Verwaltungsgericht München Urteil, 29. Feb. 2016 - M 8 K 14.4469

bei uns veröffentlicht am29.02.2016

Gericht

Verwaltungsgericht München

Tenor

I.

Die Baugenehmigung vom 26. September 2013, Az.: ... wird aufgehoben.

II.

Die Beklagte und die Beigeladene haben die Kosten des Verfahrens je zur Hälfte zu tragen.

Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.

III.

Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Kostenschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Die Kläger sind Eigentümer des Anwesens ... Straße 4a in ..., Fl.Nr. ... der Gemarkung ... Sie wenden sich mit ihrer Klage gegen eine der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung für die Errichtung von drei Wohngebäuden mit Tiefgarage - Haus A - C - in der ... Straße/... Straße/... Straße in ..., Fl.Nrn. ..., ...

Am 27. Juni 2013 beantragte die Beigeladene die Baugenehmigung für das streitgegenständliche Vorhaben, Häuser A, B und C. Dabei handelt es sich um drei in geschlossener Bauweise geplante Häuser entlang der ... Straße zwischen der ... Straße im Norden und der ... Straße im Süden. Die Gebäude sollen mit vier Vollgeschossen und ausgebauten Dachgeschossen errichtet werden.

Nach der Betriebsbeschreibung, die dem Bauantrag als Anlage beigefügt ist, sind für das Haus A insgesamt 15 und für Haus B insgesamt 16 Wohneinheiten geplant. Davon sollen im Haus A 13 und in Haus B sämtliche 16 Wohnungen fest an einen Hauptmieter zum Zweck der Untervermietung vermietet werden. Die Wohnungen würden sich von herkömmlichen Wohnungen nicht unterscheiden. Der Hauptmieter werde die Wohnungen jedoch nur mit zeitlich befristeten Mietverträgen, die maximal ein halbes Jahr betragen, zur Vermietung anbieten. Durch die zeitliche Befristung der Mietverträge würde die Vermietung der Umsatzsteuer unterliegen. Somit werde dem Bedarf von kurzfristigem Wohnraum in ... Rechnung getragen. Haus C soll nach den Bauvorlagen 15 Wohnungen umfassen.

Am 26. September 2013 erteilte die Beklagte der Beigeladenen die streitgegenständliche Baugenehmigung nach dem Bauantrag (Pl.Nr. ...) vom 27. Juni 2013 mit Handeintragungen vom 26. und 27. August 2013 für den Neubau dreier Wohngebäude mit Tiefgarage, Haus A bis C, ... Straße/... Straße/... Straße gemäß Art. 59 und Art. 68 BayBO im vereinfachten Genehmigungsverfahren. Es wurden eine Befreiung von § 31 Abs. 2 BauGB wegen Überschreitung der Baulinie mit 11 Terrassen, 9 Licht- bzw. Lüftungsschächten, 9 Balkonen und einem Fahrradstellplatz sowie eine Abweichung gemäß Art. 63 Abs. 1 BayBO i. V. m. § 3 Abs. 1 GaStellV und eine Abweichung von Art. 6 Abs. 2 Satz 1 BayBO wegen Nichteinhaltung erforderlicher Abstandsflächen zu den Nachbargrundstücken Fl.Nr. ... und ... erteilt.

Eine Zustellung der streitgegenständlichen Baugenehmigung vom 26. September 2013 an die Kläger erfolgte nicht.

Mit Schriftsatz vom 25. September 2014, am selben Tag bei Gericht per Fax eingegangen, erhoben die Bevollmächtigten der Kläger Klage

gegen den Bescheid der ... vom 25.09.2013, Az. ... (im streitgegenständlichen Verfahren M 8 K 14.4469).

Sowie

gegen den Bescheid vom 26. September 2013, Az. ... (im Verfahren M 8 K 14.4400).

Hierbei fand insoweit eine Datumsverwechselung statt, indem der streitgegenständliche Bescheid zu Pl.Nr. ... tatsächlich vom 26. September 2013 datiert, der zu Pl.Nr. ... (im Verfahren M 8 K 14.4400) dafür vom 25. September 2013 stammt.

Die beiden Bescheide seien den Klägern nicht zugestellt worden, so dass zur Fristwahrung die Jahresfrist des § 58 Abs. 2 VwGO zugrunde zu legen sei. Die Errichtung der Häuser A - C und D führe dazu, dass in dem Geviert, in dem das Grundstück der Kläger liege, geschlossene Bauweise zugelassen werde, obwohl dieser Bereich faktisch durch offene Bauweise geprägt sei. Die Umsetzung der Vorhaben aus den beiden Bescheiden würde in nachbarrechtsverletzender Art den Bebauungscharakter verändern. Als maßgeblich sei nur die Bebauung beiderseits der ... Straße heranzuziehen und nicht das gesamte Straßengeviert. Die Verwirklichung der Häuser A bis D führe somit zu einer rechtswidrigen Veränderung der im relevanten Gebietsumgriff vorherrschenden offenen Bauweise.

Mit Schreiben vom 14. Januar 2016 beantragte die Beklagte,

die Klage wird abgewiesen.

Das Vorhaben füge sich hinsichtlich der Bauweise in die maßgebliche nähere Umgebung ein, welche durch die ... Straße, die ... Straße, die ... Straße und die ...-straße sowie die gegenüber liegende Seite der ... Straße gebildet werde. Zum anderen seien Bestimmungen über die Bauweise nicht drittschützend, so dass bereits deswegen eine Nachbarrechtsverletzung ausscheide. Eine unzumutbare Beeinträchtigung der Kläger sei nicht ersichtlich. Die Kläger seien schon räumlich durch die Häuser A bis C nicht unmittelbar als Nachbarn betroffen, es lägen zwei weitere Grundstücke (Fl.Nrn. ... und ...) zwischen dem Vorhaben und dem klägerischen Grundstück. Eine Rücksichtslosigkeit des Vorhabens aufgrund einer erdrückenden oder einmauernden Wirkung sowie eine unzumutbare Beeinträchtigung der Lichtverhältnisse scheide aus.

Mit Schriftsatz vom 18. Januar 2016 beantragten die Bevollmächtigten der Beigeladenen,

die Klage abzuweisen.

Die Kläger hätten ihre Nachbarrechte verwirkt. Den Klägern sei der Vorbescheid vom 20. Juli 2010 zugestellt worden. Die Kläger hätten gegen diesen Vorbescheid keine Klage eingelegt. Der Vorbescheid sei bestandskräftig. Den Klägern sei auch bekannt gewesen, dass Baugenehmigungen erteilt worden seien, denn sie hätten gegen das Gebäude E ein Eilverfahren und ein Klageverfahren geführt (M 8 SN 13.5483 und M 8 K 13.5031). Die Klage sei am 31. Oktober 2013 eingelegt worden, der Antrag im Eilverfahren am 2. Dezember 2013. Die Klagen gegen die Baugenehmigungen für die Gebäude A bis D seien dennoch erst mit Schriftsatz vom 25. September 2014 erhoben worden.

Angesichts dieser Vorgeschichte hätten die Kläger ihre Klagerechte verwirkt. Der Verwaltungsgerichtshof habe ausgeführt, dass ein Nachbar aufgrund des nachbarlichen Gegenseitigkeits- und Gemeinschaftsverhältnisses die Pflicht habe, Einwendungen gegen ein Bauvorhaben möglichst ungesäumt vorzutragen. Es sei in der Rechtsprechung anerkannt, dass Verwirkung bereits vor Ablauf der Jahresfrist des § 58 Abs. 2 VwGO eintreten könne (BayVGH, B. v. 21.03.2012 - 14 ZB 11.2148 - juris Rn. 12 ff.). Vorliegend hätten die Kläger aufgrund des Eil- und Klageverfahrens gegen das Gebäude E und der Bautätigkeit bereits Anfang Dezember 2013 vom Vorliegen der Baugenehmigung auch für die Gebäude A bis D Kenntnis erlangt.

Gegenüber den Klägern sei der Vorbescheid vom 20. Juli 2010 bestandskräftig. Nachdem die streitgegenständliche Baugenehmigung die geschlossene Bauweise übernommen habe, enthalte sie keine neuen Regelungen.

Mit Schriftsatz vom 18. Januar 2016 stellten die Bevollmächtigten der Kläger in dem Verfahren M 8 K 14.4469 den Antrag:

Die Baugenehmigung vom 26.09.2013 (Az. ...) wird aufgehoben.

Im Verfahren M 8 K 14.4400 stellten sie einen entsprechenden Antrag hinsichtlich der Baugenehmigung vom 25. September 2013, Az. ...

Die in beiden Verfahren streitgegenständlichen Vorhaben fügten sich hinsichtlich des Kriteriums der Bauweise nicht in die maßgebliche Umgebungsbebauung ein. Daraus resultiere eine Verletzung des Rücksichtnahmegebots. Weiter seien Wohngebäude genehmigt, der Komplex A bis C werde aber einer gewerblichen Nutzung zugeführt. Damit sei der Gebietserhaltungsanspruch in Hinblick auf das Kriterium der baulichen Nutzung verletzt. Die Gebäude A bis C würden überwiegend als Beherbergungsbetrieb beworben und sollten so genutzt werden.

Der südwestliche Bereich des streitgegenständlichen Bebauungsgevierts habe im Wesentlichen die offene Einzelhausbebauung sowie die südlich der ... Straße gelegene offene Einzelhausbebauung übernommen. Dieser komme prägende Wirkung zu. Die zu bebauenden Freiflächenbereiche seien in ihrer Gebietsprägung den angrenzenden Bereichen der ... und der ... Straße zuzuordnen. Wie der Bayerische Verwaltungsgerichtshof in der Eilentscheidung im Verfahren Az. 2 CS 14.27 richtig erkannt habe, verlaufe durch das Geviert ein Schnitt von der nordwestlichen zur südöstlichen Ecke. Die maßgebliche Prägung sei die Bebauung durch die angrenzende offene Bauweise.

Weiter solle der Gebäudekomplex A - C in wesentlichen Teilen gewerblich genutzt werden. Es würden hotelähnliche Leistungen bzw. Leistungen eines Beherbergungsbetriebes angeboten. Dies zeige der Internetauftritt unter www.maxlodging.de. Die Mietdauer von nur zwei Wochen mache deutlich, dass es sich hier nicht um ein dauerhaftes Wohnen handele. Es werde für die Kunden und Reisenden auch Personal zur persönlichen Betreuung vorgehalten. Das seien Kriterien, die einem Beherbergungsbetrieb zuzuordnen seien. Letztlich handele es sich um eine gewerbliche Bereitstellung von Räumen zum Zweck der Gästebeherbergung. Die Voraussetzung des Wohnens sei die eigenständige Haushaltsführung auf Dauer. Vorliegend seien die kurzfristigen Mietverhältnisse so gestaltet, dass eine auf Dauer angelegte eigene Häuslichkeit nicht entstehen solle. Es sei auch kein Boardinghouse, denn dieses sei für Personen gedacht, die sich auf längere Zeit an einem Ort aufhalten und ihren Aufenthalt unabhängig von hoteltypischen Dienstleistungen gestalten wollten. Vorliegend sei der Rahmen der Nutzung jedoch auf ständige Fluktuation ausgerichtet. Die streitgegenständlichen Gebäude befänden sich in einem reinen Wohngebiet. Nach § 34 Abs. 2 BauGB in Zusammenhang mit § 3 BauNVO sei ausschließlich Wohnen allgemein zulässig, ausnahmsweise nur kleinere Beherbergungsbetriebe. Das Angebot von 29 Appartements sei mit diesem Begriff nicht mehr in Einklang zu bringen. Folglich füge sich der Gebäudekomplex hinsichtlich der baulichen Nutzung nicht in die Umgebungsbebauung ein. Demnach sei der Gebietserhaltungsanspruch verletzt.

Die Klagefrist sei gewahrt. Die streitgegenständliche Baugenehmigung sei nicht zugestellt worden, so dass jedenfalls die Jahresfrist nach § 58 Abs. 2 VwGO greife. Eine Verwirkung des Klagerechts scheide aus. Ein Vertrauen auf Seiten der Beigeladenen, dass man einen diesbezüglichen Gebäudebestand akzeptieren werde, sei zu keinem Zeitpunkt entstanden. Die Jahresfrist des § 58 VwGO sei Ausdruck eines allgemeinen Rechtsgedankens.

Das Bundesverwaltungsgericht habe in seiner Entscheidung vom 5. Dezember 2013 (Az. 5 C 6/12) deutlich gemacht, dass das Kriterium der Bauweise des § 34 Abs. 1 S. 1 BauGB über das Rücksichtnahmnegebot drittschützende Wirkung auch im unbeplanten Innenbereich entfalten könne. Die Interessenlage sei hier derjenigen innerhalb eines Plangebietes gleichzusetzen, für das offene Bauweise festgesetzt sei. Das Rücksichtnahmegebot fordere nicht, dass der Betroffene unmittelbar an das Baugrundstück angrenze. Es sei zwar richtig, dass das streitgegenständliche Bauvorhaben nicht unmittelbar gegen Art. 6 BayBO verstoße. Beschränkte man aber den Drittschutz auf unmittelbar angrenzende Grundstücksflächen, so könnte ein Bauträger in Zusammenwirken mit der Baugenehmigungsbehörde ein durch offene Bauweise geprägtes Geviert mit geschlossener Bebauung füllen. Die Festsetzung der offenen Bauweise in einem Bebauungsplan führe dazu, dass die Eigentümer sich darauf verlassen könnten, dass seitliche Grenzabstände eingehalten seien. Eine Prägung des unbeplanten Innenbereichs durch offene Bauweise sollte zum gleichen Ergebnis führen.

Mit Schriftsatz vom 28. Januar 2016 verwiesen die Bevollmächtigten der Kläger darauf, dass in dem von den Bevollmächtigten der Beigeladenen angeführten Bescheid der Beklagten vom 20. Juli 2010 eine Blockrandbebauung ausdrücklich abgelehnt werde. Die Kläger hätten schon vor Genehmigungserteilung mit einem Schreiben an die Beklagte vom 9. August 2013 zum Ausdruck gebracht, dass sie die Häuser A bis D nicht akzeptieren würden. Sowohl der Beklagten wie der Beigeladenen sei bekannt gewesen, dass die Kläger den Gesamtgebäudekomplex nicht hinnehmen wollten. Ein Vertrauen darauf, dass die Kläger den Gesamtgebäudekomplex akzeptieren würden, habe bei der Beigeladenen daher nicht entstehen können. Den Kläger sei nicht vorzuwerfen, dass sie sich zunächst klageweise auf das Haus E beschränkt hätten. Ein den Klägern vorwerfbares zögerliches Verhalten stehe nicht im Raum. Eine Verwirkung der Nachbarrechte der Kläger sei nicht eingetreten. Das von der Beigeladenen zitierte Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes vom 21. März 2012 sei vorliegend nicht anwendbar. In dem dortigen Fall hätten die Kläger über vier Jahre ein laufendes Bebauungsplanverfahren unkommentiert ohne jede Einwendung hingenommen. Dazu komme vorliegend, dass infolge des Umstands, dass die Baugenehmigungsbescheide den Klägern überhaupt nicht bekannt gemacht worden seien, selbst die Jahresfrist des § 58 Abs. 2 VwGO kein Ausschlusskriterium für die Klageerhebung sein könne. Nach dem Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 16. Mai 1991 (Az. 4 C 4.89) müsse die Verwirkungsfrist immer deutlich länger sein als die des Rechtsbehelfs. Zum anderen komme es darauf an, dass das zögerliche oder zurückhaltende Verhalten des Nachbarn tatsächlich auch kausale Ursache für ein bestimmtes Tätigwerden des Bauherrn gewesen sei. Dies treffe vorliegend jedoch nicht zu. Es habe sich zu keinem Zeitpunkt ein für die Verwirkung notwendiges Vertrauensmoment eingestellt.

Eine Verwirkung könne sich auch nicht aus dem Vorbescheid vom 24. Oktober 2011 ergeben. Die Bindungswirkung eines Vorbescheids könne sich nur auf Vorhaben erstrecken, die inhaltlich dem Vorbescheid vollständig entsprächen oder allenfalls geringfügig abwichen. Vorliegend weiche die Genehmigungsplanung, die dem Vorbescheid zugrunde liege, inhaltlich deutlich von den streitgegenständlichen Baugenehmigungen ab.

Mit Schreiben vom 25. Januar 2016 ergänzte die Beklagte, die streitgegenständlichen Baugenehmigungen verletzten die Kläger nicht in ihrem Recht auf Gebietserhaltung, da sich das Vorhaben auch hinsichtlich der Art der baulichen Nutzung in die Umgebungsbebauung einfüge. Es sei Wohnnutzung zulässig. Mit den streitgegenständlichen Baugenehmigungen vom 26. November 2013 (Haus A bis C) und vom 25. November 2013 (Haus D) sei jeweils der Neubau von Wohngebäuden genehmigt worden. Entgegen dem Vortrag des Klägers sei weder ein Beherbergungsbetrieb noch eine Ferienwohnungsnutzung genehmigt. Auch bei einem „Wohnen auf Zeit“, wie in der Betriebsbeschreibung der Beigeladenen für die Häuser A und B beschrieben, handele es sich um Wohnen. Wohnen im planungsrechtlichen Sinn sei eine auf Dauer angelegte eigenständige Gestaltung des häuslichen Lebens. Dies liege nicht nur bei einem Wohnen ab einem Zeitraum von 6 Monaten oder länger vor, sondern könne heute auch bereits ab einem kürzeren Zeitraum von beispielsweise 2 bis 3 Monaten erfüllt sein. Die Beklagte habe neben dem Wohnen ohne zeitliche Begrenzung nur eine Wohnnutzung auf Zeit zugelassen. Die Internetwerbung der Beigeladenen sei insoweit ohne Relevanz. Die Beklagte könne einer unzulässigen Nutzung nicht mit Werbeverboten vorbeugen. Die Nutzung sei auch nicht aufgenommen, so dass die Beklagte davon ausgehen müsse, eine Nutzung werde nur entsprechend der Genehmigung erfolgen. Jedenfalls nicht abgedeckt sei die Nutzung der Appartements als Ferienwohnungen für auswärtige Gäste, die sich nur für wenige Tage bzw. 1 bis 2 Wochen in ... aufhielten.

Hinsichtlich der mündlichen Verhandlung am 29. Februar 2016, in der die Beteiligten ihre schriftsätzlich angekündigten Anträge stellten, wird auf das Protokoll verwiesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichts- und die vorgelegten Behördenakten sowie auf das ausführliche schriftsätzliche Vorbringen der Parteien im Klageverfahren verwiesen.

Gründe

Die Anfechtungsklage der Nachbarn ist zulässig und begründet, da die streitgegenständliche Baugenehmigung vom 26. September 2013 rechtswidrig ist und die Kläger hierdurch in ihren Rechten verletzt werden, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.

I.

Die Nachbarklage ist zulässig, da sie fristgerecht erhoben wurde und die Kläger entgegen der Ansicht der Bevollmächtigten der Beigeladenen ihr Klagerecht nicht verwirkt haben.

1. Die Kläger haben die Klagefrist gem. § 74 Abs. 1 Satz 1 i.V.m § 58 Abs. 2 VwGO eingehalten.

Gem. § 74 Abs. 1 VwGO muss die Anfechtungsklage innerhalb eines Monats nach Zustellung des Widerspruchsbescheids erhoben werden. Ist - wie im vorliegenden Fall - nach § 68 VwGO ein Widerspruchsbescheid nicht erforderlich, so muss die Klage innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des Verwaltungsaktes erhoben werden, § 74 Abs. 1 Satz 2 VwGO. Nach § 58 Abs. 1 Satz 1 VwGO beginnt die Frist für ein Rechtsmittel oder einen anderen Rechtsbehelf nur zu laufen, wenn die Beteiligten über den Rechtsbehelf, die Verwaltungsbehörde oder das Gericht, bei denen der Rechtsbehelf anzubringen ist, den Sitz und die einzuhaltende Frist schriftlich oder elektronisch belehrt worden sind. Ist diese Belehrung unterblieben oder unrichtig erteilt, so ist die Einlegung des Rechtsbehelfs nur innerhalb eines Jahres seit Zustellung, Eröffnung oder Verkündigung zulässig, § 58 Abs. 2 VwGO.

Im vorliegenden Fall ist die streitgegenständliche Baugenehmigung den Klägern nicht zugestellt worden, so dass mangels Rechtsbehelfsbelehrung grundsätzlich die Jahresfrist für eine Klageerhebung läuft.

Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts muss sich ein Nachbar, der sichere Kenntnis von der Erteilung einer Baugenehmigung erhalten hat oder diese Kenntnis hätte haben müssen, nach Treu und Glauben so behandeln lassen, als sei ihm die Baugenehmigung im Zeitpunkt der zuverlässigen Kenntniserlangung oder dem Zeitpunkt, in dem er diese Kenntnis hätte erlangen müssen, amtlich bekannt gegeben worden (vgl. BVerwG, U. v. 25.1.1974 - IV C 2.72 -, BVerwGE 44, 294 - juris Rn. 25). Für den Nachbarn läuft danach ab dem Zeitpunkt, zu dem er sichere Kenntnis erlangt hat oder hätte erlangen müssen, eine Klagefrist von einem Jahr.

Von einem Kennenmüssen ist regelmäßig dann auszugehen, wenn sich das Vorliegen einer Genehmigung für den Dritten aufgrund objektiver Anhaltspunkte aufdrängen muss - sei es, weil Baumaßnahmen erkennbar sind, sei es, weil er in anderer Weise darüber informiert ist - und wenn es ihm zudem möglich und zumutbar ist, sich etwa durch Anfrage beim Bauherrn oder bei der Genehmigungsbehörde Gewissheit zu verschaffen. Maßgeblich sind die Umstände des jeweiligen Einzelfalls (vgl. BVerwG, U. v. 25.1.1974 - IV C 2.72 - juris Rn. 24; B. v. 28.8.1987 - 4 N 3.86 - juris Rn. 15; B. v. 16.3.2010 - 4 B 5/10 - juris Rn. 8).

Im vorliegenden Fall datiert die streitgegenständliche Baugenehmigung vom 26. September 2013, so dass - unabhängig davon, ab welchem Zeitpunkt die Kläger sichere Kenntnis von ihr erlangt haben - im Zeitpunkt der Klageerhebung beim Verwaltungsgericht München am 25. September 2014, jedenfalls unter keinem denkbaren Gesichtspunkt die Jahresfrist des § 58 Abs. 2 VwGO abgelaufen war. Es kommt daher nicht mehr entscheidend darauf an, wann die Kläger tatsächlich sichere Kenntnis von der streitgegenständliche Baugenehmigung erlangt haben.

2. Die Kläger haben ihr Klagerecht - entgegen der Auffassung der Bevollmächtigten der Beigeladenen - auch nicht verwirkt.

Die Verwirkung prozessualer Befugnisse setzt voraus, dass jemand - insbesondere in dreipoligen Rechtsverhältnissen wie hier - die Geltendmachung seiner prozessualen Rechte in einer gegen Treu und Glauben verstoßenden und das öffentliche Interesse am Rechtsfrieden missachtenden Weise verzögert. Das ist der Fall, wenn ein Kläger, obwohl er vom Vorliegen einer Baugenehmigung bereits längere Zeit sichere Kenntnis hatte oder hätte erlangen können, diesen Antrag erst zu einem Zeitpunkt erhebt, in dem der Bauherr nach den besonderen Umständen des Falles nicht mehr mit einer Anfechtung seiner Baugenehmigung rechnen musste bzw. darauf vertrauen durfte, dass ein Rechtsschutzantrag auch zukünftig nicht mehr gestellt wird (vgl. BVerwG, U. v. 7.2.1974 - III C 115.71 - juris Rn. 24; BVerwG, U. v. 16.5.1991 - 4 C 4.89 - juris Rn. 4 zur materiellen Verwirkung).

Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts stehen Nachbarn zueinander in einem „nachbarschaftlichen Gemeinschaftsverhältnis“, das nach Treu und Glauben von ihnen besondere Rücksichten gegeneinander fordert (vgl. BVerwG v. 18.3.1988 - 4 B 50/88 - juris Rn. 4). Es verpflichtet sie, durch ein zumutbares aktives Handeln mitzuwirken, einen wirtschaftlichen Schaden des Bauherrn zu vermeiden oder den Vermögensverlust möglichst niedrig zu halten. Der Nachbar muss dieser Verpflichtung dadurch nachkommen, dass er nach Erkennen der Beeinträchtigung durch Baumaßnahmen ungesäumt seine nachbarlichen Einwendungen geltend macht, wenn ihm nicht der Grundsatz von Treu und Glauben entgegengehalten werden soll, weil er mit seinen Einwendungen länger als notwendig gewartet hat (vgl. BVerwG, U. v. 16.5.1991- 4 C 4.89 - juris Rn. 4 zur materiellen Verwirkung; VG Ansbach, U. v. 2.3.2016 - AN 9 K 14.02026/AN 9 K AN 9 K 15.01258 - juris Rn. 80-82). Die Ableitung aus Treu und Glauben und dem nachbarschaftlichen Gemeinschaftsverhältnis bedingt, dass diese Grundsätze nicht nur für unmittelbar benachbarte Grundstücke anzuwenden sind (vgl. BVerwG, B. v. 28.08.1987 - 4 N 3.86 - juris Leitsatz 1). Entscheidend ist allein, dass die Grundstücke derart nahe beieinander liegen, dass von einem nachbarschaftlichen Gemeinschaftsverhältnis und aus Treu und Glauben ableitbaren Bindungen gesprochen werden kann.

