und Belüftungssituation nachhaltig verschlechtert würde, kommt vorliegend keine Verletzung des Rücksichtnahmegebots in Betracht.

Das Gebot der Rücksichtnahme gibt dem Nachbarn nicht das Recht, von jeglicher Beeinträchtigung der Licht- und Luftverhältnisse oder der Verschlechterung der Sichtachsen von seinem Grundstück aus verschont zu bleiben. Eine Rechtsverletzung ist erst dann zu bejahen, wenn von dem Vorhaben eine unzumutbare Beeinträchtigung ausgeht (BayVGH, B. v. 22.6.2011 - 15 CS 11.1101 - juris Rn. 17). Eine Veränderung der Verhältnisse durch ein Vorhaben, das den Rahmen der Umgebungsbebauung wahrt und städtebaulich vorgegeben ist, ist aber regelmäßig als zumutbar hinzunehmen (BayVGH, B. v. 12.9.2013 - 2 CS 13.1351 - juris Rn. 6).

Im vorliegenden Fall ist bereits fraglich, inwieweit der Umbau des Dachgeschosses im Vordergebäude überhaupt zu einer zusätzlichen Beeinträchtigung der Belichtungssituation auf dem antragstellerseitigen Grundstück führt. Die Frage der Beeinträchtigung durch das rückwärtige Seitengebäude ist - wie von der Antragstellerin zutreffend ausgeführt - durch keine Verschattungsstudie zum vorliegenden Bauvorhaben abschließend geklärt. Aus dem vorgelegten Verschattungsszenario zu einem - nach Angaben der Beigeladenen - höher geplanten Bauvorhaben auf dem streitgegenständlichen Grundstück wird jedoch deutlich, dass das östlich vom Vorhabengrundstück gelegene Gebäude der Antragstellerin nicht maßgeblich - allenfalls in den Abendstunden - durch das westlich geplante Bauvorhaben beeinträchtigt wird. Solche geringfügige Beeinträchtigungen durch Schattenwurf sind jedoch hinzunehmen (vgl. BayVGH B. v. 10.12.2008 - 1 CS 08.2770 - juris Rn. 24). Dazu kommt, dass das nördliche Seitengebäude der Beigeladenen bereits seit langem besteht und von der Antragstellerin bereits seit langem hingenommen werden muss. Das rückwärtige nördliche Seitengebäude und das Vordergebäude sollen bis auf den Umbau im Dachgeschosses - bei gleichbleibender Firsthöhe des Vordergebäudes - und der Errichtung einer Dachterrasse sowie einer Dachgaube weitgehend unverändert bleiben und lediglich saniert bzw. modernisiert werden. Die Aufstockung des bisher eingeschossigen südlichen Seitengebäudes lässt ebenfalls nach den vorgelegten Bildsimulationen keine derart schwerwiegende zusätzliche Beeinträchtigung der Belichtungs-, Besonnungs-, und Belüftungssituation erkennen, die zu schlechthin unzumutbaren und nicht mehr hinnehmbaren Wohnverhältnissen führen würden. Eine solche Beeinträchtigung ist auch von der Antragstellerin nicht substantiiert dargelegt. Die Sichtachse der Antragstellerin wird durch die im Bestand vorhandene Brandschutzwand des dreigeschossigen Gebäudes auf dem Grundstück Fl.Nr. ..., ... Eck 5 bereits zum gegenwärtigen Zeitpunkt beeinträchtigt, insoweit bewirkt das Vorhaben eine zumutbare Verschlechterung der seit langem bestehenden Situation. Außerdem verbleibt auch nach Realisierung des Bauvorhabens ein Innenhofbereich mit einer Gesamtfläche von insgesamt über 300 m², so dass nach wie vor einen ausreichende Belichtungs-, Belüftungs- und Besonnungssituation gewährleistet ist.

3.2.2 In der Rechtsprechung ist darüber hinaus anerkannt, dass eine Verletzung des Rücksichtnahmegebots dann in Betracht kommt, wenn durch die Verwirklichung des genehmigten Vorhabens ein in der unmittelbaren Nachbarschaft befindliches Wohngebäude „eingemauert“ oder „erdrückt“ wird. Eine solche Wirkung kommt vor allem bei nach Höhe und Volumen „übergroßen“ Baukörpern in geringem Abstand zu benachbarten Wohngebäuden in Betracht (BVerwG, U. v. 13.3.1981 - 4 C 1/78, - juris Rn. 38: 12-geschossiges Gebäude in 15 m Entfernung zum 2,5-geschossigen Nachbarwohnhaus; U. v. 23.5.1986 - 4 C 34/85, - juris Rn. 15: Drei 11,05 m hohe Siloanlagen im Abstand von 6 m zu einem 2-geschossigen Wohnanwesen; BayVGH, B. v. 10.12.2008 - 1 CS 08.2770 - juris Rn. 23; B. v. 5.7.2011 - 14 CS 11.814 - juris Rn. 21). Hauptkriterien bei der Beurteilung einer „abriegelnden“ bzw. „erdrückenden“ Wirkung sind unter anderem die Höhe des Bauvorhabens und seine Länge sowie die Distanz der baulichen Anlage in Relation zur Nachbarbebauung. Für die Annahme der „abriegelnden“ bzw. „erdrückenden“ Wirkung eines Nachbargebäudes ist somit grundsätzlich kein Raum, wenn dessen Baukörper nicht erheblich höher ist als der des betroffenen Gebäudes, was insbesondere gilt, wenn die Gebäude im dicht bebauten innerstädtischen Bereich liegen (BayVGH, B. v. 11.5.2010 - 2 CS 10.454 - juris Rn. 5; B. v. 5.12.2012 - 2 CS 12.2290 - juris Rn. 9).

Vorliegend fehlt es bereits an einer erheblichen Höhendifferenz zwischen den Vorhabengebäuden und dem Anwesen der Antragstellerin. Durch den Dachgeschossumbau im Vordergebäude bleiben die Traufhöhe von 19,13 m und die Bestands-Firsthöhe von 24,44 m unverändert. Der rückwärtige Seitenbau soll im nördlichen Gebäudeteil eine Traufhöhe von 18,96 m und eine Firsthöhe/Flachdach von 21,81 m zuzüglich der Dachterrassenumwehrung mit 1,10 m, insgesamt demnach 22,91 m erhalten und im südlichen Seitenteil eine Traufhöhe von 12,49 m - 15,48 m. Das Gebäude der Antragstellerin weist eine Traufhöhe von 18,84 m und eine Firsthöhe von 24,21 m auf. Schon insoweit ist die im dicht bebauten innerstädtischen Bereich zur Bejahung einer abriegelnden oder erdrückenden Wirkung erforderliche erhebliche Höhendifferenz nicht gegeben. Dazu kommt, dass das rückwärtige Seitengebäude terrassenförmig abgestuft werden soll und damit ebenfalls Rücksicht auf die nachbarlichen Belange nimmt. Gerade im innerstädtischen Bereich hat ein Grundstückseigentümer kein Recht auf Beibehaltung einer ungehinderten oder bislang nur geringfügig beeinträchtigten Sicht von seinem Wohngebäude aus (vgl. BayVGH B. v. 10.12.2008 - 1 CS 08.2770 - juris Rn. 23 mit Verweis auf BVerwG vom 28.10.1993 - NVwZ 1994, 686).

Auch die gerügte Summenwirkung der Überschneidung von Abstandsflächen aus drei unterschiedlichen Richtungen auf dem antragstellerseitigen Grundstück führt zu keiner einkesselnden Wirkung. Es ist zwar zutreffend, dass der Innenhof auf dem antragstellerseitigen Grundstück nach Realisierung des südlichen rückwärtigen Seitengebäudes sowohl von Westen, wie auch von Osten und Süden von Gebäuden mit nicht unerheblicher Höhenentwicklung umgeben ist. Hierbei ist aber auch zu berücksichtigen, dass die Antragstellerin selbst durch ihr eigenes Bestandsgebäude Teil der nördlichen Begrenzung des Innenhofbereichs darstellt. Die Antragstellerin hat ihr vergleichsweise kleines Grundstück mit einem sechsgeschossigen Gebäude massiv bebaut. Die beachtliche Ausübung des eigenen Baurechts ist daher ebenfalls ursächlich für die im Geviert vorliegende intensive innerstädtische Bebauung. Ein Nachbar ist nach Erfüllung der eigenen Bauwünsche nicht berechtigt, in etwa gleichwertige Bauwünsche abzuwehren. Das streitgegenständliche Bauvorhaben ist zwar flächenmäßig größer als das Bestandsgebäude der Antragstellerin. Dies ist jedoch durch den unterschiedlichen Grundstückszuschnitt bedingt. Das Grundstück der Antragstellerin ist im Verhältnis zu seiner geringen Größe bereits ausgeprägt bebaut. Das Grundstück der Beigeladenen ist größer und kann daher auch entsprechend bebaut werden, ohne damit gegen das Gebot der Rücksichtnahme zu verstoßen. Zwar verändert das genehmigte Vorhaben die bauliche Situation im Hofbereich. Das Ergebnis stellt sich im Vergleich zum Normalfall verdichteter innerstädtischer Bebauung mit geschlossener Bauweise aber als noch hinnehmbar und für einen Durchschnittsbetrachter als nicht erdrückend dar. Nicht schon dann, wenn das angegriffene Vorhaben die Situation für den Nachbarn verändert, kann von einer erdrückenden Situation im Sinne einer Gefängnishofsituation die Rede sein, zumal sich das Anwesen der Antragstellerin jahrzehntelang dem bereits bestehenden Baukörper gegenübersah, der nunmehr im Vordergebäude und nördlichem Seitengebäude lediglich modernisiert und geringfügig verändert wird, ohne zu einer Erhöhung der Bestandsfirst- und Traufhöhe zu führen. Lediglich im südlichen Bereich kommt es durch die terrassenförmige Aufstockung des bisher eingeschossigen südlichen Seitengebäudes zu einer Vertiefung entlang der bestehenden Brandschutzwand des Gebäudes auf dem Grundstück, Fl.Nr. ..., ... Eck 5.

Insgesamt ist vorliegend daher schon aufgrund der geringen Höhendifferenz zwischen dem streitgegenständlichen Gebäudekomplex und dem Gebäude der Antragstellerin eine erdrückende bzw. einkesselnde Wirkung ausgeschlossen.

3.2.3 Soweit die Antragstellerin rügt, dass durch das streitgegenständliche Vorhaben der Sozialfrieden und Sozialabstand beeinträchtigt würden, führt dies ebenfalls zu keiner Verletzung des Rücksichtnahmegebots. Trifft eine Wohnnutzung auf eine vorhandene Wohnnutzung, dann kommt unter dem Gesichtspunkt der Nutzungsart ein Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme nur unter ganz außergewöhnlichen Umständen in Betracht (vgl. BayVGH, B. v. 12.09.2005 - 1 ZB 05.42 BayVBl. 2006, 374 - juris Rn. 19). Das Rücksichtnahmegebot gibt dem Nachbarn insbesondere nicht das Recht, vor jeglicher Beeinträchtigung, speziell vor jeglichen Einblicken verschont zu bleiben (vgl. BayVGH, B. v. 12.9.2005 a. a. O.; Sächs. OVG B. v. 23.2.2010 - 1 B 581/09 - juris Rn. 5). Gegenseitige Einsichtnahmemöglichkeiten sind im dicht bebauten innerstädtischen Bereich unvermeidlich und führen nicht automatisch zu einer Verletzung des Sozialabstands. Außerdem sind die Fenster des rückwärtigen Seitengebäudes nicht unmittelbar in Richtung des antragstellerseitigen Gebäudes ausgerichtet. Auch die Fenster auf der Rückseite des Vordergebäudes und die geplanten Loggien sind nicht unmittelbar auf das antragstellerseitige Gebäude ausgerichtet, sondern ragen vielmehr in den Innenhof und schließen bündig mit der westlichen Gebäudemauer der Antragstellerin ab, so dass dadurch keine Einblickmöglichkeiten geschaffen werden. Die geplanten Dachterrassen sind von der Gebäudekante stark zurückversetzt, so dass keine unzumutbaren Einblicke in die Fenster des antragstellerseitigen Gebäudes ermöglicht werden. Die Betroffenen können sich ferner gegebenenfalls durch das Anbringen von Jalousien, Vorhängen oder verspiegelten Fenstern behelfen. Außerdem sind die Wohnräume im Gebäude der Antragstellerin teilweise dadurch geschützt, dass ihnen ein Balkon vorgelagert ist. Im Übrigen sind die verbleibenden Sozialabstände in der vorgegebenen städtebaulichen Situation hinzunehmen, obschon damit auch Einsichtnahmemöglichkeiten einhergehen können(vgl. BayVGH U. v. 07.10.2010 - 2 B 09.328- juris Rn. 30). Ein Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme ist insoweit nicht auszumachen.

3.2.4 Soweit sich die Antragstellerin darauf beruft, das Vorhaben der Beigeladenen verletze die Abstandsflächenvorschriften des Art. 6 BayBO, ist klarzustellen, dass zwar die Einhaltung der bauordnungsrechtlichen Abstandsflächenvorschriften für das bauplanungsrechtliche Rücksichtnahmegebot in tatsächlicher Hinsicht indiziert, dass auch das planungsrechtliche Rücksichtnahmegebot im Regelfall nicht verletzt ist (vgl. BVerwG, B. v. 11.01.1999 - 4 B 128/98 - juris Rn. 4; BayVGH, B. v. 15.3.2011 - 15 CS 11.9 - juris Rn. 32). Daraus lässt sich aber nicht der Umkehrschluss ableiten, dass bei einer Verletzung der bauordnungsrechtlichen Abstandsflächenvorschriften auch eine Verletzung des bauplanungsrechtlichen Rücksichtnahmegebotes zu bejahen oder indiziert wäre (vgl. BayVGH, B. v. 22.6.2011 - 15 CS 11.1101 - juris; B. v. 6.9.2011 - 1 ZB 10.1301 - juris).

Die streitgegenständliche Baugenehmigung verstößt daher gegen keine nachbarschützenden bauplanungsrechtlichen Vorschriften.

4. Nachbarschützende bauordnungsrechtliche Vorschriften werden durch den streitgegenständlichen Bescheid vom ...05.2014 unter Berücksichtigung des Nachgangsbescheids vom ...10.2014 nach der im einstweiligen Rechtschutz nur möglichen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung ebenfalls nicht verletzt. Die bestehenden Mängel der Baugenehmigung vom ...05.2014 hinsichtlich der Abstandsflächenvorschriften sind nach summarischer Prüfung voraussichtlich in nicht zu beanstandender Art und Weise durch den Erlass des Nachgangsbescheids vom ...10.2014 geheilt worden.

4.1 Gemäß Art. 63 Abs. 1 Satz 1 BayBO kann die Bauaufsichtsbehörde Abweichungen von bauordnungsrechtlichen Anforderungen zulassen, wenn sie unter Berücksichtigung der jeweiligen Anforderung und unter Würdigung der nachbarlichen Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar sind. Der Zweck des Abstandsflächenrechts, der vor allem darin besteht, eine ausreichende Belichtung und Lüftung der Gebäude zu gewährleisten und die für Nebenanlagen erforderlichen Freiflächen zu sichern, kann regelmäßig nur dann erreicht werden, wenn die Abstandsflächen in dem gesetzlich festgelegten Umfang eingehalten werden. Da somit jede Abweichung von den Anforderungen des Art. 6 BayBO zur Folge hat, dass die Ziele des Abstandsflächenrechts nur unvollkommen verwirklicht werden, setzt die Zulassung einer Abweichung Gründe von ausreichendem Gewicht voraus, durch die sich das Vorhaben vom Regelfall unterscheidet und die die Einbuße an Belichtung und Lüftung (sowie eine Verringerung der freien Flächen des Baugrundstücks) im konkreten Fall als vertretbar erscheinen lassen. Es muss sich um eine atypische, von der gesetzlichen Regel nicht zureichend erfasste oder bedachte Fallgestaltung handeln (BayVGH, B. v. 17.07.2007 - 1 CS 07.1340 - juris Rn. 16; B. v. 04.08.2011 - 2 CS 11.997 - juris Rn. 23; B. v. 05.12.2011 - 2 CS 11.1902 - juris Rn. 3; U. v. 22.12.2011 - 2 B 11.2231 - juris Rn. 16). Diese kann sich etwa aus einem besonderen Grundstückszuschnitt, einer aus dem Rahmen fallenden Bebauung auf dem Bau- oder dem Nachbargrundstück oder einer besonderen städtebaulichen Situation, wie der Lage des Baugrundstücks in einem historischen Ortskern, ergeben. In solchen Lagen kann auch das Interesse des Grundstückseigentümers, vorhandene Bausubstanz zu erhalten und sinnvoll zu nutzen oder bestehenden Wohnraum zu modernisieren, eine Verkürzung der Abstandsflächen durch Zulassung einer Abweichung rechtfertigen. Weitere Voraussetzung ist die Vereinbarkeit der Abweichung mit den öffentlichen Belangen unter Würdigung nachbarlicher Interessen. Mit der Verpflichtung zur Würdigung nachbarlicher Interessen verlangt das Gesetz - wie bei dem bauplanungsrechtlichen Gebot der Rücksichtnahme - eine Abwägung zwischen den für das Vorhaben sprechenden Gründen und den Belangen des Nachbarn (BayVGH, B. v. 17.7.2007 - 1 CS 07.1340 - juris Rn. 17). Ob eine Abweichung von den Abstandsflächenvorschriften zugelassen werden kann, beurteilt sich dabei nicht allein danach, wie stark die Interessen des betroffenen Nachbarn beeinträchtigt werden. Es ist stets auch zu prüfen, ob die Schmälerung der nachbarlichen Interessen durch überwiegende Interessen des Bauherrn oder überwiegende öffentliche Belange gerechtfertigt ist (BayVGH, B. v. 17.7.2007 - 1 CS 07.1340 - juris Rn. 20). Von Bedeutung ist bei der Beurteilung des Vorliegens der erforderlichen Atypik insbesondere, ob eine sinnvolle Ausnutzung des Baugrundstücks unter Beachtung der Anforderungen des Art. 6 Abs. 5 BayBO unmöglich oder unzumutbar ist (BayVGH, B. v. 30.8.2011 - 15 CS 11.1640 - juris Rn. 16). In dicht bebauten innerstädtischen Bereichen ist eine atypische Situation dann anzunehmen, wenn jedwede bauliche Veränderung der historischen Bausubstanz geeignet ist, eine Abstandsflächenüberschreitung auszulösen (vgl. BayVGH, B. v. 04.08.2011 - 2 CS 11.997 - juris Rn. 23).

4.2 Eine derartige Sondersituation (Atypik) ist im vorliegenden Fall gegeben.

Das Bauplanungsrecht gibt hier eine Bebauung unter Beachtung der vorderen Baulinie und der rückwärtigen Baugrenze vor. Soll auch in diesem Bereich Instandsetzung, Aufwertung oder Erneuerung der zum Teil überalterten Bausubstanz ermöglicht werden, so kommt man nicht umhin, Ausnahmen vom generalisierenden Abstandsflächenrecht zuzulassen (vgl. BayVGH B. v. 05.12.2011 - 2 CS 11.1902 - juris Rn. 3). Dies gilt auch insbesondere deshalb, weil hier im dicht bebauten Altstadtbereich kaum ein Anwesen die Abstandsflächen wahrt. Entscheidend ist, ob sich ein Vorhaben vom normativen Regelfall unterscheidet (vgl. BayVGH vom 7.10.2010 Az. 2 B 09.328 - juris) und dies ist hier wegen der atypischen Grundstücksituation der Fall. Das streitgegenständliche Grundstück der Beigeladenen erlaubt grundsätzlich eine Bebauung, die sich im Rahmen der festgesetzten vorderen Baulinie und der rückwärtigen Baugrenze hält. Da das streitgegenständliche Grundstück an einer nicht geradlinig verlaufenden Straße situiert ist, verlaufen auch die Grundstückgrenzen schräg. Dadurch wirft das streitgegenständliche Bestandsvordergebäude unweigerlich Abstandsflächen auf das Grundstück der Antragstellerin. Die besondere Hinterhofsituation ist ebenfalls durch die nicht rechteckig verlaufenden Grundstückschnitte bedingt. Nicht nur das streitgegenständliche Grundstück, sondern auch die benachbarten Grundstücke haben einen irregulären Grundstückszuschnitt. Die Grundstücke im vorliegenden Geviert sind fast ausnahmslos massiv bebaut und weisen nur wenig Freifläche im Verhältnis zu ihrer Grundstücksfläche auf. Diese spezifische Lage des streitgegenständlichen Grundstücks im absoluten Stadtinnenzentrum mit zum Teil historischer Bausubstanz in Verbindung mit den besonderen Grundstückszuschnitten im vorliegenden Areal und der Vielzahl von Grundstücken mit vergleichsweise massiver Bebauung begründet eine atypische Situation.

4.3 Die erforderliche Abweichung von den Abstandsflächenvorschriften ist auch mit den öffentlichen und mit den geschützten nachbarlichen Belangen vereinbar.

Zwar wird durch die Verwirklichung des streitgegenständlichen Vorhabens zweifellos eine Verschlechterung der abstandsflächenrechtlich geschützten Belange der Antragstellerin - hier Belichtung und Besonnung - bewirkt. Jedoch werden die Schutzziele der Art. 3 und Art. 6 BayBO nicht dergestalt verfehlt, dass eine Abweichung mit den nachbarlichen Belangen unvereinbar wäre. Nach summarischer Prüfung überwiegen die Interessen der Beigeladenen im Rahmen der Abweichungsentscheidung. In die erforderliche Interessenabwägung ist zunächst einzustellen, dass der Um- und Ausbau auch der Schaffung von Wohnraum dient und insoweit im öffentlichen Interesse liegt (vgl. BayVGH B. v. 05.12.2011 - 2 CS 11.1902 - juris Rn. 5). Die Schaffung von Wohnraum ist zwar nicht geeignet, das Vorliegen einer atypischen Fallgestaltung zu begründen, aber - bei Vorliegen der erforderlichen Atypik - stellt die Wohnraumschaffung einen gewichtigen öffentlichen Belang dar, der im Rahmen der nach Art. 63 Abs. 1 BayBO vorzunehmenden Abwägung zu berücksichtigen ist. Außerdem musste die Antragstellerin aufgrund der vorliegenden städtebaulichen Situation damit rechnen, dass früher oder später eine der Umgebung angepasste Baulückenschließung durch die Aufstockung des eingeschossigen Seitengebäudes im rückwärtigen Bereich erfolgen würde. Darüber hinaus berücksichtigt ein Gebäude, das im Hinblick auf das Rücksichtnahmegebot eine terrassenförmige Abstufung wahrt, tendenziell auch die nachbarlichen Belange.

4.4 Die erforderlichen Abweichungen können daher von der Antragsgegnerin nach pflichtgemäßer Ermessensausübung erteilt werden. Sie hat dabei die gesetzlichen Grenzen des Art. 63 Abs. 1 Satz 1 BayBO beachtet. Das durch Art. 63 Abs. 1 Satz 1 BayBO eingeräumte Ermessen ist ein tatbestandlich intendiertes Ermessen, d. h. sind die Tatbestandsvoraussetzungen für eine Abweichung gegeben, so ist sie zuzulassen, es sei denn besondere Umstände stünden dem entgegen (vgl. BayVGH B. v. 22.07.2003 - 15 ZB 02.1233 - juris Rn. 8; Dhom in Simon/Busse, Bayerische Bauordnung, Kommentar, Stand: Januar 2014, Art. 63 Rn. 39). Denn bereits auf der Tatbestandsseite des Art. 63 Abs. 1 Satz 1 BayBO ist eine Abwägung vorzunehmen, die jeweils die vorgesehene Abweichung zu den genannten Einzelaspekten in Beziehung setzt und die betroffenen Belange untereinander koordiniert (BayVGH B. v. 22.07.2003 - 15 ZB 02.1223 - juris Rn. 8).

4.5 Die mit Bescheid vom ...05.2014 erteilten Abweichungen für das südliche und nördliche Seitengebäude sind, obschon es bei Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen des Art. 63 BayBO auf die im Bescheid angegebenen Ermessenserwägungen nicht im Einzelnen ankommt (BayVGH vom 22.7.2003, a. a. O.), vorliegend dennoch zu knapp und pauschal. Im streitgegenständlichen Bescheid vom ...05.2014 wurde bereits die Atypik nicht ausreichend dargelegt und auch die nachbarlichen und öffentlichen Belange nur formelhaften und pauschal begründet. Die erteilten Abweichungen genügten daher in ihrer Begründung nicht den zu stellenden Anforderungen. Ferner hatte die Beigeladenen nicht alle erforderlichen Abweichungen von den Abstandsflächenvorschriften im Bauantrag vom 08.10.2013 beantragt und die Beklagte nicht alle erforderlichen Abweichungen im Bescheid vom ...05. 2014 erteilt. Diese Mängel sind allerdings voraussichtlich durch den Nachgangsbescheid vom ...10.2014 behoben worden. Auch bei einer im Ergebnis unter Umständen unbedenklichen Abweichungsentscheidung muss sich die Bauaufsichtsbehörde ein Gesamtbild der von dem Vorhaben in Anspruch genommenen Abweichungen von den Abstandsflächenanforderungen gemacht haben (vgl. Jäde in Jäde/Dirnberger/Bauer/Weiß, Die neue BayBO, Kommentar, Stand: Mai 2014, Art. 63 Rn. 18, 19). Die Antragsgegnerin hat jedenfalls im Nachgangsbescheid vom ...10. 2014 eine Gesamtschau und Gesamtwürdigung der hier im vorliegenden Fall erforderlichen abstandsrechtlichen Abweichungsentscheidungen vorgenommen, da sie nicht lediglich zwei zusätzliche Abweichungen erteilt, sondern ihre bereits erteilten Abweichungen nachträglich ergänzend begründet hat.

5. Die von der Beigeladenen bei der Antragsgegnerin beantragten weiteren Abweichungen gem. Art. 63 Abs. 1 BayBO wurden mit Nachgangsbescheid vom...10.2014 nach summarischer Prüfung rechtmäßig erteilt. Die Voraussetzungen für die Zulassung einer Abweichung von den Vorgaben des Art. 6 Abs. 2 Satz 1 BayBO liegen voraussichtlich vor, da im Rahmen der Ausübung des „Abweichungsermessens“ die vorstehenden Ausführungen (unter 3.) zum Rücksichtnahmegebot gelten (vgl. BayVGH U. v. 07.10.2010 - 2 B 09.328 - juris Rn. 35).

5.1 Die geplante Dachterrasse mit Terrassenumwehrung ist nach summarischer Prüfung abstandsflächenpflichtig.

Nach Art. 6 Abs. 4 Satz 2 BayBO, der gem. Art. 6 Abs. 4 Satz 5 BayBO für Dachaufbauten gilt, ist die für die Abstandsflächenberechnung maßgebliche Wandhöhe das Maß von der Geländeoberfläche bis zum Schnittpunkt der Wand mit der Dachhaut oder bis zum oberen Abschluss der Wand. Die vorliegend zu beurteilende Dachterrassenumwehrung ist als Bestandteil der Außenwand im vorgenannten Sinn bzw. ein versetzter Außenwandteil. Oberer Bezugspunkt für die Bestimmung der Wandhöhe ist damit die Oberkante der Terrassenumwehrung.

Das Vorliegen einer Außenwand oder eines Außenwandteiles hängt grundsätzlich nicht von der Ausgestaltung der Wand ab. Nur dann, wenn bei natürlicher Betrachtungsweise die Wirkung einer Wand nicht gegeben ist, kann von einer Abstandsflächenpflicht nicht mehr ausgegangen werden (BayVGH vom 8.8.2001 Az.: 2 ZS 01.1331 - Juris; weitergehend OVG NRW vom 1.6.2007 Az.: 7 A 3852/06 - Juris: auf das jeweilige Material eines Terrassengeländers und insbesondere darauf, ob dieses offen oder transparent gestaltet ist, kommt es nicht an; a. A. Simon/Busse, BayBO, Stand: Januar 2014, Art. 6, Rn. 180, für eine überwiegend lichtdurchlässig ausgeführte Dachterrassenumwehrung).

Die geschlossene Einfassung der Dachterrasse, die einen Austritt im Dachspitz des Vordergebäudes erhalten soll, hat eine Gesamtlänge von ca. 8,7 m an der nördlichen Außenwand des Vordergebäudes und ca. 5 m an der östlichen Außenwand des nördlichen rückwärtigen Seitengebäudes sowie eine Höhe von 1,10 m (abgegriffen aus dem genehmigten Abstandsflächenplan). Diese Einfriedung ragt über die Dachfläche hinaus und ist nicht Bestandteil des Daches, sondern tritt vielmehr optisch deutlich wahrnehmbar in Erscheinung. Ein zur Verneinung einer Abstandsflächenrelevanz führender Ausnahmefall ist nach diesen Umständen voraussichtlich nicht gegeben.

Die beantragte Abweichung wurde mit Nachgangsbescheid vom ...10.2014 voraussichtlich rechtmäßig erteilt.

5.2 Die geplante Dachgaube auf der südlichen Dachseite des Vordergebäudes bleibt gem. Art. 6 Abs. 8 Nr. 3 BayBO nur dann bei der Bemessung von Abstandsflächen außer Betracht, wenn es sich um eine untergeordnete Dachgaube handelt. Dies ist hier aber nicht der Fall, da die geplante Dachgaube mit einer Breite von etwa 4 m und einer Höhe von 2,34 m eine Ansichtsfläche von deutlich über 4 m² hat, so dass die Tatbestandsvoraussetzungen des Art. 6 Abs. 8 Nr. 3 b BayBO nicht erfüllt sind.

Mit Antrag vom 22.10.2014 hat die Beigeladene ebenfalls die Erteilung einer Abweichung von den Abstandsflächenvorschriften für die Dachgaube beantragt und die Antragsgegnerin eine entsprechende Abweichung mit Nachgangsbescheid vom ...10.2014 für die Dachgaube erteilt.

5.3 Soweit durch den bündigen Anschluss der südlichen Rückwand des Vordergebäudes die zum Teil mit Loggien versehene Rückwand um 2 m tiefer in den Innenhof hineinragt, ist dies gem. Art. 6 Abs. 1 S. 3 BayBO als Grenzanbau zulässig. Nach Art. 6 Abs. 1 S. 3 BayBO ist vor Außenwänden, die an Grundstücksgrenzen errichtet werden, keine Abstandsfläche erforderlich, wenn nach planungsrechtlichen Vorschriften an die Grenze gebaut werden muss oder gebaut werden darf.

Nach dem vorliegenden Lageplan ist die geschlossene Bauweise im vorliegenden Geviert vorherrschend. Die Antragsgegnerin hat für den geplanten bündigen Anschluss des Vordergebäudes eine Befreiung gem. § 31 Abs. 2 BauGB vom festgesetzten Bauraum erteilt. Die erteilte Befreiung ist auch unter Würdigung der nachbarlichen Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar, da der Nachbar an den kommun angebaut werden soll, selbst die hintere Baugrenze überschreitet und daher selbst Auslöser für den Kommunanbau der südlichen Rückseite des streitgegenständlichen Vordergebäudes ist.

Der Grenzanbau des Vordergebäudes an das antragstellerseitige Gebäude ist somit zulässig.

5.4. Die Vertiefung der südlichen Rückwand des Bestandsvordergebäudes um 2 m und die damit teilweise Schaffung von zusätzlichem Wohnraum sowie der Anbau von Loggien kann als bauliche Veränderung abstandsflächenpflichtig sein. Wird durch einen Anbau eine neue einheitliche Außenwand hergestellt, die auch horizontal oder vertikal versetzt sein kann, so ist eine abstandsflächenrechtliche Betrachtung der gesamten Außenwand erforderlich, d. h. auch der Altbestand muss ebenso wie der hinzukommende Wandteil die Anforderungen des Art. 6 BayBO erfüllen, selbst wenn der Altbestand im Zeitpunkt seiner Errichtung keiner vergleichbaren Anforderung unterworfen war oder wenn er die zum damaligen Zeitpunkt geltenden Anforderungen erfüllt hat (vgl. Dhom in Simon/Busse, BayBO, Kommentar, Stand Januar 2014, Art. 6 Rn. 15).

Das Vorhaben bedarf daher hinsichtlich der vorgesehenen Dachgeschossänderungen im bestehenden Vordergebäude und den kommunen Wandanbau mit der damit verbundenen Vertiefung des Vordergebäudes um ca. 2 m nach der im einstweiligen Rechtschutzverfahren nur möglichen aber auch ausreichenden summarischen Prüfung voraussichtlich einer abstandsflächenrechtlichen Neubetrachtung.

Die Antragsgegnerin hat im Nachgangsbescheid vom ...10.2014 eine Abweichung gem. Art. 63 Abs. 1 BayBO von Art. 6 Abs. 2 BayBO wegen Nichteinhaltung erforderlicher Abstandsflächen durch die südliche Außenwand des Vordergebäudes, der südlichen Brüstung der auf dem Vordergebäude befindlichen Dachterrasse und der auf der Südseite des Vordergebäudes befindlichen Dachgaube erteilt.

Da im Rahmen der Ausübung des „Abweichungsermessens“ die vorstehenden Ausführungen (unter 3.) zum Rücksichtnahmegebot gelten (vgl. BayVGH U. v. 07.10.2010 - 2 B 09.328 - juris Rn. 35), erscheint es nach summarischer Prüfung überwiegend wahrscheinlich, dass die Änderungen an der Rückseite des Vordergebäudes zwar zu einer abstandsflächenrechtlichen Neubetrachtung wegen der „neuen“ Außenwand führt, aber die von der Antragsgegnerin entsprechend erteilte Abweichung gem. Art. 63 BayBO nicht zu beanstanden sein wird.

6. Soweit die Antragstellerin rügt, durch die Summenwirkung der sich von vier Seiten auf ihrem Grundstück treffenden Abstandsflächen in ihren Rechten verletzt zu sein, kann das Gericht diesem Einwand nicht folgen. Ein Fall der Erstreckung von Abstandsflächen auf das Grundstück der Antragstellerin (Art. 6 Abs. 2 Satz 2 und 3 BayBO) liegt hier gerade durch das streitgegenständliche Vorhaben nicht vor, da die erteilten Abweichungen auf eine entsprechende Verkürzung der gesetzlichen Tiefe der Abstandsfläche abzielen (vgl. BayVGH B. v. 15.11.2005 - 2 CS 05.2817 - juris Rn. 2; Dhom in Simon/Busse, BayBO, Kommentar Stand Januar 2014, Art. 63 Rn. 46).

7. Nach § 80a Abs. 3 i.V. mit § 80 Abs. 5 VwGO führt die vom Verwaltungsgericht zu treffende eigenständige Ermessensentscheidung dazu, dass die kraft Gesetzes bestehende sofortige Vollziehbarkeit der Baugenehmigung aufgrund des § 212a Abs. 1 BauGB aufrechterhalten bleiben kann.

Es erscheint unverhältnismäßig und damit ermessensfehlerhaft die aufschiebende Wirkung der voraussichtlich erfolglosen Klage der Antragstellerin anzuordnen.

Soweit die Beigeladene - wie angekündigt - vor einer endgültigen Klärung im Hauptsacheverfahren mit den Bauarbeiten beginnt, wird sie auf eigenes Risiko tätig.

7. Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 4 VwGO.

Die Sonderregelungen gem. § 155 Abs. 3 und 4 VwGO gehen der Kostenverteilung nach § 154 Abs. 1 VwGO vor (Kopp/Schenke, VwGO, Kommentar, 14. Auflage, § 154 Rn.1). Die streitgegenständliche Baugenehmigung vom ...05.2014 war ohne Berücksichtigung des zwischenzeitlich erlassenen Nachgangsbescheids vom ...10.2014 rechtswidrig, da die erteilten Abweichungen von den Abstandsflächenvorschriften gem. Art. 63 Abs. 1 BayBO trotz intendiertem Ermessen der Antragsgegnerin vorliegend zu beanstanden waren. Hinzu kommt der Umstand, dass nicht alle erforderlichen Abweichungen beantragt und genehmigt gewesen sind. Diese behebbaren Mängel rechtfertigen aufgrund des mittlerweile ergangenen Nachgangsbescheids zwar nicht die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage der Antragstellerin, führen aber zur Kostentragungspflicht der Antragsgegnerin und der Beigeladenen, die einen Sachantrag gestellt und sich damit entsprechend § 154 Abs. 3 VwGO auch einem Kostenrisiko ausgesetzt hat.

8. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 3 Nr. 2 i. V. m. § 52 Abs. 1 GKG.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Im Geltungsbereich eines Bebauungsplans, der allein oder gemeinsam mit sonstigen baurechtlichen Vorschriften mindestens Festsetzungen über die Art und das Maß der baulichen Nutzung, die überbaubaren Grundstücksflächen und die örtlichen Verkehrsflächen enthält, ist ein Vorhaben zulässig, wenn es diesen Festsetzungen nicht widerspricht und die Erschließung gesichert ist.

(2) Im Geltungsbereich eines vorhabenbezogenen Bebauungsplans nach § 12 ist ein Vorhaben zulässig, wenn es dem Bebauungsplan nicht widerspricht und die Erschließung gesichert ist.

(3) Im Geltungsbereich eines Bebauungsplans, der die Voraussetzungen des Absatzes 1 nicht erfüllt (einfacher Bebauungsplan), richtet sich die Zulässigkeit von Vorhaben im Übrigen nach § 34 oder § 35.

(1) Innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile ist ein Vorhaben zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und die Erschließung gesichert ist. Die Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse müssen gewahrt bleiben; das Ortsbild darf nicht beeinträchtigt werden.

(2) Entspricht die Eigenart der näheren Umgebung einem der Baugebiete, die in der auf Grund des § 9a erlassenen Verordnung bezeichnet sind, beurteilt sich die Zulässigkeit des Vorhabens nach seiner Art allein danach, ob es nach der Verordnung in dem Baugebiet allgemein zulässig wäre; auf die nach der Verordnung ausnahmsweise zulässigen Vorhaben ist § 31 Absatz 1, im Übrigen ist § 31 Absatz 2 entsprechend anzuwenden.

(3) Von Vorhaben nach Absatz 1 oder 2 dürfen keine schädlichen Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden zu erwarten sein.

(3a) Vom Erfordernis des Einfügens in die Eigenart der näheren Umgebung nach Absatz 1 Satz 1 kann im Einzelfall abgewichen werden, wenn die Abweichung

1.
einem der nachfolgend genannten Vorhaben dient:
a)
der Erweiterung, Änderung, Nutzungsänderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten Gewerbe- oder Handwerksbetriebs,
b)
der Erweiterung, Änderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten, Wohnzwecken dienenden Gebäudes oder
c)
der Nutzungsänderung einer zulässigerweise errichteten baulichen Anlage zu Wohnzwecken, einschließlich einer erforderlichen Änderung oder Erneuerung,
2.
städtebaulich vertretbar ist und
3.
auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist.
Satz 1 findet keine Anwendung auf Einzelhandelsbetriebe, die die verbrauchernahe Versorgung der Bevölkerung beeinträchtigen oder schädliche Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden haben können. In den Fällen des Satzes 1 Nummer 1 Buchstabe b und c kann darüber hinaus vom Erfordernis des Einfügens im Einzelfall im Sinne des Satzes 1 in mehreren vergleichbaren Fällen abgewichen werden, wenn die übrigen Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und die Aufstellung eines Bebauungsplans nicht erforderlich ist.

(4) Die Gemeinde kann durch Satzung

1.
die Grenzen für im Zusammenhang bebaute Ortsteile festlegen,
2.
bebaute Bereiche im Außenbereich als im Zusammenhang bebaute Ortsteile festlegen, wenn die Flächen im Flächennutzungsplan als Baufläche dargestellt sind,
3.
einzelne Außenbereichsflächen in die im Zusammenhang bebauten Ortsteile einbeziehen, wenn die einbezogenen Flächen durch die bauliche Nutzung des angrenzenden Bereichs entsprechend geprägt sind.
Die Satzungen können miteinander verbunden werden.

(5) Voraussetzung für die Aufstellung von Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 ist, dass

1.
sie mit einer geordneten städtebaulichen Entwicklung vereinbar sind,
2.
die Zulässigkeit von Vorhaben, die einer Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung nach Anlage 1 zum Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung oder nach Landesrecht unterliegen, nicht begründet wird und
3.
keine Anhaltspunkte für eine Beeinträchtigung der in § 1 Absatz 6 Nummer 7 Buchstabe b genannten Schutzgüter oder dafür bestehen, dass bei der Planung Pflichten zur Vermeidung oder Begrenzung der Auswirkungen von schweren Unfällen nach § 50 Satz 1 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes zu beachten sind.
In den Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 können einzelne Festsetzungen nach § 9 Absatz 1 und 3 Satz 1 sowie Absatz 4 getroffen werden. § 9 Absatz 6 und § 31 sind entsprechend anzuwenden. Auf die Satzung nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 3 sind ergänzend § 1a Absatz 2 und 3 und § 9 Absatz 1a entsprechend anzuwenden; ihr ist eine Begründung mit den Angaben entsprechend § 2a Satz 2 Nummer 1 beizufügen.

(6) Bei der Aufstellung der Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 sind die Vorschriften über die Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung nach § 13 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 und 3 sowie Satz 2 entsprechend anzuwenden. Auf die Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 1 bis 3 ist § 10 Absatz 3 entsprechend anzuwenden.

(1) Die in den §§ 2 bis 14 aufgeführten baulichen und sonstigen Anlagen sind im Einzelfall unzulässig, wenn sie nach Anzahl, Lage, Umfang oder Zweckbestimmung der Eigenart des Baugebiets widersprechen. Sie sind auch unzulässig, wenn von ihnen Belästigungen oder Störungen ausgehen können, die nach der Eigenart des Baugebiets im Baugebiet selbst oder in dessen Umgebung unzumutbar sind, oder wenn sie solchen Belästigungen oder Störungen ausgesetzt werden.

(2) Die Anwendung des Absatzes 1 hat nach den städtebaulichen Zielen und Grundsätzen des § 1 Absatz 5 des Baugesetzbuchs zu erfolgen.

(3) Die Zulässigkeit der Anlagen in den Baugebieten ist nicht allein nach den verfahrensrechtlichen Einordnungen des Bundes-Immissionsschutzgesetzes und der auf seiner Grundlage erlassenen Verordnungen zu beurteilen.

Tenor

I.

Der Antrag wird abgelehnt.

II.

Die Beklagte und die Beigeladene haben die Kosten des Verfahrens je zur Hälfte zu tragen.

III.

Der Streitwert wird auf 3.750,- EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Die Antragstellerin ist Wohnungseigentümergemeinschaft auf dem Grundstück ... Eck 1, ..., Fl.Nr. ... der Gemarkung ...

Das sechsgeschossige Gebäude der Antragstellerin grenzt westlich unmittelbar an das Vordergebäude der Beigeladenen auf dem streitgegenständliche Grundstück ... Eck 3 (Fl.Nr. ...). Das Vorhabengebäude der Beigeladenen ragt mit seinem rückwärtigen Seitengebäude in einen schmalen Hinterhof zwischen ...str. 2, 4, Fl.Nrn. ..., ... und dem Grundstück der Beigeladenen, Fl.Nr. ...

Mit Bauantrag vom 8. Oktober 2013 nach Plannr. ... beantragte die Beigeladene die Genehmigung für Umbau, Sanierung und Erweiterung des Vorder- und Rückgebäudes mit Nutzungsänderung in Teilbereichen von Büro zu Wohnen und den Einbau einer Tiefgarage im Kellergeschoß, ... Eck 3, Fl.Nr. ... in ... Nach den eingereichten Plänen ist u. a. vorgesehen, den bisher eingeschossigen südlichen Teil des Seitengebäudes terrassenförmig mit einer Traufhöhe von 12,49 m und 15,84 m bis 18,96 m aufzustocken und unmittelbar zum Grundstück ... Eck 5, Fl.Nr. ... an die dortige Brandwand anzuschließen. Das Vordergebäude soll mit seiner Rückseite um ca. 2 m in den Innenhof vorrücken, so dass es an das Nachbargebäude der Antragstellerin, ... Eck 1, Fl.Nr. ... bündig anschließt.

Zur baulichen Situation auf den Grundstücken sowie zur Umgebungsbebauung siehe folgenden Lageplan 1:1.000. Der Plan ist aufgrund des Einscannens möglicherweise nicht mehr maßstabsgetreu.

Bild

Am ... Mai 2014 erteilte die Antragsgegnerin der Beigeladenen unter dem Aktenzeichen ... die beantragte Baugenehmigung für das Grundstück ... Eck 3, Fl.Nr... In der Baugenehmigung wurden unter anderem folgende Befreiungen und Abweichungen erteilt: Unter Nr. 1: Befreiung gemäß § 31 Abs. 2 BauGB wegen Überschreitung der rückwärtigen Baugrenze durch Anbau am Vordergebäude sowie im Dachgeschoss. Unter Nr. 5: Abweichung gemäß Art. 63 Abs. 1 BayBO von Art. 6 Abs. 2 Satz 1 BayBO wegen Nichteinhaltung erforderlicher Abstandsflächen zu den Nachbargrundstücken Fl.-Nr. ..., ... und ... durch den nördlichen Teil des Seitengebäudes um insgesamt ca. 232 m2. Unter Nr. 7: Abweichung gemäß Art. 63 Abs. 1 BayBO von Art. 6 Abs. 2 Satz 1 BayBO wegen Nichteinhaltung erforderlicher Abstandsflächen zu den Nachbargrundstücken Fl.-Nr. ... und ... durch den südlichen Teil des Seitengebäudes um insgesamt ca. 91 m2. Zu den Nrn. 5 und 7 wurde ausgeführt, dass der Schutzzweck der Abstandsflächenvorschriften, Gewährleistung einer ausreichenden Belichtung, Belüftung und Besonnung sowohl der neu beantragten wie der bestehenden Wohnnutzungen sowohl auf dem Baugrundstück wie auf den betroffenen Nachbargrundstücken erreicht sei. Da die bestehenden Nachbargebäude ihrerseits das Baugrundstück mit Abstandsflächen belasteten, sei auch dem Gebot nachbarlicher Rücksichtnahme ausreichend Rechnung getragen.

Eine Nachbarausfertigung der Baugenehmigung wurde der Hausverwaltung der Antragstellerin, WEG ... Eck 1, am 17. Mai 2014 mit Postzustellungsurkunde zugestellt.

Mit Schriftsatz vom 17. Juni 2014, am selben Tag per Fax bei Gericht eingegangen, erhoben die Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin Klage gegen die der Beigeladenen erteilten Baugenehmigung vom ... Mai 2014. Mit Schriftsatz vom 1. August 2014 beantragten sie,

die aufschiebende Wirkung der mit Schriftsatz vom 17.06.2014 erhobenen Anfechtungsklage (Az. M 8 K 14.2601) gegen den Baugenehmigungsbescheid der ... vom ...05.2014 (Az: ...) anzuordnen.

Zur Begründung wurde ausgeführt, das Bauvorhaben der Beigeladenen verstoße gegen die nachbarschützenden Vorschriften des Abstandsflächenrechts. Der streitgegenständliche Baugenehmigungsbescheid vom ... Mai 2014 berücksichtige in den Nrn. 5 und 7 lediglich die durch den südlichen und den nördlichen Teil des Rückgebäudes verursachten Abstandsflächen. Nicht berücksichtigt seien die in Richtung Süden/Südosten aufgrund der rückseitigen Erweiterungen des straßenseitigen Bestandsgebäudes sowie aufgrund der Erhöhung der südlichen Außenwand des straßenseitigen Vordergebäudes auf 21,51 m anfallenden Abstandsflächen. Hierfür seien keine Abweichungen erteilt worden. Das führe bereits zur Rechtswidrigkeit der Baugenehmigung. Weiter seien die in Ziffern 5 und 7 in Ansehung des nördlichen und des südlichen Teils des Seitengebäudes erteilten Abweichungen ermessensfehlerhaft. Es fehle an der detaillierten Auseinandersetzung mit den Auswirkungen der geplanten Bebauung. Auch eine Darlegung, inwieweit seitens des klägerseitigen Grundstücks ein vergleichbarer Abstandsflächenverstoß gegenüber dem Baugrundstück vorliege, sei nicht erfolgt. Daher sei sogar von einem Abwägungsausfall auszugehen. Das genehmigte Bauvorhaben überdecke mit seinen Abstandsflächen gut das gesamte klägerische Grundstück, während für das antragstellerseitige Grundstück Abstandsflächen nur geringfügig auf dem Baugrundstück der Beigeladenen anfielen. Durch die genehmigte Bebauung würden die Belichtung, Belüftung und Besonnung in erheblichem und unzumutbarem Umfang verschlechtert. Das antragstellerseitige Grundstück sei durch die vorhandene Situation bereits stark vorbelastet, die einzige Richtung für Belichtung und Belüftung sei Süd bzw. Südwest, genau hier solle nun die vier- bis sechsgeschossige Erweiterung des Seitengebäudes erfolgen. Durch diese Baumaßnahmen werde das Grundstück beinahe von jeglicher Belichtung und Belüftung abgeschottet. Dies sei weder in der Baugenehmigung noch bei der Ermessensausübung berücksichtigt worden. Selbst bei offenen Erfolgsaussichten überwiege das Interesse der Antragstellerin, da sonst Tatsachen geschaffen würden, die kaum mehr rückgängig gemacht werden könnten.

Mit Schreiben vom 14. August 2014 beantragte die Antragsgegnerin,

den Antrag abzulehnen.

Die Baugenehmigung verletze keine Nachbarrechte. Zur Begründung werde auf die Ausführungen im Baugenehmigungsbescheid und den Akteninhalt verwiesen.

Mit Schriftsatz vom 12. August 2014 beantragten die Bevollmächtigten der Beigeladenen,

den Antrag abzulehnen.

Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass das bestehende fünfgeschossige Seitengebäude der Beigeladenen bereits jetzt den nördlichen Teil der Freifläche des Grundstücks der Antragstellerin vollständig überdecke und sich damit aus dem Bauvorhaben keine Verschlechterung ergäbe. Allein im südlichen Teil dieser Freifläche, der nur als Müllabstellplatz bzw. als Fahrradabstellfläche genutzt werde, ergäbe sich in geringem Umfang eine zusätzliche Verschattung. Die der Beigeladenen erteilten Abweichungen von den Abstandsflächen seien rechtmäßig. Es läge eine atypische Situation wegen der sehr dicht gedrängten innerstädtischen Bebauung vor. In der gesamten Umgebung seien gegenseitigen Abstandsflächenüberlagerungen vorzufinden, nirgendwo seien die erforderlichen Abstandsflächen eingehalten. Diese Atypik werde durch den Grundstückszuschnitt verstärkt. Es werde nur das Bestandsgebäude saniert und in gegenüber der Antragstellerin nicht abstandsrelevanter Weise erweitert. Soweit es durch das hinzukommende südliche Seitengebäude zu einer zusätzlichen Verschattung der Freifläche komme, so werde diese Fläche nur als Abstellplatz genutzt, eine Bebauung scheide aus. Auch nach Errichtung des neuen südlichen Teils des Seitengebäudes werde die Süd-West-Fassade der Antragstellerin nicht unzumutbar verschattet, denn der neue Gebäudeteil liege seitlich und sei deutlich abgesetzt. Durch die Terrassierung sei weiterhin ein Lichteinfall von 45 Grad möglich. Mögliche abstandsrechtliche Mängel des Ausgangsbescheids könnten durch einen Nachgangsbescheid jederzeit behoben werden.

Mit Schriftsatz vom 15. September 2014 erwiderten die Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin, der von der Beigeladenen vorgelegte Abstandsflächenplan (Anlage BE 4) zeige deutlich, dass bereits die im Bereich des Vordergebäudes geplanten Maßnahmen zu einer maßgeblichen Erhöhung der von dort anfallenden Abstandsflächentiefe führen würden. Im Dachgeschoss würde nunmehr eine Wohnnutzung mit Dachterrasse realisiert. Hierbei handele es sich um eine abstandsflächenrechtlich relevante Nutzungsänderung, die eine abstandsflächenrelevante Neubetrachtung erforderlich mache (vgl. BayVGH, B. v. 19.02.2004 - 26 ZB 03.1559 - juris). Die erteilten Abweichungen seien lediglich pauschal und gänzlich ohne Einzelfallbetrachtung erfolgt. Die getroffenen Abweichungsentscheidungen gingen davon aus, dass das Gebäude der Antragstellerin das Baugrundstück ebenfalls in etwa gleichwertig mit Abstandsflächen belaste. Dies sei unzutreffend. Nicht alle in abstandflächenrechtlicher Hinsicht erforderlichen Abweichungen seien erteilt worden (Anlage BE 4). Der Fall normwidriger Unterlassung einer notwendigen Abweichung stehe dem Fall einer normwidrig erteilten Abweichung gleich (vgl. VG Würzburg, B. v. 03.09.2012 - W 5 S 12.729 - juris mit Verweis auf Simon/Busse Art. 66 BayBO Rn. 587 m. w. N.). Bereits deshalb sei die erteilte Baugenehmigung rechtswidrig. Es sei zwar richtig, dass das antragstellerseitige Grundstück bereits durch Abstandsflächen in östlicher, nördlicher und westlicher Richtung stark vorbelastet sei. Hieraus könne aber nicht der Schluss gezogen werden, dass eine weitere Verschlechterung der Abstandsflächensituation unproblematisch möglich sei. Ganz im Gegenteil führe die bestehende Vorbelastung zu einer gesteigerten Schutzbedürftigkeit des antragstellerseitigen Grundstücks. Die Überschneidung von bis zu 3 Abstandsflächen aus drei verschiedenen Richtungen zeige die einkesselnde Wirkung des Bauvorhabens. Eine ausreichende Belichtung, Besonnung, Belüftung sowie Sozialfrieden und Sozialabstand könnten daher nicht mehr gewährleistet werden. Nach Realisierung des Bauvorhabens werde das Grundstück der Antragstellerin künftig von beiden Längsseiten von einer Bebauung mit erheblicher Höhenentwicklung ohne Einhaltung der eigentlich erforderlichen Abstandsflächen geradezu eingekesselt. Gerade in den Wintermonaten werde mit einem niedrigen Sonnenstand die Belichtung und Besonnung aus südwestlicher bis südlicher Richtung erheblich beeinträchtigt. Die für die erteilten abstandsflächenrechtlichen Abweichungen erforderlichen Tatbestandsvoraussetzungen würden nicht vorliegen und von einer ordnungsgemäßen Ermessensausübung könne ebenfalls nicht ausgegangen werden. Es fehle bereits an der erforderlichen atypischen Fallgestaltung. Der streitgegenständliche Bescheid setze sich mit dem Vorliegen einer atypischen Fallgestaltung nicht im Ansatz auseinander, ferner fehle eine einzelfallbezogene Betrachtung. Zahlreiche Aspekte würden überhaupt nicht in das Ermessen eingestellt, so dass von einem Ermessensausfall auszugehen sei.

Mit Schriftsatz vom 29. September 2014 ergänzten die Prozessbevollmächtigten der Beigeladenen, dass entgegen den Ausführungen der Antragstellerin das Vordergebäude und der bereits bestehende nördliche Teil des rückwärtigen Seitengebäudes nicht aufgestockt würden. Es werde lediglich die Dachform abgeändert. Die streitgegenständliche Planung stelle eine Verbesserung der bisherigen Nachbarsituation dar. Die „neuen“ Dachterrassen seien deutlich von der Dachkante zurückgesetzt, die künftige Dachwohnung erhalte mit Ausnahme des Dachaustritts (bereits als Dachgaube vorhanden) auch künftig nur Dachflächenfenster. Diese seien ebenfalls deutlich von der Dachkante abgesetzt. Soweit eine Neubetrachtung der Abstandsflächen erforderlich gewesen sei, habe man dies entsprechend berücksichtigt. Die Abstandsflächen seien im genehmigten Abstandsflächenplan dargestellt und die insoweit erforderlichen Abweichungen erteilt. Soweit die Antragstellerin meine, dass die für die östliche Außenwand des rückwärtigen Seitengebäudes anfallenden Abstandsfläche erforderliche Abweichung übersehen worden sei, werde auf den genehmigten Abstandsflächenplan verwiesen. Dort seien die Abstandsflächen insbesondere im Bereich der Dachgeschossänderung sowie der Dachterrasse eingetragen und soweit hierfür erforderlich auch die entsprechenden Abweichungen gegenüber dem Grundstück der Antragstellerin erteilt worden. Dem Verschattungsszenario am 21.12. jeden Jahres für ein zunächst noch umfänglicheres und höher geplantes Neubauvorhaben auf dem streitgegenständlichen Grundstück könne entnommen werden, dass die Belichtungssituation um 9.00 Uhr und um 12.00 Uhr am Gebäude der Antragstellerin ausschließlich durch die Bebauung auf den Grundstücken Fl.Nrn. ... und ... bestimmt werde. Das gesamte rückwärtige Seitengebäude spiele hingegen keine Rolle.

Mit Schriftsatz vom 21. Oktober 2014 ergänzten die Bevollmächtigten der Beigeladenen ihre Ausführungen. Die Beigeladene habe zwischenzeitlich einen Antrag hinsichtlich der vom Vordergebäude nach Süden anfallenden Abstandsflächen gestellt. Diese Abweichungen könnten auch unter Nachbargesichtspunkten erteilt werden. Die wegen des atypischen Grundstücksverlaufs zusätzlich vom streitgegenständlichen Vordergebäude auf die Freifläche fallenden Abstandsflächen überlagerten lediglich die Abstandsflächen des Gebäudes der Antragstellerin. Der Kommunanschluss des Vordergebäudes in gleicher Tiefe an das Gebäude der Antragstellerin sei planungsrechtlich zulässig. Dürfe an der Grundstücksgrenze gebaut werden, ginge das nach Art. 6 Abs. 1 Satz 3 BayBO dem landesrechtlichen Abstandsflächenrecht vor.

Mit Schriftsatz vom 22. Oktober 2014 führten die Bevollmächtigten der Antragstellerin aus, im Dachgeschoß des Vordergebäudes sei nunmehr eine Wohnnutzung vorgesehen, wofür die Wandhöhe abstandsflächenrelevant erhöht werde. Gleiches gelte für das Seitengebäude. Auch die südwestliche Außenwand des Vordergebäudes solle abstandsflächenrelevant verschoben werde. Damit belasteten die geplanten Baumaßnahmen die abstandsflächenrechtliche Situation zulasten der Antragstellerin erheblich. Weiter dürfe die abstandsflächenrechtliche Situation nicht isoliert auf die Mehrung der Abstandsfläche vor der südlichen Außenwand des Vordergebäudes beschränkt werden. Vielmehr müsse gerade die Summenwirkung der aus Richtung Nordwesten anfallenden Abstandsflächen durch das bestehende/neue Seitengebäude berücksichtigt werden. Die Errichtung des neuen Seitengebäudes verschärfe die abstandsflächenrechtliche Situation dabei erheblich.

Wegen des Umfanges der geplanten Maßnahmen sei eine vollständige neue Abstandsflächenbetrachtung erforderlich. Dass dies im Rahmen der Baugenehmigung erfolgt sei, sei wegen der lediglich formelhaften Begründung nicht nachvollziehbar. Die wechselseitigen Abstandsflächen stünden gerade im Bereich des neuen Rückgebäudes außerhalb jeden Verhältnisses. Auf das Erfordernis eines quantitativen Vergleiches sei bereits im Schriftsatz vom 15. September 2014 hingewiesen worden. Auch das von der Beigeladenen dazu zitierte Urteil des erkennenden Gerichts vom 7. Oktober 2013 postuliere das Erfordernis eines quantitativ wie qualitativ vergleichbaren wechselseitigen Abstandsflächenverstoßes als Grundlage für eine Abweichungserteilung. Die Erteilung der erforderlichen Abweichungen sei auch nicht nachholbar. Auch in einem dicht bebauten Innenstadtbereich sei bei Erteilung von Abweichungen stets eine einzelfallbezogene Betrachtung vorzunehmen, die hier fehle. Nach den Grundsätzen der Entscheidung des Gerichts vom 27. Februar 2012 führe die Nichtausübung des Ermessens und das Fehlen der erforderlichen Einzelfallbetrachtung zur Rechtswidrigkeit der Baugenehmigung. Auch bei einer Höhenreduzierung der Erweiterung des Seitengebäudes sei von der Möglichkeit einer adäquaten Grundstücksausnutzung auszugehen. Das Abstellen auf die Verschattungswirkung greife zu kurz, es käme nicht nur auf die Besonnung, sondern gerade auch auf adäquate Belichtungsverhältnisse an. Im vorliegenden Fall würde das Grundstück der Antragstellerin auf beiden Seiten durch eine erhebliche Bebauung eingeklammert. Gleiches gelte für den ebenfalls abstandsflächenrechtlich geschützten Sozialfrieden, da sich wegen der Dachterrassen erhebliche Einblickmöglichkeiten auf das Grundstück der Antragstellerin ergäben.

Mit Schreiben vom 24.10.2014 teilten die Bevollmächtigten der Beigeladenen mit, dass bis zum Erlass des beantragten Nachgangsbescheids keine Baumaßnahmen ausgeführt würden, durch die die Rechte der Nachbarn beeinträchtigt werden könnten.

Mit Nachgangsbescheid vom ... Oktober 2014 verfügte die Beklagten, dass

1. zwei weitere Abweichungen gem. Art 63 Abs. 1 BayBO von Art. 6 Abs. 2 BayBO zugelassen werden:

a) Eine Abweichung wegen Nichteinhaltung erforderlicher Abstandsflächen gegenüber den Grundstücken Fl.Nr. ... und ... durch die Abstandsflächen der südlichen Außenwand des Vordergebäudes, der südlichen Brüstung der auf diesem befindlichen Dachterrasse und der auf der Südseite des Vordergebäudes befindlichen Dachgaube.

b) Eine Abweichung wegen Nichteinhaltung erforderlicher Abstandsflächen gegenüber den Grundstücken Fl.Nr. ... und ... durch die Abstandsflächen der östlichen Brüstung der auf dem Vorder-/Seitengebäude befindlichen Dachterrasse.

Als Begründung zu a) und b) wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die Abweichungen unter Berücksichtigung der Absichten des Abstandsflächenrechtes - Gewährleistung einer ausreichenden Belichtung, Belüftung und Besonnung nach Würdigung der Gesamtumstände und der nachbarlichen Belange - mit den öffentlich-rechtlichen Vorschriften vereinbar seien. Zu a): Die 3 in der Abweichung genannten Bauteile lösten bei isolierter Betrachtung Abstandsflächen aus. Da das Vordergebäude schräg zur Grenze mit dem Grundstück Fl.Nr. ... verlaufe, fielen diese primär auf den Innenhof des Grundstücks ... Eck 1. Aufgrund der Schrägstellung des Vordergebäudes ... Eck 3 bestehe eine atypische Grundstückssituation. Die Antragsgegnerin sei der Auffassung, dass durch diese „Abstandsflächenerstreckung“ geschützte Nachbarrechte nicht in unzumutbarer Weise beeinträchtigt würden. Die Bauteile lösten in der Realität so gut wie keine zusätzliche Verschattung aus. Zu b): Die östliche Brüstung der Dachterrasse auf dem Vorder-/Seitengebäude löse Abstandsflächen aus, die auf die Grundstücke Fl.Nr. ... und ... fallen würden. Größtenteils lägen sie innerhalb der Abstandsflächen der Südwand des Gebäudes ... Eck 3 und würden deren Ausmaße mit einer geringfügigen Ausnahme in einer Breite von 30 cm nicht überschreiten. Aufgrund der Schrägstellung des Vordergebäudes ... Eck 3 bestehe eine atypische Grundstückssituation. Auch hier würden die geschützten Nachbarrechte nicht in unzumutbarer Weise beeinträchtigt. Die Dachterrassenbrüstung löse in der Realität so gut wie keine zusätzliche Verschattung aus, zumal sie im Norden läge und 8,4 bis 9,4 m von der Grundstücksgrenze entfernt sei.

2. Zu den in der Baugenehmigung vom ... Mai 2014 erteilten Abweichungen in Ziffern 5 bis 7 wurde die Begründung im Nachgangsbescheid vom ...10.2014 ergänzt: Zu Ziffer 5: Die für die Abweichung erforderliche atypische Situation ergäbe sich aus der beengten Innenstadtlage und dem Gebäudebestand. Der nördliche Teil des Seitengebäudes bestehe bereits, die Traufkante werde nahezu unverändert übernommen, das anschließende Dach sei wegen seines 45 Grad Winkels abstandsflächenneutral. Eine nennenswerte zusätzliche Verschattung ergäbe sich gegenüber den Nachbargrundstücken Fl. Nrn. ..., ... und ... nicht, zumal das Gebäude im Nordwesten läge, von wo aus kein direkter Lichteinfall erfolge. Die Dachterrassen auf dem nördlichen Seitengebäude seien ausreichend weit von der Dachkante abgesetzt, so dass auch der Sozialabstand nicht unzureichend verkürzt werde. Zu Ziffer 7: Die Atypik betreffe auch den südlichen Teil des Seitengebäudes. Keines der benachbarten Gebäude könne die erforderlichen Abstandsflächen einhalten. Gegenüber den Nachbarn Fl.Nrn. ... und ... würde es nicht zu unzumutbaren Beeinträchtigungen kommen, Fl.Nr. ... sei selbst grenzständig bebaut und werfe aufgrund der Höhe massiv Abstandsflächen auf das Baugrundstück, wobei aber aufgrund der Nutzungsanordnung innerhalb der Gebäude keine ungesunden Wohn- und Arbeitsverhältnisse entstünden. Der Nachbar Fl.Nr. ... sei durch die Abweichung nur hinsichtlich des südlichen Teils seiner Freifläche betroffen, die er primär als Müllabstellplatz nutze. Die erteilte Abweichung führe damit auch bei ihm nicht zu unzumutbaren Verhältnissen. Das gelte auch in Zusammenschau mit den weiteren ihm gegenüber bereits erteilten Abweichungen. Gegenüber seinem im rückwärtigen Bereich über die Südfassade belichteten Räumen befände sich eine knapp 30 m tiefe Freifläche, die auch an der Fensterkante des untersten Fensters den Mindestlichteinfallwinkel von 45 Grad deutlich unterschreite. Auch die Belichtungssituation als solche werde nicht in unzumutbarer Weise verschlechtert. Das südliche Seitengebäude sei leicht nach Westen abgesetzt und nach Süden hin abgetreppt, dadurch könne mehr Licht einfallen und es verbliebe ein zusammenhängender ca. 300 m2 großer Innenhof, der die Belichtung ausreichend gewährleiste. Andere Hofbereiche im zentralen Stadtbereich seien bei gleich hoher Bebauung wesentlich kleiner. Die Dachterrassen des südlichen Seitengebäudes seien ebenfalls von der Außenwand abgesetzt, der Abstand insbesondere zum Gebäude Fl.Nr. ... sei sehr groß. Das Gesamtvorhaben füge sich planungsrechtlich in die vorhandene Umgebung ein und trage dazu bei, den öffentlichen Bedarf nach dringend benötigtem Wohnraum zu erfüllen.

Mit Schriftsatz vom 5. November 2014 erklärten die Bevollmächtigten der Beigeladenen, dass der Gebäudebestand nicht aufgestockt und der künftige Wohnraum im Dachgeschoss zurückversetzt innerhalb des Bestandes verwirklicht werde. Die geplante Dachterrasse halte einen deutlichen Sozialabstand zur Richtung der Antragstellerin ein. Hinsichtlich des Seitengebäudes wurden die in Anlage BE 12 dargestellte Dachgestaltung und die dort angegebenen First- und Traufhöhen näher dargestellt. Es sei zutreffend, dass sich auf der rückwärtigen Freifläche der Antragstellerin zahlreiche Abstandsflächen überschnitten. Das sei aber kein unzumutbarer Ausnahmefall, vielmehr würden sich in zentralen Innenstadtlagen in nahezu allen Hofbereichen Abstandsflächen überlagern. Allein das führe nicht zur Unzumutbarkeit für den Eigentümer. Vielmehr komme es nach der Rechtsprechung darauf an, ob sich hinsichtlich der auf dem Grundstück stattfindenden Nutzungen eine unzumutbare Beeinträchtigung ergäbe. Nach den Ausführungen des BayVGH vom 8.12.2011 (15 ZB 11.1882 - juris) komme es für die Rechtmäßigkeit der Abweichung auf die konkrete aktuelle Grundstückssituation zum Zeitpunkt der Erteilung an. Im südlichen Teil der Freifläche der Antragstellerin komme es infolge der geplanten Baumaßnahmen zu weiteren Abstandsflächenüberlagerungen. Dessen gegenwärtige Nutzung sei aber Abstellplatz für Mülltonnen und Fahrräder. Diese bedürfe keiner Belichtung, der Platz sei für einen längeren Aufenthalt nicht vorgesehen. Es wäre daher ermessensfehlerhaft, der Nebennutzung dieser Freifläche gegenüber dem bestehenden Baurecht Vorrang einzuräumen. Soweit die Antragstellerin den unzureichenden Sozialabstand infolge des geplanten Dachterrassenausbaues bemängelt, so würden Gaube und Dachterrasse in Zukunft zurückversetzt und so weit vom Gebäude der Antragstellerin entfernt liegen, dass ein direkter Einblick nicht möglich sei. In zentraler Innenstadtlage könne dabei nicht mehr von einem unzureichenden Sozialabstand gesprochen werden. Dasselbe gelte auch für die im Süden angrenzende Terrasse im Seitengebäude und für die Terrassen im 3. und 4. Obergeschoß. Bei der Einhaltung der östlichen Abstandsflächen des Seitengebäudes ausschließlich auf dem Baugrundstück selbst, wäre nur noch eine eingeschossige Bebauung möglich. Angesichts des aus planungsrechtlichen Gesichtspunkten möglichen Baurechts schlösse dies eine sinnvolle Grundstücksnutzung aus. Im Übrigen seien die fehlenden Abweichungen von der Beklagten inzwischen erteilt und die Abweichungsbegründungen umfänglich ergänzt worden.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten (auch im Klageverfahren M 8 K 14.2601) sowie auf die vorgelegten Behördenakten verwiesen.

II.

Der zulässige Antrag ist unbegründet.