Die Dauer des Zeitraums der Untätigkeit des Berechtigten, von der an im Hinblick auf die Gebote von Treu und Glauben von einer Verwirkung des Rechts die Rede sein kann, hängt dabei entscheidend von den Umständen des Einzelfalles ab (vgl. BVerwG, U. v. 16.5.1991 a. a. O.). Dabei ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass grundsätzlich bereits vor Ablauf der Jahresfrist des § 58 Abs. 2 VwGO Verwirkung eintreten kann (vgl. BVerwG, U. v. 7.2.1974 - III C 115.71 - juris Rn. 28; BVerwG, U. v. 16.5.1991 - 4 C 4.89 - juris Rn. 23). Allerdings ist die Verwirkungsfrist deutlich länger als die Monatsfrist der §§ 70 i. V. m. 58 Abs. 1 VwGO zu bemessen (vgl. BVerwG, U. v. 16.5.1991 a. a. O.; BayVGH, B. v. 21.3.2012 - 14 ZB 11.2148 - juris Rn. 12). Dabei kommt es maßgeblich auf die Erkennbarkeit der spezifischen Risiken und Beeinträchtigungen für den Nachbarn an. Gerade die Herleitung der Verpflichtung des Nachbarn aus Treu und Glauben und dem nachbarschaftlichen Gemeinschaftsverhältnis gebietet es, nicht lediglich auf die Erteilung einer Baugenehmigung, sondern auf für den Nachbarn erkennbare hierdurch ausgelöste negative Beeinträchtigungen abzustellen. Denn eine aus Treu und Glauben herzuleitende Verpflichtung des Nachbarn zu aktivem Tun kann lediglich dann bestehen, wenn ihm nicht nur die Tatsache der Erteilung der Genehmigung bekannt wird, sondern auch deren Umfang und Folgen für seine Rechte zumindest erkennbar sind (vgl. VGH BW, U. v. 14.5.2012 - 10 S 2693/09 - juris Rn. 38).

Die tatsächlichen Voraussetzungen einer prozessualen Verwirkung der Klagebefugnis liegen nach diesen Maßgaben im vorliegenden Fall nicht vor. Es fehlt jedenfalls an einem auf der Untätigkeit der Kläger beruhenden Vertrauenstatbestand.

Gem. Art. 66 Abs. 1 Satz 1 BayBO sind den Eigentümern der benachbarten Grundstücke vom Bauherrn oder seinem Beauftragten der Lageplan und die Bauzeichnungen zur Unterschrift vorzulegen. Dies hat der Bauherr im Rahmen des streitgegenständlichen Baugenehmigungsverfahrens unterlassen, so dass den Klägern der Genehmigungsbescheid auch nicht gem. Art. 66 Abs. 1 Satz 6 BayBO im Rahmen der Nachbarbeteiligung zugestellt wurde. Ein Bauherr, der es versäumt die Eigentümer der benachbarten Grundstücke rechtzeitig im Baugenehmigungsverfahren zu beteiligen, kann sich später nicht mit Erfolg darauf berufen, dass er darauf vertraut habe, dass der Nachbar von seinem Klagerecht keinen bzw. noch vor Ablauf der Jahresfrist Gebrauch machen werde. Hinzu kommt, dass allein aus der dem Bauantrag beigefügten Betriebsbeschreibung überhaupt erst ersichtlich wird, dass entgegen der Betreffzeile in der streitgegenständlichen Baugenehmigung und entgegen den zeichnerischen Darstellung in den Bauvorlagen nicht lediglich Wohnhäuser bzw. Wohnungen und Appartements genehmigt werden, sondern darüber hinaus wegen der Unbestimmtheit der Betriebsbeschreibung der Betrieb von Ferienwohnungen, eines Beherbergungsbetriebs, eines Stundenhotels, etc. zumindest nicht ausgeschlossen sind. Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass die Art der baulichen Nutzung einem Rohbau grundsätzlich nicht anzusehen ist, insbesondere wenn - wie im vorliegenden Fall - Wohnungen auch als Ferienwohnungen oder als Beherbergungsbetrieb genutzt werden sollen. Auch wenn den Klägern der Baugenehmigungsbescheid vom 26. September 2013 als solcher also bereits Anfang Dezember 2013 bekannt gewesen sein sollte, so ergibt sich aus diesem Bescheid nur, dass der Neubau von drei Wohnhäusern beabsichtigt ist. Anders als im Vorbescheid vom 20. Juli 2010, in dem in Frage 6 noch von einem Boardinghaus/Beherbergungsbetrieb die Rede war, genehmigte die Beklagte mit dem Bescheid vom 26. September 2013 nach dem Wortlaut des Bescheides nur den Neubau dreier Wohnhäuser mit Tiefgarage. Allein aus der als Anlage zum Bauantrag mit der Plan-Nr. ... vom 27. Juni 2013 eingereichten Betriebsbeschreibung ergibt sich die Möglichkeit einer abweichenden Nutzung von insgesamt 29 Appartements in den Häusern A und B. Damit kann selbst aus der positiven Kenntnis der Kläger von der Baugenehmigung vom 26. September 2013 nicht der Schluss gezogen werden, sie hätten Kenntnis von den konkreten Nutzungsabsichten der Beigeladenen gehabt, die Häuser A und B für kurzfristige Vermietung in Untermietverhältnissen zu nutzen.

Eine Verwirkung zulasten der Kläger ist damit nicht eingetreten. Denn nur soweit auch die Beeinträchtigung der subjektiven Rechtsposition erkennbar ist, kann für den Nachbarn zur Wahrung seiner Rechte die Obliegenheit bestehen, selbst aktiv zu werden und sich nach dem Vorliegen einer Genehmigung zu erkundigen (vgl. BVerwG, Urteil vom 25. Januar 1974 - IV C 2.72 - juris Rn. 24) und gegen diese Klage zu erheben.

II.

Die Kläger sind im vorliegenden Fall auch weder durch den ihnen gegenüber bestandskräftig gewordenen Vorbescheid vom 20. Juli 2010 noch durch den ihnen gegenüber ebenfalls bestandskräftigen Vorbescheid vom 24. Oktober 2011 gebunden, Art. 71 BayBO.

1. Der sachliche Umfang der Bindungswirkung eines Vorbescheids ergibt sich aus den im Vorbescheidsantrag gestellten Fragen. Die im Vorbescheidsverfahren gestellten und entschiedenen Fragen können jedoch nicht isoliert voneinander betrachtet werden. Die dortige Prüfung bezieht sich auf ein bestimmtes Vorhaben und die dem Vorbescheidsantrag zugrunde liegenden Planzeichnungen (vgl. Decker: in Simon/Busse, Bayerische Bauordnung, 117. Ergänzungslieferung Juli 2014, Art. 71 Rn. 103). Die Bindungswirkung eines Vorbescheids kann daher nicht mehr angenommen werden, wenn sich das im Baugenehmigungsverfahren behandelte Vorhaben aufgrund nachträglich eingereichter Unterlagen gar nicht mehr auf das ursprünglich mittels Vorbescheid bereits ausschnittsweise beurteilte Vorhaben bezieht, sondern von diesem abweicht. Die Bindung erstreckt sich nur auf Vorhaben, die inhaltlich dem Vorbescheid vollständig entsprechen oder von diesem ohne Veränderung der Grundkonzeption allenfalls geringfügig abweichen (vgl. BayVGH, B. v. 04.08.2011 - 2 CS 11.997 - juris Rn. 8). Das Vorhaben darf mithin nicht derart verändert werden, dass wegen dieser Änderung die Genehmigungsfrage in bauplanungsrechtlicher und/oder bauordnungsrechtlicher Hinsicht erneut aufgeworfen wird. Wird das Vorhaben derart verändert, dass es in rechtserheblicher Weise von den entschiedenen Punkten abweicht und die Genehmigungsfrage neu aufwirft, entfällt die Bindungswirkung des Vorbescheids (vgl. BayVGH, U. v. 4.11.1996 - 1 B 94.2923 -BayVBl. 1997, 341 f.; BayVGH, B. v. 04.08.2011 - 2 CS 11.997 - juris Rn. 8).

2. Im Vorbescheid vom 20. Juli 2010 wurde die Frage 6 hinsichtlich der planungsrechtlichen Zulässigkeit eines Boardinghauses/Beherbergungsbetriebs gemäß der Betriebsbeschreibung vom 30. April 2010 auf Fl.Nr. 8850 positiv beantwortet. In dieser Betriebsbeschreibung wird ein Boardinghaus mit ca. 18 Nutzungseinheiten auf dem Grundstück Fl.Nr. ... abgefragt. In der streitgegenständlichen Betriebsbeschreibung wird hingegen ein Betrieb mit insgesamt 29 Wohneinheiten (13 in Haus A und 16 in Haus B) genehmigt, der sich hinsichtlich Haus B zum Teil auch auf das Grundstück mit der Fl.Nr. ... erstreckt. Da sich das mit Vorbescheid vom 20. Juli 2010 abgefragte Boardinghaus lediglich auf dem Grundstück mit der Fl.Nr. ... befinden soll und der Umfang der Nutzungseinheiten von 18 auf 29 Appartement erweitert wurde, entspricht der streitgegenständliche Betrieb weder hinsichtlich seiner örtlichen Situierung noch nach seinem Umfang dem seinerzeit abgefragten Boardinghaus. Schon allein deshalb wirft das streitgegenständliche Vorhaben - unabhängig von der genehmigten Art der baulichen Nutzung und unabhängig von der Dauer der Bindungswirkung des Vorbescheids - in bauplanungsrechtlicher Hinsicht die Frage der Genehmigungsfähigkeit neu auf, so dass eine Bindungswirkung des Vorbescheids vom 20. Juli 2010 zu verneinen ist.

3. Eine Bindungswirkung des Vorbescheids vom 24. Oktober 2011 scheidet ebenfalls aus. Bei dem darin behandelten Bauvorhaben war als Abschlussgebäude auf dem jetzigen Vorhabengrundstück ein Gebäude vorgesehen, das einen Abstand zur westlichen Grenze des Grundstücks der Kläger einhält. In dieser Hinsicht stellt sich die Änderung des Vorhabens von der Einhaltung von Abstandsflächen hin zu einem grenzständigen Vorhaben als wesentliche Änderung dar, die die Bindungswirkung des Vorbescheids entfallen lässt, da nunmehr in nachbarrechtlicher Hinsicht grundlegend andere Fragen aufgeworfen werden.

III.

Die zulässige Klage ist auch begründet, da die streitgegenständliche Baugenehmigung vom 26. September 2013 rechtswidrig ist und die Kläger hierdurch in ihren Rechten verletzt, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.

1. Dritte können sich nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. BVerwG, U. v. 13.6.1969 - IV C 234.65 - BayVBl 1969, 390 - juris Rn. 15; BVerwG, U. v. 25.2.1977 - IV C 22.75 - BayVBl 1977, 639 - juris Rn. 25; BVerwG, U. v. 19.9.1986 - 4 C 8/84 - BayVBl 1987, 151- juris Rn. 9; BVerwG, U. v. 26.9.1991 - 4 C 5/87 - BVerwGE 89, 69 - juris Rn. 18) gegen eine Baugenehmigung nur dann mit Aussicht auf Erfolg zur Wehr setzen, wenn die angefochtene Baugenehmigung rechtswidrig ist und diese Rechtswidrigkeit (auch) auf der Verletzung von Normen beruht, die gerade dem Schutz des betreffenden Nachbarn zu dienen bestimmt sind (vgl. BayVGH, B. v. 26.07.2011 - 14 CS 11.535 - juris Rn. 21; BayVGH, B. v. 24.3.2009 - 14 CS 08.3017 - juris Rn. 20). Es genügt daher nicht, wenn die Baugenehmigung gegen Rechtsvorschriften des öffentlichen Rechts verstößt, die nicht - auch nicht teilweise - dem Schutz der Eigentümer benachbarter Grundstücke zu dienen bestimmt sind. Dabei ist zu beachten, dass ein Nachbar eine Baugenehmigung zudem nur dann mit Erfolg anfechten kann, wenn die Genehmigung rechtswidrig ist und diese Rechtswidrigkeit sich aus einer Verletzung von Vorschriften ergibt, die im Baugenehmigungsverfahren zu prüfen waren (vgl. BayVGH, B. v. 24.3.2009 - 14 CS 08.3017 - juris Rn. 20).

2. Die Baugenehmigung vom 26. September 2013 ist unbestimmt und damit inhaltlich nicht hinreichend bestimmt im Sinne von Art. 37 Abs. 1 BayVwVfG. Eine Verletzung von Nachbarrechten kann daher nicht eindeutig ausgeschlossen werden, da wesentliche nachbarrechtsrelevante Merkmale des Vorhabens in der Baugenehmigung nicht hinreichend klar festgelegt werden (vgl. BayVGH, B. v. 16.4.2015 - 9 ZB 12.205 - juris Rn. 7 m. w. N.).

Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass der Nachbar zwar keinen materiellen Anspruch darauf hat, dass der Bauantragsteller einwandfreie Bauvorlagen einreicht, die Baugenehmigung aber dann aufzuheben ist, wenn wegen Fehlens oder Unvollständigkeit der Bauvorlagen Gegenstand und Umfang der Baugenehmigung nicht eindeutig festgestellt und aus diesem Grund eine Verletzung von Nachbarrechten nicht ausgeschlossen werden kann (vgl. BayVGH, B. v. 5.12.2001 - 26 ZB 01.1175 - juris Rn. 11 m. w. N.; BayVGH, B. v. 20.6.2008 - 15 CS 08.1088 - juris Rn. 10 und 12; BayVGH, B. v. 16.04.2015 - 9 ZB 12.205 - juris Rn. 7 m. w. N.). Betrifft die Unbestimmtheit oder Unrichtigkeit der Bauvorlagen solche Vorschriften, deren Verletzung im konkreten Fall subjektivöffentliche Abwehrrechte des Nachbarn begründen können, ist eine mögliche Rechtsverletzung des Nachbarn hierdurch zu bejahen (vgl. BayVGH, U. v. 28.6.1999 - 1 B 97.3174 - juris Rn. 16; B. v. 5.12.2001 - 26 ZB 01.1175 - juris Rn. 11 m. w. N.).

Nach Art. 37 Abs. 1 BayVwVfG muss die Baugenehmigung inhaltlich hinreichend bestimmt sein, d. h. die im Bescheid getroffene Regelung muss für die Beteiligten - gegebenenfalls nach Auslegung - eindeutig zu erkennen sein (vgl. BayVGH, B. v. 16.4.2015 - 9 ZB 12.205 - juris Rn. 7). Nachbarn müssen zweifelsfrei feststellen können, ob und in welchem Umfang sie betroffen sind (vgl. Lechner, in: Simon/Busse, BayBO, Stand Mai 2015, Art. 68 Rn. 472). Inhalt, Reichweite und Umfang der mit einer Baugenehmigung getroffenen Regelungen und Feststellungen müssen so eindeutig bestimmt sein, dass der Bauherr die Bandbreite der für ihn legalen Nutzungen und drittbetroffene Nachbarn das Maß der für sie aus der Baugenehmigung erwachsenden Betroffenheit zweifelsfrei feststellen können. In Fällen von Nutzungskonflikten mit Nachbarn bedarf eine Baugenehmigung gegebenenfalls einer weitergehenden Konkretisierung durch Aufnahme von Nebenbestimmungen im Hinblick auf nachbarrechtsrelevante Merkmale, um dem Bestimmtheitsgrundsatz des Art. 37 Abs. 1 BayVwVfG Genüge zu tun.

2.1 Der Inhalt der Baugenehmigung vom 26. September 2013 bestimmt sich nach der Bezeichnung und den Regelungen im Baugenehmigungsbescheid, der konkretisiert wird durch die in Bezug genommenen Bauvorlagen, insbesondere durch das mitgenehmigte Betriebskonzept (vgl. unter 2.2), § 9 Satz 1 BauVorlV (vgl. BayVGH, B. v. 2.3.2015 - 9 ZB 12.1377 - juris Rn. 7; Schwarzer/König, BayBO, 4. Aufl. 2012, Art. 68 Rn. 34). Danach ist die vorliegende Baugenehmigung in einer für die Kläger nachteiligen Weise unbestimmt, weil die genehmigte Art der Nutzung (vgl. unter 2.3) sowie der Nutzungsumfang der genehmigten Anlage (vgl. unter 2.4) nicht abschließend erkennbar sind und die von der genehmigte Anlage ausgehenden Immissionen (vgl. unter 2.5) somit nicht eindeutig absehbar sind (vgl. BayVGH, B. v. 28.10.2015 - 9 CS 15.1633 - juris Rn. 18), was zu einem eigenständigen Abwehrrecht der Kläger führt. Weder der angefochtenen Baugenehmigung noch den zugehörigen Bauvorlagen lassen sich die maßgeblichen nachbarrechtsrelevanten betrieblichen Rahmenbedingungen zuverlässig und mit der gebotenen Eindeutigkeit entnehmen.

2.2 Grundlage des vorliegenden Verfahrens ist insbesondere die Betriebsbeschreibung, da sie als Bestandteil (Anlage) des Bauantrags bezeichnet ist und zudem den Planstempel des Bauantrags trägt. Die Baugenehmigung nimmt auf den Bauantrag im Ganzen Bezug und genehmigt das von diesem Antrag umfasste Vorhaben. Nach der streitgegenständlichen Betriebsbeschreibung sollen in Haus A 13 Appartements und in Haus B alle 16 Appartements an einen Hauptmieter zum Zwecke der Untervermietung vermietet werden. Die Wohnungen würden sich von herkömmlichen Wohnungen nicht unterscheiden. Der Hauptmieter werde die Wohnungen jedoch nur mit zeitlich befristeten Mietverträgen, die max. ein halbes Jahr betragen, zur Vermietung anbieten. Durch die zeitliche Befristung der Mietverträge würde die Vermietung der Umsatzsteuer unterliegen. Somit werde dem Bedarf von kurzfristigem Wohnraum in ... Rechnung getragen.

2.3 Der Genehmigungsumfang der streitgegenständlichen Baugenehmigung ist im Hinblick auf diese Betriebsbeschreibung bereits in sich widersprüchlich und damit nachbarrechtsverletzend.

Die Überschrift im Bescheid vom 26. September 2013 lautet „... Str., Fl.Nr. ..., Gemarkung ... - Neubau dreier Wohngebäude mit Tiefgarage - Haus A - C (... Str./... Str./... Str.)“. Ein ausdrücklicher Hinweis auf die in den Behördenakten befindliche und mit dem Bauantrag eingereichte und abgestempelte Betriebsbeschreibung findet sich jedoch nicht. In den Planzeichnungen wird zwischen „Wohnungen“ in Haus C und „Appartements“ in den Häusern A und B differenziert. In Haus A ist zudem im Erdgeschoss auch noch ein „Empfang“ sowie ein Büro zeichnerisch dargestellt. Nach Betriebsbeschreibung sind dagegen in den beiden Wohngebäuden A und B 13 und 16 Appartements geplant, die fest an eine Hauptmieter zum Zwecke der Untervermietung (mit zeitlich befristeten Mietverträgen mit einer maximalen Dauer von einem halben Jahr) vermietet werden sollen. Eine Mindestdauer der Vermietung ist dagegen nicht angegeben, so dass nach dieser Betriebsbeschreibung auch eine kurzfristige Vermietung an Feriengäste u.ä. nicht nur möglich, sondern sogar wahrscheinlich ist. Selbst eine Vermietung für nur einen oder wenige Tage und sogar stundenweise ist danach nicht ausgeschlossen. Die Betriebsbeschreibung schließt jedenfalls die Nutzung als Ferienwohnung und/oder Beherbergungsbetrieb nicht aus, letztendlich werden von dieser unbestimmten Betriebsbeschreibung nicht nur Wohnen im Sinne des Bauplanungsrechts, sondern auch andersartige Nutzungen wie Ferienwohnungen sowie ein Beherbergungsbetrieb und theoretisch sogar ein Stundenhotel umfasst.

Entlang der ...-straße werden daher - entgegen der ausdrücklichen Bezeichnung der Baugenehmigung - nicht ausschließlich Wohngebäude, sondern vielmehr zwei Häuser mit insgesamt 29 Appartements zur kurzfristigen Untervermietung bis maximal einem halben Jahr und nur ein Wohnhaus mit 15 Wohnungen im engeren Sinne genehmigt. Insofern kann aufgrund dieser Unbestimmtheit auch nicht ausgeschlossen werden, dass die Kläger in ihrem Gebietserhaltungsanspruch oder im nachbarschützenden Rücksichtnahmegebot verletzt sind.

Um den Wohnbegriff in Abgrenzung zu anderen Nutzungsarten unter Zugrundelegung der typisierenden bauplanungsrechtlichen Betrachtungsweise sachgerecht zu erfassen, bedarf es einer wertenden Betrachtung aller Umstände. Maßgeblich ist die Zweckbestimmung des Aufenthalts in den Räumen. Das Bauplanungsrecht unterscheidet begrifflich gerade zwischen Wohngebäuden einerseits und Ferien- und Wochenendhäusern sowie Beherbergungsbetrieben andererseits. Während nach den §§ 2, 3, 4, 4a, 5 und 6 BauNVO „Wohngebäude“ in den entsprechenden Baugebieten zulässig sind, bezieht sich § 10 Abs. 3 BauNVO auf „Wochenendhäuser“ und § 10 Abs. 4 BauNVO auf „Ferienhäuser“. Diese begriffliche Unterscheidung ist im Bauplanungsrecht angelegt (vgl. BVerwG, U. v. 12.03.1982 - 4 C 59.78 - NJW 1982, 2512 - juris Rn. 23). Die Baunutzungsverordnung führt die allgemeine Wohnnutzung einerseits und die Ferienwohnnutzung andererseits als eigenständige Nutzungsarten auf (vgl. BVerwG, B. v. 11.07.2013 - 4 CN 7.12 - NVwZ 2014, 72 - juris Rn. 11; BVerwG, B. v. 08.05.1989 - 4 B 78.89 - NVwZ 1989, 1060 - juris Rn. 3; B. v. 07.09.1984 - 4 N 3.84 - NVwZ 1985, 338 - juris Rn. 21; OVG Mecklenburg-Vorpommern, U. v. 19.2.2014 - 3 L 212/12 - juris Rn. 37; B. v. 28.12.2007 - 3 M 190/07 - juris Rn. 9 ff.; OVG Lüneburg B. v. 22.11.2013 - 1 LA 49/13 - juris Rn. 18). Ferner unterscheidet das Bauplanungsrecht begrifflich auch zwischen Ferienwohnungen und Betrieben des Beherbergungsgewerbes. Während das Ferienwohnen nur in § 10 Abs. 4 BauNVO bezogen auf den Spezialfall der Ferienhäuser Erwähnung findet, nennt die Baunutzungsverordnung Betriebe des Beherbergungsgewerbes in § 4 Abs. 2 Nr. 2, § 5 Abs. 2 Nr. 5, § 6 Abs. 2 Nr. 3 und § 7 Abs. 2 Nr. 2 als allgemein zulässig und in § 3 Abs. 3 Nr. 1 und § 4 Abs. 3 Nr. 1 - im ersteren Falle mit der Einschränkung auf kleine Betriebe - als ausnahmsweise zulässig. Es handelt sich daher um städtebaulich relevante, eigenständige Nutzungsarten (vgl. BVerwG, B. v. 08.05.1989 - 4 B 78.89 - NVwZ 1989, 1060 - juris Rn. 3; B. v. 07.09.1984 - 4 N 3.84 - NVwZ 1985, 338 - juris Rn. 21; OVG Lüneburg, B. v. 22.11.2013 - 1 LA 49/13 - juris Rn. 18).

Die Art der genehmigten Nutzung ist vorliegend daher zu unbestimmt, da mangels hinreichend bestimmter Betriebsbeschreibung der Umfang der Genehmigung nicht eindeutig auf Wohnungen im bauplanungsrechtlichen Sinn beschränkt ist, sondern danach vielmehr auch ein Beherbergungsbetrieb sowie die Vermietung als Ferienwohnungen umfasst sind. Für den Rechtsschutz der Kläger ist es jedoch maßgeblich, dass sie feststellen können, ob und mit welchem Umfang sie von der Baugenehmigung betroffen sind (vgl. BayVGH, B. v. 29.4.2015 - 2 ZB 14.1164 - juris Rn. 6; BayVGH, B. v. 28.10.2015 - 9 CS 15.1633 - juris Rn. 22). Einer Baugenehmigung sowie den genehmigten Bauvorlagen muss sich grundsätzlich mit der erforderlichen Sicherheit entnehmen lassen, dass nur solche Nutzungen genehmigt wurden, die nicht zu einer Beeinträchtigung der Nachbarrechte führen können. Es muss sich aus der Baugenehmigung selbst positiv und umfassend ergeben, welche betrieblichen Tätigkeiten und Nutzungen zugelassen sind. Da die Art des Betriebs vorliegend nicht hinreichend bestimmt ist, können die Kläger den Umfang ihrer Beeinträchtigungen nicht abschließend absehen.

Zum Begriff des Wohnens gehört eine auf Dauer angelegte Häuslichkeit, die Eigengestaltung der Haushaltsführung und des häuslichen Wirkungskreises sowie die Freiwilligkeit des Aufenthalts. Diese Definition ist aus der Abgrenzung zu anderen planungsrechtlichen Nutzungsformen (Beherbergung, Heimunterbringung, Formen der sozialen Betreuung und Pflege) entwickelt worden. Sie soll den Bereich des Wohnens als Bestandteil der privaten Lebensgestaltung kennzeichnen. Gemeint ist damit die Nutzungsform des selbstbestimmt geführten privaten Lebens „in den eigenen vier Wänden“, die auf eine gewisse Dauer angelegt ist und keinem anderen in der Baunutzungsverordnung vorgesehenen Nutzungszweck verschrieben ist, insbesondere keinem Erwerbszweck dient (vgl. BVerwG B. v. 25.03.2004 - 4 B 15.04 - BRS 67 Nr. 70 - juris Rn. 4 m. w. N.; B. v. 25.03.1996 - 4 B 302.95 - NVwZ 1996, 893 - juris Rn. 12). Das (Dauer-)Wohnen unterscheidet sich von anderen Nutzungsarten, die sich durch ein übergangsweises, nicht „alltägliches“ Wohnen oder ein provisorisches, einem begrenzten Zweck dienendes Unterkommen auszeichnen. (Dauer)Wohnungen werden demgegenüber von einem über einen längeren Zeitraum gleichbleibenden Bewohnerkreis genutzt. Die daraus resultierenden unterschiedlichen bodenrechtlichen Auswirkungen der beiden Nutzungsarten rechtfertigen die bauplanungsrechtliche typisierende Unterscheidung (vgl. OVG Mecklenburg-Vorpommern, U. v. 19.2.2014- 3 L 212/12 - juris Rn. 39 m. w. N.).

Im vorliegenden Fall enthält die Baugenehmigung bzw. die ihr zugrundeliegende Betriebsbeschreibung daher keine ausreichenden Angaben, die eine eindeutige Differenzierung der genehmigten Art der Nutzung zulässt, so dass im Ergebnis danach sowohl (Dauer)Wohnen im engeren Sinn, ein Beherbergungsbetrieb sowie Ferienwohnungen umfasst sind. Derart gravierende Mängel in den Bauvorlagen, können sich zulasten der Nachbarn auswirken, so dass eine Nachbarrechtsverletzung nicht ausgeschlossen werden kann.

2.3 Ferner lässt die streitgegenständliche Baugenehmigung Merkmale des Vorhabens unreglementiert, obwohl es einer entsprechenden Regelung bedurft hätte, um das genehmigte Vorhaben im Verhältnis zum Nachbarn nachbarrechtskonform auszugestalten, so dass die Voraussetzungen des Bestimmtheitsgebots auch insoweit nicht erfüllt sind, was ebenfalls zu einem Abwehrrecht der Kläger führt.

Die streitgegenständliche Baugenehmigung lässt neben der unbestimmten Art der baulichen Nutzung auch die Zahl der Personen nicht erkennen, die die genehmigte Anlage nutzen, insoweit sind auch die, die Kläger betreffenden Immissionen nicht abschließend feststellbar (vgl. BayVGH, B. v. 28.10.2015 - 9 CS 15.1633 - juris Rn. 23).

Nachvollziehbare oder festgesetzte Angaben zu der zu erwartenden oder zugelassenen Benutzerzahl der Anlage fehlen gänzlich, so dass die entstehende Belastung in ihrer Gesamtheit nicht absehbar ist. Insoweit fehlt es jedenfalls an festgesetzten und überprüfbaren Angaben. Da die Betriebsbeschreibung die Anzahl der Gäste, des Personals, der angebotenen Serviceleistungen nicht näher konkretisiert, erlaubt sie nicht nur hinsichtlich der Art der baulichen Nutzung, sondern auch hinsichtlich der Gästeanzahl, einen Betrieb rund um die Uhr, der gegenüber den Nachbarn möglicherweise rücksichtslos ist.

2.4 Durch die in verschiedener Hinsicht nicht oder nicht hinreichend festgelegten betrieblichen Rahmenbedingungen, die für die Prüfung des Gebots der Rücksichtnahme zentral sind, können schließlich auch unzumutbare Immissionen für die Kläger nicht hinreichend sicher und verlässlich ausgeschlossen werden.

Da nach der vorliegenden Betriebsbeschreibung nicht nur (Dauer-)Wohnen, sondern auch die Überlassung als Ferienwohnung sowie ein Beherbergungsbetrieb rund um die Uhr mitgenehmigt sind, drängt sich die Notwendigkeit geeigneter immissionsschutzrechtlicher Auflagen zum Schutz der Nachbarn auf. Angesichts der Größe des Vorhabens und der teilweisen Ausrichtung zum gemeinsamen Innenhof erscheint es bei dem vorliegend unbeschränkt genehmigten Betrieb nicht unwahrscheinlich, dass es durch das geplante Vorhaben ohne eine entsprechende beschränkende und bestimmte Betriebsbeschreibung und ohne gegebenenfalls darüber hinaus erforderliche immissionsschutzrechtliche Auflagen zu unzumutbaren Beeinträchtigungen für die Nachbarn kommt. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass es grundsätzlich Sache des Bauherrn ist, im Genehmigungsverfahren den Nachweis zu erbringen, dass die zur Genehmigung gestellte Anlage die einschlägigen Zumutbarkeitskriterien einhält.

Aus den aufgeführten Gründen folgt die Unbestimmtheit und die Nachbarrechtswidrigkeit der Baugenehmigung vom 26. September 2013.

3. Aufgrund ihrer Unbestimmtheit verstößt die Baugenehmigung deswegen zugleich zum Nachteil der Kläger gegen das in § 34 BauGB verankerte Rücksichtnahmegebot.

4. Die Baugenehmigung vom 26. September 2013 ist daher aufzuheben, ohne dass es entscheidungserheblich darauf ankommt, ob noch weitere Rechtsverstöße vorliegen.

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Beigeladene hat einen Sachantrag gestellt und sich somit auch einem Kostenrisiko gem. § 154 Abs. 3 VwGO ausgesetzt.

6. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. ZPO.

Rechtsmittelbelehrung:

Nach §§ 124, 124 a Abs. 4 VwGO können die Beteiligten die Zulassung der Berufung gegen dieses Urteil innerhalb eines Monats nach Zustellung beim Bayerischen Verwaltungsgericht München,

Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder

Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München

beantragen. In dem Antrag ist das angefochtene Urteil zu bezeichnen. Dem Antrag sollen vier Abschriften beigefügt werden.

Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist bei dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof,

Hausanschrift in München: Ludwigstraße 23, 80539 München, oder

Postanschrift in München: Postfach 34 01 48, 80098 München

Hausanschrift in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach

einzureichen, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist.

Über die Zulassung der Berufung entscheidet der Bayerische Verwaltungsgerichtshof.

Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich die Beteiligten, außer im Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingeleitet wird. Als Prozessbevollmächtigte zugelassen sind neben Rechtsanwälten und den in § 67 Abs. 2 Satz 1 VwGO genannten Rechtslehrern mit Befähigung zum Richteramt die in § 67 Abs. 4 Sätze 4 und 7 VwGO sowie in §§ 3, 5 RDGEG bezeichneten Personen und Organisationen.

Beschluss:

Der Streitwert wird auf EUR 7.500,- festgesetzt (§ 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz -GKG-).

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Beschluss steht den Beteiligten die Beschwerde an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zu, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes EUR 200,- übersteigt oder die Beschwerde zugelassen wurde. Die Beschwerde ist innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, beim Bayerischen Verwaltungsgericht München,

Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder

Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München

einzulegen.

Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde auch noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.

Der Beschwerdeschrift eines Beteiligten sollen Abschriften für die übrigen Beteiligten beigefügt werden.

Urteilsbesprechung zu Verwaltungsgericht München Urteil, 29. Feb. 2016 - M 8 K 14.4469

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Tenor I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt. II. Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens. Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst. III. Der Streitwert für das Zulassungsve

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Verwaltungsgericht München Urteil, 29. Feb. 2016 - M 8 K 14.4400

bei uns veröffentlicht am 29.02.2016

Tenor I. Die Klage wird abgewiesen. II. Die Kläger haben gesamtschuldnerisch die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu tragen. III. Die Kostenentscheidung ist vorl

Referenzen

(1) Von den Festsetzungen des Bebauungsplans können solche Ausnahmen zugelassen werden, die in dem Bebauungsplan nach Art und Umfang ausdrücklich vorgesehen sind.

(2) Von den Festsetzungen des Bebauungsplans kann befreit werden, wenn die Grundzüge der Planung nicht berührt werden und

1.
Gründe des Wohls der Allgemeinheit, einschließlich der Wohnbedürfnisse der Bevölkerung, des Bedarfs zur Unterbringung von Flüchtlingen oder Asylbegehrenden, des Bedarfs an Anlagen für soziale Zwecke und des Bedarfs an einem zügigen Ausbau der erneuerbaren Energien, die Befreiung erfordern oder
2.
die Abweichung städtebaulich vertretbar ist oder
3.
die Durchführung des Bebauungsplans zu einer offenbar nicht beabsichtigten Härte führen würde
und wenn die Abweichung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist.

(3) In einem Gebiet mit einem angespannten Wohnungsmarkt, das nach § 201a bestimmt ist, kann mit Zustimmung der Gemeinde im Einzelfall von den Festsetzungen des Bebauungsplans zugunsten des Wohnungsbaus befreit werden, wenn die Befreiung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist. Von Satz 1 kann nur bis zum Ende der Geltungsdauer der Rechtsverordnung nach § 201a Gebrauch gemacht werden. Die Befristung in Satz 2 bezieht sich nicht auf die Geltungsdauer einer Genehmigung, sondern auf den Zeitraum, bis zu dessen Ende im bauaufsichtlichen Verfahren von der Vorschrift Gebrauch gemacht werden kann. Für die Zustimmung der Gemeinde nach Satz 1 gilt § 36 Absatz 2 Satz 2 entsprechend.

Tenor

I.

Die Klage wird abgewiesen.

II.

Die Kläger haben gesamtschuldnerisch die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu tragen.

III.

Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Kläger dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Kostengläubiger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Die Kläger sind Eigentümer des Grundstücks FlNr. ... der Gemarkung ..., ... Str. 4 a. Sie wenden sich mit ihrer am 25. September 2014 erhobenen Anfechtungsklage gegen eine von der Beklagten der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung vom 25. September 2013 für den Neubau eines Wohngebäudes mit Tiefgarage - Haus D - auf dem westlich gelegenen, nicht unmittelbar angrenzenden Grundstück FlNr. ... in der ... Straße.

Das Grundstück der Kläger ist mit einer zweigeschossigen Doppelhaushälfte sowie einer Garage an der westlichen Grundstücksgrenze bebaut. Das Wohnhaus der Kläger weist eine Traufhöhe von 5,45 m und eine Firsthöhe von 8,25 m, die Garage mit Flachdach eine Höhe von 2,30 m auf.

Mit Urteil vom 29. September 2014 hatte die erkennende Kammer ebenfalls auf Klage der Kläger die Baugenehmigung für das unmittelbar an das klägerische Grundstück westlich angrenzende Grundstück FlNr. ... für den Neubau eines Wohnhauses mit Tiefgarage - Haus E - aufgehoben (M 8 K 13.5031).

Mit der streitgegenständlichen Baugenehmigung wurde die Errichtung eines viergeschossigen Gebäudes mit ausgebautem Dachgeschoss im Satteldach mit Tiefgarage genehmigt. Das Gebäude ist Teil einer Blockrandbebauung, die sich mit den Häusern A bis C von der ...-straße über die ... Straße bis in die ... Straße erstreckt. Die Häuser A bis C wurden mit Baugenehmigung vom 26. September 2013 genehmigt, die mit Urteil vom heutigen Tage im Verfahren M 8 K 14.4469 aufgehoben wurde.

Die Baugenehmigung vom 25. September 2013 wurde im vereinfachten Genehmigungsverfahren erlassen und hierbei Befreiungen gemäß § 31 Abs. 2 BauGB wegen der Überschreitung der straßenseitigen Baulinie mit einer Terrasse, zwei Lüftungsschächten, dem Mülltonnenhaus und Fahrradabstellplätzen erteilt. Des Weiteren wurden gemäß Art. 63 Abs. 1 BayBO Abweichungen wegen der Nichteinhaltung der Abstandsflächen zum westlichen Nachbargrundstück FlNr. ... im rückwärtigen Bereich und zum östlich benachbarten Grundstück FlNr. ... im straßenseitigen Bereich erteilt. Das Vorliegen einer atypischen Grundstückssituation wurde mit dem schrägen Grenzverlauf und dem schrägen Verlauf der Baulinie begründet.

Lageplan, 1:1000

Bild

Eine förmliche Bekanntmachung oder Zustellung der streitgegenständlichen Baugenehmigung vom 25. September 2013 an die Kläger erfolgte nicht.

Mit Schriftsatz vom 25. September 2014, am selben Tag bei Gericht eingegangen, haben die Bevollmächtigten der Kläger Klage erhoben gegen den Bescheid der Beklagten vom 25. September 2013 (Haus D) sowie gegen den Bescheid der Beklagten vom 26. September 2013 (Häuser A bis C, M 8 K 14.4469).

Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, die beiden Bescheide seien den Klägern nicht zugestellt worden, so dass zur Fristwahrung die Jahresfrist des § 58 Abs. 2 VwGO zugrunde zu legen sei. Die Errichtung der Häuser A bis C und D führe dazu, dass in dem Geviert, in dem das Grundstück der Kläger liege, eine geschlossene Bauweise zugelassen werde, obwohl dieser Bereich faktisch durch eine offene Bauweise geprägt sei. Die Umsetzung der Vorhaben aus den beiden Bescheiden würde in nachbarrechtsverletzender Art den Bebauungscharakter verändern. Als maßgeblich sei nur die Bebauung beiderseits der ... Straße heranzuziehen und nicht das gesamte Straßengeviert. Die Verwirklichung der Häuser A bis D führe somit zu einer rechtswidrigen Veränderung der im relevanten Gebietsumgriff vorherrschenden offenen Bauweise.

Mit Schriftsatz vom 29. Oktober 2014 beantragten die Bevollmächtigten der Beigeladenen,

die Klage abzuweisen.

Mit Schreiben vom 14. Januar 2016 ist die Beklagte der Klage entgegengetreten und beantragt:

Die Klage wird abgewiesen.

Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, es ergebe sich aufgrund der streitgegenständlichen Baugenehmigung keine Verletzung der Kläger in ihren Rechten aus der geschlossenen Bauweise. Das Vorhaben füge sich hinsichtlich der Bauweise in die maßgebliche nähere Umgebung aus dem Quartier ...-straße, ... Straße, ... Straße und ...-straße sowie die gegenüberliegende Seite der ... Straße ein. Im Quartier befinde sich sowohl im östlichen Bereich (...-straße) bis über das Eck hinein in die ... Straße als auch im nördlichen Bereich (...-straße) und im Bereich ... Straße eine geschlossene Blockrandbebauung, wobei das hier streitgegenständliche Haus D diese lediglich fortsetze. Der kommune Anbau des streitgegenständlichen Hauses D sei somit hinsichtlich der Bauweise planungsrechtlich zulässig und füge sich in seine Umgebung ein. Zum anderen seien die Bestimmungen zur Bauweise nicht drittschützend, so dass bereits deswegen eine Nachbarrechtsverletzung der Kläger ausscheide (BVerwG, U. v. 5.12.2013 - 4 C 5.12 - juris Rn. 19). Ein Verstoß gegen das bauplanungsrechtliche Rücksichtnahmegebot liege ebenfalls nicht vor, da eine unzumutbare Beeinträchtigung der Kläger durch die Baugenehmigung oder ihre Ausnutzung nicht ersichtlich sei. Eine „erdrückende Wirkung“ komme nur bei übergroßen Baukörpern in geringem Abstand zu benachbarten Wohngebäuden in Betracht. Entscheidend seien die Höhe und Länge des Bauvorhabens sowie deren Distanz in Relation zur Nachbarbebauung. Vorliegend sei das klägerische Grundstück zwar zweigeschossig mit einer Doppelhaushälfte bebaut, während das Vorhaben viergeschossig sei. Zwischen dem streitgegenständlichen Haus D und dem klägerischen Grundstück liege noch das Grundstück FlNr. ... mit einer Breite von ca. 7,60 m, was einem Abstand von ca. H/2 entspräche. Damit sei eine ausreichende Distanz zur westlichen Grundstücksgrenze des klägerischen Anwesens vorhanden, so dass eine erdrückende Wirkung vorliegend nicht mehr angenommen werden könne. Eine Rücksichtslosigkeit des Vorhabens aufgrund einer erdrückenden oder einmauernden Wirkung sowie eine unzumutbare Beeinträchtigung der Lichtverhältnisse scheide aus.

Mit Schriftsatz vom 18. Januar 2016 führten die Bevollmächtigten der Beigeladenen aus, die Kläger hätten ihre Klagerechte verwirkt. Ihnen sei der Vorbescheid vom 20. Juli 2010 zugestellt worden, mit dem auf dem damaligen Flurstück ... (entspricht den Gebäuden A bis D) eine geschlossene Bauweise genehmigt worden sei. Gegen diesen Vorbescheid hätten die Kläger keine Klage eingelegt, dieser sei bestandskräftig. Die Regelungen zur Bauweise seien in die angefochtenen Baugenehmigungen übernommen worden.

Den Klägern sei auch bekannt, dass im Nachgang zum Vorbescheid Baugenehmigungen für die Gebäude A bis D erteilt worden seien. Sie hätten gegen das Gebäude E ein Eilverfahren und ein Klageverfahren geführt (M 8 SN 13.5483 und M 8 K 13.5031). Die Klage sei am 31. Oktober 2013, der Antrag am 2. Dezember 2013 eingelegt bzw. gestellt worden. Die Klagen gegen die Baugenehmigungen für die Gebäude A bis D seien dennoch erst mit Schriftsatz vom 25. September 2014 erhoben worden.

Angesichts dieser Vorgeschichte hätten die Kläger ihre Klagerechte verwirkt. Der Verwaltungsgerichtshof habe ausgeführt, dass ein Nachbar aufgrund des nachbarlichen Gegenseitigkeits- und Gemeinschaftsverhältnisses die Pflicht habe, Einwendungen gegen ein Bauvorhaben möglichst ungesäumt vorzutragen. Es sei in der Rechtsprechung anerkannt, dass bereits vor Ablauf der Jahresfrist des § 58 Abs. 2 VwGO eine Verwirkung eintreten könne (BayVGH, B. v. 21.3.2012 - 14 ZB 11.2148 - juris Rn. 14). Vorliegend hätten die Kläger aufgrund des Eil- und Klageverfahrens gegen das Gebäude E und der Bautätigkeit bereits Anfang Dezember 2013 vom Vorliegen der Baugenehmigung auch für die Gebäude A bis D Kenntnis erlangt.

Aufgrund der Bindungswirkung des bestandskräftigen Vorbescheids vom 20. Juli 2010 sei durch die Baugenehmigungen für die Gebäude A bis D die geschlossene Bauweise übernommen worden. Die Baugenehmigungen beinhalteten daher insofern keine neuen Regelungen, so dass die Kläger durch diese wiederholten Regelungen nicht in ihren Rechten verletzt sein könnten.

Mit Schriftsatz vom 18. Januar 2016 haben die Bevollmächtigten der Kläger beantragt:

Die Baugenehmigung vom 25. September 2013 (Az: ...) wird aufgehoben.

Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, das streitgegenständliche Vorhaben füge sich hinsichtlich des Kriteriums der Bauweise nicht in die maßgebliche Umgebungsbebauung ein. Daraus resultiere eine Verletzung des Rücksichtnahmegebots.

Der südwestliche Bereich des Bebauungsgevierts habe im Wesentlichen die offene Einzelhausbebauung sowie die südlich der ... Straße gelegene offene Einzelhausbebauung übernommen. Dieser komme prägende Wirkung zu. Die zu bebauenden Freiflächen seien in ihrer Gebietsprägung den angrenzenden Bereichen der ... Straße und der ... Straße zuzuordnen. Wie der Bayerische Verwaltungsgerichtshof in der Eilentscheidung im Verfahren 2 CS 14.27 richtig erkannt habe, verlaufe durch das Geviert ein Schnitt von der nordwestlichen zur südöstlichen Ecke. Die maßgebliche Prägung sei die Bebauung durch die angrenzende offene Bauweise.

Die Klagefrist sei gewahrt, da die streitgegenständliche Baugenehmigung nicht zugestellt worden sei, so dass jedenfalls die Jahresfrist nach § 58 Abs. 2 VwGO greife. Eine Verwirkung des Klagerechts scheide aus. Ein Vertrauen auf Seiten der Beigeladenen, dass man einen diesbezüglichen Gebäudebestand akzeptieren werde, sei zu keinem Zeitpunkt entstanden. Die Jahresfrist des § 58 VwGO sei Ausdruck eines allgemeinen Rechtsgedankens.

Das Bundesverwaltungsgericht habe in seiner Entscheidung vom 5. Dezember 2013 (Az: 4 C 5/12) deutlich gemacht, dass das Kriterium der Bauweise des § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB über das Rücksichtnahmegebot drittschützende Wirkung auch im unbeplanten Innenbereich entfalten könne. Die Interessenlage sei hier derjenigen innerhalb eines Plangebiets gleichzusetzen, für das offene Bauweise festgesetzt sei. Das Rücksichtnahmegebot fordere nicht, dass der Betroffene unmittelbar an das Baugrundstück angrenze. Es sei zwar richtig, dass das streitgegenständliche Bauvorhaben nicht unmittelbar gegen Art. 6 BayBO verstoße. Beschränke man aber den Drittschutz auf unmittelbar angrenzende Grundstücksflächen, so könnte ein Bauträger im Zusammenwirken mit der Baugenehmigungsbehörde ein durch offene Bauweise geprägtes Geviert mit geschlossener Bebauung füllen. Die Festsetzung der offenen Bauweise in einem Bebauungsplan führe dazu, dass die Eigentümer sich darauf verlassen könnten, dass seitliche Grenzabstände eingehalten seien. Eine Prägung des unbeplanten Innenbereichs durch offene Bauweise sollte zum gleichen Ergebnis führen.

Mit Schreiben vom 25. Januar 2016 hat die Beklagte ihre Klageerwiderung im Verfahren M 8 K 14.4469 zur Frage des Gebietserhaltungsanspruchs und die zulässige Art der baulichen Nutzung ergänzt.

Mit Schriftsatz vom 28. Januar 2016 haben die Bevollmächtigten der Kläger auf die Klageerwiderungen der Beigeladenen und der Beklagten repliziert und ausgeführt, dass der angeführte Vorbescheid vom 20. Juli 2010 eine Blockrandbebauung ausdrücklich abgelehnt habe, weshalb ein Vorgehen der Kläger hiergegen nicht angezeigt gewesen sei. Die Kläger hätten schon vor der Genehmigungserteilung mit einem Schreiben an die Beklagte vom 9. August 2013 zum Ausdruck gebracht, dass sie die Häuser A bis D nicht akzeptierten. Sowohl der Beklagten wie der Beigeladenen sei bekannt gewesen, dass die Kläger den Gesamtgebäudekomplex nicht hinnehmen wollten. Ein Vertrauen darauf, dass die Kläger den Gesamtgebäudekomplex akzeptierten, habe bei der Beigeladenen daher nicht entstehen können. Den Klägern sei nicht vorzuwerfen, dass sie sich zunächst klageweise auf das Haus E beschränkt hätten. Ein den Klägern vorwerfbares zögerliches Verhalten stehe nicht im Raum. Eine Verwirkung der Nachbarrechte der Kläger sei daher nicht eingetreten. Das von der Beigeladenen zitierte Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 21. März 2012 sei vorliegend nicht anwendbar. In dem dortigen Fall hätten die Kläger über vier Jahre ein laufendes Bebauungsplanverfahren unkommentiert und ohne jede Einwendung hingenommen. Hinzu komme, dass infolge des Umstandes, dass die Baugenehmigungsbescheide den Klägern überhaupt nicht bekannt gemacht worden seien, selbst die Jahresfrist des § 58 Abs. 2 VwGO kein Ausschlusskriterium für die Klageerhebung sein könne. Nach dem Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 16. Mai 1991 (Az: 4 C 4.89) müsse die Verwirkungsfrist immer deutlich länger sein als die des Rechtsbehelfs. Zum anderen komme es darauf an, dass das zögerliche oder zurückhaltende Verhalten des Nachbarn tatsächlich auch kausale Ursache für ein bestimmtes Tätigwerden des Bauherrn gewesen sei. Dies treffe vorliegend jedoch nicht zu, es habe sich zu keinem Zeitpunkt ein für die Verwirkung notwendiges Vertrauensmoment eingestellt.

Eine Verwirkung könne sich auch nicht aus dem Vorbescheid vom 24. Oktober 2011 ergeben, da dieser wegen Aufteilung des Gesamtvorhabens in die Einzelgenehmigungen für die Häuser A bis C, D und E keine Bindungswirkung entfalte. In den Baugenehmigungen sei keine Bezugnahme auf den Vorbescheid erfolgt und auch der Bayerische Verwaltungsgerichtshof habe eine Bindungswirkung im Verfahren 2 CS 14.27 abgelehnt.

Mit Schriftsatz vom 10. Februar 2016 haben die Bevollmächtigten der Beigeladenen ihren Vortrag zur Verwirkung vertieft und insbesondere ausgeführt, die Kläger hätten auch nach dem Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 17. März 2014 trotz der anschließenden Fortführung der Bauarbeiten an den Häusern A bis D nochmals sieben Monate zugewartet, bis sie die vorliegende Klage erhoben hätten. Deutlicher könne man seine Rechte nicht verwirken.

Die Verwaltungsstreitsache wurde am 29. Februar 2016 mündlich verhandelt. Hinsichtlich der mündlichen Verhandlung, in der die Beteiligten ihre schriftsätzlich angekündigten Anträge stellten, wird auf das Protokoll verwiesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie das schriftsätzliche Vorbringen der Beteiligten wird auf die Gerichts- und die vorgelegten Behördenakten auch im Verfahren M 8 K 14.4469 sowie in den Verfahren M 8 SN 13.5483 und M 8 K 13.5031 verwiesen.

Gründe

Die zulässige Anfechtungsklage ist in der Sache unbegründet, da die streitgegenständliche Baugenehmigung vom 25. September 2013 die Kläger nicht in ihren Rechten verletzt, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.