Nach der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nur möglichen, aber auch ausreichenden summarischen Überprüfung sprechen die überwiegenden Gründe dafür, dass das mit der streitgegenständlichen Baugenehmigung zugelassene Bauvorhaben weder in bauplanungsrechtlicher noch in bauordnungsrechtlicher Hinsicht gegen drittschützende Rechte der Antragstellerin verstößt, die im vereinfachten Baugenehmigungsverfahren zu prüfen sind, Art. 59 Abs. 1 BayBO, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.

1. Nach § 212a Abs. 1 BauGB hat die Anfechtungsklage eines Dritten gegen die bauaufsichtliche Zulassung eines Vorhabens keine aufschiebende Wirkung. Legt ein Dritter gegen die einem anderen erteilte und diesen begünstigende Baugenehmigung eine Anfechtungsklage ein, so kann das Gericht auf Antrag gemäß § 80 a Abs. 3 Satz 2 VwGO in entsprechender Anwendung von § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO die aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage ganz oder teilweise anordnen.

Beim Antrag gem. § 80 a Abs. 3 Satz 2 i. V. m. § 80 Abs. 5 VwGO trifft das Gericht eine eigene Ermessensentscheidung darüber, welche Interessen höher zu bewerten sind - die für einen sofortigen Vollzug des angefochtenen Verwaltungsakts oder die für die Anordnung der aufschiebenden Wirkung (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 18. Auflage 2012, § 80 Rn. 146; Schmidt in: Eyermann, VwGO, 14. Auflage 2013, § 80 Rn. 71). Im Rahmen dieser Interessenabwägung sind auch die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache als wesentliches, aber nicht alleiniges Indiz zu berücksichtigen (Schmidt a. a. O., § 80 Rn. 73 f.). Wird der in der Hauptsache erhobene Rechtsbehelf voraussichtlich erfolgreich sein, so wird im Regelfall die Anordnung der aufschiebenden Wirkung in Betracht kommen. Erweist sich der angefochtene Bescheid dagegen bei summarischer Prüfung als rechtmäßig, besteht ein öffentliches Interesse an dessen sofortiger Vollziehung.

Bei Würdigung der maßgeblichen Umstände ist das Interesse der Beigeladenen am Sofortvollzug der Baugenehmigung hier höher einzuschätzen als das Interesse der Antragstellerin an der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage. Es entspricht der ständigen Rechtsprechung, dass die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs dann nicht angeordnet werden muss, wenn eine Baugenehmigung zwar möglicherweise Rechte der Antragstellerin verletzt, dieser Mangel aber behebbar ist oder - wie hier - durch einen Nachgangsbescheid eine Rechtsverletzung jedenfalls für die Zukunft entfallen ist (vgl. BayVGH, B. v. 04.08.2011 - 2 CS 11.997 - juris Rn. 21; BayVGH, B. v. 08.08.2001 - 2 ZS 01.1331 - juris Rn. 8; BayVGH, B. v. 24.10.2000 - 26 ZS 99.3637 - juris Rn. 23; VG München, B. v. 12.07.2010 - M 8 SN 10.2346 - juris Rn. 74). Selbst die von der Antragstellerin zitierte Entscheidung des VG Würzburg vom 3. September 2012 (W 5 S 12.729 - juris Rn. 23) verweist auf die Kommentarliteratur, in der ausgeführt wird, dass die Verwaltungsbehörde die Abweichung nachträglich erteilen kann. Ein Rechtsschutzinteresse des Nachbarn an einer Entscheidung, dass der angefochtene Baugenehmigungsbescheid in seiner ursprünglichen Fassung rechtswidrig war, besteht dann im Allgemeinen nicht mehr (vgl. Simon/Busse Art. 66 BayBO Rn. 587 mit Verweis auf BayVGH, U. v. 1. 6. 1976 - 65 I 75 n.V.).

2. Dritte können sich gegen eine Baugenehmigung nur dann mit Aussicht auf Erfolg zur Wehr setzen, wenn die angefochtene Baugenehmigung rechtswidrig ist und diese Rechtswidrigkeit zumindest auch auf der Verletzung von Normen beruht, die gerade auch dem Schutz des betreffenden Nachbarn zu dienen bestimmt sind (BayVGH, B. v. 24.3.2009 - 14 CS 08.3017 - juris Rn. 20).

3. In bauplanungsrechtlicher Hinsicht beurteilt sich die Zulässigkeit des Vorhabens gemäß § 30 Abs. 3 BauGB nach den Festsetzungen des einfachen übergeleiteten Baulinienplanes, der für das Grundstück eine vordere Baulinie sowie eine hintere und seitliche Baugrenze festsetzt, im Übrigen nach § 34 Abs. 1 und Abs. 2 BauGB.

3.1 Es entspricht der ganz herrschenden Meinung, dass die Regelungen über das Maß der baulichen Nutzung, über die Bauweise und die Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, nicht nachbarschützend sind (vgl. BVerwG, B. v. 19.10.1995 - 4 B 215/95 - juris Rn. 3; BayVGH, B. v. 6.11.2008 - 14 ZB 08.2327 - juris Rn. 9; B. v. 12.9.2013 - 2 CS 13.1351 - juris Rn. 3).

3.2 Es liegt auch keine Verletzung des Gebots der Rücksichtnahme vor. Insoweit kann dahinstehen, ob sich dieses im vorliegenden Fall aus dem Begriff des „Einfügens“ des § 34 Abs. 1 BauGB oder aus § 34 Abs. 2 BauGB i. V. m. § 15 Abs. 1 BauNVO ableitet, da im Ergebnis dieselbe Prüfung stattzufinden hat (vgl. BayVGH, B. v. 12.9.2013 - 2 CS 13.1351 - juris Rn. 4).

Inhaltlich zielt das Gebot der Rücksichtnahme darauf ab, Spannungen und Störungen, die durch unverträgliche Grundstücksnutzungen entstehen können, möglichst zu vermeiden. Welche Anforderungen das Gebot der Rücksichtnahme begründet, hängt wesentlich von den jeweiligen Umständen des Einzelfalls ab. Je empfindlicher und schutzwürdiger die Stellung desjenigen ist, den die Rücksichtnahme im gegebenen Zusammenhang zugutekommt, umso mehr kann er eine Rücksichtnahme verlangen. Je verständlicher und unabweisbarer die mit dem Vorhaben verfolgten Interessen sind, umso weniger braucht derjenige, der das Vorhaben verwirklichen will, Rücksicht zu nehmen. Bei der Interessengewichtung spielt es eine maßgebliche Rolle, ob es um ein Vorhaben geht, das grundsätzlich zulässig und nur ausnahmsweise unter bestimmten Voraussetzungen nicht zuzulassen ist, oder ob es sich - umgekehrt - um ein solches handelt, das an sich unzulässig ist und nur ausnahmsweise zugelassen werden kann. Bedeutsam ist ferner, inwieweit derjenige, der sich gegen das Vorhaben wendet, eine rechtlich geschützte wehrfähige Position inne hat (vgl. BVerwG B. v. 6.12.1996 - 4 B 215/96 - juris Rn. 9 m. w. N.). Für eine sachgerechte Bewertung des Einzelfalles kommt es wesentlich auf eine Abwägung zwischen dem, was einerseits dem Rücksichtnahmebegünstigten und andererseits dem Rücksichtnahmeverpflichteten nach Lage der Dinge zuzumuten ist, an (vgl. BVerwG U. v. 18.11.2004 - 4 C 1/04 - juris Rn. 22; U. v. 29.11.2012 - 4 C 8/11 - juris Rn. 16; BayVGH, B. v. 12.9.2013 - 2 CS 13.1351 - juris Rn. 4).

Im vorliegenden Fall stellt sich das streitgegenständliche Vorhaben weder im Hinblick auf die gerügte Verschlechterung der Belichtung, Besonnung und Belüftung noch im Hinblick auf die gerügte einmauernde bzw. einkesselnde Wirkung noch hinsichtlich der vorgetragenen Verletzung des Sozialfriedens/Sozialabstands und schließlich auch nicht im Hinblick auf den gerügten Abstandsflächenverstoß als unzumutbar und damit rücksichtslos dar.

3.2.1 Soweit die Antragstellerin rügt, dass durch das streitgegenständliche Bauvorhaben die Belichtungs-, Besonnungs- und Belüftungssituation nachhaltig verschlechtert würde, kommt vorliegend keine Verletzung des Rücksichtnahmegebots in Betracht.

Das Gebot der Rücksichtnahme gibt dem Nachbarn nicht das Recht, von jeglicher Beeinträchtigung der Licht- und Luftverhältnisse oder der Verschlechterung der Sichtachsen von seinem Grundstück aus verschont zu bleiben. Eine Rechtsverletzung ist erst dann zu bejahen, wenn von dem Vorhaben eine unzumutbare Beeinträchtigung ausgeht (BayVGH, B. v. 22.6.2011 - 15 CS 11.1101 - juris Rn. 17). Eine Veränderung der Verhältnisse durch ein Vorhaben, das den Rahmen der Umgebungsbebauung wahrt und städtebaulich vorgegeben ist, ist aber regelmäßig als zumutbar hinzunehmen (BayVGH, B. v. 12.9.2013 - 2 CS 13.1351 - juris Rn. 6).

Im vorliegenden Fall ist bereits fraglich, inwieweit der Umbau des Dachgeschosses im Vordergebäude überhaupt zu einer zusätzlichen Beeinträchtigung der Belichtungssituation auf dem antragstellerseitigen Grundstück führt. Die Frage der Beeinträchtigung durch das rückwärtige Seitengebäude ist - wie von der Antragstellerin zutreffend ausgeführt - durch keine Verschattungsstudie zum vorliegenden Bauvorhaben abschließend geklärt. Aus dem vorgelegten Verschattungsszenario zu einem - nach Angaben der Beigeladenen - höher geplanten Bauvorhaben auf dem streitgegenständlichen Grundstück wird jedoch deutlich, dass das östlich vom Vorhabengrundstück gelegene Gebäude der Antragstellerin nicht maßgeblich - allenfalls in den Abendstunden - durch das westlich geplante Bauvorhaben beeinträchtigt wird. Solche geringfügige Beeinträchtigungen durch Schattenwurf sind jedoch hinzunehmen (vgl. BayVGH B. v. 10.12.2008 - 1 CS 08.2770 - juris Rn. 24). Dazu kommt, dass das nördliche Seitengebäude der Beigeladenen bereits seit langem besteht und von der Antragstellerin bereits seit langem hingenommen werden muss. Das rückwärtige nördliche Seitengebäude und das Vordergebäude sollen bis auf den Umbau im Dachgeschosses - bei gleichbleibender Firsthöhe des Vordergebäudes - und der Errichtung einer Dachterrasse sowie einer Dachgaube weitgehend unverändert bleiben und lediglich saniert bzw. modernisiert werden. Die Aufstockung des bisher eingeschossigen südlichen Seitengebäudes lässt ebenfalls nach den vorgelegten Bildsimulationen keine derart schwerwiegende zusätzliche Beeinträchtigung der Belichtungs-, Besonnungs-, und Belüftungssituation erkennen, die zu schlechthin unzumutbaren und nicht mehr hinnehmbaren Wohnverhältnissen führen würden. Eine solche Beeinträchtigung ist auch von der Antragstellerin nicht substantiiert dargelegt. Die Sichtachse der Antragstellerin wird durch die im Bestand vorhandene Brandschutzwand des dreigeschossigen Gebäudes auf dem Grundstück Fl.Nr. ..., ... Eck 5 bereits zum gegenwärtigen Zeitpunkt beeinträchtigt, insoweit bewirkt das Vorhaben eine zumutbare Verschlechterung der seit langem bestehenden Situation. Außerdem verbleibt auch nach Realisierung des Bauvorhabens ein Innenhofbereich mit einer Gesamtfläche von insgesamt über 300 m², so dass nach wie vor einen ausreichende Belichtungs-, Belüftungs- und Besonnungssituation gewährleistet ist.

3.2.2 In der Rechtsprechung ist darüber hinaus anerkannt, dass eine Verletzung des Rücksichtnahmegebots dann in Betracht kommt, wenn durch die Verwirklichung des genehmigten Vorhabens ein in der unmittelbaren Nachbarschaft befindliches Wohngebäude „eingemauert“ oder „erdrückt“ wird. Eine solche Wirkung kommt vor allem bei nach Höhe und Volumen „übergroßen“ Baukörpern in geringem Abstand zu benachbarten Wohngebäuden in Betracht (BVerwG, U. v. 13.3.1981 - 4 C 1/78, - juris Rn. 38: 12-geschossiges Gebäude in 15 m Entfernung zum 2,5-geschossigen Nachbarwohnhaus; U. v. 23.5.1986 - 4 C 34/85, - juris Rn. 15: Drei 11,05 m hohe Siloanlagen im Abstand von 6 m zu einem 2-geschossigen Wohnanwesen; BayVGH, B. v. 10.12.2008 - 1 CS 08.2770 - juris Rn. 23; B. v. 5.7.2011 - 14 CS 11.814 - juris Rn. 21). Hauptkriterien bei der Beurteilung einer „abriegelnden“ bzw. „erdrückenden“ Wirkung sind unter anderem die Höhe des Bauvorhabens und seine Länge sowie die Distanz der baulichen Anlage in Relation zur Nachbarbebauung. Für die Annahme der „abriegelnden“ bzw. „erdrückenden“ Wirkung eines Nachbargebäudes ist somit grundsätzlich kein Raum, wenn dessen Baukörper nicht erheblich höher ist als der des betroffenen Gebäudes, was insbesondere gilt, wenn die Gebäude im dicht bebauten innerstädtischen Bereich liegen (BayVGH, B. v. 11.5.2010 - 2 CS 10.454 - juris Rn. 5; B. v. 5.12.2012 - 2 CS 12.2290 - juris Rn. 9).

Vorliegend fehlt es bereits an einer erheblichen Höhendifferenz zwischen den Vorhabengebäuden und dem Anwesen der Antragstellerin. Durch den Dachgeschossumbau im Vordergebäude bleiben die Traufhöhe von 19,13 m und die Bestands-Firsthöhe von 24,44 m unverändert. Der rückwärtige Seitenbau soll im nördlichen Gebäudeteil eine Traufhöhe von 18,96 m und eine Firsthöhe/Flachdach von 21,81 m zuzüglich der Dachterrassenumwehrung mit 1,10 m, insgesamt demnach 22,91 m erhalten und im südlichen Seitenteil eine Traufhöhe von 12,49 m - 15,48 m. Das Gebäude der Antragstellerin weist eine Traufhöhe von 18,84 m und eine Firsthöhe von 24,21 m auf. Schon insoweit ist die im dicht bebauten innerstädtischen Bereich zur Bejahung einer abriegelnden oder erdrückenden Wirkung erforderliche erhebliche Höhendifferenz nicht gegeben. Dazu kommt, dass das rückwärtige Seitengebäude terrassenförmig abgestuft werden soll und damit ebenfalls Rücksicht auf die nachbarlichen Belange nimmt. Gerade im innerstädtischen Bereich hat ein Grundstückseigentümer kein Recht auf Beibehaltung einer ungehinderten oder bislang nur geringfügig beeinträchtigten Sicht von seinem Wohngebäude aus (vgl. BayVGH B. v. 10.12.2008 - 1 CS 08.2770 - juris Rn. 23 mit Verweis auf BVerwG vom 28.10.1993 - NVwZ 1994, 686).

Auch die gerügte Summenwirkung der Überschneidung von Abstandsflächen aus drei unterschiedlichen Richtungen auf dem antragstellerseitigen Grundstück führt zu keiner einkesselnden Wirkung. Es ist zwar zutreffend, dass der Innenhof auf dem antragstellerseitigen Grundstück nach Realisierung des südlichen rückwärtigen Seitengebäudes sowohl von Westen, wie auch von Osten und Süden von Gebäuden mit nicht unerheblicher Höhenentwicklung umgeben ist. Hierbei ist aber auch zu berücksichtigen, dass die Antragstellerin selbst durch ihr eigenes Bestandsgebäude Teil der nördlichen Begrenzung des Innenhofbereichs darstellt. Die Antragstellerin hat ihr vergleichsweise kleines Grundstück mit einem sechsgeschossigen Gebäude massiv bebaut. Die beachtliche Ausübung des eigenen Baurechts ist daher ebenfalls ursächlich für die im Geviert vorliegende intensive innerstädtische Bebauung. Ein Nachbar ist nach Erfüllung der eigenen Bauwünsche nicht berechtigt, in etwa gleichwertige Bauwünsche abzuwehren. Das streitgegenständliche Bauvorhaben ist zwar flächenmäßig größer als das Bestandsgebäude der Antragstellerin. Dies ist jedoch durch den unterschiedlichen Grundstückszuschnitt bedingt. Das Grundstück der Antragstellerin ist im Verhältnis zu seiner geringen Größe bereits ausgeprägt bebaut. Das Grundstück der Beigeladenen ist größer und kann daher auch entsprechend bebaut werden, ohne damit gegen das Gebot der Rücksichtnahme zu verstoßen. Zwar verändert das genehmigte Vorhaben die bauliche Situation im Hofbereich. Das Ergebnis stellt sich im Vergleich zum Normalfall verdichteter innerstädtischer Bebauung mit geschlossener Bauweise aber als noch hinnehmbar und für einen Durchschnittsbetrachter als nicht erdrückend dar. Nicht schon dann, wenn das angegriffene Vorhaben die Situation für den Nachbarn verändert, kann von einer erdrückenden Situation im Sinne einer Gefängnishofsituation die Rede sein, zumal sich das Anwesen der Antragstellerin jahrzehntelang dem bereits bestehenden Baukörper gegenübersah, der nunmehr im Vordergebäude und nördlichem Seitengebäude lediglich modernisiert und geringfügig verändert wird, ohne zu einer Erhöhung der Bestandsfirst- und Traufhöhe zu führen. Lediglich im südlichen Bereich kommt es durch die terrassenförmige Aufstockung des bisher eingeschossigen südlichen Seitengebäudes zu einer Vertiefung entlang der bestehenden Brandschutzwand des Gebäudes auf dem Grundstück, Fl.Nr. ..., ... Eck 5.

Insgesamt ist vorliegend daher schon aufgrund der geringen Höhendifferenz zwischen dem streitgegenständlichen Gebäudekomplex und dem Gebäude der Antragstellerin eine erdrückende bzw. einkesselnde Wirkung ausgeschlossen.

3.2.3 Soweit die Antragstellerin rügt, dass durch das streitgegenständliche Vorhaben der Sozialfrieden und Sozialabstand beeinträchtigt würden, führt dies ebenfalls zu keiner Verletzung des Rücksichtnahmegebots. Trifft eine Wohnnutzung auf eine vorhandene Wohnnutzung, dann kommt unter dem Gesichtspunkt der Nutzungsart ein Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme nur unter ganz außergewöhnlichen Umständen in Betracht (vgl. BayVGH, B. v. 12.09.2005 - 1 ZB 05.42 BayVBl. 2006, 374 - juris Rn. 19). Das Rücksichtnahmegebot gibt dem Nachbarn insbesondere nicht das Recht, vor jeglicher Beeinträchtigung, speziell vor jeglichen Einblicken verschont zu bleiben (vgl. BayVGH, B. v. 12.9.2005 a. a. O.; Sächs. OVG B. v. 23.2.2010 - 1 B 581/09 - juris Rn. 5). Gegenseitige Einsichtnahmemöglichkeiten sind im dicht bebauten innerstädtischen Bereich unvermeidlich und führen nicht automatisch zu einer Verletzung des Sozialabstands. Außerdem sind die Fenster des rückwärtigen Seitengebäudes nicht unmittelbar in Richtung des antragstellerseitigen Gebäudes ausgerichtet. Auch die Fenster auf der Rückseite des Vordergebäudes und die geplanten Loggien sind nicht unmittelbar auf das antragstellerseitige Gebäude ausgerichtet, sondern ragen vielmehr in den Innenhof und schließen bündig mit der westlichen Gebäudemauer der Antragstellerin ab, so dass dadurch keine Einblickmöglichkeiten geschaffen werden. Die geplanten Dachterrassen sind von der Gebäudekante stark zurückversetzt, so dass keine unzumutbaren Einblicke in die Fenster des antragstellerseitigen Gebäudes ermöglicht werden. Die Betroffenen können sich ferner gegebenenfalls durch das Anbringen von Jalousien, Vorhängen oder verspiegelten Fenstern behelfen. Außerdem sind die Wohnräume im Gebäude der Antragstellerin teilweise dadurch geschützt, dass ihnen ein Balkon vorgelagert ist. Im Übrigen sind die verbleibenden Sozialabstände in der vorgegebenen städtebaulichen Situation hinzunehmen, obschon damit auch Einsichtnahmemöglichkeiten einhergehen können(vgl. BayVGH U. v. 07.10.2010 - 2 B 09.328- juris Rn. 30). Ein Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme ist insoweit nicht auszumachen.

3.2.4 Soweit sich die Antragstellerin darauf beruft, das Vorhaben der Beigeladenen verletze die Abstandsflächenvorschriften des Art. 6 BayBO, ist klarzustellen, dass zwar die Einhaltung der bauordnungsrechtlichen Abstandsflächenvorschriften für das bauplanungsrechtliche Rücksichtnahmegebot in tatsächlicher Hinsicht indiziert, dass auch das planungsrechtliche Rücksichtnahmegebot im Regelfall nicht verletzt ist (vgl. BVerwG, B. v. 11.01.1999 - 4 B 128/98 - juris Rn. 4; BayVGH, B. v. 15.3.2011 - 15 CS 11.9 - juris Rn. 32). Daraus lässt sich aber nicht der Umkehrschluss ableiten, dass bei einer Verletzung der bauordnungsrechtlichen Abstandsflächenvorschriften auch eine Verletzung des bauplanungsrechtlichen Rücksichtnahmegebotes zu bejahen oder indiziert wäre (vgl. BayVGH, B. v. 22.6.2011 - 15 CS 11.1101 - juris; B. v. 6.9.2011 - 1 ZB 10.1301 - juris).

Die streitgegenständliche Baugenehmigung verstößt daher gegen keine nachbarschützenden bauplanungsrechtlichen Vorschriften.

4. Nachbarschützende bauordnungsrechtliche Vorschriften werden durch den streitgegenständlichen Bescheid vom ...05.2014 unter Berücksichtigung des Nachgangsbescheids vom ...10.2014 nach der im einstweiligen Rechtschutz nur möglichen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung ebenfalls nicht verletzt. Die bestehenden Mängel der Baugenehmigung vom ...05.2014 hinsichtlich der Abstandsflächenvorschriften sind nach summarischer Prüfung voraussichtlich in nicht zu beanstandender Art und Weise durch den Erlass des Nachgangsbescheids vom ...10.2014 geheilt worden.

4.1 Gemäß Art. 63 Abs. 1 Satz 1 BayBO kann die Bauaufsichtsbehörde Abweichungen von bauordnungsrechtlichen Anforderungen zulassen, wenn sie unter Berücksichtigung der jeweiligen Anforderung und unter Würdigung der nachbarlichen Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar sind. Der Zweck des Abstandsflächenrechts, der vor allem darin besteht, eine ausreichende Belichtung und Lüftung der Gebäude zu gewährleisten und die für Nebenanlagen erforderlichen Freiflächen zu sichern, kann regelmäßig nur dann erreicht werden, wenn die Abstandsflächen in dem gesetzlich festgelegten Umfang eingehalten werden. Da somit jede Abweichung von den Anforderungen des Art. 6 BayBO zur Folge hat, dass die Ziele des Abstandsflächenrechts nur unvollkommen verwirklicht werden, setzt die Zulassung einer Abweichung Gründe von ausreichendem Gewicht voraus, durch die sich das Vorhaben vom Regelfall unterscheidet und die die Einbuße an Belichtung und Lüftung (sowie eine Verringerung der freien Flächen des Baugrundstücks) im konkreten Fall als vertretbar erscheinen lassen. Es muss sich um eine atypische, von der gesetzlichen Regel nicht zureichend erfasste oder bedachte Fallgestaltung handeln (BayVGH, B. v. 17.07.2007 - 1 CS 07.1340 - juris Rn. 16; B. v. 04.08.2011 - 2 CS 11.997 - juris Rn. 23; B. v. 05.12.2011 - 2 CS 11.1902 - juris Rn. 3; U. v. 22.12.2011 - 2 B 11.2231 - juris Rn. 16). Diese kann sich etwa aus einem besonderen Grundstückszuschnitt, einer aus dem Rahmen fallenden Bebauung auf dem Bau- oder dem Nachbargrundstück oder einer besonderen städtebaulichen Situation, wie der Lage des Baugrundstücks in einem historischen Ortskern, ergeben. In solchen Lagen kann auch das Interesse des Grundstückseigentümers, vorhandene Bausubstanz zu erhalten und sinnvoll zu nutzen oder bestehenden Wohnraum zu modernisieren, eine Verkürzung der Abstandsflächen durch Zulassung einer Abweichung rechtfertigen. Weitere Voraussetzung ist die Vereinbarkeit der Abweichung mit den öffentlichen Belangen unter Würdigung nachbarlicher Interessen. Mit der Verpflichtung zur Würdigung nachbarlicher Interessen verlangt das Gesetz - wie bei dem bauplanungsrechtlichen Gebot der Rücksichtnahme - eine Abwägung zwischen den für das Vorhaben sprechenden Gründen und den Belangen des Nachbarn (BayVGH, B. v. 17.7.2007 - 1 CS 07.1340 - juris Rn. 17). Ob eine Abweichung von den Abstandsflächenvorschriften zugelassen werden kann, beurteilt sich dabei nicht allein danach, wie stark die Interessen des betroffenen Nachbarn beeinträchtigt werden. Es ist stets auch zu prüfen, ob die Schmälerung der nachbarlichen Interessen durch überwiegende Interessen des Bauherrn oder überwiegende öffentliche Belange gerechtfertigt ist (BayVGH, B. v. 17.7.2007 - 1 CS 07.1340 - juris Rn. 20). Von Bedeutung ist bei der Beurteilung des Vorliegens der erforderlichen Atypik insbesondere, ob eine sinnvolle Ausnutzung des Baugrundstücks unter Beachtung der Anforderungen des Art. 6 Abs. 5 BayBO unmöglich oder unzumutbar ist (BayVGH, B. v. 30.8.2011 - 15 CS 11.1640 - juris Rn. 16). In dicht bebauten innerstädtischen Bereichen ist eine atypische Situation dann anzunehmen, wenn jedwede bauliche Veränderung der historischen Bausubstanz geeignet ist, eine Abstandsflächenüberschreitung auszulösen (vgl. BayVGH, B. v. 04.08.2011 - 2 CS 11.997 - juris Rn. 23).

4.2 Eine derartige Sondersituation (Atypik) ist im vorliegenden Fall gegeben.

Das Bauplanungsrecht gibt hier eine Bebauung unter Beachtung der vorderen Baulinie und der rückwärtigen Baugrenze vor. Soll auch in diesem Bereich Instandsetzung, Aufwertung oder Erneuerung der zum Teil überalterten Bausubstanz ermöglicht werden, so kommt man nicht umhin, Ausnahmen vom generalisierenden Abstandsflächenrecht zuzulassen (vgl. BayVGH B. v. 05.12.2011 - 2 CS 11.1902 - juris Rn. 3). Dies gilt auch insbesondere deshalb, weil hier im dicht bebauten Altstadtbereich kaum ein Anwesen die Abstandsflächen wahrt. Entscheidend ist, ob sich ein Vorhaben vom normativen Regelfall unterscheidet (vgl. BayVGH vom 7.10.2010 Az. 2 B 09.328 - juris) und dies ist hier wegen der atypischen Grundstücksituation der Fall. Das streitgegenständliche Grundstück der Beigeladenen erlaubt grundsätzlich eine Bebauung, die sich im Rahmen der festgesetzten vorderen Baulinie und der rückwärtigen Baugrenze hält. Da das streitgegenständliche Grundstück an einer nicht geradlinig verlaufenden Straße situiert ist, verlaufen auch die Grundstückgrenzen schräg. Dadurch wirft das streitgegenständliche Bestandsvordergebäude unweigerlich Abstandsflächen auf das Grundstück der Antragstellerin. Die besondere Hinterhofsituation ist ebenfalls durch die nicht rechteckig verlaufenden Grundstückschnitte bedingt. Nicht nur das streitgegenständliche Grundstück, sondern auch die benachbarten Grundstücke haben einen irregulären Grundstückszuschnitt. Die Grundstücke im vorliegenden Geviert sind fast ausnahmslos massiv bebaut und weisen nur wenig Freifläche im Verhältnis zu ihrer Grundstücksfläche auf. Diese spezifische Lage des streitgegenständlichen Grundstücks im absoluten Stadtinnenzentrum mit zum Teil historischer Bausubstanz in Verbindung mit den besonderen Grundstückszuschnitten im vorliegenden Areal und der Vielzahl von Grundstücken mit vergleichsweise massiver Bebauung begründet eine atypische Situation.

4.3 Die erforderliche Abweichung von den Abstandsflächenvorschriften ist auch mit den öffentlichen und mit den geschützten nachbarlichen Belangen vereinbar.

Zwar wird durch die Verwirklichung des streitgegenständlichen Vorhabens zweifellos eine Verschlechterung der abstandsflächenrechtlich geschützten Belange der Antragstellerin - hier Belichtung und Besonnung - bewirkt. Jedoch werden die Schutzziele der Art. 3 und Art. 6 BayBO nicht dergestalt verfehlt, dass eine Abweichung mit den nachbarlichen Belangen unvereinbar wäre. Nach summarischer Prüfung überwiegen die Interessen der Beigeladenen im Rahmen der Abweichungsentscheidung. In die erforderliche Interessenabwägung ist zunächst einzustellen, dass der Um- und Ausbau auch der Schaffung von Wohnraum dient und insoweit im öffentlichen Interesse liegt (vgl. BayVGH B. v. 05.12.2011 - 2 CS 11.1902 - juris Rn. 5). Die Schaffung von Wohnraum ist zwar nicht geeignet, das Vorliegen einer atypischen Fallgestaltung zu begründen, aber - bei Vorliegen der erforderlichen Atypik - stellt die Wohnraumschaffung einen gewichtigen öffentlichen Belang dar, der im Rahmen der nach Art. 63 Abs. 1 BayBO vorzunehmenden Abwägung zu berücksichtigen ist. Außerdem musste die Antragstellerin aufgrund der vorliegenden städtebaulichen Situation damit rechnen, dass früher oder später eine der Umgebung angepasste Baulückenschließung durch die Aufstockung des eingeschossigen Seitengebäudes im rückwärtigen Bereich erfolgen würde. Darüber hinaus berücksichtigt ein Gebäude, das im Hinblick auf das Rücksichtnahmegebot eine terrassenförmige Abstufung wahrt, tendenziell auch die nachbarlichen Belange.

4.4 Die erforderlichen Abweichungen können daher von der Antragsgegnerin nach pflichtgemäßer Ermessensausübung erteilt werden. Sie hat dabei die gesetzlichen Grenzen des Art. 63 Abs. 1 Satz 1 BayBO beachtet. Das durch Art. 63 Abs. 1 Satz 1 BayBO eingeräumte Ermessen ist ein tatbestandlich intendiertes Ermessen, d. h. sind die Tatbestandsvoraussetzungen für eine Abweichung gegeben, so ist sie zuzulassen, es sei denn besondere Umstände stünden dem entgegen (vgl. BayVGH B. v. 22.07.2003 - 15 ZB 02.1233 - juris Rn. 8; Dhom in Simon/Busse, Bayerische Bauordnung, Kommentar, Stand: Januar 2014, Art. 63 Rn. 39). Denn bereits auf der Tatbestandsseite des Art. 63 Abs. 1 Satz 1 BayBO ist eine Abwägung vorzunehmen, die jeweils die vorgesehene Abweichung zu den genannten Einzelaspekten in Beziehung setzt und die betroffenen Belange untereinander koordiniert (BayVGH B. v. 22.07.2003 - 15 ZB 02.1223 - juris Rn. 8).

4.5 Die mit Bescheid vom ...05.2014 erteilten Abweichungen für das südliche und nördliche Seitengebäude sind, obschon es bei Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen des Art. 63 BayBO auf die im Bescheid angegebenen Ermessenserwägungen nicht im Einzelnen ankommt (BayVGH vom 22.7.2003, a. a. O.), vorliegend dennoch zu knapp und pauschal. Im streitgegenständlichen Bescheid vom ...05.2014 wurde bereits die Atypik nicht ausreichend dargelegt und auch die nachbarlichen und öffentlichen Belange nur formelhaften und pauschal begründet. Die erteilten Abweichungen genügten daher in ihrer Begründung nicht den zu stellenden Anforderungen. Ferner hatte die Beigeladenen nicht alle erforderlichen Abweichungen von den Abstandsflächenvorschriften im Bauantrag vom 08.10.2013 beantragt und die Beklagte nicht alle erforderlichen Abweichungen im Bescheid vom ...05. 2014 erteilt. Diese Mängel sind allerdings voraussichtlich durch den Nachgangsbescheid vom ...10.2014 behoben worden. Auch bei einer im Ergebnis unter Umständen unbedenklichen Abweichungsentscheidung muss sich die Bauaufsichtsbehörde ein Gesamtbild der von dem Vorhaben in Anspruch genommenen Abweichungen von den Abstandsflächenanforderungen gemacht haben (vgl. Jäde in Jäde/Dirnberger/Bauer/Weiß, Die neue BayBO, Kommentar, Stand: Mai 2014, Art. 63 Rn. 18, 19). Die Antragsgegnerin hat jedenfalls im Nachgangsbescheid vom ...10. 2014 eine Gesamtschau und Gesamtwürdigung der hier im vorliegenden Fall erforderlichen abstandsrechtlichen Abweichungsentscheidungen vorgenommen, da sie nicht lediglich zwei zusätzliche Abweichungen erteilt, sondern ihre bereits erteilten Abweichungen nachträglich ergänzend begründet hat.

5. Die von der Beigeladenen bei der Antragsgegnerin beantragten weiteren Abweichungen gem. Art. 63 Abs. 1 BayBO wurden mit Nachgangsbescheid vom...10.2014 nach summarischer Prüfung rechtmäßig erteilt. Die Voraussetzungen für die Zulassung einer Abweichung von den Vorgaben des Art. 6 Abs. 2 Satz 1 BayBO liegen voraussichtlich vor, da im Rahmen der Ausübung des „Abweichungsermessens“ die vorstehenden Ausführungen (unter 3.) zum Rücksichtnahmegebot gelten (vgl. BayVGH U. v. 07.10.2010 - 2 B 09.328 - juris Rn. 35).

5.1 Die geplante Dachterrasse mit Terrassenumwehrung ist nach summarischer Prüfung abstandsflächenpflichtig.

Nach Art. 6 Abs. 4 Satz 2 BayBO, der gem. Art. 6 Abs. 4 Satz 5 BayBO für Dachaufbauten gilt, ist die für die Abstandsflächenberechnung maßgebliche Wandhöhe das Maß von der Geländeoberfläche bis zum Schnittpunkt der Wand mit der Dachhaut oder bis zum oberen Abschluss der Wand. Die vorliegend zu beurteilende Dachterrassenumwehrung ist als Bestandteil der Außenwand im vorgenannten Sinn bzw. ein versetzter Außenwandteil. Oberer Bezugspunkt für die Bestimmung der Wandhöhe ist damit die Oberkante der Terrassenumwehrung.

Das Vorliegen einer Außenwand oder eines Außenwandteiles hängt grundsätzlich nicht von der Ausgestaltung der Wand ab. Nur dann, wenn bei natürlicher Betrachtungsweise die Wirkung einer Wand nicht gegeben ist, kann von einer Abstandsflächenpflicht nicht mehr ausgegangen werden (BayVGH vom 8.8.2001 Az.: 2 ZS 01.1331 - Juris; weitergehend OVG NRW vom 1.6.2007 Az.: 7 A 3852/06 - Juris: auf das jeweilige Material eines Terrassengeländers und insbesondere darauf, ob dieses offen oder transparent gestaltet ist, kommt es nicht an; a. A. Simon/Busse, BayBO, Stand: Januar 2014, Art. 6, Rn. 180, für eine überwiegend lichtdurchlässig ausgeführte Dachterrassenumwehrung).

Die geschlossene Einfassung der Dachterrasse, die einen Austritt im Dachspitz des Vordergebäudes erhalten soll, hat eine Gesamtlänge von ca. 8,7 m an der nördlichen Außenwand des Vordergebäudes und ca. 5 m an der östlichen Außenwand des nördlichen rückwärtigen Seitengebäudes sowie eine Höhe von 1,10 m (abgegriffen aus dem genehmigten Abstandsflächenplan). Diese Einfriedung ragt über die Dachfläche hinaus und ist nicht Bestandteil des Daches, sondern tritt vielmehr optisch deutlich wahrnehmbar in Erscheinung. Ein zur Verneinung einer Abstandsflächenrelevanz führender Ausnahmefall ist nach diesen Umständen voraussichtlich nicht gegeben.

Die beantragte Abweichung wurde mit Nachgangsbescheid vom ...10.2014 voraussichtlich rechtmäßig erteilt.

5.2 Die geplante Dachgaube auf der südlichen Dachseite des Vordergebäudes bleibt gem. Art. 6 Abs. 8 Nr. 3 BayBO nur dann bei der Bemessung von Abstandsflächen außer Betracht, wenn es sich um eine untergeordnete Dachgaube handelt. Dies ist hier aber nicht der Fall, da die geplante Dachgaube mit einer Breite von etwa 4 m und einer Höhe von 2,34 m eine Ansichtsfläche von deutlich über 4 m² hat, so dass die Tatbestandsvoraussetzungen des Art. 6 Abs. 8 Nr. 3 b BayBO nicht erfüllt sind.

Mit Antrag vom 22.10.2014 hat die Beigeladene ebenfalls die Erteilung einer Abweichung von den Abstandsflächenvorschriften für die Dachgaube beantragt und die Antragsgegnerin eine entsprechende Abweichung mit Nachgangsbescheid vom ...10.2014 für die Dachgaube erteilt.

5.3 Soweit durch den bündigen Anschluss der südlichen Rückwand des Vordergebäudes die zum Teil mit Loggien versehene Rückwand um 2 m tiefer in den Innenhof hineinragt, ist dies gem. Art. 6 Abs. 1 S. 3 BayBO als Grenzanbau zulässig. Nach Art. 6 Abs. 1 S. 3 BayBO ist vor Außenwänden, die an Grundstücksgrenzen errichtet werden, keine Abstandsfläche erforderlich, wenn nach planungsrechtlichen Vorschriften an die Grenze gebaut werden muss oder gebaut werden darf.

Nach dem vorliegenden Lageplan ist die geschlossene Bauweise im vorliegenden Geviert vorherrschend. Die Antragsgegnerin hat für den geplanten bündigen Anschluss des Vordergebäudes eine Befreiung gem. § 31 Abs. 2 BauGB vom festgesetzten Bauraum erteilt. Die erteilte Befreiung ist auch unter Würdigung der nachbarlichen Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar, da der Nachbar an den kommun angebaut werden soll, selbst die hintere Baugrenze überschreitet und daher selbst Auslöser für den Kommunanbau der südlichen Rückseite des streitgegenständlichen Vordergebäudes ist.

Der Grenzanbau des Vordergebäudes an das antragstellerseitige Gebäude ist somit zulässig.

5.4. Die Vertiefung der südlichen Rückwand des Bestandsvordergebäudes um 2 m und die damit teilweise Schaffung von zusätzlichem Wohnraum sowie der Anbau von Loggien kann als bauliche Veränderung abstandsflächenpflichtig sein. Wird durch einen Anbau eine neue einheitliche Außenwand hergestellt, die auch horizontal oder vertikal versetzt sein kann, so ist eine abstandsflächenrechtliche Betrachtung der gesamten Außenwand erforderlich, d. h. auch der Altbestand muss ebenso wie der hinzukommende Wandteil die Anforderungen des Art. 6 BayBO erfüllen, selbst wenn der Altbestand im Zeitpunkt seiner Errichtung keiner vergleichbaren Anforderung unterworfen war oder wenn er die zum damaligen Zeitpunkt geltenden Anforderungen erfüllt hat (vgl. Dhom in Simon/Busse, BayBO, Kommentar, Stand Januar 2014, Art. 6 Rn. 15).

Das Vorhaben bedarf daher hinsichtlich der vorgesehenen Dachgeschossänderungen im bestehenden Vordergebäude und den kommunen Wandanbau mit der damit verbundenen Vertiefung des Vordergebäudes um ca. 2 m nach der im einstweiligen Rechtschutzverfahren nur möglichen aber auch ausreichenden summarischen Prüfung voraussichtlich einer abstandsflächenrechtlichen Neubetrachtung.

Die Antragsgegnerin hat im Nachgangsbescheid vom ...10.2014 eine Abweichung gem. Art. 63 Abs. 1 BayBO von Art. 6 Abs. 2 BayBO wegen Nichteinhaltung erforderlicher Abstandsflächen durch die südliche Außenwand des Vordergebäudes, der südlichen Brüstung der auf dem Vordergebäude befindlichen Dachterrasse und der auf der Südseite des Vordergebäudes befindlichen Dachgaube erteilt.

Da im Rahmen der Ausübung des „Abweichungsermessens“ die vorstehenden Ausführungen (unter 3.) zum Rücksichtnahmegebot gelten (vgl. BayVGH U. v. 07.10.2010 - 2 B 09.328 - juris Rn. 35), erscheint es nach summarischer Prüfung überwiegend wahrscheinlich, dass die Änderungen an der Rückseite des Vordergebäudes zwar zu einer abstandsflächenrechtlichen Neubetrachtung wegen der „neuen“ Außenwand führt, aber die von der Antragsgegnerin entsprechend erteilte Abweichung gem. Art. 63 BayBO nicht zu beanstanden sein wird.

6. Soweit die Antragstellerin rügt, durch die Summenwirkung der sich von vier Seiten auf ihrem Grundstück treffenden Abstandsflächen in ihren Rechten verletzt zu sein, kann das Gericht diesem Einwand nicht folgen. Ein Fall der Erstreckung von Abstandsflächen auf das Grundstück der Antragstellerin (Art. 6 Abs. 2 Satz 2 und 3 BayBO) liegt hier gerade durch das streitgegenständliche Vorhaben nicht vor, da die erteilten Abweichungen auf eine entsprechende Verkürzung der gesetzlichen Tiefe der Abstandsfläche abzielen (vgl. BayVGH B. v. 15.11.2005 - 2 CS 05.2817 - juris Rn. 2; Dhom in Simon/Busse, BayBO, Kommentar Stand Januar 2014, Art. 63 Rn. 46).

7. Nach § 80a Abs. 3 i.V. mit § 80 Abs. 5 VwGO führt die vom Verwaltungsgericht zu treffende eigenständige Ermessensentscheidung dazu, dass die kraft Gesetzes bestehende sofortige Vollziehbarkeit der Baugenehmigung aufgrund des § 212a Abs. 1 BauGB aufrechterhalten bleiben kann.

Es erscheint unverhältnismäßig und damit ermessensfehlerhaft die aufschiebende Wirkung der voraussichtlich erfolglosen Klage der Antragstellerin anzuordnen.

Soweit die Beigeladene - wie angekündigt - vor einer endgültigen Klärung im Hauptsacheverfahren mit den Bauarbeiten beginnt, wird sie auf eigenes Risiko tätig.

7. Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 4 VwGO.

Die Sonderregelungen gem. § 155 Abs. 3 und 4 VwGO gehen der Kostenverteilung nach § 154 Abs. 1 VwGO vor (Kopp/Schenke, VwGO, Kommentar, 14. Auflage, § 154 Rn.1). Die streitgegenständliche Baugenehmigung vom ...05.2014 war ohne Berücksichtigung des zwischenzeitlich erlassenen Nachgangsbescheids vom ...10.2014 rechtswidrig, da die erteilten Abweichungen von den Abstandsflächenvorschriften gem. Art. 63 Abs. 1 BayBO trotz intendiertem Ermessen der Antragsgegnerin vorliegend zu beanstanden waren. Hinzu kommt der Umstand, dass nicht alle erforderlichen Abweichungen beantragt und genehmigt gewesen sind. Diese behebbaren Mängel rechtfertigen aufgrund des mittlerweile ergangenen Nachgangsbescheids zwar nicht die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage der Antragstellerin, führen aber zur Kostentragungspflicht der Antragsgegnerin und der Beigeladenen, die einen Sachantrag gestellt und sich damit entsprechend § 154 Abs. 3 VwGO auch einem Kostenrisiko ausgesetzt hat.

8. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 3 Nr. 2 i. V. m. § 52 Abs. 1 GKG.

Gründe

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof München

2 B 15.1431

Im Namen des Volkes

Urteil

vom 29. Oktober 2015

(VG München, Entscheidung vom 11. November 2013, Az.: M 8 K 12.3084)

2. Senat

H.-Z. als stellvertretende Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle

Sachgebietsschlüssel: 920

Hauptpunkte: Baugenehmigung, Prüfungsumfang, Abstandsflächen, Abweichung

Rechtsquellen:

Leitsätze:

In der Verwaltungsstreitsache

...

gegen

Landeshauptstadt München,

vertreten durch den Oberbürgermeister, Lokalbaukommission, Blumenstr. 19, München,

- Beklagte -

beigeladen:

1. ...,

vertreten durch den Geschäftsführer, ...

2. ...

bevollmächtigt zu 1 und 2: Rechtsanwälte ...

beteiligt:

Landesanwaltschaft Bayern als Vertreter des öffentlichen Interesses, Ludwigstr. 23, München,

wegen Baugenehmigung ..., Fl. Nr. 17139 Gemarkung ...

hier: Berufung der Beigeladenen gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 11. November 2013,

erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 2. Senat, durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgerichtshof Dösing, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Bauer, die Richterin am Verwaltungsgerichtshof Winkler aufgrund mündlicher Verhandlung vom 15. Oktober 2015 folgendes Urteil:

I.

Unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts München vom 11. November 2013 wird die Klage abgewiesen.

II.

Die Kläger tragen als Gesamtschuldner die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

III.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Kläger dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

IV.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Kläger wenden sich gegen eine der Beigeladenen zu 1 erteilte Baugenehmigung, mit der unter anderem die Errichtung eines dreigeschossigen Wohngebäudes im rückwärtigen Bereich des Grundstücks Fl. Nr. 17139 der Gemarkung M. zugelassen wurde. Dort befindet sich bislang ein Garagengebäude mit einer Länge von ca. 18 m, das zu den Grundstücken Fl. Nrn. 17159 und 17158 grenzständig errichtet wurde.

Das Nachbargrundstück Fl. Nr. 17157 steht im Eigentum einer Gemeinschaft nach dem Wohnungseigentumsgesetz. Die Kläger sind Sondereigentümer mehrerer Wohneinheiten im fünfgeschossigen Vordergebäude sowie Teileigentümer einer Gewerbeeinheit für den Betrieb einer Bäckerei mit Ladengeschäft. Die für den Betrieb genutzten Räume befinden sich im Erdgeschoss des Vordergebäudes sowie in im rückwärtigen Bereich gelegenen eingeschossigen Anbauten, die teilweise zum Vorhabensgrundstück hin grenzständig stehen.

Das Grundstück Fl. Nr. 17159, das im rückwärtigen Bereich bedingt durch einen unregelmäßigen Grenzverlauf auch eine gemeinsame Grenze auf einer Länge von ca. 11 m im Bereich der Garagen mit dem Vorhabensgrundstück aufweist, steht im Miteigentum der Kläger. Das Vordergebäude auf dem Grundstück ist dreigeschossig, während die rückwärtige Bebauung ein- und zweigeschossig errichtet wurde. Die Gebäude werden zum Teil zu Wohnzwecken und zum Teil für den Betrieb der Konditorei genutzt.

1. Mit Bescheid vom 8. Juni 2012 genehmigte die Beklagte der Beigeladenen zu 1 eine Sanierung des Anwesens und die Errichtung eines dreigeschossigen Rückgebäudes. Es wurden Abweichungen hinsichtlich der Einhaltung der Abstandsflächen zugelassen, unter anderem im Hinblick darauf, dass sich die Abstandsflächen von Vorder- und Rückgebäude überdecken.

Das Rückgebäude soll grenzständig zu den Grundstücken Fl. Nrn. 17157, 17158 und 17159 unter Abbruch des vorhandenen Garagengebäudes errichtet werden, weist jedoch größere Gebäudetiefen von ca. 15 m im Westen und ca. 8 m im Osten auf. Die unterschiedlichen Tiefen ergeben sich aus einer Verschwenkung der Gebäudefronten nach Süden hin.

Mit Bescheid vom 12. Oktober 2012 genehmigte die Beklagte der Beigeladenen zu 1 eine Änderung, die die Schaffung von zwei Wohneinheiten im Rückgebäude zum Gegenstand hat. Eine Änderung der Kubatur des Gebäudes gegenüber der bisherigen Planung ist im grenzständigen Bereich nicht vorgesehen.

Hinsichtlich der Baugenehmigung vom 8. Juni 2012 wurde mit Schreiben vom 25. Oktober 2012 ein Bauherrenwechsel auf den Beigeladenen zu 2 angezeigt.

Auf die Anfechtungsklage der Kläger hin hob das Verwaltungsgericht München mit Urteil vom 11. November 2013 die Baugenehmigung vom 8. Juni 2012 in der Fassung des Änderungsbescheids vom 12. Oktober 2012 insoweit auf, als mit ihr die Errichtung eines Wohngebäudes im rückwärtigen Grundstücksbereich genehmigt wurde. Die Baugenehmigung sei rechtswidrig und die Kläger könnten deren Aufhebung beanspruchen, weil die Genehmigung zu ihren Lasten gegen die im Verfahren zu prüfenden nachbarschützenden Vorschriften des Abstandsflächenrechts verstoße, soweit mit ihr nach Norden hin eine Grenzbebauung zugelassen werde.

2. Zur Begründung ihrer vom Senat zugelassenen Berufung machen die Beigeladenen geltend, das Verwaltungsgericht gehe zu Unrecht davon aus, dass das Abstandsflächenrecht vorliegend in vollem Umfang und bezüglich sämtlicher Außenwände des strittigen Rückgebäudes vom Regelungsgehalt der angefochtenen Bescheide umfasst sei. Tatsächlich beschränke sich der abstandsflächenrechtliche Regelungsgehalt der Baugenehmigungsbescheide hinsichtlich des Rückgebäudes auf die Überschneidung der Abstandsflächen von Vorder- und Rückgebäude. Die Ermessenserwägungen sowie die Prüfung der übrigen Voraussetzungen für die Erteilung der beantragten Abweichungen bedürften keiner Prüfung der abstandsflächenrechtlichen Situation vor den anderen Gebäudeseiten. Durch die in Richtung Süden erteilten Abweichungen würden Nachbarbelange der Kläger nicht berührt. Dass mit der Abstandsflächenverkürzung in Richtung Süden gerade die Voraussetzungen für die Situierung des Rückgebäudes geschaffen worden seien, sei unzutreffend. Mit dem Grenzabstand zu den Grundstücken der Kläger habe die erteilte Abweichung nichts zu tun. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus der Behandlung des Art. 6 Abs. 1 Satz 3 BayBO im Rahmen der Baugenehmigungsbescheide.

Es könne zwar sein, dass im Einzelfall die Rechtmäßigkeit einer abstandsflächenrechtlichen Abweichung für eine Gebäudeaußenwand auch von der Situation vor den übrigen Außenwänden abhängen kann. Dies wäre beispielsweise dann anzunehmen, wenn die Frage nach dem Verhältnis abstandsflächenrechtlicher Abweichungen einerseits und der gegebenenfalls zweimaligen Anwendung des 16-m-Privilegs nach Art. 6 Abs. 6 Satz 1 BayBO andererseits im Raum stehe. Im vorliegenden Fall stehe die erteilte Abweichung von den abstandsflächenrechtlichen Vorgaben jedoch in keinerlei Zusammenhang mit der abstandsflächenrechtlichen Beurteilung der übrigen Außenwände. Auch auf der Ebene der Ermessensausübung für die Erteilung der beantragten Abweichung für die südliche Außenwand des strittigen Rückgebäudes spiele die Situation vor den übrigen Außenwänden nicht die geringste Rolle. Der vermeintliche Verstoß gegen Art. 6 Abs. 1 Satz 3 BayBO sei daher für die Rechtmäßigkeit der angegriffenen Baugenehmigungen nicht entscheidend.

Im Übrigen lägen die Voraussetzungen für einen zulässigen Grenzanbau nach Art. 6 Abs. 1 Satz 3 BayBO vor. Diese Privilegierung greife nicht nur dann, wenn das zu beurteilende Vorhaben im abstandsflächenrelevanten Bereich unter allen planungsrechtlichen Gesichtspunkten zulässig sei. Art. 6 Abs. 1 Satz 3 BayBO räume dem Städtebaurecht vielmehr nur den Vorrang ein, soweit es die Errichtung von Gebäuden ohne Grenzabstand regele. Zu den in diesem Rahmen zu prüfenden bauplanungsrechtlichen Vorgaben gehörten daher ausschließlich solche, die unmittelbar an die Zulässigkeit oder Unzulässigkeit eines Anbaus an die Grundstücksgrenze anknüpften. Die Prüfung sämtlicher bauplanungsrechtlicher Vorgaben scheide im Rahmen des Art. 6 Abs. 1 Satz 3 BayBO dagegen aus.

Art. 6 Abs. 1 Satz 3 BayBO bezwecke die Sicherstellung, dass dem Vorrang des Bauplanungsrechts vor dem Bauordnungsrecht auch im Bereich des Abstandsflächenrechts Rechnung getragen werde. Aus diesem Grund könne er sich nur auf solche bauplanungsrechtlichen Vorgaben beziehen, die spezifisch die Gestattung oder die Verpflichtung zum Grenzanbau vorsehen. Andernfalls hätte der klagende Nachbar über die drittschützende Vorschrift des Art. 6 Abs. 1 Satz 3 BayBO die Möglichkeit, sich auf einen Verstoß gegen sämtliche Vorgaben des Bauplanungsrechts zu berufen. Hierzu gehörten dann auch solche Vorgaben, die ihrerseits nicht drittschützend seien, sondern ausschließlich städtebaulichen Zwecken dienten. So würde in Fällen einer durch Bebauungsplan festgesetzten Bebauungstiefe, der nach dem planerischen Willen der planenden Gemeinde kein Drittschutz zukommen soll, gerade dieser Bebauungstiefe Drittschutz verliehen. Dagegen rechtfertige im Fall der Bauweise gerade der Umstand, dass es sich beim Kriterium der Bauweise um eine spezifisch den Grenzanbau regelnde Materie handle, die Berücksichtigung im Rahmen des Art. 6 Abs. 1 Satz 3 BayBO. Die von Seiten des Verwaltungsgerichts vertretene Ansicht weise vor dem Hintergrund des Systems des öffentlich-rechtlichen Nachbarschutzes Wertungswidersprüche auf. Sie erweitere die nachbarliche Rechtsstellung in systemwidriger Weise.

Falls die Bebauungstiefe als Teil des bauplanungsrechtlichen Kriteriums der überbaubaren Grundstücksfläche keine bauplanungsrechtliche Vorgabe sei, die Drittschutz vermittelt und/oder spezifisch und unmittelbar an die Zulässigkeit oder Unzulässigkeit eines Anbaus an die Grundstücksgrenze anknüpft, könnten sich die Kläger auf eine vermeintliche Überschreitung einer faktisch vorhandenen Bebauungstiefe nicht berufen. Bei der Beurteilung der Frage, ob sich ein Bauvorhaben im Innenbereich hinsichtlich der Grundstücksfläche die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt, komme es auf die Grundstücksgrenzen gerade nicht an. Drittschutz entfalte eine Bebauungstiefe regelmäßig ebenfalls nicht. Im Ergebnis sei die Bebauungstiefe daher kein bauplanungsrechtliches Kriterium, das im Rahmen des Art. 6 Abs. 1 Satz 3 BayBO zu prüfen wäre. Ein vermeintlicher Verstoß gegen eine vorliegend bestehende faktische Bebauungstiefe, könne daher dem streitgegenständlichen Vorhaben nicht entgegengehalten werden. Richtig sei es vielmehr, allein auf die Bauweise abzustellen.

Ebenso wenig führe die abstandsflächenrechtliche Situation in Bezug auf das Grundstück Fl. Nr. 17157 zur Rechtswidrigkeit der angegriffenen Baugenehmigungen. Auch diese westliche Abstandsflächensituation sei nicht von der Feststellungswirkung der Baugenehmigungen umfasst. Zudem könnten sich die Antragsteller als Sondereigentümer einiger Wohnungen nur insoweit auf einen Abstandsflächenverstoß berufen, als ihr Sondereigentum betroffen sei. Ferner verstoße das Gebäude S.-straße 27 selbst in Ansehung seiner Geschossigkeit in erheblichem Umfang gegen abstandsflächenrechtliche Vorgaben, so dass sich die Kläger insoweit nach Treu und Glauben nicht auf einen vermeintlichen Abstandsflächenverstoß des geplanten Rückgebäudes berufen könnten.

Anhaltspunkte für eine Rücksichtslosigkeit des geplanten Rückgebäudes bestünden nicht. Unzumutbare Auswirkungen im Hinblick auf die Belichtung der Wohnungen des Anwesens S.-straße 27 seien nicht zu besorgen. Soweit sich die Kläger auf unzumutbare Einwirkungen durch Lärm und Geruch beriefen, sei der Vortrag unsubstantiiert. Zudem seien die Räumlichkeiten des Rückgebäudes und gerade die Fenster ausschließlich in Richtung Süden geplant, also von der Bäckerei der Kläger weg ausgerichtet. Nach dem Vortrag der Kläger seien die maßgeblichen Geräuschquellen auch erst ab 6.00 Uhr morgens zu besorgen, so dass diese nur in den Tageszeitraum fielen.

Die Beigeladenen beantragen:

1. Das Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 11. November 2013 wird aufgehoben.

2. Die Klage wird abgewiesen.

3. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.

Die Kläger beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Zu Unrecht seien die Beigeladenen der Auffassung, dass bei Erteilung einer Abweichung von den Abstandsflächen im Sinn von Art. 59 BayBO nur die konkreten Abstandsflächen, von denen abgewichen wird, Gegenstand der behördlichen Prüfung seien. Art. 59 BayBO erweitere jedoch den Prüfungsumfang der Baubehörde auf beantragte Abweichungen im Sinn von Art. 63 Abs. 1 und 2 Satz 2 BayBO. Damit bringe das Gesetz zum Ausdruck, dass der Prüfungsumfang durch die beantragte Abweichung bestimmt werde, d. h. alle im Abweichungsverfahren zu beachtende Gesichtspunkte Gegenstand der Prüfung seien. Die Beurteilung, ob eine Abweichung von den Abstandsflächen gewährt werden könne, erfordere eine Gesamtbeurteilung der abstandsflächenrechtlichen Situation in Bezug auf die Mindestabstandsflächen gemäß Art. 6 Abs. 5 Satz 1 BayBO.

Zu Unrecht behaupteten die Beigeladenen, dass hier das streitgegenständliche Bauvorhaben im abstandsrelevanten Bereich unter planungsrechtlichen Gesichtspunkten zulässig sei. Allein das Vorhandensein grenzständiger Gebäude sei planungsrechtlich nicht ausreichend für die Beurteilung, ob hier - auch in Bezug auf das streitgegenständliche Bauvorhaben - auf die Beachtung von Abstandsflächen verzichtet werden könne. Art. 6 Abs. 1 Satz 3 BayBO beschränke den Prüfungsumfang der hier relevanten planungsrechtlichen Vorschriften nicht auf diejenigen, welche im Zusammenhang einer etwaigen zulässigen Grenzbebauung stünden.

Das Maß der baulichen Nutzung bestimme sich durch eine Vielzahl von möglichen planungsrechtlichen Vorgaben. Insbesondere könne durch Baulinien der Anbau an die Grundstücksgrenze gefordert werden. Eine im inneren Bauquartier nachvollziehbare Baulinie sei jedoch nicht zu erkennen. Ferner könne durch Bauräume, die über Grundstücksgrenzen hinweg gehen, im Zusammenhang mit der Festsetzung von geschlossener oder halb offener Bauweise, eine planungsrechtliche Vorgabe für eine grenzständige Bebauung gegeben werden. Die vorhandene städtebauliche Struktur gebe dies offensichtlich für die straßenbegleitende Bebauung als Blockrandbebauung vor, jedoch nicht im Blockinneren.

Fänden sich die vorgenannten Kriterien hier nicht, so sei zu fragen, ob durch entsprechende sonstige planungsrechtliche Vorgaben städtebaulich veranlasste grenzständige Bebauungen im Blockinneren zulässig sein sollen. Nachvollziehbar habe das Erstgericht das Bauquartier städtebaulich durch rückwärtige Baulinien bzw. Bebauungstiefen konkretisiert. Insofern werde ein städtebauliches Element zur Anwendung gebracht, welches planungsrechtlich auch im Zusammenhang mit einer etwaigen grenzständigen Bebauung stehe. Es werde deshalb bestritten, dass hier die Frage der Bebauungstiefe keine planungsrechtliche Vorschrift sei, wonach beurteilt werden könne, ob an die Grenze gebaut werden müsse oder gebaut werden dürfe.

Hinsichtlich des Gebots der Rücksichtnahme führen die Kläger aus, dass an der Grundstücksgrenze ein 8,13 m hoher und ca. 15 m langer Baukörper geplant sei, der das Terrassen-Niveau des klägerischen Anwesens um 4,05 m überrage. Werde als Maßstab zulässiger Grenzbebauung Art. 6 Abs. 9 BayBO heranzogen, so werde das Höhenmaß um 1,05 m und das Längenmaß um 6 m überschritten. Insofern besitze das Bauvorhaben in Bezug auf das klägerische Grundstück, hier in Bezug auf die Terrassennutzung, erdrückende Wirkung. Hinzu komme, dass durch die Grenzbebauung der Betrieb des Sohnes der Kläger eine erhebliche Einschränkung erfahren werde. Im erdgeschossigen Anbau auf dem klägerischen Grundstück befinde sich eine Backstube mit entsprechenden Abluftanlagen über der darüber befindlichen Terrasse. Aufgrund der unmittelbaren Nähe sei daher mit Geruchsbelästigungen in Bezug auf die Bewohner des streitgegenständlichen Neubaus zu rechnen.

Die Landesanwaltschaft Bayern als Vertreter des öffentlichen Interesses vertritt die Auffassung, dass zum notwendigen Prüfprogramm des Art. 59 Satz 1 Nr. 2 BayBO nur die tatsächlich beantragten Abweichungen zählen. Voraussetzung für die ordnungsgemäße Ermessensausübung hierbei sei aber die vollständige Ermittlung des entscheidungserheblichen Sachverhalts und dessen Einstellung in die Ermessenserwägungen. Im Rahmen von Abweichungen im Abstandsflächenrecht dürfe dabei nicht nur die nachbarliche Beziehung betrachtet werden, sondern die Bauaufsichtsbehörde müsse sich ein Gesamtbild der von dem Vorhaben in Anspruch genommenen Abweichungen gemacht haben. Auch die Ermessenserwägungen könnten sich aber nur auf die beantragte Abweichung beziehen, so dass nicht alle öffentlich-rechtlich geschützten nachbarlichen Interessen berücksichtigt, sondern vielmehr die Belange gewürdigt werden, die von der Vorschrift, von der abgewichen werden soll, geschützt werden. Abgewichen werde vorliegend nur von der Einhaltung der Abstandsflächen der südlichen Gebäudewand des Rückgebäudes, so dass sich die Betrachtung hierauf beschränke.

In Art. 6 Abs. 1 Satz 3 BayBO komme der planungsrechtliche Vorbehalt, unter dem das Abstandsflächenrecht stehe, zum Ausdruck. Das Planungsrecht genieße den Vorrang vor den abstandsflächenrechtlichen Vorschriften, wenn nach Planungsrecht an die Grenze gebaut werden müsse oder dürfe. Dieser planungsrechtliche Vorbehalt könne aber nur den Vorhaben eingeräumt werden, die auch dem Planungsrecht entsprechen. Die planungsrechtliche Privilegierung solle demnach nur ein Vorhaben in Anspruch nehmen können, das danach auch insgesamt zulässig sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Behördenakten sowie die Niederschriften über die Einnahme eines Augenscheins vom 25. August 2015 und die mündliche Verhandlung vom 15. Oktober 2015 verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung (§ 124 Abs. 1 VwGO) der Beigeladenen ist begründet. Die angefochtene Baugenehmigung vom 8. Juni 2012 in der Fassung der Änderungsgenehmigung vom 12. Oktober 2012, soweit mit ihr die Errichtung eines Rückgebäudes zugelassen wird, verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts vom 11. November 2013 ist somit die Klage abzuweisen.

1. Die Kläger sind als Miteigentümer des Nachbargrundstücks Fl. Nr. 17159 gemäß § 42 Abs. 2 VwGO klagebefugt. Hinsichtlich des Grundstücks Fl. Nr. 17157 sind sie als Sondereigentümer insoweit klagebefugt, als die Baugenehmigung vom 8. Juni 2012 in der Fassung vom 12. Oktober 2012 ihre Rechte aus dem Sondereigentum verletzen kann. Dies ist dann der Fall, wenn das bauplanungsrechtliche Rücksichtnahmegebot unmittelbar das Sondereigentum betrifft (vgl. BayVGH, U. v. 12.7.2012 - 2 B 12.1211 - BayVBl 2013, 51). Die Kläger sind insoweit betroffen, als sie die Sondereigentümer einer Wohneinheit im fünfgeschossigen Vordergebäude sind, die eine Terrasse zum Bauvorhaben hin aufweist. Ferner sind sie als Teileigentümer der Gewerbeeinheit für den Betrieb einer Bäckerei mit Ladengeschäft klagebefugt, soweit das bauplanungsrechtliche Rücksichtnahmegebot inmitten steht.

2. Die Anfechtungsklage der Kläger ist jedoch nicht begründet. Soweit der Prüfungsumfang des Art. 59 BayBO reicht, verletzt die Baugenehmigung vom 8. Juni 2012 in der Fassung des Änderungsbescheids vom 12. Oktober 2012 hinsichtlich des strittigen Rückgebäudes die Kläger nicht in ihren Rechten. Nachbarschützende Vorschriften des Abstandsflächenrechts sind insoweit nicht zu ihren Lasten betroffen. Ebenso wenig wird das bauplanungsrechtliche Rücksichtnahmegebot verletzt.

2.1. Im vorliegenden Fall wurde ein vereinfachtes Genehmigungsverfahren nach Art. 59 BayBO durchgeführt. In dessen Rahmen sind neben den bauplanungsrechtlichen Vorschriften die Anforderungen des Abstandsflächenrechts nur zu prüfen, soweit Abweichungen nach Art. 59 Satz 1 Nr. 2 BayBO beantragt wurden.

Hier wurden hinsichtlich des allein noch strittigen Rückgebäudes im Baugenehmigungsbescheid vom 8. Juni 2012 Abweichungen im Sinn von Art. 63 Abs. 1 Satz 1 BayBO nur bezüglich des Verhältnisses zum Vordergebäude auf dem Baugrundstück und bezüglich gegenüberliegender Gebäudeteile des Rückgebäudes auf dem Baugrundstück beantragt und erteilt. Sonstige Abweichungen nach Art. 63 Abs. 2 Satz 1 BayBO wurden im Hinblick auf das Rückgebäude nicht erteilt. Die das Vordergebäude betreffenden Abweichungsentscheidungen im Baugenehmigungsbescheid vom 8. Juni 2012 haben Bestandskraft erlangt. Die Frage nach der abstandsflächenrechtlichen Situation des Vordergebäudes stellt sich damit hier nicht mehr.

Die vorliegend hinsichtlich des geplanten Rückgebäudes erteilten Abweichungen betreffen nicht die nachbarliche Situation zum Grundstück der Kläger bzw. zu ihrem Sonder- oder Teileigentum hin. Eine Nachbarrechtsverletzung ist mithin insoweit auszuschließen. Ob die Beigeladenen zu Unrecht weitere Abweichungen hinsichtlich der Pflicht zur Freihaltung von Abstandsflächen nicht beantragt haben, kann hier dahinstehen. Denn zum Prüfprogramm im Sinn von Art. 59 Satz 1 Nr. 2 BayBO gehören ausschließlich vom Bauherrn tatsächlich beantragte Abweichungen. Eine Pflicht des Bauherrn, bauordnungsrechtliche Abweichungen zu beantragen, kann aus dieser Vorschrift nicht hergeleitet werden (vgl. Molodovsky in Molodovsky/Famers/Kraus, Bayerische Bauordnung, Stand: 1.8.2015, Art. 59 Rn. 15a). Auch die Sätze 1 und 2 des Art. 63 Abs. 2 BayBO betreffen lediglich das Wie und nicht das Ob eines Abweichungsantrags (vgl. Molodovsky a. a. O., Art. 63 Rn. 53). Bei einer anderen Handhabung des Zusammenspiels von Art. 59 Satz 1 Nr. 2 BayBO und Art. 63 Abs. 2 BayBO würde die Beschränkung des Prüfungsmaßstabs aus Art. 59 BayBO aufgegeben werden (vgl. Shirvani in Simon/Busse, Bayerische Bauordnung, Stand: 1.2.2015, Art. 65 Rn. 178). Stellt der Bauherr daher keinen entsprechenden Antrag, bleibt nicht nur das Prüfprogramm entsprechend beschränkt, sondern auch der Regelungsinhalt der Baugenehmigung und damit der Nutzen der Baugenehmigung für den Bauherrn sind beschränkt (vgl. Molodovsky a. a. O. Art. 59 Rn. 15a). Die Bauaufsichtsbehörde kann jedoch, falls sie im Zug des Genehmigungsverfahrens beiläufig die fehlende Vereinbarkeit des Bauvorhabens mit bauordnungsrechtlichen Anforderungen feststellt, nach Art. 68 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 BayBO vorgehen. Auf ein solches Tätigwerden der Bauaufsichtsbehörde haben die betroffenen Nachbarn aber keinen Anspruch (vgl. BayVGH, B. v. 28.9.2010 - 2 CS 10.1760 - BayVBl 2011, 147).