I.

Die Nachbarklage ist zulässig, da sie fristgerecht erhoben wurde und die Kläger entgegen der Ansicht der Bevollmächtigten der Beigeladenen ihr Klagerecht nicht verwirkt haben.

1. Die Kläger haben die Klagefrist gemäß § 74 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 58 Abs. 2 VwGO eingehalten.

Gemäß § 74 Abs. 1 VwGO muss die Anfechtungsklage innerhalb eines Monats nach Zustellung des Widerspruchsbescheids erhoben werden. Ist - wie im vorliegenden Fall - nach § 68 VwGO ein Widerspruchsbescheid nicht erforderlich, so muss die Klage innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des Verwaltungsaktes erhoben werden, § 74 Abs. 1 Satz 2 VwGO. Nach § 58 Abs. 1 Satz 1 VwGO beginnt die Frist für ein Rechtsmittel oder einen anderen Rechtsbehelf nur zu laufen, wenn die Beteiligten über den Rechtsbehelf, die Verwaltungsbehörde oder das Gericht, bei denen der Rechtsbehelf anzubringen ist, den Sitz und die einzuhaltende Frist schriftlich oder elektronisch belehrt worden sind. Ist diese Belehrung unterblieben oder unrichtig erteilt, so ist die Einlegung des Rechtsbehelfs nur innerhalb eines Jahres seit Zustellung, Eröffnung oder Verkündigung zulässig, § 58 Abs. 2 VwGO.

Im vorliegenden Fall ist die streitgegenständliche Baugenehmigung den Klägern nicht zugestellt worden, so dass mangels Rechtsbehelfsbelehrung grundsätzlich die Jahresfrist für eine Klageerhebung läuft.

Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts muss sich ein Nachbar, der sichere Kenntnis von der Erteilung einer Baugenehmigung erhalten hat oder diese Kenntnis hätte haben müssen, nach Treu und Glauben so behandeln lassen, als sei ihm die Baugenehmigung im Zeitpunkt der zuverlässigen Kenntniserlangung oder dem Zeitpunkt, in dem er diese Kenntnis hätte erlangen müssen, amtlich bekannt gegeben worden (vgl. BVerwG, U. v. 25.1.1974 - IV C 2.72 -, BVerwGE 44, 294 - juris Rn. 25). Für den Nachbarn läuft danach ab dem Zeitpunkt, zu dem er sichere Kenntnis erlangt hat oder hätte erlangen müssen, eine Klagefrist von einem Jahr.

Von einem Kennenmüssen ist regelmäßig dann auszugehen, wenn sich das Vorliegen einer Genehmigung für den Dritten aufgrund objektiver Anhaltspunkte aufdrängen muss - sei es, weil Baumaßnahmen erkennbar sind, sei es, weil er in anderer Weise darüber informiert ist - und wenn es ihm zudem möglich und zumutbar ist, sich etwa durch Anfrage beim Bauherrn oder bei der Genehmigungsbehörde Gewissheit zu verschaffen. Maßgeblich sind die Umstände des jeweiligen Einzelfalls (vgl. BVerwG, U. v. 25.1.1974 - IV C 2.72 - juris Rn. 24; B. v. 28.8.1987 - 4 N 3.86 - juris Rn. 15; B. v. 16.3.2010 - 4 B 5/10 - juris Rn. 8).

Im vorliegenden Fall datiert die streitgegenständliche Baugenehmigung vom 25. September 2013, so dass - unabhängig davon, ab welchem Zeitpunkt die Kläger sichere Kenntnis von ihr erlangt haben - im Zeitpunkt der Klageerhebung beim Verwaltungsgericht München am 25. September 2014, jedenfalls unter keinem denkbaren Gesichtspunkt die Jahresfrist des § 58 Abs. 2 VwGO abgelaufen war. Es kommt daher nicht mehr entscheidend darauf an, wann die Kläger tatsächlich sichere Kenntnis von der streitgegenständliche Baugenehmigung erlangt haben.

2. Die Kläger haben ihr Klagerecht - entgegen der Auffassung der Bevollmächtigten der Beigeladenen - auch nicht verwirkt.

Die Verwirkung prozessualer Befugnisse setzt voraus, dass jemand - insbesondere in dreipoligen Rechtsverhältnissen wie hier - die Geltendmachung seiner prozessualen Rechte in einer gegen Treu und Glauben verstoßenden und das öffentliche Interesse am Rechtsfrieden missachtenden Weise verzögert. Das ist der Fall, wenn ein Kläger, obwohl er vom Vorliegen einer Baugenehmigung bereits längere Zeit sichere Kenntnis hatte oder hätte erlangen können, diesen Antrag erst zu einem Zeitpunkt erhebt, in dem der Bauherr nach den besonderen Umständen des Falles nicht mehr mit einer Anfechtung seiner Baugenehmigung rechnen musste bzw. darauf vertrauen durfte, dass ein Rechtsschutzantrag auch zukünftig nicht mehr gestellt wird (vgl. BVerwG, U. v. 7.2.1974 - III C 115.71 - juris Rn. 24; BVerwG, U. v. 16.5.1991 - 4 C 4.89 - juris Rn. 4 zur materiellen Verwirkung).

Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts stehen Nachbarn zueinander in einem „nachbarschaftlichen Gemeinschaftsverhältnis“, das nach Treu und Glauben von ihnen besondere Rücksichten gegeneinander fordert (vgl. BVerwG v. 18.3.1988 - 4 B 50/88 - juris Rn. 4). Es verpflichtet sie, durch ein zumutbares aktives Handeln mitzuwirken, einen wirtschaftlichen Schaden des Bauherrn zu vermeiden oder den Vermögensverlust möglichst niedrig zu halten. Der Nachbar muss dieser Verpflichtung dadurch nachkommen, dass er nach Erkennen der Beeinträchtigung durch Baumaßnahmen ungesäumt seine nachbarlichen Einwendungen geltend macht, wenn ihm nicht der Grundsatz von Treu und Glauben entgegengehalten werden soll, weil er mit seinen Einwendungen länger als notwendig gewartet hat (vgl. BVerwG, U. v. 16.5.1991- 4 C 4.89 - juris Rn. 4 zur materiellen Verwirkung; VG Ansbach, U. v. 2.3.2016 - AN 9 K 14.02026/AN 9 K AN 9 K 15.01258 - juris Rn. 80-82). Die Ableitung aus Treu und Glauben und dem nachbarschaftlichen Gemeinschaftsverhältnis bedingt, dass diese Grundsätze nicht nur für unmittelbar benachbarte Grundstücke anzuwenden sind (vgl. BVerwG, B. v. 28.08.1987 - 4 N 3.86 - juris Leitsatz 1). Entscheidend ist allein, dass die Grundstücke derart nahe beieinander liegen, dass von einem nachbarschaftlichen Gemeinschaftsverhältnis und aus Treu und Glauben ableitbaren Bindungen gesprochen werden kann.

Die Dauer des Zeitraums der Untätigkeit des Berechtigten, von der an im Hinblick auf die Gebote von Treu und Glauben von einer Verwirkung des Rechts die Rede sein kann, hängt dabei entscheidend von den Umständen des Einzelfalles ab (vgl. BVerwG, U. v. 16.5.1991 a. a. O.). Dabei ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass grundsätzlich bereits vor Ablauf der Jahresfrist des § 58 Abs. 2 VwGO Verwirkung eintreten kann (vgl. BVerwG, U. v. 7.2.1974 - III C 115.71 - juris Rn. 28; BVerwG, U. v. 16.5.1991 - 4 C 4.89 - juris Rn. 23). Allerdings ist die Verwirkungsfrist deutlich länger als die Monatsfrist der §§ 70 i. V. m. 58 Abs. 1 VwGO zu bemessen (vgl. BVerwG, U. v. 16.5.1991 a. a. O.; BayVGH, B. v. 21.3.2012 - 14 ZB 11.2148 - juris Rn. 12). Dabei kommt es maßgeblich auf die Erkennbarkeit der spezifischen Risiken und Beeinträchtigungen für den Nachbarn an. Gerade die Herleitung der Verpflichtung des Nachbarn aus Treu und Glauben und dem nachbarschaftlichen Gemeinschaftsverhältnis gebietet es, nicht lediglich auf die Erteilung einer Baugenehmigung, sondern auf für den Nachbarn erkennbare hierdurch ausgelöste negative Beeinträchtigungen abzustellen. Denn eine aus Treu und Glauben herzuleitende Verpflichtung des Nachbarn zu aktivem Tun kann lediglich dann bestehen, wenn ihm nicht nur die Tatsache der Erteilung der Genehmigung bekannt wird, sondern auch deren Umfang und Folgen für seine Rechte zumindest erkennbar sind (vgl. VGH BW, U. v. 14.5.2012 - 10 S 2693/09 - juris Rn. 38).

Die tatsächlichen Voraussetzungen einer prozessualen Verwirkung der Klagebefugnis liegen nach diesen Maßgaben im vorliegenden Fall nicht vor. Es fehlt jedenfalls an einem auf der Untätigkeit der Kläger beruhenden Vertrauenstatbestand.

Gemäß Art. 66 Abs. 1 Satz 1 BayBO sind den Eigentümern der benachbarten Grundstücke vom Bauherrn oder seinem Beauftragten der Lageplan und die Bauzeichnungen zur Unterschrift vorzulegen. Dies hat der Bauherr im Rahmen des streitgegenständlichen Baugenehmigungsverfahrens unterlassen, so dass den Klägern der Genehmigungsbescheid auch nicht gemäß Art. 66 Abs. 1 Satz 6 BayBO im Rahmen der Nachbarbeteiligung zugestellt wurde. Ein Bauherr, der es versäumt die Eigentümer der benachbarten Grundstücke rechtzeitig im Baugenehmigungsverfahren zu beteiligen, kann sich später nicht mit Erfolg darauf berufen, dass er darauf vertraut habe, dass der Nachbar von seinem Klagerecht keinen Gebrauch machen werde.

Eine Verwirkung zulasten der Kläger ist damit nicht eingetreten. Denn nur soweit auch die Beeinträchtigung der subjektiven Rechtsposition erkennbar ist, kann für den Nachbarn zur Wahrung seiner Rechte die Obliegenheit bestehen, selbst aktiv zu werden und sich nach dem Vorliegen einer Genehmigung zu erkundigen (vgl. BVerwG, U. v. 25.1.1974 - IV C 2.72 - juris Rn. 24) und gegen diese Klage zu erheben.

II.

Die Kläger sind im vorliegenden Fall auch weder durch den ihnen gegenüber bestandskräftig gewordenen Vorbescheid vom 20. Juli 2010 noch durch den ihnen gegenüber ebenfalls bestandskräftigen Vorbescheid vom 24. Oktober 2011 gebunden, Art. 71 BayBO.

1. Der sachliche Umfang der Bindungswirkung eines Vorbescheids ergibt sich aus den im Vorbescheidsantrag gestellten Fragen. Die im Vorbescheidsverfahren gestellten und entschiedenen Fragen können jedoch nicht isoliert voneinander betrachtet werden. Die dortige Prüfung bezieht sich auf ein bestimmtes Vorhaben und die dem Vorbescheidsantrag zugrunde liegenden Planzeichnungen (vgl. Decker: in Simon/Busse, Bayerische Bauordnung, 117. Ergänzungslieferung Juli 2014, Art. 71 Rn. 103). Die Bindungswirkung eines Vorbescheids kann daher nicht mehr angenommen werden, wenn sich das im Baugenehmigungsverfahren behandelte Vorhaben aufgrund nachträglich eingereichter Unterlagen gar nicht mehr auf das ursprünglich mittels Vorbescheid bereits ausschnittsweise beurteilte Vorhaben bezieht, sondern von diesem abweicht. Die Bindung erstreckt sich nur auf Vorhaben, die inhaltlich dem Vorbescheid vollständig entsprechen oder von diesem ohne Veränderung der Grundkonzeption allenfalls geringfügig abweichen (vgl. BayVGH, B. v. 4.8.2011 - 2 CS 11.997 - juris Rn. 8). Das Vorhaben darf mithin nicht derart verändert werden, dass wegen dieser Änderung die Genehmigungsfrage in bauplanungsrechtlicher und/oder bauordnungsrechtlicher Hinsicht erneut aufgeworfen wird. Wird das Vorhaben derart verändert, dass es in rechtserheblicher Weise von den entschiedenen Punkten abweicht und die Genehmigungsfrage neu aufwirft, entfällt die Bindungswirkung des Vorbescheids (vgl. BayVGH, U. v. 4.11.1996 - 1 B 94.2923 - BayVBl. 1997, 341 f.; BayVGH, B. v. 4.8.2011 - 2 CS 11.997 - juris Rn. 8).

Eine wesentliche Änderung liegt schon darin, dass im Gegensatz zum damaligen Gesamtvorhaben nunmehr drei Einzelvorhaben mit drei unterschiedlichen Baugenehmigungen - Häuser A bis C, Haus D und Haus E - umgesetzt werden sollen. Hinzu kommt, dass der Vorbescheid einer anderen Bauherrin erteilt wurde, die mit der Beigeladenen in diesem Verfahren nicht identisch ist. Die Bauherrin für das Haus D ist auch nicht Rechtsnachfolgerin der damaligen Bauherrin, so dass auch eine Anwendung von Art. 54 Abs. 2 Satz 3 BayBO ausscheidet.

2. Eine Bindungswirkung des Vorbescheids vom 24. Oktober 2011 scheidet ebenfalls aus. Bei dem darin behandelten Bauvorhaben war als Abschlussgebäude auf dem östlich angrenzenden Grundstück ein Gebäude vorgesehen, das einen Abstand zur westlichen Grenze des Grundstücks der Kläger einhält. In dieser Hinsicht stellt sich bereits die Änderung des Vorhabens von der Einhaltung von Abstandsflächen hin zu einem grenzständigen Vorhaben als wesentliche Änderung dar, die die Bindungswirkung des Vorbescheids entfallen lässt, da in nachbarrechtlicher Hinsicht grundlegend andere Fragen aufgeworfen werden. Wie bei dem Vorbescheid vom 20. Juli 2010 ist auch der Vorbescheid vom 24. Oktober 2011 einer anderen Bauherrin erteilt worden, die mit der Beigeladenen in diesem Verfahren nicht identisch ist. Die Bauherrin für das Haus D ist auch nicht Rechtsnachfolgerin der damaligen Bauherrin, so dass auch hier eine Anwendung von Art. 54 Abs. 2 Satz 3 BayBO ausscheidet.

4. Die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des streitgegenständlichen Vorhabens richtet sich vorliegend hinsichtlich des gemäß § 173 Bundesbaugesetz (BBauG) übergeleiteten Baulinienplans nach § 30 Abs. 3 BauGB und im Übrigen nach § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB, wonach innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile ein Vorhaben zulässig ist, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und die Erschließung gesichert ist. Gemäß § 34 Abs. 1 Satz 2 BauGB müssen die Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse gewahrt bleiben.

4.1 Für das Kriterium der überbaubaren Grundstücksfläche, die vorliegend gemäß § 30 Abs. 3 BauGB teilweise durch einen nach § 173 Abs. 3 BBauG übergeleiteten Baulinienplan bestimmt wird, ist anerkannt, dass diesem per se keine drittschützende Wirkung zukommt. Festsetzungen zur überbaubaren Grundstücksfläche haben ebenso wie Festsetzungen zum Maß der baulichen Nutzung nur dann drittschützende Wirkung, wenn sie nach dem Planungswillen der Gemeinde eine entsprechende drittschützende Funktion haben sollen (BayVGH, B. v. 29.9.2008 - 1 CS 08.2201 - juris Rn. 14; BVerwG, B. v. 19.10.1995 - 4 B 215/95 - juris Rn. 3). Anhaltspunkte dafür, dass die in dem übergeleiteten Baulinienplan enthaltenen Festsetzungen nach dem Planungswillen der Beklagten diese Funktion haben sollen, bestehen nicht, zumal die hier relevanten Festsetzungen auch nicht auf der den Klägern zugewandten Grundstücksseite liegen (vgl. VGH Mannheim, B. v. 23.7.1991 - 8 S 1606/91 - juris Rn. 2).

4.2 In einem unbeplanten Gebiet mit teils offener, teils geschlossener Bebauung sind regelmäßig beide Bauweisen planungsrechtlich zulässig (vgl. BVerwG, B. v. 11.3.1994 - 4 B 53/94, NVwZ 1994, 1008 - juris Rn. 4). Daraus folgt nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts aber nicht, dass auch der einzelne Bauherr wählen kann, ob er sein konkretes Bauvorhaben an der Grundstücksgrenze oder mit dem erforderlichen Grenzabstand errichtet. Da das Bauplanungsrecht die Vorschriften des Bauordnungsrechts unberührt lässt (vgl. § 29 Abs. 2 BauGB), darf das Landesrecht an ein bauplanungsrechtlich zulässiges Vorhaben weitergehende Anforderungen stellen. Mit Bundesrecht wäre es nur dann nicht vereinbar, wenn das landesrechtliche Bauordnungsrecht bei einem Vorhaben, das nach dem Einfügungsgebot des § 34 Abs. 1 BauGB zwingend nur in geschlossener Bauweise ausgeführt werden darf, die Einhaltung von Abstandsflächen verlangen würde, was aber dann nicht der Fall ist, wenn in einem Baugebiet die geschlossene Bauweise lediglich überwiegt oder vorherrscht (BVerwG, B. v. 11.3.1994, a. a. O.). Für Fälle dieser Art steht es dem Landesgesetzgeber daher frei, die Einhaltung von Abstandsflächen vorzuschreiben, wovon der bayerische Gesetzgeber aber keinen Gebrauch gemacht hat, da nach Art. 6 Abs. 1 Satz 3 BayBO Abstandsflächen nicht nur dann entfallen können, wenn nach Planungsrecht an die Grenze gebaut werden muss, sondern auch, wenn an die Grenze gebaut werden darf (BayVGH, B. v. 10.12.2001 - 20 ZS 01.2775/20 CS 020 CS 01.2775 - juris Rn. 19).

Zu beachten ist allerdings, dass bei einer Mischung von Grenzbebauung und offener Bauweise die Möglichkeit, nach § 34 Abs. 1 BauGB ein Gebäude an der Grenze zu errichten, ausscheidet, wenn wegen der auf dem Nachbargrundstück bestehenden Bebauung eine Grenzbebauung gegen das Gebot der Rücksichtnahme verstößt und sich daher nicht einfügt (Dhom/Franz/Rauscher, in: Simon/Busse, BayBO, Stand: 113 EL 2013, Art. 6 Rdnr. 48). Entsprechend sieht auch § 22 Abs. 3 BauNVO für überplante Gebiete vor, dass in der geschlossenen Bauweise Gebäude ohne seitlichen Grenzabstand errichtet werden, es sei denn, dass die vorhandene Bebauung eine Abweichung erfordert. Die grundsätzliche planungsrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens unter dem Gesichtspunkt der Bauweise steht damit unter dem Vorbehalt des Rücksichtnahmegebots, d. h. eine an sich zulässige geschlossene Bauweise fügt sich gleichwohl dann nicht im Sinne des § 34 Abs. 1 BauGB in die nähere Umgebung ein, wenn die die gebotene Rücksichtnahme auf die Umgebungsbebauung vermissen lässt.

In ihrem Urteil vom 27. Juni 2011 (M 8 K 10.3944) hat die erkennende Kammer im Rahmen eines Vorbescheidsverfahrens eines anderen Bauherren festgestellt, dass nahezu die Hälfte des Quartiers ... Straße/... Straße/... Straße/...-straße in geschlossener Bauweise bebaut ist, so dass sich diese Bauweise als prägendes Element im Quartier darstellt. Im Hinblick darauf, dass der Bayerische Verwaltungsgerichtshof für die Möglichkeit im Rahmen des § 34 Abs. 1 BauGB an entsprechende Grundstücksgrenzen zu bauen, das Kriterium des „einigermaßen ablesbaren organisch gewachsenen bauplanerischen Ordnungssystems“ aufgegeben hat und lediglich verlangt, dass eine entsprechende Bauweise in der Umgebung gehäuft vorzufinden ist (BayVGH, B. v. 29.4.2003 - 20 B 02.1904 - juris Rn. 16; B. v. 10.12.2002 - 20 ZS 01.2775 - juris Rn. 20), lässt sich eine systematisch geschlossene Bebauung des nordöstlichen Teils des Quartiers und damit die Vorprägung des westlichen Teils im Hinblick auf die Zulässigkeit dieser Bauweise nicht leugnen. Von daher ist für das vorliegende Geviert davon auszugehen, dass sowohl eine geschlossene als auch eine offene Bauweise sowie eine halboffene Bauweise vorhanden und damit grundsätzlich bauplanungsrechtlich zulässig ist.

Soweit der Bayerische Verwaltungsgerichtshof in seinem Beschluss vom 17. März 2014 (2 CS 14.27) darauf hinweist, dass als nähere Umgebung hinsichtlich der Bauweise einiges dafür spreche, dass nicht das gesamte Geviert, sondern nur die Bebauung beiderseits der ... Straße heranzuziehen sei, da bei der Bauweise ein engerer Umgriff zugrunde zu legen sei als bei dem Kriterium der Art der Nutzung, so ist zu berücksichtigen, dass sich die bereits vorhandene geschlossene Bauweise bis in den östlichen Bereich der ... Straße auf das Grundstück FlNr. ... erstreckt und insoweit in der näheren Umgebung des klägerischen und des Vorhabengrundstücks durchaus prägend vorhanden ist. Andererseits ist die südliche Seite der ... Straße in offener Bauweise bebaut. Auch hält das zur geschlossenen Bauweise Gebäude ... Straße 2 in westlicher Richtung den in offener Bauweise erforderlichen Grenzabstand zu der an das Anwesen der Kläger östlich angrenzenden Doppelhaushälfte ein.

Letztendlich kann die Frage vorliegend jedoch offen bleiben, da selbst bei einem objektivrechtlichen Nichteinfügen des Vorhabens nach der Bauweise damit für die Kläger unmittelbar noch nichts gewonnen wäre, da nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 5. Dezember 2013 (4 C 5/12, BVerwGE 148, 290 - juris Rn. 19) im unbeplanten Innenbereich ein Drittschutz hinsichtlich der Bauweise weder direkt noch analog aus § 22 Abs. 2 Satz 1 BauNVO hergeleitet werden kann. Die Vorschrift entfaltet danach selbst im beplanten Bereich keinen Nachbarschutz, diesen vermittelt in diesem Bereich vielmehr die planerische Festsetzung, an der es im unbeplanten Bereich fehlt. Der erforderliche Drittschutz hinsichtlich der Bauweise folgt im unbeplanten Bereich vielmehr aus dem Gebot der Rücksichtnahme (BVerwG, U. v. 5.12.2013 - 4 C 5/12, a. a. O. - juris Rn. 20).

4.3 Im Rahmen des § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB ist das Gebot der Rücksichtnahme ein ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal, das im Begriff des sich Einfügens eines Vorhabens in die nähere Umgebung enthalten ist (BVerwG, U. v. 11.1.1999 - 4 B 128/98, NVwZ 1999, 879, 880; BayVGH, B. v. 6.11.2008 - 14 ZB 08.2326 - juris Rdnr. 10 m. w. N.). Nach der gefestigten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts hängen die Anforderungen, die das Gebot der Rücksichtnahme im Einzelnen begründet, wesentlich von den jeweiligen Umständen ab. Je empfindlicher und schutzwürdiger die Stellung desjenigen ist, dem die Rücksichtnahme im gegebenen Zusammenhang zugute kommt, umso mehr kann er an Rücksichtnahme verlangen. Je verständlicher und unabweisbarer die mit dem Vorhaben verfolgten Interessen sind, umso weniger braucht derjenige, der das Vorhaben verwirklichen will, Rücksicht zu nehmen. Abzustellen ist darauf, was einerseits dem Rücksichtnahmebegünstigten und andererseits dem Rücksichtnahmeverpflichteten nach Lage der Dinge zuzumuten ist (BVerwG, U. v. 25.2.1977 - 4 C 22.75, BVerwGE 52, 122 - juris Rn. 22). Bei der Interessengewichtung spielt eine maßgebliche Rolle, ob es um ein Vorhaben geht, das grundsätzlich zulässig und nur ausnahmsweise unter bestimmten Voraussetzungen nicht zuzulassen ist, oder ob es sich - umgekehrt - um ein solches handelt, das an sich unzulässig ist und nur ausnahmsweise zugelassen werden kann. Bedeutsam ist ferner, inwieweit derjenige, der sich gegen das Vorhaben wendet, eine rechtlich geschützte wehrfähige Position inne hat (vgl. BVerwG, B. v. 6.12.1996 - 4 B 215/96 - juris Rn. 9 m. w. N.).

Das im Begriff des Einfügens in § 34 Abs. 1 BauGB sowie in § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO verankerte Gebot der Rücksichtnahme gibt dem Nachbarn aber nicht das Recht, von jeglicher Beeinträchtigung der Licht- und Luftverhältnisse oder der Verschlechterung der Sichtachsen von seinem Grundstück aus verschont zu bleiben. Eine Rechtsverletzung ist vielmehr unter dem Gesichtspunkt des bauplanungsrechtlichen Rücksichtnahmegebots erst dann zu bejahen, wenn von dem Vorhaben eine unzumutbare Beeinträchtigung ausgeht (BayVGH, B. v. 22.6.2011 - 15 CS 11.1101 - juris Rn. 17).