Angesichts dessen sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass im vorliegenden Fall die Abstandsflächen vollumfänglich zum Prüfprogramm gehören könnten. Die Vollprüfung der abstandsflächenrechtlichen Anforderungen würde vielmehr dem gesetzgeberischen Willen zur Einschränkung des Prüfungsumfangs zuwiderlaufen (vgl. hierzu bereits BayVGH, U. v. 19.1.2009 - 2 BV 08.2567 - BayVBl 2009, 507; U. v. 1.7.2009 - 2 BV 08.2465 - BayVBl 2009, 727). Der Gesetzgeber geht eindeutig davon aus, dass gemäß Art. 59 Satz 1 Nr. 2 BayBO nur Abweichungen im Sinn des Art. 63 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 2 BayBO zu prüfen sind, die vom Bauherrn ausdrücklich beantragt wurden (vgl. Schwarzer/König, Bayerische Bauordnung, 4. Auflage 2012, Art. 59 Rn. 9 f.; Molodovsky a. a. O., Art. 59 Rn. 15; Jäde in Jäde/Dirnberger/Bauer/Weiß, Die neue Bayerische Bauordnung, Stand: 1.2.2015, Art. 59 Rn. 36). Diese sind gesondert für jede Außenwand zu beantragen, zu prüfen und gegebenenfalls zu erteilen (vgl. BayVGH, B. v. 17.4.2000 - Gr.S. 1/1999 - 14 B 97.2901 - VGH n. F. 53, 89/92). Ebenso kann jede Verkürzung einer Abstandsflächentiefe nur den Nachbarn in seinen Rechten verletzen, dessen Grundstück der betreffenden Außenwand gegenüberliegt (vgl. BayVGH, B. v. 17.4.2000 - a. a. O., S. 95 f.; Schwarzer/König a. a. O., Art. 6 Rn. 110). Ebenso wenig kann aber ein betroffener Nachbar verlangen, dass Abweichungen in Bezug auf die Abstandsflächentiefe geprüft werden, die nicht im Sinn von Art. 59 Satz 1 Nr. 2 i. V. m. Art. 63 Abs. 2 Satz 2 BayBO beantragt worden sind.

Entgegen der Auffassung der Kläger kann auch nichts Gegenteiliges aus der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs zum sogenannten 16-m-Privileg (Art. 6 Abs. 6 Satz 1 BayBO) gefolgert werden. Hierbei handelt es sich um eine unmittelbar kraft Gesetzes geltende Abweichung, die eigenen Regeln folgt (vgl. König, Baurecht Bayern, 5. Auflage 2015, Rn. 708). Daraus folgt bei der Inanspruchnahme dieses Privilegs, dass an den übrigen Gebäudeseiten dann 1 H eingehalten werden muss und davon keine Abweichung erteilt werden kann. Bereits dem Regelungssystem des Art. 6 Abs. 6 BayBO kann dabei entnommen werden, dass in diesen Fällen keine Abweichung erteilt werden darf. Denn die Vorschrift baut darauf auf, dass die Abstandsfläche auf zwei Seiten auf 0,5 H verkürzt werden kann, und geht davon aus, dass für die übrigen Gebäude Außenwände 1 H einzuhalten ist (vgl. BayVGH, B. v. 17.4.2000 a. a. O. S. 90 f). Die Einhaltung von 1 H ist danach Voraussetzung für die Anwendbarkeit der Vorschrift. Ermessenserwägungen wie bei der Erteilung einer Abweichung nach Art. 63 BayBO sind hier nicht anzustellen. Die Frage des 16-m-Privilegs stellt sich vorliegend ohnehin nicht.

Aus der Tatsache, dass die Bauaufsichtsbehörde bei der Erteilung einer Abweichung gemäß Art. 63 Abs. 1 Satz 1 BayBO eine Ermessensentscheidung zu treffen hat, ergibt sich vorliegend ebenso wenig anderes. Es handelt sich um ein tatbestandlich intendiertes Ermessen. Sind die tatbestandlichen Voraussetzungen gegeben, so ist die Abweichung in der Regel zuzulassen, es sei denn, es lägen ausnahmsweise dem entgegenstehende besondere Umstände vor (vgl. Jäde a. a. O., Art. 63 Rn. 12 m. w. N.). Voraussetzung für eine ordnungsgemäße Ermessensausübung ist aber eine vollständige Ermittlung des entscheidungserheblichen Sachverhalts und dessen Einstellung in die Ermessenserwägungen (vgl. Jäde a. a. O., Art. 63 Rn. 18; Molodovsky a. a. O., Art. 63 Rn. 41). Bei Abweichungen von den Abstandsflächenanforderungen muss sich die Bauaufsichtsbehörde auch ein Gesamtbild der von dem Vorhaben in Anspruch genommenen Abweichungen gemacht haben (vgl. Jäde a. a. O. Art. 63 Rn. 19). Hierbei kann es sich jedoch nur um beantragte und erteilte Abweichungen im Sinn von Art. 63 Abs. 2 Satz 2 BayBO handeln. Der Nachbar kann die Nichteinhaltung der Abstandsflächen zu seinem Grundstück hin nur rügen, soweit eine Abweichung erteilt wurde (vgl. BayVGH, B. v. 28.9.2010 - 2 CS 10.1760 - BayVBl 2011, 147/148). Soweit vorliegend eine Abweichung nicht beantragt und erteilt wurde, scheidet somit eine Prüfung des Abstandsflächenrechts aus. Eine solche Prüfung ist auch nicht im Hinblick auf Art. 65 Abs. 2 BayBO geboten. Der vereinzelt gebliebenen und von der Rechtsprechung nicht aufgegriffenen Literaturmeinung (Koehl, BayVBl 2009, 645), die von einer nachbarschützenden Wirkung der allein den Bauherrn betreffenden, reinen Verfahrensvorschriften des Art. 65 Abs. 2 BayBO ausgeht, ist nicht zu folgen (vgl. BayVGH, B. v. 17.8.2015 - 2 ZB 13.2522 - juris). Vielmehr ergeben sich Verpflichtungen Dritten gegenüber hieraus auch dann nicht, wenn die Vorschrift von der das Vorhaben abweicht, Rechte Dritter schützt (vgl. Schwarzer/König a. a. O., Art. 65 Rn. 20; Jäde a. a. O., Art. 65 Rn. 49b).

Nach allem ist festzuhalten, dass die Bauaufsichtsbehörde im Rahmen ihrer Ermessensentscheidung in Bezug auf eine konkret beantragte Abweichung von den Abstandsflächenvorschriften allenfalls in den Blick zu nehmen hat, welche sonstigen Abweichungen von den Anforderungen des Abstandsflächenrechts in Richtung auf das betreffende Nachbargrundstück außerdem beantragt und erteilt wurden. Dies ist vorliegend in der Baugenehmigung vom 8. Juni 2012 weder in Bezug auf das Grundstück Fl. Nr. 17157 noch in Bezug auf das Grundstück Fl. Nr. 17159 geschehen. Weder für das hier nur noch strittige geplante Rückgebäude auf dem Grundstück Fl. Nr. 17139 noch für das dortige Vordergebäude, hinsichtlich dessen die Baugenehmigung inzwischen bestandskräftig ist, sind solche Abweichungen zulasten des Grundstücks bzw. des Sonder- oder Teileigentums der Kläger beantragt und erteilt worden. Mithin sind außer den lediglich das Baugrundstück betreffenden Abweichungen von den Abstandsflächenvorschriften für das Verhältnis zwischen Rückgebäude und Vordergebäude sowie für das Verhältnis zwischen gegenüberliegenden Gebäudeteilen des Rückgebäudes keine weiteren Abstandsflächen zu prüfen bzw. von der Bauaufsichtsbehörde bei ihrer Ermessensentscheidung in den Blick zu nehmen gewesen. Die Frage eines zulässigen Grenzanbaus durch das Gebäude im Sinn von Art. 6 Abs. 1 Satz 3 BayBO wurde somit nicht vom Prüfungsumfang der Bauaufsichtsbehörde nach Art. 59 BayBO erfasst. Die Ausführungen der Beklagten im Bescheid vom 8. Juni 2012 nehmen deshalb nicht an der Feststellungswirkung der Baugenehmigung teil (vgl. BayVGH, B. v. 12.12.2013 - 2 ZB 12.1513 - juris).

2.2. Durch das Bauvorhaben wird auch das Rücksichtnahmegebot aus § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB nicht verletzt. Das strittige Rückgebäude hat - soweit die Kläger dies rügen können - keine erdrückende Wirkung gegenüber der Bebauung auf dem Grundstück Fl. Nr. 17157. Es wird zwar ein ca. 15 m langer Baukörper entstehen, der das Terrassenniveau des betroffenen Nachbargrundstücks um rund 4 m überragen wird. Die genannte Terrasse hat jedoch sogar an der schmalsten Stelle eine Breite von rund 7 m. Das strittige gebaute Bauvorhaben ist im Osten des Grundstücks Fl. Nr. 17157 situiert, so dass insbesondere die vormittägliche Sonneneinstrahlung etwas behindert wird. Unbestritten ist jedoch ein Lichteinfallswinkel von 45 Grad nicht nur in Bezug auf die Fenster im ersten Obergeschoß des Nachbargebäudes, sondern sogar zu einem gewissen Teil in Bezug auf die Dachterrasse in ihrem schmalsten Bereich eingehalten. Eine einmauernde Wirkung der geplanten Bebauung gegenüber der in Höhe des ersten Obergeschosses befindlichen Terrasse am Anwesen der Kläger ist damit nicht zu erkennen.

Im Ergebnis kann daher dahinstehen, ob die Beklagte bei Erteilung der Baugenehmigung vom 8. Juni 2012 die Terrassennutzung auf dem Grundstück Fl. Nr. 17157 überhaupt berücksichtigen musste. Nach dem Vortrag der Beigeladenen ist die Terrassennutzung erst im Jahr 2014 genehmigt worden, wobei ein Grenzabstand zum Grundstück der Beigeladenen von 3 m eingehalten werden müsse.

Hinsichtlich möglicher Lärmbelastungen durch die Bäckerei und Konditorei haben die Kläger nichts von Substanz vorgetragen. Der Lieferverkehr soll in den Morgenstunden erst ab 6.00 Uhr stattfinden (vgl. BayVGH, B. v. 19.6.2013 - 2 CS 13.845). Auch beim vormittäglichen Ortstermin durch den Senat konnten keine Lärmbelastungen festgestellt werden. Nachdem das geplante Rückgebäude weder zum Grundstück Fl. Nr. 17157 noch zum Grundstück Fl. Nr. 17159 Fenster aufweisen wird, ist nicht zu erkennen, dass hier unzumutbare Lärmbelastungen auftreten könnten.

Bezüglich der ferner von Klägerseite angeführten möglichen Geruchsbelästigungen für die Bewohner des strittigen Neubaus auf dem Grundstück Fl. Nr. 17139 hat die Beklagte schon im Baugenehmigungsbescheid vom 8. Juni 2012 ausgeführt, dass bereits der bauliche Bestand im Quartier von der direkten Nachbarschaft zwischen Wohnnutzung und der Bäckerei als gewerblicher Nutzung geprägt sei. Hier seien gravierende Konflikte aus der bestehenden Nutzungsmischung heraus nicht bekannt. Mit der Neuerrichtung des Rückgebäudes und der dort geplanten Wohnnutzung rücke diese zwar näher an die gewerbliche Nutzung heran, aber nicht in einer Weise, die den Bestand der Bäckerei unter Berücksichtigung der vorhandenen Nutzungsmischung beeinträchtigen oder gefährden könnte. Dem sind die Kläger nicht substantiiert entgegengetreten. Vielmehr ist auch hier zu berücksichtigen, dass das geplante Rückgebäude keine Fensteröffnungen zur Bäckerei und Konditorei hin aufweisen wird. Auch beim vormittäglichen Ortstermin des Senats konnten insoweit keine Geruchsbelästigungen festgestellt werden. Es kann somit dahinstehen, ob Gerüche aus einer Bäckerei oder Konditorei überhaupt als unzumutbar für die umgebende Wohnnachbarschaft eingestuft werden könnten.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1, § 159 Satz 2 VwGO, § 162 Abs. 3 VwGO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. ZPO.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor.

Rechtsmittelbelehrung

Nach § 133 VwGO kann die Nichtzulassung der Revision durch Beschwerde zum Bundesverwaltungsgericht in Leipzig angefochten werden. Die Beschwerde ist beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof (in München Hausanschrift: Ludwigstraße 23, 80539 München; Postfachanschrift: Postfach 34 01 48, 80098 München; in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach) innerhalb eines Monats nach Zustellung dieser Entscheidung einzulegen und innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieser Entscheidung zu begründen. Die Beschwerde muss die angefochtene Entscheidung bezeichnen. In der Beschwerdebegründung muss die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts, von der die Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs abweicht, oder der Verfahrensmangel bezeichnet werden.

Vor dem Bundesverwaltungsgericht müssen sich die Beteiligten, außer in Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht eingeleitet wird. Als Prozessbevollmächtigte zugelassen sind neben Rechtsanwälten und Rechtslehrern an den in § 67 Abs. 2 Satz 1 VwGO genannten Hochschulen mit Befähigung zum Richteramt nur die in § 67 Abs. 4 Satz 4 VwGO und in §§ 3, 5 RDGEG bezeichneten Personen. Für die in § 67 Abs. 4 Satz 5 VwGO genannten Angelegenheiten (u. a. Verfahren mit Bezügen zu Dienst- und Arbeitsverhältnissen) sind auch die dort bezeichneten Organisationen und juristischen Personen als Bevollmächtigte zugelassen. Sie müssen in Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht durch Personen mit der Befähigung zum Richteramt handeln.

Beschluss:

Unter Abänderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts München vom 11. November 2013 wird der Streitwert für beide Rechtszüge auf jeweils 10.000 Euro festgesetzt.

Gründe:

Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47, 52 Abs. 1, § 63 Abs. 3 GKG. Der Streitwert war für beide Rechtszüge auf jeweils 10.000 Euro angemessen zu erhöhen, da hier auch wirtschaftliche Interessen der Kläger inmitten stehen.

Tenor

I.

Das Verfahren wird eingestellt.

II.

Das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts Regensburg vom 25. September 2014 ist wirkungslos geworden.

III.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen. Die Beigeladenen tragen ihre außergerichtlichen Kosten selbst.

IV.

In Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung wird der Streitwert für das Verfahren vor dem Verwaltungsgericht wird auf 3.750,-- Euro festgesetzt. Dieser Streitwert wird auch für das Berufungsverfahren festgesetzt.

Gründe

1. Nachdem der Beklagte und der Kläger mit Schriftsätzen vom 29. September und 19. Oktober 2015 den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt haben, war das Verfahren einzustellen und das erstinstanzliche Urteil vom 25. September 2014 für wirkungslos zu erklären (§ 125 Abs. 1 Satz 1, § 93 Abs. 3 Satz 1 VwGO entsprechend; § 173 Satz 1 VwGO i. V. m. § 269 Abs. 3 Satz 1 ZPO entsprechend).

2. Über die Kosten des Verfahrens ist gemäß § 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des Sach- und Streitstandes zu entscheiden. Billigem Ermessen entspricht es, die Kosten des Verfahrens dem Beklagten aufzuerlegen.

Den Gegenstand dieses Rechtstreits (zur parallelen Klage gegen einen nachfolgenden Ergänzungsbescheid vom 11.9.2014 für dasselbe Vorhaben vgl. den Beschluss im Verfahren 15 B 15.1372 vom heutigen Tag) bildete die Nachbarklage gegen eine im vereinfachten Genehmigungsverfahren erteilte Bauerlaubnis des Beklagten vom 28. Mai 2014 für den Wohnhausan- und -umbau eines auf dem westlich an das Klägergrundstück angrenzenden Baugrundstück stehenden Gebäudes (Gesamtlänge des ursprünglichen Bestandes: 22,74 m). Im südlichen Bereich des Baugrundstücks - an der Grenze zum Grundstück des Klägers - wurde die Errichtung einer neuen, an das Hauptgebäude angebauten Grenzgarage genehmigt. Im Norden des Baugrundstücks befindet sich bereits eine giebelständige Grenzbebauung, die - nach dem Abbruch eines Schuppens - auf der dem Grundstück des Klägers zugewandten Seite mit ihrer Traufseite künftig einen Abstand von 3 m einhalten soll.

Wie im Zulassungsbeschluss vom 16. Juli 2015 angedeutet, war die Klage nach summarischer Prüfung begründet; im Fall einer streitigen Entscheidung hätte die erstinstanzliche Entscheidung voraussichtlich abgeändert werden müssen. Die Baugenehmigung vom 28. Mai 2014 dürfte rechtswidrig sein und den Kläger in seinen Rechten aus Art. 6 BayBO verletzen.

Wie im Folgenden näher zu erläutern ist, hat bereits die streitgegenständliche Genehmigung vom 28. Mai 2014 die Zulässigkeit des Vorhabens auf der gesamten Ostseite des Gebäudes einschließlich der neuen Grenzgarage festgestellt, obwohl die Vorgaben des Art. 6 Abs. 6 und 9 BayBO nicht eingehalten werden. Nach Art. 6 Abs. 6 Satz 2 BayBO darf bei einem Gebäude, das mit einer Außenwand an eine Grundstücksgrenze gebaut wird, eine zweite Außenwand nur bis zu einer Länge von nicht mehr als 16 m die volle Abstandsfläche bis auf die Hälfte unterschreiten. Gemäß Art. 6 Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 BayBO darf eine in ihren Abmessungen selbst gesetzeskonforme Grenzgarage nur dann an ein Hauptgebäude angebaut werden, wenn dieses die eigenen Abstandsflächen einhält. Das genehmigte Vorhaben verfehlt beide Anforderungen.

2.1 Das Erstgericht ist davon ausgegangen, dass die Bauherren nur eine Abweichung in Bezug auf die Nichteinhaltung der Abstandsflächen hinsichtlich des nördlich benachbarten Grundstücks beantragt hätten und nur darüber in der Genehmigung vom 28. Mai 2014 entschieden worden sei. Hierdurch werde der östlich benachbarte Kläger nicht in eigenen Rechten verletzt.

Bereits die erste Annahme überzeugt nicht. Das im Streit gewesene Vorhaben umfasste neben dem „Wohnhausan- und -umbau in ein Zweifamilienhaus“ auch die Errichtung einer neuen Grenzgarage. Sie ist nach der Eintragung auf dem Grundriss für das Kellergeschoss - einschließlich eines auf beiden Seiten durchgängig mit Mauern versehenen und überdachten, nach Angaben 2,49 m tiefen Vorplatzes, der in seinem westlichen Teil zugleich zu einem neu zu schaffenden Hauseingang/Treppenhaus führt - 8,74 m lang. Dieses Gebäude befindet sich im Südosten des Baugrundstücks und damit auf der dem Grundstück des Klägers zugewandten Seite.

Erst diese Maßnahme führt dazu, dass die Gesamtlänge der auf dem Baugrundstück an den Grenzen insgesamt vorhandenen Bebauung die in Art. 6 Abs. 9 Satz 2 BayBO für höchstens zulässig erklärten 15 m überschreitet. Warum bei einer derartigen zeitlichen Abfolge nur für den an der Nordgrenze bereits vorhandenen Altbestand (Länge des Garagenteils rund 6,80 m, die Länge der giebelständigen Grenzwand insgesamt wird auf den Bauvorlagen mit 9,23 m angegeben) eine Abweichung in Bezug auf die Überschreitung der Höchstlänge beantragt worden sein soll, ergibt sich - jedenfalls auch - nicht aus dem Wortlaut des Abweichungsantrags. Danach bezog sich dieser Antrag seinem Wortlaut nach nur allgemein auf die „bebaute Grenzlänge“. In der Bauakte ist zudem an keiner Stelle ein Hinweis darauf zu finden, dass der Antrag auf Abweichung nur auf das bereits vorhandene Grenzgebäude beschränkt worden wäre. Vielmehr wird zur Begründung dieses Antrags (vgl. Bl. 40 der Bauakte) ausgeführt, dass der neue, als Kleingarage mit einem Flachdach auszuführende Stellplatz nur an der Ostseite platziert werden könne. Daran schließt sich die Feststellung an, dass die maximale Länge der Grenzbebauung von 15 m überschritten werde.

2.2 In jedem Fall aber wäre der Umstand, dass es sich bei dem an der Nordgrenze stehenden Bauwerk nicht nur um eine Garage, sondern im Obergeschoss um einen Teil des Hauptgebäudes handelt, zu berücksichtigen gewesen. Eine Garage verliert ihre gesetzliche Privilegierung als an der Grenze zulässiges Bauwerk, wenn ihr „Nebenraum“ funktional nicht der Garagennutzung zugeordnet ist (VG München, U. v. 24.2.2014 - M 8 K 13.922 - juris Rn. 21 m. zahlr. w. N.). Das ist hier der Fall. Im Grundriss für das Obergeschoss dieser baulichen Anlage findet sich u. a. die Eintragung „Mögliche Wohnnutzung“. Die mit einer Grundfläche von 29,81 qm ausgewiesene zweite Ebene dieses Gebäudeteils ist nur über eine neu einzusetzende Tür vom Dachgeschoss des südlich direkt anschließenden Wohnhauses aus zu erreichen. Das „Wohngaragen-Satteldach“ hat auf der Westseite eine rund 2,70 m breite und mit ihrem First bis zu einer Höhe von etwa 1,90 m aus der Dachfläche heraustretende Gaube.

Bei zutreffender Annahme eines dort grenzständigen Hauptgebäudes hätte sich die untere Bauaufsichtsbehörde - auch unabhängig von der Formulierung des Abweichungsantrags durch die Bauherren (so zutreffend VG München, B. v. 14.8.2009 - M 8 SN 09.3344 - n. v.; vgl. dazu BayVGH, B. v. 26.10.2009 - 2 CS 09.2121 - juris) - im Rahmen der sich nach dem Sachverhalt unmittelbar aufdrängenden Prüfung der Voraussetzungen des 16m-Privilegs (Art. 6 Abs. 6 BayBO) bereits anlässlich der Genehmigung vom 28. Mai 2014 mit der abstandsrechtlichen Situation der Außenwand des Vorhabens auf der zum Grundstück des Klägers weisenden Ostseite befassen müssen. Das gilt in gleicher Weise für das Verfahren vor dem Verwaltungsgericht. Bereits dieses Unterlassen indiziert die Rechtswidrigkeit der im Streit stehenden Genehmigung und zugleich die Fehlerhaftigkeit des Urteils vom 25. September 2014.

Die im Lauf des Rechtstreits vorgelegte Genehmigung vom 25. März 1991 („Bauvorhaben Garagendach“) hat keinen Einfluss auf die negative abstandsrechtliche Gesamtbeurteilung des Vorhabens. Das auf den zur Genehmigung zum Aufbau eines Satteldachs auf die jetzige „Wohngarage“ gehörenden Bauvorlagen eingezeichnete Vorhaben hält mit seiner östlichen, schon damals als vorhandener Bestand eingetragenen, Außenwand nur eine Entfernung von 2,50 m (Maßangaben: 2,26 m zuzüglich 0,24 m) zum Grundstück des Klägers ein. Nun soll diese Wand 3 m von der Grenze abrücken. Darüber hinaus wird jetzt ein zuvor zwischen der Garage und dem Wohnhaus vorhandener, 1,10 m breiter Durchgang auf der Ost- wie auch auf der Westseite zugemauert. Insgesamt handelt es sich dabei um die Identität des verhältnismäßig kleinen Anbaus berührende Maßnahmen, die ersichtlich nicht von jener, ohnehin nur die Aufbringung eines Dachs beinhaltenden, Genehmigung gedeckt sind. Daneben soll das Obergeschoss der Garage, eben unter diesem Dach, eine neue Zweckbestimmung erhalten, wodurch die Genehmigungsfrage für diesen Gebäudeteil insgesamt neu aufgeworfen wird. Dass die in den aktuellen Bauvorlagen als Bestand ausgegebene Gaube auf der Westseite des Dachs in ihren Abmessungen deutlich größer ausgefallen ist als der in der Genehmigung aus dem Jahr 1991 vorzufindende Dachaufbau sei nur am Rande erwähnt. Ebenso wenig kommt es noch darauf an, dass die Bauvorlagen zur Genehmigung vom 28. Mai 2014 im Grundriss für das Erdgeschoss die ursprüngliche Lage der Ostwand nicht in einer der früheren Genehmigung entsprechenden Distanz von der Grenze - nämlich 2,50 m -, sondern ganz im Norden in 2,80 m und im weiteren Verlauf in 3,00 m Abstand von der Grenze zum Grundstück des Klägers darstellen. Der Widerspruch zum Schnitt C-C, der mitten durch das Bauwerk gelegt ist und an dieser Stelle für die Wand einen Grenzabstand von - allenfalls - 2,65 m zeigt, ist leicht erkennbar aber im Baugenehmigungsverfahren ebenfalls folgenlos geblieben.

2.3 Bei einer vollständigen Prüfung des Bauantrags in dem von der Sache her gebotenen Umfang wäre darüber hinaus ohne Weiteres feststellbar gewesen, dass die Wand des Bauvorhabens auf der Ostseite in einem wegen ihrer Lage und den erreichten Höhen kritischen, insgesamt 17,49 m langen Bereich („Wohngarage“: 6,75 m; Wandteil des Hauptgebäudes: 10,74 m) an keiner Stelle die vollen Abstandsflächen auf dem Baugrundstück einhält. Der Anbau der neuen Grenzgarage an das Hauptgebäude und der Abriss des früheren Schuppens neben der „Wohngarage“ samt der Zurückverlegung von deren östlicher Außenwand um (angeblich?) einen halben Meter samt dem direkten Anschluss an das Hauptgebäude vermitteln dem Vorhaben in diesem Bereich ein Erscheinungsbild, das eine abstandsrechtliche Neubeurteilung erfordert (vgl. BayVGH, U. v. 11.11.2014 - 15 B 12.2672 - juris Rn. 35 m. w. N.). Die „Wohngarage“ verfügt nach der Ansicht Osten und dem Schnitt C-C über eine traufseitige Wandhöhe (Art. 6 Abs. 4 Satz 2 BayBO) von rund 4,20 m. Diese Anlage ist jedoch nach dem Grundrissplan für das Erdgeschoss nur 3 m von der Grenze zum Klägergrundstück entfernt; auf dem zitierten Schnitt lässt sich - wie bereits erwähnt - nur eine Distanz von 2,65 cm (entspricht 2,65 m) abgreifen. Für die daran nach Süden hin anschließende, unveränderte Giebelwand des Hauptgebäudes errechnet sich das Maß H auf der Grundlage der Ansicht Osten mit 5,63 m (4,60 m plus 1/3 aus 3,10 m, vgl. Art. 6 Abs. 4 Satz 2, 4 und 6 BayBO). Hier stehen auf dem Baugrundstück infolge der leicht schräg zur Grenze stehenden Wand zwischen 4,40 m im nördlichen und 4,60 m im südlichen Bereich zur Verfügung. Die Vorgaben des 16m-Privilegs werden angesichts der Länge dieser Außenwand des Hauptgebäudes von knapp 17,50 m offensichtlich verfehlt. Zur Rechtswidrigkeit der Genehmigung auch im Hinblick auf die neue Grenzgarage wird auf unten 2.5 verwiesen.

2.4 Der bereits angesprochene und im Angesicht des Falles zu verfolgende rechtliche Ansatz hat zum Ergebnis, dass die Bauaufsichtsbehörde mit ihrer Genehmigung vom 28. Mai 2014 - unabhängig von einem nach seinem Wortlaut konkret auch darauf bezogenen Antrag und ob sie es nun wollte oder nicht - jedenfalls tatsächlich die in den Bauvorlagen dargestellte abstandsrechtliche Lage auch auf der Ostseite des Vorhabens gebilligt hat. Die vom Kläger angegriffene Baugenehmigung hat die Rechtmäßigkeit des Vorhabens auch in diesem Punkt festgestellt.

Für die Frage, ob ein Vorhaben die Abstandsflächen einhält, gibt das Gesetz durch die in Art. 6 Abs. 6 BayBO enthaltenen inhaltlichen Maßgaben zugleich den Prüfumfang im Genehmigungsverfahren vor. Ohne die Überprüfung der Lage an allen Seiten eines Gebäudes kann, wie der vorliegende Fall nachdrücklich vor Augen führt, keine den Anforderungen des Gesetzes Genüge leistende Aussage getroffen werden. Diese Vorgaben des materiellen Abstandsflächenrechts sind nicht disponibel, sie können insbesondere nicht durch einen nur auf eine entsprechend ausgewählte Seite oder nur einen ganz bestimmten Teil eines Vorhabens bezogenen Abweichungsantrag eingeschränkt werden. Dem kann nicht entgegengehalten werden, dass die Rechtmäßigkeit eines Vorhabens, das das 16m-Privileg bereits vollständig in Anspruch nimmt, nicht mit einer weiteren Abweichung von der Einhaltung der vollen Abstandsflächen auf einer dritten Seite hergestellt werden könne. Eine Antwort dazu, ob ein solcher Fall gegeben ist, kann - wie gesagt - sinnvollerweise stets erst nach einer Prüfung der Situation des zur Genehmigung gestellten Vorhabens an allen Seiten erfolgen. Nur so wird ferner sichergestellt, dass ein Bauherr den gegen eine Genehmigung für sein die gesetzlichen Abstandsflächen an einer oder mehreren Seiten nicht oder nicht voll einhaltendes Vorhaben möglichen Nachbarrechtsschutz nicht alleine nach seinen Vorstellungen steuern kann. Dieser Rechtsgedanke bildete im Übrigen auch eine wesentliche Überlegung in der Entscheidung des Großen Senats des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 17. April 2000 zum Anwendungsbereich des 16m-Privilegs (GrS 1/1999, 14 B 97.2901 - VGH n. F. 53, 89 ff. = juris Rn. 18). Ein als einheitliches Ganzes zur Genehmigung beantragtes Vorhaben, das - wie hier zumindest hinsichtlich der baulich unmittelbar mit dem Haupthaus verbundenen „Wohngarage“ - auch objektiv nicht teilbar ist, kann nicht nach dem Belieben der am Verfahren Beteiligten in, obendrein nur dem jeweiligen Gutdünken folgende, mutmaßlich abweichungsfähige Einzelteile zerlegt werden.

Wollte man in dem hier streitig gewesenen Fall die Feststellungswirkung der Genehmigung gleichwohl nur auf die ausdrücklich beantragte Abweichung beschränken, wie es der Leitsatz einer Entscheidung vom 29. Oktober 2015 (BayVGH, U. v. 29.10.2015 - 2 B 15.1431 -, das 16m-Privileg spielte dort allerdings keine Rolle, vgl. Rn. 37 a.E.) einschränkungslos postuliert, hätte das im vorliegenden Fall folgendes Ergebnis: Weil es an der Nordgrenze des Baugrundstücks in Wirklichkeit keine privilegierte Grenzbebauung gibt, geht die mit der Bauerlaubnis verbundene Abweichungsentscheidung „hinsichtlich der Nichteinhaltung der Abstandsflächen zum Grundstück FlNr. ...“, die nach der dazu gegebenen Begründung nur die „bestehende Garage“ betreffen sollte, ins Leere. Der Nutzen einer solchen, hier noch dazu nicht einmal „strikt antragsgemäßen“ (siehe oben 2.1) Baugenehmigung für den Bauherrn wäre also nicht etwa nur beschränkt (vgl. zu diesem Argument BayVGH, U. v. 29.10.2015 - 2 B 15.1431 - Rn. 35), sondern fehlte mangels Deckungsgleichheit mit dem Vorhaben von vorneherein. Eine so verstandene Baugenehmigung wäre auch nicht in der Lage, irgendetwas zu regeln, weil „das auf Antrag Geregelte“ gar nicht existiert. Der von dieser Abweichungsentscheidung formal nicht berührte Nachbar könnte dagegen nicht mit einer Anfechtungsklage vorgehen, obgleich er mit dem Vorhaben nicht einverstanden und von diesem „in seiner neuen Gestalt“ materiell unübersehbar betroffen ist. Für keinen der Beteiligten wäre aus dieser Betrachtungsweise ein rechtlicher Nutzen ableitbar: Der Bauherr verfügte auch nach der Durchführung des von ihm veranlassten Baugenehmigungsverfahrens über ein formell und materiell illegales Vorhaben; der Nachbar könnte im Hinblick darauf den Wunsch auf Einschreiten an die Bauaufsichtsbehörde herantragen und damit ein neues bauaufsichtliches Verfahren in Gang setzen. In Anbetracht dessen bedarf es keiner Vertiefung, dass ein alle Fälle erfassendes einseitiges Abstellen auf den „gesetzgeberischen Willen zur Einschränkung des Prüfumfangs“ (vgl. BayVGH. U. v. 29.10.2015 - 2 B 15.1431 - Rn. 36 m. w. N. aus der eigenen Rechtsprechung) neben der (vom Gesetzgeber so beabsichtigten?) Herbeiführung in jeder Hinsicht offensichtlich rechtswidriger Zustände auch nicht geeignet wäre, die Arbeit der Bauaufsichtsbehörden zu erleichtern oder zu vereinfachen.

Es sind nicht zuletzt Fälle wie dieser, die Zweifel daran begründen, inwieweit die durch Art. 59 Satz 1 BayBO mit Wirkung zum 1. Januar 2008 eingeführte, gezielte Eliminierung des Bauordnungsrechts aus dem Prüfungskatalog des vereinfachten Genehmigungsverfahrens sinnvolle und vertretbare Ergebnisse zu liefern imstande ist und die die Erwartung wecken, dass eine künftige Novelle hier die im Interesse aller Beteiligten zu wünschenden, die Rechtslage eindeutig klärenden Korrekturen vornimmt. Bis dahin lässt sich der mit Wirkung vom 1. August 2009 in das Gesetz eingefügten Ablehnungsbefugnis eines Bauantrags aus nicht zum Prüfumfang gehörenden, aber „zufällig entdeckten“ Gründen (Art. 68 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 BayBO) der Wunsch des Gesetzgebers entnehmen, dass trotz des im vereinfachten Baugenehmigungsverfahren grundsätzlich eingeschränkten Prüfumfangs möglichst wenige rechtswidrige Baugenehmigungen zustande kommen mögen. Soll der Zweck eines jeden Baugenehmigungsverfahrens, die Herstellung rechtmäßiger Verhältnisse und der mit der Klärung der Rechtslage am Ende herbeigeführte Rechtsfrieden, nicht handgreiflich verfehlt werden, bleibt bis auf Weiteres nichts Anderes übrig, als in einem Einzelfall wie hier unvollständig gestellte oder ihrem Wortlaut nach an der Sache vorbeigehende Anträge auf Abweichung von den Abstandsflächen im Verfahren ergänzend auszulegen und damit einen dem Vorhaben gerecht werdenden Prüfumfang im Genehmigungsverfahren zu eröffnen.

2.5 Die Nachbarrechtswidrigkeit der Baugenehmigung vom 28. Mai 2014 ergibt sich hier nach alledem aus der bereits unter 2.3 am Ende getroffenen Feststellung.

Die an die dort beschriebene östliche Außenwand des Hauptgebäudes im Süden anschließende neue Grenzgarage verschärft den Widerspruch des Vorhabens mit den Abstandsflächenvorschriften auf dieser Seite zusätzlich. Diese Garage darf gemäß Art. 6 Abs. 9 Satz 1 BayBO nicht an das die eigenen Abstandsflächen nicht einhaltende Hauptgebäude angebaut werden.

Die in Art. 7 Abs. 4 Satz 3 BayBO 1998 noch ausdrücklich enthaltene Anforderung, dass die Verbindung der nach Art. 7 Abs. 4 Satz 1 BayBO zulässigen Grenzbebauung mit einem Hauptgebäude zulässig ist, soweit dieses Gebäude für sich betrachtet die auf es selbst treffenden Abstandflächen einhält, ist - verklausuliert - in Art. 6 Abs. 9 Satz 1 BayBO 2008 aufgegangen. Danach sind die dort aufgezählten Vorhaben, damit auch Garagen, in den Abstandsflächen eines Gebäudes sowie ohne eigene Abstandsflächen zulässig, auch wenn sie nicht an die Grundstücksgrenze oder an das Gebäude angebaut werden. Der Bezugnahme auf die Abstandsflächen eines (Haupt-)Gebäudes ist zu entnehmen, dass dieses selbst auch im Fall des Anbaus einer Garage „in dessen Abstandsflächen“ die eigenen Abstandsflächen einhalten muss, wenn das privilegierte Grenzgebäude an Ort und Stelle die Voraussetzungen des Art. 6 Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 BayBO erfüllen soll (ebenso: Molodovsky/Kraus in Molodovsky/Famers/Kraus, BayBO, Stand 1. August 2015, Art. 6 Rn. 262). Das ist hier nicht der Fall.

In dem Bereich des Hauptgebäudes, in dem die Grenzgarage angebaut werden soll, springt die Außenwand des hier unveränderten Hauptgebäudes um 0,50 m zurück. Sie hält - bei dem bereits erwähnten leicht schrägen Verlauf - zur Grundstücksgrenze nach der Angabe auf den Bauvorlagen einen Abstand von mindestens 5,195 m ein. Dieser Teil der Wand ist 5,25 m lang. Auf der Ansicht von Süden lässt sich auf der rechten (östlichen) Seite für den Schnitt dieser Wand mit der Haut des hier von Nord nach Süd verlaufenden Satteldachs ein Maß von rund 4,7 cm (entspricht 4,70 m) abgreifen. In diesem Teilbereich hält die Außenwand des Hauptgebäudes damit die Abstandsflächen zum Grundstück des Klägers zwar ein. Andererseits verlängert die grenzständige neue Garage infolge ihres nach Süden versetzten Anbaus an das Hauptgebäude die Gesamtlänge der grenznahen bzw. grenzständigen Bebauung auf dem Baugrundstück von bisher 22,74 m (Wohnhaus samt „Wohngarage“) auf nunmehr 27,24 m (17,49 m plus 1,01 m plus 8,74 m). Mit ihren weit überwiegenden Teilen unterschreitet die gegliederte Außenwand des Hauptgebäudes jedoch die gesetzlichen Abstandsflächen, weshalb der genehmigte Anbau so nicht zulässig ist.

2.6 Mangels der Voraussetzungen hierfür dürfte die Erteilung einer Abweichung nach Art. 63 Abs. 1 BayBO ausscheiden.

Es ist weder vorgetragen noch ersichtlich, worin - wenn man von dem deutlich hervortretenden Wunsch der Bauherren, den eigenen Grund und Boden baulich möglichst umfangreich auszunutzen und im Süden und Westen des Baugrundstücks vorhandene Freiflächen beizubehalten, einmal absieht - das Besondere dieses Falles, die „Atypik“ bestehen soll (vgl. zu dieser Voraussetzung näher: König, Baurecht Bayern, 5. Aufl. 2014, Rn. 865 mit zahlreichen Beispielen in Fn. 443 sowie BayVGH, B. v. 15.9.2015 - 2 CS 15.1792 - juris Rn. 4; B. v. 21.7.2015 - 22 ZB 14.2340 - juris Rn. 24 bis 26; B. v. 9.2.2015 - 15 ZB 12.1152 - juris Rn. 16).

Rechtmäßige Verhältnisse könnten eventuell dadurch hergestellt werden, dass die neuen Eigentümer des ehemals klägerischen Grundstücks im Norden auf einer von eigenen Gebäuden freien Länge von rund 5 m die für die „Wohngarage“ auf dem Baugrundstück fehlende Abstandsfläche auf ihr Grundstück übernehmen (vgl. Art. 6 Abs. 2 Satz 3 3. Var. BayBO). Diese Lösung wurde zuletzt in einer Mitteilung des Beklagten vom 29./25. September 2015 ins Gespräch gebracht.

2.6 Um nach seiner Auffassung die Rechtsschutzmöglichkeiten aller durch Grenzbauten auf dem Baugrundstück betroffenen Nachbarn zu wahren, hat der Beklagte im vorliegenden Fall im Übrigen mit einem Ergänzungsbescheid vom 11. September 2014 in Bezug auf die Nichteinhaltung der Abstandsflächen durch die - nach dem Hinzutreten der neuen, 8,74 m langen Garage im Südosten - sich an den Grenzen des Baugrundstücks nach seiner Berechnung über insgesamt 17,73 m erstreckenden baulichen Anlagen eine Abweichung auch gegenüber dem Grundstück des Klägers erteilt. Wie eingangs erwähnt, wurde dieser Bescheid Gegenstand eines eigenen verwaltungsgerichtlichen Verfahrens und Urteils (RO 7 K 14.1553, vgl. dazu den unter dem Aktenzeichen 15 B 15.1372 ergangenen Beschluss von heutigen Tag).

Da sie sich keinem Kostenrisiko ausgesetzt haben, tragen die Beigeladenen ihre außergerichtlichen Kosten selbst, § 154 Abs. 3 Halbs. 1, § 162 Abs. 3 VwGO.

3. Streitwert: § 63 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2, § 47 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1, § 52 Abs. 1 GKG unter Berücksichtigung der Nr. 9.7.1 des Streitwertkatalogs 2013 für die Verwaltungsgerichtsbarkeit. Nachdem das Verwaltungsgericht für die Klagen gegen die Genehmigung vom 28. Mai 2014 und gegen den dasselbe Vorhaben betreffenden Ergänzungsbescheid vom 11. September 2014 jeweils eigene Verfahren angelegt hat und dies auch im Berufungsverfahren geschehen ist, andererseits aber keine Anhaltspunkte für ein Abweichen von der Regelempfehlung von 7.500,-- Euro erkennbar sind, wurde die erstinstanzliche Festsetzung halbiert und auch für das Berufungsverfahren nur die Hälfte festgesetzt.

4. Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i. V. m. § 66 Abs. 4 GKG.

Tenor

I.

Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.

II.

Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

Der Beigeladene trägt seine außergerichtlichen Kosten selbst.

III.

Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 7.500 Euro festgesetzt

Gründe

I.

Die Klägerin ist Eigentümerin mehrerer Grundstücke in der Gemarkung S. M. im Ortsteil L. am Ostrand der Stadt K. Die betreffenden Flurnummern werden teils als landwirtschaftliche Flächen, teils als Golfplatz („Golfzentrum K.“) und teilweise als Wegeflächen genutzt. Ihre Klage gegen die Genehmigung für den Umbau eines Einfamilienhauses auf dem Grundstück FlNr. 25 Gemarkung S. M. des Beigeladenen, das auf allen Seiten an die im Allein- oder Miteigentum stehenden Flächen der Klägerin grenzt, wies das Verwaltungsgericht ab. Das nach § 35 Abs. 2 BauGB zu beurteilende Vorhaben sei nicht rücksichtslos; die Abweichung von den Abstandsflächen nach Art. 6 BayBO sei ermessensfehlerfrei erteilt worden. Hiergegen richtet sich das Rechtsmittel der Klägerin.

II.

Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Die dargelegten Gründe - ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO; dazu 1.) und besondere tatsächliche und rechtliche Schwierigkeiten der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO; dazu 2.) - rechtfertigen die beantragte Zulassung der Berufung nicht.

1. Das Verwaltungsgericht hat die planungsrechtliche Zulässigkeit des streitigen Vorhabens an § 35 Abs. 2 BauGB gemessen und in diesem Zusammenhang eine Verletzung des nachbarschützenden Gebots der Rücksichtnahme (vgl. für diesen Sachverhalt grundlegend: BVerwG, U.v. 25.2.1977 - IV C 22.75 - BVerwGE 52, 122 und U.v. 13.3.1981 - 4 C 1.78 - BRS 38 Nr. 186) verneint. Dazu nimmt die Zulassungsbegründung nicht Stellung.

Die Klägerin bezweifelt die Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils allein deshalb, weil bei der Prüfung der nach Art. 63 Abs. 1 Satz 1BayBO erteilten Abweichung von der Einhaltung der Abstandsflächen die (objektive) planungsrechtliche Unzulässigkeit des Vorhabens unberücksichtigt geblieben sei. An der Verwirklichung eines unzulässigen Vorhabens könne regelmäßig weder ein öffentliches noch ein besonderes Interesse des Bauherrn bestehen. Die Frage der planungsrechtlichen Zulässigkeit spiele richtigerweise im Rahmen des Ermessens bei der Erteilung einer Abweichung eine Rolle, wenn die betroffenen Belange und Interessen zu berücksichtigen seien.

a) Ob diese Meinung richtig ist, bedarf bei dem hier zu beurteilenden Sachverhalt keiner abschließenden Antwort. Das Verwaltungsgericht hat jedenfalls zu Recht angenommen, dass auf Seiten der Klägerin keine wehrfähigen öffentlich-rechtlich geschützten nachbarlichen Belange betroffen sind, weil die entsprechenden Grundstücke der Klägerin nicht abstandsflächenrechtlich relevant bebaubar sind (vgl. zu einem insoweit ähnlich gelagerten Fall: BayVGH, B.v. 14.7.2009 - 14 ZB 09.847 - juris Rn. 9). Das von den Abstandsflächen des streitgegenständliche Vorhabens berührte und im Alleineigentum der Klägerin stehende Grundstück FlNr. 78/2 ist im rechtverbindlichen Bebauungsplan „Golfplatz S. L.“ als Golfplatz/Driving Range festgesetzt. An deren Südgrenze setzt der Bebauungsplan gegenüber dem streitigen Bauvorhaben einen zwei Meter hohen Lärmschutzwall fest, weiter nach Osten folgt insoweit ein bis zu sechs Meter hoher Ballfangzaun. Das ebenfalls von den ursprünglichen Abstandsflächen des Vorhabens im Westen und Süden betroffene, im Miteigentum der Klägerin stehende Grundstück FlNr. 20/2 (T.) ist als öffentlicher Feld- und Waldweg ausgewiesen (entsprechend der Legende ockerfarbig gekennzeichnet).

Nachdem die planungsrechtliche Zulässigkeit unter dem wegen § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO allein entscheidungserheblichen Gesichtspunkt der Verletzung eigener Rechte - wie unwidersprochen geschehen - zu bejahen ist und im Hinblick auf die auf Antrag (Art. 63 Abs. 2 BayBO) zu prüfende abstandsflächenrechtliche Zulassungsfähigkeit keine tatsächlichen, öffentlich-rechtlich wehrfähigen Belange auf Seiten der Klägerin gegeben sind, kann ihre Klage gegen die Baugenehmigung keinen Erfolg haben. Eine materielle Verletzung eigener subjektiv-öffentlicher Rechte ist nicht festzustellen.

b) Im Übrigen sei angemerkt, dass die Meinung der Klägerin, im Zusammenhang mit der Erteilung einer Abweichung von der Einhaltung der Abstandsflächen müsse ein Vorhaben unter dem Gesichtspunkt seiner Vereinbarkeit mit den öffentlichen Belangen regelmäßig planungsrechtlich positiv zu beurteilen sein, zweifelhaft erscheint.

(1) In mehreren Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofs finden sich allerdings Hinweise darauf, dass im Rahmen der Prüfung der Vereinbarkeit des Vorhabens mit den öffentlichen Belangen im Einzelfall neben den von der Bayerischen Bauordnung geregelten auch weitere objektive öffentlich-rechtliche Belange zu berücksichtigen sein können (BayVGH, U.v. 3.12.2014 - 1 B 14.819 - juris Rn. 21: Brandschutz; B.v. 5.12.2011 - 2 CS 11.1902 - juris Rn. 4, 7: Berücksichtigung jedoch nur im Rahmen des Prüfprogramms für die Baugenehmigung, deshalb im dort entschiedenen Fall keine Brandschutzvorschriften; U.v. 15.12.2008 - 22 B 07.143 - BayVBl 2009, 530 = juris Rn. 43, 44: Abwägungsrelevanz nur, soweit durch die Erteilung der Abweichung der jeweilige (erg.: fremde) Rechtsverstoß hervorgerufen oder wesentlich verschärft wird; B.v. 16.7.2007 - 1 CS 07.1340 - NVwZ-RR 2008, 84 = juris LS 1 und Rn. 17, 24: Zu einer fehlerfreien Ermessensausübung gehört auch, dass von der Abweichung berührte, nicht nachbarschützende öffentliche Belange (dort: Denkmalschutz) zutreffend gewürdigt werden; U.v. 2.5.2002 - 2 B 99.2590 - juris Rn. 20: Bei der Ermessensausübung durfte darauf abgestellt werden, dass das zur Genehmigung gestellte Vorhaben gestalterisch problematisch war; B.v. 12.3.1999 - 2 ZB 98.3014 - BayVBl 2000, 630 = juris Rn. 8: Berücksichtigung negativer Auswirkungen von Windkraftanlagen auf die Ertragsentwicklung benachbarter landwirtschaftlicher Kulturen, Gefahr des Eisabwurfs auf nahe vorbeiführende öffentliche Wege, aus naturschutzfachlicher Sicht erheblich bedenklichere Einstufung des vorgesehenen Standorts im Vergleich zu einem raumordnerisch positiv abgeschlossenen ursprünglichen Standort).

(2) Zurückhaltender gegenüber der Berücksichtigung objektiver öffentlich-rechtlicher Belange anlässlich einer gegen die für ein Vorhaben erteilten Abweichung von den Abstandsflächenvorschriften gerichteten Nachbarklage hat sich im Anschluss an Kuchler, BayVBl 2009, 517, unter anderem eine Entscheidung des BayVGH (U.v. 4.2.2011 - 1 BV 08.131 - juris Rn. 48: Eine Überprüfung der nicht tragenden Ausführungen im B.v. 16.7.2007 - 1 CS 07.1340 - juris Rn. 24 wurde angekündigt) geäußert. Für Einschränkungen beim Kreis der zu berücksichtigenden öffentlichen Belange spricht sich auch Molodovsky (in Molodovsky/Famers/Kraus, BayBO, Stand 1. September 2014, Art. 63 Rn. 34a: Es ist nicht darauf abzustellen, ob andere öffentliche Belange, die nicht nachbarschützend sind, zutreffend gewürdigt werden, z. B. nicht nachbarschützende Belange des Planungsrechts oder des Immissions-, Natur- oder Denkmalschutzrechts) aus. Für eine Abkehr von der Rechtsprechung, die bei einer Abweichung generell auch andere Belange als die durch die jeweilige Vorschrift geschützten zum Zulassungsmaßstab rechnet, plädiert zuletzt König (in Schwarzer/König, Bayerische Bauordnung, 4. Auflage 2010, Art. 63 Rn. 15: An dieser Rechtsprechung sollte nicht festgehalten werden; derselbe in Baurecht Bayern, 5. Auflage 2015, Rn. 866: Eigenständig gesetzlich geregelte Belange, wie die Belange des § 35 Abs. 3 BauGB sowie die im BNatSchG, BayNatSchG und DSchG geregelten Belange des Naturschutzes und der Denkmalpflege gehören nicht zum Maßstab für die Zulassung einer Abweichung. Den diese Belange schützenden Vorschriften muss das Bauvorhaben - unabhängig davon, ob ihre Einhaltung in einem Genehmigungsverfahren geprüft wird (vgl. Art. 55 Abs. 2 BayBO) - ohnehin entsprechen. Ihre Berücksichtigung auch als öffentlicher Belang würde zu einer Doppelprüfung führen, für die es keine Rechtfertigung gibt). Die eventuelle bauplanungsrechtliche Unzulässigkeit eines möglicherweise nicht nach § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB privilegierten Vorhabens im Außenbereich hat bereits eine frühere Entscheidung des Senats (BayVGH, B.v. 22.7.2003 - 15 ZB 02.1223 - juris Rn. 4, 7) nicht als einen bei der konkreten Abweichungsentscheidung zu berücksichtigenden öffentlichen Belang angesehen. Die mit § 35 Abs. 1 BauGB verfolgten bauplanungsrechtlichen Ziele (grundsätzliche Zuweisung bestimmter Vorhaben an den Außenbereich) stünden in keinem Zusammenhang mit dem Regelungszweck des Art. 70 Abs. 1 Satz 1 BayBO (erg.: 1998) und blieben daher in diesem Kontext unberücksichtigt.

(3) Der Senat neigt dazu, der zuletzt dargestellten Auffassung aus den nachfolgenden Erwägungen den Vorzug zu geben.

(3.1) Den Ausgangspunkt aller einschlägigen Überlegungen, wie groß der Kreis der öffentlichen Belange sein kann bzw. sollte, die bei der gerichtlichen Überprüfung einer Abweichungsentscheidung im Rahmen einer Nachbarklage Berücksichtigung finden dürfen bzw. müssen, bildet § 113 Abs.1 Satz 1 VwGO mit seiner Vorgabe, dass die zur gerichtlichen Kontrolle stehende Entscheidung für den Fall ihrer Aufhebung eigene Rechte der Klagepartei verletzen muss. Wann eine Baugenehmigung subjektiv-öffentliche Nachbarrechte verletzt, bestimmt sich nach den für das jeweilige Vorhaben anzuwendenden materiellen Vorschriften. Kuchler und König (jeweils a. a. O.) ist darin zu folgen, dass es für eine Doppelprüfung der für ein bestimmtes Vorhaben geltenden Vorschriften weder einen Anlass noch eine Berechtigung gibt. Zwar mag beispielsweise ein Vorhaben, das die (landesrechtlichen) Abstandsflächen einhält, aus tatsächlichen Gründen in der Regel auch (bauplanungsrechtlich) nicht rücksichtlos sein (vgl. BVerwG, B.v. 11.1.1999 - 4 B 128/98 - juris Rn. 3, 4). Gleichwohl folgt die Beurteilung der Rücksichtslosigkeit eines Vorhabens im Hinblick auf seine Größe und sein Erscheinungsbild sowie seine Lage gegenüber einem Nachbargrundstück eigenen Regeln (vgl. BVerwG, U.v. 23.5.1986 - 4 C 34/85 - BauR 1986, 542 = juris Rn. 17, 18: Das im Einfügungsgebot des § 34 Abs. 1 Satz 1 BBauG enthaltene bundesrechtliche Rücksichtnahmegebot bezieht sich nicht auf bauordnungsrechtliche Merkmale; vgl. ferner BayVGH, U.v. 27.3.2013 - 14 B 12.192 - juris Rn. 31, 34 m. w. N.: ein die Abstandsflächen nicht (vollständig) einhaltendes Vorhaben ist damit nicht automatisch rücksichtslos). Mit der Prämisse, dass die Prüfung eines Vorhabens unter nachbarrelevanten planungs- und bauordnungsrechtlichen Gesichtspunkte jeweils eigenständigen, in sich geschlossenen Regeln folgt, ist die Anreicherung der bei einer Abweichung von bauordnungsrechtlichen Abstandsvorschriften zu untersuchenden Belange um den Gesichtspunkt der objektiven planungsrechtlichen Zulässigkeit des betroffenen Vorhabens grundsätzlich nicht zu vereinbaren. Dies gilt in vergleichbarer Weise für die in eigenen Kodifikationen geregelten Natur- und Denkmalschutzbelange. Ob ein Vorhaben den einschlägigen objektiv-rechtlichen Anforderungen entspricht, ist unabhängig davon zu entscheiden, ob wegen der Nichteinhaltung der Abstandsflächen unter Würdigung der öffentlich-rechtlich geschützten nachbarlichen Belange eine Abweichung erteilt werden kann.

(3.2) Die Meinung, sonstige Belange seien bei der hier zu erörternden Entscheidung über die Erteilung einer Abweichung von der Einhaltung der Abstandsflächen für die Interessenabwägung relevant, wenn durch die Abweichung der jeweilige Rechtsverstoß hervorgerufen oder wesentlich verschärft werde, dürfte wohl bereits an der falschen Stelle des zu beurteilenden Lebenssachverhalts ansetzen. Den unter Umständen gegen Planungs-, Natur- oder Denkmalschutzrecht verstoßenden Standort seines Vorhabens wie auch dessen übrige Abmessungen bestimmt der Bauwerber durch den Inhalt der von ihm einzureichenden Bauvorlagen (vgl.: §§ 7, 8 BauVorlV). Nach der durch das in den jeweiligen Kodifikationen enthaltene materielle Recht vorgegebenen Prüfungsreihenfolge bildet die Untersuchung der Abstandsflächenproblematik des Vorhabens, von wenigen „Offensichtlichkeitsfällen“ vielleicht abgesehen, regelmäßig den Schlusspunkt der präventiven Kontrolle des Einzelfalls im bauaufsichtlichen Genehmigungsverfahren. Vor diesem Hintergrund ist es von vorneherein zweifelhaft, wie ein hinzutretender Abstandsflächenverstoß überhaupt geeignet sein könnte, beispielsweise einen - wie gesagt, schon vorher festzustellenden - Verstoß dieses Vorhabens gegen planungsrechtliche Vorschriften „hervorzurufen“ oder „wesentlich zu verschärfen“. Für einen mit diesem Vorhaben verbundenen planungs-, naturschutz- oder denkmalschutzrechtlichen Missgriff kann die zusätzliche Nichteinhaltung der Abstandsflächen als solche schon rein äußerlich betrachtet nicht kausal sein.

Die darüber hinaus fehlende innere Abhängigkeit der angesprochenen Normkomplexe voneinander wird deutlich, wenn man sich die von den jeweiligen Gesetzen verfolgten Zwecke und Schutzgüter vergegenwärtigt. Planungsrechtliche Vorschriften dienen, von der Rechtsfigur des Rücksichtnahmegebots abgesehen, in erster Linie der Verwirklichung einer nachhaltigen städtebaulichen Entwicklung (vgl. § 1 Abs. 5 Satz 1 BauGB). Die Ziele des Naturschutzes und der Landschaftspflege bestehen vor allem darin, die biologische Vielfalt, die Leistungs- und Funktionsfähigkeit des Naturhaushalts und die Vielfalt, Eigenart und Schönheit sowie den Erholungswert von Natur und Landschaft auf Dauer zu sichern (vgl. § 1 Abs. 1 BNatSchG). Hauptanliegen des Denkmalschutzrechts sind die Erhaltung und der Schutz unter anderem von Bau- und Bodendenkmälern (vgl. Art. 3 Abs. 1, Art, 4 bis 6 DSchG). Hier ist hervorzuheben, dass der Abwehranspruch des Eigentümers eines Baudenkmals gegen ein „heranrückendes“ Bauvorhaben, das den Denkmalwert oder das Erscheinungsbild seines Schutzgegenstands beeinträchtigt, vom Ansatz her grundlegend anderen Gesichtspunkten folgt als der zentimetergenauen Einhaltung von Abstandsflächen eines Vorhabens auf einem benachbarten Grundstück (vgl. BayVGH, U.v. 24.1.2013 - 2 BV 11.1631 - BayVBl 2013, 470 = juris Rn. 29 ff.: keine Beeinträchtigung eines Bootshauses durch einen unmittelbar daran vorbeigeführten Steg für die Allgemeinheit).

(3.3) In diesem Zusammenhang erscheint eine Korrektur der Auffassung angezeigt, dass bei der Abweichung/Befreiung von einer nachbarschützenden Vorschrift auf die Klage des Nachbarn hin jeder Fehler bei der Rechtsanwendung zur Aufhebung der Baugenehmigung führt (vgl. BVerwG, B.v. 27.8.2013 - 4 B 39/13 - ZfBR 2013, 783 = juris Rn. 3 zu § 31 Abs. 2 BauGB; BayVGH, U.v. 3.12.2014 - 1 B 14.819 - juris Rn. 21 unter 4. - obiter dictum zur Rechtswidrigkeit einer Abweichung von nachbarschützenden Vorschriften des Abstandsflächenrechts wegen Unvereinbarkeit des Vorhabens mit anderen öffentlichen Belangen und daraus folgender objektiver Rechtswidrigkeit). Auch die Vertreter der Meinung, dass im Rahmen einer Nachbarklage gegen die Abweichung/Befreiung von einer nachbarschützenden Vorschrift zunächst eine umfassend angelegte Prüfung der Zulässigkeit des betroffenen Vorhabens anzustellen sei, schränken ein, dass der Nachbar keinen Anspruch darauf habe, dass das Vorhaben in jeder Hinsicht den öffentlich-rechtlichen Anforderungen entspricht (BayVGH, U.v. 3.12.2014 - 1 B 14.819 - juris Rn. 21 unter Hinweis auf BayVGH, B. v. 16.7.2007 - 1 CS 07.1340 - BauR 2007, 1858 und U.v. 15.12.2008 - 22 B 07.143 - BayVBl 2009, 530). Eine Rechtfertigung für die Doppelprüfung objektiven, nicht schon im Tatbestand (vgl. § 31 Abs. 2 BauGB) enthaltenen Planungsrechts - nur und gerade aus Anlass einer Abweichungs-/Befreiungsentscheidung - lässt sich aus den vorbezeichneten allgemeinen Überlegungen jedenfalls nicht herleiten.

Prinzipiell erscheint die Anknüpfung an die zur Nachbarrechtsverletzung im Rahmen von § 31 Abs. 2 BauGB entwickelten Maßstäbe bei der Anwendung von Art. 63 Abs. 1 BayBO (vgl. Jäde in Jäde/Dirnberger/Bauer, Die neue Bayerische Bauordnung, Stand September 2014, Art. 63 Rn. 61) wenig überzeugend. § 31 Abs. 2 BauGB enthält einen, zuletzt durch das Gesetz über Maßnahmen im Bauplanungsrecht zur Erleichterung der Unterbringung von Flüchtlingen vom 20. November 2014 (BGBl I S. 1748) geringfügig ergänzten, klar definierten und in sich geschlossenen Kanon objektiver Befreiungsvoraussetzungen. Fehlt es im Einzelfall bereits an einer der danach zu fordernden Voraussetzungen für die Befreiung von einer nachbarschützenden planungsrechtlichen Vorschrift, kann die dennoch erfolgte Entscheidung zugunsten eines Vorhabens im Nachbarrechtstreit keinen Bestand haben.

Im Bauordnungsrecht fehlt eine vergleichbar detaillierte gesetzliche Beschreibung der allgemeinen Voraussetzungen für die Erteilung einer Abweichung. In der (ständigen) Rechtsprechung wurde dazu eine Kasuistik entwickelt, die unter dem Oberbegriff der Atypik verschiedene Fallgestaltungen versteht, in denen ein Abgehen von den (abstandsflächenrechtlichen) Regelanforderungen des Gesetzes grundsätzlich möglich erscheint (vgl. stellvertretend BayVGH, B.v. 16.7.2007 - 1 CS 07.1340 - juris Rn. 16: Gründe von ausreichendem Gewicht, durch die sich das Vorhaben vom Regelfall unterscheidet und die die Einbuße an Belichtung und Lüftung sowie eine Verringerung der freien Flächen des Baugrundstücks im konkreten Fall als vertretbar erscheinen lassen). Diese Atypik kann sich etwa aus einem besonderen Grundstückszuschnitt, einer aus dem Rahmen fallenden Bebauung auf dem Bau- oder dem Nachbargrundstück oder einer besonderen städtebaulichen Situation, wie der Lage des Baugrundstücks in einem historischen Ortskern, ergeben. Fehlt es bereits daran, erweist sich eine trotzdem erteilte Abweichung von der Einhaltung der gesetzlich vorgeschriebenen Abstandsflächen von vorneherein als rechtswidrig; die Baugenehmigung ist auf eine Nachbarklage hin aufzuheben. Weshalb das gleiche Ergebnis eintreten sollte, wenn zwar die Atypik zu bejahen war und die individuelle Ermessensausübung fehlerfrei erfolgte, das Vorhaben aber - ohne darin liegende Verletzung nachbarlicher öffentlicher Rechte - „schlicht“ planungsrechtsrechtswidrig ist, lässt sich schwerlich nachvollziehen.

Nach Meinung des Senats sprechen daher gute Gründe dafür, die Auffassung, dass bei der Abweichung/Befreiung von nachbarschützendem Recht - hier: von Art. 6 BayBO - jeder Verstoß zur Rechtsverletzung des betroffenen Nachbarn führen soll, teleologisch zu reduzieren. Im vorliegenden Zusammenhang reicht es als Maßgabe für die Überprüfung aus, dass die Abweichung von der Einhaltung nachbarschützender abstandsflächenrechtlicher Bestimmungen die Rechte des betroffenen Nachbarn auch und schon, andererseits aber nur dann verletzt, wenn im Einzelfall die spezifischen objektiven Voraussetzungen für die Annahme eines atypischen Sonderfalls fehlen. Alles übrige aus Anlass des jeweiligen Falles zu prüfende öffentliche Recht ist unabhängig davon auf mögliche Nachbarrechtsverletzungen zu untersuchen, eine Doppelprüfung derselben Belange im Rahmen einer Entscheidung nach Art. 63 Abs. 1 Satz 1 BayBO unterbleibt. Das befreit nicht zuletzt auch die Anwendungspraxis von - im Einzelnen, wie gezeigt, kaum bzw. nicht plausibilisierungsfähigen - kausalen Verknüpfungsversuchen zwischen den Schutzgütern des Abstandflächenrechts und (beliebigen) sonstigen öffentlichen Belangen.

2. Aus dem Vorstehenden (vgl. oben II. 1 a) ergibt sich zugleich, dass die Rechtssache keine besonderen tatsächlichen und/oder rechtlichen Schwierigkeiten aufweist. Für die Beantwortung der für dieses Verwaltungsstreitverfahren maßgeblichen Fragen bedarf es keines Berufungsverfahrens.

3. Kosten: § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO. Streitwert: § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 3 und Abs. 1 Satz 1, § 52 Abs. 1 GKG unter Berücksichtigung der Nr. 9.7.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 (BayVBl-Beilage 1/2014).

Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).

Tenor

I.

Unter Abänderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts München vom 15. September 2014 wird die aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage der Antragstellerin gegen den Baugenehmigungsbescheid der Antragsgegnerin vom 26. Februar 2014 angeordnet.

II.

Die Antragsgegnerin und die Beigeladene tragen die Kosten des Verfahrens im ersten Rechtszug jeweils zur Hälfte. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Antragsgegnerin.

III.

Der Streitwert wird auf 5.000,- Euro festgesetzt.

Gründe

Die zulässige Beschwerde (§ 146 Abs. 1 VwGO) hat Erfolg, weil die dargelegten Gründe eine Abänderung der angegriffenen Entscheidung des Verwaltungsgerichts nach § 80 Abs. 5 VwGO erfordern.

Der Senat sieht nach einer in einem Eilverfahren mit dieser angemessen summarischen Prüfung (vgl. BVerfG, B. v. 24.2.2009 - 1 BvR 165/09 - NVwZ 2009, 581) im Rahmen der von ihm eigenständig zu treffenden Ermessensentscheidung die Notwendigkeit für die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Anfechtungsklage der Antragstellerin gemäß § 80a Abs. 3, § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO. Die Antragstellerin als Nachbarin kann die Baugenehmigung mit dem Ziel ihrer Aufhebung dann erfolgreich angreifen, wenn öffentlich-rechtliche Vorschriften verletzt sind, die auch ihrem Schutz dienen (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Die Klage der Antragstellerin wird wahrscheinlich Erfolg haben, weil der angefochtene Baugenehmigungsbescheid an einem derartigen Mangel leidet.

1. Die im vereinfachten Verfahren nach Art. 59 Satz 1 BayBO erteilte Baugenehmigung vom 26. Februar 2014 verletzt nicht das in § 34 Abs. 1 BauGB enthaltene Gebot der Rücksichtnahme zulasten der Antragstellerin. Zutreffend hat das Verwaltungsgericht herausgearbeitet, dass eine einmauernde oder erdrückende Wirkung des Bauvorhabens gegenüber dem Anwesen der Antragstellerin nicht zu erwarten ist (vgl. BVerwG, U. v. 13.3.1981 - 4 C 1.78 - BauR 1981, 354; BayVGH, B. v. 11.5.2010 - 2 CS 10.454 - juris).

2. Die erteilte Abweichung nach Art. 63 Abs. 1 Satz 1 BayBO hinsichtlich der nach Art. 6 Abs. 1 BayBO erforderlichen Abstandsflächen zum Grundstück der Antragstellerin FlNr. .../... der Gemarkung S. begegnet jedoch erheblichen rechtlichen Bedenken. Insoweit muss es sich um eine atypische, von der gesetzlichen Regel nicht zureichend erfasste oder bedachte Fallgestaltung handeln. Diese kann sich etwa aus einem besonderen Grundstückszuschnitt, einer aus dem Rahmen fallenden Bebauung auf dem Bau- oder dem Nachbargrundstück oder einer besonderen städtebaulichen Situation, wie der Lage des Baugrundstücks in einem historischen Ortskern, ergeben. In solchen Lagen kann auch das Interesse des Grundstückseigentümers, vorhandene Bausubstanz zu erhalten und sinnvoll zu nutzen oder bestehenden Wohnraum zu modernisieren, eine Verkürzung der Abstandsflächen durch die Zulassung einer Abweichung rechtfertigen (vgl. BayVGH, B. v. 16.7.2007 - 1 CS 07.1340 - juris; v. 19.3.2013 - 2 B 13.99 - BayVBl 2013, 729). Soll auch in diesen Bereichen eine zeitgemäße, den Wohnungsbedürfnissen entsprechende Sanierung, Instandsetzung, Aufwertung oder Erneuerung der zum Teil überalterten Bausubstanz ermöglicht werden, so kommt man im Einzelfall nicht umhin, Ausnahmen vom generalisierenden Abstandsflächenrecht zuzulassen (vgl. BayVGH, U. v. 7.10.2010 - 2 B 09.328 - juris; B. v. 15.10.2014 - 2 ZB 13.530 - juris). Hingegen begründen allein Wünsche eines Eigentümers, sein Grundstück stärker auszunutzen als dies ohnehin schon zulässig wäre, noch keine Atypik. Modernisierungsmaßnahmen, die nur der Gewinnmaximierung dienen sollen, sind auch in Ballungsräumen nicht besonders schützenswert (vgl. BayVGH, B. v. 13.10.2014 - 2 ZB 13.1627).

Entgegen der Auffassung der Beigeladenen sind vorliegend grundsätzlich Abstandsflächen einzuhalten, weil ein sog. Pavillonabstand im Sinn von Art. 6 Abs. 5 Satz 4 BayBO (vgl. BayVGH, U. v. 7.3.2013 - 2 BV 11.882 - BayVBl 2013, 634) gegenüber dem Anwesen der Antragstellerin auf dem Grundstück FlNr. .../... nicht vorliegt. Das Gebäude der Antragstellerin und der inzwischen abgerissene Altbau der Beigeladenen waren vielmehr straßenseitig aneinander angebaut. Insoweit dürfte auch die Auffassung des Verwaltungsgerichts zutreffen, dass in einem solchen Fall die Vorschrift des Art. 6 Abs. 5 Satz 4 BayBO auf Abstände rückwärtiger Gebäudeteile an der grenzständig bebauten Seite keine Anwendung finden kann, weil die sog. Pavillonabstände einen Bezug zur Straße aufweisen müssen. Selbst wenn jedoch insoweit die Rechtsansicht der Beigeladenen zutreffen sollte, wären solche sog. Pavillonabstände in den rückwärtigen Grundstücksbereichen des maßgeblichen Gevierts nicht anzutreffen. Das Erstgericht hat zu Recht festgestellt, dass die hier vorzufindenden Abstände uneinheitlich sind.