Im Hinblick auf die Beurteilung der Wahrung der gebotenen Rücksicht auf die Bebauung auf dem Nachbargrundstück unter dem Gesichtspunkt der Bauweise, kann im unbeplanten Innenbereich auch auf die Wertungen und Begriffsbestimmungen des § 22 BauNVO zurückgegriffen werden (allgemein vgl. Söfker, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand 114. EL 2014, § 34 BauGB Rn. 46; speziell zum Rücksichtnahmegebot BayVGH, B. v. 19.10.2009 - 1 CS 09.1847 - juris Rn. 13). Nach § 22 Abs. 3 BauNVO wird vom Grundsatz, dass die Gebäude in der geschlossenen Bauweise ohne Grenzabstand errichtet werden, abgewichen, wenn die vorhandene Bebauung dies erfordert. Diese Einschränkung entspricht ihrer Funktion nach im Wesentlichen dem Gebot der Rücksichtnahme (vgl. König, in: König/Roesner/Stock, BauNVO, 3. Aufl. 2014, § 22 BauNVO Rn. 26).

Wann eine Abweichung von der geschlossenen Bauweise erforderlich ist, ist grundsätzlich eine Frage der jeweiligen Umstände des Einzelfalls und entzieht sich damit allgemeingültiger Aussagen (König, in: König/Roesner/Stock, BauNVO, 3. Aufl. 2014, § 22 BauNVO Rn. 27; Blechschmidt, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand 114. EL 2014, § 22 BauNVO Rn. 41). Insoweit ist aber durchweg anerkannt, dass trotz geschlossener Bauweise dann ein seitlicher Grenzabstand einzuhalten ist, wenn ein vorhandenes Gebäude auf dem Nachbargrundstück einen Grenzabstand einhält (vgl. König, in: König/Roesner/Stock, BauNVO, 3. Aufl. 2014, § 22 BauNVO Rn. 27; Blechschmidt, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand 114. EL 2014, § 22 BauNVO Rn. 41; Fickert/Fieseler, BauNVO, 12. Aufl. 2014, § 22 Rn. 9.1).

Insoweit kann es bei einem unmittelbar an ein mit offener Bauweise bebautes Grundstück angrenzendes Vorhabengrundstück aus Gründen der Rücksichtnahme geboten sein, dieses nur in halboffener statt in geschlossener Bauweise zu bebauen. Daher hat die erkennende Kammer auch im Verfahren M 8 K 13.5031 mit Urteil vom 29. September 2014 die Baugenehmigung für das in geschlossener Bauweise geplante Haus E unmittelbar westlich des klägerischen Grundstücks aufgehoben.

Anders als die Bevollmächtigten der Kläger meinen, besteht aber über das Rücksichtnahmegebot hinsichtlich der Bauweise kein dem Gebietserhaltungsanspruch hinsichtlich der Art der Nutzung vergleichbarer Gebietserhaltungsanspruch. Hiergegen spricht schon, dass dem Zulässigkeitsmerkmal der Art der baulichen Nutzung sowohl im beplanten Bereich als auch im faktischen Baugebiet im Sinne von § 34 Abs. 2 BauGB per se eine drittschützende Wirkung zukommt, dem Einfügensmerkmal der Bauweise dagegen nicht. Zudem kann der Gebietserhaltungsanspruch auch ohne den Nachweis einer eigenen Beeinträchtigung geltend gemacht werden, wohingegen das Rücksichtnahmegebot als situationsbezogenes Korrektiv zu den typisierenden Zulässigkeitsmaßstäben eine unzumutbare Beeinträchtigung des Klägers im konkreten Einzelfall voraussetzt.

4.4 In der Rechtsprechung zum Rücksichtnahmegebot ist anerkannt, dass seine Verletzung auch dann in Betracht kommt, wenn durch die Verwirklichung des genehmigten Vorhabens ein in der unmittelbaren Nachbarschaft befindliches Wohngebäude „eingemauert“ oder „erdrückt“ wird. Eine solche Wirkung kommt vor allem bei nach Höhe und Volumen „übergroßen“ Baukörpern in geringem Abstand zu benachbarten Wohngebäuden in Betracht (vgl. BVerwG, U. v. 13.3.1981 - 4 C 1/78, DVBl. 1981, 928 - juris Rn. 38: 12-geschossiges Gebäude in 15 m Entfernung zum 2,5-geschossigen Nachbarwohnhaus; U. v. 23.5.1986 - 4 C 34/85, NVwZ 1987, 34 - juris Rn. 15: drei 11,05 m hohe Siloanlagen im Abstand von 6 m zu einem zweigeschossigen Wohnanwesen; BayVGH, B. v. 10.12.2008 - 1 CS 08.2770, BayVBl. 2009, 751 - juris Rn. 23; B. v. 5.7.2011 - 14 CS 11.814 - juris Rn. 21). Im dicht bebauten innerstädtischen Bereich kann eine erdrückende Wirkung nur dann angenommen werden, wenn das strittige Nachbargebäude erheblich höher ist als das betroffene Gebäude (vgl. BayVGH, B. v. 11.5.2010 - 2 CS 10.454 - juris Rn. 5).

Eine erdrückende Wirkung ist vorliegend aber aufgrund des Abstandes des Vorhabens zum klägerischen Gebäude von ca. 11,30 m (ca. 7,60 m Breite des Grundstücks FlNr. ..., ca. 3,70 m Abstand des klägerischen Gebäudes zur westlichen Grundstücksgrenze) bei einer Wand- und Firsthöhe des Vorhabens von 12,28 m und 16,35 m gegenüber einer Wand- und Firsthöhe des klägerischen Gebäudes von 5,60 m und 8,40 m nicht gegeben.

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

Da die Beigeladene einen Antrag gestellt hat, entspricht es der Billigkeit, den Klägern auch ihre außergerichtlichen Kosten aufzuerlegen, § 154 Abs. 3 Halbsatz 1 VwGO i. V. m. § 162 Abs. 3 VwGO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. ZPO.

Rechtsmittelbelehrung:

Nach §§ 124, 124 a Abs. 4 VwGO können die Beteiligten die Zulassung der Berufung gegen dieses Urteil innerhalb eines Monats nach Zustellung beim Bayerischen Verwaltungsgericht München,

Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder

Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München

beantragen. In dem Antrag ist das angefochtene Urteil zu bezeichnen. Dem Antrag sollen vier Abschriften beigefügt werden.

Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist bei dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof,

Hausanschrift in München: Ludwigstraße 23, 80539 München, oder

Postanschrift in München: Postfach 34 01 48, 80098 München

Hausanschrift in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach

einzureichen, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist.

Über die Zulassung der Berufung entscheidet der Bayerische Verwaltungsgerichtshof.

Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich die Beteiligten, außer im Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingeleitet wird. Als Prozessbevollmächtigte zugelassen sind neben Rechtsanwälten und den in § 67 Abs. 2 Satz 1 VwGO genannten Rechtslehrern mit Befähigung zum Richteramt die in § 67 Abs. 4 Sätze 4 und 7 VwGO sowie in §§ 3, 5 RDGEG bezeichneten Personen und Organisationen.

Beschluss:

Der Streitwert wird auf EUR 7.500,- festgesetzt (§ 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz -GKG- i. V. m. Nr. 9.7.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit).

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Beschluss steht den Beteiligten die Beschwerde an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zu, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes EUR 200,- übersteigt oder die Beschwerde zugelassen wurde. Die Beschwerde ist innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, beim Bayerischen Verwaltungsgericht München,

Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder

Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München

einzulegen.

Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde auch noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.

Der Beschwerdeschrift eines Beteiligten sollen Abschriften für die übrigen Beteiligten beigefügt werden.

(1) Die Frist für ein Rechtsmittel oder einen anderen Rechtsbehelf beginnt nur zu laufen, wenn der Beteiligte über den Rechtsbehelf, die Verwaltungsbehörde oder das Gericht, bei denen der Rechtsbehelf anzubringen ist, den Sitz und die einzuhaltende Frist schriftlich oder elektronisch belehrt worden ist.

(2) Ist die Belehrung unterblieben oder unrichtig erteilt, so ist die Einlegung des Rechtsbehelfs nur innerhalb eines Jahres seit Zustellung, Eröffnung oder Verkündung zulässig, außer wenn die Einlegung vor Ablauf der Jahresfrist infolge höherer Gewalt unmöglich war oder eine schriftliche oder elektronische Belehrung dahin erfolgt ist, daß ein Rechtsbehelf nicht gegeben sei. § 60 Abs. 2 gilt für den Fall höherer Gewalt entsprechend.

Tenor

I.

Die Klage wird abgewiesen.

II.

Die Kläger haben gesamtschuldnerisch die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu tragen.

III.

Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Kläger dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Kostengläubiger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Die Kläger sind Eigentümer des Grundstücks FlNr. ... der Gemarkung ..., ... Str. 4 a. Sie wenden sich mit ihrer am 25. September 2014 erhobenen Anfechtungsklage gegen eine von der Beklagten der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung vom 25. September 2013 für den Neubau eines Wohngebäudes mit Tiefgarage - Haus D - auf dem westlich gelegenen, nicht unmittelbar angrenzenden Grundstück FlNr. ... in der ... Straße.

Das Grundstück der Kläger ist mit einer zweigeschossigen Doppelhaushälfte sowie einer Garage an der westlichen Grundstücksgrenze bebaut. Das Wohnhaus der Kläger weist eine Traufhöhe von 5,45 m und eine Firsthöhe von 8,25 m, die Garage mit Flachdach eine Höhe von 2,30 m auf.

Mit Urteil vom 29. September 2014 hatte die erkennende Kammer ebenfalls auf Klage der Kläger die Baugenehmigung für das unmittelbar an das klägerische Grundstück westlich angrenzende Grundstück FlNr. ... für den Neubau eines Wohnhauses mit Tiefgarage - Haus E - aufgehoben (M 8 K 13.5031).

Mit der streitgegenständlichen Baugenehmigung wurde die Errichtung eines viergeschossigen Gebäudes mit ausgebautem Dachgeschoss im Satteldach mit Tiefgarage genehmigt. Das Gebäude ist Teil einer Blockrandbebauung, die sich mit den Häusern A bis C von der ...-straße über die ... Straße bis in die ... Straße erstreckt. Die Häuser A bis C wurden mit Baugenehmigung vom 26. September 2013 genehmigt, die mit Urteil vom heutigen Tage im Verfahren M 8 K 14.4469 aufgehoben wurde.

Die Baugenehmigung vom 25. September 2013 wurde im vereinfachten Genehmigungsverfahren erlassen und hierbei Befreiungen gemäß § 31 Abs. 2 BauGB wegen der Überschreitung der straßenseitigen Baulinie mit einer Terrasse, zwei Lüftungsschächten, dem Mülltonnenhaus und Fahrradabstellplätzen erteilt. Des Weiteren wurden gemäß Art. 63 Abs. 1 BayBO Abweichungen wegen der Nichteinhaltung der Abstandsflächen zum westlichen Nachbargrundstück FlNr. ... im rückwärtigen Bereich und zum östlich benachbarten Grundstück FlNr. ... im straßenseitigen Bereich erteilt. Das Vorliegen einer atypischen Grundstückssituation wurde mit dem schrägen Grenzverlauf und dem schrägen Verlauf der Baulinie begründet.

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Eine förmliche Bekanntmachung oder Zustellung der streitgegenständlichen Baugenehmigung vom 25. September 2013 an die Kläger erfolgte nicht.

Mit Schriftsatz vom 25. September 2014, am selben Tag bei Gericht eingegangen, haben die Bevollmächtigten der Kläger Klage erhoben gegen den Bescheid der Beklagten vom 25. September 2013 (Haus D) sowie gegen den Bescheid der Beklagten vom 26. September 2013 (Häuser A bis C, M 8 K 14.4469).

Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, die beiden Bescheide seien den Klägern nicht zugestellt worden, so dass zur Fristwahrung die Jahresfrist des § 58 Abs. 2 VwGO zugrunde zu legen sei. Die Errichtung der Häuser A bis C und D führe dazu, dass in dem Geviert, in dem das Grundstück der Kläger liege, eine geschlossene Bauweise zugelassen werde, obwohl dieser Bereich faktisch durch eine offene Bauweise geprägt sei. Die Umsetzung der Vorhaben aus den beiden Bescheiden würde in nachbarrechtsverletzender Art den Bebauungscharakter verändern. Als maßgeblich sei nur die Bebauung beiderseits der ... Straße heranzuziehen und nicht das gesamte Straßengeviert. Die Verwirklichung der Häuser A bis D führe somit zu einer rechtswidrigen Veränderung der im relevanten Gebietsumgriff vorherrschenden offenen Bauweise.

Mit Schriftsatz vom 29. Oktober 2014 beantragten die Bevollmächtigten der Beigeladenen,

die Klage abzuweisen.

Mit Schreiben vom 14. Januar 2016 ist die Beklagte der Klage entgegengetreten und beantragt:

Die Klage wird abgewiesen.

Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, es ergebe sich aufgrund der streitgegenständlichen Baugenehmigung keine Verletzung der Kläger in ihren Rechten aus der geschlossenen Bauweise. Das Vorhaben füge sich hinsichtlich der Bauweise in die maßgebliche nähere Umgebung aus dem Quartier ...-straße, ... Straße, ... Straße und ...-straße sowie die gegenüberliegende Seite der ... Straße ein. Im Quartier befinde sich sowohl im östlichen Bereich (...-straße) bis über das Eck hinein in die ... Straße als auch im nördlichen Bereich (...-straße) und im Bereich ... Straße eine geschlossene Blockrandbebauung, wobei das hier streitgegenständliche Haus D diese lediglich fortsetze. Der kommune Anbau des streitgegenständlichen Hauses D sei somit hinsichtlich der Bauweise planungsrechtlich zulässig und füge sich in seine Umgebung ein. Zum anderen seien die Bestimmungen zur Bauweise nicht drittschützend, so dass bereits deswegen eine Nachbarrechtsverletzung der Kläger ausscheide (BVerwG, U. v. 5.12.2013 - 4 C 5.12 - juris Rn. 19). Ein Verstoß gegen das bauplanungsrechtliche Rücksichtnahmegebot liege ebenfalls nicht vor, da eine unzumutbare Beeinträchtigung der Kläger durch die Baugenehmigung oder ihre Ausnutzung nicht ersichtlich sei. Eine „erdrückende Wirkung“ komme nur bei übergroßen Baukörpern in geringem Abstand zu benachbarten Wohngebäuden in Betracht. Entscheidend seien die Höhe und Länge des Bauvorhabens sowie deren Distanz in Relation zur Nachbarbebauung. Vorliegend sei das klägerische Grundstück zwar zweigeschossig mit einer Doppelhaushälfte bebaut, während das Vorhaben viergeschossig sei. Zwischen dem streitgegenständlichen Haus D und dem klägerischen Grundstück liege noch das Grundstück FlNr. ... mit einer Breite von ca. 7,60 m, was einem Abstand von ca. H/2 entspräche. Damit sei eine ausreichende Distanz zur westlichen Grundstücksgrenze des klägerischen Anwesens vorhanden, so dass eine erdrückende Wirkung vorliegend nicht mehr angenommen werden könne. Eine Rücksichtslosigkeit des Vorhabens aufgrund einer erdrückenden oder einmauernden Wirkung sowie eine unzumutbare Beeinträchtigung der Lichtverhältnisse scheide aus.

Mit Schriftsatz vom 18. Januar 2016 führten die Bevollmächtigten der Beigeladenen aus, die Kläger hätten ihre Klagerechte verwirkt. Ihnen sei der Vorbescheid vom 20. Juli 2010 zugestellt worden, mit dem auf dem damaligen Flurstück ... (entspricht den Gebäuden A bis D) eine geschlossene Bauweise genehmigt worden sei. Gegen diesen Vorbescheid hätten die Kläger keine Klage eingelegt, dieser sei bestandskräftig. Die Regelungen zur Bauweise seien in die angefochtenen Baugenehmigungen übernommen worden.

Den Klägern sei auch bekannt, dass im Nachgang zum Vorbescheid Baugenehmigungen für die Gebäude A bis D erteilt worden seien. Sie hätten gegen das Gebäude E ein Eilverfahren und ein Klageverfahren geführt (M 8 SN 13.5483 und M 8 K 13.5031). Die Klage sei am 31. Oktober 2013, der Antrag am 2. Dezember 2013 eingelegt bzw. gestellt worden. Die Klagen gegen die Baugenehmigungen für die Gebäude A bis D seien dennoch erst mit Schriftsatz vom 25. September 2014 erhoben worden.

Angesichts dieser Vorgeschichte hätten die Kläger ihre Klagerechte verwirkt. Der Verwaltungsgerichtshof habe ausgeführt, dass ein Nachbar aufgrund des nachbarlichen Gegenseitigkeits- und Gemeinschaftsverhältnisses die Pflicht habe, Einwendungen gegen ein Bauvorhaben möglichst ungesäumt vorzutragen. Es sei in der Rechtsprechung anerkannt, dass bereits vor Ablauf der Jahresfrist des § 58 Abs. 2 VwGO eine Verwirkung eintreten könne (BayVGH, B. v. 21.3.2012 - 14 ZB 11.2148 - juris Rn. 14). Vorliegend hätten die Kläger aufgrund des Eil- und Klageverfahrens gegen das Gebäude E und der Bautätigkeit bereits Anfang Dezember 2013 vom Vorliegen der Baugenehmigung auch für die Gebäude A bis D Kenntnis erlangt.

Aufgrund der Bindungswirkung des bestandskräftigen Vorbescheids vom 20. Juli 2010 sei durch die Baugenehmigungen für die Gebäude A bis D die geschlossene Bauweise übernommen worden. Die Baugenehmigungen beinhalteten daher insofern keine neuen Regelungen, so dass die Kläger durch diese wiederholten Regelungen nicht in ihren Rechten verletzt sein könnten.

Mit Schriftsatz vom 18. Januar 2016 haben die Bevollmächtigten der Kläger beantragt:

Die Baugenehmigung vom 25. September 2013 (Az: ...) wird aufgehoben.

Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, das streitgegenständliche Vorhaben füge sich hinsichtlich des Kriteriums der Bauweise nicht in die maßgebliche Umgebungsbebauung ein. Daraus resultiere eine Verletzung des Rücksichtnahmegebots.

Der südwestliche Bereich des Bebauungsgevierts habe im Wesentlichen die offene Einzelhausbebauung sowie die südlich der ... Straße gelegene offene Einzelhausbebauung übernommen. Dieser komme prägende Wirkung zu. Die zu bebauenden Freiflächen seien in ihrer Gebietsprägung den angrenzenden Bereichen der ... Straße und der ... Straße zuzuordnen. Wie der Bayerische Verwaltungsgerichtshof in der Eilentscheidung im Verfahren 2 CS 14.27 richtig erkannt habe, verlaufe durch das Geviert ein Schnitt von der nordwestlichen zur südöstlichen Ecke. Die maßgebliche Prägung sei die Bebauung durch die angrenzende offene Bauweise.

Die Klagefrist sei gewahrt, da die streitgegenständliche Baugenehmigung nicht zugestellt worden sei, so dass jedenfalls die Jahresfrist nach § 58 Abs. 2 VwGO greife. Eine Verwirkung des Klagerechts scheide aus. Ein Vertrauen auf Seiten der Beigeladenen, dass man einen diesbezüglichen Gebäudebestand akzeptieren werde, sei zu keinem Zeitpunkt entstanden. Die Jahresfrist des § 58 VwGO sei Ausdruck eines allgemeinen Rechtsgedankens.

Das Bundesverwaltungsgericht habe in seiner Entscheidung vom 5. Dezember 2013 (Az: 4 C 5/12) deutlich gemacht, dass das Kriterium der Bauweise des § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB über das Rücksichtnahmegebot drittschützende Wirkung auch im unbeplanten Innenbereich entfalten könne. Die Interessenlage sei hier derjenigen innerhalb eines Plangebiets gleichzusetzen, für das offene Bauweise festgesetzt sei. Das Rücksichtnahmegebot fordere nicht, dass der Betroffene unmittelbar an das Baugrundstück angrenze. Es sei zwar richtig, dass das streitgegenständliche Bauvorhaben nicht unmittelbar gegen Art. 6 BayBO verstoße. Beschränke man aber den Drittschutz auf unmittelbar angrenzende Grundstücksflächen, so könnte ein Bauträger im Zusammenwirken mit der Baugenehmigungsbehörde ein durch offene Bauweise geprägtes Geviert mit geschlossener Bebauung füllen. Die Festsetzung der offenen Bauweise in einem Bebauungsplan führe dazu, dass die Eigentümer sich darauf verlassen könnten, dass seitliche Grenzabstände eingehalten seien. Eine Prägung des unbeplanten Innenbereichs durch offene Bauweise sollte zum gleichen Ergebnis führen.

Mit Schreiben vom 25. Januar 2016 hat die Beklagte ihre Klageerwiderung im Verfahren M 8 K 14.4469 zur Frage des Gebietserhaltungsanspruchs und die zulässige Art der baulichen Nutzung ergänzt.

Mit Schriftsatz vom 28. Januar 2016 haben die Bevollmächtigten der Kläger auf die Klageerwiderungen der Beigeladenen und der Beklagten repliziert und ausgeführt, dass der angeführte Vorbescheid vom 20. Juli 2010 eine Blockrandbebauung ausdrücklich abgelehnt habe, weshalb ein Vorgehen der Kläger hiergegen nicht angezeigt gewesen sei. Die Kläger hätten schon vor der Genehmigungserteilung mit einem Schreiben an die Beklagte vom 9. August 2013 zum Ausdruck gebracht, dass sie die Häuser A bis D nicht akzeptierten. Sowohl der Beklagten wie der Beigeladenen sei bekannt gewesen, dass die Kläger den Gesamtgebäudekomplex nicht hinnehmen wollten. Ein Vertrauen darauf, dass die Kläger den Gesamtgebäudekomplex akzeptierten, habe bei der Beigeladenen daher nicht entstehen können. Den Klägern sei nicht vorzuwerfen, dass sie sich zunächst klageweise auf das Haus E beschränkt hätten. Ein den Klägern vorwerfbares zögerliches Verhalten stehe nicht im Raum. Eine Verwirkung der Nachbarrechte der Kläger sei daher nicht eingetreten. Das von der Beigeladenen zitierte Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 21. März 2012 sei vorliegend nicht anwendbar. In dem dortigen Fall hätten die Kläger über vier Jahre ein laufendes Bebauungsplanverfahren unkommentiert und ohne jede Einwendung hingenommen. Hinzu komme, dass infolge des Umstandes, dass die Baugenehmigungsbescheide den Klägern überhaupt nicht bekannt gemacht worden seien, selbst die Jahresfrist des § 58 Abs. 2 VwGO kein Ausschlusskriterium für die Klageerhebung sein könne. Nach dem Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 16. Mai 1991 (Az: 4 C 4.89) müsse die Verwirkungsfrist immer deutlich länger sein als die des Rechtsbehelfs. Zum anderen komme es darauf an, dass das zögerliche oder zurückhaltende Verhalten des Nachbarn tatsächlich auch kausale Ursache für ein bestimmtes Tätigwerden des Bauherrn gewesen sei. Dies treffe vorliegend jedoch nicht zu, es habe sich zu keinem Zeitpunkt ein für die Verwirkung notwendiges Vertrauensmoment eingestellt.

Eine Verwirkung könne sich auch nicht aus dem Vorbescheid vom 24. Oktober 2011 ergeben, da dieser wegen Aufteilung des Gesamtvorhabens in die Einzelgenehmigungen für die Häuser A bis C, D und E keine Bindungswirkung entfalte. In den Baugenehmigungen sei keine Bezugnahme auf den Vorbescheid erfolgt und auch der Bayerische Verwaltungsgerichtshof habe eine Bindungswirkung im Verfahren 2 CS 14.27 abgelehnt.

Mit Schriftsatz vom 10. Februar 2016 haben die Bevollmächtigten der Beigeladenen ihren Vortrag zur Verwirkung vertieft und insbesondere ausgeführt, die Kläger hätten auch nach dem Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 17. März 2014 trotz der anschließenden Fortführung der Bauarbeiten an den Häusern A bis D nochmals sieben Monate zugewartet, bis sie die vorliegende Klage erhoben hätten. Deutlicher könne man seine Rechte nicht verwirken.

Die Verwaltungsstreitsache wurde am 29. Februar 2016 mündlich verhandelt. Hinsichtlich der mündlichen Verhandlung, in der die Beteiligten ihre schriftsätzlich angekündigten Anträge stellten, wird auf das Protokoll verwiesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie das schriftsätzliche Vorbringen der Beteiligten wird auf die Gerichts- und die vorgelegten Behördenakten auch im Verfahren M 8 K 14.4469 sowie in den Verfahren M 8 SN 13.5483 und M 8 K 13.5031 verwiesen.

Gründe

Die zulässige Anfechtungsklage ist in der Sache unbegründet, da die streitgegenständliche Baugenehmigung vom 25. September 2013 die Kläger nicht in ihren Rechten verletzt, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.

I.

Die Nachbarklage ist zulässig, da sie fristgerecht erhoben wurde und die Kläger entgegen der Ansicht der Bevollmächtigten der Beigeladenen ihr Klagerecht nicht verwirkt haben.

1. Die Kläger haben die Klagefrist gemäß § 74 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 58 Abs. 2 VwGO eingehalten.

Gemäß § 74 Abs. 1 VwGO muss die Anfechtungsklage innerhalb eines Monats nach Zustellung des Widerspruchsbescheids erhoben werden. Ist - wie im vorliegenden Fall - nach § 68 VwGO ein Widerspruchsbescheid nicht erforderlich, so muss die Klage innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des Verwaltungsaktes erhoben werden, § 74 Abs. 1 Satz 2 VwGO. Nach § 58 Abs. 1 Satz 1 VwGO beginnt die Frist für ein Rechtsmittel oder einen anderen Rechtsbehelf nur zu laufen, wenn die Beteiligten über den Rechtsbehelf, die Verwaltungsbehörde oder das Gericht, bei denen der Rechtsbehelf anzubringen ist, den Sitz und die einzuhaltende Frist schriftlich oder elektronisch belehrt worden sind. Ist diese Belehrung unterblieben oder unrichtig erteilt, so ist die Einlegung des Rechtsbehelfs nur innerhalb eines Jahres seit Zustellung, Eröffnung oder Verkündigung zulässig, § 58 Abs. 2 VwGO.

Im vorliegenden Fall ist die streitgegenständliche Baugenehmigung den Klägern nicht zugestellt worden, so dass mangels Rechtsbehelfsbelehrung grundsätzlich die Jahresfrist für eine Klageerhebung läuft.

Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts muss sich ein Nachbar, der sichere Kenntnis von der Erteilung einer Baugenehmigung erhalten hat oder diese Kenntnis hätte haben müssen, nach Treu und Glauben so behandeln lassen, als sei ihm die Baugenehmigung im Zeitpunkt der zuverlässigen Kenntniserlangung oder dem Zeitpunkt, in dem er diese Kenntnis hätte erlangen müssen, amtlich bekannt gegeben worden (vgl. BVerwG, U. v. 25.1.1974 - IV C 2.72 -, BVerwGE 44, 294 - juris Rn. 25). Für den Nachbarn läuft danach ab dem Zeitpunkt, zu dem er sichere Kenntnis erlangt hat oder hätte erlangen müssen, eine Klagefrist von einem Jahr.

Von einem Kennenmüssen ist regelmäßig dann auszugehen, wenn sich das Vorliegen einer Genehmigung für den Dritten aufgrund objektiver Anhaltspunkte aufdrängen muss - sei es, weil Baumaßnahmen erkennbar sind, sei es, weil er in anderer Weise darüber informiert ist - und wenn es ihm zudem möglich und zumutbar ist, sich etwa durch Anfrage beim Bauherrn oder bei der Genehmigungsbehörde Gewissheit zu verschaffen. Maßgeblich sind die Umstände des jeweiligen Einzelfalls (vgl. BVerwG, U. v. 25.1.1974 - IV C 2.72 - juris Rn. 24; B. v. 28.8.1987 - 4 N 3.86 - juris Rn. 15; B. v. 16.3.2010 - 4 B 5/10 - juris Rn. 8).

Im vorliegenden Fall datiert die streitgegenständliche Baugenehmigung vom 25. September 2013, so dass - unabhängig davon, ab welchem Zeitpunkt die Kläger sichere Kenntnis von ihr erlangt haben - im Zeitpunkt der Klageerhebung beim Verwaltungsgericht München am 25. September 2014, jedenfalls unter keinem denkbaren Gesichtspunkt die Jahresfrist des § 58 Abs. 2 VwGO abgelaufen war. Es kommt daher nicht mehr entscheidend darauf an, wann die Kläger tatsächlich sichere Kenntnis von der streitgegenständliche Baugenehmigung erlangt haben.

2. Die Kläger haben ihr Klagerecht - entgegen der Auffassung der Bevollmächtigten der Beigeladenen - auch nicht verwirkt.

Die Verwirkung prozessualer Befugnisse setzt voraus, dass jemand - insbesondere in dreipoligen Rechtsverhältnissen wie hier - die Geltendmachung seiner prozessualen Rechte in einer gegen Treu und Glauben verstoßenden und das öffentliche Interesse am Rechtsfrieden missachtenden Weise verzögert. Das ist der Fall, wenn ein Kläger, obwohl er vom Vorliegen einer Baugenehmigung bereits längere Zeit sichere Kenntnis hatte oder hätte erlangen können, diesen Antrag erst zu einem Zeitpunkt erhebt, in dem der Bauherr nach den besonderen Umständen des Falles nicht mehr mit einer Anfechtung seiner Baugenehmigung rechnen musste bzw. darauf vertrauen durfte, dass ein Rechtsschutzantrag auch zukünftig nicht mehr gestellt wird (vgl. BVerwG, U. v. 7.2.1974 - III C 115.71 - juris Rn. 24; BVerwG, U. v. 16.5.1991 - 4 C 4.89 - juris Rn. 4 zur materiellen Verwirkung).

Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts stehen Nachbarn zueinander in einem „nachbarschaftlichen Gemeinschaftsverhältnis“, das nach Treu und Glauben von ihnen besondere Rücksichten gegeneinander fordert (vgl. BVerwG v. 18.3.1988 - 4 B 50/88 - juris Rn. 4). Es verpflichtet sie, durch ein zumutbares aktives Handeln mitzuwirken, einen wirtschaftlichen Schaden des Bauherrn zu vermeiden oder den Vermögensverlust möglichst niedrig zu halten. Der Nachbar muss dieser Verpflichtung dadurch nachkommen, dass er nach Erkennen der Beeinträchtigung durch Baumaßnahmen ungesäumt seine nachbarlichen Einwendungen geltend macht, wenn ihm nicht der Grundsatz von Treu und Glauben entgegengehalten werden soll, weil er mit seinen Einwendungen länger als notwendig gewartet hat (vgl. BVerwG, U. v. 16.5.1991- 4 C 4.89 - juris Rn. 4 zur materiellen Verwirkung; VG Ansbach, U. v. 2.3.2016 - AN 9 K 14.02026/AN 9 K AN 9 K 15.01258 - juris Rn. 80-82). Die Ableitung aus Treu und Glauben und dem nachbarschaftlichen Gemeinschaftsverhältnis bedingt, dass diese Grundsätze nicht nur für unmittelbar benachbarte Grundstücke anzuwenden sind (vgl. BVerwG, B. v. 28.08.1987 - 4 N 3.86 - juris Leitsatz 1). Entscheidend ist allein, dass die Grundstücke derart nahe beieinander liegen, dass von einem nachbarschaftlichen Gemeinschaftsverhältnis und aus Treu und Glauben ableitbaren Bindungen gesprochen werden kann.

Die Dauer des Zeitraums der Untätigkeit des Berechtigten, von der an im Hinblick auf die Gebote von Treu und Glauben von einer Verwirkung des Rechts die Rede sein kann, hängt dabei entscheidend von den Umständen des Einzelfalles ab (vgl. BVerwG, U. v. 16.5.1991 a. a. O.). Dabei ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass grundsätzlich bereits vor Ablauf der Jahresfrist des § 58 Abs. 2 VwGO Verwirkung eintreten kann (vgl. BVerwG, U. v. 7.2.1974 - III C 115.71 - juris Rn. 28; BVerwG, U. v. 16.5.1991 - 4 C 4.89 - juris Rn. 23). Allerdings ist die Verwirkungsfrist deutlich länger als die Monatsfrist der §§ 70 i. V. m. 58 Abs. 1 VwGO zu bemessen (vgl. BVerwG, U. v. 16.5.1991 a. a. O.; BayVGH, B. v. 21.3.2012 - 14 ZB 11.2148 - juris Rn. 12). Dabei kommt es maßgeblich auf die Erkennbarkeit der spezifischen Risiken und Beeinträchtigungen für den Nachbarn an. Gerade die Herleitung der Verpflichtung des Nachbarn aus Treu und Glauben und dem nachbarschaftlichen Gemeinschaftsverhältnis gebietet es, nicht lediglich auf die Erteilung einer Baugenehmigung, sondern auf für den Nachbarn erkennbare hierdurch ausgelöste negative Beeinträchtigungen abzustellen. Denn eine aus Treu und Glauben herzuleitende Verpflichtung des Nachbarn zu aktivem Tun kann lediglich dann bestehen, wenn ihm nicht nur die Tatsache der Erteilung der Genehmigung bekannt wird, sondern auch deren Umfang und Folgen für seine Rechte zumindest erkennbar sind (vgl. VGH BW, U. v. 14.5.2012 - 10 S 2693/09 - juris Rn. 38).

Die tatsächlichen Voraussetzungen einer prozessualen Verwirkung der Klagebefugnis liegen nach diesen Maßgaben im vorliegenden Fall nicht vor. Es fehlt jedenfalls an einem auf der Untätigkeit der Kläger beruhenden Vertrauenstatbestand.

Gemäß Art. 66 Abs. 1 Satz 1 BayBO sind den Eigentümern der benachbarten Grundstücke vom Bauherrn oder seinem Beauftragten der Lageplan und die Bauzeichnungen zur Unterschrift vorzulegen. Dies hat der Bauherr im Rahmen des streitgegenständlichen Baugenehmigungsverfahrens unterlassen, so dass den Klägern der Genehmigungsbescheid auch nicht gemäß Art. 66 Abs. 1 Satz 6 BayBO im Rahmen der Nachbarbeteiligung zugestellt wurde. Ein Bauherr, der es versäumt die Eigentümer der benachbarten Grundstücke rechtzeitig im Baugenehmigungsverfahren zu beteiligen, kann sich später nicht mit Erfolg darauf berufen, dass er darauf vertraut habe, dass der Nachbar von seinem Klagerecht keinen Gebrauch machen werde.

Eine Verwirkung zulasten der Kläger ist damit nicht eingetreten. Denn nur soweit auch die Beeinträchtigung der subjektiven Rechtsposition erkennbar ist, kann für den Nachbarn zur Wahrung seiner Rechte die Obliegenheit bestehen, selbst aktiv zu werden und sich nach dem Vorliegen einer Genehmigung zu erkundigen (vgl. BVerwG, U. v. 25.1.1974 - IV C 2.72 - juris Rn. 24) und gegen diese Klage zu erheben.

II.

Die Kläger sind im vorliegenden Fall auch weder durch den ihnen gegenüber bestandskräftig gewordenen Vorbescheid vom 20. Juli 2010 noch durch den ihnen gegenüber ebenfalls bestandskräftigen Vorbescheid vom 24. Oktober 2011 gebunden, Art. 71 BayBO.

1. Der sachliche Umfang der Bindungswirkung eines Vorbescheids ergibt sich aus den im Vorbescheidsantrag gestellten Fragen. Die im Vorbescheidsverfahren gestellten und entschiedenen Fragen können jedoch nicht isoliert voneinander betrachtet werden. Die dortige Prüfung bezieht sich auf ein bestimmtes Vorhaben und die dem Vorbescheidsantrag zugrunde liegenden Planzeichnungen (vgl. Decker: in Simon/Busse, Bayerische Bauordnung, 117. Ergänzungslieferung Juli 2014, Art. 71 Rn. 103). Die Bindungswirkung eines Vorbescheids kann daher nicht mehr angenommen werden, wenn sich das im Baugenehmigungsverfahren behandelte Vorhaben aufgrund nachträglich eingereichter Unterlagen gar nicht mehr auf das ursprünglich mittels Vorbescheid bereits ausschnittsweise beurteilte Vorhaben bezieht, sondern von diesem abweicht. Die Bindung erstreckt sich nur auf Vorhaben, die inhaltlich dem Vorbescheid vollständig entsprechen oder von diesem ohne Veränderung der Grundkonzeption allenfalls geringfügig abweichen (vgl. BayVGH, B. v. 4.8.2011 - 2 CS 11.997 - juris Rn. 8). Das Vorhaben darf mithin nicht derart verändert werden, dass wegen dieser Änderung die Genehmigungsfrage in bauplanungsrechtlicher und/oder bauordnungsrechtlicher Hinsicht erneut aufgeworfen wird. Wird das Vorhaben derart verändert, dass es in rechtserheblicher Weise von den entschiedenen Punkten abweicht und die Genehmigungsfrage neu aufwirft, entfällt die Bindungswirkung des Vorbescheids (vgl. BayVGH, U. v. 4.11.1996 - 1 B 94.2923 - BayVBl. 1997, 341 f.; BayVGH, B. v. 4.8.2011 - 2 CS 11.997 - juris Rn. 8).

Eine wesentliche Änderung liegt schon darin, dass im Gegensatz zum damaligen Gesamtvorhaben nunmehr drei Einzelvorhaben mit drei unterschiedlichen Baugenehmigungen - Häuser A bis C, Haus D und Haus E - umgesetzt werden sollen. Hinzu kommt, dass der Vorbescheid einer anderen Bauherrin erteilt wurde, die mit der Beigeladenen in diesem Verfahren nicht identisch ist. Die Bauherrin für das Haus D ist auch nicht Rechtsnachfolgerin der damaligen Bauherrin, so dass auch eine Anwendung von Art. 54 Abs. 2 Satz 3 BayBO ausscheidet.

2. Eine Bindungswirkung des Vorbescheids vom 24. Oktober 2011 scheidet ebenfalls aus. Bei dem darin behandelten Bauvorhaben war als Abschlussgebäude auf dem östlich angrenzenden Grundstück ein Gebäude vorgesehen, das einen Abstand zur westlichen Grenze des Grundstücks der Kläger einhält. In dieser Hinsicht stellt sich bereits die Änderung des Vorhabens von der Einhaltung von Abstandsflächen hin zu einem grenzständigen Vorhaben als wesentliche Änderung dar, die die Bindungswirkung des Vorbescheids entfallen lässt, da in nachbarrechtlicher Hinsicht grundlegend andere Fragen aufgeworfen werden. Wie bei dem Vorbescheid vom 20. Juli 2010 ist auch der Vorbescheid vom 24. Oktober 2011 einer anderen Bauherrin erteilt worden, die mit der Beigeladenen in diesem Verfahren nicht identisch ist. Die Bauherrin für das Haus D ist auch nicht Rechtsnachfolgerin der damaligen Bauherrin, so dass auch hier eine Anwendung von Art. 54 Abs. 2 Satz 3 BayBO ausscheidet.

4. Die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des streitgegenständlichen Vorhabens richtet sich vorliegend hinsichtlich des gemäß § 173 Bundesbaugesetz (BBauG) übergeleiteten Baulinienplans nach § 30 Abs. 3 BauGB und im Übrigen nach § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB, wonach innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile ein Vorhaben zulässig ist, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und die Erschließung gesichert ist. Gemäß § 34 Abs. 1 Satz 2 BauGB müssen die Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse gewahrt bleiben.

4.1 Für das Kriterium der überbaubaren Grundstücksfläche, die vorliegend gemäß § 30 Abs. 3 BauGB teilweise durch einen nach § 173 Abs. 3 BBauG übergeleiteten Baulinienplan bestimmt wird, ist anerkannt, dass diesem per se keine drittschützende Wirkung zukommt. Festsetzungen zur überbaubaren Grundstücksfläche haben ebenso wie Festsetzungen zum Maß der baulichen Nutzung nur dann drittschützende Wirkung, wenn sie nach dem Planungswillen der Gemeinde eine entsprechende drittschützende Funktion haben sollen (BayVGH, B. v. 29.9.2008 - 1 CS 08.2201 - juris Rn. 14; BVerwG, B. v. 19.10.1995 - 4 B 215/95 - juris Rn. 3). Anhaltspunkte dafür, dass die in dem übergeleiteten Baulinienplan enthaltenen Festsetzungen nach dem Planungswillen der Beklagten diese Funktion haben sollen, bestehen nicht, zumal die hier relevanten Festsetzungen auch nicht auf der den Klägern zugewandten Grundstücksseite liegen (vgl. VGH Mannheim, B. v. 23.7.1991 - 8 S 1606/91 - juris Rn. 2).

4.2 In einem unbeplanten Gebiet mit teils offener, teils geschlossener Bebauung sind regelmäßig beide Bauweisen planungsrechtlich zulässig (vgl. BVerwG, B. v. 11.3.1994 - 4 B 53/94, NVwZ 1994, 1008 - juris Rn. 4). Daraus folgt nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts aber nicht, dass auch der einzelne Bauherr wählen kann, ob er sein konkretes Bauvorhaben an der Grundstücksgrenze oder mit dem erforderlichen Grenzabstand errichtet. Da das Bauplanungsrecht die Vorschriften des Bauordnungsrechts unberührt lässt (vgl. § 29 Abs. 2 BauGB), darf das Landesrecht an ein bauplanungsrechtlich zulässiges Vorhaben weitergehende Anforderungen stellen. Mit Bundesrecht wäre es nur dann nicht vereinbar, wenn das landesrechtliche Bauordnungsrecht bei einem Vorhaben, das nach dem Einfügungsgebot des § 34 Abs. 1 BauGB zwingend nur in geschlossener Bauweise ausgeführt werden darf, die Einhaltung von Abstandsflächen verlangen würde, was aber dann nicht der Fall ist, wenn in einem Baugebiet die geschlossene Bauweise lediglich überwiegt oder vorherrscht (BVerwG, B. v. 11.3.1994, a. a. O.). Für Fälle dieser Art steht es dem Landesgesetzgeber daher frei, die Einhaltung von Abstandsflächen vorzuschreiben, wovon der bayerische Gesetzgeber aber keinen Gebrauch gemacht hat, da nach Art. 6 Abs. 1 Satz 3 BayBO Abstandsflächen nicht nur dann entfallen können, wenn nach Planungsrecht an die Grenze gebaut werden muss, sondern auch, wenn an die Grenze gebaut werden darf (BayVGH, B. v. 10.12.2001 - 20 ZS 01.2775/20 CS 020 CS 01.2775 - juris Rn. 19).

Zu beachten ist allerdings, dass bei einer Mischung von Grenzbebauung und offener Bauweise die Möglichkeit, nach § 34 Abs. 1 BauGB ein Gebäude an der Grenze zu errichten, ausscheidet, wenn wegen der auf dem Nachbargrundstück bestehenden Bebauung eine Grenzbebauung gegen das Gebot der Rücksichtnahme verstößt und sich daher nicht einfügt (Dhom/Franz/Rauscher, in: Simon/Busse, BayBO, Stand: 113 EL 2013, Art. 6 Rdnr. 48). Entsprechend sieht auch § 22 Abs. 3 BauNVO für überplante Gebiete vor, dass in der geschlossenen Bauweise Gebäude ohne seitlichen Grenzabstand errichtet werden, es sei denn, dass die vorhandene Bebauung eine Abweichung erfordert. Die grundsätzliche planungsrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens unter dem Gesichtspunkt der Bauweise steht damit unter dem Vorbehalt des Rücksichtnahmegebots, d. h. eine an sich zulässige geschlossene Bauweise fügt sich gleichwohl dann nicht im Sinne des § 34 Abs. 1 BauGB in die nähere Umgebung ein, wenn die die gebotene Rücksichtnahme auf die Umgebungsbebauung vermissen lässt.

In ihrem Urteil vom 27. Juni 2011 (M 8 K 10.3944) hat die erkennende Kammer im Rahmen eines Vorbescheidsverfahrens eines anderen Bauherren festgestellt, dass nahezu die Hälfte des Quartiers ... Straße/... Straße/... Straße/...-straße in geschlossener Bauweise bebaut ist, so dass sich diese Bauweise als prägendes Element im Quartier darstellt. Im Hinblick darauf, dass der Bayerische Verwaltungsgerichtshof für die Möglichkeit im Rahmen des § 34 Abs. 1 BauGB an entsprechende Grundstücksgrenzen zu bauen, das Kriterium des „einigermaßen ablesbaren organisch gewachsenen bauplanerischen Ordnungssystems“ aufgegeben hat und lediglich verlangt, dass eine entsprechende Bauweise in der Umgebung gehäuft vorzufinden ist (BayVGH, B. v. 29.4.2003 - 20 B 02.1904 - juris Rn. 16; B. v. 10.12.2002 - 20 ZS 01.2775 - juris Rn. 20), lässt sich eine systematisch geschlossene Bebauung des nordöstlichen Teils des Quartiers und damit die Vorprägung des westlichen Teils im Hinblick auf die Zulässigkeit dieser Bauweise nicht leugnen. Von daher ist für das vorliegende Geviert davon auszugehen, dass sowohl eine geschlossene als auch eine offene Bauweise sowie eine halboffene Bauweise vorhanden und damit grundsätzlich bauplanungsrechtlich zulässig ist.

Soweit der Bayerische Verwaltungsgerichtshof in seinem Beschluss vom 17. März 2014 (2 CS 14.27) darauf hinweist, dass als nähere Umgebung hinsichtlich der Bauweise einiges dafür spreche, dass nicht das gesamte Geviert, sondern nur die Bebauung beiderseits der ... Straße heranzuziehen sei, da bei der Bauweise ein engerer Umgriff zugrunde zu legen sei als bei dem Kriterium der Art der Nutzung, so ist zu berücksichtigen, dass sich die bereits vorhandene geschlossene Bauweise bis in den östlichen Bereich der ... Straße auf das Grundstück FlNr. ... erstreckt und insoweit in der näheren Umgebung des klägerischen und des Vorhabengrundstücks durchaus prägend vorhanden ist. Andererseits ist die südliche Seite der ... Straße in offener Bauweise bebaut. Auch hält das zur geschlossenen Bauweise Gebäude ... Straße 2 in westlicher Richtung den in offener Bauweise erforderlichen Grenzabstand zu der an das Anwesen der Kläger östlich angrenzenden Doppelhaushälfte ein.

Letztendlich kann die Frage vorliegend jedoch offen bleiben, da selbst bei einem objektivrechtlichen Nichteinfügen des Vorhabens nach der Bauweise damit für die Kläger unmittelbar noch nichts gewonnen wäre, da nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 5. Dezember 2013 (4 C 5/12, BVerwGE 148, 290 - juris Rn. 19) im unbeplanten Innenbereich ein Drittschutz hinsichtlich der Bauweise weder direkt noch analog aus § 22 Abs. 2 Satz 1 BauNVO hergeleitet werden kann. Die Vorschrift entfaltet danach selbst im beplanten Bereich keinen Nachbarschutz, diesen vermittelt in diesem Bereich vielmehr die planerische Festsetzung, an der es im unbeplanten Bereich fehlt. Der erforderliche Drittschutz hinsichtlich der Bauweise folgt im unbeplanten Bereich vielmehr aus dem Gebot der Rücksichtnahme (BVerwG, U. v. 5.12.2013 - 4 C 5/12, a. a. O. - juris Rn. 20).

4.3 Im Rahmen des § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB ist das Gebot der Rücksichtnahme ein ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal, das im Begriff des sich Einfügens eines Vorhabens in die nähere Umgebung enthalten ist (BVerwG, U. v. 11.1.1999 - 4 B 128/98, NVwZ 1999, 879, 880; BayVGH, B. v. 6.11.2008 - 14 ZB 08.2326 - juris Rdnr. 10 m. w. N.). Nach der gefestigten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts hängen die Anforderungen, die das Gebot der Rücksichtnahme im Einzelnen begründet, wesentlich von den jeweiligen Umständen ab. Je empfindlicher und schutzwürdiger die Stellung desjenigen ist, dem die Rücksichtnahme im gegebenen Zusammenhang zugute kommt, umso mehr kann er an Rücksichtnahme verlangen. Je verständlicher und unabweisbarer die mit dem Vorhaben verfolgten Interessen sind, umso weniger braucht derjenige, der das Vorhaben verwirklichen will, Rücksicht zu nehmen. Abzustellen ist darauf, was einerseits dem Rücksichtnahmebegünstigten und andererseits dem Rücksichtnahmeverpflichteten nach Lage der Dinge zuzumuten ist (BVerwG, U. v. 25.2.1977 - 4 C 22.75, BVerwGE 52, 122 - juris Rn. 22). Bei der Interessengewichtung spielt eine maßgebliche Rolle, ob es um ein Vorhaben geht, das grundsätzlich zulässig und nur ausnahmsweise unter bestimmten Voraussetzungen nicht zuzulassen ist, oder ob es sich - umgekehrt - um ein solches handelt, das an sich unzulässig ist und nur ausnahmsweise zugelassen werden kann. Bedeutsam ist ferner, inwieweit derjenige, der sich gegen das Vorhaben wendet, eine rechtlich geschützte wehrfähige Position inne hat (vgl. BVerwG, B. v. 6.12.1996 - 4 B 215/96 - juris Rn. 9 m. w. N.).

Das im Begriff des Einfügens in § 34 Abs. 1 BauGB sowie in § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO verankerte Gebot der Rücksichtnahme gibt dem Nachbarn aber nicht das Recht, von jeglicher Beeinträchtigung der Licht- und Luftverhältnisse oder der Verschlechterung der Sichtachsen von seinem Grundstück aus verschont zu bleiben. Eine Rechtsverletzung ist vielmehr unter dem Gesichtspunkt des bauplanungsrechtlichen Rücksichtnahmegebots erst dann zu bejahen, wenn von dem Vorhaben eine unzumutbare Beeinträchtigung ausgeht (BayVGH, B. v. 22.6.2011 - 15 CS 11.1101 - juris Rn. 17).

Im Hinblick auf die Beurteilung der Wahrung der gebotenen Rücksicht auf die Bebauung auf dem Nachbargrundstück unter dem Gesichtspunkt der Bauweise, kann im unbeplanten Innenbereich auch auf die Wertungen und Begriffsbestimmungen des § 22 BauNVO zurückgegriffen werden (allgemein vgl. Söfker, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand 114. EL 2014, § 34 BauGB Rn. 46; speziell zum Rücksichtnahmegebot BayVGH, B. v. 19.10.2009 - 1 CS 09.1847 - juris Rn. 13). Nach § 22 Abs. 3 BauNVO wird vom Grundsatz, dass die Gebäude in der geschlossenen Bauweise ohne Grenzabstand errichtet werden, abgewichen, wenn die vorhandene Bebauung dies erfordert. Diese Einschränkung entspricht ihrer Funktion nach im Wesentlichen dem Gebot der Rücksichtnahme (vgl. König, in: König/Roesner/Stock, BauNVO, 3. Aufl. 2014, § 22 BauNVO Rn. 26).