Entgegen der Meinung der Beigeladenen rechtfertigt im vorliegenden Fall der Wunsch, eine Neubebauung in etwa dem gleichen Maß vorzunehmen, wie dies in der Umgebungsbebauung vorzufinden ist, wohl nicht die strittige Abweichung hinsichtlich der Abstandsflächentiefe. Denn wie das Erstgericht zutreffend festgestellt hat, wirft das Bauvorhaben in deutlich größerer Tiefe Abstandsflächen auf das Grundstück der Antragstellerin als deren Gebäude auf das Baugrundstück. Zwar kann auch bei nicht gleichwertiger Abweichung von der Abstandsflächenpflicht das Interesse des Bauherrn an der Verwirklichung seines Vorhabens im Einzelfall überwiegen, wenn sich mit dem Neubau jedenfalls die vermehrte Abstandsflächenüberschreitung reduziert (vgl. BayVGH, B. v. 15.10.2014 - 2 ZB 13.530 - juris). Im vorliegenden Fall ist aber offensichtlich, dass sich für die Antragstellerin durch den Neubau die Abstandsflächensituation nicht insgesamt verbessert. In diesem Fall hat die Bauherrin jedenfalls keinen Anspruch darauf, ihre Neubebauung in etwa in gleichem Maß vorzunehmen, wie dies in der Umgebungsbebauung vorzufinden ist. Hiergegen sprechen bereits die unterschiedlichen Grundstückszuschnitte im maßgeblichen Geviert. Naturgemäß sind die Eigentümer von Eckgrundstücken insoweit begünstigt, da sie regelmäßig auf zwei Seiten mit dem Gebäude an die Straße heranrücken können. Ebenso sind aber auch größere Grundstücke wie das mit der FlNr. .../... hinsichtlich ihrer Entwicklungsmöglichkeiten begünstigt. Das Grundstück der Beigeladenen mit der FlNr. .../... weist jedoch mit einer Fläche von 760 qm jedenfalls eine beachtliche Größe auf, so dass eine beengte Situation, die jede wirtschaftlich vertretbare Ausnutzung des Grundstücks im nachbarschaftlichen Verhältnis zum Anwesen der Antragstellerin ausschließen würde, nicht anzunehmen ist. Hinzu kommt, dass die Beigeladene durch wahrscheinlich geringfügige Änderungen des Bauvorhabens, wie beispielsweise eine Veränderung der Dachform, eine Verbesserung zumindest im Hinblick auf die Belichtungssituation herbeiführen kann.

Selbst bei Vorliegen einer atypischen Situation ist in der Rechtsprechung im Hinblick auf die Belichtungssituation anerkannt, dass nur die Einhaltung eines Lichteinfallswinkels von 45 Grad in Höhe der Fensterbrüstung von Fenstern von Aufenthaltsräumen grundsätzlich eine ausreichende Belichtung sicherstellt (vgl. auch Art. 7 Abs. 1 Satz 3 BayBO 1974). Dieser Grundsatz gilt zwar nicht ausnahmslos, und kann insbesondere in speziellen Situationen, in denen sich die Belichtungsverhältnisse nicht verschlechtern und der bisherige Bestand der historischen Genehmigungssituation geschuldet ist, der Erteilung einer Abweichung von den Abstandsflächen ausnahmsweise nicht entgegenstehen (vgl. BayVGH, B. v. 15.10.2014 - 2 ZB 13.530 - juris). Eine solche spezielle Situation ist hier aber nicht zu erkennen. Im vorliegenden Fall ist der erforderliche Lichteinfallswinkel von 45 Grad vor den Fenstern im Erdgeschoss auf der östlichen Seite des Gebäudes der Antragstellerin laut Belichtungsstudie nicht vollständig eingehalten. Dies kann hier auch deshalb nicht als unwesentlich angesehen werden, weil es sich beim Erdgeschoss des Gebäudes der Antragstellerin in Wirklichkeit eher um ein sog. Hochparterre handelt, so dass die maßgebliche Fensterbrüstung immerhin in ca. 2 m Höhe liegt. Angesichts dessen ist die Abwägungsentscheidung der Bauaufsichtsbehörde, dass eine Beeinträchtigung der Antragstellerin insbesondere hinsichtlich des Gesichtspunkts Belichtung nicht zu erwarten ist, unzutreffend.

Nach allem verletzt die im Baugenehmigungsbescheid vom 26. Februar 2014 enthaltene Abweichungsentscheidung nach Art. 63 Abs. 1 Satz 1 BayBO hinsichtlich des Grundstücks FlNr. .../... die Antragstellerin voraussichtlich in ihren öffentlich-rechtlich geschützten nachbarlichen Belangen. Diese nachbarlichen Belange können auch nicht im Rahmen einer Gesamtschau zurückgestellt werden, weil das Bauvorhaben der Beigeladenen von zahlreichen weiteren Abweichungen getragen werden soll. Bei der strittigen Abweichung hinsichtlich der erforderlichen Abstandsflächen zum Grundstück der Antragstellerin handelt es sich auch nicht um einen selbstständig abtrennbaren Teil, ohne den die Baugenehmigung vom 26. Februar 2014 trotzdem weiter bestehen könnte.

3. Angesichts der Tatsache, dass die Anfechtungsklage der Antragstellerin gegen den Baugenehmigungsbescheid vom 26. Februar 2014 in der Hauptsache wahrscheinlich Erfolg haben wird, fällt auch die Interessenabwägung des Senats zugunsten der Antragstellerin aus. Die Beigeladene wird zwar durch die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Anfechtungsklage zeitweilig daran gehindert, ihr Bauvorhaben ins Werk zu setzen, sie ist aber selbst durch wahrscheinlich nicht sehr ins Gewicht fallende Umplanungen in der Lage, die Belastungen für die Nachbarin zu vermindern. Demgegenüber müsste die Antragstellerin, falls ihrem Antrag nicht stattgegeben würde, mit der Schaffung vollendeter Tatsachen rechnen, weil mit der Fundamentierung und weiterem Baufortschritt sowie schließlich der Fertigstellung der umstrittenen Dachkonstruktion es immer unwahrscheinlicher würde, dass sie ihr Abwehrrecht letztlich durchsetzen könnte. Im Übrigen ist es zunächst Sache der Bauherrin und dann der Bauaufsichtsbehörde zu prüfen, mit welcher Planung den nachbarlichen Rechten der Antragstellerin ausreichend Rechnung getragen werden kann.

4. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 und 3, § 159 Satz 1 VwGO i. V. m. § 100 Abs. 1 ZPO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47, 52 Abs. 1 GKG.

Tenor

I.

Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.

II.

Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

III.

Der Streitwert wird auf 7.500 Euro festgesetzt.

Gründe

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung nach §§ 124, 124a Abs. 4 VwGO hat keinen Erfolg, weil die geltend gemachten Zulassungsgründe nicht vorliegen.

1. Das Urteil des Verwaltungsgerichts begegnet keinen ernstlichen Zweifeln an seiner Richtigkeit (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Der Senat teilt die Auffassung des Erstgerichts, dass der angefochtene, im Zustimmungsverfahren erteilte Vorbescheid keine Rechte des Klägers verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Insbesondere sind die in Richtung zum klägerischen Grundstück nach Art. 63 Abs. 1 BayBO erteilten Abweichungen von den Abstandsflächen rechtmäßig. Nach Art. 63 Abs. 1 Satz 1 BayBO kann die Bauaufsichtsbehörde Abweichungen von Anforderungen des Bauordnungsrechts zulassen, wenn sie unter Berücksichtigung des Zwecks der jeweiligen Anforderung und unter Würdigung der öffentlichrechtlichen geschützten nachbarlichen Belange mit den öffentlichen Belangen, insbesondere den Anforderungen des Art. 3 Abs. 1 BayBO vereinbar sind.

a) Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs, dass die Zulassung einer Abweichung Gründe erfordert, durch die sich das Vorhaben vom Regelfall unterscheidet und die etwa bewirkte Einbußen an geschützten Nachbarrechtspositionen vertretbar erscheinen lassen (vgl. BayVGH B. v. 13.2.2002 - 2 CS 01.1506 - juris). Die daher bei Zulassung einer Abweichung zu fordernde atypische Situation (vgl. BayVGH, B. v. 16.7.2007 - 1 CS 07.1340 - juris; BayVGH, B. v. 15.11.2005 - 2 CS 05.2817 - juris) liegt hier aber entgegen der Ansicht des Antragstellers hinsichtlich des Grundstücks Fl.Nr. ... in der Lage des Baugrundstücks im dicht bebauten innerstädtischen Bereich, in dem historische Bausubstanz vorhanden ist. Die Atypik ergibt sich aus der besonderen städtebaulichen Situation. Diese beruht im Wesentlichen darauf, dass die vorhandenen Baukörper noch auf der Grundlage der M. Bauordnung vom 29. Juli 1895 sowie der M. Staffelbauordnung vom 17. April 1904 genehmigt wurden. Nach der damals geltenden Baustaffel 6 war zwischen den Gebäuden ein Pavillonzwischenraum von mindestens 7 m vorgeschrieben. Deshalb hält in der Umgebung, die mit drei- bis fünfgeschossigen Gebäuden bebaut ist, kaum ein Gebäude die Vorgaben des heute geltenden Abstandsflächenrechts ein. In dieser beengten Situation würde jedwede wirtschaftlich vertretbare Ausnutzung des für das streitgegenständliche Grundstück bestehenden Baurechts zu einer Abstandsflächenüberschreitung zum klägerischen Grundstück führen. Zwar besteht südlich des Bestandsgebäudes auf dem Grundstück FlNr. ... ein Freiraum. Dort befindet sich der W.-Weg. Dem Kläger ist zuzugestehen, dass der nicht gewidmete W.-Weg im Grundsatz überbaut werden kann. Jedoch ändert dies nichts daran, dass eine atypische Situation vorliegt. Denn auch nach Süden beruht die städtebauliche Situation auf den oben geschilderten früheren baurechtlichen Gegebenheiten der Landeshauptstadt M. Soll auch in diesen Bereichen eine zeitgemäße, den Wohnungsbedürfnissen entsprechende Sanierung, Instandsetzung, Aufwertung oder Erneuerung der zum Teil überalterten Bausubstanz ermöglicht werden, so kommt man nicht umhin, Ausnahmen vom generalisierenden Abstandsflächenrecht zuzulassen (vgl. BayVGH, U. v. 7.10.2010 - 2 B 09.328 - juris). Zwar stellt der Kläger in Abrede, dass es sich um eine überalterte Bausubstanz handelt. Der Beklagte hat indes dargelegt, dass das früher als Hotel genutzte Gebäude aus den 1960er Jahren sehr ungünstige Zuschnitte hat und eine schlechte Bausubstanz aufweist. Weshalb diese Aussage nicht zutreffend sein sollte, wird vom Kläger nicht substantiiert dargetan.

Der Kläger rügt, dass hinsichtlich der Tiefe keine Atypik bestehe. Richtig ist, dass bereits der Teil des Bauvorhabens auf dem Grundstück Fl.Nr. ... eine größere Tiefe als das Bestandsgebäude des Klägers und das südlich gelegene Bestandsgebäude aufweist. Dieser Umstand steht jedoch einer atypischen Sachlage, die gerade im Hinblick auf die beengten Verhältnisse zur K-straße hin vorliegt, an der auch das klägerische Grundstück teilnimmt, nicht entgegen. Im Übrigen wäre - selbst wenn man dem Kläger folgen würde - zweifelhaft, ob er sich auf eine eventuell fehlende Atypik hinsichtlich des Grundstücks Fl.Nr.: (Hinterliegergrundstück), an das er nicht angrenzt, berufen könnte. Denn es wäre dem Beklagten unbenommen, für das Grundstück Fl.Nr. ... und das Grundstück Fl.Nr. ... zwei getrennte Vorbescheide zu erwirken. Hinsichtlich des Grundstücks Fl.Nr. ... wäre der Kläger nicht Nachbar, so dass er bereits von daher keine wehrfähige Rechtsposition hätte.

b) Abweichungen von bauaufsichtlichen Anforderungen können zugelassen werden, wenn sie unter Berücksichtigung des Zwecks der jeweiligen Anforderung und unter Würdigung der öffentlichrechtlich geschützten nachbarlichen Belange mit den öffentlichen Belangen vereinbar sind.

Regelungszweck des Abstandsflächenrechts ist es zunächst, durch Abstände zwischen den Gebäuden dafür zu sorgen, dass die in den Gebäuden befindlichen Räume ausreichend belichtet, belüftet und besonnt werden, um ein störungsfreies Wohnen zu gewährleisten. Darüber hinaus sollen die für Nebenanlagen erforderlichen Freiflächen gesichert werden (Art. 6 Abs. 5 Satz 3 BayBO). Weiteres beachtenswertes Ziel der Abstandsflächen ist der Brandschutz. Jede Abweichung von der Abstandsflächentiefe führt damit automatisch zu einer Beeinträchtigung des gesetzlichen Regelungszwecks. Allerdings lässt die Bayerische Bauordnung schon in der gesetzlichen Regelung selbst in verschiedenen Situationen (z. B. Grenzgarage) Abweichungen von dem Regelfall der Abstandsflächentiefe von 1 H (Art. 6 Abs. 5 Satz 1 BayBO) zu und erachtet somit selbst die Beeinträchtigung des gesetzlichen Regelungszwecks hier für hinnehmbar. Auch ist eine Verkürzung der Abstandsfläche auf ein Minimum von 3 m unter Abweichung vom Grundsatz 1 H in vielen Fällen möglich (vgl. BayVGH, U. v. 22.12.2011 - 2 B 11.2231 - juris).

aa) Der Kläger rügt, die erteilte und seine eigene Abweichung vom Abstandsflächenrecht seien nicht gleichwertig. Dabei sei insbesondere zu berücksichtigen, dass sein Gebäude nordseitig liege und es dadurch keinen relevanten Nachteil für das geplante Vorhaben haben könne. Es ist nicht zu beanstanden, dass das Verwaltungsgericht ausführt, selbst wenn Treu und Glauben den Kläger mangels Gleichwertigkeit der Abweichungen von den Abstandsflächen vorliegend nicht hindern sollten, sich auf die Abstandsflächenvorschriften zu berufen, sein Abstandsflächenverstoß sei aber gleichwohl im Rahmen der nach Art. 63 Abs. 1 BayBO zu treffenden Abwägung ein durchaus gewichtiger Gesichtspunkt. Angesichts der im konkreten Fall vorliegenden Verhältnisse teilt der Senat im Ergebnis die Auffassung des Erstgerichts. Nach den vom Beklagten zuletzt vorgelegten Unterlagen überschreitet das Bestandsgebäude K-straße ... die Abstandsflächen zum Grundstück des Klägers mit 216,20 m². Das Gebäude des Klägers liegt mit 158,50 m² Abstandsflächen auf dem Grundstück K-straße ... Mithin überschreitet das Bestandsgebäude K-straße ... im Vergleich zum Gebäude des Klägers K-straße ... die einzuhaltenden Abstandsflächen um 57,70 m² mehr. Aus dem Vorbescheid (Nr. 4) ergibt sich eine erteilte Abweichung von 204,94 m². Mit dem Neubau würde sich damit die vermehrte Abstandsflächenüberschreitung auf 46,44 m² reduzieren. Für den Kläger verbessert sich insgesamt die Abstandsflächensituation.

bb) In der Rechtsprechung ist im Hinblick auf die Lichtverhältnisse anerkannt, dass die Einhaltung eines Lichteinfallswinkels von 45 Grad in Höhe der Fensterbrüstung von Fenstern von Aufenthaltsräumen grundsätzlich eine ausreichende Belichtung sicherstellt (vgl. auch Art. 7 Abs. 1 Satz 3 BayBO 1974). Dieser Grundsatz gilt jedoch nicht ausnahmslos. Das Erstgericht hat zutreffend die Besonderheit herausgearbeitet, dass sich das Vorhaben im vorderen, östlichen Grundstücksbereich an der Kubatur des bisherigen Bestandsgebäudes orientiert und damit im Verhältnis zur seit Mitte der 1960er Jahre bestehenden Abstands- und Belichtungssituation keine Verschlechterung zu erwarten ist. Die bestehende Grundstücks- und Abstandssituation, die wesentlich auf der historischen Genehmigungssituation der Anwesen auf Grundlage der M. Bauordnung und der M. Staffelbauordnung beruht (s. o.), kann auch bei einer vollständigen Neubebauung unter Beseitigung der bisherigen Bebauung nicht völlig außer Betracht bleiben. Zudem wird der Lichteinfallswinkel von 45 Grad lediglich bis zum 1. Obergeschoss nicht eingehalten, wobei die betroffenen Wohnungen in den Wohnräumen zusätzliche Belichtung von Osten bzw. Westen aufweisen. Ausweislich der Grundrisse in den Genehmigungsakten sind lediglich Schlafräume, Küche und Bad ausschließlich von Süden belichtet. Angesichts des Umstands, dass sich die Belichtungsverhältnisse nicht verschlechtern und der derzeitige Bestand der historischen Genehmigungssituation geschuldet ist, steht der grundsätzlich erforderliche Lichteinfallswinkel von 45 Grad der Erteilung einer Abweichung von den Abstandsflächen in der vorliegenden speziellen Situation nicht entgegen.

Im Übrigen beruht die Belichtungssituation ganz wesentlich auch darauf, dass das klägerische Anwesen seinerseits nicht die nach Art. 6 BayBO erforderlichen Abstandsflächen einhält. Im straßenseitigen Bereich beträgt der Abstand zur südlichen Grundstücksgrenze lediglich 3,97 m, im rückwärtigen Bereich aufgrund der verspringenden Grundstücksgrenze wird ein Abstand von 2,97 m zur Grundstücksgrenze eingehalten. Das Vorhabensgrundstück schließt südlich an das klägerische Grundstück an. Wenn auf dem Vorhabensgrundstück gebaut wird, ist eine Verschattung des Grundstücks des Klägers nie zu vermeiden. Unabhängig von der jeweiligen Ausrichtung führt im vorliegenden städtebaulichen Kontext jede Bebauung zwangsläufig zu einer Reduzierung der Belichtung bei den Nachbargebäuden (vgl. BayVGH, B. v. 4.8.2011 - 2 CS 11.997 - juris). Deshalb muss der Kläger in dieser besonderen Situation hinnehmen, dass der Lichteinfallswinkel von 45 Grad für seine Aufenthaltsräume nicht eingehalten wird.

cc) Der Kläger bringt vor, dass mit dem Argument, mit dem Bauvorhaben seien wichtige öffentliche Interessen zur Standortsicherung der Staatsbibliothek gegeben, jede staatliche Einrichtung die Negierung von Abstandsflächen erfordere. Öffentliche Interessen im vorgenannten Sinn seien aber nur städtebauliche bzw. gebäude- oder grundstücksbezogene Interessen. Zutreffend ist, dass im Rahmen der tatbestandlichen Prüfung der Voraussetzungen des Art. 63 BayBO subjektive Verhältnisse unmaßgeblich sind (vgl. Molodovsky in Molodovsky/Famers/Kraus, BayBO, Stand: April 2014, Art. 63 Rn. 32). Jedoch können im Rahmen der Ermessensbetätigung auch andere als baurechtliche Gesichtspunkte berücksichtigt werden (vgl. Molodovsky a. a. O. Art. 63 Rn. 45). Dies kann auch das öffentliche Interesse an der Standortsicherung der Staatsbibliothek sein. Unabhängig davon, ob man den systematischen Standort der Prüfung der gewichtigen öffentlichen Belange durch das Erstgericht für zutreffend erachtet, werden jedoch keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils geweckt. Denn das Verwaltungsgericht hat bei der Interessenabwägung zugunsten des Bauherrn nicht nur den Gesichtspunkt der Standortsicherung, sondern auch berücksichtigt, dass das strittige Vorhaben an der östlich des Grundstücks festgesetzten Baulinie straßenseitig ausgerichtet werden muss. Damit wäre die Errichtung eines Bauwerks in der Größenordnung des bisherigen Bestandsgebäudes aber auch der Nachbarbebauung bei vollständiger Einhaltung der Abstandsflächen nicht möglich.

c) Soweit der Kläger eine riegelartige Bebauung geltend macht, ist ihm zuzugestehen, dass in seiner südlichen Nachbarschaft ein massiver Bau errichtet wird. Dennoch ist die Situation nicht mit den Fällen vergleichbar, in denen die Rechtsprechung etwa eine Verletzung des Rücksichtnahmegebots wegen einer riegelartigen Bebauung angenommen hat. Denn an den östlichen Teil des Baus von 25,3 m Länge und 13,05 m Wandhöhe, der in etwa der bisherigen Bebauung entspricht, schließt sich ein Zwischenbau mit 13,30 m Länge an, der lediglich 7,5 m Wandhöhe haben soll. Dieser Bauteil bleibt deutlich unter der Höhe der maximalen Wandhöhe des klägerischen Gebäudes von 12,75 m. Insofern mildert der Zwischenbau die massive Wirkung des Gebäudes, das insgesamt eine Länge von 83 m aufweist. Hinzu kommt, dass die bislang vorhandenen Nebengebäude an der Grenze zum klägerischen Grundstück ersatzlos beseitigt werden sollen und sich daher für den Kläger diesbezüglich die Situation verbessert.

d) Soweit der Kläger rügt, dass im Dachgeschoss des ostseitigen Gebäudeteils eine Terrassenumwehrung in Höhe von 90 cm bei der Ermittlung der Abstandsflächen zu berücksichtigen gewesen sei, ist darauf hinzuweisen, dass nach Nr. 1 c des angegriffenen Vorbescheids eine Höhenentwicklung von 10,25 m bzw. 13,05 m für zulässig erklärt wurde. Um von dem erteilten Vorbescheid abgedeckt zu sein, muss die Umwehrung so ausgeführt werden, dass sie keine Abstandsflächenrelevanz entfaltet. Für den Senat ist dann keine Verletzung von Rechten des Klägers ersichtlich.

2. Die Rechtssache weist auch keine besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten auf (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO), denn sie verursacht in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht keine größeren, d. h. überdurchschnittlichen, das normale Maß nicht unerheblich übersteigenden Schwierigkeiten. Dabei ist nicht die Richtigkeit des Ersturteils Gegenstand der Zulassungsentscheidung, sondern die mögliche „abstrakte“ Fehleranfälligkeit wegen der besonderen Schwierigkeiten der Fallbehandlung (vgl. Berkemann, DVBl 1998, 446). Diese ist nach Auffassung des Senats im vorliegenden Fall nicht gegeben. Im Übrigen wird auf die Ausführungen unter Ziffer 1. verwiesen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung folgt aus §§ 47, 52 Abs. 1 GKG.

Tenor

I.

Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.

II.

Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

Der Beigeladene trägt seine außergerichtlichen Kosten selbst.

III.

Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 7.500 Euro festgesetzt

Gründe

I.

Die Klägerin ist Eigentümerin mehrerer Grundstücke in der Gemarkung S. M. im Ortsteil L. am Ostrand der Stadt K. Die betreffenden Flurnummern werden teils als landwirtschaftliche Flächen, teils als Golfplatz („Golfzentrum K.“) und teilweise als Wegeflächen genutzt. Ihre Klage gegen die Genehmigung für den Umbau eines Einfamilienhauses auf dem Grundstück FlNr. 25 Gemarkung S. M. des Beigeladenen, das auf allen Seiten an die im Allein- oder Miteigentum stehenden Flächen der Klägerin grenzt, wies das Verwaltungsgericht ab. Das nach § 35 Abs. 2 BauGB zu beurteilende Vorhaben sei nicht rücksichtslos; die Abweichung von den Abstandsflächen nach Art. 6 BayBO sei ermessensfehlerfrei erteilt worden. Hiergegen richtet sich das Rechtsmittel der Klägerin.

II.

Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Die dargelegten Gründe - ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO; dazu 1.) und besondere tatsächliche und rechtliche Schwierigkeiten der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO; dazu 2.) - rechtfertigen die beantragte Zulassung der Berufung nicht.

1. Das Verwaltungsgericht hat die planungsrechtliche Zulässigkeit des streitigen Vorhabens an § 35 Abs. 2 BauGB gemessen und in diesem Zusammenhang eine Verletzung des nachbarschützenden Gebots der Rücksichtnahme (vgl. für diesen Sachverhalt grundlegend: BVerwG, U.v. 25.2.1977 - IV C 22.75 - BVerwGE 52, 122 und U.v. 13.3.1981 - 4 C 1.78 - BRS 38 Nr. 186) verneint. Dazu nimmt die Zulassungsbegründung nicht Stellung.

Die Klägerin bezweifelt die Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils allein deshalb, weil bei der Prüfung der nach Art. 63 Abs. 1 Satz 1BayBO erteilten Abweichung von der Einhaltung der Abstandsflächen die (objektive) planungsrechtliche Unzulässigkeit des Vorhabens unberücksichtigt geblieben sei. An der Verwirklichung eines unzulässigen Vorhabens könne regelmäßig weder ein öffentliches noch ein besonderes Interesse des Bauherrn bestehen. Die Frage der planungsrechtlichen Zulässigkeit spiele richtigerweise im Rahmen des Ermessens bei der Erteilung einer Abweichung eine Rolle, wenn die betroffenen Belange und Interessen zu berücksichtigen seien.

a) Ob diese Meinung richtig ist, bedarf bei dem hier zu beurteilenden Sachverhalt keiner abschließenden Antwort. Das Verwaltungsgericht hat jedenfalls zu Recht angenommen, dass auf Seiten der Klägerin keine wehrfähigen öffentlich-rechtlich geschützten nachbarlichen Belange betroffen sind, weil die entsprechenden Grundstücke der Klägerin nicht abstandsflächenrechtlich relevant bebaubar sind (vgl. zu einem insoweit ähnlich gelagerten Fall: BayVGH, B.v. 14.7.2009 - 14 ZB 09.847 - juris Rn. 9). Das von den Abstandsflächen des streitgegenständliche Vorhabens berührte und im Alleineigentum der Klägerin stehende Grundstück FlNr. 78/2 ist im rechtverbindlichen Bebauungsplan „Golfplatz S. L.“ als Golfplatz/Driving Range festgesetzt. An deren Südgrenze setzt der Bebauungsplan gegenüber dem streitigen Bauvorhaben einen zwei Meter hohen Lärmschutzwall fest, weiter nach Osten folgt insoweit ein bis zu sechs Meter hoher Ballfangzaun. Das ebenfalls von den ursprünglichen Abstandsflächen des Vorhabens im Westen und Süden betroffene, im Miteigentum der Klägerin stehende Grundstück FlNr. 20/2 (T.) ist als öffentlicher Feld- und Waldweg ausgewiesen (entsprechend der Legende ockerfarbig gekennzeichnet).

Nachdem die planungsrechtliche Zulässigkeit unter dem wegen § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO allein entscheidungserheblichen Gesichtspunkt der Verletzung eigener Rechte - wie unwidersprochen geschehen - zu bejahen ist und im Hinblick auf die auf Antrag (Art. 63 Abs. 2 BayBO) zu prüfende abstandsflächenrechtliche Zulassungsfähigkeit keine tatsächlichen, öffentlich-rechtlich wehrfähigen Belange auf Seiten der Klägerin gegeben sind, kann ihre Klage gegen die Baugenehmigung keinen Erfolg haben. Eine materielle Verletzung eigener subjektiv-öffentlicher Rechte ist nicht festzustellen.

b) Im Übrigen sei angemerkt, dass die Meinung der Klägerin, im Zusammenhang mit der Erteilung einer Abweichung von der Einhaltung der Abstandsflächen müsse ein Vorhaben unter dem Gesichtspunkt seiner Vereinbarkeit mit den öffentlichen Belangen regelmäßig planungsrechtlich positiv zu beurteilen sein, zweifelhaft erscheint.

(1) In mehreren Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofs finden sich allerdings Hinweise darauf, dass im Rahmen der Prüfung der Vereinbarkeit des Vorhabens mit den öffentlichen Belangen im Einzelfall neben den von der Bayerischen Bauordnung geregelten auch weitere objektive öffentlich-rechtliche Belange zu berücksichtigen sein können (BayVGH, U.v. 3.12.2014 - 1 B 14.819 - juris Rn. 21: Brandschutz; B.v. 5.12.2011 - 2 CS 11.1902 - juris Rn. 4, 7: Berücksichtigung jedoch nur im Rahmen des Prüfprogramms für die Baugenehmigung, deshalb im dort entschiedenen Fall keine Brandschutzvorschriften; U.v. 15.12.2008 - 22 B 07.143 - BayVBl 2009, 530 = juris Rn. 43, 44: Abwägungsrelevanz nur, soweit durch die Erteilung der Abweichung der jeweilige (erg.: fremde) Rechtsverstoß hervorgerufen oder wesentlich verschärft wird; B.v. 16.7.2007 - 1 CS 07.1340 - NVwZ-RR 2008, 84 = juris LS 1 und Rn. 17, 24: Zu einer fehlerfreien Ermessensausübung gehört auch, dass von der Abweichung berührte, nicht nachbarschützende öffentliche Belange (dort: Denkmalschutz) zutreffend gewürdigt werden; U.v. 2.5.2002 - 2 B 99.2590 - juris Rn. 20: Bei der Ermessensausübung durfte darauf abgestellt werden, dass das zur Genehmigung gestellte Vorhaben gestalterisch problematisch war; B.v. 12.3.1999 - 2 ZB 98.3014 - BayVBl 2000, 630 = juris Rn. 8: Berücksichtigung negativer Auswirkungen von Windkraftanlagen auf die Ertragsentwicklung benachbarter landwirtschaftlicher Kulturen, Gefahr des Eisabwurfs auf nahe vorbeiführende öffentliche Wege, aus naturschutzfachlicher Sicht erheblich bedenklichere Einstufung des vorgesehenen Standorts im Vergleich zu einem raumordnerisch positiv abgeschlossenen ursprünglichen Standort).

(2) Zurückhaltender gegenüber der Berücksichtigung objektiver öffentlich-rechtlicher Belange anlässlich einer gegen die für ein Vorhaben erteilten Abweichung von den Abstandsflächenvorschriften gerichteten Nachbarklage hat sich im Anschluss an Kuchler, BayVBl 2009, 517, unter anderem eine Entscheidung des BayVGH (U.v. 4.2.2011 - 1 BV 08.131 - juris Rn. 48: Eine Überprüfung der nicht tragenden Ausführungen im B.v. 16.7.2007 - 1 CS 07.1340 - juris Rn. 24 wurde angekündigt) geäußert. Für Einschränkungen beim Kreis der zu berücksichtigenden öffentlichen Belange spricht sich auch Molodovsky (in Molodovsky/Famers/Kraus, BayBO, Stand 1. September 2014, Art. 63 Rn. 34a: Es ist nicht darauf abzustellen, ob andere öffentliche Belange, die nicht nachbarschützend sind, zutreffend gewürdigt werden, z. B. nicht nachbarschützende Belange des Planungsrechts oder des Immissions-, Natur- oder Denkmalschutzrechts) aus. Für eine Abkehr von der Rechtsprechung, die bei einer Abweichung generell auch andere Belange als die durch die jeweilige Vorschrift geschützten zum Zulassungsmaßstab rechnet, plädiert zuletzt König (in Schwarzer/König, Bayerische Bauordnung, 4. Auflage 2010, Art. 63 Rn. 15: An dieser Rechtsprechung sollte nicht festgehalten werden; derselbe in Baurecht Bayern, 5. Auflage 2015, Rn. 866: Eigenständig gesetzlich geregelte Belange, wie die Belange des § 35 Abs. 3 BauGB sowie die im BNatSchG, BayNatSchG und DSchG geregelten Belange des Naturschutzes und der Denkmalpflege gehören nicht zum Maßstab für die Zulassung einer Abweichung. Den diese Belange schützenden Vorschriften muss das Bauvorhaben - unabhängig davon, ob ihre Einhaltung in einem Genehmigungsverfahren geprüft wird (vgl. Art. 55 Abs. 2 BayBO) - ohnehin entsprechen. Ihre Berücksichtigung auch als öffentlicher Belang würde zu einer Doppelprüfung führen, für die es keine Rechtfertigung gibt). Die eventuelle bauplanungsrechtliche Unzulässigkeit eines möglicherweise nicht nach § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB privilegierten Vorhabens im Außenbereich hat bereits eine frühere Entscheidung des Senats (BayVGH, B.v. 22.7.2003 - 15 ZB 02.1223 - juris Rn. 4, 7) nicht als einen bei der konkreten Abweichungsentscheidung zu berücksichtigenden öffentlichen Belang angesehen. Die mit § 35 Abs. 1 BauGB verfolgten bauplanungsrechtlichen Ziele (grundsätzliche Zuweisung bestimmter Vorhaben an den Außenbereich) stünden in keinem Zusammenhang mit dem Regelungszweck des Art. 70 Abs. 1 Satz 1 BayBO (erg.: 1998) und blieben daher in diesem Kontext unberücksichtigt.

(3) Der Senat neigt dazu, der zuletzt dargestellten Auffassung aus den nachfolgenden Erwägungen den Vorzug zu geben.

(3.1) Den Ausgangspunkt aller einschlägigen Überlegungen, wie groß der Kreis der öffentlichen Belange sein kann bzw. sollte, die bei der gerichtlichen Überprüfung einer Abweichungsentscheidung im Rahmen einer Nachbarklage Berücksichtigung finden dürfen bzw. müssen, bildet § 113 Abs.1 Satz 1 VwGO mit seiner Vorgabe, dass die zur gerichtlichen Kontrolle stehende Entscheidung für den Fall ihrer Aufhebung eigene Rechte der Klagepartei verletzen muss. Wann eine Baugenehmigung subjektiv-öffentliche Nachbarrechte verletzt, bestimmt sich nach den für das jeweilige Vorhaben anzuwendenden materiellen Vorschriften. Kuchler und König (jeweils a. a. O.) ist darin zu folgen, dass es für eine Doppelprüfung der für ein bestimmtes Vorhaben geltenden Vorschriften weder einen Anlass noch eine Berechtigung gibt. Zwar mag beispielsweise ein Vorhaben, das die (landesrechtlichen) Abstandsflächen einhält, aus tatsächlichen Gründen in der Regel auch (bauplanungsrechtlich) nicht rücksichtlos sein (vgl. BVerwG, B.v. 11.1.1999 - 4 B 128/98 - juris Rn. 3, 4). Gleichwohl folgt die Beurteilung der Rücksichtslosigkeit eines Vorhabens im Hinblick auf seine Größe und sein Erscheinungsbild sowie seine Lage gegenüber einem Nachbargrundstück eigenen Regeln (vgl. BVerwG, U.v. 23.5.1986 - 4 C 34/85 - BauR 1986, 542 = juris Rn. 17, 18: Das im Einfügungsgebot des § 34 Abs. 1 Satz 1 BBauG enthaltene bundesrechtliche Rücksichtnahmegebot bezieht sich nicht auf bauordnungsrechtliche Merkmale; vgl. ferner BayVGH, U.v. 27.3.2013 - 14 B 12.192 - juris Rn. 31, 34 m. w. N.: ein die Abstandsflächen nicht (vollständig) einhaltendes Vorhaben ist damit nicht automatisch rücksichtslos). Mit der Prämisse, dass die Prüfung eines Vorhabens unter nachbarrelevanten planungs- und bauordnungsrechtlichen Gesichtspunkte jeweils eigenständigen, in sich geschlossenen Regeln folgt, ist die Anreicherung der bei einer Abweichung von bauordnungsrechtlichen Abstandsvorschriften zu untersuchenden Belange um den Gesichtspunkt der objektiven planungsrechtlichen Zulässigkeit des betroffenen Vorhabens grundsätzlich nicht zu vereinbaren. Dies gilt in vergleichbarer Weise für die in eigenen Kodifikationen geregelten Natur- und Denkmalschutzbelange. Ob ein Vorhaben den einschlägigen objektiv-rechtlichen Anforderungen entspricht, ist unabhängig davon zu entscheiden, ob wegen der Nichteinhaltung der Abstandsflächen unter Würdigung der öffentlich-rechtlich geschützten nachbarlichen Belange eine Abweichung erteilt werden kann.

(3.2) Die Meinung, sonstige Belange seien bei der hier zu erörternden Entscheidung über die Erteilung einer Abweichung von der Einhaltung der Abstandsflächen für die Interessenabwägung relevant, wenn durch die Abweichung der jeweilige Rechtsverstoß hervorgerufen oder wesentlich verschärft werde, dürfte wohl bereits an der falschen Stelle des zu beurteilenden Lebenssachverhalts ansetzen. Den unter Umständen gegen Planungs-, Natur- oder Denkmalschutzrecht verstoßenden Standort seines Vorhabens wie auch dessen übrige Abmessungen bestimmt der Bauwerber durch den Inhalt der von ihm einzureichenden Bauvorlagen (vgl.: §§ 7, 8 BauVorlV). Nach der durch das in den jeweiligen Kodifikationen enthaltene materielle Recht vorgegebenen Prüfungsreihenfolge bildet die Untersuchung der Abstandsflächenproblematik des Vorhabens, von wenigen „Offensichtlichkeitsfällen“ vielleicht abgesehen, regelmäßig den Schlusspunkt der präventiven Kontrolle des Einzelfalls im bauaufsichtlichen Genehmigungsverfahren. Vor diesem Hintergrund ist es von vorneherein zweifelhaft, wie ein hinzutretender Abstandsflächenverstoß überhaupt geeignet sein könnte, beispielsweise einen - wie gesagt, schon vorher festzustellenden - Verstoß dieses Vorhabens gegen planungsrechtliche Vorschriften „hervorzurufen“ oder „wesentlich zu verschärfen“. Für einen mit diesem Vorhaben verbundenen planungs-, naturschutz- oder denkmalschutzrechtlichen Missgriff kann die zusätzliche Nichteinhaltung der Abstandsflächen als solche schon rein äußerlich betrachtet nicht kausal sein.

Die darüber hinaus fehlende innere Abhängigkeit der angesprochenen Normkomplexe voneinander wird deutlich, wenn man sich die von den jeweiligen Gesetzen verfolgten Zwecke und Schutzgüter vergegenwärtigt. Planungsrechtliche Vorschriften dienen, von der Rechtsfigur des Rücksichtnahmegebots abgesehen, in erster Linie der Verwirklichung einer nachhaltigen städtebaulichen Entwicklung (vgl. § 1 Abs. 5 Satz 1 BauGB). Die Ziele des Naturschutzes und der Landschaftspflege bestehen vor allem darin, die biologische Vielfalt, die Leistungs- und Funktionsfähigkeit des Naturhaushalts und die Vielfalt, Eigenart und Schönheit sowie den Erholungswert von Natur und Landschaft auf Dauer zu sichern (vgl. § 1 Abs. 1 BNatSchG). Hauptanliegen des Denkmalschutzrechts sind die Erhaltung und der Schutz unter anderem von Bau- und Bodendenkmälern (vgl. Art. 3 Abs. 1, Art, 4 bis 6 DSchG). Hier ist hervorzuheben, dass der Abwehranspruch des Eigentümers eines Baudenkmals gegen ein „heranrückendes“ Bauvorhaben, das den Denkmalwert oder das Erscheinungsbild seines Schutzgegenstands beeinträchtigt, vom Ansatz her grundlegend anderen Gesichtspunkten folgt als der zentimetergenauen Einhaltung von Abstandsflächen eines Vorhabens auf einem benachbarten Grundstück (vgl. BayVGH, U.v. 24.1.2013 - 2 BV 11.1631 - BayVBl 2013, 470 = juris Rn. 29 ff.: keine Beeinträchtigung eines Bootshauses durch einen unmittelbar daran vorbeigeführten Steg für die Allgemeinheit).

(3.3) In diesem Zusammenhang erscheint eine Korrektur der Auffassung angezeigt, dass bei der Abweichung/Befreiung von einer nachbarschützenden Vorschrift auf die Klage des Nachbarn hin jeder Fehler bei der Rechtsanwendung zur Aufhebung der Baugenehmigung führt (vgl. BVerwG, B.v. 27.8.2013 - 4 B 39/13 - ZfBR 2013, 783 = juris Rn. 3 zu § 31 Abs. 2 BauGB; BayVGH, U.v. 3.12.2014 - 1 B 14.819 - juris Rn. 21 unter 4. - obiter dictum zur Rechtswidrigkeit einer Abweichung von nachbarschützenden Vorschriften des Abstandsflächenrechts wegen Unvereinbarkeit des Vorhabens mit anderen öffentlichen Belangen und daraus folgender objektiver Rechtswidrigkeit). Auch die Vertreter der Meinung, dass im Rahmen einer Nachbarklage gegen die Abweichung/Befreiung von einer nachbarschützenden Vorschrift zunächst eine umfassend angelegte Prüfung der Zulässigkeit des betroffenen Vorhabens anzustellen sei, schränken ein, dass der Nachbar keinen Anspruch darauf habe, dass das Vorhaben in jeder Hinsicht den öffentlich-rechtlichen Anforderungen entspricht (BayVGH, U.v. 3.12.2014 - 1 B 14.819 - juris Rn. 21 unter Hinweis auf BayVGH, B. v. 16.7.2007 - 1 CS 07.1340 - BauR 2007, 1858 und U.v. 15.12.2008 - 22 B 07.143 - BayVBl 2009, 530). Eine Rechtfertigung für die Doppelprüfung objektiven, nicht schon im Tatbestand (vgl. § 31 Abs. 2 BauGB) enthaltenen Planungsrechts - nur und gerade aus Anlass einer Abweichungs-/Befreiungsentscheidung - lässt sich aus den vorbezeichneten allgemeinen Überlegungen jedenfalls nicht herleiten.

Prinzipiell erscheint die Anknüpfung an die zur Nachbarrechtsverletzung im Rahmen von § 31 Abs. 2 BauGB entwickelten Maßstäbe bei der Anwendung von Art. 63 Abs. 1 BayBO (vgl. Jäde in Jäde/Dirnberger/Bauer, Die neue Bayerische Bauordnung, Stand September 2014, Art. 63 Rn. 61) wenig überzeugend. § 31 Abs. 2 BauGB enthält einen, zuletzt durch das Gesetz über Maßnahmen im Bauplanungsrecht zur Erleichterung der Unterbringung von Flüchtlingen vom 20. November 2014 (BGBl I S. 1748) geringfügig ergänzten, klar definierten und in sich geschlossenen Kanon objektiver Befreiungsvoraussetzungen. Fehlt es im Einzelfall bereits an einer der danach zu fordernden Voraussetzungen für die Befreiung von einer nachbarschützenden planungsrechtlichen Vorschrift, kann die dennoch erfolgte Entscheidung zugunsten eines Vorhabens im Nachbarrechtstreit keinen Bestand haben.

Im Bauordnungsrecht fehlt eine vergleichbar detaillierte gesetzliche Beschreibung der allgemeinen Voraussetzungen für die Erteilung einer Abweichung. In der (ständigen) Rechtsprechung wurde dazu eine Kasuistik entwickelt, die unter dem Oberbegriff der Atypik verschiedene Fallgestaltungen versteht, in denen ein Abgehen von den (abstandsflächenrechtlichen) Regelanforderungen des Gesetzes grundsätzlich möglich erscheint (vgl. stellvertretend BayVGH, B.v. 16.7.2007 - 1 CS 07.1340 - juris Rn. 16: Gründe von ausreichendem Gewicht, durch die sich das Vorhaben vom Regelfall unterscheidet und die die Einbuße an Belichtung und Lüftung sowie eine Verringerung der freien Flächen des Baugrundstücks im konkreten Fall als vertretbar erscheinen lassen). Diese Atypik kann sich etwa aus einem besonderen Grundstückszuschnitt, einer aus dem Rahmen fallenden Bebauung auf dem Bau- oder dem Nachbargrundstück oder einer besonderen städtebaulichen Situation, wie der Lage des Baugrundstücks in einem historischen Ortskern, ergeben. Fehlt es bereits daran, erweist sich eine trotzdem erteilte Abweichung von der Einhaltung der gesetzlich vorgeschriebenen Abstandsflächen von vorneherein als rechtswidrig; die Baugenehmigung ist auf eine Nachbarklage hin aufzuheben. Weshalb das gleiche Ergebnis eintreten sollte, wenn zwar die Atypik zu bejahen war und die individuelle Ermessensausübung fehlerfrei erfolgte, das Vorhaben aber - ohne darin liegende Verletzung nachbarlicher öffentlicher Rechte - „schlicht“ planungsrechtsrechtswidrig ist, lässt sich schwerlich nachvollziehen.

Nach Meinung des Senats sprechen daher gute Gründe dafür, die Auffassung, dass bei der Abweichung/Befreiung von nachbarschützendem Recht - hier: von Art. 6 BayBO - jeder Verstoß zur Rechtsverletzung des betroffenen Nachbarn führen soll, teleologisch zu reduzieren. Im vorliegenden Zusammenhang reicht es als Maßgabe für die Überprüfung aus, dass die Abweichung von der Einhaltung nachbarschützender abstandsflächenrechtlicher Bestimmungen die Rechte des betroffenen Nachbarn auch und schon, andererseits aber nur dann verletzt, wenn im Einzelfall die spezifischen objektiven Voraussetzungen für die Annahme eines atypischen Sonderfalls fehlen. Alles übrige aus Anlass des jeweiligen Falles zu prüfende öffentliche Recht ist unabhängig davon auf mögliche Nachbarrechtsverletzungen zu untersuchen, eine Doppelprüfung derselben Belange im Rahmen einer Entscheidung nach Art. 63 Abs. 1 Satz 1 BayBO unterbleibt. Das befreit nicht zuletzt auch die Anwendungspraxis von - im Einzelnen, wie gezeigt, kaum bzw. nicht plausibilisierungsfähigen - kausalen Verknüpfungsversuchen zwischen den Schutzgütern des Abstandflächenrechts und (beliebigen) sonstigen öffentlichen Belangen.

2. Aus dem Vorstehenden (vgl. oben II. 1 a) ergibt sich zugleich, dass die Rechtssache keine besonderen tatsächlichen und/oder rechtlichen Schwierigkeiten aufweist. Für die Beantwortung der für dieses Verwaltungsstreitverfahren maßgeblichen Fragen bedarf es keines Berufungsverfahrens.

3. Kosten: § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO. Streitwert: § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 3 und Abs. 1 Satz 1, § 52 Abs. 1 GKG unter Berücksichtigung der Nr. 9.7.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 (BayVBl-Beilage 1/2014).

Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).

Tenor

I.

Das Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 27. September 2012 und der Bescheid des Landratsamts D. vom 22. November 2011 werden aufgehoben.

II.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen. Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.

III.

Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden‚ sofern nicht die Klägerin vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Gegenstand des Rechtsstreits ist die der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung für den Einbau einer Wohnung in ein Bestandsgebäude auf dem Grundstück der Beigeladenen FlNr. .../...der Gemarkung G.

Das Landratsamt D.erteilte dem damaligen Eigentümer dieses Grundstücks nach vorhergehender Baueinstellung mit Bescheid vom 6. Dezember 1961 eine Baugenehmigung für die Errichtung eines Nebengebäudes mit einer Gebäudelänge von ca. 33 m und einer Gebäudebreite von ca. 11 m. Im Erdgeschoss des Gebäudes umfasst sie ein Lager für Baugerüste und Baumaterial sowie für Garagen; eine gesonderte Festlegung zur Nutzung des Dachgeschosses ist den Plänen nicht zu entnehmen‚ allerdings sind die in der Eingabeplanung enthaltenen und tatsächlich auch eingebauten Dachfenster mit dem Vermerk „keine Dachfenster“ gestrichen. Der Abstand der westlichen Außenwand des Nebengebäudes zur Grenze des Grundstücks der Klägerin auf FlNr. .../... der Gemarkung G. beträgt ca. 0‚5 m. Bereits während der Bauarbeiten und vor Erteilung der Genehmigung war im nördlichen Teil auf einer Tiefe (von Norden her gemessen) von 8‚90 m eine Wohnung eingebaut worden. Ein hierfür eingereichter Bauantrag vom 27. Oktober 1964 wurde nicht verbeschieden; die Bauakte ist mit dem Vermerk „Ablehnung“ versehen.

Mit Bescheid vom 22. November 2011 genehmigte das Landratsamt D. unter Erteilung einer Abweichung für das Unterschreiten der Abstandsflächen um 2‚50 m zur Grundstückgrenze der Klägerin die Nutzungsänderung für den Einbau einer Wohnung im nördlichen Teil des Dachgeschosses.

Die hiergegen erhobene Klage‚ die u. a. auch auf die mit der Erteilung der Baugenehmigung erstmals geschaffenen Einblicksmöglichkeiten auf das Grundstück der Klägerin sowie Brandschutzaspekten begründet wurde‚ wies das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 27. September 2012 ab. Es liege ein atypischer Fall vor‚ da es sich bei dem Nebengebäude um ein bestandsgeschütztes Gebäude handle; der Einbau von Dachfenstern habe den Bestandsschutz nicht in Frage gestellt‚ da es sich dabei nicht um eine abweichende Bauausführung handle‚ welche die Identität des gesamten Gebäudes in Frage stelle. Brandschutzrechtliche Vorschriften seien im vereinfachten Baugenehmigungsverfahren nicht zu prüfen. Im Übrigen werde der Belang des Brandschutzes durch die Nutzungsänderung nicht weitergehend beeinträchtigt als durch die bestehende bestandsgeschützte Nutzung. Zu berücksichtigen sei weiterhin‚ dass das Dachgeschoss bereits seit Jahrzehnten faktisch zu Wohnzwecken genutzt werde. Die Einsichtsmöglichkeiten aus den drei Dachflächenfenstern seien gering und beträfen vorrangig die nördliche Grünfläche des Grundstücks der Klägerin‚ so dass jedenfalls keine unzumutbare Beeinträchtigung vorliege.

Mit der vom Senat wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des Urteils zugelassenen Berufung trägt die Klägerin u. a. vor:

Es liege bereits kein atypischer Fall vor‚ weil das Nebengebäude planabweichend errichtet sowie von Anfang an zu Wohnzwecken genutzt und damit nicht bestandsgeschützt sei. Es habe sich von Anfang an jedenfalls hinsichtlich seiner Nutzung als ein „aliud“ gegenüber der Baugenehmigung dargestellt. Bei der Nutzung des Dachgeschosses handle sich insgesamt um eine vollständig neue Nutzung‚ da mit der genannten Baugenehmigung nicht einmal eine Lagernutzung genehmigt sei. Brandschutzrechtliche Fragen seien vom Schutzzweck der Abstandsflächenvorschriften mit umfasst‚ so dass sie auch im vereinfachten Verfahren und damit im Rahmen der Abweichungsentscheidung zu den Abstandsflächenvorschriften zu prüfen seien. Nicht hinreichend berücksichtigt habe der Beklagte den von diesen Vorschriften intendierten ausreichenden Sozialabstand zum Grundstück der Klägerin und die damit verbundenen Einblickmöglichkeiten. Durch die Genehmigung der Wohnnutzung würden solche zwar nicht auf das Wohngebäude der Klägerin‚ jedoch auf den ebenfalls schutzbedürftigen‚ wohnakzessorischen Bereich im Garten geschaffen.

Die Klägerin beantragt‚

das Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 27. September 2012 und den Bescheid des Landratsamts D. vom 22. November 2011 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt‚

die Berufung zurückzuweisen.

Bei dem vorhandenen Bestandsgebäude handle es sich entgegen der Bezeichnung in der Baugenehmigung nicht um ein „Nebengebäude“‚ sondern um das Betriebsgebäude einer Baufirma. Der Nachbarschutz des Abstandsflächenrechts sei bei bestehenden Gebäuden‚ die die Abstandsflächen nicht einhielten‚ eingeschränkt. Von der beabsichtigten Wohnnutzung sei lediglich der rückwärtige‚ im Norden gelegene Gartenbereich des Grundstücks der Klägerin betroffen‚ der bereits dem Außenbereich angehören dürfte. Hinzu komme‚ dass die streitgegenständliche Wohnnutzung im Dachgeschoss seit Jahrzehnten ausgeübt werde. Ihre Legalisierung lasse keine nachhaltigen Auswirkungen auf das Grundstück der Klägerin erwarten.

Der Senat hat eine Ortsbesichtigung durchgeführt‚ auf deren Feststellungen Bezug genommen wird. Im Übrigen wird auf die vorgelegten Behördenakten und die Gerichtsakten verwiesen.

Gründe

Die zulässige Berufung ist begründet‚ da das Verwaltungsgericht die Klage zu Unrecht abgewiesen hat. Aus diesem Grund sind das Urteil des Verwaltungsgerichts und der angefochtene Bescheid aufzuheben.

Die Voraussetzungen für die Zulassung einer Abweichung von den Abstandsflächenvorschriften (Art. 6 BayBO) im Hinblick auf die nach Art. 57 Abs. 4 Nr. 1 BayBO nicht genehmigungsfreie und damit nach Art. 55 Abs. 1 BayBO genehmigungsbedürftige Nutzungsänderung des Nebengebäudes zu Wohnzwecken liegen nicht vor. Nach Art. 63 Abs. 1 Satz 1 BayBO kann die Bauaufsichtsbehörde Abweichungen von bauaufsichtlichen Anforderungen zulassen‚ wenn sie unter Berücksichtigung des Zwecks der jeweiligen Anforderung und unter Würdigung der öffentlich-rechtlich geschützten nachbarlichen Belange mit den öffentlichen Belangen‚ insbesondere den Anforderungen des Art. 3 Abs. 1 BayBO‚ vereinbar sind. Die erteilte Abweichung ist mit dem Normzweck des Abstandsflächenrechts, das auch den sog. Wohnfrieden schützt, nicht vereinbar. Sie ist daher rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

1. Während bei bautechnischen Anforderungen der Zweck der Vorschriften vielfach auch durch eine andere als die gesetzlich vorgesehene Bauausführung gewahrt wird‚ die dann im Wege der Abweichung zugelassen werden kann‚ haben Abweichungen von den Regeln des Abstandsflächenrechts zur Folge‚ dass dessen Ziele oft nur unvollkommen verwirklicht werden. Es müssen also Gründe vorliegen‚ durch die sich das Vorhaben vom Regelfall unterscheidet und die die Einbuße an den Schutzgütern des Abstandsflächenrechts im konkreten Fall als vertretbar erscheinen lassen. Es muss sich um eine atypische‚ von der gesetzlichen Regel nicht zureichend erfasste oder bedachte Fallgestaltung handeln (z. B. BayVGH‚ B.v. 29.11.2006 - 1 CS 06.2717 - juris; U.v. 11.1.2007 - 14 B 03.572 - juris; B.v. 16.7.2007 - 1 CS 07.1340 - BauR 2007‚ 1858; OVG Berlin-Brandenburg‚ B.v. 19.12.2012 - OVG 2 S 44.12 - NVwZ-RR 2013‚ 400; OVG Bremen‚ B.v. 8.4.2013 - 1 B 303/12 - NVwZ 2013‚ 1027; kritisch zur Atypik neuerdings Happ‚ BayVBl 2014‚ 65). Diese kann sich etwa aus einem besonderen Grundstückszuschnitt‚ einer aus dem Rahmen fallenden Bebauung auf dem Bau- oder dem Nachbargrundstück oder einer besonderen städtebaulichen Situation ergeben (zusammenfassend z. B. BayVGH‚ B.v. 16.7.2007 - 1 CS 07.1340 - BauR 2007‚ 1858 m. w. N.). In solchen Lagen kann auch das Interesse des Grundstückseigentümers‚ vorhandene Bausubstanz zu erhalten und sinnvoll zu nutzen oder bestehenden Wohnraum zu modernisieren‚ eine Verkürzung der Abstandsflächen durch Zulassung einer Abweichung rechtfertigen (zusammenfassend BayVGH a. a. O.).

Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe kann im vorliegenden Fall eine atypische Grundstückssituation bereits deshalb bejaht werden‚ da ein zu einer Nebennutzung genehmigtes Gebäude mit noch nutzbarer‚ einen wirtschaftlichen Wert darstellender Bausubstanz vorhanden und in dieser Nutzung bestandsgeschützt ist‚ da es zum Zeitpunkt der Genehmigungserteilung am 6. Dezember 1961 nach der damals geltenden Bayerischen Bauordnung 1901 eine Abstandsfläche nicht einhalten musste und eine Abweichung deshalb nicht erforderlich war. Dabei ist nicht entscheidungserheblich‚ ob es sich bei dem vorhandenen Bestandsgebäude entgegen der Bezeichnung in der Baugenehmigung nicht um ein „Nebengebäude“‚ sondern - wie der Beklagte meint - um das Betriebsgebäude einer Baufirma handelte. Gleiches gilt für die Tatsache‚ dass der frühere Bauherr im Widerspruch zu den Festsetzungen der Baugenehmigung in das Gebäude Dachfenster eingebaut hat.

2. Eine atypische Fallgestaltung ist zwar eine notwendige, nicht aber eine hinreichende Voraussetzung für die Rechtmäßigkeit einer Abweichung von den Abstandsflächenvorschriften. Gemäß Art. 63 Abs. 1 Satz 1 BayBO ist der Zweck der jeweiligen Anforderung‚ in diesem Fall des Abstandsflächenrechts‚ zu berücksichtigen. Insofern entspricht es gesicherter Auffassung‚ dass der Zweck des Abstandsflächenrechts darin besteht‚ eine ausreichende Belichtung und Belüftung der Gebäude zu gewährleisten und die für notwendige Nebenanlagen erforderlichen Freiflächen zu sichern (z. B. BayVGH‚ U.v. 14.10.1985 - 14 B 85 A.1224 - BayVBl 1986‚ 143; U.v. 14.12.1994 - 26 B 93.4017 - VGHE n. F. 48‚ 24). Dies kann bereits unmittelbar den gesetzlichen Vorschriften des Art. 6 Abs. 5 Satz 3 Halbs. 2‚ Art. 81 Abs. 1 Nr. 6 BayBO entnommen werden. Der Senat ist allerdings der Auffassung‚ dass darüber hinaus auch der sog. Wohnfrieden (Sozialabstand) als Zweck des Abstandsflächenrechts anzuerkennen ist. Hierzu gehört der Schutz der Privatsphäre vor unerwünschten Einblickmöglichkeiten und vor dem unerwünschten Mithören sozialer Lebensäußerungen in der Nachbarschaft. Zwar besteht nach herrschender Meinung Einigkeit‚ dass -ungeachtet eines Verstoßes gegen das Gebot der Rücksichtnahme im Einzelfall - der Wohnfrieden insbesondere bei Einblickmöglichkeiten in Nachbargrundstücke planungsrechtlich grundsätzlich nicht geschützt ist (BVerwG‚ B.v. 24.4.1989 - 4 B 72.89 - NVwZ 1989‚ 1060; BayVGH‚ B.v. 25.1.2013 - 15 ZB 13.68 - juris); denn das bauplanungsrechtliche Gebot des Einfügens bezieht sich nur auf die in § 34 Abs. 1 BauGB genannten städtebaulichen Merkmale der Nutzungsart‚ des Nutzungsmaßes‚ der Bauweise und der überbaubaren Grundstücksfläche. Die Möglichkeit der Einsichtnahme ist - als nicht städtebaulich relevant - davon nicht angesprochen (BVerwG a. a. O.). Demgegenüber sollen die bauordnungsrechtlichen Abstandsflächenvorschriften auch dem Interesse dienen‚ unmittelbare Einblicke zu begrenzen (vgl. BayVGH‚ B.v. 20.7.2010 - 15 CS 10.1151 - juris Rn. 19; U.v. 8.5.2008 - 14 B 06.2813 - juris; eindeutig ablehnend wohl nur VGH BW‚ B.v. 18.3.2014 - 8 S 2628/13 - NVwZ-RR 2014‚ 545‚ allerdings zur Rechtslage in Baden-Württemberg). Diesem Ergebnis steht nicht entgegen‚ dass die amtliche Begründung zur Novellierung der Bayerischen Bauordnung im Jahr 1997 (s. LT-Drs. 13/7008 S. 29 f.) als Regelungszweck noch ein „Mindestmaß an Belichtung‚ Belüftung‚ Besonnung und Sozialabstand“ genannt hatte‚ während dieser Begriff in der amtlichen Begründung zur BayBO-Novelle im Jahr 2007 (s. LT-Drs. 15/7161 S. 43, 73) nicht mehr ausdrücklich enthalten ist. Daraus lässt sich nicht zwingend herleiten‚ dass der Wohnfrieden nun nicht mehr gesetzlich geschützt werden soll. Eher in das Gegenteil weisen die Vorschriften des Art. 6 Abs. 3 Nr. 2 BayBO und des Art. 6 Abs. 9 Nr. 1 BayBO. Nach ersterer Vorschrift dürfen sich Abstandsflächen bei Wohngebäuden der Gebäudeklassen 1 und 2 ausnahmsweise nur dann überdecken‚ wenn es sich um Außenwände zu einem fremder Sicht entzogenen Gartenhof handelt. Aus Art. 6 Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 BayBO folgt‚ dass grundsätzlich nur Gebäude ohne Aufenthaltsräume unter den dort bestimmten engen Voraussetzungen in den Abstandsflächen eines Gebäudes sowie ohne eigene Abstandsflächen zulässig sind. Aus den Vorschriften lässt sich demnach der Grundsatz herleiten‚ dass die Abstandsflächenvorschriften auch dem Schutz des Wohnfriedens dienen (vgl. zum - zivilrechtlichen - Schutzzweck des Art. 43 AGBGB der Wahrung des Wohnfriedens auch BayVerfGH‚ E.v. 14.12.2011 - Vf.108-VI-10 - BayVBl 2012‚ 332; kritisch neuerdings Happ‚ BayVBl 2014‚ 65) und dass nach der typisierenden Bewertung des Gesetzgebers Aufenthaltsräume in den Abstandsflächen in aller Regel nicht zulässig sind (vgl. BayVGH, U.v. 8.11.1990 - 2 B 89.339 - nicht veröffentlicht).

3. Eine Abweichung für Aufenthaltsräume in den Abstandsflächen kann daher nur zugelassen werden, wenn im Einzelfall die vom Abstandsflächenrecht geschützten Zwecke nicht oder nur geringfügig beeinträchtigt werden und wenn die Abweichung unter Würdigung der öffentlich-rechtlich geschützten nachbarlichen Belange mit den öffentlichen Belangen‚ insbesondere den Anforderungen des Art. 3 Abs. 1 BayBO‚ vereinbar ist. Daraus folgt‚ dass es bei der Zulassung einer Nutzungsänderung unter (erheblicher) Abweichung von den Abstandsflächen - wie hier - maßgeblich sowohl auf die künftige Art der Nutzung als auch auf den Umfang der Abweichung ankommt. Das Interesse des Bauherrn‚ eine bessere wirtschaftliche Nutzung eines Gebäudes‚ insbesondere eine Wohnnutzung‚ herbeizuführen‚ reicht demgegenüber für die Erteilung einer Abweichung grundsätzlich nicht aus.

Unter Beachtung dieser Grundsätze gilt hier Folgendes:

Auf die vom Beklagten in der mündlichen Verhandlung in den Vordergrund gerückte Frage‚ dass es sich bei dem vorhandenen Bestandsgebäude - entgegen der Bezeichnung in der Baugenehmigung - nicht um ein Nebengebäude‚ sondern um das ehemalige Betriebsgebäude einer Baufirma handeln solle‚ kommt es nicht an. Die hier genehmigte Nutzungsänderung betrifft allein eine - erstmalige - Wohnnutzung in unmittelbarer Nähe zur Nachbargrenze‚ die aus den drei westlichen‚ zum Grundstück der Klägerin hin gerichteten Dachflächenfenstern erstmals dauerhaft Einblickmöglichkeiten jedenfalls in den Gartenbereich des Grundstücks der Klägerin ermöglicht. In einer solchen Situation kommt dem Normzweck und den Interessen des Nachbarn, Aufenthaltsräume in den Abstandsflächen zu verhindern, von vornherein eine Priorität gegenüber den Interessen des Bauherrn zu mit der Folge‚ dass im Regelfall eine Abweichung von den Abstandsflächenvorschriften nicht erteilt werden kann (vgl. BayVGH, B.v. 3.4.2014 - 1 ZB 13.2536 - BayVBl 2014, 634). Die Frage‚ ob die dem Wohnhaus der Klägerin nördlich vorgelagerte Grundstücksfläche teilweise oder insgesamt dem Außenbereich zuzurechnen ist und deshalb möglicherweise nicht mit einem Wohngebäude bebaut werden kann‚ ist deshalb nicht entscheidungserheblich. Auch die Tatsache‚ dass die Wohnnutzung im Dachgeschoss Jahrzehnte ausgeübt worden ist‚ führt zu keinem anderen Ergebnis‚ da eine Legalisierungswirkung durch die formell und materiell rechtswidrige Nutzung nicht eingetreten ist.

4. Der Senat weist im Übrigen darauf hin, dass entgegen der Auffassung des Landratsamts und des Verwaltungsgerichts im vorliegenden Fall brandschutzrechtliche Vorschriften hätten geprüft werden müssen. Bei der Zulassung einer Abweichung von nachbarschützenden Vorschriften wie denjenigen des Abstandsflächenrechts kann der Nachbar nicht nur eine ausreichende Berücksichtigung seiner Interessen beanspruchen. Wie bei einer Befreiung nach § 31 Abs. 2 BauGB von einer nachbarschützenden Bebauungsplanfestsetzung (siehe hierzu BVerwG‚ B.v. 8.7.1998 - 4 B 64.98 - BayVBl 1999‚ 26 m. w. N.) ist er auch dann in seinen Rechten verletzt‚ wenn die Abweichung aus einem anderen Grund mit den öffentlichen Belangen nicht vereinbar und damit objektiv rechtswidrig ist (BayVGH‚ B.v. 16.7.2007 - 1 CS 07.1340 - BauR 2007‚ 1858; Jäde in Jäde/Dirnberger/Bauer/Weiß, Die neue Bayerische Bauordnung‚ Art. 63 Rn. 29). Allerdings hat der Nachbar keinen Anspruch darauf, dass das Vorhaben in jeder Hinsicht den öffentlich-rechtlichen Anforderungen entspricht. Es sind lediglich die Belange in die Abwägung einzustellen, die durch die die Abweichung auslösende konkrete Maßnahme erstmals oder stärker als bisher beeinträchtigt werden (vgl. BayVGH, B.v. 16.7.2007 a. a. O.; U.v. 15.12.2008 - 22 B 07.143 - BayVBl 2009, 530). Nach alledem hätte das Landratsamt, auch ohne dass es eines gesonderten Antrags auf Erteilung einer Abweichung nach Art. 63 Abs. 2 BayBO bedurfte, hier die Vorschrift des Art. 30 Abs. 5 Satz 2 Nr. 1 BayBO prüfen müssen.

Der Beklagte trägt als Unterliegender die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen (§ 154 Abs. 1 VwGO). Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst‚ da sie keinen Antrag gestellt und sich damit keinem Kostenrisiko ausgesetzt hat (§ 162 Abs. 3 VwGO).

Die Kostenentscheidung ist gemäß § 167 VwGO i. V. m. § 708 ff. ZPO für vorläufig vollstreckbar zu erklären.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 132 Abs. 2 VwGO).

Tenor

I.

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

II. Die Antragstellerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen. Der Beigeladene trägt seine außergerichtlichen Kosten selbst.

III.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 3.750 Euro festgesetzt.

Gründe

I.

Die Antragstellerin wendet sich im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gegen die dem Beigeladenen erteilte bauaufsichtliche Genehmigung der Antragsgegnerin vom 9. August 2013 in der Fassung der Tekturgenehmigung vom 16. Mai 2014. Gegenstand der Baugenehmigung ist die Errichtung von zwei der Hotelnutzung dienenden Gebäuden mit einer (zum Grundstück der Antragstellerin hin offenen) Tiefgarage auf dem Grundstück FlNr. ... der Gemarkung R. Südwestlich des Vorhabens stehen die Wohngebäude der Antragstellerin, deren Grundstück FlNr. ... tiefer liegt als das Baugrundstück, das den Bauvorlagen gemäß zum Grundstück der Antragstellerin hin abgegraben wird. Zwischen dem Baugrundstück und dem Grundstück der Antragstellerin verlaufen Reste der mehrere Meter hohen Stadtmauer („Zwingermauer“).

Gegen die Baugenehmigung vom 9. August 2013 erhob die Antragstellerin Klage beim Verwaltungsgericht Regensburg (Az. RO 2 K 13.1515) und stellte einen Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage gegen die Baugenehmigung vom 9. August 2013 (Az. RO 2 S 13.1715). Über die Klage wurde noch nicht entschieden; den Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung lehnte das Verwaltungsgericht Regensburg mit Beschluss vom 4. November 2013 ab. Im Beschwerdeverfahren stellte der Verwaltungsgerichtshof die aufschiebende Wirkung der Klage der Antragstellerin gegen die Baugenehmigung vom 9. August 2013 mit Beschluss vom 23. Dezember 2013 wieder her, weil Überwiegendes für eine Verletzung der Abstandsflächenvorschriften zulasten der Antragstellerin sprach (Az. 15 CS 13.2479).

In der Folge reichte der Beigeladene bei der Antragsgegnerin geänderte Planvorlagen ein und beantragte eine Tekturgenehmigung unter Zulassung einer Abweichung von den Abstandsflächenvorschriften. Mit Bescheid vom 16. Mai 2014 erteilte die Antragsgegnerin dem Beigeladenen unter Abänderung der Baugenehmigung vom 9. August 2013 die beantragte Tekturgenehmigung und ließ eine Abweichung von den Abstandsflächenvorschriften in Richtung des Grundstücks der Antragstellerin zu. Am 20. Mai 2014 beantragte die Antragsgegnerin beim Verwaltungsgericht Regensburg, den Antrag der Antragstellerin auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Baugenehmigung im Verfahren nach § 80 Abs. 7 VwGO abzulehnen (Az. RO 2 S 14.884). Dem folgte das Verwaltungsgericht Regensburg mit Beschluss vom 16. Juli 2014. Nach Nr. I des Beschlusstenors wurde der Antrag der Antragstellerin auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage(n) gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 9. August 2013 i. d. F. des Bescheids vom 16. Mai 2014 unter Abänderung der Nr. I des Beschlusses des Verwaltungsgerichtshofs vom 23. Dezember 2013 abgelehnt.