Wann eine Abweichung von der geschlossenen Bauweise erforderlich ist, ist grundsätzlich eine Frage der jeweiligen Umstände des Einzelfalls und entzieht sich damit allgemeingültiger Aussagen (König, in: König/Roesner/Stock, BauNVO, 3. Aufl. 2014, § 22 BauNVO Rn. 27; Blechschmidt, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand 114. EL 2014, § 22 BauNVO Rn. 41). Insoweit ist aber durchweg anerkannt, dass trotz geschlossener Bauweise dann ein seitlicher Grenzabstand einzuhalten ist, wenn ein vorhandenes Gebäude auf dem Nachbargrundstück einen Grenzabstand einhält (vgl. König, in: König/Roesner/Stock, BauNVO, 3. Aufl. 2014, § 22 BauNVO Rn. 27; Blechschmidt, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand 114. EL 2014, § 22 BauNVO Rn. 41; Fickert/Fieseler, BauNVO, 12. Aufl. 2014, § 22 Rn. 9.1).

Insoweit kann es bei einem unmittelbar an ein mit offener Bauweise bebautes Grundstück angrenzendes Vorhabengrundstück aus Gründen der Rücksichtnahme geboten sein, dieses nur in halboffener statt in geschlossener Bauweise zu bebauen. Daher hat die erkennende Kammer auch im Verfahren M 8 K 13.5031 mit Urteil vom 29. September 2014 die Baugenehmigung für das in geschlossener Bauweise geplante Haus E unmittelbar westlich des klägerischen Grundstücks aufgehoben.

Anders als die Bevollmächtigten der Kläger meinen, besteht aber über das Rücksichtnahmegebot hinsichtlich der Bauweise kein dem Gebietserhaltungsanspruch hinsichtlich der Art der Nutzung vergleichbarer Gebietserhaltungsanspruch. Hiergegen spricht schon, dass dem Zulässigkeitsmerkmal der Art der baulichen Nutzung sowohl im beplanten Bereich als auch im faktischen Baugebiet im Sinne von § 34 Abs. 2 BauGB per se eine drittschützende Wirkung zukommt, dem Einfügensmerkmal der Bauweise dagegen nicht. Zudem kann der Gebietserhaltungsanspruch auch ohne den Nachweis einer eigenen Beeinträchtigung geltend gemacht werden, wohingegen das Rücksichtnahmegebot als situationsbezogenes Korrektiv zu den typisierenden Zulässigkeitsmaßstäben eine unzumutbare Beeinträchtigung des Klägers im konkreten Einzelfall voraussetzt.

4.4 In der Rechtsprechung zum Rücksichtnahmegebot ist anerkannt, dass seine Verletzung auch dann in Betracht kommt, wenn durch die Verwirklichung des genehmigten Vorhabens ein in der unmittelbaren Nachbarschaft befindliches Wohngebäude „eingemauert“ oder „erdrückt“ wird. Eine solche Wirkung kommt vor allem bei nach Höhe und Volumen „übergroßen“ Baukörpern in geringem Abstand zu benachbarten Wohngebäuden in Betracht (vgl. BVerwG, U. v. 13.3.1981 - 4 C 1/78, DVBl. 1981, 928 - juris Rn. 38: 12-geschossiges Gebäude in 15 m Entfernung zum 2,5-geschossigen Nachbarwohnhaus; U. v. 23.5.1986 - 4 C 34/85, NVwZ 1987, 34 - juris Rn. 15: drei 11,05 m hohe Siloanlagen im Abstand von 6 m zu einem zweigeschossigen Wohnanwesen; BayVGH, B. v. 10.12.2008 - 1 CS 08.2770, BayVBl. 2009, 751 - juris Rn. 23; B. v. 5.7.2011 - 14 CS 11.814 - juris Rn. 21). Im dicht bebauten innerstädtischen Bereich kann eine erdrückende Wirkung nur dann angenommen werden, wenn das strittige Nachbargebäude erheblich höher ist als das betroffene Gebäude (vgl. BayVGH, B. v. 11.5.2010 - 2 CS 10.454 - juris Rn. 5).

Eine erdrückende Wirkung ist vorliegend aber aufgrund des Abstandes des Vorhabens zum klägerischen Gebäude von ca. 11,30 m (ca. 7,60 m Breite des Grundstücks FlNr. ..., ca. 3,70 m Abstand des klägerischen Gebäudes zur westlichen Grundstücksgrenze) bei einer Wand- und Firsthöhe des Vorhabens von 12,28 m und 16,35 m gegenüber einer Wand- und Firsthöhe des klägerischen Gebäudes von 5,60 m und 8,40 m nicht gegeben.

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

Da die Beigeladene einen Antrag gestellt hat, entspricht es der Billigkeit, den Klägern auch ihre außergerichtlichen Kosten aufzuerlegen, § 154 Abs. 3 Halbsatz 1 VwGO i. V. m. § 162 Abs. 3 VwGO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. ZPO.

Rechtsmittelbelehrung:

Nach §§ 124, 124 a Abs. 4 VwGO können die Beteiligten die Zulassung der Berufung gegen dieses Urteil innerhalb eines Monats nach Zustellung beim Bayerischen Verwaltungsgericht München,

Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder

Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München

beantragen. In dem Antrag ist das angefochtene Urteil zu bezeichnen. Dem Antrag sollen vier Abschriften beigefügt werden.

Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist bei dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof,

Hausanschrift in München: Ludwigstraße 23, 80539 München, oder

Postanschrift in München: Postfach 34 01 48, 80098 München

Hausanschrift in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach

einzureichen, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist.

Über die Zulassung der Berufung entscheidet der Bayerische Verwaltungsgerichtshof.

Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich die Beteiligten, außer im Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingeleitet wird. Als Prozessbevollmächtigte zugelassen sind neben Rechtsanwälten und den in § 67 Abs. 2 Satz 1 VwGO genannten Rechtslehrern mit Befähigung zum Richteramt die in § 67 Abs. 4 Sätze 4 und 7 VwGO sowie in §§ 3, 5 RDGEG bezeichneten Personen und Organisationen.

Beschluss:

Der Streitwert wird auf EUR 7.500,- festgesetzt (§ 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz -GKG- i. V. m. Nr. 9.7.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit).

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Beschluss steht den Beteiligten die Beschwerde an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zu, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes EUR 200,- übersteigt oder die Beschwerde zugelassen wurde. Die Beschwerde ist innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, beim Bayerischen Verwaltungsgericht München,

Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder

Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München

einzulegen.

Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde auch noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.

Der Beschwerdeschrift eines Beteiligten sollen Abschriften für die übrigen Beteiligten beigefügt werden.

Tenor

I.

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

II.

Die Beigeladene trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

III.

Der Streitwert wird auf 3.750 Euro festgesetzt.

Gründe

Die zulässige Beschwerde der Beigeladenen (§ 146 VwGO) hat keinen Erfolg. Die dargelegten Gründe rechtfertigen es nicht, die angefochtene Entscheidung aufzuheben oder abzuändern. Der Verwaltungsgerichtshof stimmt nach einer einem Eilverfahren wie diesem angemessenen summarischen Prüfung (vgl. BVerfG, B. v. 24.2.2009 - 1 BvR 165/09 - NVwZ 2009, 582) im Ergebnis der Entscheidung des Verwaltungsgerichts über den Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO zu.

1. Es bestehen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Baugenehmigung vom 1. Oktober 2013 im Hinblick auf die betroffenen Nachbarrechte der Antragsteller (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

1.1 Das Verwaltungsgericht geht zwar davon aus, dass sich das Bauvorhaben der Beigeladenen hinsichtlich der Bauweise nach § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt. Als maßgebliche nähere Umgebung hat es hierbei das Geviert K. Straße/L. Straße/O. Straße/P. Straße angesehen. Es spricht aber einiges dafür, dass vorliegend nur die Bebauung beidseits der O. Straße heranzuziehen ist. Denn hinsichtlich der Beurteilung des Einfügens nach der Bauweise könnte ein engerer Umgriff zugrunde zu legen sein als bei der Bestimmung nach der Art der baulichen Nutzung. In diesem Fall wäre wohl von einer offenen Bauweise in der näheren Umgebung des Vorhabens auszugehen. Diese Frage kann jedoch nur nach Einnahme eines Augenscheins endgültig geklärt werden.

Läge aber damit keine geschlossene Bebauung vor, wäre der Anwendungsbereich des Art. 6 Abs. 1 Satz 3 BayBO nicht eröffnet. Somit wäre für das Vorhaben der Beigeladenen eine Abweichung nach Art. 63 Abs. 1 Satz 1 BayBO von den Abstandsflächenvorschriften auch hinsichtlich der östlichen Grenzbebauung erforderlich. Für eine derartige Abweichung wäre aber eine atypische Situation Voraussetzung (vgl. BayVGH, U. v. 19.3.2013 - 2 B 13.99 - BayVBl 2013, 729). Eine solche ergibt sich hier nach Aktenlage jedoch nicht ohne weiteres. Deshalb wäre auch diese Frage letztlich nur nach Einnahme eines Augenscheins zu klären.

Den aufgrund des Urteils des Verwaltungsgerichts München vom 27. Juni 2011 (Az. M 8 K 10.3944) ergangenen und ihnen zugestellten Vorbescheid vom 24. Oktober 2011 für das Vorhaben L. Straße 10 haben die Antragsteller zwar nicht angegriffen. Es handelt sich hierbei aber um ein Bauvorhaben, das einen Abstand zur westlichen Grenze des Grundstücks der Antragsteller einhält. Es ist mithin zweifelhaft, ob der Vorbescheid für das hier gegenständliche Vorhaben von Bedeutung ist. Auch die hier angegriffene Baugenehmigung vom 1. Oktober 2013 nimmt nicht auf den genannten Vorbescheid Bezug.

1.2 Das Verwaltungsgericht geht zudem davon aus, dass das in § 34 Abs. 1 BauGB, § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO enthaltene Rücksichtnahmegebot zulasten der Antragsteller deshalb verletzt sei, weil ein Lichteinfallswinkel von 450 vor Fenstern von Aufenthaltsräumen nicht eingehalten sei. Die Beigeladene hat im Beschwerdeverfahren ein Gutachten zur Belichtungssituation vorgelegt, das von den Antragstellern inhaltlich angegriffen wird. Selbst nach dem Gutachten der Beigeladenenseite tritt jedoch im Essbereich der Antragsteller eine Verschlechterung der Belichtungssituation um rund 10% ein. Ob dies den Antragstellern noch zumutbar ist, hängt von der konkreten baulichen Situation auf dem Anwesen der Antragsteller ab. Auch zu dieser Beurteilung bedarf es deshalb der Durchführung eines Augenscheinstermins.

1.3 Ferner geht das Erstgericht davon aus, dass das Rücksichtnahmegebot zulasten der Antragsteller auch deshalb verletzt werde, weil das Bauvorhaben der Beigeladenen eine erdrückende bzw. einmauernde Wirkung habe. Dies ist in einem dicht bebauten innerstädtischen Bereich dann anzunehmen, wenn das geplante Gebäude erheblich höher ausfällt, als das Gebäude der Antragsteller (vgl. BayVGH, B. v. 11.5.2010 - 2 CS 10.454 - juris). Das Verwaltungsgericht nimmt an, dass aufgrund des geringen Gebäudeabstands von ca. 3,70 m dies hier bei einem Höhenunterschied der Traufen der betreffenden Gebäude von 3,86 m der Fall ist. Das wird von der Beigeladenen bestritten. Unter anderem sei die Höhe des Gebäudes der Antragsteller nicht zutreffend festgestellt worden. Auch dies spricht letztlich dafür, dass die tatsächliche Situation auf den Grundstücken der Antragsteller und der Beigeladenen nur durch die Einnahme eines Augenscheins festgestellt werden kann. Dabei wird auch zu ermitteln sein, ob es sich tatsächlich um einen dicht bebauten innerstädtischen Bereich handelt.

2. Angesichts der möglichen Erfolgsaussichten ihrer Anfechtungsklage fällt die Interessenabwägung des Senats zugunsten der Antragsteller aus. Das Bauvorhaben der Beigeladenen wirft in mehreren Punkten nachbarrechtsrelevante Probleme auf, die aber im summarischen Verfahren nicht abschließend geklärt werden können. Durch eine Zulassung der massiven Grenzbebauung würden jedoch vollendete Tatsachen zulasten der Antragsteller geschaffen. Demgegenüber wird die Beigeladene lediglich daran gehindert, einen Teil der umfangreichen Blockrandbebauung derzeit auszuführen. Ihr ist es daher zuzumuten, den Ausgang des Hauptsacheverfahrens nach Durchführung einer Ortseinsicht abzuwarten.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47, 52 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG.

(1) Innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile ist ein Vorhaben zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und die Erschließung gesichert ist. Die Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse müssen gewahrt bleiben; das Ortsbild darf nicht beeinträchtigt werden.

(2) Entspricht die Eigenart der näheren Umgebung einem der Baugebiete, die in der auf Grund des § 9a erlassenen Verordnung bezeichnet sind, beurteilt sich die Zulässigkeit des Vorhabens nach seiner Art allein danach, ob es nach der Verordnung in dem Baugebiet allgemein zulässig wäre; auf die nach der Verordnung ausnahmsweise zulässigen Vorhaben ist § 31 Absatz 1, im Übrigen ist § 31 Absatz 2 entsprechend anzuwenden.

(3) Von Vorhaben nach Absatz 1 oder 2 dürfen keine schädlichen Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden zu erwarten sein.

(3a) Vom Erfordernis des Einfügens in die Eigenart der näheren Umgebung nach Absatz 1 Satz 1 kann im Einzelfall abgewichen werden, wenn die Abweichung

1.
einem der nachfolgend genannten Vorhaben dient:
a)
der Erweiterung, Änderung, Nutzungsänderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten Gewerbe- oder Handwerksbetriebs,
b)
der Erweiterung, Änderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten, Wohnzwecken dienenden Gebäudes oder
c)
der Nutzungsänderung einer zulässigerweise errichteten baulichen Anlage zu Wohnzwecken, einschließlich einer erforderlichen Änderung oder Erneuerung,
2.
städtebaulich vertretbar ist und
3.
auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist.
Satz 1 findet keine Anwendung auf Einzelhandelsbetriebe, die die verbrauchernahe Versorgung der Bevölkerung beeinträchtigen oder schädliche Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden haben können. In den Fällen des Satzes 1 Nummer 1 Buchstabe b und c kann darüber hinaus vom Erfordernis des Einfügens im Einzelfall im Sinne des Satzes 1 in mehreren vergleichbaren Fällen abgewichen werden, wenn die übrigen Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und die Aufstellung eines Bebauungsplans nicht erforderlich ist.

(4) Die Gemeinde kann durch Satzung

1.
die Grenzen für im Zusammenhang bebaute Ortsteile festlegen,
2.
bebaute Bereiche im Außenbereich als im Zusammenhang bebaute Ortsteile festlegen, wenn die Flächen im Flächennutzungsplan als Baufläche dargestellt sind,
3.
einzelne Außenbereichsflächen in die im Zusammenhang bebauten Ortsteile einbeziehen, wenn die einbezogenen Flächen durch die bauliche Nutzung des angrenzenden Bereichs entsprechend geprägt sind.
Die Satzungen können miteinander verbunden werden.

(5) Voraussetzung für die Aufstellung von Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 ist, dass

1.
sie mit einer geordneten städtebaulichen Entwicklung vereinbar sind,
2.
die Zulässigkeit von Vorhaben, die einer Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung nach Anlage 1 zum Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung oder nach Landesrecht unterliegen, nicht begründet wird und
3.
keine Anhaltspunkte für eine Beeinträchtigung der in § 1 Absatz 6 Nummer 7 Buchstabe b genannten Schutzgüter oder dafür bestehen, dass bei der Planung Pflichten zur Vermeidung oder Begrenzung der Auswirkungen von schweren Unfällen nach § 50 Satz 1 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes zu beachten sind.
In den Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 können einzelne Festsetzungen nach § 9 Absatz 1 und 3 Satz 1 sowie Absatz 4 getroffen werden. § 9 Absatz 6 und § 31 sind entsprechend anzuwenden. Auf die Satzung nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 3 sind ergänzend § 1a Absatz 2 und 3 und § 9 Absatz 1a entsprechend anzuwenden; ihr ist eine Begründung mit den Angaben entsprechend § 2a Satz 2 Nummer 1 beizufügen.

(6) Bei der Aufstellung der Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 sind die Vorschriften über die Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung nach § 13 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 und 3 sowie Satz 2 entsprechend anzuwenden. Auf die Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 1 bis 3 ist § 10 Absatz 3 entsprechend anzuwenden.

(1) Reine Wohngebiete dienen dem Wohnen.

(2) Zulässig sind

1.
Wohngebäude,
2.
Anlagen zur Kinderbetreuung, die den Bedürfnissen der Bewohner des Gebiets dienen.

(3) Ausnahmsweise können zugelassen werden

1.
Läden und nicht störende Handwerksbetriebe, die zur Deckung des täglichen Bedarfs für die Bewohner des Gebiets dienen, sowie kleine Betriebe des Beherbergungsgewerbes,
2.
sonstige Anlagen für soziale Zwecke sowie den Bedürfnissen der Bewohner des Gebiets dienende Anlagen für kirchliche, kulturelle, gesundheitliche und sportliche Zwecke.

(4) Zu den nach Absatz 2 sowie den §§ 2, 4 bis 7 zulässigen Wohngebäuden gehören auch solche, die ganz oder teilweise der Betreuung und Pflege ihrer Bewohner dienen.

(1) Die Frist für ein Rechtsmittel oder einen anderen Rechtsbehelf beginnt nur zu laufen, wenn der Beteiligte über den Rechtsbehelf, die Verwaltungsbehörde oder das Gericht, bei denen der Rechtsbehelf anzubringen ist, den Sitz und die einzuhaltende Frist schriftlich oder elektronisch belehrt worden ist.

(2) Ist die Belehrung unterblieben oder unrichtig erteilt, so ist die Einlegung des Rechtsbehelfs nur innerhalb eines Jahres seit Zustellung, Eröffnung oder Verkündung zulässig, außer wenn die Einlegung vor Ablauf der Jahresfrist infolge höherer Gewalt unmöglich war oder eine schriftliche oder elektronische Belehrung dahin erfolgt ist, daß ein Rechtsbehelf nicht gegeben sei. § 60 Abs. 2 gilt für den Fall höherer Gewalt entsprechend.

(1) Innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile ist ein Vorhaben zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und die Erschließung gesichert ist. Die Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse müssen gewahrt bleiben; das Ortsbild darf nicht beeinträchtigt werden.

(2) Entspricht die Eigenart der näheren Umgebung einem der Baugebiete, die in der auf Grund des § 9a erlassenen Verordnung bezeichnet sind, beurteilt sich die Zulässigkeit des Vorhabens nach seiner Art allein danach, ob es nach der Verordnung in dem Baugebiet allgemein zulässig wäre; auf die nach der Verordnung ausnahmsweise zulässigen Vorhaben ist § 31 Absatz 1, im Übrigen ist § 31 Absatz 2 entsprechend anzuwenden.

(3) Von Vorhaben nach Absatz 1 oder 2 dürfen keine schädlichen Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden zu erwarten sein.

(3a) Vom Erfordernis des Einfügens in die Eigenart der näheren Umgebung nach Absatz 1 Satz 1 kann im Einzelfall abgewichen werden, wenn die Abweichung

1.
einem der nachfolgend genannten Vorhaben dient:
a)
der Erweiterung, Änderung, Nutzungsänderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten Gewerbe- oder Handwerksbetriebs,
b)
der Erweiterung, Änderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten, Wohnzwecken dienenden Gebäudes oder
c)
der Nutzungsänderung einer zulässigerweise errichteten baulichen Anlage zu Wohnzwecken, einschließlich einer erforderlichen Änderung oder Erneuerung,
2.
städtebaulich vertretbar ist und
3.
auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist.
Satz 1 findet keine Anwendung auf Einzelhandelsbetriebe, die die verbrauchernahe Versorgung der Bevölkerung beeinträchtigen oder schädliche Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden haben können. In den Fällen des Satzes 1 Nummer 1 Buchstabe b und c kann darüber hinaus vom Erfordernis des Einfügens im Einzelfall im Sinne des Satzes 1 in mehreren vergleichbaren Fällen abgewichen werden, wenn die übrigen Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und die Aufstellung eines Bebauungsplans nicht erforderlich ist.

(4) Die Gemeinde kann durch Satzung

1.
die Grenzen für im Zusammenhang bebaute Ortsteile festlegen,
2.
bebaute Bereiche im Außenbereich als im Zusammenhang bebaute Ortsteile festlegen, wenn die Flächen im Flächennutzungsplan als Baufläche dargestellt sind,
3.
einzelne Außenbereichsflächen in die im Zusammenhang bebauten Ortsteile einbeziehen, wenn die einbezogenen Flächen durch die bauliche Nutzung des angrenzenden Bereichs entsprechend geprägt sind.
Die Satzungen können miteinander verbunden werden.

(5) Voraussetzung für die Aufstellung von Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 ist, dass

1.
sie mit einer geordneten städtebaulichen Entwicklung vereinbar sind,
2.
die Zulässigkeit von Vorhaben, die einer Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung nach Anlage 1 zum Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung oder nach Landesrecht unterliegen, nicht begründet wird und
3.
keine Anhaltspunkte für eine Beeinträchtigung der in § 1 Absatz 6 Nummer 7 Buchstabe b genannten Schutzgüter oder dafür bestehen, dass bei der Planung Pflichten zur Vermeidung oder Begrenzung der Auswirkungen von schweren Unfällen nach § 50 Satz 1 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes zu beachten sind.
In den Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 können einzelne Festsetzungen nach § 9 Absatz 1 und 3 Satz 1 sowie Absatz 4 getroffen werden. § 9 Absatz 6 und § 31 sind entsprechend anzuwenden. Auf die Satzung nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 3 sind ergänzend § 1a Absatz 2 und 3 und § 9 Absatz 1a entsprechend anzuwenden; ihr ist eine Begründung mit den Angaben entsprechend § 2a Satz 2 Nummer 1 beizufügen.

(6) Bei der Aufstellung der Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 sind die Vorschriften über die Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung nach § 13 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 und 3 sowie Satz 2 entsprechend anzuwenden. Auf die Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 1 bis 3 ist § 10 Absatz 3 entsprechend anzuwenden.

(1) Die Frist für ein Rechtsmittel oder einen anderen Rechtsbehelf beginnt nur zu laufen, wenn der Beteiligte über den Rechtsbehelf, die Verwaltungsbehörde oder das Gericht, bei denen der Rechtsbehelf anzubringen ist, den Sitz und die einzuhaltende Frist schriftlich oder elektronisch belehrt worden ist.

(2) Ist die Belehrung unterblieben oder unrichtig erteilt, so ist die Einlegung des Rechtsbehelfs nur innerhalb eines Jahres seit Zustellung, Eröffnung oder Verkündung zulässig, außer wenn die Einlegung vor Ablauf der Jahresfrist infolge höherer Gewalt unmöglich war oder eine schriftliche oder elektronische Belehrung dahin erfolgt ist, daß ein Rechtsbehelf nicht gegeben sei. § 60 Abs. 2 gilt für den Fall höherer Gewalt entsprechend.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Die Frist für ein Rechtsmittel oder einen anderen Rechtsbehelf beginnt nur zu laufen, wenn der Beteiligte über den Rechtsbehelf, die Verwaltungsbehörde oder das Gericht, bei denen der Rechtsbehelf anzubringen ist, den Sitz und die einzuhaltende Frist schriftlich oder elektronisch belehrt worden ist.

(2) Ist die Belehrung unterblieben oder unrichtig erteilt, so ist die Einlegung des Rechtsbehelfs nur innerhalb eines Jahres seit Zustellung, Eröffnung oder Verkündung zulässig, außer wenn die Einlegung vor Ablauf der Jahresfrist infolge höherer Gewalt unmöglich war oder eine schriftliche oder elektronische Belehrung dahin erfolgt ist, daß ein Rechtsbehelf nicht gegeben sei. § 60 Abs. 2 gilt für den Fall höherer Gewalt entsprechend.

(1) Die Anfechtungsklage muß innerhalb eines Monats nach Zustellung des Widerspruchsbescheids erhoben werden. Ist nach § 68 ein Widerspruchsbescheid nicht erforderlich, so muß die Klage innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des Verwaltungsakts erhoben werden.

(2) Für die Verpflichtungsklage gilt Absatz 1 entsprechend, wenn der Antrag auf Vornahme des Verwaltungsakts abgelehnt worden ist.

(1) Vor Erhebung der Anfechtungsklage sind Rechtmäßigkeit und Zweckmäßigkeit des Verwaltungsakts in einem Vorverfahren nachzuprüfen. Einer solchen Nachprüfung bedarf es nicht, wenn ein Gesetz dies bestimmt oder wenn

1.
der Verwaltungsakt von einer obersten Bundesbehörde oder von einer obersten Landesbehörde erlassen worden ist, außer wenn ein Gesetz die Nachprüfung vorschreibt, oder
2.
der Abhilfebescheid oder der Widerspruchsbescheid erstmalig eine Beschwer enthält.

(2) Für die Verpflichtungsklage gilt Absatz 1 entsprechend, wenn der Antrag auf Vornahme des Verwaltungsakts abgelehnt worden ist.

(1) Die Anfechtungsklage muß innerhalb eines Monats nach Zustellung des Widerspruchsbescheids erhoben werden. Ist nach § 68 ein Widerspruchsbescheid nicht erforderlich, so muß die Klage innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des Verwaltungsakts erhoben werden.

(2) Für die Verpflichtungsklage gilt Absatz 1 entsprechend, wenn der Antrag auf Vornahme des Verwaltungsakts abgelehnt worden ist.