3. Gegen die dem Beigeladenen erteilte Tekturgenehmigung erhob die Antragstellerin am 6. Juni 2014 Anfechtungsklage beim Verwaltungsgericht Regensburg (Az. RO 2 K 14.957). Am 4. August 2014 legte die Antragstellerin Beschwerde gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Regensburg vom 16. Juli 2014 ein. Zur Begründung ihres Antrags führt die Antragstellerin aus, der Antrag der Antragsgegnerin nach § 80 Abs. 7 VwGO sei nach der Rechtsprechung des Senats bereits unzulässig. Jedenfalls sei der Antrag nach § 80 Abs. 7 VwGO unbegründet, weil die Dachgauben des Vorhabens weiterhin nicht untergeordnet seien und die erteilte Abweichung rechtswidrig sei. Anders als das Verwaltungsgericht angenommen habe, weise das Baugrundstück weder einen besonderen Grundstückszuschnitt auf noch sei der diesbezüglichen Argumentation des Verwaltungsgerichts zu folgen. Zu Unrecht übernehme das Verwaltungsgericht das Vorbringen der Antragsgegnerin, wonach die Belichtungs-, Belüftungs- und Besonnungsverhältnisse auf dem Antragstellergrundstück bereits so eingeschränkt seien, dass es - vereinfacht ausgedrückt - auf das Bauvorhaben nicht mehr ankomme. Das Gegenteil sei der Fall. Verfehlt sei auch die nicht begründete Annahme, der Abstandsflächenverstoß sei von der Antragsgegnerin hinzunehmen, weil ihr Gebäude selbst die Abstandsflächen nicht einhalte. Das Verwaltungsgericht blende den Brandschutz als „unerheblich und nicht zu berücksichtigen“ völlig aus, worin ein Ermessensdefizit zu sehen sei. Die vom Verwaltungsgericht auch perpetuierte Ermessensfehleinschätzung der Antragsgegnerin hinsichtlich der wirtschaftlichen Ausnutzung des Baugrundstücks werde, sollte dies ein abweichungsrelevanter Belang sein, das Baurecht im Stadtbereich merklich ändern. Hinsichtlich der zu erwartenden Lärmwirkungen sei nicht nachvollziehbar, auf welche Stellungnahme des Umweltamts das Verwaltungsgericht rekurriere. Die Antragstellerin habe bereits darauf hingewiesen, dass die offene Tiefgarage ein erklärtes Schutzziel des Abstandsflächenrechts tangiere: nämlich den nachbarlichen Wohnfrieden. So könne es über Reflexionswirkungen durchaus zu einer Erstreckung des Lärms auf das Antragstellergrundstück kommen. Insoweit fehle es an einer nachvollziehbaren Prognose, wobei die Schutzbedürftigkeit nicht dem eines Mischgebiets, sondern dem eines Wohngebiets entspreche. Das Verwaltungsgericht habe weiter verkannt, dass das Bauvorhaben durchaus geeignet sei, den Denkmalwert des Gebäudes der Antragstellerin zu beeinträchtigen. Nicht berücksichtigt habe das Verwaltungsgericht, dass die Tiefe der Abstandsflächen mit doch erheblicher Reichweite auf dem Nachbargrundstück liegen würden. Dies spreche nach wie vor gegen eine Abweichung. Eine atypische Situation, die eine Abweichung rechtfertigen würde, liege damit insgesamt nicht vor. Die gleichwohl erteilte Abweichung stufe das Abstandsflächenrecht auf Empfehlungsqualität herab.

Die Antragstellerin beantragt,

den Beschluss des Verwaltungsgerichts Regensburg vom 16. Juli 2014 aufzuheben.

Die Antragsgegnerin beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Der Antrag nach § 80 Abs. 7 VwGO sei zulässig. Aus der vonseiten der Antragstellerin genannten Entscheidung des Senats ergebe sich nichts Gegenteiliges. Die genehmigte Tekturplanung betreffe untergeordnete Dachgauben, insbesondere sei deren Vorderseite eindeutig von der Außenwand des Gebäudes zurückversetzt. Das Baugrundstück weise einen besonderen Grundstückszuschnitt auf, was sich schon aus dem Lageplan ersehen lasse. Das Verwaltungsgericht habe eine atypische Fallgestaltung aber nicht allein aufgrund des Grundstückszuschnitts angenommen, sondern auch, worauf es maßgeblich ankomme, auf die besondere Topographie und die besondere städtebauliche Situation abgestellt. Die Besonnung werde durch die zum Grundstück der Antragstellerin hin offen ausgeführte Tiefgarage nicht beeinträchtigt. Die Tatsache, dass das Gebäude der Antragstellerin gegenüber dem Beigeladenengrundstück selbst die Abstandsflächen nicht einhalte, sei im Rahmen der Abwägungsentscheidung der Antragsgegnerin zu Recht berücksichtigt worden. Für etwaige brandschutzrechtliche Mängel bei den Gebäuden der Antragstellerin sei diese zuständig. Für unzumutbare Lärmbelästigungen fehle es an Anhaltspunkten. Die Tiefgarage dürfe nachts nicht befahren werden und die Stellplätze dürften nur von Hotelgästen genutzt werden. Hiervon ausgehend seien die Bestimmungen der TA Lärm eingehalten, was die ergänzende fachliche Stellungnahme vom 22. Oktober 2013 bestätige. Die von der Antragstellerin vorgelegte Skizze sei nicht geeignet, die Behauptung der Antragstellerin zu stützen, der Denkmalwert ihres Gebäudes werde beeinträchtigt. Der Umfang, in dem die Abstandsflächen des Vorhabens auf dem Nachbargrundstück zu liegen kämen, sei im Bescheid vom 16. Mai 2014 ausführlich berücksichtigt worden.

Der Beigeladene stellt keinen Antrag. Er ist der Auffassung, dass denkmalschutzrechtliche Bestimmungen keine nachbarschützende Wirkung entfalteten. Dessen ungeachtet bestünden keine denkmalpflegerischen Bedenken mehr.

Hinsichtlich des Weiteren Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakten des Verwaltungsgerichts Regensburg sowie des Verwaltungsgerichtshofs und der beigezogenen Bauakten der Antragsgegnerin verwiesen.

II.

Die zulässige Beschwerde bleibt ohne Erfolg.

Die von der Antragstellerin innerhalb der gesetzlichen Begründungsfrist dargelegten Gründe, auf die sich die Prüfung beschränkt (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), rechtfertigen keine Änderung der angefochtenen Entscheidung. Das Verwaltungsgericht hat dem Antrag der Antragsgegnerin gemäß § 80a Abs. 3 Satz 2 VwGO i. V. m. § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO zu Recht entsprochen. Es hat zutreffend angenommen, dass dieser Antrag zulässig (1.) und begründet (2.) ist. Die Klage(n) der Antragstellerin im Hauptsacheverfahren werden voraussichtlich erfolglos bleiben, so dass ihr Interesse an der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage(n) gegenüber dem Vollzugsinteresse an der geänderten Baugenehmigung nachrangig ist.

1. Der Antrag der Antragsgegnerin auf Abänderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichtshofs vom 23. Dezember 2013 nach § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO ist zulässig. In Rechtsprechung und Literatur ist zwar umstritten, ob ein Antrag nach § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO zulässig ist, wenn und solange der nach § 80 Abs. 5 VwGO ergangene Beschluss noch anfechtbar ist (vgl. BayVGH, B. v. 10.2.2014 - 2 CS 14.74 - juris Rn. 1 m. w. N.; ebs. der vonseiten der Antragstellerin in Bezug genommene Beschluss vom 17.11.2008 - 15 CS 08.2236 - juris Rn. 1). Eine solche Fallgestaltung liegt hier aber nicht vor, weil der Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs vom 23. Dezember 2013, dessen Abänderung beantragt wurde, nicht anfechtbar ist (§ 152 Abs. 1 VwGO). Durch einen die Identität des genehmigten Vorhabens wahrenden Tekturbescheid erledigt sich im Übrigen weder der Beschluss, mit dem einem Antrag des Nachbarn auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage gegen die Baugenehmigung in ihrer ursprünglichen Fassung stattgegeben wurde, noch dieser Antrag selbst. Soll erreicht werden, dass von der (geänderten) Baugenehmigung Gebrauch gemacht werden darf, muss demnach ein Änderungsantrag nach § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO gestellt werden mit dem Ziel, dass der zunächst erfolgreiche Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO abgelehnt wird (vgl. BayVGH, B. v. 22.1.2013 - 1 CS 12.2709 - BayVBl. 2013, 344 = juris Rn. 14).

2. Der Änderungsantrag nach § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO ist auch begründet. Die dem Beigeladenen erteilte Baugenehmigung vom 9. August 2013 in der Fassung der Änderungsgenehmigung vom 16. Mai 2014 verletzt voraussichtlich keine nachbarschützenden Rechte der Antragstellerin.

a) Entgegen dem Vorbringen der Antragstellerin sind die Dachgauben des Vorhabens „untergeordnete Dachgauben“ i. S. d. Art. 6 Abs. 8 Nr. 3 BayBO. Dachgauben i. S. d. Art. 6 Abs. 8 Nr. 3 BayBO sind Dachaufbauten (vgl. Art. 6 Abs. 4 Satz 5 BayBO) für stehende Fenster, die auf dem Dach, also insbesondere in Abgrenzung zu Zwerchhäusern nicht auf oder vor der Außenwand errichtet sind (vgl. Molodovsky/Kraus in Molodovsky/Famers/Kraus, BayBO, Stand Juli 2014, Art. 6 Rn. 141, 143a; Schwarzer/König, BayBO, 4. Auflage 2012, Art. 6 Rn. 74 jeweils m. w. N.). Diese Voraussetzung erfüllen die Dachgauben des Vorhabens, wie u. a. aus der mit Genehmigungsvermerk versehenen Bauvorlage „Tektur - Detail Dachgauben“ im Maßstab 1:20 zu ersehen ist. Weshalb eine (untergeordnete) Dachgaube nicht vorliegen soll, weil „sich die freitragende Decke bis in die Dachgaube hinein“ fortsetze und die „Dachgaube außerdem samt Fensterfront noch vor Ringanker und Fußpfette“ liege, „so dass sie weiterhin als raumbildend“ anzusehen sei, erschließt sich dem Senat nicht. Insbesondere zeigt sich in den Schnittdarstellungen gerade nicht, dass die Außenfronten der Dachgauben die Flucht der Außenwand aufnehmen (vgl. Nr. II.1 des Schriftsatzes vom 18.6.2014 aus dem verwaltungsgerichtlichen Verfahren, auf den die Antragstellerin Bezug nimmt), sondern dass sie von der Flucht der Außenwand zurückgesetzt sind. Die Dachgauben sitzen auch nicht auf dem Mauerwerk der Außenwand, sondern auf einem zurückgesetzten Kantholz, wie die Antragsgegnerin zutreffend vorgetragen hat (Schriftsatz vom 22.9.2014, III.2.a) und was sich auch aus der Schnittdarstellung (M = 1:20) ergibt. Im Übrigen erfüllen die Dachgauben die Maßvorgaben des Art. 6 Abs. 8 Nr. 3 Buchst. a und b BayBO, weshalb sie bei der Bemessung der Abstandsflächen außer Betracht bleiben. Das Wort „untergeordnete“ weist auf keine weitergehende Anforderung an die abstandsflächenrechtliche Unbeachtlichkeit von Dachgauben hin. Das Wort „untergeordnete“ wurde aus Anlass des Gesetzes zur Änderung der Bayerischen Bauordnung, des Baukammergesetzes und des Denkmalschutzgesetzes vom 14. Juli 2009 (GVBl. S. 385) in Art. 6 Abs. 8 Nr. 2 BayBO eingefügt, um klarzustellen, dass auch Vorbauten, die die gesetzlich vorgegebenen Grenzen überschreiten, „untergeordnet“ sein können und damit im Rahmen einer Abweichung von den abstandsflächenrechtlichen Anforderungen nach Art. 63 Abs. 1 Satz 1 BayBO zugelassen werden können; für „untergeordnete“ Dachgauben gilt nichts anderes (vgl. LT-Drs. 16/375, S. 11 f zu Nr. 5 Buchst. b Doppelbuchst. aa und cc).

b) Die Darlegungen der Antragstellerin lassen keine Rechtsverletzung durch die für das Vorhaben erteilte Abweichung vom Erfordernis der Freihaltung von Abstandsflächen zum Grundstück der Antragstellerin erkennen.

Nach Art. 6 Abs. 1 Satz 1 BayBO sind vor den Außenwänden von Gebäuden Abstandsflächen von oberirdischen Gebäuden freizuhalten, die wegen Art. 6 Abs. 2 Satz 1 BayBO - von den in Art. 6 Abs. 1 Satz 2 bis 4 BayBO geregelten Ausnahmen abgesehen - auf dem Grundstück selbst liegen müssen und sich nach Art. 6 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 1 BayBO - wiederum von bestimmten Ausnahmen abgesehen - nicht überdecken dürfen. Die Tiefe der Abstandsflächen bemisst sich nach Art. 6 Abs. 4 bis 7 BayBO. Art. 6 Abs. 8 BayBO enthält Regelungen für bestimmte Bauteile, die bei der Bemessung der Abstandsflächen außer Betracht bleiben; Art. 6 Abs. 9 BayBO benennt bauliche Anlagen, die in den Abstandsflächen eines Gebäudes sowie ohne eigene Abstandsflächen zulässig sind. In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass die Vorschriften über Abstandsflächen ihrer Zweckbestimmung gemäß auch dem Nachbarschutz dienen (vgl. König a. a. O., Art. 6 Rn. 109 ff.). Die dem Beigeladenen zum Neubau genehmigten Gebäude halten die gesetzlichen Abstandsflächen zum Grundstück der Antragstellerin hin nicht ein, weil das vorhandene und gegenüber dem Grundstück der Antragstellerin deutlich höher liegende Gelände des Baugrundstücks entlang der Südwestseite der genehmigten Gebäude bis zur Grundstücksgrenze bzw. Stadtmauer hin dauerhaft beseitigt werden soll, um die unter den Gebäuden geplante Tiefgarage, deren Südwestseite offen ausgeführt wird, zu erschließen. Die Wandhöhe der Gebäude ist deshalb in Richtung des Grundstücks der Antragstellerin von der durch die Abgrabung entstehenden Geländeoberfläche, hier also von der Tiefgaragenzufahrt aus, zu messen (vgl. Beschluss des Senats vom 23.12.2013 - 15 CS 13.2479).

Von den Anforderungen der Bayerischen Bauordnung und damit auch von den Vorschriften über die Abstandsflächen kann die Bauaufsichtsbehörde aber Abweichungen zulassen, wenn sie unter Berücksichtigung des Zwecks der jeweiligen Anforderung und unter Würdigung der öffentlich-rechtlich geschützten nachbarlichen Belange mit den öffentlichen Belangen, insbesondere den Anforderungen des Art. 3 Abs. 1 BayBO vereinbar sind (Art. 63 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 BayBO). Nach der gefestigten Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs erfordert eine Abweichung von den Regeln des Abstandsflächenrechts, weil deren Schutzzweck im Allgemeinen nicht auf andere Weise entsprochen werden kann, besondere Gründe, die es rechtfertigen, dass die Anforderung zwar berücksichtigt, ihrem Zweck in dem konkreten Einzelfall aber nur unvollkommen entsprochen wird. Es müssen rechtlich erhebliche Unterschiede vorliegen, die das Vorhaben als einen sich von der Regel unterscheidenden atypischen Fall erscheinen lassen und dadurch eine Abweichung rechtfertigen können. In der obergerichtlichen Rechtsprechung wurden bislang unterschiedliche Fallgruppen herausgearbeitet, die eine Abweichung rechtfertigen können (vgl. zu alldem König, a. a. O., Art. 63 Rn. 12 m. w. N.; ebs. Dhom in Simon/Busse, BayBO, Art. 63 Rn. 42 ff.; grundlegend BayVGH, B. v. 14.12.1994 - 26 B 93.4017 - juris Rn. 18; für eine von der „Regelfall-Atypik-Formel“ des Verwaltungsgerichtshofs abweichende Prüfung des für die Abweichung rechtfertigenden Grundes im Bereich der Ermessensebene vgl. Happ, „Abstandsfläche, Abweichung, Sozialabstand“, BayVBl. 2014, 65). Die Antragsgegnerin hat unter Bezugnahme auf die Kasuistik des Verwaltungsgerichtshofs die Besonderheiten des konkreten Falls herausgearbeitet, die für die Zulassung der vom Beigeladenen beantragten Abweichung sprechen und darauf aufbauend die gegenläufigen Interessen des beigeladenen Bauherrn und der Antragstellerin in nicht zu beanstandender Weise gewichtet. Hiervon ausgehend erweisen sich die in der Beschwerdebegründung dargelegten Einwände der Antragstellerin gegen die erteilte Abweichung als unbegründet. Im Einzelnen:

aa) Im Einklang mit der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs hat die Antragsgegnerin eine atypische Fallgestaltung u. a. aufgrund des bogenartigen schmalen Zuschnittes des Baugrundstücks, seiner besonderen Topographie und seiner Lage im Altstadtgefüge angenommen (vgl. z. B. BayVGH, B. v. 16.7.2007 -1 CS 07.1340 - NVwZ-RR 2008, 84 = juris Rn. 16 m. w. N.; BayVGH, U. v. 22.9.2011 - 2 B 11.762 - juris Rn. 36). Insoweit beschränkt sich die Kritik der Antragstellerin an der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung lediglich auf die Ausführungen zum „besonderen Grundstückszuschnitt“, den sie in Abrede stellt, während die Antragsgegnerin in der Bescheidsbegründung und das Verwaltungsgericht in den Gründen seiner Entscheidung gleichermaßen auf die unterschiedlichen Höhenlagen des Baugrundstücks im Straßenbereich und im rückwärtigen Bereich sowie auf dessen Lage im Altstadtgefüge abstellen. Ob die sich insoweit auf den Grundstückszuschnitt beschränkende Beschwerdebegründung den Anforderungen des § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO genügt, wonach sich die Begründung mit der angefochtenen Entscheidung auseinander setzen muss, ist deshalb fraglich. Davon abgesehen trifft die Bewertung der Antragsgegnerin aber zu, dass eine städtebaulich sinnvolle Fortentwicklung der Bebauung unter Berücksichtigung der Umgebung, insbesondere der angestrebte Lückenschluss des bislang als Parkfläche genutzten Baugrundstücks, aufgrund des ungünstigen Zuschnitts des Baugrundstücks und seiner unterschiedlichen Höhenlage im Altstadtgefüge faktisch ausscheiden würde, wenn die volle Tiefe der Abstandsfläche auch in Richtung des Grundstücks der Antragstellerin angesetzt würde. Hierin ist ein rechtfertigender Grund für die Zulassung einer Abweichung von den Abstandsflächenvorschriften zu sehen.

bb) Die Antragsgegnerin hat weiter die bereits im Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs vom 23. Dezember 2013 aufgezeigte und naheliegende Erwägung aufgegriffen, dass die abstandsrelevanten Belange der Besonnung, Belichtung und Belüftung durch die zum Grundstück der Antragstellerin hin offen ausgeführte Tiefgarage nicht beeinträchtigt werden. Dies liegt auf der Hand, weil die genehmigten Gebäude für sich betrachtet die nach Maßgabe des Art. 6 Abs. 6 BayBO zu bemessende Tiefe der Abstandsflächen auf eigenem Grund wahrten, wenn das vorhandene Gelände in Richtung des Antragstellergrundstücks beibehalten und nicht zum Zweck der Erschließung der Tiefgarage abgegraben würde. Die Bewertung der Antragsgegnerin, dass die Abstandsflächenüberschreitung vorliegend allein der Wandhöhe der Tiefgarage geschuldet und daher lediglich formell gegeben sei, trifft deshalb im Ergebnis zu. Die Antragsgegnerin hat ebenfalls zu Recht darauf abgestellt, dass die Tiefgarage dem Blick vom Antragstellergrundstück aus weitgehend entzogen ist, weil die Tiefgarage durch die zwischen 4,40 m und 5,90 m hohe Zwingermauer (vom Antragstellergrundstück aus betrachtet) abgeschirmt wird. Hiervon ausgehend ist es ohne Belang, in welchem Umfang die Besonnungs- und Belichtungsverhältnisse in den unteren Geschossen des Gebäudes Hs-Nr. 1 auf dem Grundstück der Antragstellerin durch die Zwingermauer bereits im Bestand deutlich eingeschränkt werden.

cc) Nicht zu beanstanden ist ferner, dass die Antragsgegnerin und das Verwaltungsgericht abwägend auch die Tatsache berücksichtigt haben, dass die Gebäude auf dem Grundstück der Antragstellerin die gesetzlichen Abstandsflächen zum Grundstück des Beigeladenen ihrerseits nicht einhalten. Für die im Rahmen der Würdigung der öffentlich-rechtlich geschützten nachbarlichen Belange nach Art. 63 Abs. 1 Satz 1 BayBO vorzunehmende Abwägung der widerstreitenden Interessen des Bauherrn und des betroffenen Nachbarn ist die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu § 31 Abs. 2 BauGB übertragbar. Danach bemisst sich das drittschützende Gebot der Würdigung nachbarlicher Belange nach den Grundsätzen des Rücksichtnahmegebots (vgl. Molodovsky, a. a. O., Art. 63 Rn. 34 m. w. N.; Dhom, a. a. O. Art. 63 Rn. 31). Insoweit kommt es entscheidend darauf an, wie schutzwürdig die baurechtliche Stellung des betroffenen Nachbarn ist (st. Rspr., vgl. z. B. BVerwG, U. v. 13.11.1997 - 4 B 195/97 - NVwZ-RR 1998, 540 = juris Rn. 6). Nachdem das materiell-rechtliche Abstandsflächengebot in nachbarschützender Hinsicht eine wechselseitige Pflicht zur Einhaltung der Abstandsflächen begründet, schlägt das Interesse des Nachbarn an der Wahrung der Abstandsflächen mit umso geringerem Gewicht zu Buche, als sein Gebäude - wie hier - die Abstandsflächen zum Grundstück des Bauherrn selbst nicht wahrt. Die Erwägung des Verwaltungsgerichts, in die Abwägungsentscheidung dürfe zulässigerweise auch einfließen, dass die Gebäude der Antragstellerin ihrerseits die Abstandsflächen nicht einhalten, sind deshalb nicht Ausfluss einer von der Antragstellerin so bezeichneten „Vergeltungstheorie“, sondern des das nachbarliche Gemeinschaftsverhältnis beherrschenden Grundsatzes von Treu und Glauben (vgl. BayVGH, U. v. 11.11.2014 - 15 B 12.2672 - juris Rn. 37; OVG NW, U. v. 26.6.2014 - 7 A 2057/12 - BauR 2014, 1924 = juris Rn. 38 f; OVG MV, B. v. 14.7.2005 - 3 M 69/05 - juris Rn. 34 m. w. N.).

Soweit die Antragstellerin gegen diese Betrachtung einwendet, bereits bestehende Beeinträchtigungen hinsichtlich des Brandschutzes, der Belichtung, der Belüftung, der Besonnung und des nachbarlichen Wohnfriedens dürften durch eine Abweichung nicht weiter zugespitzt werden, träfe das im Ergebnis zu, wenn durch die Zulassung des Vorhabens unzumutbare, insbesondere sozial- und gesundheitspolitisch unerwünschte Verhältnisse entstünden. So liegt es hier aber nicht. Wie bereits ausgeführt wurde, liegt das Baugrundstück deutlich höher als das Grundstück der Antragstellerin. Die die genannten Belange in erster Linie tangierenden Hotelgebäude können auf dem Baugrundstück unter Wahrung der gesetzlichen Abstände deshalb auch dann errichtet werden, wenn das bestehende Gelände nicht in Richtung des Antragstellergrundstücks hin abgegraben wird. Die aus Rechtsgründen zu berücksichtigende Abgrabung, die der Erschließung der unter den genehmigten Gebäuden geplanten Tiefgarage dient, deren Rampe aufgrund der nach Südwesten hin offenen Ausführung der Tiefgarage den Fußpunkt für die Bemessung der Wandhöhe in Richtung des Antragstellergrundstücks bildet, führt eben gerade nicht dazu, dass das Vorhaben zulasten des Antragstellergrundstücks höher ausfällt oder näher an das Antragstellergrundstück rückt. Eine weitergehende Beeinträchtigung des Brandschutzes, der Belichtung, der Belüftung und der Besonnung gegenüber dem Anwesen der Antragstellerin tritt deshalb rein tatsächlich nicht ein. Soweit in der offenen Ausführung einer Tiefgarage in Richtung des Nachbargrundstücks überhaupt eine Beeinträchtigung des sozialen Wohnfriedens gesehen werden mag, kommt eine derartige Beeinträchtigung hier nicht in Betracht, weil die Tiefgarage dem freien Blick vom Grundstück der Antragstellerin aus durch die entlang der Grundstücksgrenze verlaufende Zwingermauer entzogen ist (vgl. im Übrigen nachfolgend Doppelbuchst. ff).

dd) Entgegen dem Vorbringen der Antragstellerin liegt kein Ermessensdefizit vor, weil die Antragsgegnerin brandschutzrechtliche Mängel am Gebäude der Antragstellerin unberücksichtigt gelassen habe. Dem Schriftsatz der Antragstellerin im verwaltungsgerichtlichen Verfahren vom 18. Juni 2014 (dort S. 4) zufolge, auf den die Beschwerdebegründung verweist, vertritt die Antragstellerin offenbar die Auffassung, dass das Baugrundstück überhaupt nicht bebaut werden dürfe oder dort zumindest eine ausreichende Aufstellfläche für Rettungsfahrzeuge der Feuerwehr eingerichtet werden müsse, um den zweiten Rettungsweg für das Gebäude der Antragstellerin zu sichern. Dies trifft nicht zu. Sollte der zweite Rettungsweg in den oberen Geschossen des Gebäudes der Antragstellerin derzeit tatsächlich nicht den gesetzlichen Anforderungen entsprechen, so muss sie ggf. bauliche Maßnahmen ergreifen, die ein derartiges Defizit kompensieren oder die Aufenthaltsnutzung beschränken. Aus etwaigen brandschutzrechtlichen Mängeln der Gebäude der Antragstellerin folgt aber keine schutzwürdige Position, die eine irgendwie geartete bauliche Beschränkung auf dem Baugrundstück rechtfertigen könnte oder die bei der Ermessensentscheidung über eine Abweichung von den Abstandsflächenvorschriften Berücksichtigung finden müsste. Davon abgesehen hat der Beigeladene der Antragstellerin ausweislich seines Schreibens im verwaltungsgerichtlichen Verfahren vom 26. Juni 2014 angeboten, die zwischen den genehmigten Gebäuden geplante Feuerwehraufstellfläche grundbuchmäßig auch für die Antragstellerin absichern zu lassen, damit sie vom Bauordnungsamt anerkannt werde (vgl. Schreiben vom 5.4.2013 als Anlage Z 4 zum Schreiben vom 26. Juni 2014).

ee) Die Beachtung der wirtschaftlichen Interessen des Bauherrn im Rahmen der Abwägung ist keine „Ermessensfehleinstellung“. Die Berücksichtigung auch des Bauherrninteresses ist vielmehr notwendiger Bestandteil der Ermessensbetätigung durch die Antragsgegnerin. Bei ihrer Ermessensentscheidung hat die Antragsgegnerin nicht etwa das bloß subjektive Interesse des Beigeladenen an einer bestmöglichen wirtschaftlichen Ausnutzung des Baugrundstücks erwogen (vgl. Molodovsky, a. a. O., Art. 63 Rn. 32), sondern auf das objektivierbare Interesse des Bauherrn an einem Bauvorhaben auf einer bislang als Parkplatz genutzten Fläche abgestellt, das sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung spannungslos in die maßgeblich prägende nähere Umgebung einfüge. Dieses objektivierbare Bauherreninteresse entspricht der städtebaulichen Intention der Antragsgegnerin, die die bauliche Fortentwicklung des S.-wegs als zu begrüßenden Lückenschluss und eine Reduzierung des Bauvorhabens beispielsweise hinsichtlich der Höhenentwicklung aus städtebaulicher und bauplanungsrechtlicher Hinsicht als Fehlentwicklung wertet. Hiergegen ist nichts zu erinnern, weil auch hinreichend gewichtige städtebauliche Gründe eine Abweichung von den Abstandsflächenvorschriften rechtfertigen können (vgl. BayVGH, B. v. 4.6.2007 - 25 CS 07.940 - juris Rn. 12 m. w. N.).

ff) Der Vortrag der Antragstellerin, die offene Tiefgarage tangiere ein erklärtes Schutzziel des Abstandsflächenrechts, nämlich den nachbarlichen Wohnfrieden, weil es über Reflexionen zu einer Erstreckung des Lärms auf das Grundstück der Antragstellerin kommen könne, verhilft ihrer Beschwerde ebenfalls nicht zum Erfolg. Insoweit kann es dahinstehen, ob die Vermeidung anlagenbezogener Lärmwirkungen (vgl. Art. 74 Abs. 1 Nr. 24 GG) als Unterfall des sozialen Wohnfriedens ein Schutzzweck des Abstandsflächenrechts ist (vgl. Molodovsky/Kraus, a. a. O., Art. 6 Rn. 6 m. w. N.; kritisch zum Schutzziel Sozialabstand Happ, „Abstandsfläche, Abweichung, Sozialabstand“, BayVBl. 2014, 65). Denn jedenfalls vermittelt das Bauordnungsrecht keinen über das bauplanungsrechtliche Rücksichtnahmegebot hinausgehenden Schutzanspruch des Nachbarn vor anlagenbezogenen Lärmwirkungen. Zu den Lärmwirkungen der Tiefgarage wurde bereits im verwaltungsgerichtlichen Verfahren (Az. RO 2 S 13.1715) die „Immissionsschutzfachliche Stellungnahme zu Stellplätzen“ des Umwelt- und Rechtsamts der Antragsgegnerin vom 22. Oktober 2013 vorgelegt, die aus Anlass des Vorbringens der Antragstellerin im Schriftsatz vom 15. Oktober 2013 (Antrag im Verfahren RO 2 S 13.1715) eingeholt wurde. In diesem Schriftsatz hatte die Antragstellerin ebenso vorgetragen, dass die unmittelbar nördlich bzw. östlich angrenzenden Stellplätze in der offenen Tiefgarage unerträgliche Lärmbelästigungen entfalten würden und aufgrund der „geradezu fluchtartigen Nachbarschaftssituation“ davon auszugehen sei, dass es zu zahlreichen und wechselseitigen Reflexionen komme. Hiervon ausgehend hat das Umwelt- und Rechtsamt der Antragsgegnerin die Immissionssituation bewertet und zusammenfassend festgestellt, dass der Immissionsrichtwert für den Beurteilungspegel im Mischgebiet von 60 dB(A) und der Richtwert für kurzzeitige Geräuschspitzen von 90 dB(A) jeweils zur Tagzeit an der nächstgelegenen schutzbedürftigen Bebauung sicher eingehalten werden könne. In der Nachtzeit dürfen die Stellplätze der Tiefgarage auflagengemäß nicht angefahren werden. Mit dieser nachvollziehbaren Bewertung der Lärmsituation durch den behördlichen Immissionsschutz setzt sich die Antragstellerin nicht substantiiert auseinander.

Soweit die Antragstellerin ergänzend darauf hinweist, hinsichtlich der Schutzbedürftigkeit sei keineswegs von einem Mischgebiet, sondern „eher von einem (jedenfalls allgemeinen) Wohngebiet auszugehen“, trifft die zur Begründung dieser Auffassung aufgestellte Behauptung, „die nähere Umgebung (im S-weg) stellt ausnahmslos Wohnbebauung dar“, schon angesichts der bereits bestehenden Hotelnutzung in der ehemaligen Polizeistation auf dem Baugrundstück nicht zu.

gg) Die Antragsgegnerin hat im Bescheid vom 16. Mai 2014 umfassend auch die Belange des Denkmalschutzes geprüft und die nach Art. 6 Abs. 1 DSchG an sich erforderliche denkmalschutzrechtliche Erlaubnis mit Zustimmung der unteren Denkmalschutzbehörde ersetzt (Art. 6 Abs. 3 Satz 1 DSchG). Dabei ist sie zwar nicht der Stellungnahme des Landesamts für Denkmalpflege vom 14. Mai 2013 gefolgt, wonach „die Freihaltung der beiden rückwärtigen Grundstücke von einer Wohnbebauung“ ein denkmalpflegerisches Ziel sei und allenfalls ein Baurecht für ein Nebengebäude entsprechend der Bebauung von 1811/1937 bestehe. Die Antragsgegnerin hat ihre aus denkmalpflegerischer Sicht abweichende Auffassung aber ebenfalls nachvollziehbar begründet. Danach treffe es nicht zu, dass der Zwinger im besagten Raum gänzlich ungestört von Bebauung gewesen sei, was sich bereits aus dem Urkataster ergebe (wovon im Übrigen auch das Landesamt für Denkmalpflege ausgeht). Auch manifestiere die derzeit geteerte Parkierungsfläche einen unbefriedigenden Zustand. Schließlich seien die mit dem Vorhaben verbundene Freilegung und Sanierung der Zwingermauer aus denkmalpflegerischer Sicht als Bereicherung zu werten. Letztlich kann es dahinstehen, welche Bewertung den denkmalpflegerischen Belangen unter Berücksichtigung der Eigentümerinteressen des Bauherrn am ehesten gerecht wird und ob sich die vom Landesamt für Denkmalpflege favorisierte Beschränkung der Bebauung auf ein Nebengebäude angesichts der planungsrechtlichen Bebaubarkeit des Grundstücks des Beigeladenen durchsetzen lässt. Denn jedenfalls führen allein die unterschiedlichen Auffassungen zu einer dem Denkmalschutz gerecht werdenden Bebauung auf dem Baugrundstück noch zu keiner Verletzung des öffentlichen Belangs der Denkmalpflege i. S. d. Art. 63 Abs. 1 Satz 1 BayBO, die gerade gegen die erteilte Abweichung von den Abstandsflächenvorschriften sprechen könnten. Soweit die Antragstellerin darüber hinaus eine Beeinträchtigung ihrer „aus dem vorletzten Jahrhundert“ stammenden Gebäude einwendet, wird nicht aufgezeigt, worin eine erhebliche Beeinträchtigung von deren Denkmalwürdigkeit zu sehen ist. Die von der Antragstellerin zum Beleg ihrer Behauptung vorgelegte Skizze des Vorhabens und ihres Gebäudes (Anlage 8) lässt eine derartige Beeinträchtigung jedenfalls nicht erkennen.

hh) Der Vortrag, das Verwaltungsgericht habe unberücksichtigt gelassen, dass „die Tiefe der Abstandsflächen mit doch erheblicher Reichweite auf dem Nachbargrundstück liegt (über 5 m)“, trifft nicht zu. In den den Gründen der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung werden die Maße der verkürzten Abstandsflächen genauso angegeben wie die für die Berechnung der Abstandsflächen anzusetzenden Wandhöhen (vgl. S. 15 d. BA; s. auch Grundrissplan sowie Nr. 2 des Bescheids vom 16. Mai 2014). In dem mit Genehmigungsvermerk versehenen Lageplan „Abstandsflächen - geplantes Gelände“, auf den das Verwaltungsgericht Bezug nimmt, ist die Überschreitung zeichnerisch dokumentiert; in den Gründen des Bescheids werden die Überschreitungen auch rechnerisch ausgewiesen (vgl. Bescheid vom 16. Mai 2014 S. 10; S-weg ... zwischen 3,233 m und 4,97 m; S-weg ... zwischen 4,959 m und 5,431 m). Soweit eingewandt wird, eine Überschreitung von über 5 m spreche gegen die Zulassung einer Abweichung, so führt auch dieser Vortrag nicht zum Erfolg der Beschwerde. Die Zulassungsfähigkeit einer Abweichung von den Abstandsflächenvorschriften bemisst sich nach den konkreten Umständen des Einzelfalls, sie lässt sich aber nicht pauschal in Metern angeben, wie die baulichen Verhältnisse auf dem Antragstellergrundstück zeigen. So hat die Antragsgegnerin ermittelt, dass das Gebäude der Antragstellerin (Platz der Einheit 1) eine Wandhöhe von ca. 18 m aufweist, auf eigenem Grund aber nur einen Abstand zur Grenze des Baugrundstücks von 2,50 m/2,75 m (an der abgeschrägten Hausecke) bzw. zwischen 5 m bis 6 m einhält.

3. Die Antragstellerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen, weil sie mit ihrer Beschwerde unterlegen ist (§ 154 Abs. 2 VwGO). Nachdem der Beigeladene keinen eigenen Sachantrag gestellt und sich mithin keinem Kostenrisiko ausgesetzt hat (§ 154 Abs. 3 Halbsatz 1 VwGO), entspricht es billigem Ermessen, dass er seine außergerichtlichen Kosten selbst trägt (§ 162 Abs. 3 VwGO).

Die Streitwertfestsetzung für das Beschwerdeverfahren beruht auf § 47, § 52 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG. Sie orientiert sich an Nr. 9.7.1 und Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 (NVwZ-Beilage 2013, 57 ff.) und folgt insoweit der Streitwertfestsetzung der erstinstanzlichen Entscheidung.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Tenor

I.

Unter Abänderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts München vom 15. September 2014 wird die aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage der Antragstellerin gegen den Baugenehmigungsbescheid der Antragsgegnerin vom 26. Februar 2014 angeordnet.

II.

Die Antragsgegnerin und die Beigeladene tragen die Kosten des Verfahrens im ersten Rechtszug jeweils zur Hälfte. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Antragsgegnerin.

III.

Der Streitwert wird auf 5.000,- Euro festgesetzt.

Gründe

Die zulässige Beschwerde (§ 146 Abs. 1 VwGO) hat Erfolg, weil die dargelegten Gründe eine Abänderung der angegriffenen Entscheidung des Verwaltungsgerichts nach § 80 Abs. 5 VwGO erfordern.

Der Senat sieht nach einer in einem Eilverfahren mit dieser angemessen summarischen Prüfung (vgl. BVerfG, B. v. 24.2.2009 - 1 BvR 165/09 - NVwZ 2009, 581) im Rahmen der von ihm eigenständig zu treffenden Ermessensentscheidung die Notwendigkeit für die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Anfechtungsklage der Antragstellerin gemäß § 80a Abs. 3, § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO. Die Antragstellerin als Nachbarin kann die Baugenehmigung mit dem Ziel ihrer Aufhebung dann erfolgreich angreifen, wenn öffentlich-rechtliche Vorschriften verletzt sind, die auch ihrem Schutz dienen (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Die Klage der Antragstellerin wird wahrscheinlich Erfolg haben, weil der angefochtene Baugenehmigungsbescheid an einem derartigen Mangel leidet.

1. Die im vereinfachten Verfahren nach Art. 59 Satz 1 BayBO erteilte Baugenehmigung vom 26. Februar 2014 verletzt nicht das in § 34 Abs. 1 BauGB enthaltene Gebot der Rücksichtnahme zulasten der Antragstellerin. Zutreffend hat das Verwaltungsgericht herausgearbeitet, dass eine einmauernde oder erdrückende Wirkung des Bauvorhabens gegenüber dem Anwesen der Antragstellerin nicht zu erwarten ist (vgl. BVerwG, U. v. 13.3.1981 - 4 C 1.78 - BauR 1981, 354; BayVGH, B. v. 11.5.2010 - 2 CS 10.454 - juris).

2. Die erteilte Abweichung nach Art. 63 Abs. 1 Satz 1 BayBO hinsichtlich der nach Art. 6 Abs. 1 BayBO erforderlichen Abstandsflächen zum Grundstück der Antragstellerin FlNr. .../... der Gemarkung S. begegnet jedoch erheblichen rechtlichen Bedenken. Insoweit muss es sich um eine atypische, von der gesetzlichen Regel nicht zureichend erfasste oder bedachte Fallgestaltung handeln. Diese kann sich etwa aus einem besonderen Grundstückszuschnitt, einer aus dem Rahmen fallenden Bebauung auf dem Bau- oder dem Nachbargrundstück oder einer besonderen städtebaulichen Situation, wie der Lage des Baugrundstücks in einem historischen Ortskern, ergeben. In solchen Lagen kann auch das Interesse des Grundstückseigentümers, vorhandene Bausubstanz zu erhalten und sinnvoll zu nutzen oder bestehenden Wohnraum zu modernisieren, eine Verkürzung der Abstandsflächen durch die Zulassung einer Abweichung rechtfertigen (vgl. BayVGH, B. v. 16.7.2007 - 1 CS 07.1340 - juris; v. 19.3.2013 - 2 B 13.99 - BayVBl 2013, 729). Soll auch in diesen Bereichen eine zeitgemäße, den Wohnungsbedürfnissen entsprechende Sanierung, Instandsetzung, Aufwertung oder Erneuerung der zum Teil überalterten Bausubstanz ermöglicht werden, so kommt man im Einzelfall nicht umhin, Ausnahmen vom generalisierenden Abstandsflächenrecht zuzulassen (vgl. BayVGH, U. v. 7.10.2010 - 2 B 09.328 - juris; B. v. 15.10.2014 - 2 ZB 13.530 - juris). Hingegen begründen allein Wünsche eines Eigentümers, sein Grundstück stärker auszunutzen als dies ohnehin schon zulässig wäre, noch keine Atypik. Modernisierungsmaßnahmen, die nur der Gewinnmaximierung dienen sollen, sind auch in Ballungsräumen nicht besonders schützenswert (vgl. BayVGH, B. v. 13.10.2014 - 2 ZB 13.1627).

Entgegen der Auffassung der Beigeladenen sind vorliegend grundsätzlich Abstandsflächen einzuhalten, weil ein sog. Pavillonabstand im Sinn von Art. 6 Abs. 5 Satz 4 BayBO (vgl. BayVGH, U. v. 7.3.2013 - 2 BV 11.882 - BayVBl 2013, 634) gegenüber dem Anwesen der Antragstellerin auf dem Grundstück FlNr. .../... nicht vorliegt. Das Gebäude der Antragstellerin und der inzwischen abgerissene Altbau der Beigeladenen waren vielmehr straßenseitig aneinander angebaut. Insoweit dürfte auch die Auffassung des Verwaltungsgerichts zutreffen, dass in einem solchen Fall die Vorschrift des Art. 6 Abs. 5 Satz 4 BayBO auf Abstände rückwärtiger Gebäudeteile an der grenzständig bebauten Seite keine Anwendung finden kann, weil die sog. Pavillonabstände einen Bezug zur Straße aufweisen müssen. Selbst wenn jedoch insoweit die Rechtsansicht der Beigeladenen zutreffen sollte, wären solche sog. Pavillonabstände in den rückwärtigen Grundstücksbereichen des maßgeblichen Gevierts nicht anzutreffen. Das Erstgericht hat zu Recht festgestellt, dass die hier vorzufindenden Abstände uneinheitlich sind.

Entgegen der Meinung der Beigeladenen rechtfertigt im vorliegenden Fall der Wunsch, eine Neubebauung in etwa dem gleichen Maß vorzunehmen, wie dies in der Umgebungsbebauung vorzufinden ist, wohl nicht die strittige Abweichung hinsichtlich der Abstandsflächentiefe. Denn wie das Erstgericht zutreffend festgestellt hat, wirft das Bauvorhaben in deutlich größerer Tiefe Abstandsflächen auf das Grundstück der Antragstellerin als deren Gebäude auf das Baugrundstück. Zwar kann auch bei nicht gleichwertiger Abweichung von der Abstandsflächenpflicht das Interesse des Bauherrn an der Verwirklichung seines Vorhabens im Einzelfall überwiegen, wenn sich mit dem Neubau jedenfalls die vermehrte Abstandsflächenüberschreitung reduziert (vgl. BayVGH, B. v. 15.10.2014 - 2 ZB 13.530 - juris). Im vorliegenden Fall ist aber offensichtlich, dass sich für die Antragstellerin durch den Neubau die Abstandsflächensituation nicht insgesamt verbessert. In diesem Fall hat die Bauherrin jedenfalls keinen Anspruch darauf, ihre Neubebauung in etwa in gleichem Maß vorzunehmen, wie dies in der Umgebungsbebauung vorzufinden ist. Hiergegen sprechen bereits die unterschiedlichen Grundstückszuschnitte im maßgeblichen Geviert. Naturgemäß sind die Eigentümer von Eckgrundstücken insoweit begünstigt, da sie regelmäßig auf zwei Seiten mit dem Gebäude an die Straße heranrücken können. Ebenso sind aber auch größere Grundstücke wie das mit der FlNr. .../... hinsichtlich ihrer Entwicklungsmöglichkeiten begünstigt. Das Grundstück der Beigeladenen mit der FlNr. .../... weist jedoch mit einer Fläche von 760 qm jedenfalls eine beachtliche Größe auf, so dass eine beengte Situation, die jede wirtschaftlich vertretbare Ausnutzung des Grundstücks im nachbarschaftlichen Verhältnis zum Anwesen der Antragstellerin ausschließen würde, nicht anzunehmen ist. Hinzu kommt, dass die Beigeladene durch wahrscheinlich geringfügige Änderungen des Bauvorhabens, wie beispielsweise eine Veränderung der Dachform, eine Verbesserung zumindest im Hinblick auf die Belichtungssituation herbeiführen kann.

Selbst bei Vorliegen einer atypischen Situation ist in der Rechtsprechung im Hinblick auf die Belichtungssituation anerkannt, dass nur die Einhaltung eines Lichteinfallswinkels von 45 Grad in Höhe der Fensterbrüstung von Fenstern von Aufenthaltsräumen grundsätzlich eine ausreichende Belichtung sicherstellt (vgl. auch Art. 7 Abs. 1 Satz 3 BayBO 1974). Dieser Grundsatz gilt zwar nicht ausnahmslos, und kann insbesondere in speziellen Situationen, in denen sich die Belichtungsverhältnisse nicht verschlechtern und der bisherige Bestand der historischen Genehmigungssituation geschuldet ist, der Erteilung einer Abweichung von den Abstandsflächen ausnahmsweise nicht entgegenstehen (vgl. BayVGH, B. v. 15.10.2014 - 2 ZB 13.530 - juris). Eine solche spezielle Situation ist hier aber nicht zu erkennen. Im vorliegenden Fall ist der erforderliche Lichteinfallswinkel von 45 Grad vor den Fenstern im Erdgeschoss auf der östlichen Seite des Gebäudes der Antragstellerin laut Belichtungsstudie nicht vollständig eingehalten. Dies kann hier auch deshalb nicht als unwesentlich angesehen werden, weil es sich beim Erdgeschoss des Gebäudes der Antragstellerin in Wirklichkeit eher um ein sog. Hochparterre handelt, so dass die maßgebliche Fensterbrüstung immerhin in ca. 2 m Höhe liegt. Angesichts dessen ist die Abwägungsentscheidung der Bauaufsichtsbehörde, dass eine Beeinträchtigung der Antragstellerin insbesondere hinsichtlich des Gesichtspunkts Belichtung nicht zu erwarten ist, unzutreffend.

Nach allem verletzt die im Baugenehmigungsbescheid vom 26. Februar 2014 enthaltene Abweichungsentscheidung nach Art. 63 Abs. 1 Satz 1 BayBO hinsichtlich des Grundstücks FlNr. .../... die Antragstellerin voraussichtlich in ihren öffentlich-rechtlich geschützten nachbarlichen Belangen. Diese nachbarlichen Belange können auch nicht im Rahmen einer Gesamtschau zurückgestellt werden, weil das Bauvorhaben der Beigeladenen von zahlreichen weiteren Abweichungen getragen werden soll. Bei der strittigen Abweichung hinsichtlich der erforderlichen Abstandsflächen zum Grundstück der Antragstellerin handelt es sich auch nicht um einen selbstständig abtrennbaren Teil, ohne den die Baugenehmigung vom 26. Februar 2014 trotzdem weiter bestehen könnte.

3. Angesichts der Tatsache, dass die Anfechtungsklage der Antragstellerin gegen den Baugenehmigungsbescheid vom 26. Februar 2014 in der Hauptsache wahrscheinlich Erfolg haben wird, fällt auch die Interessenabwägung des Senats zugunsten der Antragstellerin aus. Die Beigeladene wird zwar durch die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Anfechtungsklage zeitweilig daran gehindert, ihr Bauvorhaben ins Werk zu setzen, sie ist aber selbst durch wahrscheinlich nicht sehr ins Gewicht fallende Umplanungen in der Lage, die Belastungen für die Nachbarin zu vermindern. Demgegenüber müsste die Antragstellerin, falls ihrem Antrag nicht stattgegeben würde, mit der Schaffung vollendeter Tatsachen rechnen, weil mit der Fundamentierung und weiterem Baufortschritt sowie schließlich der Fertigstellung der umstrittenen Dachkonstruktion es immer unwahrscheinlicher würde, dass sie ihr Abwehrrecht letztlich durchsetzen könnte. Im Übrigen ist es zunächst Sache der Bauherrin und dann der Bauaufsichtsbehörde zu prüfen, mit welcher Planung den nachbarlichen Rechten der Antragstellerin ausreichend Rechnung getragen werden kann.

4. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 und 3, § 159 Satz 1 VwGO i. V. m. § 100 Abs. 1 ZPO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47, 52 Abs. 1 GKG.

Tenor

I.

Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.

II.

Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens. Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.

III.

Der Streitwert wird auf 7.500,- Euro festgesetzt.

Gründe

Der Antrag auf Zulassung der Berufung (§§ 124, 124a Abs. 4 VwGO) hat keinen Erfolg, weil die geltend gemachten Zulassungsgründe nicht vorliegen.

1. Das Urteil des Verwaltungsgerichts begegnet im Rahmen der dargelegten Zulassungsgründe keinen ernstlichen Zweifeln an seiner Richtigkeit (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Der Verwaltungsgerichtshof teilt die Auffassung des Erstgerichts, dass die streitgegenständliche Baugenehmigung keine drittschützenden Vorschriften verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Die Klägerin kann als Nachbarin eine Baugenehmigung mit dem Ziel ihrer Aufhebung nur dann erfolgreich angreifen, wenn öffentlich-rechtliche Vorschriften verletzt sind, die zumindest auch ihrem Schutz dienen. Dies ist hier jedoch nicht der Fall.

a) Die zum klägerischen Grundstück hin nach Art. 63 Abs. 1 BayBO erteilte Abweichung von den Abstandsflächen ist rechtmäßig. Nach Art. 63 Abs. 1 Satz 1 BayBO kann die Bauaufsichtsbehörde Abweichungen von den Anforderungen des Bauordnungsrechts zulassen, wenn sie unter Berücksichtigung des Zwecks der jeweiligen Anforderung und unter Würdigung der öffentlich-rechtlich geschützten nachbarlichen Belange mit den öffentlichen Belangen, insbesondere den Anforderungen des Art. 3 Abs. 1 BayBO vereinbar sind. Es entspricht dabei der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs, dass die Zulassung einer Abweichung Gründe erfordert, durch die sich das Vorhaben vom Regelfall unterscheidet und die etwa bewirkte Einbußen an geschützten Nachbarrechtspositionen vertretbar erscheinen lassen (vgl. BayVGH, B. v. 13.2.2002 - 2 CS 01.1506 - juris; B. v. 15.10.2014 - 2 ZB 13.530 - juris). Insoweit muss es sich um eine atypische, von der gesetzlichen Regel nicht zureichend erfasste oder bedachte Fallgestaltung handeln. Die bei Zulassung einer Abweichung zu fordernde atypische Situation (vgl. BayVGH, B. v. 16.7.2007 - 1 CS 07.1340 - juris; B. v. 15.11.2005 - 2 CS 05.2817 - juris) liegt hier entgegen der Auffassung der Klägerin gerade in der Lage des Baugrundstücks im dicht bebauten innerstädtischen Bereich, in dem historische Bausubstanz vorhanden ist. Die Atypik ergibt sich aus der besonderen städtebaulichen Situation. In solchen Lagen kann auch das Interesse des Grundstückseigentümers, vorhandene Bausubstanz zu erhalten und sinnvoll zu nutzen oder bestehenden Wohnraum zu modernisieren, eine Verkürzung der Abstandsflächen durch die Zulassung einer Abweichung rechtfertigen (vgl. BayVGH, B. v. 16.7.2007 - 1 CS 07.1340 - juris; U. v. 19.3.2013 - 2 B 13.99 - BayVBl 2013, 729). Soll auch in diesen Bereichen eine zeitgemäße, den Wohnbedürfnissen entsprechende Sanierung, Instandsetzung, Aufwertung oder Erneuerung der zum Teil überalterten Bausubstanz ermöglicht werden, so kommt man im Einzelfall nicht umhin, Ausnahmen vom generalisierenden Abstandsflächenrecht zuzulassen (vgl. BayVGH, U. v. 7.10.2010 - 2 B 09.328 - juris; B. v. 15.10.2014 - 2 ZB 13.530 - juris). Hingegen begründen allein Wünsche eines Eigentümers, sein Grundstück stärker auszunutzen als dies ohnehin schon zulässig wäre, noch keine Atypik. Modernisierungsmaßnahmen, die nur der Gewinnmaximierung diesen sollen, sind auch in Ballungsräumen nicht besonders schützenswert (vgl. BayVGH, B. v. 13.10.2014 - 2 ZB 13.1627 -).

Gemessen an diesen Maßstäben hat das Erstgericht zu Recht eine Atypik angenommen. Die Klägerin trägt selbst vor, dass sich die Gebäude im dicht bebauten innerstädtischen Bereich der Beklagten befinden. In der Umgebung findet sich vielfach eine historische, grenzständige Bebauung. Die Klägerin verkennt dabei, dass der Begriff des „Regelfalls“ insoweit nicht auf die nähere Umgebung anzuwenden ist, sondern der gesetzliche Regelfall gemeint ist, nach dem gemäß Art. 6 BayBO Abstandsflächen zwischen den Gebäuden einzuhalten sind. Die historische Bebauung und insbesondere auch die Gebäude der Klägerin sowie der Beigeladenen sind jedoch zeitlich lange vor dem Abstandsflächenrecht der Bayerischen Bauordnung entstanden. In diesen historisch gewachsenen Situationen führt jedwede Änderung des historischen Baubestands in der Regel zu einer weiteren Verletzung der nunmehr gesetzlich geregelten Abstandsflächen. Im vorliegenden Fall stellt der Anbau eines Außenaufzugs auch nicht lediglich eine Maßnahme der Gewinnmaximierung dar. Der Aufzug erschließt das erste Obergeschoss mit der darin bereits befindlichen Arztpraxis sowie das zweite Obergeschoss, in welchem statt einer nun zwei Wohnungen entstehen. Er dient vorliegend auch dem barrierefreien Ausbau des historischen Gebäudes. Nicht erschlossen wird insbesondere die weitere Wohneinheit im Dachgeschoss des Gebäudes, was bei einer Maßnahme zur bloßen Gewinnmaximierung, also Steigerung des Immobilienwerts, zu erwarten gewesen wäre.

b) Die erteilte Baugenehmigung ist zudem nicht deshalb rechtswidrig, weil die Baugenehmigung als Angelegenheit der laufenden Verwaltung erteilt wurde und ein Beschluss des Senats für Stadtentwicklung, Bauen, Wohnen und Werksenat für den Entsorgungs- und Baubetrieb der Stadt Bamberg („Bau- und Werksenat“) nicht, auch nicht nachträglich erfolgt ist (Art. 45 Abs. 1 Nr. 4 BayVwVfG). Die Zuständigkeitsabgrenzung zwischen den gemeindlichen Organen hat grundsätzlich auch rechtliche Bedeutung nach außen, d. h. es kann sich ein Außenstehender, dem gegenüber das falsche Organ gehandelt hat, darauf berufen, dass es an der Tätigkeit oder Mitwirkung des zuständigen Organs fehle und daher das gemeindliche Handeln ihm gegenüber fehlerhaft ist (vgl. BayVGH, U. v. 31.3.2003 - 4 B 00.2823 - VGH n. F. 56, 98; U. v. 25.7.2007 - 4 BV 06.3308 - juris). Ein solcher Fall liegt hier jedoch nicht vor.

Gemäß Kapitel A Ziffer II § 12 Abs. 3 Nr. 2 B) Nr. 1) der Geschäftsordnung des Stadtrats der Beklagten vom 7. Mai 2014 ist der Bau- und Werksenat nur bei Bauvorhaben zuständig, die „für das Stadtbild, die Stadtentwicklung, die Stadterneuerung oder die Städtebauförderung von grundsätzlicher Bedeutung“ sind. Zwar handelt es sich bei dem historischen Gebäude der Beigeladenen wie auch bei dem historischen Gebäude der Klägerin um historisch bedeutsame Einzeldenkmäler in der Altstadt der Beklagten. Der hier verfahrensgegenständliche Aufzugsturm ist jedoch nach drei Seiten hin von Gebäuden umgeben und nach den Feststellungen des Erstgerichts im Augenschein (vgl. Niederschrift vom 21. Juli 2014, Bl. 114/Rückseite der verwaltungsgerichtlichen Akte) „von außen nicht sichtbar“. Dies ergibt sich auch aus der von der Klägerin vorgelegten Stellungnahme der zuständigen Gebietsreferentin des Bayerischen Landesamts für Denkmalpflege (E-Mail vom 30. Januar 2014, Bl. 59 der Gerichtsakte), wonach „die vorgesehene Konstruktion mit Abstand zum Nachbargebäude und unter der Traufe … vom öffentlichen Raum aus nicht einsehbar“ ist. Insoweit fehlt es bereits an der grundsätzlichen Bedeutung im obigen Sinn. Auch aus der Nischensituation lässt sich keine grundsätzliche Bedeutung ableiten. Zwar mag ursprünglich die heutige Nische gassenartig ausgeprägt gewesen sein, wie sich den historischen Beschreibungen und Stadtplänen entnehmen lässt, und auch als Zugang zum klägerischen Gebäude gedient haben. Diese besondere historische Situation wurde jedoch bereits vor längerer Zeit aufgehoben. Zum einen wurde der Zugang zum klägerischen Gebäude beseitigt und ist auch in den noch vorhandenen Plänen nicht mehr erkennbar. Zum anderen wurde die Nischensituation zur R.-gasse grundlegend verändert, indem die frühere Mauer zur R.-gasse durch ein Gebäude mit Durchgang ersetzt wurde, in welchem sich heute das Poolhaus befindet. Auch aus denkmalpflegerischer Sicht (vgl. E-Mail-Verkehr vom 31. Januar 2014, Bl. 58 der Gerichtsakte) bestand offensichtlich kein Grund die vorhandene Nischensituation als weiter schützens- oder erhaltenswert zu betrachten. Somit ist auch insoweit keine grundsätzliche Bedeutung erkennbar, welche einen Beschluss des Bau- und Werksenats erforderlich gemacht hätte.

c) Die im Rahmen der nach Art. 63 Abs. 1 BayBO erforderlichen Ermessensentscheidung zu treffende Interessenabwägung ist ebenfalls nicht zu beanstanden. Das Erstgericht hat zutreffend festgestellt, dass nach heutigem Bauplanungsrecht (§ 34 BauGB) aufgrund der vorherrschenden geschlossenen, grenzständigen Bauweise die Beigeladene grundsätzlich auch an die Grenzwand der Klägerin unmittelbar hätte anbauen dürfen. Ebenfalls richtig ist, dass die vorhandene Grenzwand nach heutigem Recht (Art. 28 Abs. 2 Nr. 1 BayBO) als Brandwand ohne Fensteröffnungen auszubilden wäre. Die Klägerin beruft sich insoweit hinsichtlich der in dieser Wand vorhandenen Fensteröffnungen auf einen Bestandsschutz, übersieht jedoch, dass es ihrer Beweispflicht obliegt, diesen Bestandschutz nachzuweisen. Dem ist sie jedoch nicht nachgekommen. Auch die bei der Beklagten vorhandenen Bauunterlagen lassen einen Bestandsschutz der tatsächlichen Fensteröffnungen nicht erkennen. Die in den vorhandenen - in diesem Punkt aber nicht genehmigten - Plänen eingezeichneten Fensteröffnungen stimmen nicht mit den derzeitigen in Lage und Größe überein. Daraus lässt sich zugunsten der Klägerin kein Bestandsschutz ableiten. Im Übrigen hat das Erstgericht zutreffend festgestellt, dass die bestehenden Fensteröffnungen lediglich Nebenräume betreffen und deshalb die durch die Baumaßnahme zu erwartende Einschränkung der Belichtung durch eine künstliche Beleuchtung ausgeglichen werden kann. Auch die Belüftungssituation kann sich durch die Baumaßnahme verändern. Es fehlt jedoch an einem Nachweis, dass dadurch eine nicht mehr hinnehmbare Belüftungssituation eintritt. Eine Belüftung ist vielmehr weiterhin möglich. Die bloße Möglichkeit der Einsichtnahme vom Podest aus kann durch entsprechenden baulichen Eigenschutz verhindert werden (z. B. Milchglasscheiben, Folien oder Vorhänge).

Es ist zudem keine Beeinträchtigung des Denkmals der Klägerin erkennbar, welche im Rahmen der Interessenabwägung zu ihren Gunsten hätte berücksichtigt werden müssen, und wurde auch von der Klägerin nicht hinreichend substantiiert vorgetragen. Betroffen von der Baumaßnahme ist eine Rückwand am Gebäude der Klägerin, die als solche denkmalrechtlich keine bedeutenden und schützenswerten Merkmale aufweist. Zwar mag durch das Bauvorhaben der Beigeladenen die künftige Erhaltung dieses Wandteils erschwert sein, sie ist jedoch nicht unmöglich. Dies ergibt sich auch aus den mehrfachen Versicherungen der Beigeladenen, dass eine Fassadenrenovierung erlaubt werde und dazu die Fluchtleiter abgebaut werden könne. Eine mit der Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 GG nicht zu vereinbarende Beeinträchtigung des Denkmals der Klägerin ist insoweit nicht erkennbar.

Im Rahmen der baurechtlichen Interessenabwägung ist es nicht erforderlich, dass der von der Beigeladenen geplante Außenaufzug, der im Gegensatz zum Vortrag der Klägerin gerade nicht das Dachgeschoß erschließen wird, zwingend notwendig ist oder in der Umgebung vergleichbare Außenaufzüge vorhanden sind. Entscheidend ist der Bauwunsch des Bauherrn und die dadurch im konkreten Einzelfall betroffenen gegenseitigen Interessen.

2. Die Rechtssache weist auch keine besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten auf (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO), denn sie verursacht in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht keine größeren, d. h. überdurchschnittlichen, das normale Maß nicht unerheblich übersteigende Schwierigkeiten und es handelt sich auch nicht um einen besonders unübersichtlichen oder kontroversen Sachverhalt, bei dem noch nicht abzusehen ist, zu welchem Ergebnis ein künftiges Berufungsverfahren führen wird (vgl. BayVGH, B. v. 12.4.2000 - 23 ZB 00.643 - juris). Vielmehr ist der Rechtsstreit im tatsächlichen Bereich überschaubar und die entscheidungserheblichen Fragen sind durch die Rechtsprechung hinreichend geklärt. Im Rahmen dieses Zulassungsgrunds ist nicht die Richtigkeit des Ersturteils Gegenstand der Zulassungsentscheidung, sondern die mögliche „abstrakte“ Fehleranfälligkeit wegen der besonderen Schwierigkeiten der Fallbehandlung (vgl. Berkemann, DVBl 1998, 446). Diese ist nach Auffassung des Senats im vorliegenden Fall nicht gegeben. Ein weiterer substantiierter Vortrag erfolgte von Seiten der Klägerin nicht. Im Übrigen wird auf die Ausführungen unter Ziffer 1. verwiesen.

3. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO). Der Begriff der grundsätzlichen Bedeutung erfordert, dass für die angefochtene Entscheidung des Verwaltungsgerichts die im Zulassungsantrag dargelegte konkrete Rechts- oder Tatsachenfrage von Bedeutung war, ihre Klärung im Berufungsverfahren zu erwarten und zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder zur Weiterentwicklung des Rechts geboten ist (vgl. Happ in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 124 Rn. 36). Klärungsbedürftig ist eine Frage, wenn sie in der konkreten Rechtssache entscheidungserheblich ist. Die Frage des Vorliegens einer Atypik ist in der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (vgl. dazu Ziffer 1. a)) mehrfach entschieden und die im vorliegenden Fall entscheidungserheblichen Fragen sind bereits hinreichend geklärt. Dies gilt insbesondere für die von der Klägerin als klärungsbedürftig angesehene Frage, ob im Rahmen eines eng bebauten innerstädtischen Bereichs ein vom Regelfall abweichender atypischer Sachverhalt bereits dann gegeben ist, wenn die enge Bebauung bei Erweiterungen der baulichen Anlagen häufig nur möglich ist unter Vernachlässigung der Einhaltung der Abstandsflächen. Auch insoweit wird auf die Ausführungen unter Ziffer 1. verwiesen.

4. Die Entscheidung des Erstgerichts weicht nicht von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts ab und beruht auf dieser Abweichung (§ 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO). Insbesondere weicht das Erstgericht nicht vom Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 21. April 2009 ab (vgl. BVerwG, U. v. 21.4.2009 - 4 C 3/08 - juris). Zum einen legt die Klägerin in ihrer Zulassungsbegründung schon keinen Rechtssatz aus dieser Entscheidung dar, von welchem das Erstgericht abgewichen sein soll. Vielmehr trägt sie vor, das Erstgericht habe in Rahmen der Prüfung der Ermessensentscheidung nicht berücksichtigt, dass der Klägerin als Denkmaleigentümerin besondere Rechte zustünden. Damit rügt die Klägerin keine Divergenz sondern eine Nichtberücksichtigung einer obergerichtlichen Entscheidung, was im Rahmen der ernstlichen Zweifel zu prüfen wäre. Insoweit fehlt es bereits an einer hinreichenden Darlegung dieses Zulassungsgrunds (§ 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO). Zum anderen würde es auch an der behaupteten massiven Beeinträchtigung des klägerischen Denkmals fehlen. Das Erscheinungsbild des klägerischen Denkmals wird durch die im Bereich der Gebäuderückwand zu errichtende bauliche Anlage nicht betroffen. Hinsichtlich der übrigen vorgetragenen Beeinträchtigungen wird auf die Ausführungen unter Ziffer 1. c) verwiesen.

5. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst (§ 162 Abs. 3 VwGO). Im Berufungszulassungsverfahren sind die außergerichtlichen Kosten eines Beigeladenen in der Regel nicht aus Billigkeitsgründen der unterliegenden Partei aufzuerlegen (vgl. BayVGH, B. v. 11.10.2001 - 8 ZB 01.1789 - BayVBl 2002, 378). Ein Ausnahmefall ist vorliegend nicht gegeben.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47, 52 Abs. 1 GKG.

Tenor

I.

Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.

II.

Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

Der Beigeladene trägt seine außergerichtlichen Kosten selbst.

III.

Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 7.500 Euro festgesetzt

Gründe

I.

Die Klägerin ist Eigentümerin mehrerer Grundstücke in der Gemarkung S. M. im Ortsteil L. am Ostrand der Stadt K. Die betreffenden Flurnummern werden teils als landwirtschaftliche Flächen, teils als Golfplatz („Golfzentrum K.“) und teilweise als Wegeflächen genutzt. Ihre Klage gegen die Genehmigung für den Umbau eines Einfamilienhauses auf dem Grundstück FlNr. 25 Gemarkung S. M. des Beigeladenen, das auf allen Seiten an die im Allein- oder Miteigentum stehenden Flächen der Klägerin grenzt, wies das Verwaltungsgericht ab. Das nach § 35 Abs. 2 BauGB zu beurteilende Vorhaben sei nicht rücksichtslos; die Abweichung von den Abstandsflächen nach Art. 6 BayBO sei ermessensfehlerfrei erteilt worden. Hiergegen richtet sich das Rechtsmittel der Klägerin.

II.

Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Die dargelegten Gründe - ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO; dazu 1.) und besondere tatsächliche und rechtliche Schwierigkeiten der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO; dazu 2.) - rechtfertigen die beantragte Zulassung der Berufung nicht.

1. Das Verwaltungsgericht hat die planungsrechtliche Zulässigkeit des streitigen Vorhabens an § 35 Abs. 2 BauGB gemessen und in diesem Zusammenhang eine Verletzung des nachbarschützenden Gebots der Rücksichtnahme (vgl. für diesen Sachverhalt grundlegend: BVerwG, U.v. 25.2.1977 - IV C 22.75 - BVerwGE 52, 122 und U.v. 13.3.1981 - 4 C 1.78 - BRS 38 Nr. 186) verneint. Dazu nimmt die Zulassungsbegründung nicht Stellung.

Die Klägerin bezweifelt die Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils allein deshalb, weil bei der Prüfung der nach Art. 63 Abs. 1 Satz 1BayBO erteilten Abweichung von der Einhaltung der Abstandsflächen die (objektive) planungsrechtliche Unzulässigkeit des Vorhabens unberücksichtigt geblieben sei. An der Verwirklichung eines unzulässigen Vorhabens könne regelmäßig weder ein öffentliches noch ein besonderes Interesse des Bauherrn bestehen. Die Frage der planungsrechtlichen Zulässigkeit spiele richtigerweise im Rahmen des Ermessens bei der Erteilung einer Abweichung eine Rolle, wenn die betroffenen Belange und Interessen zu berücksichtigen seien.

a) Ob diese Meinung richtig ist, bedarf bei dem hier zu beurteilenden Sachverhalt keiner abschließenden Antwort. Das Verwaltungsgericht hat jedenfalls zu Recht angenommen, dass auf Seiten der Klägerin keine wehrfähigen öffentlich-rechtlich geschützten nachbarlichen Belange betroffen sind, weil die entsprechenden Grundstücke der Klägerin nicht abstandsflächenrechtlich relevant bebaubar sind (vgl. zu einem insoweit ähnlich gelagerten Fall: BayVGH, B.v. 14.7.2009 - 14 ZB 09.847 - juris Rn. 9). Das von den Abstandsflächen des streitgegenständliche Vorhabens berührte und im Alleineigentum der Klägerin stehende Grundstück FlNr. 78/2 ist im rechtverbindlichen Bebauungsplan „Golfplatz S. L.“ als Golfplatz/Driving Range festgesetzt. An deren Südgrenze setzt der Bebauungsplan gegenüber dem streitigen Bauvorhaben einen zwei Meter hohen Lärmschutzwall fest, weiter nach Osten folgt insoweit ein bis zu sechs Meter hoher Ballfangzaun. Das ebenfalls von den ursprünglichen Abstandsflächen des Vorhabens im Westen und Süden betroffene, im Miteigentum der Klägerin stehende Grundstück FlNr. 20/2 (T.) ist als öffentlicher Feld- und Waldweg ausgewiesen (entsprechend der Legende ockerfarbig gekennzeichnet).

Nachdem die planungsrechtliche Zulässigkeit unter dem wegen § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO allein entscheidungserheblichen Gesichtspunkt der Verletzung eigener Rechte - wie unwidersprochen geschehen - zu bejahen ist und im Hinblick auf die auf Antrag (Art. 63 Abs. 2 BayBO) zu prüfende abstandsflächenrechtliche Zulassungsfähigkeit keine tatsächlichen, öffentlich-rechtlich wehrfähigen Belange auf Seiten der Klägerin gegeben sind, kann ihre Klage gegen die Baugenehmigung keinen Erfolg haben. Eine materielle Verletzung eigener subjektiv-öffentlicher Rechte ist nicht festzustellen.

b) Im Übrigen sei angemerkt, dass die Meinung der Klägerin, im Zusammenhang mit der Erteilung einer Abweichung von der Einhaltung der Abstandsflächen müsse ein Vorhaben unter dem Gesichtspunkt seiner Vereinbarkeit mit den öffentlichen Belangen regelmäßig planungsrechtlich positiv zu beurteilen sein, zweifelhaft erscheint.

(1) In mehreren Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofs finden sich allerdings Hinweise darauf, dass im Rahmen der Prüfung der Vereinbarkeit des Vorhabens mit den öffentlichen Belangen im Einzelfall neben den von der Bayerischen Bauordnung geregelten auch weitere objektive öffentlich-rechtliche Belange zu berücksichtigen sein können (BayVGH, U.v. 3.12.2014 - 1 B 14.819 - juris Rn. 21: Brandschutz; B.v. 5.12.2011 - 2 CS 11.1902 - juris Rn. 4, 7: Berücksichtigung jedoch nur im Rahmen des Prüfprogramms für die Baugenehmigung, deshalb im dort entschiedenen Fall keine Brandschutzvorschriften; U.v. 15.12.2008 - 22 B 07.143 - BayVBl 2009, 530 = juris Rn. 43, 44: Abwägungsrelevanz nur, soweit durch die Erteilung der Abweichung der jeweilige (erg.: fremde) Rechtsverstoß hervorgerufen oder wesentlich verschärft wird; B.v. 16.7.2007 - 1 CS 07.1340 - NVwZ-RR 2008, 84 = juris LS 1 und Rn. 17, 24: Zu einer fehlerfreien Ermessensausübung gehört auch, dass von der Abweichung berührte, nicht nachbarschützende öffentliche Belange (dort: Denkmalschutz) zutreffend gewürdigt werden; U.v. 2.5.2002 - 2 B 99.2590 - juris Rn. 20: Bei der Ermessensausübung durfte darauf abgestellt werden, dass das zur Genehmigung gestellte Vorhaben gestalterisch problematisch war; B.v. 12.3.1999 - 2 ZB 98.3014 - BayVBl 2000, 630 = juris Rn. 8: Berücksichtigung negativer Auswirkungen von Windkraftanlagen auf die Ertragsentwicklung benachbarter landwirtschaftlicher Kulturen, Gefahr des Eisabwurfs auf nahe vorbeiführende öffentliche Wege, aus naturschutzfachlicher Sicht erheblich bedenklichere Einstufung des vorgesehenen Standorts im Vergleich zu einem raumordnerisch positiv abgeschlossenen ursprünglichen Standort).

(2) Zurückhaltender gegenüber der Berücksichtigung objektiver öffentlich-rechtlicher Belange anlässlich einer gegen die für ein Vorhaben erteilten Abweichung von den Abstandsflächenvorschriften gerichteten Nachbarklage hat sich im Anschluss an Kuchler, BayVBl 2009, 517, unter anderem eine Entscheidung des BayVGH (U.v. 4.2.2011 - 1 BV 08.131 - juris Rn. 48: Eine Überprüfung der nicht tragenden Ausführungen im B.v. 16.7.2007 - 1 CS 07.1340 - juris Rn. 24 wurde angekündigt) geäußert. Für Einschränkungen beim Kreis der zu berücksichtigenden öffentlichen Belange spricht sich auch Molodovsky (in Molodovsky/Famers/Kraus, BayBO, Stand 1. September 2014, Art. 63 Rn. 34a: Es ist nicht darauf abzustellen, ob andere öffentliche Belange, die nicht nachbarschützend sind, zutreffend gewürdigt werden, z. B. nicht nachbarschützende Belange des Planungsrechts oder des Immissions-, Natur- oder Denkmalschutzrechts) aus. Für eine Abkehr von der Rechtsprechung, die bei einer Abweichung generell auch andere Belange als die durch die jeweilige Vorschrift geschützten zum Zulassungsmaßstab rechnet, plädiert zuletzt König (in Schwarzer/König, Bayerische Bauordnung, 4. Auflage 2010, Art. 63 Rn. 15: An dieser Rechtsprechung sollte nicht festgehalten werden; derselbe in Baurecht Bayern, 5. Auflage 2015, Rn. 866: Eigenständig gesetzlich geregelte Belange, wie die Belange des § 35 Abs. 3 BauGB sowie die im BNatSchG, BayNatSchG und DSchG geregelten Belange des Naturschutzes und der Denkmalpflege gehören nicht zum Maßstab für die Zulassung einer Abweichung. Den diese Belange schützenden Vorschriften muss das Bauvorhaben - unabhängig davon, ob ihre Einhaltung in einem Genehmigungsverfahren geprüft wird (vgl. Art. 55 Abs. 2 BayBO) - ohnehin entsprechen. Ihre Berücksichtigung auch als öffentlicher Belang würde zu einer Doppelprüfung führen, für die es keine Rechtfertigung gibt). Die eventuelle bauplanungsrechtliche Unzulässigkeit eines möglicherweise nicht nach § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB privilegierten Vorhabens im Außenbereich hat bereits eine frühere Entscheidung des Senats (BayVGH, B.v. 22.7.2003 - 15 ZB 02.1223 - juris Rn. 4, 7) nicht als einen bei der konkreten Abweichungsentscheidung zu berücksichtigenden öffentlichen Belang angesehen. Die mit § 35 Abs. 1 BauGB verfolgten bauplanungsrechtlichen Ziele (grundsätzliche Zuweisung bestimmter Vorhaben an den Außenbereich) stünden in keinem Zusammenhang mit dem Regelungszweck des Art. 70 Abs. 1 Satz 1 BayBO (erg.: 1998) und blieben daher in diesem Kontext unberücksichtigt.

(3) Der Senat neigt dazu, der zuletzt dargestellten Auffassung aus den nachfolgenden Erwägungen den Vorzug zu geben.

(3.1) Den Ausgangspunkt aller einschlägigen Überlegungen, wie groß der Kreis der öffentlichen Belange sein kann bzw. sollte, die bei der gerichtlichen Überprüfung einer Abweichungsentscheidung im Rahmen einer Nachbarklage Berücksichtigung finden dürfen bzw. müssen, bildet § 113 Abs.1 Satz 1 VwGO mit seiner Vorgabe, dass die zur gerichtlichen Kontrolle stehende Entscheidung für den Fall ihrer Aufhebung eigene Rechte der Klagepartei verletzen muss. Wann eine Baugenehmigung subjektiv-öffentliche Nachbarrechte verletzt, bestimmt sich nach den für das jeweilige Vorhaben anzuwendenden materiellen Vorschriften. Kuchler und König (jeweils a. a. O.) ist darin zu folgen, dass es für eine Doppelprüfung der für ein bestimmtes Vorhaben geltenden Vorschriften weder einen Anlass noch eine Berechtigung gibt. Zwar mag beispielsweise ein Vorhaben, das die (landesrechtlichen) Abstandsflächen einhält, aus tatsächlichen Gründen in der Regel auch (bauplanungsrechtlich) nicht rücksichtlos sein (vgl. BVerwG, B.v. 11.1.1999 - 4 B 128/98 - juris Rn. 3, 4). Gleichwohl folgt die Beurteilung der Rücksichtslosigkeit eines Vorhabens im Hinblick auf seine Größe und sein Erscheinungsbild sowie seine Lage gegenüber einem Nachbargrundstück eigenen Regeln (vgl. BVerwG, U.v. 23.5.1986 - 4 C 34/85 - BauR 1986, 542 = juris Rn. 17, 18: Das im Einfügungsgebot des § 34 Abs. 1 Satz 1 BBauG enthaltene bundesrechtliche Rücksichtnahmegebot bezieht sich nicht auf bauordnungsrechtliche Merkmale; vgl. ferner BayVGH, U.v. 27.3.2013 - 14 B 12.192 - juris Rn. 31, 34 m. w. N.: ein die Abstandsflächen nicht (vollständig) einhaltendes Vorhaben ist damit nicht automatisch rücksichtslos). Mit der Prämisse, dass die Prüfung eines Vorhabens unter nachbarrelevanten planungs- und bauordnungsrechtlichen Gesichtspunkte jeweils eigenständigen, in sich geschlossenen Regeln folgt, ist die Anreicherung der bei einer Abweichung von bauordnungsrechtlichen Abstandsvorschriften zu untersuchenden Belange um den Gesichtspunkt der objektiven planungsrechtlichen Zulässigkeit des betroffenen Vorhabens grundsätzlich nicht zu vereinbaren. Dies gilt in vergleichbarer Weise für die in eigenen Kodifikationen geregelten Natur- und Denkmalschutzbelange. Ob ein Vorhaben den einschlägigen objektiv-rechtlichen Anforderungen entspricht, ist unabhängig davon zu entscheiden, ob wegen der Nichteinhaltung der Abstandsflächen unter Würdigung der öffentlich-rechtlich geschützten nachbarlichen Belange eine Abweichung erteilt werden kann.

(3.2) Die Meinung, sonstige Belange seien bei der hier zu erörternden Entscheidung über die Erteilung einer Abweichung von der Einhaltung der Abstandsflächen für die Interessenabwägung relevant, wenn durch die Abweichung der jeweilige Rechtsverstoß hervorgerufen oder wesentlich verschärft werde, dürfte wohl bereits an der falschen Stelle des zu beurteilenden Lebenssachverhalts ansetzen. Den unter Umständen gegen Planungs-, Natur- oder Denkmalschutzrecht verstoßenden Standort seines Vorhabens wie auch dessen übrige Abmessungen bestimmt der Bauwerber durch den Inhalt der von ihm einzureichenden Bauvorlagen (vgl.: §§ 7, 8 BauVorlV). Nach der durch das in den jeweiligen Kodifikationen enthaltene materielle Recht vorgegebenen Prüfungsreihenfolge bildet die Untersuchung der Abstandsflächenproblematik des Vorhabens, von wenigen „Offensichtlichkeitsfällen“ vielleicht abgesehen, regelmäßig den Schlusspunkt der präventiven Kontrolle des Einzelfalls im bauaufsichtlichen Genehmigungsverfahren. Vor diesem Hintergrund ist es von vorneherein zweifelhaft, wie ein hinzutretender Abstandsflächenverstoß überhaupt geeignet sein könnte, beispielsweise einen - wie gesagt, schon vorher festzustellenden - Verstoß dieses Vorhabens gegen planungsrechtliche Vorschriften „hervorzurufen“ oder „wesentlich zu verschärfen“. Für einen mit diesem Vorhaben verbundenen planungs-, naturschutz- oder denkmalschutzrechtlichen Missgriff kann die zusätzliche Nichteinhaltung der Abstandsflächen als solche schon rein äußerlich betrachtet nicht kausal sein.

Die darüber hinaus fehlende innere Abhängigkeit der angesprochenen Normkomplexe voneinander wird deutlich, wenn man sich die von den jeweiligen Gesetzen verfolgten Zwecke und Schutzgüter vergegenwärtigt. Planungsrechtliche Vorschriften dienen, von der Rechtsfigur des Rücksichtnahmegebots abgesehen, in erster Linie der Verwirklichung einer nachhaltigen städtebaulichen Entwicklung (vgl. § 1 Abs. 5 Satz 1 BauGB). Die Ziele des Naturschutzes und der Landschaftspflege bestehen vor allem darin, die biologische Vielfalt, die Leistungs- und Funktionsfähigkeit des Naturhaushalts und die Vielfalt, Eigenart und Schönheit sowie den Erholungswert von Natur und Landschaft auf Dauer zu sichern (vgl. § 1 Abs. 1 BNatSchG). Hauptanliegen des Denkmalschutzrechts sind die Erhaltung und der Schutz unter anderem von Bau- und Bodendenkmälern (vgl. Art. 3 Abs. 1, Art, 4 bis 6 DSchG). Hier ist hervorzuheben, dass der Abwehranspruch des Eigentümers eines Baudenkmals gegen ein „heranrückendes“ Bauvorhaben, das den Denkmalwert oder das Erscheinungsbild seines Schutzgegenstands beeinträchtigt, vom Ansatz her grundlegend anderen Gesichtspunkten folgt als der zentimetergenauen Einhaltung von Abstandsflächen eines Vorhabens auf einem benachbarten Grundstück (vgl. BayVGH, U.v. 24.1.2013 - 2 BV 11.1631 - BayVBl 2013, 470 = juris Rn. 29 ff.: keine Beeinträchtigung eines Bootshauses durch einen unmittelbar daran vorbeigeführten Steg für die Allgemeinheit).

(3.3) In diesem Zusammenhang erscheint eine Korrektur der Auffassung angezeigt, dass bei der Abweichung/Befreiung von einer nachbarschützenden Vorschrift auf die Klage des Nachbarn hin jeder Fehler bei der Rechtsanwendung zur Aufhebung der Baugenehmigung führt (vgl. BVerwG, B.v. 27.8.2013 - 4 B 39/13 - ZfBR 2013, 783 = juris Rn. 3 zu § 31 Abs. 2 BauGB; BayVGH, U.v. 3.12.2014 - 1 B 14.819 - juris Rn. 21 unter 4. - obiter dictum zur Rechtswidrigkeit einer Abweichung von nachbarschützenden Vorschriften des Abstandsflächenrechts wegen Unvereinbarkeit des Vorhabens mit anderen öffentlichen Belangen und daraus folgender objektiver Rechtswidrigkeit). Auch die Vertreter der Meinung, dass im Rahmen einer Nachbarklage gegen die Abweichung/Befreiung von einer nachbarschützenden Vorschrift zunächst eine umfassend angelegte Prüfung der Zulässigkeit des betroffenen Vorhabens anzustellen sei, schränken ein, dass der Nachbar keinen Anspruch darauf habe, dass das Vorhaben in jeder Hinsicht den öffentlich-rechtlichen Anforderungen entspricht (BayVGH, U.v. 3.12.2014 - 1 B 14.819 - juris Rn. 21 unter Hinweis auf BayVGH, B. v. 16.7.2007 - 1 CS 07.1340 - BauR 2007, 1858 und U.v. 15.12.2008 - 22 B 07.143 - BayVBl 2009, 530). Eine Rechtfertigung für die Doppelprüfung objektiven, nicht schon im Tatbestand (vgl. § 31 Abs. 2 BauGB) enthaltenen Planungsrechts - nur und gerade aus Anlass einer Abweichungs-/Befreiungsentscheidung - lässt sich aus den vorbezeichneten allgemeinen Überlegungen jedenfalls nicht herleiten.

Prinzipiell erscheint die Anknüpfung an die zur Nachbarrechtsverletzung im Rahmen von § 31 Abs. 2 BauGB entwickelten Maßstäbe bei der Anwendung von Art. 63 Abs. 1 BayBO (vgl. Jäde in Jäde/Dirnberger/Bauer, Die neue Bayerische Bauordnung, Stand September 2014, Art. 63 Rn. 61) wenig überzeugend. § 31 Abs. 2 BauGB enthält einen, zuletzt durch das Gesetz über Maßnahmen im Bauplanungsrecht zur Erleichterung der Unterbringung von Flüchtlingen vom 20. November 2014 (BGBl I S. 1748) geringfügig ergänzten, klar definierten und in sich geschlossenen Kanon objektiver Befreiungsvoraussetzungen. Fehlt es im Einzelfall bereits an einer der danach zu fordernden Voraussetzungen für die Befreiung von einer nachbarschützenden planungsrechtlichen Vorschrift, kann die dennoch erfolgte Entscheidung zugunsten eines Vorhabens im Nachbarrechtstreit keinen Bestand haben.

Im Bauordnungsrecht fehlt eine vergleichbar detaillierte gesetzliche Beschreibung der allgemeinen Voraussetzungen für die Erteilung einer Abweichung. In der (ständigen) Rechtsprechung wurde dazu eine Kasuistik entwickelt, die unter dem Oberbegriff der Atypik verschiedene Fallgestaltungen versteht, in denen ein Abgehen von den (abstandsflächenrechtlichen) Regelanforderungen des Gesetzes grundsätzlich möglich erscheint (vgl. stellvertretend BayVGH, B.v. 16.7.2007 - 1 CS 07.1340 - juris Rn. 16: Gründe von ausreichendem Gewicht, durch die sich das Vorhaben vom Regelfall unterscheidet und die die Einbuße an Belichtung und Lüftung sowie eine Verringerung der freien Flächen des Baugrundstücks im konkreten Fall als vertretbar erscheinen lassen). Diese Atypik kann sich etwa aus einem besonderen Grundstückszuschnitt, einer aus dem Rahmen fallenden Bebauung auf dem Bau- oder dem Nachbargrundstück oder einer besonderen städtebaulichen Situation, wie der Lage des Baugrundstücks in einem historischen Ortskern, ergeben. Fehlt es bereits daran, erweist sich eine trotzdem erteilte Abweichung von der Einhaltung der gesetzlich vorgeschriebenen Abstandsflächen von vorneherein als rechtswidrig; die Baugenehmigung ist auf eine Nachbarklage hin aufzuheben. Weshalb das gleiche Ergebnis eintreten sollte, wenn zwar die Atypik zu bejahen war und die individuelle Ermessensausübung fehlerfrei erfolgte, das Vorhaben aber - ohne darin liegende Verletzung nachbarlicher öffentlicher Rechte - „schlicht“ planungsrechtsrechtswidrig ist, lässt sich schwerlich nachvollziehen.

Nach Meinung des Senats sprechen daher gute Gründe dafür, die Auffassung, dass bei der Abweichung/Befreiung von nachbarschützendem Recht - hier: von Art. 6 BayBO - jeder Verstoß zur Rechtsverletzung des betroffenen Nachbarn führen soll, teleologisch zu reduzieren. Im vorliegenden Zusammenhang reicht es als Maßgabe für die Überprüfung aus, dass die Abweichung von der Einhaltung nachbarschützender abstandsflächenrechtlicher Bestimmungen die Rechte des betroffenen Nachbarn auch und schon, andererseits aber nur dann verletzt, wenn im Einzelfall die spezifischen objektiven Voraussetzungen für die Annahme eines atypischen Sonderfalls fehlen. Alles übrige aus Anlass des jeweiligen Falles zu prüfende öffentliche Recht ist unabhängig davon auf mögliche Nachbarrechtsverletzungen zu untersuchen, eine Doppelprüfung derselben Belange im Rahmen einer Entscheidung nach Art. 63 Abs. 1 Satz 1 BayBO unterbleibt. Das befreit nicht zuletzt auch die Anwendungspraxis von - im Einzelnen, wie gezeigt, kaum bzw. nicht plausibilisierungsfähigen - kausalen Verknüpfungsversuchen zwischen den Schutzgütern des Abstandflächenrechts und (beliebigen) sonstigen öffentlichen Belangen.

2. Aus dem Vorstehenden (vgl. oben II. 1 a) ergibt sich zugleich, dass die Rechtssache keine besonderen tatsächlichen und/oder rechtlichen Schwierigkeiten aufweist. Für die Beantwortung der für dieses Verwaltungsstreitverfahren maßgeblichen Fragen bedarf es keines Berufungsverfahrens.

3. Kosten: § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO. Streitwert: § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 3 und Abs. 1 Satz 1, § 52 Abs. 1 GKG unter Berücksichtigung der Nr. 9.7.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 (BayVBl-Beilage 1/2014).

Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).

Tenor

I.

Unter Abänderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts München vom 15. September 2014 wird die aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage der Antragstellerin gegen den Baugenehmigungsbescheid der Antragsgegnerin vom 26. Februar 2014 angeordnet.

II.

Die Antragsgegnerin und die Beigeladene tragen die Kosten des Verfahrens im ersten Rechtszug jeweils zur Hälfte. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Antragsgegnerin.

III.

Der Streitwert wird auf 5.000,- Euro festgesetzt.

Gründe

Die zulässige Beschwerde (§ 146 Abs. 1 VwGO) hat Erfolg, weil die dargelegten Gründe eine Abänderung der angegriffenen Entscheidung des Verwaltungsgerichts nach § 80 Abs. 5 VwGO erfordern.

Der Senat sieht nach einer in einem Eilverfahren mit dieser angemessen summarischen Prüfung (vgl. BVerfG, B. v. 24.2.2009 - 1 BvR 165/09 - NVwZ 2009, 581) im Rahmen der von ihm eigenständig zu treffenden Ermessensentscheidung die Notwendigkeit für die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Anfechtungsklage der Antragstellerin gemäß § 80a Abs. 3, § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO. Die Antragstellerin als Nachbarin kann die Baugenehmigung mit dem Ziel ihrer Aufhebung dann erfolgreich angreifen, wenn öffentlich-rechtliche Vorschriften verletzt sind, die auch ihrem Schutz dienen (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Die Klage der Antragstellerin wird wahrscheinlich Erfolg haben, weil der angefochtene Baugenehmigungsbescheid an einem derartigen Mangel leidet.

1. Die im vereinfachten Verfahren nach Art. 59 Satz 1 BayBO erteilte Baugenehmigung vom 26. Februar 2014 verletzt nicht das in § 34 Abs. 1 BauGB enthaltene Gebot der Rücksichtnahme zulasten der Antragstellerin. Zutreffend hat das Verwaltungsgericht herausgearbeitet, dass eine einmauernde oder erdrückende Wirkung des Bauvorhabens gegenüber dem Anwesen der Antragstellerin nicht zu erwarten ist (vgl. BVerwG, U. v. 13.3.1981 - 4 C 1.78 - BauR 1981, 354; BayVGH, B. v. 11.5.2010 - 2 CS 10.454 - juris).

2. Die erteilte Abweichung nach Art. 63 Abs. 1 Satz 1 BayBO hinsichtlich der nach Art. 6 Abs. 1 BayBO erforderlichen Abstandsflächen zum Grundstück der Antragstellerin FlNr. .../... der Gemarkung S. begegnet jedoch erheblichen rechtlichen Bedenken. Insoweit muss es sich um eine atypische, von der gesetzlichen Regel nicht zureichend erfasste oder bedachte Fallgestaltung handeln. Diese kann sich etwa aus einem besonderen Grundstückszuschnitt, einer aus dem Rahmen fallenden Bebauung auf dem Bau- oder dem Nachbargrundstück oder einer besonderen städtebaulichen Situation, wie der Lage des Baugrundstücks in einem historischen Ortskern, ergeben. In solchen Lagen kann auch das Interesse des Grundstückseigentümers, vorhandene Bausubstanz zu erhalten und sinnvoll zu nutzen oder bestehenden Wohnraum zu modernisieren, eine Verkürzung der Abstandsflächen durch die Zulassung einer Abweichung rechtfertigen (vgl. BayVGH, B. v. 16.7.2007 - 1 CS 07.1340 - juris; v. 19.3.2013 - 2 B 13.99 - BayVBl 2013, 729). Soll auch in diesen Bereichen eine zeitgemäße, den Wohnungsbedürfnissen entsprechende Sanierung, Instandsetzung, Aufwertung oder Erneuerung der zum Teil überalterten Bausubstanz ermöglicht werden, so kommt man im Einzelfall nicht umhin, Ausnahmen vom generalisierenden Abstandsflächenrecht zuzulassen (vgl. BayVGH, U. v. 7.10.2010 - 2 B 09.328 - juris; B. v. 15.10.2014 - 2 ZB 13.530 - juris). Hingegen begründen allein Wünsche eines Eigentümers, sein Grundstück stärker auszunutzen als dies ohnehin schon zulässig wäre, noch keine Atypik. Modernisierungsmaßnahmen, die nur der Gewinnmaximierung dienen sollen, sind auch in Ballungsräumen nicht besonders schützenswert (vgl. BayVGH, B. v. 13.10.2014 - 2 ZB 13.1627).

Entgegen der Auffassung der Beigeladenen sind vorliegend grundsätzlich Abstandsflächen einzuhalten, weil ein sog. Pavillonabstand im Sinn von Art. 6 Abs. 5 Satz 4 BayBO (vgl. BayVGH, U. v. 7.3.2013 - 2 BV 11.882 - BayVBl 2013, 634) gegenüber dem Anwesen der Antragstellerin auf dem Grundstück FlNr. .../... nicht vorliegt. Das Gebäude der Antragstellerin und der inzwischen abgerissene Altbau der Beigeladenen waren vielmehr straßenseitig aneinander angebaut. Insoweit dürfte auch die Auffassung des Verwaltungsgerichts zutreffen, dass in einem solchen Fall die Vorschrift des Art. 6 Abs. 5 Satz 4 BayBO auf Abstände rückwärtiger Gebäudeteile an der grenzständig bebauten Seite keine Anwendung finden kann, weil die sog. Pavillonabstände einen Bezug zur Straße aufweisen müssen. Selbst wenn jedoch insoweit die Rechtsansicht der Beigeladenen zutreffen sollte, wären solche sog. Pavillonabstände in den rückwärtigen Grundstücksbereichen des maßgeblichen Gevierts nicht anzutreffen. Das Erstgericht hat zu Recht festgestellt, dass die hier vorzufindenden Abstände uneinheitlich sind.

Entgegen der Meinung der Beigeladenen rechtfertigt im vorliegenden Fall der Wunsch, eine Neubebauung in etwa dem gleichen Maß vorzunehmen, wie dies in der Umgebungsbebauung vorzufinden ist, wohl nicht die strittige Abweichung hinsichtlich der Abstandsflächentiefe. Denn wie das Erstgericht zutreffend festgestellt hat, wirft das Bauvorhaben in deutlich größerer Tiefe Abstandsflächen auf das Grundstück der Antragstellerin als deren Gebäude auf das Baugrundstück. Zwar kann auch bei nicht gleichwertiger Abweichung von der Abstandsflächenpflicht das Interesse des Bauherrn an der Verwirklichung seines Vorhabens im Einzelfall überwiegen, wenn sich mit dem Neubau jedenfalls die vermehrte Abstandsflächenüberschreitung reduziert (vgl. BayVGH, B. v. 15.10.2014 - 2 ZB 13.530 - juris). Im vorliegenden Fall ist aber offensichtlich, dass sich für die Antragstellerin durch den Neubau die Abstandsflächensituation nicht insgesamt verbessert. In diesem Fall hat die Bauherrin jedenfalls keinen Anspruch darauf, ihre Neubebauung in etwa in gleichem Maß vorzunehmen, wie dies in der Umgebungsbebauung vorzufinden ist. Hiergegen sprechen bereits die unterschiedlichen Grundstückszuschnitte im maßgeblichen Geviert. Naturgemäß sind die Eigentümer von Eckgrundstücken insoweit begünstigt, da sie regelmäßig auf zwei Seiten mit dem Gebäude an die Straße heranrücken können. Ebenso sind aber auch größere Grundstücke wie das mit der FlNr. .../... hinsichtlich ihrer Entwicklungsmöglichkeiten begünstigt. Das Grundstück der Beigeladenen mit der FlNr. .../... weist jedoch mit einer Fläche von 760 qm jedenfalls eine beachtliche Größe auf, so dass eine beengte Situation, die jede wirtschaftlich vertretbare Ausnutzung des Grundstücks im nachbarschaftlichen Verhältnis zum Anwesen der Antragstellerin ausschließen würde, nicht anzunehmen ist. Hinzu kommt, dass die Beigeladene durch wahrscheinlich geringfügige Änderungen des Bauvorhabens, wie beispielsweise eine Veränderung der Dachform, eine Verbesserung zumindest im Hinblick auf die Belichtungssituation herbeiführen kann.

Selbst bei Vorliegen einer atypischen Situation ist in der Rechtsprechung im Hinblick auf die Belichtungssituation anerkannt, dass nur die Einhaltung eines Lichteinfallswinkels von 45 Grad in Höhe der Fensterbrüstung von Fenstern von Aufenthaltsräumen grundsätzlich eine ausreichende Belichtung sicherstellt (vgl. auch Art. 7 Abs. 1 Satz 3 BayBO 1974). Dieser Grundsatz gilt zwar nicht ausnahmslos, und kann insbesondere in speziellen Situationen, in denen sich die Belichtungsverhältnisse nicht verschlechtern und der bisherige Bestand der historischen Genehmigungssituation geschuldet ist, der Erteilung einer Abweichung von den Abstandsflächen ausnahmsweise nicht entgegenstehen (vgl. BayVGH, B. v. 15.10.2014 - 2 ZB 13.530 - juris). Eine solche spezielle Situation ist hier aber nicht zu erkennen. Im vorliegenden Fall ist der erforderliche Lichteinfallswinkel von 45 Grad vor den Fenstern im Erdgeschoss auf der östlichen Seite des Gebäudes der Antragstellerin laut Belichtungsstudie nicht vollständig eingehalten. Dies kann hier auch deshalb nicht als unwesentlich angesehen werden, weil es sich beim Erdgeschoss des Gebäudes der Antragstellerin in Wirklichkeit eher um ein sog. Hochparterre handelt, so dass die maßgebliche Fensterbrüstung immerhin in ca. 2 m Höhe liegt. Angesichts dessen ist die Abwägungsentscheidung der Bauaufsichtsbehörde, dass eine Beeinträchtigung der Antragstellerin insbesondere hinsichtlich des Gesichtspunkts Belichtung nicht zu erwarten ist, unzutreffend.

Nach allem verletzt die im Baugenehmigungsbescheid vom 26. Februar 2014 enthaltene Abweichungsentscheidung nach Art. 63 Abs. 1 Satz 1 BayBO hinsichtlich des Grundstücks FlNr. .../... die Antragstellerin voraussichtlich in ihren öffentlich-rechtlich geschützten nachbarlichen Belangen. Diese nachbarlichen Belange können auch nicht im Rahmen einer Gesamtschau zurückgestellt werden, weil das Bauvorhaben der Beigeladenen von zahlreichen weiteren Abweichungen getragen werden soll. Bei der strittigen Abweichung hinsichtlich der erforderlichen Abstandsflächen zum Grundstück der Antragstellerin handelt es sich auch nicht um einen selbstständig abtrennbaren Teil, ohne den die Baugenehmigung vom 26. Februar 2014 trotzdem weiter bestehen könnte.

3. Angesichts der Tatsache, dass die Anfechtungsklage der Antragstellerin gegen den Baugenehmigungsbescheid vom 26. Februar 2014 in der Hauptsache wahrscheinlich Erfolg haben wird, fällt auch die Interessenabwägung des Senats zugunsten der Antragstellerin aus. Die Beigeladene wird zwar durch die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Anfechtungsklage zeitweilig daran gehindert, ihr Bauvorhaben ins Werk zu setzen, sie ist aber selbst durch wahrscheinlich nicht sehr ins Gewicht fallende Umplanungen in der Lage, die Belastungen für die Nachbarin zu vermindern. Demgegenüber müsste die Antragstellerin, falls ihrem Antrag nicht stattgegeben würde, mit der Schaffung vollendeter Tatsachen rechnen, weil mit der Fundamentierung und weiterem Baufortschritt sowie schließlich der Fertigstellung der umstrittenen Dachkonstruktion es immer unwahrscheinlicher würde, dass sie ihr Abwehrrecht letztlich durchsetzen könnte. Im Übrigen ist es zunächst Sache der Bauherrin und dann der Bauaufsichtsbehörde zu prüfen, mit welcher Planung den nachbarlichen Rechten der Antragstellerin ausreichend Rechnung getragen werden kann.

4. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 und 3, § 159 Satz 1 VwGO i. V. m. § 100 Abs. 1 ZPO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47, 52 Abs. 1 GKG.

Tenor

I.

Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.

II.

Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens. Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.

III.

Der Streitwert wird auf 7.500,- Euro festgesetzt.

Gründe

Der Antrag auf Zulassung der Berufung (§§ 124, 124a Abs. 4 VwGO) hat keinen Erfolg, weil die geltend gemachten Zulassungsgründe nicht vorliegen.

1. Das Urteil des Verwaltungsgerichts begegnet im Rahmen der dargelegten Zulassungsgründe keinen ernstlichen Zweifeln an seiner Richtigkeit (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Der Verwaltungsgerichtshof teilt die Auffassung des Erstgerichts, dass die streitgegenständliche Baugenehmigung keine drittschützenden Vorschriften verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Die Klägerin kann als Nachbarin eine Baugenehmigung mit dem Ziel ihrer Aufhebung nur dann erfolgreich angreifen, wenn öffentlich-rechtliche Vorschriften verletzt sind, die zumindest auch ihrem Schutz dienen. Dies ist hier jedoch nicht der Fall.

a) Die zum klägerischen Grundstück hin nach Art. 63 Abs. 1 BayBO erteilte Abweichung von den Abstandsflächen ist rechtmäßig. Nach Art. 63 Abs. 1 Satz 1 BayBO kann die Bauaufsichtsbehörde Abweichungen von den Anforderungen des Bauordnungsrechts zulassen, wenn sie unter Berücksichtigung des Zwecks der jeweiligen Anforderung und unter Würdigung der öffentlich-rechtlich geschützten nachbarlichen Belange mit den öffentlichen Belangen, insbesondere den Anforderungen des Art. 3 Abs. 1 BayBO vereinbar sind. Es entspricht dabei der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs, dass die Zulassung einer Abweichung Gründe erfordert, durch die sich das Vorhaben vom Regelfall unterscheidet und die etwa bewirkte Einbußen an geschützten Nachbarrechtspositionen vertretbar erscheinen lassen (vgl. BayVGH, B. v. 13.2.2002 - 2 CS 01.1506 - juris; B. v. 15.10.2014 - 2 ZB 13.530 - juris). Insoweit muss es sich um eine atypische, von der gesetzlichen Regel nicht zureichend erfasste oder bedachte Fallgestaltung handeln. Die bei Zulassung einer Abweichung zu fordernde atypische Situation (vgl. BayVGH, B. v. 16.7.2007 - 1 CS 07.1340 - juris; B. v. 15.11.2005 - 2 CS 05.2817 - juris) liegt hier entgegen der Auffassung der Klägerin gerade in der Lage des Baugrundstücks im dicht bebauten innerstädtischen Bereich, in dem historische Bausubstanz vorhanden ist. Die Atypik ergibt sich aus der besonderen städtebaulichen Situation. In solchen Lagen kann auch das Interesse des Grundstückseigentümers, vorhandene Bausubstanz zu erhalten und sinnvoll zu nutzen oder bestehenden Wohnraum zu modernisieren, eine Verkürzung der Abstandsflächen durch die Zulassung einer Abweichung rechtfertigen (vgl. BayVGH, B. v. 16.7.2007 - 1 CS 07.1340 - juris; U. v. 19.3.2013 - 2 B 13.99 - BayVBl 2013, 729). Soll auch in diesen Bereichen eine zeitgemäße, den Wohnbedürfnissen entsprechende Sanierung, Instandsetzung, Aufwertung oder Erneuerung der zum Teil überalterten Bausubstanz ermöglicht werden, so kommt man im Einzelfall nicht umhin, Ausnahmen vom generalisierenden Abstandsflächenrecht zuzulassen (vgl. BayVGH, U. v. 7.10.2010 - 2 B 09.328 - juris; B. v. 15.10.2014 - 2 ZB 13.530 - juris). Hingegen begründen allein Wünsche eines Eigentümers, sein Grundstück stärker auszunutzen als dies ohnehin schon zulässig wäre, noch keine Atypik. Modernisierungsmaßnahmen, die nur der Gewinnmaximierung diesen sollen, sind auch in Ballungsräumen nicht besonders schützenswert (vgl. BayVGH, B. v. 13.10.2014 - 2 ZB 13.1627 -).

Gemessen an diesen Maßstäben hat das Erstgericht zu Recht eine Atypik angenommen. Die Klägerin trägt selbst vor, dass sich die Gebäude im dicht bebauten innerstädtischen Bereich der Beklagten befinden. In der Umgebung findet sich vielfach eine historische, grenzständige Bebauung. Die Klägerin verkennt dabei, dass der Begriff des „Regelfalls“ insoweit nicht auf die nähere Umgebung anzuwenden ist, sondern der gesetzliche Regelfall gemeint ist, nach dem gemäß Art. 6 BayBO Abstandsflächen zwischen den Gebäuden einzuhalten sind. Die historische Bebauung und insbesondere auch die Gebäude der Klägerin sowie der Beigeladenen sind jedoch zeitlich lange vor dem Abstandsflächenrecht der Bayerischen Bauordnung entstanden. In diesen historisch gewachsenen Situationen führt jedwede Änderung des historischen Baubestands in der Regel zu einer weiteren Verletzung der nunmehr gesetzlich geregelten Abstandsflächen. Im vorliegenden Fall stellt der Anbau eines Außenaufzugs auch nicht lediglich eine Maßnahme der Gewinnmaximierung dar. Der Aufzug erschließt das erste Obergeschoss mit der darin bereits befindlichen Arztpraxis sowie das zweite Obergeschoss, in welchem statt einer nun zwei Wohnungen entstehen. Er dient vorliegend auch dem barrierefreien Ausbau des historischen Gebäudes. Nicht erschlossen wird insbesondere die weitere Wohneinheit im Dachgeschoss des Gebäudes, was bei einer Maßnahme zur bloßen Gewinnmaximierung, also Steigerung des Immobilienwerts, zu erwarten gewesen wäre.

b) Die erteilte Baugenehmigung ist zudem nicht deshalb rechtswidrig, weil die Baugenehmigung als Angelegenheit der laufenden Verwaltung erteilt wurde und ein Beschluss des Senats für Stadtentwicklung, Bauen, Wohnen und Werksenat für den Entsorgungs- und Baubetrieb der Stadt Bamberg („Bau- und Werksenat“) nicht, auch nicht nachträglich erfolgt ist (Art. 45 Abs. 1 Nr. 4 BayVwVfG). Die Zuständigkeitsabgrenzung zwischen den gemeindlichen Organen hat grundsätzlich auch rechtliche Bedeutung nach außen, d. h. es kann sich ein Außenstehender, dem gegenüber das falsche Organ gehandelt hat, darauf berufen, dass es an der Tätigkeit oder Mitwirkung des zuständigen Organs fehle und daher das gemeindliche Handeln ihm gegenüber fehlerhaft ist (vgl. BayVGH, U. v. 31.3.2003 - 4 B 00.2823 - VGH n. F. 56, 98; U. v. 25.7.2007 - 4 BV 06.3308 - juris). Ein solcher Fall liegt hier jedoch nicht vor.

Gemäß Kapitel A Ziffer II § 12 Abs. 3 Nr. 2 B) Nr. 1) der Geschäftsordnung des Stadtrats der Beklagten vom 7. Mai 2014 ist der Bau- und Werksenat nur bei Bauvorhaben zuständig, die „für das Stadtbild, die Stadtentwicklung, die Stadterneuerung oder die Städtebauförderung von grundsätzlicher Bedeutung“ sind. Zwar handelt es sich bei dem historischen Gebäude der Beigeladenen wie auch bei dem historischen Gebäude der Klägerin um historisch bedeutsame Einzeldenkmäler in der Altstadt der Beklagten. Der hier verfahrensgegenständliche Aufzugsturm ist jedoch nach drei Seiten hin von Gebäuden umgeben und nach den Feststellungen des Erstgerichts im Augenschein (vgl. Niederschrift vom 21. Juli 2014, Bl. 114/Rückseite der verwaltungsgerichtlichen Akte) „von außen nicht sichtbar“. Dies ergibt sich auch aus der von der Klägerin vorgelegten Stellungnahme der zuständigen Gebietsreferentin des Bayerischen Landesamts für Denkmalpflege (E-Mail vom 30. Januar 2014, Bl. 59 der Gerichtsakte), wonach „die vorgesehene Konstruktion mit Abstand zum Nachbargebäude und unter der Traufe … vom öffentlichen Raum aus nicht einsehbar“ ist. Insoweit fehlt es bereits an der grundsätzlichen Bedeutung im obigen Sinn. Auch aus der Nischensituation lässt sich keine grundsätzliche Bedeutung ableiten. Zwar mag ursprünglich die heutige Nische gassenartig ausgeprägt gewesen sein, wie sich den historischen Beschreibungen und Stadtplänen entnehmen lässt, und auch als Zugang zum klägerischen Gebäude gedient haben. Diese besondere historische Situation wurde jedoch bereits vor längerer Zeit aufgehoben. Zum einen wurde der Zugang zum klägerischen Gebäude beseitigt und ist auch in den noch vorhandenen Plänen nicht mehr erkennbar. Zum anderen wurde die Nischensituation zur R.-gasse grundlegend verändert, indem die frühere Mauer zur R.-gasse durch ein Gebäude mit Durchgang ersetzt wurde, in welchem sich heute das Poolhaus befindet. Auch aus denkmalpflegerischer Sicht (vgl. E-Mail-Verkehr vom 31. Januar 2014, Bl. 58 der Gerichtsakte) bestand offensichtlich kein Grund die vorhandene Nischensituation als weiter schützens- oder erhaltenswert zu betrachten. Somit ist auch insoweit keine grundsätzliche Bedeutung erkennbar, welche einen Beschluss des Bau- und Werksenats erforderlich gemacht hätte.

c) Die im Rahmen der nach Art. 63 Abs. 1 BayBO erforderlichen Ermessensentscheidung zu treffende Interessenabwägung ist ebenfalls nicht zu beanstanden. Das Erstgericht hat zutreffend festgestellt, dass nach heutigem Bauplanungsrecht (§ 34 BauGB) aufgrund der vorherrschenden geschlossenen, grenzständigen Bauweise die Beigeladene grundsätzlich auch an die Grenzwand der Klägerin unmittelbar hätte anbauen dürfen. Ebenfalls richtig ist, dass die vorhandene Grenzwand nach heutigem Recht (Art. 28 Abs. 2 Nr. 1 BayBO) als Brandwand ohne Fensteröffnungen auszubilden wäre. Die Klägerin beruft sich insoweit hinsichtlich der in dieser Wand vorhandenen Fensteröffnungen auf einen Bestandsschutz, übersieht jedoch, dass es ihrer Beweispflicht obliegt, diesen Bestandschutz nachzuweisen. Dem ist sie jedoch nicht nachgekommen. Auch die bei der Beklagten vorhandenen Bauunterlagen lassen einen Bestandsschutz der tatsächlichen Fensteröffnungen nicht erkennen. Die in den vorhandenen - in diesem Punkt aber nicht genehmigten - Plänen eingezeichneten Fensteröffnungen stimmen nicht mit den derzeitigen in Lage und Größe überein. Daraus lässt sich zugunsten der Klägerin kein Bestandsschutz ableiten. Im Übrigen hat das Erstgericht zutreffend festgestellt, dass die bestehenden Fensteröffnungen lediglich Nebenräume betreffen und deshalb die durch die Baumaßnahme zu erwartende Einschränkung der Belichtung durch eine künstliche Beleuchtung ausgeglichen werden kann. Auch die Belüftungssituation kann sich durch die Baumaßnahme verändern. Es fehlt jedoch an einem Nachweis, dass dadurch eine nicht mehr hinnehmbare Belüftungssituation eintritt. Eine Belüftung ist vielmehr weiterhin möglich. Die bloße Möglichkeit der Einsichtnahme vom Podest aus kann durch entsprechenden baulichen Eigenschutz verhindert werden (z. B. Milchglasscheiben, Folien oder Vorhänge).

Es ist zudem keine Beeinträchtigung des Denkmals der Klägerin erkennbar, welche im Rahmen der Interessenabwägung zu ihren Gunsten hätte berücksichtigt werden müssen, und wurde auch von der Klägerin nicht hinreichend substantiiert vorgetragen. Betroffen von der Baumaßnahme ist eine Rückwand am Gebäude der Klägerin, die als solche denkmalrechtlich keine bedeutenden und schützenswerten Merkmale aufweist. Zwar mag durch das Bauvorhaben der Beigeladenen die künftige Erhaltung dieses Wandteils erschwert sein, sie ist jedoch nicht unmöglich. Dies ergibt sich auch aus den mehrfachen Versicherungen der Beigeladenen, dass eine Fassadenrenovierung erlaubt werde und dazu die Fluchtleiter abgebaut werden könne. Eine mit der Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 GG nicht zu vereinbarende Beeinträchtigung des Denkmals der Klägerin ist insoweit nicht erkennbar.

Im Rahmen der baurechtlichen Interessenabwägung ist es nicht erforderlich, dass der von der Beigeladenen geplante Außenaufzug, der im Gegensatz zum Vortrag der Klägerin gerade nicht das Dachgeschoß erschließen wird, zwingend notwendig ist oder in der Umgebung vergleichbare Außenaufzüge vorhanden sind. Entscheidend ist der Bauwunsch des Bauherrn und die dadurch im konkreten Einzelfall betroffenen gegenseitigen Interessen.

2. Die Rechtssache weist auch keine besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten auf (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO), denn sie verursacht in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht keine größeren, d. h. überdurchschnittlichen, das normale Maß nicht unerheblich übersteigende Schwierigkeiten und es handelt sich auch nicht um einen besonders unübersichtlichen oder kontroversen Sachverhalt, bei dem noch nicht abzusehen ist, zu welchem Ergebnis ein künftiges Berufungsverfahren führen wird (vgl. BayVGH, B. v. 12.4.2000 - 23 ZB 00.643 - juris). Vielmehr ist der Rechtsstreit im tatsächlichen Bereich überschaubar und die entscheidungserheblichen Fragen sind durch die Rechtsprechung hinreichend geklärt. Im Rahmen dieses Zulassungsgrunds ist nicht die Richtigkeit des Ersturteils Gegenstand der Zulassungsentscheidung, sondern die mögliche „abstrakte“ Fehleranfälligkeit wegen der besonderen Schwierigkeiten der Fallbehandlung (vgl. Berkemann, DVBl 1998, 446). Diese ist nach Auffassung des Senats im vorliegenden Fall nicht gegeben. Ein weiterer substantiierter Vortrag erfolgte von Seiten der Klägerin nicht. Im Übrigen wird auf die Ausführungen unter Ziffer 1. verwiesen.

3. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO). Der Begriff der grundsätzlichen Bedeutung erfordert, dass für die angefochtene Entscheidung des Verwaltungsgerichts die im Zulassungsantrag dargelegte konkrete Rechts- oder Tatsachenfrage von Bedeutung war, ihre Klärung im Berufungsverfahren zu erwarten und zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder zur Weiterentwicklung des Rechts geboten ist (vgl. Happ in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 124 Rn. 36). Klärungsbedürftig ist eine Frage, wenn sie in der konkreten Rechtssache entscheidungserheblich ist. Die Frage des Vorliegens einer Atypik ist in der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (vgl. dazu Ziffer 1. a)) mehrfach entschieden und die im vorliegenden Fall entscheidungserheblichen Fragen sind bereits hinreichend geklärt. Dies gilt insbesondere für die von der Klägerin als klärungsbedürftig angesehene Frage, ob im Rahmen eines eng bebauten innerstädtischen Bereichs ein vom Regelfall abweichender atypischer Sachverhalt bereits dann gegeben ist, wenn die enge Bebauung bei Erweiterungen der baulichen Anlagen häufig nur möglich ist unter Vernachlässigung der Einhaltung der Abstandsflächen. Auch insoweit wird auf die Ausführungen unter Ziffer 1. verwiesen.

4. Die Entscheidung des Erstgerichts weicht nicht von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts ab und beruht auf dieser Abweichung (§ 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO). Insbesondere weicht das Erstgericht nicht vom Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 21. April 2009 ab (vgl. BVerwG, U. v. 21.4.2009 - 4 C 3/08 - juris). Zum einen legt die Klägerin in ihrer Zulassungsbegründung schon keinen Rechtssatz aus dieser Entscheidung dar, von welchem das Erstgericht abgewichen sein soll. Vielmehr trägt sie vor, das Erstgericht habe in Rahmen der Prüfung der Ermessensentscheidung nicht berücksichtigt, dass der Klägerin als Denkmaleigentümerin besondere Rechte zustünden. Damit rügt die Klägerin keine Divergenz sondern eine Nichtberücksichtigung einer obergerichtlichen Entscheidung, was im Rahmen der ernstlichen Zweifel zu prüfen wäre. Insoweit fehlt es bereits an einer hinreichenden Darlegung dieses Zulassungsgrunds (§ 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO). Zum anderen würde es auch an der behaupteten massiven Beeinträchtigung des klägerischen Denkmals fehlen. Das Erscheinungsbild des klägerischen Denkmals wird durch die im Bereich der Gebäuderückwand zu errichtende bauliche Anlage nicht betroffen. Hinsichtlich der übrigen vorgetragenen Beeinträchtigungen wird auf die Ausführungen unter Ziffer 1. c) verwiesen.

5. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst (§ 162 Abs. 3 VwGO). Im Berufungszulassungsverfahren sind die außergerichtlichen Kosten eines Beigeladenen in der Regel nicht aus Billigkeitsgründen der unterliegenden Partei aufzuerlegen (vgl. BayVGH, B. v. 11.10.2001 - 8 ZB 01.1789 - BayVBl 2002, 378). Ein Ausnahmefall ist vorliegend nicht gegeben.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47, 52 Abs. 1 GKG.

Tenor

I.

Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.

II.

Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

Der Beigeladene trägt seine außergerichtlichen Kosten selbst.

III.

Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 7.500 Euro festgesetzt

Gründe

I.

Die Klägerin ist Eigentümerin mehrerer Grundstücke in der Gemarkung S. M. im Ortsteil L. am Ostrand der Stadt K. Die betreffenden Flurnummern werden teils als landwirtschaftliche Flächen, teils als Golfplatz („Golfzentrum K.“) und teilweise als Wegeflächen genutzt. Ihre Klage gegen die Genehmigung für den Umbau eines Einfamilienhauses auf dem Grundstück FlNr. 25 Gemarkung S. M. des Beigeladenen, das auf allen Seiten an die im Allein- oder Miteigentum stehenden Flächen der Klägerin grenzt, wies das Verwaltungsgericht ab. Das nach § 35 Abs. 2 BauGB zu beurteilende Vorhaben sei nicht rücksichtslos; die Abweichung von den Abstandsflächen nach Art. 6 BayBO sei ermessensfehlerfrei erteilt worden. Hiergegen richtet sich das Rechtsmittel der Klägerin.

II.

Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Die dargelegten Gründe - ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO; dazu 1.) und besondere tatsächliche und rechtliche Schwierigkeiten der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO; dazu 2.) - rechtfertigen die beantragte Zulassung der Berufung nicht.

1. Das Verwaltungsgericht hat die planungsrechtliche Zulässigkeit des streitigen Vorhabens an § 35 Abs. 2 BauGB gemessen und in diesem Zusammenhang eine Verletzung des nachbarschützenden Gebots der Rücksichtnahme (vgl. für diesen Sachverhalt grundlegend: BVerwG, U.v. 25.2.1977 - IV C 22.75 - BVerwGE 52, 122 und U.v. 13.3.1981 - 4 C 1.78 - BRS 38 Nr. 186) verneint. Dazu nimmt die Zulassungsbegründung nicht Stellung.

Die Klägerin bezweifelt die Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils allein deshalb, weil bei der Prüfung der nach Art. 63 Abs. 1 Satz 1BayBO erteilten Abweichung von der Einhaltung der Abstandsflächen die (objektive) planungsrechtliche Unzulässigkeit des Vorhabens unberücksichtigt geblieben sei. An der Verwirklichung eines unzulässigen Vorhabens könne regelmäßig weder ein öffentliches noch ein besonderes Interesse des Bauherrn bestehen. Die Frage der planungsrechtlichen Zulässigkeit spiele richtigerweise im Rahmen des Ermessens bei der Erteilung einer Abweichung eine Rolle, wenn die betroffenen Belange und Interessen zu berücksichtigen seien.

a) Ob diese Meinung richtig ist, bedarf bei dem hier zu beurteilenden Sachverhalt keiner abschließenden Antwort. Das Verwaltungsgericht hat jedenfalls zu Recht angenommen, dass auf Seiten der Klägerin keine wehrfähigen öffentlich-rechtlich geschützten nachbarlichen Belange betroffen sind, weil die entsprechenden Grundstücke der Klägerin nicht abstandsflächenrechtlich relevant bebaubar sind (vgl. zu einem insoweit ähnlich gelagerten Fall: BayVGH, B.v. 14.7.2009 - 14 ZB 09.847 - juris Rn. 9). Das von den Abstandsflächen des streitgegenständliche Vorhabens berührte und im Alleineigentum der Klägerin stehende Grundstück FlNr. 78/2 ist im rechtverbindlichen Bebauungsplan „Golfplatz S. L.“ als Golfplatz/Driving Range festgesetzt. An deren Südgrenze setzt der Bebauungsplan gegenüber dem streitigen Bauvorhaben einen zwei Meter hohen Lärmschutzwall fest, weiter nach Osten folgt insoweit ein bis zu sechs Meter hoher Ballfangzaun. Das ebenfalls von den ursprünglichen Abstandsflächen des Vorhabens im Westen und Süden betroffene, im Miteigentum der Klägerin stehende Grundstück FlNr. 20/2 (T.) ist als öffentlicher Feld- und Waldweg ausgewiesen (entsprechend der Legende ockerfarbig gekennzeichnet).

Nachdem die planungsrechtliche Zulässigkeit unter dem wegen § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO allein entscheidungserheblichen Gesichtspunkt der Verletzung eigener Rechte - wie unwidersprochen geschehen - zu bejahen ist und im Hinblick auf die auf Antrag (Art. 63 Abs. 2 BayBO) zu prüfende abstandsflächenrechtliche Zulassungsfähigkeit keine tatsächlichen, öffentlich-rechtlich wehrfähigen Belange auf Seiten der Klägerin gegeben sind, kann ihre Klage gegen die Baugenehmigung keinen Erfolg haben. Eine materielle Verletzung eigener subjektiv-öffentlicher Rechte ist nicht festzustellen.

b) Im Übrigen sei angemerkt, dass die Meinung der Klägerin, im Zusammenhang mit der Erteilung einer Abweichung von der Einhaltung der Abstandsflächen müsse ein Vorhaben unter dem Gesichtspunkt seiner Vereinbarkeit mit den öffentlichen Belangen regelmäßig planungsrechtlich positiv zu beurteilen sein, zweifelhaft erscheint.

(1) In mehreren Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofs finden sich allerdings Hinweise darauf, dass im Rahmen der Prüfung der Vereinbarkeit des Vorhabens mit den öffentlichen Belangen im Einzelfall neben den von der Bayerischen Bauordnung geregelten auch weitere objektive öffentlich-rechtliche Belange zu berücksichtigen sein können (BayVGH, U.v. 3.12.2014 - 1 B 14.819 - juris Rn. 21: Brandschutz; B.v. 5.12.2011 - 2 CS 11.1902 - juris Rn. 4, 7: Berücksichtigung jedoch nur im Rahmen des Prüfprogramms für die Baugenehmigung, deshalb im dort entschiedenen Fall keine Brandschutzvorschriften; U.v. 15.12.2008 - 22 B 07.143 - BayVBl 2009, 530 = juris Rn. 43, 44: Abwägungsrelevanz nur, soweit durch die Erteilung der Abweichung der jeweilige (erg.: fremde) Rechtsverstoß hervorgerufen oder wesentlich verschärft wird; B.v. 16.7.2007 - 1 CS 07.1340 - NVwZ-RR 2008, 84 = juris LS 1 und Rn. 17, 24: Zu einer fehlerfreien Ermessensausübung gehört auch, dass von der Abweichung berührte, nicht nachbarschützende öffentliche Belange (dort: Denkmalschutz) zutreffend gewürdigt werden; U.v. 2.5.2002 - 2 B 99.2590 - juris Rn. 20: Bei der Ermessensausübung durfte darauf abgestellt werden, dass das zur Genehmigung gestellte Vorhaben gestalterisch problematisch war; B.v. 12.3.1999 - 2 ZB 98.3014 - BayVBl 2000, 630 = juris Rn. 8: Berücksichtigung negativer Auswirkungen von Windkraftanlagen auf die Ertragsentwicklung benachbarter landwirtschaftlicher Kulturen, Gefahr des Eisabwurfs auf nahe vorbeiführende öffentliche Wege, aus naturschutzfachlicher Sicht erheblich bedenklichere Einstufung des vorgesehenen Standorts im Vergleich zu einem raumordnerisch positiv abgeschlossenen ursprünglichen Standort).

(2) Zurückhaltender gegenüber der Berücksichtigung objektiver öffentlich-rechtlicher Belange anlässlich einer gegen die für ein Vorhaben erteilten Abweichung von den Abstandsflächenvorschriften gerichteten Nachbarklage hat sich im Anschluss an Kuchler, BayVBl 2009, 517, unter anderem eine Entscheidung des BayVGH (U.v. 4.2.2011 - 1 BV 08.131 - juris Rn. 48: Eine Überprüfung der nicht tragenden Ausführungen im B.v. 16.7.2007 - 1 CS 07.1340 - juris Rn. 24 wurde angekündigt) geäußert. Für Einschränkungen beim Kreis der zu berücksichtigenden öffentlichen Belange spricht sich auch Molodovsky (in Molodovsky/Famers/Kraus, BayBO, Stand 1. September 2014, Art. 63 Rn. 34a: Es ist nicht darauf abzustellen, ob andere öffentliche Belange, die nicht nachbarschützend sind, zutreffend gewürdigt werden, z. B. nicht nachbarschützende Belange des Planungsrechts oder des Immissions-, Natur- oder Denkmalschutzrechts) aus. Für eine Abkehr von der Rechtsprechung, die bei einer Abweichung generell auch andere Belange als die durch die jeweilige Vorschrift geschützten zum Zulassungsmaßstab rechnet, plädiert zuletzt König (in Schwarzer/König, Bayerische Bauordnung, 4. Auflage 2010, Art. 63 Rn. 15: An dieser Rechtsprechung sollte nicht festgehalten werden; derselbe in Baurecht Bayern, 5. Auflage 2015, Rn. 866: Eigenständig gesetzlich geregelte Belange, wie die Belange des § 35 Abs. 3 BauGB sowie die im BNatSchG, BayNatSchG und DSchG geregelten Belange des Naturschutzes und der Denkmalpflege gehören nicht zum Maßstab für die Zulassung einer Abweichung. Den diese Belange schützenden Vorschriften muss das Bauvorhaben - unabhängig davon, ob ihre Einhaltung in einem Genehmigungsverfahren geprüft wird (vgl. Art. 55 Abs. 2 BayBO) - ohnehin entsprechen. Ihre Berücksichtigung auch als öffentlicher Belang würde zu einer Doppelprüfung führen, für die es keine Rechtfertigung gibt). Die eventuelle bauplanungsrechtliche Unzulässigkeit eines möglicherweise nicht nach § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB privilegierten Vorhabens im Außenbereich hat bereits eine frühere Entscheidung des Senats (BayVGH, B.v. 22.7.2003 - 15 ZB 02.1223 - juris Rn. 4, 7) nicht als einen bei der konkreten Abweichungsentscheidung zu berücksichtigenden öffentlichen Belang angesehen. Die mit § 35 Abs. 1 BauGB verfolgten bauplanungsrechtlichen Ziele (grundsätzliche Zuweisung bestimmter Vorhaben an den Außenbereich) stünden in keinem Zusammenhang mit dem Regelungszweck des Art. 70 Abs. 1 Satz 1 BayBO (erg.: 1998) und blieben daher in diesem Kontext unberücksichtigt.

(3) Der Senat neigt dazu, der zuletzt dargestellten Auffassung aus den nachfolgenden Erwägungen den Vorzug zu geben.

(3.1) Den Ausgangspunkt aller einschlägigen Überlegungen, wie groß der Kreis der öffentlichen Belange sein kann bzw. sollte, die bei der gerichtlichen Überprüfung einer Abweichungsentscheidung im Rahmen einer Nachbarklage Berücksichtigung finden dürfen bzw. müssen, bildet § 113 Abs.1 Satz 1 VwGO mit seiner Vorgabe, dass die zur gerichtlichen Kontrolle stehende Entscheidung für den Fall ihrer Aufhebung eigene Rechte der Klagepartei verletzen muss. Wann eine Baugenehmigung subjektiv-öffentliche Nachbarrechte verletzt, bestimmt sich nach den für das jeweilige Vorhaben anzuwendenden materiellen Vorschriften. Kuchler und König (jeweils a. a. O.) ist darin zu folgen, dass es für eine Doppelprüfung der für ein bestimmtes Vorhaben geltenden Vorschriften weder einen Anlass noch eine Berechtigung gibt. Zwar mag beispielsweise ein Vorhaben, das die (landesrechtlichen) Abstandsflächen einhält, aus tatsächlichen Gründen in der Regel auch (bauplanungsrechtlich) nicht rücksichtlos sein (vgl. BVerwG, B.v. 11.1.1999 - 4 B 128/98 - juris Rn. 3, 4). Gleichwohl folgt die Beurteilung der Rücksichtslosigkeit eines Vorhabens im Hinblick auf seine Größe und sein Erscheinungsbild sowie seine Lage gegenüber einem Nachbargrundstück eigenen Regeln (vgl. BVerwG, U.v. 23.5.1986 - 4 C 34/85 - BauR 1986, 542 = juris Rn. 17, 18: Das im Einfügungsgebot des § 34 Abs. 1 Satz 1 BBauG enthaltene bundesrechtliche Rücksichtnahmegebot bezieht sich nicht auf bauordnungsrechtliche Merkmale; vgl. ferner BayVGH, U.v. 27.3.2013 - 14 B 12.192 - juris Rn. 31, 34 m. w. N.: ein die Abstandsflächen nicht (vollständig) einhaltendes Vorhaben ist damit nicht automatisch rücksichtslos). Mit der Prämisse, dass die Prüfung eines Vorhabens unter nachbarrelevanten planungs- und bauordnungsrechtlichen Gesichtspunkte jeweils eigenständigen, in sich geschlossenen Regeln folgt, ist die Anreicherung der bei einer Abweichung von bauordnungsrechtlichen Abstandsvorschriften zu untersuchenden Belange um den Gesichtspunkt der objektiven planungsrechtlichen Zulässigkeit des betroffenen Vorhabens grundsätzlich nicht zu vereinbaren. Dies gilt in vergleichbarer Weise für die in eigenen Kodifikationen geregelten Natur- und Denkmalschutzbelange. Ob ein Vorhaben den einschlägigen objektiv-rechtlichen Anforderungen entspricht, ist unabhängig davon zu entscheiden, ob wegen der Nichteinhaltung der Abstandsflächen unter Würdigung der öffentlich-rechtlich geschützten nachbarlichen Belange eine Abweichung erteilt werden kann.

(3.2) Die Meinung, sonstige Belange seien bei der hier zu erörternden Entscheidung über die Erteilung einer Abweichung von der Einhaltung der Abstandsflächen für die Interessenabwägung relevant, wenn durch die Abweichung der jeweilige Rechtsverstoß hervorgerufen oder wesentlich verschärft werde, dürfte wohl bereits an der falschen Stelle des zu beurteilenden Lebenssachverhalts ansetzen. Den unter Umständen gegen Planungs-, Natur- oder Denkmalschutzrecht verstoßenden Standort seines Vorhabens wie auch dessen übrige Abmessungen bestimmt der Bauwerber durch den Inhalt der von ihm einzureichenden Bauvorlagen (vgl.: §§ 7, 8 BauVorlV). Nach der durch das in den jeweiligen Kodifikationen enthaltene materielle Recht vorgegebenen Prüfungsreihenfolge bildet die Untersuchung der Abstandsflächenproblematik des Vorhabens, von wenigen „Offensichtlichkeitsfällen“ vielleicht abgesehen, regelmäßig den Schlusspunkt der präventiven Kontrolle des Einzelfalls im bauaufsichtlichen Genehmigungsverfahren. Vor diesem Hintergrund ist es von vorneherein zweifelhaft, wie ein hinzutretender Abstandsflächenverstoß überhaupt geeignet sein könnte, beispielsweise einen - wie gesagt, schon vorher festzustellenden - Verstoß dieses Vorhabens gegen planungsrechtliche Vorschriften „hervorzurufen“ oder „wesentlich zu verschärfen“. Für einen mit diesem Vorhaben verbundenen planungs-, naturschutz- oder denkmalschutzrechtlichen Missgriff kann die zusätzliche Nichteinhaltung der Abstandsflächen als solche schon rein äußerlich betrachtet nicht kausal sein.

Die darüber hinaus fehlende innere Abhängigkeit der angesprochenen Normkomplexe voneinander wird deutlich, wenn man sich die von den jeweiligen Gesetzen verfolgten Zwecke und Schutzgüter vergegenwärtigt. Planungsrechtliche Vorschriften dienen, von der Rechtsfigur des Rücksichtnahmegebots abgesehen, in erster Linie der Verwirklichung einer nachhaltigen städtebaulichen Entwicklung (vgl. § 1 Abs. 5 Satz 1 BauGB). Die Ziele des Naturschutzes und der Landschaftspflege bestehen vor allem darin, die biologische Vielfalt, die Leistungs- und Funktionsfähigkeit des Naturhaushalts und die Vielfalt, Eigenart und Schönheit sowie den Erholungswert von Natur und Landschaft auf Dauer zu sichern (vgl. § 1 Abs. 1 BNatSchG). Hauptanliegen des Denkmalschutzrechts sind die Erhaltung und der Schutz unter anderem von Bau- und Bodendenkmälern (vgl. Art. 3 Abs. 1, Art, 4 bis 6 DSchG). Hier ist hervorzuheben, dass der Abwehranspruch des Eigentümers eines Baudenkmals gegen ein „heranrückendes“ Bauvorhaben, das den Denkmalwert oder das Erscheinungsbild seines Schutzgegenstands beeinträchtigt, vom Ansatz her grundlegend anderen Gesichtspunkten folgt als der zentimetergenauen Einhaltung von Abstandsflächen eines Vorhabens auf einem benachbarten Grundstück (vgl. BayVGH, U.v. 24.1.2013 - 2 BV 11.1631 - BayVBl 2013, 470 = juris Rn. 29 ff.: keine Beeinträchtigung eines Bootshauses durch einen unmittelbar daran vorbeigeführten Steg für die Allgemeinheit).

(3.3) In diesem Zusammenhang erscheint eine Korrektur der Auffassung angezeigt, dass bei der Abweichung/Befreiung von einer nachbarschützenden Vorschrift auf die Klage des Nachbarn hin jeder Fehler bei der Rechtsanwendung zur Aufhebung der Baugenehmigung führt (vgl. BVerwG, B.v. 27.8.2013 - 4 B 39/13 - ZfBR 2013, 783 = juris Rn. 3 zu § 31 Abs. 2 BauGB; BayVGH, U.v. 3.12.2014 - 1 B 14.819 - juris Rn. 21 unter 4. - obiter dictum zur Rechtswidrigkeit einer Abweichung von nachbarschützenden Vorschriften des Abstandsflächenrechts wegen Unvereinbarkeit des Vorhabens mit anderen öffentlichen Belangen und daraus folgender objektiver Rechtswidrigkeit). Auch die Vertreter der Meinung, dass im Rahmen einer Nachbarklage gegen die Abweichung/Befreiung von einer nachbarschützenden Vorschrift zunächst eine umfassend angelegte Prüfung der Zulässigkeit des betroffenen Vorhabens anzustellen sei, schränken ein, dass der Nachbar keinen Anspruch darauf habe, dass das Vorhaben in jeder Hinsicht den öffentlich-rechtlichen Anforderungen entspricht (BayVGH, U.v. 3.12.2014 - 1 B 14.819 - juris Rn. 21 unter Hinweis auf BayVGH, B. v. 16.7.2007 - 1 CS 07.1340 - BauR 2007, 1858 und U.v. 15.12.2008 - 22 B 07.143 - BayVBl 2009, 530). Eine Rechtfertigung für die Doppelprüfung objektiven, nicht schon im Tatbestand (vgl. § 31 Abs. 2 BauGB) enthaltenen Planungsrechts - nur und gerade aus Anlass einer Abweichungs-/Befreiungsentscheidung - lässt sich aus den vorbezeichneten allgemeinen Überlegungen jedenfalls nicht herleiten.

Prinzipiell erscheint die Anknüpfung an die zur Nachbarrechtsverletzung im Rahmen von § 31 Abs. 2 BauGB entwickelten Maßstäbe bei der Anwendung von Art. 63 Abs. 1 BayBO (vgl. Jäde in Jäde/Dirnberger/Bauer, Die neue Bayerische Bauordnung, Stand September 2014, Art. 63 Rn. 61) wenig überzeugend. § 31 Abs. 2 BauGB enthält einen, zuletzt durch das Gesetz über Maßnahmen im Bauplanungsrecht zur Erleichterung der Unterbringung von Flüchtlingen vom 20. November 2014 (BGBl I S. 1748) geringfügig ergänzten, klar definierten und in sich geschlossenen Kanon objektiver Befreiungsvoraussetzungen. Fehlt es im Einzelfall bereits an einer der danach zu fordernden Voraussetzungen für die Befreiung von einer nachbarschützenden planungsrechtlichen Vorschrift, kann die dennoch erfolgte Entscheidung zugunsten eines Vorhabens im Nachbarrechtstreit keinen Bestand haben.

Im Bauordnungsrecht fehlt eine vergleichbar detaillierte gesetzliche Beschreibung der allgemeinen Voraussetzungen für die Erteilung einer Abweichung. In der (ständigen) Rechtsprechung wurde dazu eine Kasuistik entwickelt, die unter dem Oberbegriff der Atypik verschiedene Fallgestaltungen versteht, in denen ein Abgehen von den (abstandsflächenrechtlichen) Regelanforderungen des Gesetzes grundsätzlich möglich erscheint (vgl. stellvertretend BayVGH, B.v. 16.7.2007 - 1 CS 07.1340 - juris Rn. 16: Gründe von ausreichendem Gewicht, durch die sich das Vorhaben vom Regelfall unterscheidet und die die Einbuße an Belichtung und Lüftung sowie eine Verringerung der freien Flächen des Baugrundstücks im konkreten Fall als vertretbar erscheinen lassen). Diese Atypik kann sich etwa aus einem besonderen Grundstückszuschnitt, einer aus dem Rahmen fallenden Bebauung auf dem Bau- oder dem Nachbargrundstück oder einer besonderen städtebaulichen Situation, wie der Lage des Baugrundstücks in einem historischen Ortskern, ergeben. Fehlt es bereits daran, erweist sich eine trotzdem erteilte Abweichung von der Einhaltung der gesetzlich vorgeschriebenen Abstandsflächen von vorneherein als rechtswidrig; die Baugenehmigung ist auf eine Nachbarklage hin aufzuheben. Weshalb das gleiche Ergebnis eintreten sollte, wenn zwar die Atypik zu bejahen war und die individuelle Ermessensausübung fehlerfrei erfolgte, das Vorhaben aber - ohne darin liegende Verletzung nachbarlicher öffentlicher Rechte - „schlicht“ planungsrechtsrechtswidrig ist, lässt sich schwerlich nachvollziehen.

Nach Meinung des Senats sprechen daher gute Gründe dafür, die Auffassung, dass bei der Abweichung/Befreiung von nachbarschützendem Recht - hier: von Art. 6 BayBO - jeder Verstoß zur Rechtsverletzung des betroffenen Nachbarn führen soll, teleologisch zu reduzieren. Im vorliegenden Zusammenhang reicht es als Maßgabe für die Überprüfung aus, dass die Abweichung von der Einhaltung nachbarschützender abstandsflächenrechtlicher Bestimmungen die Rechte des betroffenen Nachbarn auch und schon, andererseits aber nur dann verletzt, wenn im Einzelfall die spezifischen objektiven Voraussetzungen für die Annahme eines atypischen Sonderfalls fehlen. Alles übrige aus Anlass des jeweiligen Falles zu prüfende öffentliche Recht ist unabhängig davon auf mögliche Nachbarrechtsverletzungen zu untersuchen, eine Doppelprüfung derselben Belange im Rahmen einer Entscheidung nach Art. 63 Abs. 1 Satz 1 BayBO unterbleibt. Das befreit nicht zuletzt auch die Anwendungspraxis von - im Einzelnen, wie gezeigt, kaum bzw. nicht plausibilisierungsfähigen - kausalen Verknüpfungsversuchen zwischen den Schutzgütern des Abstandflächenrechts und (beliebigen) sonstigen öffentlichen Belangen.

2. Aus dem Vorstehenden (vgl. oben II. 1 a) ergibt sich zugleich, dass die Rechtssache keine besonderen tatsächlichen und/oder rechtlichen Schwierigkeiten aufweist. Für die Beantwortung der für dieses Verwaltungsstreitverfahren maßgeblichen Fragen bedarf es keines Berufungsverfahrens.

3. Kosten: § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO. Streitwert: § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 3 und Abs. 1 Satz 1, § 52 Abs. 1 GKG unter Berücksichtigung der Nr. 9.7.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 (BayVBl-Beilage 1/2014).

Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).

(1) Das Eigentum und das Erbrecht werden gewährleistet. Inhalt und Schranken werden durch die Gesetze bestimmt.

(2) Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.

(3) Eine Enteignung ist nur zum Wohle der Allgemeinheit zulässig. Sie darf nur durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes erfolgen, das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt. Die Entschädigung ist unter gerechter Abwägung der Interessen der Allgemeinheit und der Beteiligten zu bestimmen. Wegen der Höhe der Entschädigung steht im Streitfalle der Rechtsweg vor den ordentlichen Gerichten offen.

Gründe

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof München

2 B 15.1431

Im Namen des Volkes

Urteil

vom 29. Oktober 2015

(VG München, Entscheidung vom 11. November 2013, Az.: M 8 K 12.3084)

2. Senat

H.-Z. als stellvertretende Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle

Sachgebietsschlüssel: 920

Hauptpunkte: Baugenehmigung, Prüfungsumfang, Abstandsflächen, Abweichung

Rechtsquellen:

Leitsätze:

In der Verwaltungsstreitsache

...

gegen

Landeshauptstadt München,

vertreten durch den Oberbürgermeister, Lokalbaukommission, Blumenstr. 19, München,

- Beklagte -

beigeladen:

1. ...,

vertreten durch den Geschäftsführer, ...

2. ...

bevollmächtigt zu 1 und 2: Rechtsanwälte ...

beteiligt:

Landesanwaltschaft Bayern als Vertreter des öffentlichen Interesses, Ludwigstr. 23, München,

wegen Baugenehmigung ..., Fl. Nr. 17139 Gemarkung ...

hier: Berufung der Beigeladenen gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 11. November 2013,

erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 2. Senat, durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgerichtshof Dösing, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Bauer, die Richterin am Verwaltungsgerichtshof Winkler aufgrund mündlicher Verhandlung vom 15. Oktober 2015 folgendes Urteil:

I.

Unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts München vom 11. November 2013 wird die Klage abgewiesen.

II.

Die Kläger tragen als Gesamtschuldner die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

III.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Kläger dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

IV.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Kläger wenden sich gegen eine der Beigeladenen zu 1 erteilte Baugenehmigung, mit der unter anderem die Errichtung eines dreigeschossigen Wohngebäudes im rückwärtigen Bereich des Grundstücks Fl. Nr. 17139 der Gemarkung M. zugelassen wurde. Dort befindet sich bislang ein Garagengebäude mit einer Länge von ca. 18 m, das zu den Grundstücken Fl. Nrn. 17159 und 17158 grenzständig errichtet wurde.

Das Nachbargrundstück Fl. Nr. 17157 steht im Eigentum einer Gemeinschaft nach dem Wohnungseigentumsgesetz. Die Kläger sind Sondereigentümer mehrerer Wohneinheiten im fünfgeschossigen Vordergebäude sowie Teileigentümer einer Gewerbeeinheit für den Betrieb einer Bäckerei mit Ladengeschäft. Die für den Betrieb genutzten Räume befinden sich im Erdgeschoss des Vordergebäudes sowie in im rückwärtigen Bereich gelegenen eingeschossigen Anbauten, die teilweise zum Vorhabensgrundstück hin grenzständig stehen.

Das Grundstück Fl. Nr. 17159, das im rückwärtigen Bereich bedingt durch einen unregelmäßigen Grenzverlauf auch eine gemeinsame Grenze auf einer Länge von ca. 11 m im Bereich der Garagen mit dem Vorhabensgrundstück aufweist, steht im Miteigentum der Kläger. Das Vordergebäude auf dem Grundstück ist dreigeschossig, während die rückwärtige Bebauung ein- und zweigeschossig errichtet wurde. Die Gebäude werden zum Teil zu Wohnzwecken und zum Teil für den Betrieb der Konditorei genutzt.

1. Mit Bescheid vom 8. Juni 2012 genehmigte die Beklagte der Beigeladenen zu 1 eine Sanierung des Anwesens und die Errichtung eines dreigeschossigen Rückgebäudes. Es wurden Abweichungen hinsichtlich der Einhaltung der Abstandsflächen zugelassen, unter anderem im Hinblick darauf, dass sich die Abstandsflächen von Vorder- und Rückgebäude überdecken.

Das Rückgebäude soll grenzständig zu den Grundstücken Fl. Nrn. 17157, 17158 und 17159 unter Abbruch des vorhandenen Garagengebäudes errichtet werden, weist jedoch größere Gebäudetiefen von ca. 15 m im Westen und ca. 8 m im Osten auf. Die unterschiedlichen Tiefen ergeben sich aus einer Verschwenkung der Gebäudefronten nach Süden hin.

Mit Bescheid vom 12. Oktober 2012 genehmigte die Beklagte der Beigeladenen zu 1 eine Änderung, die die Schaffung von zwei Wohneinheiten im Rückgebäude zum Gegenstand hat. Eine Änderung der Kubatur des Gebäudes gegenüber der bisherigen Planung ist im grenzständigen Bereich nicht vorgesehen.

Hinsichtlich der Baugenehmigung vom 8. Juni 2012 wurde mit Schreiben vom 25. Oktober 2012 ein Bauherrenwechsel auf den Beigeladenen zu 2 angezeigt.

Auf die Anfechtungsklage der Kläger hin hob das Verwaltungsgericht München mit Urteil vom 11. November 2013 die Baugenehmigung vom 8. Juni 2012 in der Fassung des Änderungsbescheids vom 12. Oktober 2012 insoweit auf, als mit ihr die Errichtung eines Wohngebäudes im rückwärtigen Grundstücksbereich genehmigt wurde. Die Baugenehmigung sei rechtswidrig und die Kläger könnten deren Aufhebung beanspruchen, weil die Genehmigung zu ihren Lasten gegen die im Verfahren zu prüfenden nachbarschützenden Vorschriften des Abstandsflächenrechts verstoße, soweit mit ihr nach Norden hin eine Grenzbebauung zugelassen werde.

2. Zur Begründung ihrer vom Senat zugelassenen Berufung machen die Beigeladenen geltend, das Verwaltungsgericht gehe zu Unrecht davon aus, dass das Abstandsflächenrecht vorliegend in vollem Umfang und bezüglich sämtlicher Außenwände des strittigen Rückgebäudes vom Regelungsgehalt der angefochtenen Bescheide umfasst sei. Tatsächlich beschränke sich der abstandsflächenrechtliche Regelungsgehalt der Baugenehmigungsbescheide hinsichtlich des Rückgebäudes auf die Überschneidung der Abstandsflächen von Vorder- und Rückgebäude. Die Ermessenserwägungen sowie die Prüfung der übrigen Voraussetzungen für die Erteilung der beantragten Abweichungen bedürften keiner Prüfung der abstandsflächenrechtlichen Situation vor den anderen Gebäudeseiten. Durch die in Richtung Süden erteilten Abweichungen würden Nachbarbelange der Kläger nicht berührt. Dass mit der Abstandsflächenverkürzung in Richtung Süden gerade die Voraussetzungen für die Situierung des Rückgebäudes geschaffen worden seien, sei unzutreffend. Mit dem Grenzabstand zu den Grundstücken der Kläger habe die erteilte Abweichung nichts zu tun. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus der Behandlung des Art. 6 Abs. 1 Satz 3 BayBO im Rahmen der Baugenehmigungsbescheide.

Es könne zwar sein, dass im Einzelfall die Rechtmäßigkeit einer abstandsflächenrechtlichen Abweichung für eine Gebäudeaußenwand auch von der Situation vor den übrigen Außenwänden abhängen kann. Dies wäre beispielsweise dann anzunehmen, wenn die Frage nach dem Verhältnis abstandsflächenrechtlicher Abweichungen einerseits und der gegebenenfalls zweimaligen Anwendung des 16-m-Privilegs nach Art. 6 Abs. 6 Satz 1 BayBO andererseits im Raum stehe. Im vorliegenden Fall stehe die erteilte Abweichung von den abstandsflächenrechtlichen Vorgaben jedoch in keinerlei Zusammenhang mit der abstandsflächenrechtlichen Beurteilung der übrigen Außenwände. Auch auf der Ebene der Ermessensausübung für die Erteilung der beantragten Abweichung für die südliche Außenwand des strittigen Rückgebäudes spiele die Situation vor den übrigen Außenwänden nicht die geringste Rolle. Der vermeintliche Verstoß gegen Art. 6 Abs. 1 Satz 3 BayBO sei daher für die Rechtmäßigkeit der angegriffenen Baugenehmigungen nicht entscheidend.

Im Übrigen lägen die Voraussetzungen für einen zulässigen Grenzanbau nach Art. 6 Abs. 1 Satz 3 BayBO vor. Diese Privilegierung greife nicht nur dann, wenn das zu beurteilende Vorhaben im abstandsflächenrelevanten Bereich unter allen planungsrechtlichen Gesichtspunkten zulässig sei. Art. 6 Abs. 1 Satz 3 BayBO räume dem Städtebaurecht vielmehr nur den Vorrang ein, soweit es die Errichtung von Gebäuden ohne Grenzabstand regele. Zu den in diesem Rahmen zu prüfenden bauplanungsrechtlichen Vorgaben gehörten daher ausschließlich solche, die unmittelbar an die Zulässigkeit oder Unzulässigkeit eines Anbaus an die Grundstücksgrenze anknüpften. Die Prüfung sämtlicher bauplanungsrechtlicher Vorgaben scheide im Rahmen des Art. 6 Abs. 1 Satz 3 BayBO dagegen aus.

Art. 6 Abs. 1 Satz 3 BayBO bezwecke die Sicherstellung, dass dem Vorrang des Bauplanungsrechts vor dem Bauordnungsrecht auch im Bereich des Abstandsflächenrechts Rechnung getragen werde. Aus diesem Grund könne er sich nur auf solche bauplanungsrechtlichen Vorgaben beziehen, die spezifisch die Gestattung oder die Verpflichtung zum Grenzanbau vorsehen. Andernfalls hätte der klagende Nachbar über die drittschützende Vorschrift des Art. 6 Abs. 1 Satz 3 BayBO die Möglichkeit, sich auf einen Verstoß gegen sämtliche Vorgaben des Bauplanungsrechts zu berufen. Hierzu gehörten dann auch solche Vorgaben, die ihrerseits nicht drittschützend seien, sondern ausschließlich städtebaulichen Zwecken dienten. So würde in Fällen einer durch Bebauungsplan festgesetzten Bebauungstiefe, der nach dem planerischen Willen der planenden Gemeinde kein Drittschutz zukommen soll, gerade dieser Bebauungstiefe Drittschutz verliehen. Dagegen rechtfertige im Fall der Bauweise gerade der Umstand, dass es sich beim Kriterium der Bauweise um eine spezifisch den Grenzanbau regelnde Materie handle, die Berücksichtigung im Rahmen des Art. 6 Abs. 1 Satz 3 BayBO. Die von Seiten des Verwaltungsgerichts vertretene Ansicht weise vor dem Hintergrund des Systems des öffentlich-rechtlichen Nachbarschutzes Wertungswidersprüche auf. Sie erweitere die nachbarliche Rechtsstellung in systemwidriger Weise.

Falls die Bebauungstiefe als Teil des bauplanungsrechtlichen Kriteriums der überbaubaren Grundstücksfläche keine bauplanungsrechtliche Vorgabe sei, die Drittschutz vermittelt und/oder spezifisch und unmittelbar an die Zulässigkeit oder Unzulässigkeit eines Anbaus an die Grundstücksgrenze anknüpft, könnten sich die Kläger auf eine vermeintliche Überschreitung einer faktisch vorhandenen Bebauungstiefe nicht berufen. Bei der Beurteilung der Frage, ob sich ein Bauvorhaben im Innenbereich hinsichtlich der Grundstücksfläche die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt, komme es auf die Grundstücksgrenzen gerade nicht an. Drittschutz entfalte eine Bebauungstiefe regelmäßig ebenfalls nicht. Im Ergebnis sei die Bebauungstiefe daher kein bauplanungsrechtliches Kriterium, das im Rahmen des Art. 6 Abs. 1 Satz 3 BayBO zu prüfen wäre. Ein vermeintlicher Verstoß gegen eine vorliegend bestehende faktische Bebauungstiefe, könne daher dem streitgegenständlichen Vorhaben nicht entgegengehalten werden. Richtig sei es vielmehr, allein auf die Bauweise abzustellen.

Ebenso wenig führe die abstandsflächenrechtliche Situation in Bezug auf das Grundstück Fl. Nr. 17157 zur Rechtswidrigkeit der angegriffenen Baugenehmigungen. Auch diese westliche Abstandsflächensituation sei nicht von der Feststellungswirkung der Baugenehmigungen umfasst. Zudem könnten sich die Antragsteller als Sondereigentümer einiger Wohnungen nur insoweit auf einen Abstandsflächenverstoß berufen, als ihr Sondereigentum betroffen sei. Ferner verstoße das Gebäude S.-straße 27 selbst in Ansehung seiner Geschossigkeit in erheblichem Umfang gegen abstandsflächenrechtliche Vorgaben, so dass sich die Kläger insoweit nach Treu und Glauben nicht auf einen vermeintlichen Abstandsflächenverstoß des geplanten Rückgebäudes berufen könnten.

Anhaltspunkte für eine Rücksichtslosigkeit des geplanten Rückgebäudes bestünden nicht. Unzumutbare Auswirkungen im Hinblick auf die Belichtung der Wohnungen des Anwesens S.-straße 27 seien nicht zu besorgen. Soweit sich die Kläger auf unzumutbare Einwirkungen durch Lärm und Geruch beriefen, sei der Vortrag unsubstantiiert. Zudem seien die Räumlichkeiten des Rückgebäudes und gerade die Fenster ausschließlich in Richtung Süden geplant, also von der Bäckerei der Kläger weg ausgerichtet. Nach dem Vortrag der Kläger seien die maßgeblichen Geräuschquellen auch erst ab 6.00 Uhr morgens zu besorgen, so dass diese nur in den Tageszeitraum fielen.

Die Beigeladenen beantragen:

1. Das Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 11. November 2013 wird aufgehoben.

2. Die Klage wird abgewiesen.

3. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.

Die Kläger beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Zu Unrecht seien die Beigeladenen der Auffassung, dass bei Erteilung einer Abweichung von den Abstandsflächen im Sinn von Art. 59 BayBO nur die konkreten Abstandsflächen, von denen abgewichen wird, Gegenstand der behördlichen Prüfung seien. Art. 59 BayBO erweitere jedoch den Prüfungsumfang der Baubehörde auf beantragte Abweichungen im Sinn von Art. 63 Abs. 1 und 2 Satz 2 BayBO. Damit bringe das Gesetz zum Ausdruck, dass der Prüfungsumfang durch die beantragte Abweichung bestimmt werde, d. h. alle im Abweichungsverfahren zu beachtende Gesichtspunkte Gegenstand der Prüfung seien. Die Beurteilung, ob eine Abweichung von den Abstandsflächen gewährt werden könne, erfordere eine Gesamtbeurteilung der abstandsflächenrechtlichen Situation in Bezug auf die Mindestabstandsflächen gemäß Art. 6 Abs. 5 Satz 1 BayBO.

Zu Unrecht behaupteten die Beigeladenen, dass hier das streitgegenständliche Bauvorhaben im abstandsrelevanten Bereich unter planungsrechtlichen Gesichtspunkten zulässig sei. Allein das Vorhandensein grenzständiger Gebäude sei planungsrechtlich nicht ausreichend für die Beurteilung, ob hier - auch in Bezug auf das streitgegenständliche Bauvorhaben - auf die Beachtung von Abstandsflächen verzichtet werden könne. Art. 6 Abs. 1 Satz 3 BayBO beschränke den Prüfungsumfang der hier relevanten planungsrechtlichen Vorschriften nicht auf diejenigen, welche im Zusammenhang einer etwaigen zulässigen Grenzbebauung stünden.

Das Maß der baulichen Nutzung bestimme sich durch eine Vielzahl von möglichen planungsrechtlichen Vorgaben. Insbesondere könne durch Baulinien der Anbau an die Grundstücksgrenze gefordert werden. Eine im inneren Bauquartier nachvollziehbare Baulinie sei jedoch nicht zu erkennen. Ferner könne durch Bauräume, die über Grundstücksgrenzen hinweg gehen, im Zusammenhang mit der Festsetzung von geschlossener oder halb offener Bauweise, eine planungsrechtliche Vorgabe für eine grenzständige Bebauung gegeben werden. Die vorhandene städtebauliche Struktur gebe dies offensichtlich für die straßenbegleitende Bebauung als Blockrandbebauung vor, jedoch nicht im Blockinneren.

Fänden sich die vorgenannten Kriterien hier nicht, so sei zu fragen, ob durch entsprechende sonstige planungsrechtliche Vorgaben städtebaulich veranlasste grenzständige Bebauungen im Blockinneren zulässig sein sollen. Nachvollziehbar habe das Erstgericht das Bauquartier städtebaulich durch rückwärtige Baulinien bzw. Bebauungstiefen konkretisiert. Insofern werde ein städtebauliches Element zur Anwendung gebracht, welches planungsrechtlich auch im Zusammenhang mit einer etwaigen grenzständigen Bebauung stehe. Es werde deshalb bestritten, dass hier die Frage der Bebauungstiefe keine planungsrechtliche Vorschrift sei, wonach beurteilt werden könne, ob an die Grenze gebaut werden müsse oder gebaut werden dürfe.

Hinsichtlich des Gebots der Rücksichtnahme führen die Kläger aus, dass an der Grundstücksgrenze ein 8,13 m hoher und ca. 15 m langer Baukörper geplant sei, der das Terrassen-Niveau des klägerischen Anwesens um 4,05 m überrage. Werde als Maßstab zulässiger Grenzbebauung Art. 6 Abs. 9 BayBO heranzogen, so werde das Höhenmaß um 1,05 m und das Längenmaß um 6 m überschritten. Insofern besitze das Bauvorhaben in Bezug auf das klägerische Grundstück, hier in Bezug auf die Terrassennutzung, erdrückende Wirkung. Hinzu komme, dass durch die Grenzbebauung der Betrieb des Sohnes der Kläger eine erhebliche Einschränkung erfahren werde. Im erdgeschossigen Anbau auf dem klägerischen Grundstück befinde sich eine Backstube mit entsprechenden Abluftanlagen über der darüber befindlichen Terrasse. Aufgrund der unmittelbaren Nähe sei daher mit Geruchsbelästigungen in Bezug auf die Bewohner des streitgegenständlichen Neubaus zu rechnen.

Die Landesanwaltschaft Bayern als Vertreter des öffentlichen Interesses vertritt die Auffassung, dass zum notwendigen Prüfprogramm des Art. 59 Satz 1 Nr. 2 BayBO nur die tatsächlich beantragten Abweichungen zählen. Voraussetzung für die ordnungsgemäße Ermessensausübung hierbei sei aber die vollständige Ermittlung des entscheidungserheblichen Sachverhalts und dessen Einstellung in die Ermessenserwägungen. Im Rahmen von Abweichungen im Abstandsflächenrecht dürfe dabei nicht nur die nachbarliche Beziehung betrachtet werden, sondern die Bauaufsichtsbehörde müsse sich ein Gesamtbild der von dem Vorhaben in Anspruch genommenen Abweichungen gemacht haben. Auch die Ermessenserwägungen könnten sich aber nur auf die beantragte Abweichung beziehen, so dass nicht alle öffentlich-rechtlich geschützten nachbarlichen Interessen berücksichtigt, sondern vielmehr die Belange gewürdigt werden, die von der Vorschrift, von der abgewichen werden soll, geschützt werden. Abgewichen werde vorliegend nur von der Einhaltung der Abstandsflächen der südlichen Gebäudewand des Rückgebäudes, so dass sich die Betrachtung hierauf beschränke.

In Art. 6 Abs. 1 Satz 3 BayBO komme der planungsrechtliche Vorbehalt, unter dem das Abstandsflächenrecht stehe, zum Ausdruck. Das Planungsrecht genieße den Vorrang vor den abstandsflächenrechtlichen Vorschriften, wenn nach Planungsrecht an die Grenze gebaut werden müsse oder dürfe. Dieser planungsrechtliche Vorbehalt könne aber nur den Vorhaben eingeräumt werden, die auch dem Planungsrecht entsprechen. Die planungsrechtliche Privilegierung solle demnach nur ein Vorhaben in Anspruch nehmen können, das danach auch insgesamt zulässig sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Behördenakten sowie die Niederschriften über die Einnahme eines Augenscheins vom 25. August 2015 und die mündliche Verhandlung vom 15. Oktober 2015 verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung (§ 124 Abs. 1 VwGO) der Beigeladenen ist begründet. Die angefochtene Baugenehmigung vom 8. Juni 2012 in der Fassung der Änderungsgenehmigung vom 12. Oktober 2012, soweit mit ihr die Errichtung eines Rückgebäudes zugelassen wird, verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts vom 11. November 2013 ist somit die Klage abzuweisen.

1. Die Kläger sind als Miteigentümer des Nachbargrundstücks Fl. Nr. 17159 gemäß § 42 Abs. 2 VwGO klagebefugt. Hinsichtlich des Grundstücks Fl. Nr. 17157 sind sie als Sondereigentümer insoweit klagebefugt, als die Baugenehmigung vom 8. Juni 2012 in der Fassung vom 12. Oktober 2012 ihre Rechte aus dem Sondereigentum verletzen kann. Dies ist dann der Fall, wenn das bauplanungsrechtliche Rücksichtnahmegebot unmittelbar das Sondereigentum betrifft (vgl. BayVGH, U. v. 12.7.2012 - 2 B 12.1211 - BayVBl 2013, 51). Die Kläger sind insoweit betroffen, als sie die Sondereigentümer einer Wohneinheit im fünfgeschossigen Vordergebäude sind, die eine Terrasse zum Bauvorhaben hin aufweist. Ferner sind sie als Teileigentümer der Gewerbeeinheit für den Betrieb einer Bäckerei mit Ladengeschäft klagebefugt, soweit das bauplanungsrechtliche Rücksichtnahmegebot inmitten steht.

2. Die Anfechtungsklage der Kläger ist jedoch nicht begründet. Soweit der Prüfungsumfang des Art. 59 BayBO reicht, verletzt die Baugenehmigung vom 8. Juni 2012 in der Fassung des Änderungsbescheids vom 12. Oktober 2012 hinsichtlich des strittigen Rückgebäudes die Kläger nicht in ihren Rechten. Nachbarschützende Vorschriften des Abstandsflächenrechts sind insoweit nicht zu ihren Lasten betroffen. Ebenso wenig wird das bauplanungsrechtliche Rücksichtnahmegebot verletzt.

2.1. Im vorliegenden Fall wurde ein vereinfachtes Genehmigungsverfahren nach Art. 59 BayBO durchgeführt. In dessen Rahmen sind neben den bauplanungsrechtlichen Vorschriften die Anforderungen des Abstandsflächenrechts nur zu prüfen, soweit Abweichungen nach Art. 59 Satz 1 Nr. 2 BayBO beantragt wurden.

Hier wurden hinsichtlich des allein noch strittigen Rückgebäudes im Baugenehmigungsbescheid vom 8. Juni 2012 Abweichungen im Sinn von Art. 63 Abs. 1 Satz 1 BayBO nur bezüglich des Verhältnisses zum Vordergebäude auf dem Baugrundstück und bezüglich gegenüberliegender Gebäudeteile des Rückgebäudes auf dem Baugrundstück beantragt und erteilt. Sonstige Abweichungen nach Art. 63 Abs. 2 Satz 1 BayBO wurden im Hinblick auf das Rückgebäude nicht erteilt. Die das Vordergebäude betreffenden Abweichungsentscheidungen im Baugenehmigungsbescheid vom 8. Juni 2012 haben Bestandskraft erlangt. Die Frage nach der abstandsflächenrechtlichen Situation des Vordergebäudes stellt sich damit hier nicht mehr.

Die vorliegend hinsichtlich des geplanten Rückgebäudes erteilten Abweichungen betreffen nicht die nachbarliche Situation zum Grundstück der Kläger bzw. zu ihrem Sonder- oder Teileigentum hin. Eine Nachbarrechtsverletzung ist mithin insoweit auszuschließen. Ob die Beigeladenen zu Unrecht weitere Abweichungen hinsichtlich der Pflicht zur Freihaltung von Abstandsflächen nicht beantragt haben, kann hier dahinstehen. Denn zum Prüfprogramm im Sinn von Art. 59 Satz 1 Nr. 2 BayBO gehören ausschließlich vom Bauherrn tatsächlich beantragte Abweichungen. Eine Pflicht des Bauherrn, bauordnungsrechtliche Abweichungen zu beantragen, kann aus dieser Vorschrift nicht hergeleitet werden (vgl. Molodovsky in Molodovsky/Famers/Kraus, Bayerische Bauordnung, Stand: 1.8.2015, Art. 59 Rn. 15a). Auch die Sätze 1 und 2 des Art. 63 Abs. 2 BayBO betreffen lediglich das Wie und nicht das Ob eines Abweichungsantrags (vgl. Molodovsky a. a. O., Art. 63 Rn. 53). Bei einer anderen Handhabung des Zusammenspiels von Art. 59 Satz 1 Nr. 2 BayBO und Art. 63 Abs. 2 BayBO würde die Beschränkung des Prüfungsmaßstabs aus Art. 59 BayBO aufgegeben werden (vgl. Shirvani in Simon/Busse, Bayerische Bauordnung, Stand: 1.2.2015, Art. 65 Rn. 178). Stellt der Bauherr daher keinen entsprechenden Antrag, bleibt nicht nur das Prüfprogramm entsprechend beschränkt, sondern auch der Regelungsinhalt der Baugenehmigung und damit der Nutzen der Baugenehmigung für den Bauherrn sind beschränkt (vgl. Molodovsky a. a. O. Art. 59 Rn. 15a). Die Bauaufsichtsbehörde kann jedoch, falls sie im Zug des Genehmigungsverfahrens beiläufig die fehlende Vereinbarkeit des Bauvorhabens mit bauordnungsrechtlichen Anforderungen feststellt, nach Art. 68 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 BayBO vorgehen. Auf ein solches Tätigwerden der Bauaufsichtsbehörde haben die betroffenen Nachbarn aber keinen Anspruch (vgl. BayVGH, B. v. 28.9.2010 - 2 CS 10.1760 - BayVBl 2011, 147).

Angesichts dessen sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass im vorliegenden Fall die Abstandsflächen vollumfänglich zum Prüfprogramm gehören könnten. Die Vollprüfung der abstandsflächenrechtlichen Anforderungen würde vielmehr dem gesetzgeberischen Willen zur Einschränkung des Prüfungsumfangs zuwiderlaufen (vgl. hierzu bereits BayVGH, U. v. 19.1.2009 - 2 BV 08.2567 - BayVBl 2009, 507; U. v. 1.7.2009 - 2 BV 08.2465 - BayVBl 2009, 727). Der Gesetzgeber geht eindeutig davon aus, dass gemäß Art. 59 Satz 1 Nr. 2 BayBO nur Abweichungen im Sinn des Art. 63 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 2 BayBO zu prüfen sind, die vom Bauherrn ausdrücklich beantragt wurden (vgl. Schwarzer/König, Bayerische Bauordnung, 4. Auflage 2012, Art. 59 Rn. 9 f.; Molodovsky a. a. O., Art. 59 Rn. 15; Jäde in Jäde/Dirnberger/Bauer/Weiß, Die neue Bayerische Bauordnung, Stand: 1.2.2015, Art. 59 Rn. 36). Diese sind gesondert für jede Außenwand zu beantragen, zu prüfen und gegebenenfalls zu erteilen (vgl. BayVGH, B. v. 17.4.2000 - Gr.S. 1/1999 - 14 B 97.2901 - VGH n. F. 53, 89/92). Ebenso kann jede Verkürzung einer Abstandsflächentiefe nur den Nachbarn in seinen Rechten verletzen, dessen Grundstück der betreffenden Außenwand gegenüberliegt (vgl. BayVGH, B. v. 17.4.2000 - a. a. O., S. 95 f.; Schwarzer/König a. a. O., Art. 6 Rn. 110). Ebenso wenig kann aber ein betroffener Nachbar verlangen, dass Abweichungen in Bezug auf die Abstandsflächentiefe geprüft werden, die nicht im Sinn von Art. 59 Satz 1 Nr. 2 i. V. m. Art. 63 Abs. 2 Satz 2 BayBO beantragt worden sind.

Entgegen der Auffassung der Kläger kann auch nichts Gegenteiliges aus der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs zum sogenannten 16-m-Privileg (Art. 6 Abs. 6 Satz 1 BayBO) gefolgert werden. Hierbei handelt es sich um eine unmittelbar kraft Gesetzes geltende Abweichung, die eigenen Regeln folgt (vgl. König, Baurecht Bayern, 5. Auflage 2015, Rn. 708). Daraus folgt bei der Inanspruchnahme dieses Privilegs, dass an den übrigen Gebäudeseiten dann 1 H eingehalten werden muss und davon keine Abweichung erteilt werden kann. Bereits dem Regelungssystem des Art. 6 Abs. 6 BayBO kann dabei entnommen werden, dass in diesen Fällen keine Abweichung erteilt werden darf. Denn die Vorschrift baut darauf auf, dass die Abstandsfläche auf zwei Seiten auf 0,5 H verkürzt werden kann, und geht davon aus, dass für die übrigen Gebäude Außenwände 1 H einzuhalten ist (vgl. BayVGH, B. v. 17.4.2000 a. a. O. S. 90 f). Die Einhaltung von 1 H ist danach Voraussetzung für die Anwendbarkeit der Vorschrift. Ermessenserwägungen wie bei der Erteilung einer Abweichung nach Art. 63 BayBO sind hier nicht anzustellen. Die Frage des 16-m-Privilegs stellt sich vorliegend ohnehin nicht.

Aus der Tatsache, dass die Bauaufsichtsbehörde bei der Erteilung einer Abweichung gemäß Art. 63 Abs. 1 Satz 1 BayBO eine Ermessensentscheidung zu treffen hat, ergibt sich vorliegend ebenso wenig anderes. Es handelt sich um ein tatbestandlich intendiertes Ermessen. Sind die tatbestandlichen Voraussetzungen gegeben, so ist die Abweichung in der Regel zuzulassen, es sei denn, es lägen ausnahmsweise dem entgegenstehende besondere Umstände vor (vgl. Jäde a. a. O., Art. 63 Rn. 12 m. w. N.). Voraussetzung für eine ordnungsgemäße Ermessensausübung ist aber eine vollständige Ermittlung des entscheidungserheblichen Sachverhalts und dessen Einstellung in die Ermessenserwägungen (vgl. Jäde a. a. O., Art. 63 Rn. 18; Molodovsky a. a. O., Art. 63 Rn. 41). Bei Abweichungen von den Abstandsflächenanforderungen muss sich die Bauaufsichtsbehörde auch ein Gesamtbild der von dem Vorhaben in Anspruch genommenen Abweichungen gemacht haben (vgl. Jäde a. a. O. Art. 63 Rn. 19). Hierbei kann es sich jedoch nur um beantragte und erteilte Abweichungen im Sinn von Art. 63 Abs. 2 Satz 2 BayBO handeln. Der Nachbar kann die Nichteinhaltung der Abstandsflächen zu seinem Grundstück hin nur rügen, soweit eine Abweichung erteilt wurde (vgl. BayVGH, B. v. 28.9.2010 - 2 CS 10.1760 - BayVBl 2011, 147/148). Soweit vorliegend eine Abweichung nicht beantragt und erteilt wurde, scheidet somit eine Prüfung des Abstandsflächenrechts aus. Eine solche Prüfung ist auch nicht im Hinblick auf Art. 65 Abs. 2 BayBO geboten. Der vereinzelt gebliebenen und von der Rechtsprechung nicht aufgegriffenen Literaturmeinung (Koehl, BayVBl 2009, 645), die von einer nachbarschützenden Wirkung der allein den Bauherrn betreffenden, reinen Verfahrensvorschriften des Art. 65 Abs. 2 BayBO ausgeht, ist nicht zu folgen (vgl. BayVGH, B. v. 17.8.2015 - 2 ZB 13.2522 - juris). Vielmehr ergeben sich Verpflichtungen Dritten gegenüber hieraus auch dann nicht, wenn die Vorschrift von der das Vorhaben abweicht, Rechte Dritter schützt (vgl. Schwarzer/König a. a. O., Art. 65 Rn. 20; Jäde a. a. O., Art. 65 Rn. 49b).

Nach allem ist festzuhalten, dass die Bauaufsichtsbehörde im Rahmen ihrer Ermessensentscheidung in Bezug auf eine konkret beantragte Abweichung von den Abstandsflächenvorschriften allenfalls in den Blick zu nehmen hat, welche sonstigen Abweichungen von den Anforderungen des Abstandsflächenrechts in Richtung auf das betreffende Nachbargrundstück außerdem beantragt und erteilt wurden. Dies ist vorliegend in der Baugenehmigung vom 8. Juni 2012 weder in Bezug auf das Grundstück Fl. Nr. 17157 noch in Bezug auf das Grundstück Fl. Nr. 17159 geschehen. Weder für das hier nur noch strittige geplante Rückgebäude auf dem Grundstück Fl. Nr. 17139 noch für das dortige Vordergebäude, hinsichtlich dessen die Baugenehmigung inzwischen bestandskräftig ist, sind solche Abweichungen zulasten des Grundstücks bzw. des Sonder- oder Teileigentums der Kläger beantragt und erteilt worden. Mithin sind außer den lediglich das Baugrundstück betreffenden Abweichungen von den Abstandsflächenvorschriften für das Verhältnis zwischen Rückgebäude und Vordergebäude sowie für das Verhältnis zwischen gegenüberliegenden Gebäudeteilen des Rückgebäudes keine weiteren Abstandsflächen zu prüfen bzw. von der Bauaufsichtsbehörde bei ihrer Ermessensentscheidung in den Blick zu nehmen gewesen. Die Frage eines zulässigen Grenzanbaus durch das Gebäude im Sinn von Art. 6 Abs. 1 Satz 3 BayBO wurde somit nicht vom Prüfungsumfang der Bauaufsichtsbehörde nach Art. 59 BayBO erfasst. Die Ausführungen der Beklagten im Bescheid vom 8. Juni 2012 nehmen deshalb nicht an der Feststellungswirkung der Baugenehmigung teil (vgl. BayVGH, B. v. 12.12.2013 - 2 ZB 12.1513 - juris).

2.2. Durch das Bauvorhaben wird auch das Rücksichtnahmegebot aus § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB nicht verletzt. Das strittige Rückgebäude hat - soweit die Kläger dies rügen können - keine erdrückende Wirkung gegenüber der Bebauung auf dem Grundstück Fl. Nr. 17157. Es wird zwar ein ca. 15 m langer Baukörper entstehen, der das Terrassenniveau des betroffenen Nachbargrundstücks um rund 4 m überragen wird. Die genannte Terrasse hat jedoch sogar an der schmalsten Stelle eine Breite von rund 7 m. Das strittige gebaute Bauvorhaben ist im Osten des Grundstücks Fl. Nr. 17157 situiert, so dass insbesondere die vormittägliche Sonneneinstrahlung etwas behindert wird. Unbestritten ist jedoch ein Lichteinfallswinkel von 45 Grad nicht nur in Bezug auf die Fenster im ersten Obergeschoß des Nachbargebäudes, sondern sogar zu einem gewissen Teil in Bezug auf die Dachterrasse in ihrem schmalsten Bereich eingehalten. Eine einmauernde Wirkung der geplanten Bebauung gegenüber der in Höhe des ersten Obergeschosses befindlichen Terrasse am Anwesen der Kläger ist damit nicht zu erkennen.

Im Ergebnis kann daher dahinstehen, ob die Beklagte bei Erteilung der Baugenehmigung vom 8. Juni 2012 die Terrassennutzung auf dem Grundstück Fl. Nr. 17157 überhaupt berücksichtigen musste. Nach dem Vortrag der Beigeladenen ist die Terrassennutzung erst im Jahr 2014 genehmigt worden, wobei ein Grenzabstand zum Grundstück der Beigeladenen von 3 m eingehalten werden müsse.

Hinsichtlich möglicher Lärmbelastungen durch die Bäckerei und Konditorei haben die Kläger nichts von Substanz vorgetragen. Der Lieferverkehr soll in den Morgenstunden erst ab 6.00 Uhr stattfinden (vgl. BayVGH, B. v. 19.6.2013 - 2 CS 13.845). Auch beim vormittäglichen Ortstermin durch den Senat konnten keine Lärmbelastungen festgestellt werden. Nachdem das geplante Rückgebäude weder zum Grundstück Fl. Nr. 17157 noch zum Grundstück Fl. Nr. 17159 Fenster aufweisen wird, ist nicht zu erkennen, dass hier unzumutbare Lärmbelastungen auftreten könnten.

Bezüglich der ferner von Klägerseite angeführten möglichen Geruchsbelästigungen für die Bewohner des strittigen Neubaus auf dem Grundstück Fl. Nr. 17139 hat die Beklagte schon im Baugenehmigungsbescheid vom 8. Juni 2012 ausgeführt, dass bereits der bauliche Bestand im Quartier von der direkten Nachbarschaft zwischen Wohnnutzung und der Bäckerei als gewerblicher Nutzung geprägt sei. Hier seien gravierende Konflikte aus der bestehenden Nutzungsmischung heraus nicht bekannt. Mit der Neuerrichtung des Rückgebäudes und der dort geplanten Wohnnutzung rücke diese zwar näher an die gewerbliche Nutzung heran, aber nicht in einer Weise, die den Bestand der Bäckerei unter Berücksichtigung der vorhandenen Nutzungsmischung beeinträchtigen oder gefährden könnte. Dem sind die Kläger nicht substantiiert entgegengetreten. Vielmehr ist auch hier zu berücksichtigen, dass das geplante Rückgebäude keine Fensteröffnungen zur Bäckerei und Konditorei hin aufweisen wird. Auch beim vormittäglichen Ortstermin des Senats konnten insoweit keine Geruchsbelästigungen festgestellt werden. Es kann somit dahinstehen, ob Gerüche aus einer Bäckerei oder Konditorei überhaupt als unzumutbar für die umgebende Wohnnachbarschaft eingestuft werden könnten.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1, § 159 Satz 2 VwGO, § 162 Abs. 3 VwGO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. ZPO.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor.

Rechtsmittelbelehrung

Nach § 133 VwGO kann die Nichtzulassung der Revision durch Beschwerde zum Bundesverwaltungsgericht in Leipzig angefochten werden. Die Beschwerde ist beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof (in München Hausanschrift: Ludwigstraße 23, 80539 München; Postfachanschrift: Postfach 34 01 48, 80098 München; in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach) innerhalb eines Monats nach Zustellung dieser Entscheidung einzulegen und innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieser Entscheidung zu begründen. Die Beschwerde muss die angefochtene Entscheidung bezeichnen. In der Beschwerdebegründung muss die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts, von der die Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs abweicht, oder der Verfahrensmangel bezeichnet werden.

Vor dem Bundesverwaltungsgericht müssen sich die Beteiligten, außer in Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht eingeleitet wird. Als Prozessbevollmächtigte zugelassen sind neben Rechtsanwälten und Rechtslehrern an den in § 67 Abs. 2 Satz 1 VwGO genannten Hochschulen mit Befähigung zum Richteramt nur die in § 67 Abs. 4 Satz 4 VwGO und in §§ 3, 5 RDGEG bezeichneten Personen. Für die in § 67 Abs. 4 Satz 5 VwGO genannten Angelegenheiten (u. a. Verfahren mit Bezügen zu Dienst- und Arbeitsverhältnissen) sind auch die dort bezeichneten Organisationen und juristischen Personen als Bevollmächtigte zugelassen. Sie müssen in Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht durch Personen mit der Befähigung zum Richteramt handeln.

Beschluss:

Unter Abänderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts München vom 11. November 2013 wird der Streitwert für beide Rechtszüge auf jeweils 10.000 Euro festgesetzt.

Gründe:

Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47, 52 Abs. 1, § 63 Abs. 3 GKG. Der Streitwert war für beide Rechtszüge auf jeweils 10.000 Euro angemessen zu erhöhen, da hier auch wirtschaftliche Interessen der Kläger inmitten stehen.

Tenor

I.

Der Antrag wird abgelehnt.

II.

Die Beklagte und die Beigeladene haben die Kosten des Verfahrens je zur Hälfte zu tragen.

III.

Der Streitwert wird auf 3.750,- EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Die Antragstellerin ist Wohnungseigentümergemeinschaft auf dem Grundstück ... Eck 1, ..., Fl.Nr. ... der Gemarkung ...

Das sechsgeschossige Gebäude der Antragstellerin grenzt westlich unmittelbar an das Vordergebäude der Beigeladenen auf dem streitgegenständliche Grundstück ... Eck 3 (Fl.Nr. ...). Das Vorhabengebäude der Beigeladenen ragt mit seinem rückwärtigen Seitengebäude in einen schmalen Hinterhof zwischen ...str. 2, 4, Fl.Nrn. ..., ... und dem Grundstück der Beigeladenen, Fl.Nr. ...

Mit Bauantrag vom 8. Oktober 2013 nach Plannr. ... beantragte die Beigeladene die Genehmigung für Umbau, Sanierung und Erweiterung des Vorder- und Rückgebäudes mit Nutzungsänderung in Teilbereichen von Büro zu Wohnen und den Einbau einer Tiefgarage im Kellergeschoß, ... Eck 3, Fl.Nr. ... in ... Nach den eingereichten Plänen ist u. a. vorgesehen, den bisher eingeschossigen südlichen Teil des Seitengebäudes terrassenförmig mit einer Traufhöhe von 12,49 m und 15,84 m bis 18,96 m aufzustocken und unmittelbar zum Grundstück ... Eck 5, Fl.Nr. ... an die dortige Brandwand anzuschließen. Das Vordergebäude soll mit seiner Rückseite um ca. 2 m in den Innenhof vorrücken, so dass es an das Nachbargebäude der Antragstellerin, ... Eck 1, Fl.Nr. ... bündig anschließt.

Zur baulichen Situation auf den Grundstücken sowie zur Umgebungsbebauung siehe folgenden Lageplan 1:1.000. Der Plan ist aufgrund des Einscannens möglicherweise nicht mehr maßstabsgetreu.

Bild

Am ... Mai 2014 erteilte die Antragsgegnerin der Beigeladenen unter dem Aktenzeichen ... die beantragte Baugenehmigung für das Grundstück ... Eck 3, Fl.Nr... In der Baugenehmigung wurden unter anderem folgende Befreiungen und Abweichungen erteilt: Unter Nr. 1: Befreiung gemäß § 31 Abs. 2 BauGB wegen Überschreitung der rückwärtigen Baugrenze durch Anbau am Vordergebäude sowie im Dachgeschoss. Unter Nr. 5: Abweichung gemäß Art. 63 Abs. 1 BayBO von Art. 6 Abs. 2 Satz 1 BayBO wegen Nichteinhaltung erforderlicher Abstandsflächen zu den Nachbargrundstücken Fl.-Nr. ..., ... und ... durch den nördlichen Teil des Seitengebäudes um insgesamt ca. 232 m2. Unter Nr. 7: Abweichung gemäß Art. 63 Abs. 1 BayBO von Art. 6 Abs. 2 Satz 1 BayBO wegen Nichteinhaltung erforderlicher Abstandsflächen zu den Nachbargrundstücken Fl.-Nr. ... und ... durch den südlichen Teil des Seitengebäudes um insgesamt ca. 91 m2. Zu den Nrn. 5 und 7 wurde ausgeführt, dass der Schutzzweck der Abstandsflächenvorschriften, Gewährleistung einer ausreichenden Belichtung, Belüftung und Besonnung sowohl der neu beantragten wie der bestehenden Wohnnutzungen sowohl auf dem Baugrundstück wie auf den betroffenen Nachbargrundstücken erreicht sei. Da die bestehenden Nachbargebäude ihrerseits das Baugrundstück mit Abstandsflächen belasteten, sei auch dem Gebot nachbarlicher Rücksichtnahme ausreichend Rechnung getragen.

Eine Nachbarausfertigung der Baugenehmigung wurde der Hausverwaltung der Antragstellerin, WEG ... Eck 1, am 17. Mai 2014 mit Postzustellungsurkunde zugestellt.

Mit Schriftsatz vom 17. Juni 2014, am selben Tag per Fax bei Gericht eingegangen, erhoben die Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin Klage gegen die der Beigeladenen erteilten Baugenehmigung vom ... Mai 2014. Mit Schriftsatz vom 1. August 2014 beantragten sie,

die aufschiebende Wirkung der mit Schriftsatz vom 17.06.2014 erhobenen Anfechtungsklage (Az. M 8 K 14.2601) gegen den Baugenehmigungsbescheid der ... vom ...05.2014 (Az: ...) anzuordnen.

Zur Begründung wurde ausgeführt, das Bauvorhaben der Beigeladenen verstoße gegen die nachbarschützenden Vorschriften des Abstandsflächenrechts. Der streitgegenständliche Baugenehmigungsbescheid vom ... Mai 2014 berücksichtige in den Nrn. 5 und 7 lediglich die durch den südlichen und den nördlichen Teil des Rückgebäudes verursachten Abstandsflächen. Nicht berücksichtigt seien die in Richtung Süden/Südosten aufgrund der rückseitigen Erweiterungen des straßenseitigen Bestandsgebäudes sowie aufgrund der Erhöhung der südlichen Außenwand des straßenseitigen Vordergebäudes auf 21,51 m anfallenden Abstandsflächen. Hierfür seien keine Abweichungen erteilt worden. Das führe bereits zur Rechtswidrigkeit der Baugenehmigung. Weiter seien die in Ziffern 5 und 7 in Ansehung des nördlichen und des südlichen Teils des Seitengebäudes erteilten Abweichungen ermessensfehlerhaft. Es fehle an der detaillierten Auseinandersetzung mit den Auswirkungen der geplanten Bebauung. Auch eine Darlegung, inwieweit seitens des klägerseitigen Grundstücks ein vergleichbarer Abstandsflächenverstoß gegenüber dem Baugrundstück vorliege, sei nicht erfolgt. Daher sei sogar von einem Abwägungsausfall auszugehen. Das genehmigte Bauvorhaben überdecke mit seinen Abstandsflächen gut das gesamte klägerische Grundstück, während für das antragstellerseitige Grundstück Abstandsflächen nur geringfügig auf dem Baugrundstück der Beigeladenen anfielen. Durch die genehmigte Bebauung würden die Belichtung, Belüftung und Besonnung in erheblichem und unzumutbarem Umfang verschlechtert. Das antragstellerseitige Grundstück sei durch die vorhandene Situation bereits stark vorbelastet, die einzige Richtung für Belichtung und Belüftung sei Süd bzw. Südwest, genau hier solle nun die vier- bis sechsgeschossige Erweiterung des Seitengebäudes erfolgen. Durch diese Baumaßnahmen werde das Grundstück beinahe von jeglicher Belichtung und Belüftung abgeschottet. Dies sei weder in der Baugenehmigung noch bei der Ermessensausübung berücksichtigt worden. Selbst bei offenen Erfolgsaussichten überwiege das Interesse der Antragstellerin, da sonst Tatsachen geschaffen würden, die kaum mehr rückgängig gemacht werden könnten.

Mit Schreiben vom 14. August 2014 beantragte die Antragsgegnerin,

den Antrag abzulehnen.

Die Baugenehmigung verletze keine Nachbarrechte. Zur Begründung werde auf die Ausführungen im Baugenehmigungsbescheid und den Akteninhalt verwiesen.

Mit Schriftsatz vom 12. August 2014 beantragten die Bevollmächtigten der Beigeladenen,

den Antrag abzulehnen.

Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass das bestehende fünfgeschossige Seitengebäude der Beigeladenen bereits jetzt den nördlichen Teil der Freifläche des Grundstücks der Antragstellerin vollständig überdecke und sich damit aus dem Bauvorhaben keine Verschlechterung ergäbe. Allein im südlichen Teil dieser Freifläche, der nur als Müllabstellplatz bzw. als Fahrradabstellfläche genutzt werde, ergäbe sich in geringem Umfang eine zusätzliche Verschattung. Die der Beigeladenen erteilten Abweichungen von den Abstandsflächen seien rechtmäßig. Es läge eine atypische Situation wegen der sehr dicht gedrängten innerstädtischen Bebauung vor. In der gesamten Umgebung seien gegenseitigen Abstandsflächenüberlagerungen vorzufinden, nirgendwo seien die erforderlichen Abstandsflächen eingehalten. Diese Atypik werde durch den Grundstückszuschnitt verstärkt. Es werde nur das Bestandsgebäude saniert und in gegenüber der Antragstellerin nicht abstandsrelevanter Weise erweitert. Soweit es durch das hinzukommende südliche Seitengebäude zu einer zusätzlichen Verschattung der Freifläche komme, so werde diese Fläche nur als Abstellplatz genutzt, eine Bebauung scheide aus. Auch nach Errichtung des neuen südlichen Teils des Seitengebäudes werde die Süd-West-Fassade der Antragstellerin nicht unzumutbar verschattet, denn der neue Gebäudeteil liege seitlich und sei deutlich abgesetzt. Durch die Terrassierung sei weiterhin ein Lichteinfall von 45 Grad möglich. Mögliche abstandsrechtliche Mängel des Ausgangsbescheids könnten durch einen Nachgangsbescheid jederzeit behoben werden.

Mit Schriftsatz vom 15. September 2014 erwiderten die Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin, der von der Beigeladenen vorgelegte Abstandsflächenplan (Anlage BE 4) zeige deutlich, dass bereits die im Bereich des Vordergebäudes geplanten Maßnahmen zu einer maßgeblichen Erhöhung der von dort anfallenden Abstandsflächentiefe führen würden. Im Dachgeschoss würde nunmehr eine Wohnnutzung mit Dachterrasse realisiert. Hierbei handele es sich um eine abstandsflächenrechtlich relevante Nutzungsänderung, die eine abstandsflächenrelevante Neubetrachtung erforderlich mache (vgl. BayVGH, B. v. 19.02.2004 - 26 ZB 03.1559 - juris). Die erteilten Abweichungen seien lediglich pauschal und gänzlich ohne Einzelfallbetrachtung erfolgt. Die getroffenen Abweichungsentscheidungen gingen davon aus, dass das Gebäude der Antragstellerin das Baugrundstück ebenfalls in etwa gleichwertig mit Abstandsflächen belaste. Dies sei unzutreffend. Nicht alle in abstandflächenrechtlicher Hinsicht erforderlichen Abweichungen seien erteilt worden (Anlage BE 4). Der Fall normwidriger Unterlassung einer notwendigen Abweichung stehe dem Fall einer normwidrig erteilten Abweichung gleich (vgl. VG Würzburg, B. v. 03.09.2012 - W 5 S 12.729 - juris mit Verweis auf Simon/Busse Art. 66 BayBO Rn. 587 m. w. N.). Bereits deshalb sei die erteilte Baugenehmigung rechtswidrig. Es sei zwar richtig, dass das antragstellerseitige Grundstück bereits durch Abstandsflächen in östlicher, nördlicher und westlicher Richtung stark vorbelastet sei. Hieraus könne aber nicht der Schluss gezogen werden, dass eine weitere Verschlechterung der Abstandsflächensituation unproblematisch möglich sei. Ganz im Gegenteil führe die bestehende Vorbelastung zu einer gesteigerten Schutzbedürftigkeit des antragstellerseitigen Grundstücks. Die Überschneidung von bis zu 3 Abstandsflächen aus drei verschiedenen Richtungen zeige die einkesselnde Wirkung des Bauvorhabens. Eine ausreichende Belichtung, Besonnung, Belüftung sowie Sozialfrieden und Sozialabstand könnten daher nicht mehr gewährleistet werden. Nach Realisierung des Bauvorhabens werde das Grundstück der Antragstellerin künftig von beiden Längsseiten von einer Bebauung mit erheblicher Höhenentwicklung ohne Einhaltung der eigentlich erforderlichen Abstandsflächen geradezu eingekesselt. Gerade in den Wintermonaten werde mit einem niedrigen Sonnenstand die Belichtung und Besonnung aus südwestlicher bis südlicher Richtung erheblich beeinträchtigt. Die für die erteilten abstandsflächenrechtlichen Abweichungen erforderlichen Tatbestandsvoraussetzungen würden nicht vorliegen und von einer ordnungsgemäßen Ermessensausübung könne ebenfalls nicht ausgegangen werden. Es fehle bereits an der erforderlichen atypischen Fallgestaltung. Der streitgegenständliche Bescheid setze sich mit dem Vorliegen einer atypischen Fallgestaltung nicht im Ansatz auseinander, ferner fehle eine einzelfallbezogene Betrachtung. Zahlreiche Aspekte würden überhaupt nicht in das Ermessen eingestellt, so dass von einem Ermessensausfall auszugehen sei.

Mit Schriftsatz vom 29. September 2014 ergänzten die Prozessbevollmächtigten der Beigeladenen, dass entgegen den Ausführungen der Antragstellerin das Vordergebäude und der bereits bestehende nördliche Teil des rückwärtigen Seitengebäudes nicht aufgestockt würden. Es werde lediglich die Dachform abgeändert. Die streitgegenständliche Planung stelle eine Verbesserung der bisherigen Nachbarsituation dar. Die „neuen“ Dachterrassen seien deutlich von der Dachkante zurückgesetzt, die künftige Dachwohnung erhalte mit Ausnahme des Dachaustritts (bereits als Dachgaube vorhanden) auch künftig nur Dachflächenfenster. Diese seien ebenfalls deutlich von der Dachkante abgesetzt. Soweit eine Neubetrachtung der Abstandsflächen erforderlich gewesen sei, habe man dies entsprechend berücksichtigt. Die Abstandsflächen seien im genehmigten Abstandsflächenplan dargestellt und die insoweit erforderlichen Abweichungen erteilt. Soweit die Antragstellerin meine, dass die für die östliche Außenwand des rückwärtigen Seitengebäudes anfallenden Abstandsfläche erforderliche Abweichung übersehen worden sei, werde auf den genehmigten Abstandsflächenplan verwiesen. Dort seien die Abstandsflächen insbesondere im Bereich der Dachgeschossänderung sowie der Dachterrasse eingetragen und soweit hierfür erforderlich auch die entsprechenden Abweichungen gegenüber dem Grundstück der Antragstellerin erteilt worden. Dem Verschattungsszenario am 21.12. jeden Jahres für ein zunächst noch umfänglicheres und höher geplantes Neubauvorhaben auf dem streitgegenständlichen Grundstück könne entnommen werden, dass die Belichtungssituation um 9.00 Uhr und um 12.00 Uhr am Gebäude der Antragstellerin ausschließlich durch die Bebauung auf den Grundstücken Fl.Nrn. ... und ... bestimmt werde. Das gesamte rückwärtige Seitengebäude spiele hingegen keine Rolle.

Mit Schriftsatz vom 21. Oktober 2014 ergänzten die Bevollmächtigten der Beigeladenen ihre Ausführungen. Die Beigeladene habe zwischenzeitlich einen Antrag hinsichtlich der vom Vordergebäude nach Süden anfallenden Abstandsflächen gestellt. Diese Abweichungen könnten auch unter Nachbargesichtspunkten erteilt werden. Die wegen des atypischen Grundstücksverlaufs zusätzlich vom streitgegenständlichen Vordergebäude auf die Freifläche fallenden Abstandsflächen überlagerten lediglich die Abstandsflächen des Gebäudes der Antragstellerin. Der Kommunanschluss des Vordergebäudes in gleicher Tiefe an das Gebäude der Antragstellerin sei planungsrechtlich zulässig. Dürfe an der Grundstücksgrenze gebaut werden, ginge das nach Art. 6 Abs. 1 Satz 3 BayBO dem landesrechtlichen Abstandsflächenrecht vor.

Mit Schriftsatz vom 22. Oktober 2014 führten die Bevollmächtigten der Antragstellerin aus, im Dachgeschoß des Vordergebäudes sei nunmehr eine Wohnnutzung vorgesehen, wofür die Wandhöhe abstandsflächenrelevant erhöht werde. Gleiches gelte für das Seitengebäude. Auch die südwestliche Außenwand des Vordergebäudes solle abstandsflächenrelevant verschoben werde. Damit belasteten die geplanten Baumaßnahmen die abstandsflächenrechtliche Situation zulasten der Antragstellerin erheblich. Weiter dürfe die abstandsflächenrechtliche Situation nicht isoliert auf die Mehrung der Abstandsfläche vor der südlichen Außenwand des Vordergebäudes beschränkt werden. Vielmehr müsse gerade die Summenwirkung der aus Richtung Nordwesten anfallenden Abstandsflächen durch das bestehende/neue Seitengebäude berücksichtigt werden. Die Errichtung des neuen Seitengebäudes verschärfe die abstandsflächenrechtliche Situation dabei erheblich.

Wegen des Umfanges der geplanten Maßnahmen sei eine vollständige neue Abstandsflächenbetrachtung erforderlich. Dass dies im Rahmen der Baugenehmigung erfolgt sei, sei wegen der lediglich formelhaften Begründung nicht nachvollziehbar. Die wechselseitigen Abstandsflächen stünden gerade im Bereich des neuen Rückgebäudes außerhalb jeden Verhältnisses. Auf das Erfordernis eines quantitativen Vergleiches sei bereits im Schriftsatz vom 15. September 2014 hingewiesen worden. Auch das von der Beigeladenen dazu zitierte Urteil des erkennenden Gerichts vom 7. Oktober 2013 postuliere das Erfordernis eines quantitativ wie qualitativ vergleichbaren wechselseitigen Abstandsflächenverstoßes als Grundlage für eine Abweichungserteilung. Die Erteilung der erforderlichen Abweichungen sei auch nicht nachholbar. Auch in einem dicht bebauten Innenstadtbereich sei bei Erteilung von Abweichungen stets eine einzelfallbezogene Betrachtung vorzunehmen, die hier fehle. Nach den Grundsätzen der Entscheidung des Gerichts vom 27. Februar 2012 führe die Nichtausübung des Ermessens und das Fehlen der erforderlichen Einzelfallbetrachtung zur Rechtswidrigkeit der Baugenehmigung. Auch bei einer Höhenreduzierung der Erweiterung des Seitengebäudes sei von der Möglichkeit einer adäquaten Grundstücksausnutzung auszugehen. Das Abstellen auf die Verschattungswirkung greife zu kurz, es käme nicht nur auf die Besonnung, sondern gerade auch auf adäquate Belichtungsverhältnisse an. Im vorliegenden Fall würde das Grundstück der Antragstellerin auf beiden Seiten durch eine erhebliche Bebauung eingeklammert. Gleiches gelte für den ebenfalls abstandsflächenrechtlich geschützten Sozialfrieden, da sich wegen der Dachterrassen erhebliche Einblickmöglichkeiten auf das Grundstück der Antragstellerin ergäben.

Mit Schreiben vom 24.10.2014 teilten die Bevollmächtigten der Beigeladenen mit, dass bis zum Erlass des beantragten Nachgangsbescheids keine Baumaßnahmen ausgeführt würden, durch die die Rechte der Nachbarn beeinträchtigt werden könnten.

Mit Nachgangsbescheid vom ... Oktober 2014 verfügte die Beklagten, dass

1. zwei weitere Abweichungen gem. Art 63 Abs. 1 BayBO von Art. 6 Abs. 2 BayBO zugelassen werden:

a) Eine Abweichung wegen Nichteinhaltung erforderlicher Abstandsflächen gegenüber den Grundstücken Fl.Nr. ... und ... durch die Abstandsflächen der südlichen Außenwand des Vordergebäudes, der südlichen Brüstung der auf diesem befindlichen Dachterrasse und der auf der Südseite des Vordergebäudes befindlichen Dachgaube.

b) Eine Abweichung wegen Nichteinhaltung erforderlicher Abstandsflächen gegenüber den Grundstücken Fl.Nr. ... und ... durch die Abstandsflächen der östlichen Brüstung der auf dem Vorder-/Seitengebäude befindlichen Dachterrasse.

Als Begründung zu a) und b) wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die Abweichungen unter Berücksichtigung der Absichten des Abstandsflächenrechtes - Gewährleistung einer ausreichenden Belichtung, Belüftung und Besonnung nach Würdigung der Gesamtumstände und der nachbarlichen Belange - mit den öffentlich-rechtlichen Vorschriften vereinbar seien. Zu a): Die 3 in der Abweichung genannten Bauteile lösten bei isolierter Betrachtung Abstandsflächen aus. Da das Vordergebäude schräg zur Grenze mit dem Grundstück Fl.Nr. ... verlaufe, fielen diese primär auf den Innenhof des Grundstücks ... Eck 1. Aufgrund der Schrägstellung des Vordergebäudes ... Eck 3 bestehe eine atypische Grundstückssituation. Die Antragsgegnerin sei der Auffassung, dass durch diese „Abstandsflächenerstreckung“ geschützte Nachbarrechte nicht in unzumutbarer Weise beeinträchtigt würden. Die Bauteile lösten in der Realität so gut wie keine zusätzliche Verschattung aus. Zu b): Die östliche Brüstung der Dachterrasse auf dem Vorder-/Seitengebäude löse Abstandsflächen aus, die auf die Grundstücke Fl.Nr. ... und ... fallen würden. Größtenteils lägen sie innerhalb der Abstandsflächen der Südwand des Gebäudes ... Eck 3 und würden deren Ausmaße mit einer geringfügigen Ausnahme in einer Breite von 30 cm nicht überschreiten. Aufgrund der Schrägstellung des Vordergebäudes ... Eck 3 bestehe eine atypische Grundstückssituation. Auch hier würden die geschützten Nachbarrechte nicht in unzumutbarer Weise beeinträchtigt. Die Dachterrassenbrüstung löse in der Realität so gut wie keine zusätzliche Verschattung aus, zumal sie im Norden läge und 8,4 bis 9,4 m von der Grundstücksgrenze entfernt sei.

2. Zu den in der Baugenehmigung vom ... Mai 2014 erteilten Abweichungen in Ziffern 5 bis 7 wurde die Begründung im Nachgangsbescheid vom ...10.2014 ergänzt: Zu Ziffer 5: Die für die Abweichung erforderliche atypische Situation ergäbe sich aus der beengten Innenstadtlage und dem Gebäudebestand. Der nördliche Teil des Seitengebäudes bestehe bereits, die Traufkante werde nahezu unverändert übernommen, das anschließende Dach sei wegen seines 45 Grad Winkels abstandsflächenneutral. Eine nennenswerte zusätzliche Verschattung ergäbe sich gegenüber den Nachbargrundstücken Fl. Nrn. ..., ... und ... nicht, zumal das Gebäude im Nordwesten läge, von wo aus kein direkter Lichteinfall erfolge. Die Dachterrassen auf dem nördlichen Seitengebäude seien ausreichend weit von der Dachkante abgesetzt, so dass auch der Sozialabstand nicht unzureichend verkürzt werde. Zu Ziffer 7: Die Atypik betreffe auch den südlichen Teil des Seitengebäudes. Keines der benachbarten Gebäude könne die erforderlichen Abstandsflächen einhalten. Gegenüber den Nachbarn Fl.Nrn. ... und ... würde es nicht zu unzumutbaren Beeinträchtigungen kommen, Fl.Nr. ... sei selbst grenzständig bebaut und werfe aufgrund der Höhe massiv Abstandsflächen auf das Baugrundstück, wobei aber aufgrund der Nutzungsanordnung innerhalb der Gebäude keine ungesunden Wohn- und Arbeitsverhältnisse entstünden. Der Nachbar Fl.Nr. ... sei durch die Abweichung nur hinsichtlich des südlichen Teils seiner Freifläche betroffen, die er primär als Müllabstellplatz nutze. Die erteilte Abweichung führe damit auch bei ihm nicht zu unzumutbaren Verhältnissen. Das gelte auch in Zusammenschau mit den weiteren ihm gegenüber bereits erteilten Abweichungen. Gegenüber seinem im rückwärtigen Bereich über die Südfassade belichteten Räumen befände sich eine knapp 30 m tiefe Freifläche, die auch an der Fensterkante des untersten Fensters den Mindestlichteinfallwinkel von 45 Grad deutlich unterschreite. Auch die Belichtungssituation als solche werde nicht in unzumutbarer Weise verschlechtert. Das südliche Seitengebäude sei leicht nach Westen abgesetzt und nach Süden hin abgetreppt, dadurch könne mehr Licht einfallen und es verbliebe ein zusammenhängender ca. 300 m2 großer Innenhof, der die Belichtung ausreichend gewährleiste. Andere Hofbereiche im zentralen Stadtbereich seien bei gleich hoher Bebauung wesentlich kleiner. Die Dachterrassen des südlichen Seitengebäudes seien ebenfalls von der Außenwand abgesetzt, der Abstand insbesondere zum Gebäude Fl.Nr. ... sei sehr groß. Das Gesamtvorhaben füge sich planungsrechtlich in die vorhandene Umgebung ein und trage dazu bei, den öffentlichen Bedarf nach dringend benötigtem Wohnraum zu erfüllen.

Mit Schriftsatz vom 5. November 2014 erklärten die Bevollmächtigten der Beigeladenen, dass der Gebäudebestand nicht aufgestockt und der künftige Wohnraum im Dachgeschoss zurückversetzt innerhalb des Bestandes verwirklicht werde. Die geplante Dachterrasse halte einen deutlichen Sozialabstand zur Richtung der Antragstellerin ein. Hinsichtlich des Seitengebäudes wurden die in Anlage BE 12 dargestellte Dachgestaltung und die dort angegebenen First- und Traufhöhen näher dargestellt. Es sei zutreffend, dass sich auf der rückwärtigen Freifläche der Antragstellerin zahlreiche Abstandsflächen überschnitten. Das sei aber kein unzumutbarer Ausnahmefall, vielmehr würden sich in zentralen Innenstadtlagen in nahezu allen Hofbereichen Abstandsflächen überlagern. Allein das führe nicht zur Unzumutbarkeit für den Eigentümer. Vielmehr komme es nach der Rechtsprechung darauf an, ob sich hinsichtlich der auf dem Grundstück stattfindenden Nutzungen eine unzumutbare Beeinträchtigung ergäbe. Nach den Ausführungen des BayVGH vom 8.12.2011 (15 ZB 11.1882 - juris) komme es für die Rechtmäßigkeit der Abweichung auf die konkrete aktuelle Grundstückssituation zum Zeitpunkt der Erteilung an. Im südlichen Teil der Freifläche der Antragstellerin komme es infolge der geplanten Baumaßnahmen zu weiteren Abstandsflächenüberlagerungen. Dessen gegenwärtige Nutzung sei aber Abstellplatz für Mülltonnen und Fahrräder. Diese bedürfe keiner Belichtung, der Platz sei für einen längeren Aufenthalt nicht vorgesehen. Es wäre daher ermessensfehlerhaft, der Nebennutzung dieser Freifläche gegenüber dem bestehenden Baurecht Vorrang einzuräumen. Soweit die Antragstellerin den unzureichenden Sozialabstand infolge des geplanten Dachterrassenausbaues bemängelt, so würden Gaube und Dachterrasse in Zukunft zurückversetzt und so weit vom Gebäude der Antragstellerin entfernt liegen, dass ein direkter Einblick nicht möglich sei. In zentraler Innenstadtlage könne dabei nicht mehr von einem unzureichenden Sozialabstand gesprochen werden. Dasselbe gelte auch für die im Süden angrenzende Terrasse im Seitengebäude und für die Terrassen im 3. und 4. Obergeschoß. Bei der Einhaltung der östlichen Abstandsflächen des Seitengebäudes ausschließlich auf dem Baugrundstück selbst, wäre nur noch eine eingeschossige Bebauung möglich. Angesichts des aus planungsrechtlichen Gesichtspunkten möglichen Baurechts schlösse dies eine sinnvolle Grundstücksnutzung aus. Im Übrigen seien die fehlenden Abweichungen von der Beklagten inzwischen erteilt und die Abweichungsbegründungen umfänglich ergänzt worden.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten (auch im Klageverfahren M 8 K 14.2601) sowie auf die vorgelegten Behördenakten verwiesen.

II.

Der zulässige Antrag ist unbegründet.

Nach der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nur möglichen, aber auch ausreichenden summarischen Überprüfung sprechen die überwiegenden Gründe dafür, dass das mit der streitgegenständlichen Baugenehmigung zugelassene Bauvorhaben weder in bauplanungsrechtlicher noch in bauordnungsrechtlicher Hinsicht gegen drittschützende Rechte der Antragstellerin verstößt, die im vereinfachten Baugenehmigungsverfahren zu prüfen sind, Art. 59 Abs. 1 BayBO, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.

1. Nach § 212a Abs. 1 BauGB hat die Anfechtungsklage eines Dritten gegen die bauaufsichtliche Zulassung eines Vorhabens keine aufschiebende Wirkung. Legt ein Dritter gegen die einem anderen erteilte und diesen begünstigende Baugenehmigung eine Anfechtungsklage ein, so kann das Gericht auf Antrag gemäß § 80 a Abs. 3 Satz 2 VwGO in entsprechender Anwendung von § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO die aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage ganz oder teilweise anordnen.

Beim Antrag gem. § 80 a Abs. 3 Satz 2 i. V. m. § 80 Abs. 5 VwGO trifft das Gericht eine eigene Ermessensentscheidung darüber, welche Interessen höher zu bewerten sind - die für einen sofortigen Vollzug des angefochtenen Verwaltungsakts oder die für die Anordnung der aufschiebenden Wirkung (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 18. Auflage 2012, § 80 Rn. 146; Schmidt in: Eyermann, VwGO, 14. Auflage 2013, § 80 Rn. 71). Im Rahmen dieser Interessenabwägung sind auch die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache als wesentliches, aber nicht alleiniges Indiz zu berücksichtigen (Schmidt a. a. O., § 80 Rn. 73 f.). Wird der in der Hauptsache erhobene Rechtsbehelf voraussichtlich erfolgreich sein, so wird im Regelfall die Anordnung der aufschiebenden Wirkung in Betracht kommen. Erweist sich der angefochtene Bescheid dagegen bei summarischer Prüfung als rechtmäßig, besteht ein öffentliches Interesse an dessen sofortiger Vollziehung.

Bei Würdigung der maßgeblichen Umstände ist das Interesse der Beigeladenen am Sofortvollzug der Baugenehmigung hier höher einzuschätzen als das Interesse der Antragstellerin an der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage. Es entspricht der ständigen Rechtsprechung, dass die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs dann nicht angeordnet werden muss, wenn eine Baugenehmigung zwar möglicherweise Rechte der Antragstellerin verletzt, dieser Mangel aber behebbar ist oder - wie hier - durch einen Nachgangsbescheid eine Rechtsverletzung jedenfalls für die Zukunft entfallen ist (vgl. BayVGH, B. v. 04.08.2011 - 2 CS 11.997 - juris Rn. 21; BayVGH, B. v. 08.08.2001 - 2 ZS 01.1331 - juris Rn. 8; BayVGH, B. v. 24.10.2000 - 26 ZS 99.3637 - juris Rn. 23; VG München, B. v. 12.07.2010 - M 8 SN 10.2346 - juris Rn. 74). Selbst die von der Antragstellerin zitierte Entscheidung des VG Würzburg vom 3. September 2012 (W 5 S 12.729 - juris Rn. 23) verweist auf die Kommentarliteratur, in der ausgeführt wird, dass die Verwaltungsbehörde die Abweichung nachträglich erteilen kann. Ein Rechtsschutzinteresse des Nachbarn an einer Entscheidung, dass der angefochtene Baugenehmigungsbescheid in seiner ursprünglichen Fassung rechtswidrig war, besteht dann im Allgemeinen nicht mehr (vgl. Simon/Busse Art. 66 BayBO Rn. 587 mit Verweis auf BayVGH, U. v. 1. 6. 1976 - 65 I 75 n.V.).

2. Dritte können sich gegen eine Baugenehmigung nur dann mit Aussicht auf Erfolg zur Wehr setzen, wenn die angefochtene Baugenehmigung rechtswidrig ist und diese Rechtswidrigkeit zumindest auch auf der Verletzung von Normen beruht, die gerade auch dem Schutz des betreffenden Nachbarn zu dienen bestimmt sind (BayVGH, B. v. 24.3.2009 - 14 CS 08.3017 - juris Rn. 20).

3. In bauplanungsrechtlicher Hinsicht beurteilt sich die Zulässigkeit des Vorhabens gemäß § 30 Abs. 3 BauGB nach den Festsetzungen des einfachen übergeleiteten Baulinienplanes, der für das Grundstück eine vordere Baulinie sowie eine hintere und seitliche Baugrenze festsetzt, im Übrigen nach § 34 Abs. 1 und Abs. 2 BauGB.

3.1 Es entspricht der ganz herrschenden Meinung, dass die Regelungen über das Maß der baulichen Nutzung, über die Bauweise und die Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, nicht nachbarschützend sind (vgl. BVerwG, B. v. 19.10.1995 - 4 B 215/95 - juris Rn. 3; BayVGH, B. v. 6.11.2008 - 14 ZB 08.2327 - juris Rn. 9; B. v. 12.9.2013 - 2 CS 13.1351 - juris Rn. 3).

3.2 Es liegt auch keine Verletzung des Gebots der Rücksichtnahme vor. Insoweit kann dahinstehen, ob sich dieses im vorliegenden Fall aus dem Begriff des „Einfügens“ des § 34 Abs. 1 BauGB oder aus § 34 Abs. 2 BauGB i. V. m. § 15 Abs. 1 BauNVO ableitet, da im Ergebnis dieselbe Prüfung stattzufinden hat (vgl. BayVGH, B. v. 12.9.2013 - 2 CS 13.1351 - juris Rn. 4).

Inhaltlich zielt das Gebot der Rücksichtnahme darauf ab, Spannungen und Störungen, die durch unverträgliche Grundstücksnutzungen entstehen können, möglichst zu vermeiden. Welche Anforderungen das Gebot der Rücksichtnahme begründet, hängt wesentlich von den jeweiligen Umständen des Einzelfalls ab. Je empfindlicher und schutzwürdiger die Stellung desjenigen ist, den die Rücksichtnahme im gegebenen Zusammenhang zugutekommt, umso mehr kann er eine Rücksichtnahme verlangen. Je verständlicher und unabweisbarer die mit dem Vorhaben verfolgten Interessen sind, umso weniger braucht derjenige, der das Vorhaben verwirklichen will, Rücksicht zu nehmen. Bei der Interessengewichtung spielt es eine maßgebliche Rolle, ob es um ein Vorhaben geht, das grundsätzlich zulässig und nur ausnahmsweise unter bestimmten Voraussetzungen nicht zuzulassen ist, oder ob es sich - umgekehrt - um ein solches handelt, das an sich unzulässig ist und nur ausnahmsweise zugelassen werden kann. Bedeutsam ist ferner, inwieweit derjenige, der sich gegen das Vorhaben wendet, eine rechtlich geschützte wehrfähige Position inne hat (vgl. BVerwG B. v. 6.12.1996 - 4 B 215/96 - juris Rn. 9 m. w. N.). Für eine sachgerechte Bewertung des Einzelfalles kommt es wesentlich auf eine Abwägung zwischen dem, was einerseits dem Rücksichtnahmebegünstigten und andererseits dem Rücksichtnahmeverpflichteten nach Lage der Dinge zuzumuten ist, an (vgl. BVerwG U. v. 18.11.2004 - 4 C 1/04 - juris Rn. 22; U. v. 29.11.2012 - 4 C 8/11 - juris Rn. 16; BayVGH, B. v. 12.9.2013 - 2 CS 13.1351 - juris Rn. 4).

Im vorliegenden Fall stellt sich das streitgegenständliche Vorhaben weder im Hinblick auf die gerügte Verschlechterung der Belichtung, Besonnung und Belüftung noch im Hinblick auf die gerügte einmauernde bzw. einkesselnde Wirkung noch hinsichtlich der vorgetragenen Verletzung des Sozialfriedens/Sozialabstands und schließlich auch nicht im Hinblick auf den gerügten Abstandsflächenverstoß als unzumutbar und damit rücksichtslos dar.

3.2.1 Soweit die Antragstellerin rügt, dass durch das streitgegenständliche Bauvorhaben die Belichtungs-, Besonnungs- und Belüftungssituation nachhaltig verschlechtert würde, kommt vorliegend keine Verletzung des Rücksichtnahmegebots in Betracht.

Das Gebot der Rücksichtnahme gibt dem Nachbarn nicht das Recht, von jeglicher Beeinträchtigung der Licht- und Luftverhältnisse oder der Verschlechterung der Sichtachsen von seinem Grundstück aus verschont zu bleiben. Eine Rechtsverletzung ist erst dann zu bejahen, wenn von dem Vorhaben eine unzumutbare Beeinträchtigung ausgeht (BayVGH, B. v. 22.6.2011 - 15 CS 11.1101 - juris Rn. 17). Eine Veränderung der Verhältnisse durch ein Vorhaben, das den Rahmen der Umgebungsbebauung wahrt und städtebaulich vorgegeben ist, ist aber regelmäßig als zumutbar hinzunehmen (BayVGH, B. v. 12.9.2013 - 2 CS 13.1351 - juris Rn. 6).

Im vorliegenden Fall ist bereits fraglich, inwieweit der Umbau des Dachgeschosses im Vordergebäude überhaupt zu einer zusätzlichen Beeinträchtigung der Belichtungssituation auf dem antragstellerseitigen Grundstück führt. Die Frage der Beeinträchtigung durch das rückwärtige Seitengebäude ist - wie von der Antragstellerin zutreffend ausgeführt - durch keine Verschattungsstudie zum vorliegenden Bauvorhaben abschließend geklärt. Aus dem vorgelegten Verschattungsszenario zu einem - nach Angaben der Beigeladenen - höher geplanten Bauvorhaben auf dem streitgegenständlichen Grundstück wird jedoch deutlich, dass das östlich vom Vorhabengrundstück gelegene Gebäude der Antragstellerin nicht maßgeblich - allenfalls in den Abendstunden - durch das westlich geplante Bauvorhaben beeinträchtigt wird. Solche geringfügige Beeinträchtigungen durch Schattenwurf sind jedoch hinzunehmen (vgl. BayVGH B. v. 10.12.2008 - 1 CS 08.2770 - juris Rn. 24). Dazu kommt, dass das nördliche Seitengebäude der Beigeladenen bereits seit langem besteht und von der Antragstellerin bereits seit langem hingenommen werden muss. Das rückwärtige nördliche Seitengebäude und das Vordergebäude sollen bis auf den Umbau im Dachgeschosses - bei gleichbleibender Firsthöhe des Vordergebäudes - und der Errichtung einer Dachterrasse sowie einer Dachgaube weitgehend unverändert bleiben und lediglich saniert bzw. modernisiert werden. Die Aufstockung des bisher eingeschossigen südlichen Seitengebäudes lässt ebenfalls nach den vorgelegten Bildsimulationen keine derart schwerwiegende zusätzliche Beeinträchtigung der Belichtungs-, Besonnungs-, und Belüftungssituation erkennen, die zu schlechthin unzumutbaren und nicht mehr hinnehmbaren Wohnverhältnissen führen würden. Eine solche Beeinträchtigung ist auch von der Antragstellerin nicht substantiiert dargelegt. Die Sichtachse der Antragstellerin wird durch die im Bestand vorhandene Brandschutzwand des dreigeschossigen Gebäudes auf dem Grundstück Fl.Nr. ..., ... Eck 5 bereits zum gegenwärtigen Zeitpunkt beeinträchtigt, insoweit bewirkt das Vorhaben eine zumutbare Verschlechterung der seit langem bestehenden Situation. Außerdem verbleibt auch nach Realisierung des Bauvorhabens ein Innenhofbereich mit einer Gesamtfläche von insgesamt über 300 m², so dass nach wie vor einen ausreichende Belichtungs-, Belüftungs- und Besonnungssituation gewährleistet ist.

3.2.2 In der Rechtsprechung ist darüber hinaus anerkannt, dass eine Verletzung des Rücksichtnahmegebots dann in Betracht kommt, wenn durch die Verwirklichung des genehmigten Vorhabens ein in der unmittelbaren Nachbarschaft befindliches Wohngebäude „eingemauert“ oder „erdrückt“ wird. Eine solche Wirkung kommt vor allem bei nach Höhe und Volumen „übergroßen“ Baukörpern in geringem Abstand zu benachbarten Wohngebäuden in Betracht (BVerwG, U. v. 13.3.1981 - 4 C 1/78, - juris Rn. 38: 12-geschossiges Gebäude in 15 m Entfernung zum 2,5-geschossigen Nachbarwohnhaus; U. v. 23.5.1986 - 4 C 34/85, - juris Rn. 15: Drei 11,05 m hohe Siloanlagen im Abstand von 6 m zu einem 2-geschossigen Wohnanwesen; BayVGH, B. v. 10.12.2008 - 1 CS 08.2770 - juris Rn. 23; B. v. 5.7.2011 - 14 CS 11.814 - juris Rn. 21). Hauptkriterien bei der Beurteilung einer „abriegelnden“ bzw. „erdrückenden“ Wirkung sind unter anderem die Höhe des Bauvorhabens und seine Länge sowie die Distanz der baulichen Anlage in Relation zur Nachbarbebauung. Für die Annahme der „abriegelnden“ bzw. „erdrückenden“ Wirkung eines Nachbargebäudes ist somit grundsätzlich kein Raum, wenn dessen Baukörper nicht erheblich höher ist als der des betroffenen Gebäudes, was insbesondere gilt, wenn die Gebäude im dicht bebauten innerstädtischen Bereich liegen (BayVGH, B. v. 11.5.2010 - 2 CS 10.454 - juris Rn. 5; B. v. 5.12.2012 - 2 CS 12.2290 - juris Rn. 9).

Vorliegend fehlt es bereits an einer erheblichen Höhendifferenz zwischen den Vorhabengebäuden und dem Anwesen der Antragstellerin. Durch den Dachgeschossumbau im Vordergebäude bleiben die Traufhöhe von 19,13 m und die Bestands-Firsthöhe von 24,44 m unverändert. Der rückwärtige Seitenbau soll im nördlichen Gebäudeteil eine Traufhöhe von 18,96 m und eine Firsthöhe/Flachdach von 21,81 m zuzüglich der Dachterrassenumwehrung mit 1,10 m, insgesamt demnach 22,91 m erhalten und im südlichen Seitenteil eine Traufhöhe von 12,49 m - 15,48 m. Das Gebäude der Antragstellerin weist eine Traufhöhe von 18,84 m und eine Firsthöhe von 24,21 m auf. Schon insoweit ist die im dicht bebauten innerstädtischen Bereich zur Bejahung einer abriegelnden oder erdrückenden Wirkung erforderliche erhebliche Höhendifferenz nicht gegeben. Dazu kommt, dass das rückwärtige Seitengebäude terrassenförmig abgestuft werden soll und damit ebenfalls Rücksicht auf die nachbarlichen Belange nimmt. Gerade im innerstädtischen Bereich hat ein Grundstückseigentümer kein Recht auf Beibehaltung einer ungehinderten oder bislang nur geringfügig beeinträchtigten Sicht von seinem Wohngebäude aus (vgl. BayVGH B. v. 10.12.2008 - 1 CS 08.2770 - juris Rn. 23 mit Verweis auf BVerwG vom 28.10.1993 - NVwZ 1994, 686).

Auch die gerügte Summenwirkung der Überschneidung von Abstandsflächen aus drei unterschiedlichen Richtungen auf dem antragstellerseitigen Grundstück führt zu keiner einkesselnden Wirkung. Es ist zwar zutreffend, dass der Innenhof auf dem antragstellerseitigen Grundstück nach Realisierung des südlichen rückwärtigen Seitengebäudes sowohl von Westen, wie auch von Osten und Süden von Gebäuden mit nicht unerheblicher Höhenentwicklung umgeben ist. Hierbei ist aber auch zu berücksichtigen, dass die Antragstellerin selbst durch ihr eigenes Bestandsgebäude Teil der nördlichen Begrenzung des Innenhofbereichs darstellt. Die Antragstellerin hat ihr vergleichsweise kleines Grundstück mit einem sechsgeschossigen Gebäude massiv bebaut. Die beachtliche Ausübung des eigenen Baurechts ist daher ebenfalls ursächlich für die im Geviert vorliegende intensive innerstädtische Bebauung. Ein Nachbar ist nach Erfüllung der eigenen Bauwünsche nicht berechtigt, in etwa gleichwertige Bauwünsche abzuwehren. Das streitgegenständliche Bauvorhaben ist zwar flächenmäßig größer als das Bestandsgebäude der Antragstellerin. Dies ist jedoch durch den unterschiedlichen Grundstückszuschnitt bedingt. Das Grundstück der Antragstellerin ist im Verhältnis zu seiner geringen Größe bereits ausgeprägt bebaut. Das Grundstück der Beigeladenen ist größer und kann daher auch entsprechend bebaut werden, ohne damit gegen das Gebot der Rücksichtnahme zu verstoßen. Zwar verändert das genehmigte Vorhaben die bauliche Situation im Hofbereich. Das Ergebnis stellt sich im Vergleich zum Normalfall verdichteter innerstädtischer Bebauung mit geschlossener Bauweise aber als noch hinnehmbar und für einen Durchschnittsbetrachter als nicht erdrückend dar. Nicht schon dann, wenn das angegriffene Vorhaben die Situation für den Nachbarn verändert, kann von einer erdrückenden Situation im Sinne einer Gefängnishofsituation die Rede sein, zumal sich das Anwesen der Antragstellerin jahrzehntelang dem bereits bestehenden Baukörper gegenübersah, der nunmehr im Vordergebäude und nördlichem Seitengebäude lediglich modernisiert und geringfügig verändert wird, ohne zu einer Erhöhung der Bestandsfirst- und Traufhöhe zu führen. Lediglich im südlichen Bereich kommt es durch die terrassenförmige Aufstockung des bisher eingeschossigen südlichen Seitengebäudes zu einer Vertiefung entlang der bestehenden Brandschutzwand des Gebäudes auf dem Grundstück, Fl.Nr. ..., ... Eck 5.

Insgesamt ist vorliegend daher schon aufgrund der geringen Höhendifferenz zwischen dem streitgegenständlichen Gebäudekomplex und dem Gebäude der Antragstellerin eine erdrückende bzw. einkesselnde Wirkung ausgeschlossen.

3.2.3 Soweit die Antragstellerin rügt, dass durch das streitgegenständliche Vorhaben der Sozialfrieden und Sozialabstand beeinträchtigt würden, führt dies ebenfalls zu keiner Verletzung des Rücksichtnahmegebots. Trifft eine Wohnnutzung auf eine vorhandene Wohnnutzung, dann kommt unter dem Gesichtspunkt der Nutzungsart ein Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme nur unter ganz außergewöhnlichen Umständen in Betracht (vgl. BayVGH, B. v. 12.09.2005 - 1 ZB 05.42 BayVBl. 2006, 374 - juris Rn. 19). Das Rücksichtnahmegebot gibt dem Nachbarn insbesondere nicht das Recht, vor jeglicher Beeinträchtigung, speziell vor jeglichen Einblicken verschont zu bleiben (vgl. BayVGH, B. v. 12.9.2005 a. a. O.; Sächs. OVG B. v. 23.2.2010 - 1 B 581/09 - juris Rn. 5). Gegenseitige Einsichtnahmemöglichkeiten sind im dicht bebauten innerstädtischen Bereich unvermeidlich und führen nicht automatisch zu einer Verletzung des Sozialabstands. Außerdem sind die Fenster des rückwärtigen Seitengebäudes nicht unmittelbar in Richtung des antragstellerseitigen Gebäudes ausgerichtet. Auch die Fenster auf der Rückseite des Vordergebäudes und die geplanten Loggien sind nicht unmittelbar auf das antragstellerseitige Gebäude ausgerichtet, sondern ragen vielmehr in den Innenhof und schließen bündig mit der westlichen Gebäudemauer der Antragstellerin ab, so dass dadurch keine Einblickmöglichkeiten geschaffen werden. Die geplanten Dachterrassen sind von der Gebäudekante stark zurückversetzt, so dass keine unzumutbaren Einblicke in die Fenster des antragstellerseitigen Gebäudes ermöglicht werden. Die Betroffenen können sich ferner gegebenenfalls durch das Anbringen von Jalousien, Vorhängen oder verspiegelten Fenstern behelfen. Außerdem sind die Wohnräume im Gebäude der Antragstellerin teilweise dadurch geschützt, dass ihnen ein Balkon vorgelagert ist. Im Übrigen sind die verbleibenden Sozialabstände in der vorgegebenen städtebaulichen Situation hinzunehmen, obschon damit auch Einsichtnahmemöglichkeiten einhergehen können(vgl. BayVGH U. v. 07.10.2010 - 2 B 09.328- juris Rn. 30). Ein Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme ist insoweit nicht auszumachen.

3.2.4 Soweit sich die Antragstellerin darauf beruft, das Vorhaben der Beigeladenen verletze die Abstandsflächenvorschriften des Art. 6 BayBO, ist klarzustellen, dass zwar die Einhaltung der bauordnungsrechtlichen Abstandsflächenvorschriften für das bauplanungsrechtliche Rücksichtnahmegebot in tatsächlicher Hinsicht indiziert, dass auch das planungsrechtliche Rücksichtnahmegebot im Regelfall nicht verletzt ist (vgl. BVerwG, B. v. 11.01.1999 - 4 B 128/98 - juris Rn. 4; BayVGH, B. v. 15.3.2011 - 15 CS 11.9 - juris Rn. 32). Daraus lässt sich aber nicht der Umkehrschluss ableiten, dass bei einer Verletzung der bauordnungsrechtlichen Abstandsflächenvorschriften auch eine Verletzung des bauplanungsrechtlichen Rücksichtnahmegebotes zu bejahen oder indiziert wäre (vgl. BayVGH, B. v. 22.6.2011 - 15 CS 11.1101 - juris; B. v. 6.9.2011 - 1 ZB 10.1301 - juris).

Die streitgegenständliche Baugenehmigung verstößt daher gegen keine nachbarschützenden bauplanungsrechtlichen Vorschriften.

4. Nachbarschützende bauordnungsrechtliche Vorschriften werden durch den streitgegenständlichen Bescheid vom ...05.2014 unter Berücksichtigung des Nachgangsbescheids vom ...10.2014 nach der im einstweiligen Rechtschutz nur möglichen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung ebenfalls nicht verletzt. Die bestehenden Mängel der Baugenehmigung vom ...05.2014 hinsichtlich der Abstandsflächenvorschriften sind nach summarischer Prüfung voraussichtlich in nicht zu beanstandender Art und Weise durch den Erlass des Nachgangsbescheids vom ...10.2014 geheilt worden.

4.1 Gemäß Art. 63 Abs. 1 Satz 1 BayBO kann die Bauaufsichtsbehörde Abweichungen von bauordnungsrechtlichen Anforderungen zulassen, wenn sie unter Berücksichtigung der jeweiligen Anforderung und unter Würdigung der nachbarlichen Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar sind. Der Zweck des Abstandsflächenrechts, der vor allem darin besteht, eine ausreichende Belichtung und Lüftung der Gebäude zu gewährleisten und die für Nebenanlagen erforderlichen Freiflächen zu sichern, kann regelmäßig nur dann erreicht werden, wenn die Abstandsflächen in dem gesetzlich festgelegten Umfang eingehalten werden. Da somit jede Abweichung von den Anforderungen des Art. 6 BayBO zur Folge hat, dass die Ziele des Abstandsflächenrechts nur unvollkommen verwirklicht werden, setzt die Zulassung einer Abweichung Gründe von ausreichendem Gewicht voraus, durch die sich das Vorhaben vom Regelfall unterscheidet und die die Einbuße an Belichtung und Lüftung (sowie eine Verringerung der freien Flächen des Baugrundstücks) im konkreten Fall als vertretbar erscheinen lassen. Es muss sich um eine atypische, von der gesetzlichen Regel nicht zureichend erfasste oder bedachte Fallgestaltung handeln (BayVGH, B. v. 17.07.2007 - 1 CS 07.1340 - juris Rn. 16; B. v. 04.08.2011 - 2 CS 11.997 - juris Rn. 23; B. v. 05.12.2011 - 2 CS 11.1902 - juris Rn. 3; U. v. 22.12.2011 - 2 B 11.2231 - juris Rn. 16). Diese kann sich etwa aus einem besonderen Grundstückszuschnitt, einer aus dem Rahmen fallenden Bebauung auf dem Bau- oder dem Nachbargrundstück oder einer besonderen städtebaulichen Situation, wie der Lage des Baugrundstücks in einem historischen Ortskern, ergeben. In solchen Lagen kann auch das Interesse des Grundstückseigentümers, vorhandene Bausubstanz zu erhalten und sinnvoll zu nutzen oder bestehenden Wohnraum zu modernisieren, eine Verkürzung der Abstandsflächen durch Zulassung einer Abweichung rechtfertigen. Weitere Voraussetzung ist die Vereinbarkeit der Abweichung mit den öffentlichen Belangen unter Würdigung nachbarlicher Interessen. Mit der Verpflichtung zur Würdigung nachbarlicher Interessen verlangt das Gesetz - wie bei dem bauplanungsrechtlichen Gebot der Rücksichtnahme - eine Abwägung zwischen den für das Vorhaben sprechenden Gründen und den Belangen des Nachbarn (BayVGH, B. v. 17.7.2007 - 1 CS 07.1340 - juris Rn. 17). Ob eine Abweichung von den Abstandsflächenvorschriften zugelassen werden kann, beurteilt sich dabei nicht allein danach, wie stark die Interessen des betroffenen Nachbarn beeinträchtigt werden. Es ist stets auch zu prüfen, ob die Schmälerung der nachbarlichen Interessen durch überwiegende Interessen des Bauherrn oder überwiegende öffentliche Belange gerechtfertigt ist (BayVGH, B. v. 17.7.2007 - 1 CS 07.1340 - juris Rn. 20). Von Bedeutung ist bei der Beurteilung des Vorliegens der erforderlichen Atypik insbesondere, ob eine sinnvolle Ausnutzung des Baugrundstücks unter Beachtung der Anforderungen des Art. 6 Abs. 5 BayBO unmöglich oder unzumutbar ist (BayVGH, B. v. 30.8.2011 - 15 CS 11.1640 - juris Rn. 16). In dicht bebauten innerstädtischen Bereichen ist eine atypische Situation dann anzunehmen, wenn jedwede bauliche Veränderung der historischen Bausubstanz geeignet ist, eine Abstandsflächenüberschreitung auszulösen (vgl. BayVGH, B. v. 04.08.2011 - 2 CS 11.997 - juris Rn. 23).

4.2 Eine derartige Sondersituation (Atypik) ist im vorliegenden Fall gegeben.

Das Bauplanungsrecht gibt hier eine Bebauung unter Beachtung der vorderen Baulinie und der rückwärtigen Baugrenze vor. Soll auch in diesem Bereich Instandsetzung, Aufwertung oder Erneuerung der zum Teil überalterten Bausubstanz ermöglicht werden, so kommt man nicht umhin, Ausnahmen vom generalisierenden Abstandsflächenrecht zuzulassen (vgl. BayVGH B. v. 05.12.2011 - 2 CS 11.1902 - juris Rn. 3). Dies gilt auch insbesondere deshalb, weil hier im dicht bebauten Altstadtbereich kaum ein Anwesen die Abstandsflächen wahrt. Entscheidend ist, ob sich ein Vorhaben vom normativen Regelfall unterscheidet (vgl. BayVGH vom 7.10.2010 Az. 2 B 09.328 - juris) und dies ist hier wegen der atypischen Grundstücksituation der Fall. Das streitgegenständliche Grundstück der Beigeladenen erlaubt grundsätzlich eine Bebauung, die sich im Rahmen der festgesetzten vorderen Baulinie und der rückwärtigen Baugrenze hält. Da das streitgegenständliche Grundstück an einer nicht geradlinig verlaufenden Straße situiert ist, verlaufen auch die Grundstückgrenzen schräg. Dadurch wirft das streitgegenständliche Bestandsvordergebäude unweigerlich Abstandsflächen auf das Grundstück der Antragstellerin. Die besondere Hinterhofsituation ist ebenfalls durch die nicht rechteckig verlaufenden Grundstückschnitte bedingt. Nicht nur das streitgegenständliche Grundstück, sondern auch die benachbarten Grundstücke haben einen irregulären Grundstückszuschnitt. Die Grundstücke im vorliegenden Geviert sind fast ausnahmslos massiv bebaut und weisen nur wenig Freifläche im Verhältnis zu ihrer Grundstücksfläche auf. Diese spezifische Lage des streitgegenständlichen Grundstücks im absoluten Stadtinnenzentrum mit zum Teil historischer Bausubstanz in Verbindung mit den besonderen Grundstückszuschnitten im vorliegenden Areal und der Vielzahl von Grundstücken mit vergleichsweise massiver Bebauung begründet eine atypische Situation.

4.3 Die erforderliche Abweichung von den Abstandsflächenvorschriften ist auch mit den öffentlichen und mit den geschützten nachbarlichen Belangen vereinbar.

Zwar wird durch die Verwirklichung des streitgegenständlichen Vorhabens zweifellos eine Verschlechterung der abstandsflächenrechtlich geschützten Belange der Antragstellerin - hier Belichtung und Besonnung - bewirkt. Jedoch werden die Schutzziele der Art. 3 und Art. 6 BayBO nicht dergestalt verfehlt, dass eine Abweichung mit den nachbarlichen Belangen unvereinbar wäre. Nach summarischer Prüfung überwiegen die Interessen der Beigeladenen im Rahmen der Abweichungsentscheidung. In die erforderliche Interessenabwägung ist zunächst einzustellen, dass der Um- und Ausbau auch der Schaffung von Wohnraum dient und insoweit im öffentlichen Interesse liegt (vgl. BayVGH B. v. 05.12.2011 - 2 CS 11.1902 - juris Rn. 5). Die Schaffung von Wohnraum ist zwar nicht geeignet, das Vorliegen einer atypischen Fallgestaltung zu begründen, aber - bei Vorliegen der erforderlichen Atypik - stellt die Wohnraumschaffung einen gewichtigen öffentlichen Belang dar, der im Rahmen der nach Art. 63 Abs. 1 BayBO vorzunehmenden Abwägung zu berücksichtigen ist. Außerdem musste die Antragstellerin aufgrund der vorliegenden städtebaulichen Situation damit rechnen, dass früher oder später eine der Umgebung angepasste Baulückenschließung durch die Aufstockung des eingeschossigen Seitengebäudes im rückwärtigen Bereich erfolgen würde. Darüber hinaus berücksichtigt ein Gebäude, das im Hinblick auf das Rücksichtnahmegebot eine terrassenförmige Abstufung wahrt, tendenziell auch die nachbarlichen Belange.

4.4 Die erforderlichen Abweichungen können daher von der Antragsgegnerin nach pflichtgemäßer Ermessensausübung erteilt werden. Sie hat dabei die gesetzlichen Grenzen des Art. 63 Abs. 1 Satz 1 BayBO beachtet. Das durch Art. 63 Abs. 1 Satz 1 BayBO eingeräumte Ermessen ist ein tatbestandlich intendiertes Ermessen, d. h. sind die Tatbestandsvoraussetzungen für eine Abweichung gegeben, so ist sie zuzulassen, es sei denn besondere Umstände stünden dem entgegen (vgl. BayVGH B. v. 22.07.2003 - 15 ZB 02.1233 - juris Rn. 8; Dhom in Simon/Busse, Bayerische Bauordnung, Kommentar, Stand: Januar 2014, Art. 63 Rn. 39). Denn bereits auf der Tatbestandsseite des Art. 63 Abs. 1 Satz 1 BayBO ist eine Abwägung vorzunehmen, die jeweils die vorgesehene Abweichung zu den genannten Einzelaspekten in Beziehung setzt und die betroffenen Belange untereinander koordiniert (BayVGH B. v. 22.07.2003 - 15 ZB 02.1223 - juris Rn. 8).

4.5 Die mit Bescheid vom ...05.2014 erteilten Abweichungen für das südliche und nördliche Seitengebäude sind, obschon es bei Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen des Art. 63 BayBO auf die im Bescheid angegebenen Ermessenserwägungen nicht im Einzelnen ankommt (BayVGH vom 22.7.2003, a. a. O.), vorliegend dennoch zu knapp und pauschal. Im streitgegenständlichen Bescheid vom ...05.2014 wurde bereits die Atypik nicht ausreichend dargelegt und auch die nachbarlichen und öffentlichen Belange nur formelhaften und pauschal begründet. Die erteilten Abweichungen genügten daher in ihrer Begründung nicht den zu stellenden Anforderungen. Ferner hatte die Beigeladenen nicht alle erforderlichen Abweichungen von den Abstandsflächenvorschriften im Bauantrag vom 08.10.2013 beantragt und die Beklagte nicht alle erforderlichen Abweichungen im Bescheid vom ...05. 2014 erteilt. Diese Mängel sind allerdings voraussichtlich durch den Nachgangsbescheid vom ...10.2014 behoben worden. Auch bei einer im Ergebnis unter Umständen unbedenklichen Abweichungsentscheidung muss sich die Bauaufsichtsbehörde ein Gesamtbild der von dem Vorhaben in Anspruch genommenen Abweichungen von den Abstandsflächenanforderungen gemacht haben (vgl. Jäde in Jäde/Dirnberger/Bauer/Weiß, Die neue BayBO, Kommentar, Stand: Mai 2014, Art. 63 Rn. 18, 19). Die Antragsgegnerin hat jedenfalls im Nachgangsbescheid vom ...10. 2014 eine Gesamtschau und Gesamtwürdigung der hier im vorliegenden Fall erforderlichen abstandsrechtlichen Abweichungsentscheidungen vorgenommen, da sie nicht lediglich zwei zusätzliche Abweichungen erteilt, sondern ihre bereits erteilten Abweichungen nachträglich ergänzend begründet hat.

5. Die von der Beigeladenen bei der Antragsgegnerin beantragten weiteren Abweichungen gem. Art. 63 Abs. 1 BayBO wurden mit Nachgangsbescheid vom...10.2014 nach summarischer Prüfung rechtmäßig erteilt. Die Voraussetzungen für die Zulassung einer Abweichung von den Vorgaben des Art. 6 Abs. 2 Satz 1 BayBO liegen voraussichtlich vor, da im Rahmen der Ausübung des „Abweichungsermessens“ die vorstehenden Ausführungen (unter 3.) zum Rücksichtnahmegebot gelten (vgl. BayVGH U. v. 07.10.2010 - 2 B 09.328 - juris Rn. 35).

5.1 Die geplante Dachterrasse mit Terrassenumwehrung ist nach summarischer Prüfung abstandsflächenpflichtig.

Nach Art. 6 Abs. 4 Satz 2 BayBO, der gem. Art. 6 Abs. 4 Satz 5 BayBO für Dachaufbauten gilt, ist die für die Abstandsflächenberechnung maßgebliche Wandhöhe das Maß von der Geländeoberfläche bis zum Schnittpunkt der Wand mit der Dachhaut oder bis zum oberen Abschluss der Wand. Die vorliegend zu beurteilende Dachterrassenumwehrung ist als Bestandteil der Außenwand im vorgenannten Sinn bzw. ein versetzter Außenwandteil. Oberer Bezugspunkt für die Bestimmung der Wandhöhe ist damit die Oberkante der Terrassenumwehrung.

Das Vorliegen einer Außenwand oder eines Außenwandteiles hängt grundsätzlich nicht von der Ausgestaltung der Wand ab. Nur dann, wenn bei natürlicher Betrachtungsweise die Wirkung einer Wand nicht gegeben ist, kann von einer Abstandsflächenpflicht nicht mehr ausgegangen werden (BayVGH vom 8.8.2001 Az.: 2 ZS 01.1331 - Juris; weitergehend OVG NRW vom 1.6.2007 Az.: 7 A 3852/06 - Juris: auf das jeweilige Material eines Terrassengeländers und insbesondere darauf, ob dieses offen oder transparent gestaltet ist, kommt es nicht an; a. A. Simon/Busse, BayBO, Stand: Januar 2014, Art. 6, Rn. 180, für eine überwiegend lichtdurchlässig ausgeführte Dachterrassenumwehrung).

Die geschlossene Einfassung der Dachterrasse, die einen Austritt im Dachspitz des Vordergebäudes erhalten soll, hat eine Gesamtlänge von ca. 8,7 m an der nördlichen Außenwand des Vordergebäudes und ca. 5 m an der östlichen Außenwand des nördlichen rückwärtigen Seitengebäudes sowie eine Höhe von 1,10 m (abgegriffen aus dem genehmigten Abstandsflächenplan). Diese Einfriedung ragt über die Dachfläche hinaus und ist nicht Bestandteil des Daches, sondern tritt vielmehr optisch deutlich wahrnehmbar in Erscheinung. Ein zur Verneinung einer Abstandsflächenrelevanz führender Ausnahmefall ist nach diesen Umständen voraussichtlich nicht gegeben.

Die beantragte Abweichung wurde mit Nachgangsbescheid vom ...10.2014 voraussichtlich rechtmäßig erteilt.

5.2 Die geplante Dachgaube auf der südlichen Dachseite des Vordergebäudes bleibt gem. Art. 6 Abs. 8 Nr. 3 BayBO nur dann bei der Bemessung von Abstandsflächen außer Betracht, wenn es sich um eine untergeordnete Dachgaube handelt. Dies ist hier aber nicht der Fall, da die geplante Dachgaube mit einer Breite von etwa 4 m und einer Höhe von 2,34 m eine Ansichtsfläche von deutlich über 4 m² hat, so dass die Tatbestandsvoraussetzungen des Art. 6 Abs. 8 Nr. 3 b BayBO nicht erfüllt sind.

Mit Antrag vom 22.10.2014 hat die Beigeladene ebenfalls die Erteilung einer Abweichung von den Abstandsflächenvorschriften für die Dachgaube beantragt und die Antragsgegnerin eine entsprechende Abweichung mit Nachgangsbescheid vom ...10.2014 für die Dachgaube erteilt.

5.3 Soweit durch den bündigen Anschluss der südlichen Rückwand des Vordergebäudes die zum Teil mit Loggien versehene Rückwand um 2 m tiefer in den Innenhof hineinragt, ist dies gem. Art. 6 Abs. 1 S. 3 BayBO als Grenzanbau zulässig. Nach Art. 6 Abs. 1 S. 3 BayBO ist vor Außenwänden, die an Grundstücksgrenzen errichtet werden, keine Abstandsfläche erforderlich, wenn nach planungsrechtlichen Vorschriften an die Grenze gebaut werden muss oder gebaut werden darf.

Nach dem vorliegenden Lageplan ist die geschlossene Bauweise im vorliegenden Geviert vorherrschend. Die Antragsgegnerin hat für den geplanten bündigen Anschluss des Vordergebäudes eine Befreiung gem. § 31 Abs. 2 BauGB vom festgesetzten Bauraum erteilt. Die erteilte Befreiung ist auch unter Würdigung der nachbarlichen Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar, da der Nachbar an den kommun angebaut werden soll, selbst die hintere Baugrenze überschreitet und daher selbst Auslöser für den Kommunanbau der südlichen Rückseite des streitgegenständlichen Vordergebäudes ist.

Der Grenzanbau des Vordergebäudes an das antragstellerseitige Gebäude ist somit zulässig.

5.4. Die Vertiefung der südlichen Rückwand des Bestandsvordergebäudes um 2 m und die damit teilweise Schaffung von zusätzlichem Wohnraum sowie der Anbau von Loggien kann als bauliche Veränderung abstandsflächenpflichtig sein. Wird durch einen Anbau eine neue einheitliche Außenwand hergestellt, die auch horizontal oder vertikal versetzt sein kann, so ist eine abstandsflächenrechtliche Betrachtung der gesamten Außenwand erforderlich, d. h. auch der Altbestand muss ebenso wie der hinzukommende Wandteil die Anforderungen des Art. 6 BayBO erfüllen, selbst wenn der Altbestand im Zeitpunkt seiner Errichtung keiner vergleichbaren Anforderung unterworfen war oder wenn er die zum damaligen Zeitpunkt geltenden Anforderungen erfüllt hat (vgl. Dhom in Simon/Busse, BayBO, Kommentar, Stand Januar 2014, Art. 6 Rn. 15).

Das Vorhaben bedarf daher hinsichtlich der vorgesehenen Dachgeschossänderungen im bestehenden Vordergebäude und den kommunen Wandanbau mit der damit verbundenen Vertiefung des Vordergebäudes um ca. 2 m nach der im einstweiligen Rechtschutzverfahren nur möglichen aber auch ausreichenden summarischen Prüfung voraussichtlich einer abstandsflächenrechtlichen Neubetrachtung.

Die Antragsgegnerin hat im Nachgangsbescheid vom ...10.2014 eine Abweichung gem. Art. 63 Abs. 1 BayBO von Art. 6 Abs. 2 BayBO wegen Nichteinhaltung erforderlicher Abstandsflächen durch die südliche Außenwand des Vordergebäudes, der südlichen Brüstung der auf dem Vordergebäude befindlichen Dachterrasse und der auf der Südseite des Vordergebäudes befindlichen Dachgaube erteilt.

Da im Rahmen der Ausübung des „Abweichungsermessens“ die vorstehenden Ausführungen (unter 3.) zum Rücksichtnahmegebot gelten (vgl. BayVGH U. v. 07.10.2010 - 2 B 09.328 - juris Rn. 35), erscheint es nach summarischer Prüfung überwiegend wahrscheinlich, dass die Änderungen an der Rückseite des Vordergebäudes zwar zu einer abstandsflächenrechtlichen Neubetrachtung wegen der „neuen“ Außenwand führt, aber die von der Antragsgegnerin entsprechend erteilte Abweichung gem. Art. 63 BayBO nicht zu beanstanden sein wird.

6. Soweit die Antragstellerin rügt, durch die Summenwirkung der sich von vier Seiten auf ihrem Grundstück treffenden Abstandsflächen in ihren Rechten verletzt zu sein, kann das Gericht diesem Einwand nicht folgen. Ein Fall der Erstreckung von Abstandsflächen auf das Grundstück der Antragstellerin (Art. 6 Abs. 2 Satz 2 und 3 BayBO) liegt hier gerade durch das streitgegenständliche Vorhaben nicht vor, da die erteilten Abweichungen auf eine entsprechende Verkürzung der gesetzlichen Tiefe der Abstandsfläche abzielen (vgl. BayVGH B. v. 15.11.2005 - 2 CS 05.2817 - juris Rn. 2; Dhom in Simon/Busse, BayBO, Kommentar Stand Januar 2014, Art. 63 Rn. 46).

7. Nach § 80a Abs. 3 i.V. mit § 80 Abs. 5 VwGO führt die vom Verwaltungsgericht zu treffende eigenständige Ermessensentscheidung dazu, dass die kraft Gesetzes bestehende sofortige Vollziehbarkeit der Baugenehmigung aufgrund des § 212a Abs. 1 BauGB aufrechterhalten bleiben kann.

Es erscheint unverhältnismäßig und damit ermessensfehlerhaft die aufschiebende Wirkung der voraussichtlich erfolglosen Klage der Antragstellerin anzuordnen.

Soweit die Beigeladene - wie angekündigt - vor einer endgültigen Klärung im Hauptsacheverfahren mit den Bauarbeiten beginnt, wird sie auf eigenes Risiko tätig.

7. Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 4 VwGO.

Die Sonderregelungen gem. § 155 Abs. 3 und 4 VwGO gehen der Kostenverteilung nach § 154 Abs. 1 VwGO vor (Kopp/Schenke, VwGO, Kommentar, 14. Auflage, § 154 Rn.1). Die streitgegenständliche Baugenehmigung vom ...05.2014 war ohne Berücksichtigung des zwischenzeitlich erlassenen Nachgangsbescheids vom ...10.2014 rechtswidrig, da die erteilten Abweichungen von den Abstandsflächenvorschriften gem. Art. 63 Abs. 1 BayBO trotz intendiertem Ermessen der Antragsgegnerin vorliegend zu beanstanden waren. Hinzu kommt der Umstand, dass nicht alle erforderlichen Abweichungen beantragt und genehmigt gewesen sind. Diese behebbaren Mängel rechtfertigen aufgrund des mittlerweile ergangenen Nachgangsbescheids zwar nicht die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage der Antragstellerin, führen aber zur Kostentragungspflicht der Antragsgegnerin und der Beigeladenen, die einen Sachantrag gestellt und sich damit entsprechend § 154 Abs. 3 VwGO auch einem Kostenrisiko ausgesetzt hat.

8. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 3 Nr. 2 i. V. m. § 52 Abs. 1 GKG.

Tenor

I.

Unter Abänderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts München vom 18. Mai 2015 wird die aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage der Antragstellerin gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 25. November 2014 insgesamt angeordnet.

II.

Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen. Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.

III.

Der Streitwert wird auf 3.750 Euro festgesetzt.

Gründe

Die zulässige Beschwerde der Antragstellerin (§ 146 Abs. 1 VwGO) hat Erfolg. Der Senat sieht nach einer einem Eilverfahren wie diesem angemessenen summarischen Prüfung (vgl. BVerfG, B. v. 24.2.2009 - 1 BvR 165/09 - NVwZ 2009,581) im Rahmen der von ihm eigenständig zu treffenden Ermessensentscheidung die Notwendigkeit für eine Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung.

1. Der Senat teilt die Auffassung des Erstgerichts nicht, dass hinsichtlich der von der Grundstücksgrenze abgerückten Außenwände keine Abweichung erforderlich gewesen sei. Das Verwaltungsgericht ist bei der Prüfung der Abstandsflächen für die westliche, zurückversetzte Gebäudewand des Rückgebäudes unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs (BayVGH, B. v. 26.1.2000 - 26 CS 99.2733 - juris) davon ausgegangen, dass ein abweichender Bemessungsmaßstab gelten würde. Für die Berechnung der Wandhöhe sei nicht auf die natürliche Geländeoberfläche bzw. den fiktiven Fußpunkt abzustellen, sondern auf den Austrittspunkt der Wand des zurückversetzten Wandteils aus dem darunter liegenden Gebäudeteil. Die Abweichung ginge deshalb ins Leere.

Die vom Verwaltungsgericht herangezogene Entscheidung des 26. Senats betraf eine spezielle bauplanungsrechtliche Situation, in der an sich an die seitliche Grundstückgrenze gebaut werden durfte, das zulässige Nutzungsmaß (Gebäudehöhe) auf dem Baugrundstück höher als auf dem Nachbargrundstück war und es dann aus Gründen der Rücksichtnahme geboten war, dass der Teil des Vorhabens, der über die auf dem Nachbargrundstück zulässige Gebäudehöhe hinausgeht, einen Abstand von der gemeinsamen Grenze einhält. In dieser speziellen Konstellation hielt es der 26. Senat im Jahr 2000 in einer entsprechenden Anwendung von Art. 6 Abs. 1 Satz 4 BayBO 1998 für angemessen, die Tiefe der zu fordernden Abstandsfläche nicht nach der Gesamthöhe des zurückgesetzten Wandteils, sondern nach der Höhe der freistehenden Wandfläche zu bestimmen. Im vorliegenden Fall ist dagegen nicht erkennbar, wieso ein Wandteil des Bauvorhabens der Beigeladenen aus planungsrechtlichen Gründen von der gemeinsamen Grenze abzurücken ist. Allein die denkbare Begründung, günstigere Lichtverhältnisse im Bauvorhaben der Beigeladenen zu schaffen, ist kein planungsrechtlicher Grund. Bereits von daher dürften die beiden Fallkonstellationen nicht vergleichbar sein. Zudem wurde Art. 6 Abs. 1 Satz 4 BayBO 1998 aufgehoben. Diese Vorschrift ermöglichte die Forderung nach Einhaltung einer Abstandsfläche zur Nachbargrenze in der geschlossenen Bauweise, soweit auf dem Nachbargrundstück ein vorhandenes Gebäude mit Abstand zur gemeinsamen Nachbargrenze bestand. Der Gesetzgeber hat diese Vorschrift für bauordnungsrechtlich irrelevant gehalten und deshalb gestrichen. Der Senat sieht sich deshalb nicht in der Lage, aus der früheren Vorschrift einen allgemeinen Rechtsgedanken abzuleiten, der das positiv-rechtlich normierte System des Abstandsflächenrechts modifiziert.

Aus Sicht des Senats lässt es die Bayerische Bauordnung hier nur dann zu, auf die Einhaltung der an sich erforderlichen Abstandsfläche zu verzichten, wenn sich der Bauherr in Ausnutzung der bauplanungsrechtlichen Möglichkeiten dafür entscheidet, ohne Grenzabstand zu bauen. Wird nicht an die Grenze gebaut, so muss eine Abstandsfläche eingehalten werden, deren Tiefe sich gemäß Art. 6 Abs. 4 Satz 1 BayBO nach der Wandhöhe bemisst. Bei einem Staffelgeschoss entspricht die Wandhöhe der Höhe der fiktiv nach unten bis zum Schnitt mit der Geländeoberfläche verlängerten Außenwand des Staffelgeschosses; von diesem fiktiven Schnitt mit der Geländeoberfläche aus ist dann auch die Abstandsfläche zu bemessen (vgl. OVG Mecklenburg-Vorpommern, B. v. 23.10.2014 - 3 M 133/14 - juris). Bei einer Höhe der zurückversetzten Wand von 9,26 m kommt die gemäß Art. 6 Abs. 5 Satz 1 BayBO einzuhaltende Abstandsfläche nicht vollständig auf dem Vorhabensgrundstück zu liegen, weil der Abstand zur westlichen Grundstücksgrenze nur 7,34 m beträgt. Eine Abweichung war daher erforderlich.

2. Es sprechen überwiegende Gründe dafür, dass das mit der verfahrensgegenständlichen Baugenehmigung zugelassene Bauvorhaben hinsichtlich der Erteilung einer Abweichung zum Grundstück der Antragstellerin hin gegen drittschützende Rechte der Antragstellerin verstößt, die im Baugenehmigungsverfahren zu prüfen waren (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO, Art. 59 BayBO). Vorliegend wurde eine Abweichung nach Art. 63 Abs. 1 Satz 1 BayBO wegen der Nichteinhaltung erforderlicher Abstandsflächen zum Nachbargrundstück erteilt, so dass diese vom Prüfungsumfang des Baugenehmigungsverfahrens umfasst sind.

Nach summarischer Prüfung ist die in der Baugenehmigung erteilte Abweichung nach Art. 63 Abs. 1 Satz 1 BayBO von der Anforderung des Art. 6 Abs. 2 Satz 1 BayBO wegen Nichteinhaltung erforderlicher Abstandsflächen durch den Neubau des Rückgebäudes zum Nachbargrundstück FlNr. 2724/2 L.-straße 20a bis 20c nicht in rechtmäßiger Weise erteilt worden. Gemäß Art. 63 Abs. 1 Satz 1 BayBO kann die Bauaufsichtsbehörde Abweichungen von den Anforderungen des Bauordnungsrechts zulassen, wenn sie unter Berücksichtigung des Zwecks der jeweiligen Anforderungen und unter Würdigung der öffentlich-rechtlich geschützten nachbarlichen Belange mit den öffentlichen Belangen vereinbar sind. Dies ist vorliegend wohl nicht der Fall.

Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs, dass die Zulassung einer Abweichung Gründe erfordert, durch die sich das Vorhaben vom Regelfall unterscheidet und die die etwa bewirkten Einbußen an geschützten Nachbarrechtspositionen vertretbar erscheinen lassen (vgl. BayVGH, B. v. 13.2.2002 - 2 CS 01.1506 - juris; U. v. 22.12.2011 - 2 B 11.2231 - juris). Wie diese „Atypik“ beschaffen sein muss und ob sie sich auf Einzelfälle beschränkt, hängt von der jeweiligen Situation ab.

Um den durch Art. 14 GG geschützten Interessen des Bauherrn an einer sinnvollen Verwertung der vorhandenen Bausubstanz Rechnung zu tragen, muss zwar grundsätzlich eine zeitgemäße, den Wohnungsbedürfnissen entsprechende Sanierung, Instandsetzung, Aufwertung oder Erneuerung einer zum Teil überalterten Bausubstanz ermöglicht werden. Es begründen aber allein Wünsche eines Eigentümers, sein Grundstück stärker auszunutzen als dies ohnehin schon zulässig wäre, noch keine Atypik. Eine atypische Situation sieht der Senat hier derzeit nicht und wurde von der Antragsgegnerin sowie der Beigeladenen bislang auch nicht dargelegt.

Die atypische Grundstückssituation kann nicht darin liegen, dass gemäß Art. 6 Abs. 1 Satz 3 BayBO Abstandsflächen im vorliegenden Fall überhaupt nicht erforderlich wären (dazu unten 3.). Denn Art. 6 Abs. 1 Satz 3 BayBO räumt nach seinem eindeutigen Wortlaut dem bundesrechtlichen Planungsrecht nur dann den Vorrang gegenüber dem Bauordnungsrecht ein, wenn die Außenwände tatsächlich an der Grundstücksgrenze errichtet werden. Dies ist jedoch in Bezug auf denjenigen Teil, der von der Grundstücksgrenze abrückt, gerade nicht der Fall. Art. 6 Abs. 1 Satz 3 BayBO räumt dem Bauherrn kein Recht ein, anstelle einer bauplanungsrechtlich zulässigen Grenzbebauung in einem geringeren Abstand, als in den Abstandsflächenbestimmungen vorgesehen, an die Grenze zu bauen (vgl. Jäde in Jäde/Dirnberger/Bauer/Weiss, Die neue Bayerische Bauordnung, Stand: Februar 2015, Art. 63 Rn. 28; OVG Berlin-Brandenburg, B. v. 19.12.2012 - OVG 2 S 44/12 - NVwZ-RR 2013, 400).

3. Die Baugenehmigung ist hier nicht teilbar. Auch wenn die fehlerhafte Abweichung in erster Linie die von der Grundstücksgrenze abgerückten Außenwände betrifft, ist daher die aufschiebende Wirkung insgesamt anzuordnen. Der Senat weist jedoch für das weitere Verfahren auf folgendes hin: Das Erstgericht hat entgegen dem Vortrag der Antragstellerin in zutreffender Weise das Vorliegen der Voraussetzungen für einen zulässigen Grenzanbau nach Art. 6 Abs. 1 Satz 3 BayBO bejaht. Nach dieser Vorschrift ist eine Abstandsfläche nicht erforderlich vor Außenwänden, die an Grundstücksgrenzen errichtet werden, wenn nach planungsrechtlichen Vorschriften an die Grenze gebaut werden muss oder gebaut werden darf.

Die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens bemisst sich nach § 30 Abs. 3 und § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB, weil das Baugrundstück im Geltungsbereich eines übergeleiteten Baulinienplans und im Übrigen im nicht überplanten Innenbereich liegt. Nach § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB ist ein Vorhaben innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt. Als nähere Umgebung im Sinn von § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB ist der umliegende Bereich anzusehen, soweit sich die Ausführung des Vorhabens auf ihn auswirken kann und soweit er seinerseits den bodenrechtlichen Charakter des zur Bebauung vorgesehenen Grundstücks prägt oder doch beeinflusst (vgl. BVerwG, U. v. 26.5.1978 - IV C 9.77 - juris; B. v. 20.8.1998 - 4 B 79/98 - juris). Die Grenzen sind nicht schematisch, sondern nach der jeweiligen städtebaulichen Situation zu bestimmen (vgl. BVerwG, B. v. 28.8.2003 - 4 B 74/03 - juris). Dabei ist die nähere Umgebung für jedes der Merkmale des § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB gesondert zu ermitteln, weil die wechselseitige Prägung unterschiedlich weit reichen kann (vgl. BVerwG, B. v. 6.11.1997 - 4 B 172/97 - juris).

Wenn man für die Prüfung des Einfügens nach § 34 Abs. 1 BauGB wie das Verwaltungsgericht den Bereich für maßgeblich hält, der im Osten durch die R.-straße, im Süden durch die R...-Straße, im Westen durch die S.-straße und im Norden durch die L.-straße begrenzt ist, finden sich hinsichtlich grenzständiger Bebauung an den rückwärtigen Grundstücksgrenzen in dieser maßgeblichen Umgebung mehrere Vorbilder. Hierbei handelt es sich um die rückwärtige Bebauung auf den Grundstücken FlNr. 2705 (R.-straße 9), FlNr. 2713 (S.-straße 20), FlNr. 2720 (S.-straße 24), FlNr. 2702 (L.-straße 20) und FlNr. 2701 (L.-straße 24).

Dieser weite Umgriff ist nicht zweifelsfrei. Denn bei der überbaubaren Grundstücksfläche ist der maßgebliche Bereich in der Regel enger zu begrenzen als etwa bei der Art der baulichen Nutzung, weil die von den überbauten Grundstücksflächen ausgehende Prägung in ihrer Reichweite im Allgemeinen hinter den von der Art der baulichen Nutzung ausgehenden Wirkungen zurückbleibt (vgl. BayVGH, B. v. 19.12.2006 - 1 ZB 05.1371 - juris). Wenn man deshalb die Bebauung an der S.-straße ausscheidet, sind nach den dem Senat vorliegenden Luftbildern und Plänen trotzdem hinreichend Vorbilder für die Bebauung an der rückwärtigen Grundstücksgrenze entlang der R.-straße sowie der L.-straße vorhanden. Zuzugestehen ist der Antragstellerin allerdings, dass hinsichtlich der Bebauung im rückwärtigen Bereich des Grundstücks FlNr. 2701 (L.-straße 24) eine Genehmigung des westlichen rückwärtigen Gebäudes als Hauptgebäude entgegen der Auffassung des Erstgerichts nicht festgestellt werden kann. Der Senat kann den Bauakten nicht entnehmen, dass das westliche eingeschossige Gebäude ein Wohngebäude darstellt. Vielmehr geht aus dem am 8. Juli 1897 genehmigten Plan hervor, dass es sich dabei um eine Wagenremise bzw. Geschirrkammer handelt. Im Ergebnis kommt es jedoch im vorliegenden Fall auf diesen Punkt nicht an, weil das dreigeschossige östliche Rückgebäude bereits im 19. Jahrhundert auch als Wohngebäude bauaufsichtlich genehmigt wurde. Damit wurde das Grundstück auch im rückwärtigen Bereich grenzständig bebaut.

Der Senat teilt die Auffassung des Erstgerichts, dass im vorliegenden Fall aus der Bestandsbebauung eine in etwa einheitlich verlaufende rückwärtige Baulinie oder Baugrenze nicht ablesbar ist. Folglich ergibt sich hieraus kein Maßstab, der gegen eine grenzständige rückwärtige Bebauung sprechen würde.

4. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1, § 162 Abs. 3 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47, 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 GKG.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

(1) Die Beteiligten können vor dem Verwaltungsgericht den Rechtsstreit selbst führen.

(2) Die Beteiligten können sich durch einen Rechtsanwalt oder einen Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, der die Befähigung zum Richteramt besitzt, als Bevollmächtigten vertreten lassen. Darüber hinaus sind als Bevollmächtigte vor dem Verwaltungsgericht vertretungsbefugt nur

1.
Beschäftigte des Beteiligten oder eines mit ihm verbundenen Unternehmens (§ 15 des Aktiengesetzes); Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich auch durch Beschäftigte anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen,
2.
volljährige Familienangehörige (§ 15 der Abgabenordnung, § 11 des Lebenspartnerschaftsgesetzes), Personen mit Befähigung zum Richteramt und Streitgenossen, wenn die Vertretung nicht im Zusammenhang mit einer entgeltlichen Tätigkeit steht,
3.
Steuerberater, Steuerbevollmächtigte, Wirtschaftsprüfer und vereidigte Buchprüfer, Personen und Vereinigungen im Sinne der §§ 3a und 3c des Steuerberatungsgesetzes im Rahmen ihrer Befugnisse nach § 3a des Steuerberatungsgesetzes, zu beschränkter geschäftsmäßiger Hilfeleistung in Steuersachen nach den §§ 3d und 3e des Steuerberatungsgesetzes berechtigte Personen im Rahmen dieser Befugnisse sowie Gesellschaften im Sinne des § 3 Satz 1 Nummer 2 und 3 des Steuerberatungsgesetzes, die durch Personen im Sinne des § 3 Satz 2 des Steuerberatungsgesetzes handeln, in Abgabenangelegenheiten,
3a.
Steuerberater, Steuerbevollmächtigte, Wirtschaftsprüfer und vereidigte Buchprüfer, Personen und Vereinigungen im Sinne der §§ 3a und 3c des Steuerberatungsgesetzes im Rahmen ihrer Befugnisse nach § 3a des Steuerberatungsgesetzes, zu beschränkter geschäftsmäßiger Hilfeleistung in Steuersachen nach den §§ 3d und 3e des Steuerberatungsgesetzes berechtigte Personen im Rahmen dieser Befugnisse sowie Gesellschaften im Sinne des § 3 Satz 1 Nummer 2 und 3 des Steuerberatungsgesetzes, die durch Personen im Sinne des § 3 Satz 2 des Steuerberatungsgesetzes handeln, in Angelegenheiten finanzieller Hilfeleistungen im Rahmen staatlicher Hilfsprogramme zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie, wenn und soweit diese Hilfsprogramme eine Einbeziehung der Genannten als prüfende Dritte vorsehen,
4.
berufsständische Vereinigungen der Landwirtschaft für ihre Mitglieder,
5.
Gewerkschaften und Vereinigungen von Arbeitgebern sowie Zusammenschlüsse solcher Verbände für ihre Mitglieder oder für andere Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder,
6.
Vereinigungen, deren satzungsgemäße Aufgaben die gemeinschaftliche Interessenvertretung, die Beratung und Vertretung der Leistungsempfänger nach dem sozialen Entschädigungsrecht oder der behinderten Menschen wesentlich umfassen und die unter Berücksichtigung von Art und Umfang ihrer Tätigkeit sowie ihres Mitgliederkreises die Gewähr für eine sachkundige Prozessvertretung bieten, für ihre Mitglieder in Angelegenheiten der Kriegsopferfürsorge und des Schwerbehindertenrechts sowie der damit im Zusammenhang stehenden Angelegenheiten,
7.
juristische Personen, deren Anteile sämtlich im wirtschaftlichen Eigentum einer der in den Nummern 5 und 6 bezeichneten Organisationen stehen, wenn die juristische Person ausschließlich die Rechtsberatung und Prozessvertretung dieser Organisation und ihrer Mitglieder oder anderer Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder entsprechend deren Satzung durchführt, und wenn die Organisation für die Tätigkeit der Bevollmächtigten haftet.
Bevollmächtigte, die keine natürlichen Personen sind, handeln durch ihre Organe und mit der Prozessvertretung beauftragten Vertreter.

(3) Das Gericht weist Bevollmächtigte, die nicht nach Maßgabe des Absatzes 2 vertretungsbefugt sind, durch unanfechtbaren Beschluss zurück. Prozesshandlungen eines nicht vertretungsbefugten Bevollmächtigten und Zustellungen oder Mitteilungen an diesen Bevollmächtigten sind bis zu seiner Zurückweisung wirksam. Das Gericht kann den in Absatz 2 Satz 2 Nr. 1 und 2 bezeichneten Bevollmächtigten durch unanfechtbaren Beschluss die weitere Vertretung untersagen, wenn sie nicht in der Lage sind, das Sach- und Streitverhältnis sachgerecht darzustellen.

(4) Vor dem Bundesverwaltungsgericht und dem Oberverwaltungsgericht müssen sich die Beteiligten, außer im Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht oder einem Oberverwaltungsgericht eingeleitet wird. Als Bevollmächtigte sind nur die in Absatz 2 Satz 1 bezeichneten Personen zugelassen. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich durch eigene Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt oder durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen. Vor dem Bundesverwaltungsgericht sind auch die in Absatz 2 Satz 2 Nr. 5 bezeichneten Organisationen einschließlich der von ihnen gebildeten juristischen Personen gemäß Absatz 2 Satz 2 Nr. 7 als Bevollmächtigte zugelassen, jedoch nur in Angelegenheiten, die Rechtsverhältnisse im Sinne des § 52 Nr. 4 betreffen, in Personalvertretungsangelegenheiten und in Angelegenheiten, die in einem Zusammenhang mit einem gegenwärtigen oder früheren Arbeitsverhältnis von Arbeitnehmern im Sinne des § 5 des Arbeitsgerichtsgesetzes stehen, einschließlich Prüfungsangelegenheiten. Die in Satz 5 genannten Bevollmächtigten müssen durch Personen mit der Befähigung zum Richteramt handeln. Vor dem Oberverwaltungsgericht sind auch die in Absatz 2 Satz 2 Nr. 3 bis 7 bezeichneten Personen und Organisationen als Bevollmächtigte zugelassen. Ein Beteiligter, der nach Maßgabe der Sätze 3, 5 und 7 zur Vertretung berechtigt ist, kann sich selbst vertreten.

(5) Richter dürfen nicht als Bevollmächtigte vor dem Gericht auftreten, dem sie angehören. Ehrenamtliche Richter dürfen, außer in den Fällen des Absatzes 2 Satz 2 Nr. 1, nicht vor einem Spruchkörper auftreten, dem sie angehören. Absatz 3 Satz 1 und 2 gilt entsprechend.

(6) Die Vollmacht ist schriftlich zu den Gerichtsakten einzureichen. Sie kann nachgereicht werden; hierfür kann das Gericht eine Frist bestimmen. Der Mangel der Vollmacht kann in jeder Lage des Verfahrens geltend gemacht werden. Das Gericht hat den Mangel der Vollmacht von Amts wegen zu berücksichtigen, wenn nicht als Bevollmächtigter ein Rechtsanwalt auftritt. Ist ein Bevollmächtigter bestellt, sind die Zustellungen oder Mitteilungen des Gerichts an ihn zu richten.

(7) In der Verhandlung können die Beteiligten mit Beiständen erscheinen. Beistand kann sein, wer in Verfahren, in denen die Beteiligten den Rechtsstreit selbst führen können, als Bevollmächtigter zur Vertretung in der Verhandlung befugt ist. Das Gericht kann andere Personen als Beistand zulassen, wenn dies sachdienlich ist und hierfür nach den Umständen des Einzelfalls ein Bedürfnis besteht. Absatz 3 Satz 1 und 3 und Absatz 5 gelten entsprechend. Das von dem Beistand Vorgetragene gilt als von dem Beteiligten vorgebracht, soweit es nicht von diesem sofort widerrufen oder berichtigt wird.

(1) Kammerrechtsbeistände stehen in den nachfolgenden Vorschriften einem Rechtsanwalt gleich:

1.
§ 79 Absatz 1 Satz 2 und Absatz 2 Satz 1, § 88 Absatz 2, § 121 Absatz 2 bis 4, § 122 Absatz 1, den §§ 126, 130d und 133 Absatz 2, den §§ 135, 157 und 169 Absatz 2, den §§ 174, 195 und 317 Absatz 5 Satz 2, § 348 Absatz 1 Satz 2 Nummer 2 Buchstabe d, § 397 Absatz 2 und § 702 Absatz 2 Satz 2 der Zivilprozessordnung,
2.
§ 10 Absatz 2 Satz 1, § 11 Satz 4, § 13 Absatz 4, den §§ 14b und 78 Absatz 2 bis 4 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit,
3.
§ 11 Absatz 2 Satz 1 und § 46g des Arbeitsgerichtsgesetzes,
4.
den §§ 65d und 73 Absatz 2 Satz 1 und Absatz 6 Satz 5 des Sozialgerichtsgesetzes, wenn nicht die Erlaubnis das Sozial- und Sozialversicherungsrecht ausschließt,
5.
den §§ 55d und 67 Absatz 2 Satz 1 und Absatz 6 Satz 4 der Verwaltungsgerichtsordnung,
6.
den §§ 52d und 62 Absatz 2 Satz 1 und Absatz 6 Satz 4 der Finanzgerichtsordnung, wenn die Erlaubnis die geschäftsmäßige Hilfeleistung in Steuersachen umfasst.

(2) Registrierte Erlaubnisinhaber stehen im Sinn von § 79 Abs. 2 Satz 1 der Zivilprozessordnung, § 10 Abs. 2 Satz 1 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit, § 11 Abs. 2 Satz 1 des Arbeitsgerichtsgesetzes, § 73 Abs. 2 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes, § 67 Abs. 2 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung und § 62 Abs. 2 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung einem Rechtsanwalt gleich, soweit ihnen die gerichtliche Vertretung oder das Auftreten in der Verhandlung

1.
nach dem Umfang ihrer bisherigen Erlaubnis,
2.
als Prozessagent durch Anordnung der Justizverwaltung nach § 157 Abs. 3 der Zivilprozessordnung in der bis zum 30. Juni 2008 geltenden Fassung,
3.
durch eine für die Erteilung der Erlaubnis zum mündlichen Verhandeln vor den Sozialgerichten zuständige Stelle,
4.
nach § 67 der Verwaltungsgerichtsordnung in der bis zum 30. Juni 2008 geltenden Fassung oder
5.
nach § 13 des Gesetzes über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit in der bis zum 30. Juni 2008 geltenden Fassung
gestattet war. In den Fällen des Satzes 1 Nummer 1 bis 3 ist der Umfang der Befugnis zu registrieren und im Rechtsdienstleistungsregister bekanntzumachen.

(3) Das Gericht weist registrierte Erlaubnisinhaber, soweit sie nicht nach Maßgabe des Absatzes 2 zur gerichtlichen Vertretung oder zum Auftreten in der Verhandlung befugt sind, durch unanfechtbaren Beschluss zurück. Prozesshandlungen eines nicht vertretungsbefugten Bevollmächtigten und Zustellungen oder Mitteilungen an diesen Bevollmächtigten sind bis zu seiner Zurückweisung wirksam. Das Gericht kann registrierten Erlaubnisinhabern durch unanfechtbaren Beschluss die weitere Vertretung oder das weitere Auftreten in der Verhandlung untersagen, wenn sie nicht in der Lage sind, das Sach- und Streitverhältnis sachgerecht darzustellen.§ 335 Abs. 1 Nr. 5 der Zivilprozessordnung gilt entsprechend.