(1) Die Frist für ein Rechtsmittel oder einen anderen Rechtsbehelf beginnt nur zu laufen, wenn der Beteiligte über den Rechtsbehelf, die Verwaltungsbehörde oder das Gericht, bei denen der Rechtsbehelf anzubringen ist, den Sitz und die einzuhaltende Frist schriftlich oder elektronisch belehrt worden ist.

(2) Ist die Belehrung unterblieben oder unrichtig erteilt, so ist die Einlegung des Rechtsbehelfs nur innerhalb eines Jahres seit Zustellung, Eröffnung oder Verkündung zulässig, außer wenn die Einlegung vor Ablauf der Jahresfrist infolge höherer Gewalt unmöglich war oder eine schriftliche oder elektronische Belehrung dahin erfolgt ist, daß ein Rechtsbehelf nicht gegeben sei. § 60 Abs. 2 gilt für den Fall höherer Gewalt entsprechend.

Gründe

I.

1

Der Kläger wendet sich gegen die baurechtliche Genehmigung der Errichtung einer Basisstation für das UMTS-Netz, bestehend aus einem etwa 9,60 m hohen Antennenträger und drei bis zu 2,50 m hohen Technikschränken, auf dem Dach eines während des zweiten Weltkriegs errichteten Zivilschutzbunkers. Im Erdgeschoss des Bunkers üben mit Baugenehmigung aus dem Jahr 1983 Musikgruppen. Die beiden Obergeschosse werden mit Genehmigung aus dem Jahr 1991 als Verwaltungs- und Röntgenarchiv eines Krankenhauses genutzt.

2

Das Verwaltungsgericht gab der Klage statt, weil die streitige Anlage gegen nachbarschützende Grenzabstandsvorschriften verstoße. Gegenstand der Beurteilung sei nicht die genehmigte Anlage allein, sondern der Bunker mit Technikraum und Antennenmast. Auf die Berufungen der Beklagten und der Beigeladenen hat das Oberverwaltungsgericht das Urteil des Verwaltungsgerichts geändert und die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die abstandsrechtliche Zulässigkeit der Antenne beurteile sich isoliert und nicht als Gesamtheit mit dem darunter stehenden Bunkergebäude (UA S. 9). Der Hinweis des Klägers, der Bunker habe seine Funktion und damit seinen Bestandsschutz verloren, ändere daran nichts. Mit Genehmigungen aus den Jahren 1983 und 1991 seien Nutzungen aufgenommen worden, die seine Substanz vollständig umfassten. Diese Genehmigungen seien (auch vom Kläger) nicht angegriffen worden und damit bestandskräftig (UA S. 15). Auch der Gebietserhaltungsanspruch berechtige den Kläger nicht zur Abwehr des streitigen Vorhabens (UA S. 21 ff.). Selbst wenn die maßgebliche Umgebung als reines Wohngebiet einzustufen wäre, könnten fernmeldetechnische Nebenanlagen dort gemäß § 14 Abs. 2 BauNVO 1990 als Ausnahme zugelassen werden. Nur ergänzend sei daher auszuführen, dass die Schutzwürdigkeit des klägerischen Grundstücks nach neuerlicher Überlegung geringer ausfalle, als von den Beteiligten und dem Senat im Eilverfahren angenommen. Die Situation des klägerischen Grundstücks werde ganz wesentlich von einer Grundschule mitbestimmt. Diese habe eine Funktion und eine Größe, die in einem reinen Wohngebiet nicht erfüllt werden dürfte. Dies habe zur Folge, dass die nach § 34 BauGB maßgebliche Umgebung als allgemeines Wohngebiet einzustufen und der Schutzanspruch des Klägers dementsprechend herabgesetzt sei.

II.

3

Die auf sämtliche Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 VwGO gestützte Beschwerde bleibt ohne Erfolg.

4

1. Die Rechtssache hat nicht die grundsätzliche Bedeutung, die ihr die Beschwerde beimisst.

5

1.1 Als rechtsgrundsätzlich bezeichnet der Kläger folgende Frage:

Wie ist ein funktionslos gewordener Zivilschutzbunker des Zweiten Weltkriegs, der für seinen besonderen Zweck und seine Funktion im Rahmen seiner Landesverteidigung nur mittels Dispens genehmigt werden konnte, bezüglich wesentlicher Änderungen oder Erweiterungen der Bausubstanz baurechtlich zu bewerten?

6

Mit dieser Frage möchte der Kläger geklärt wissen, ob die Rechtsauffassung des Oberverwaltungsgerichts, dass die Antenne abstandsrechtlich isoliert und nicht als Gesamtheit mit dem Zivilschutzbunker zu beurteilen sei, zutrifft. Maßgebend hierfür ist das dem irrevisiblen Landesrecht angehörende niedersächsische Grenzabstandsrecht. Fragen zur Auslegung und Anwendung von Landesrecht sind in einem Revisionsverfahren nicht klärungsfähig (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO).

7

1.2 Die Frage,

ob eine Baugenehmigung, die nachbarliche Belange berührt und dennoch ohne Kenntnis der Nachbarn erteilt wurde und deren Ausnutzung für die Nachbarn vollkommen unmerklich geschieht, diesen Nachbarn bei einem Änderungsvorhaben zu deren Nachteil mit Erfolg vorgehalten werden kann,

würde sich in einem Revisionsverfahren nicht stellen. Denn das Oberverwaltungsgericht hat nicht festgestellt, dass die Nutzung des Bunkers durch Musikgruppen und als Verwaltungs- und Röntgenarchiv eines Krankenhauses für die Nachbarn unmerklich geschehen ist. Dass ihm die Nutzung des Bunkers durch Musikgruppen bekannt gewesen sei, hat der Kläger in der Beschwerdebegründung selbst nicht bestritten.

8

Im Übrigen ergibt sich unmittelbar aus dem Gesetz und aus der bisherigen Rechtsprechung des Senats, dass, wenn eine Baugenehmigung dem Nachbarn nicht bekanntgegeben worden ist, gemäß § 70 i.V.m. § 58 VwGO auch die Frist zur Einlegung eines Widerspruchs nicht zu laufen beginnt; auch in derartigen Fällen kann die Anfechtungsbefugnis des Nachbarn aber nach den Grundsätzen von Treu und Glauben verwirkt sein (Urteil vom 25. Januar 1974 - BVerwG 4 C 2.72 - BVerwGE 44, 294 und Beschluss vom 28. August 1987 - BVerwG 4 N 3.86 - BVerwGE 78, 85). Ob letzteres der Fall ist, hängt maßgebend von den Umständen des jeweiligen Einzelfalls ab (Beschluss vom 28. August 1987 a.a.O. S. 90).

9

1.3 Aus den bereits dargelegten Gründen (1.2) rechtfertigt auch die Frage,

wie weit die Pflichten eines Bürgers zum anlasslosen und präventiven Angriff auf "heimliche" Baugenehmigungen in seiner Nachbarschaft reichen, wenn er von den Genehmigungen und ihrer Ausnutzung keine Kenntnis erhält, die Existenz dieser Genehmigungen ihm jedoch zu einem späteren Zeitpunkt zu seinem Nachteil vorgehalten werden könnten,

nicht die Zulassung der Revision. Im Übrigen hatte der Kläger spätestens aufgrund der entsprechenden Feststellungen im Urteil des Verwaltungsgerichts vom 27. September 2005 Kenntnis von den Genehmigungen der zivilen Nutzungen des Bunkers. Widerspruch gegen die Genehmigungen hat er nach den Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts auch danach nicht erhoben.

10

2. Die Zulassungsgründe im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO, die der Kläger geltend macht, liegen ebenfalls nicht vor. Eine Divergenz im Sinne dieser Vorschrift ist nur gegeben, wenn die Vorinstanz mit einem die angefochtene Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz einem in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts aufgestellten ebensolchen Rechtssatz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift widersprochen hat (Beschluss vom 19. August 1997 - BVerwG 7 B 261.97 - NJW 1997, 3328).

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2.1 Der Kläger macht geltend, das Oberverwaltungsgericht widerspreche mit seiner Auffassung, die ohne Prüfung der Kubatur des Bunkers erteilten Genehmigungen aus den Jahren 1983 und 1991 hätten eine "vollständige Legalisierung" bewirkt, mehreren Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts zur baurechtlichen Beurteilung von Nutzungsänderungen nach § 34 BauGB. Insoweit verkennt der Kläger, dass sich die Ausführungen des Oberverwaltungsgerichts zur Legalisierungswirkung der Genehmigungen nicht auf § 34 BauGB, sondern auf das niedersächsische Grenzabstandsrecht und damit auf irrevisibles Landesrecht beziehen (vgl. UA S. 14). Schon deshalb liegt eine Divergenz im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO nicht vor. Unabhängig davon bezeichnet der Kläger keinen abstrakten Rechtssatz, mit dem das Oberverwaltungsgericht von der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts abgewichen sein könnte; er wendet sich vielmehr gegen Ausführungen zu Inhalt und Reichweite der im vorliegenden Streitfall erteilten Genehmigungen.

12

2.2 Eine Divergenz zum Vorhabenbegriff im Sinne des § 29 BauGB liegt ebenfalls nicht vor. Einen Rechtssatz zur Auslegung des § 29 BauGB hat das Oberverwaltungsgericht nicht aufgestellt. Wie bereits dargelegt, hat es die baurechtliche Beurteilung lediglich im Hinblick auf die landesrechtlichen Grenzabstandsvorschriften auf die neu hinzutretende Sendeanlage beschränkt.

13

Die im Rahmen der Divergenzrüge als rechtsgrundsätzlich bezeichnete Frage,

ob ein materiell-illegales Gebäude ohne erneute baurechtliche Prüfung einem neuen Nutzungszweck zugeführt werden darf,

würde sich in einem Revisionsverfahren nicht stellen. Denn das Oberverwaltungsgericht ist davon ausgegangen, dass die Baugenehmigungen aus den Jahren 1983 und 1991 bestandskräftig geworden seien (UA S. 15).

14

3. Schließlich greifen auch die Verfahrensrügen nicht durch.

15

3.1 Der Kläger macht geltend, das Oberverwaltungsgericht habe seine Hinweispflicht nach § 86 Abs. 3 VwGO sowie den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör (§ 108 Abs. 2 VwGO, Art. 103 Abs. 1 GG) verletzt, weil es die Beteiligten nicht vor der mündlichen Verhandlung auf seine Auffassung hingewiesen habe, dass die maßgebliche Umgebung nicht - wie bisher von den Beteiligten und im Eilverfahren auch dem Oberverwaltungsgericht selbst angenommen - als reines, sondern als allgemeines Wohngebiet einzustufen sei. Zu einem solchen Hinweis war das Oberverwaltungsgericht schon deshalb nicht verpflichtet, weil die Abweisung der Klage auf der Einstufung als allgemeines Wohngebiet nicht beruht. Das Oberverwaltungsgericht hat einen Gebietserhaltungsanspruch auch für den Fall verneint, dass die maßgebliche Umgebung als reines Wohngebiet einzustufen wäre; dann wäre das streitige Vorhaben nach § 14 Abs. 2 BauNVO 1990 im Wege der Ausnahme zu Recht zugelassen worden; auf die Befreiung komme es nicht an (UA S. 28). "Nur ergänzend" (UA S. 33), d.h. als weitere selbstständig tragende Erwägung, hat es dargelegt, dass die Schutzwürdigkeit des klägerischen Grundstücks nach neuerlicher Überlegung geringer ausfalle, weil die maßgebliche Umgebung wegen einer dort vorhandenen Grundschule nur als allgemeines Wohngebiet einzustufen sei (UA S. 33 f.). Da diese ergänzende Erwägung hinweggedacht werden kann, wäre auch die auf S. 39 der Beschwerdebegründung als rechtsgrundsätzlich bezeichnete Frage in einem Revisionsverfahren nicht entscheidungserheblich.

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3.2 Einen Verfahrensfehler sieht die Beschwerde schließlich darin, dass das Oberverwaltungsgericht auf der Grundlage einer von der Beigeladenen während des Berufungsverfahrens vorgelegten "Standortanalyse" den Einwand des Klägers zurückgewiesen hat, dass ein anderer Standort nördlich der Autobahn zur Versorgung des Gebiets mit UMTS-Diensten besser geeignet sei (vgl. UA S. 30). Die Analyse leide unter erheblichen und offenkundigen Mängeln.

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Ein Aufklärungsmangel (§ 86 Abs. 1 VwGO) ergibt sich aus diesem Vortrag nicht. Die Beschwerde legt nicht - wie dies erforderlich wäre (Beschluss vom 19. August 1997 a.a.O.) - dar, hinsichtlich welcher tatsächlichen Umstände Aufklärungsbedarf bestanden hat und welche tatsächlichen Feststellungen bei Durchführung der unterbliebenen Sachverhaltsaufklärung getroffen worden wären. Der Sache nach rügt sie, dass das Oberverwaltungsgericht ihren Einwänden gegen die Verwertbarkeit der Standortanalyse nicht gefolgt ist. Mit Angriffen gegen die Sachverhalts- und Beweiswürdigung des Berufungsgerichts kann ein Verfahrensmangel im Sinne § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO nicht begründet werden, da derartige Fehler in der Regel - und so auch hier - revisionsrechtlich nicht dem Verfahrensrecht, sondern der materiellen Rechtsanwendung zuzurechnen wären.

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Auch soweit der Kläger eine Verletzung des fairen Verfahrens rügt, weil das Oberverwaltungsgericht zwar die von der Beigeladenen erst nach Bauantragstellung und Erlass der Baugenehmigung vorgelegte Standortanalyse, nicht aber das ihm günstige Inkrafttreten der Richtlinie 2009/114/EG berücksichtigt habe, ist ein Verfahrensfehler nicht schlüssig dargelegt. Bei der Prüfung, ob der Vorinstanz ein Verfahrensfehler unterlaufen ist, ist von deren materiellrechtlicher Rechtsauffassung auszugehen, selbst wenn diese verfehlt sein sollte (Urteil vom 25. März 1987 - BVerwG 6 C 10.84 - Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 183 S. 4, stRspr). Das Oberverwaltungsgericht war der Rechtsauffassung, dass dem Bauherrn nachteilige Veränderungen der Sach- und Rechtslage während eines Nachbarstreitverfahrens nicht zu berücksichtigen sind (UA S. 31). Ausgehend hiervon war die Richtlinie 2009/114/EG nicht berücksichtigungsfähig. Begründete Einwände gegen die Verwertbarkeit der Standortanalyse bestanden demgegenüber nach seiner Rechtsauffassung nicht.

(1) Die Frist für ein Rechtsmittel oder einen anderen Rechtsbehelf beginnt nur zu laufen, wenn der Beteiligte über den Rechtsbehelf, die Verwaltungsbehörde oder das Gericht, bei denen der Rechtsbehelf anzubringen ist, den Sitz und die einzuhaltende Frist schriftlich oder elektronisch belehrt worden ist.

(2) Ist die Belehrung unterblieben oder unrichtig erteilt, so ist die Einlegung des Rechtsbehelfs nur innerhalb eines Jahres seit Zustellung, Eröffnung oder Verkündung zulässig, außer wenn die Einlegung vor Ablauf der Jahresfrist infolge höherer Gewalt unmöglich war oder eine schriftliche oder elektronische Belehrung dahin erfolgt ist, daß ein Rechtsbehelf nicht gegeben sei. § 60 Abs. 2 gilt für den Fall höherer Gewalt entsprechend.

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 7. Juli 2009 - 6 K 2167/06 - geändert. Die immissionsschutzrechtliche Genehmigung des Landratsamts Rastatt vom 10.08.1995 und der Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 02.08.2006 werden aufgehoben.

Der Beklagte und die Beigeladene tragen die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge jeweils zur Hälfte.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Die Klägerin wendet sich gegen eine der Rechtsvorgängerin der Beigeladenen erteilte immissionsschutzrechtliche Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb eines Sprengstofflagers.
Die Klägerin ist Eigentümerin des Grundstücks ... Straße ... in ... ... Das Grundstück liegt nördlich der Kreisstraße K ... ... ... und grenzt im Westen an die B ... an, die im fraglichen Bereich erhöht auf einem Damm verläuft. Auf dem Grundstück betrieb die Firma ... GmbH jedenfalls bis Mitte des Jahres 2010 eine Fabrik zur Herstellung von Holzspanplatten gemäß Ziff. 6.3 Spalte 1 des Anhangs zur 4. BImSchV; seitdem ruht die Betriebstätigkeit. Bis zum 01.04.2001 wurde das Spanplattenwerk von der Firmengruppe ... ... ... betrieben. Das Grundstück der Klägerin liegt im Geltungsbereich des früheren rechtsverbindlichen Bebauungsplans „...“ der Gemeinde ... vom 21.03.1983, der für das Grundstück eine Nutzung als Industriegebiet und Gewerbegebiet ausweist. Mit Wirkung zum 20.05.2005 ersetzte die Gemeinde ... den vorhandenen Bebauungsplan durch den Bebauungsplan „Gewerbegebiete an der B ... und Sondergebiet Spanplattenwerk (Gebiete ..., ... ... ... ... ... ...“. Für das Grundstück der Klägerin wurde ein Sondergebiet (SO 1) festgesetzt. Gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 9 BauGB wurde zudem in dem der B 462 nächstgelegenen Teil A die Nutzung „Silos für Sägespäne“, im Teil B „Spanplattenwerk Lagerhaltung, Veredelung (einschließlich Schleifen), Vertrieb und Verwaltung“ und im Übrigen „Spanplattenwerk Lagerflächen, einschließlich Hacker- und Förderanlagen, Lkw-Parkplatz-Anlage, einschließlich Waage und Gebäude mit Sanitär- und Aufenthaltsräumen, Pförtnerloge“ festgesetzt. Der Bebauungsplan enthält in dem Teil C. den folgenden Hinweis:
„7. Schutzmaßnahmen gegen Explosivstoffe
Auf den Grundstücken Nr. ... und ... der Gemarkung ..., ... Weg, Gewann ..., befindet sich ein Lager für explosionsgefährliche Stoffe. Von diesem Sprengstofflager sind u.U. auch in Teilbereichen des Plangebiets nach der 2. Sprengstoffverordnung für die Aufbewahrung explosionsgefährlicher Stoffe Schutzabstände für gewerbliche Bebauung mit der Einrichtung von ständigen Arbeitsplätzen einzuhalten. Ein entsprechender Nachweis ist im jeweiligen Genehmigungsverfahren zu erbringen.“
Die Beigeladene betreibt seit dem 01.01.2005 auf den Grundstücken mit den Flst.Nrn. ... und ..., Gewann ..., ... Weg, ... ..., ein Sprengstofflager, das bis dahin von der Firma ... ... KG betrieben wurde. Das Grundstück liegt westlich der B ... und nordwestlich des Grundstücks der Klägerin. Die Entfernung zur B ... beträgt ca. 266,62 m. Der für An- und Ablieferungen genutzte ... Weg schließt sich südöstlich an das Grundstück an. Der Abstand zur nächstgelegenen Grenze des Grundstücks der Klägerin beträgt ca. 300 m.
Unter dem 10.08.1995 erteilte das Landratsamt ... auf Antrag der Rechtsvorgängerin der Beigeladenen, der Firma ... ... KG, die immissionsschutzrechtliche Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb von zwei Sprengstoffbunkern zur Lagerung von je 25 Tonnen Explosivstoffen und Gegenständen mit Explosivstoffen der Lagergruppen 1.1, 1.3 sowie 1.4. Beide Bunker sind mit 137,3 qm bzw. 171 qm Grundfläche im Abstand von ca. 20 m parallel in Ostrichtung ausgerichtet. Decke, Nord-, Ost- und Südseite der Bunker sind mit Erdreich bedeckt, das an den Seiten zu einer bis zu 5 m starken Böschung aufgeschüttet ist. Die Erdüberschüttung der Betondecke ist ca. 0,6 m mächtig. Nicht mit Erdreich bedeckt sind lediglich die vom Grundstück der Klägerin abgewandten Westseiten der Bunker, wo diese durch Stahltore beschickt werden. Den vom Sprengstofflager in Richtung des Grundstücks der Klägerin einzuhaltenden Schutzabstand zu Wohneinheiten setzte die immissionsschutzrechtliche Genehmigung (Punkt A Ziff. 2 bzw. Nebenbestimmung I.2) unter Bezug auf eine Stellungnahme der Bundesanstalt für Materialforschung - BAM - vom 24.04.1995 im Rahmen einer Ausnahme nach § 3 Abs. 2 der 2. SprengV mit 395 m fest. Die für die Einhaltung des Schutzabstands maßgebliche Stellungnahme der BAM berücksichtigte die im Zeitpunkt der Antragstellung tatsächlich vorhandene Bebauung auf dem Grundstück der Klägerin, wobei von einem eingehaltenen Abstand von 500 m ausgegangen wird. Mit Anzeige gemäß § 15 BImSchG vom 10.10.2005 verpflichtete sich die Beigeladene, die Menge der eingelagerten Explosivstoffe auf insgesamt 49.850 kg für die Lagerklassen 1.1, 1.3 und 1.4 zu begrenzen.
Die immissionsschutzrechtliche Genehmigung wurde im vereinfachten Verfahren erteilt und der Klägerin nicht zugestellt oder anderweitig bekannt gegeben.
Mit Schriftsatz vom 10.05.2004 (eingegangen am 11.05.2004) legte die Klägerin gegen die immissionsschutzrechtliche Genehmigung Widerspruch ein und führte zur Begründung aus, sie habe erst durch ein Schreiben der Gemeinde ... vom 19.04.2004 im Rahmen des Bebauungsplanverfahrens „Gewerbegebiete an der B ... und Sondergebiet Spanplattenwerk“ Kenntnis von der der Rechtsvorgängerin der Beigeladenen erteilten immissionsschutzrechtlichen Genehmigung erlangt. Mangels Bekanntgabe der Genehmigung an die Klägerin sei die Widerspruchsfrist nicht in Gang gesetzt worden. Zudem sei die Befugnis zur Einlegung des Widerspruchs nicht verwirkt, da es an besonderen Umständen fehle, welche die verspätete Geltendmachung als Verstoß gegen Treu und Glauben erscheinen ließen. Die Klägerin habe weder erkannt noch erkennen müssen, dass eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung zur Errichtung der Sprengstoffbunker erteilt worden sei. Aufgrund der konkreten örtlichen Gegebenheiten habe die Klägerin nicht erkennen können, dass Bauarbeiten auf dem Grundstück der Beigeladenen durchgeführt worden seien. Die Grundstücke befänden sich nicht in unmittelbarer Nachbarschaft, auch sei bereits zum Zeitpunkt des Baus das Grundstück der Firma ... KG durch die in Dammlage verlaufende B ... sowie durch zahlreiche Obstbäume verdeckt worden. Der Baustellenverkehr sei über den vom Grundstück der Klägerin abgewandten ... Weg abgewickelt worden. Die Genehmigung sei unter Verstoß gegen § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BImSchG erteilt worden, da der nach Ziff. 2.1 der Anlage zum Anhang und Ziff. 3.2.2 Abs. 3 des Anhangs zu § 2 der 2. SprengV zu ermittelnde Schutzabstand von ca. 643 m nicht eingehalten sei. Entgegen der Annahme der Genehmigungsbehörde lägen die Voraussetzungen für eine Ausnahme nach § 3 Abs. 2 der 2. SprengV nicht vor. Der erforderliche Abstand zur Grenze des Bebauungsplanes bzw. zu der im Bebauungsplan festgesetzten Baugrenze werde nicht eingehalten.
Die Beigeladene machte im Widerspruchsverfahren mit Schriftsatz vom 31.08.2005 geltend, der eingelegte Widerspruch sei wegen Verfristung und Verwirkung unzulässig. Die Rechtsvorgängerin der Klägerin hätte die immissionsschutzrechtliche Genehmigung zumindest kennen müssen. Zum Zeitpunkt des Baubeginns für das Sprengstofflager im November 1995 habe eine Sichtverbindung zwischen dem Grundstück der Beigeladenen und dem Grundstück der Klägerin bestanden, da die Obstbäume unbelaubt gewesen seien. Auch habe der Bau massive Erdaushubarbeiten, das Setzen der Fundamentplatten, Einschalen der Wände und Decken, Schalgerüste erstellen, Kranarbeiten sowie Einbau der Tresortüren durch den Kran, Betonieren von Bodenplatten vor dem Lager, Erdüberdeckung der Bunker sowie massive Aufschüttungen erfordert. Die Baumaßnahmen hätten sich von November 1995 bis September 1996 hingezogen. Während der gesamten Zeit habe ein Baukran mit 25 m Höhe auf dem Grundstück der Beigeladenen gestanden und sei deshalb sowohl vom Grundstück der Klägerin als auch von der Bundesstraße B 462 aus weithin sichtbar gewesen. Es seien enorme Betonmassen erforderlich gewesen, so dass die Anlieferung des Betons durch dreiachsige Betonmischer für das erforderliche Volumen allein 130 Fahrten verursacht habe. Daher habe einem durchschnittlichen Betrachter nicht entgangen sein können, dass auf dem Feldweg massive An- und Abfahrten von Betonmischfahrzeugen über einen längeren Zeitraum stattgefunden hätten. Darüber hinaus sei die Errichtung des Sprengstofflagers am 16.06.1995 im gemeinsamen Amtsblatt der Gemeinden ... und ... als Tagesordnungspunkt der Sitzung des Technischen Ausschusses bekannt gemacht worden. Schließlich habe auch der Betrieb des Sprengstofflagers einem durchschnittlichen Betrachter nicht entgehen können, da ein erheblicher Lkw-Fahrbetrieb zu dem Lager auf den Feldwegen stattgefunden habe. Der Anlieferverkehr betrage jährlich ca. 200 An- und Abfahrten über Feldwege. Ferner hätten spätestens im Jahre 2001 und 2003 die Klägerin und ihr Prozessbevollmächtigter eigene Kenntnis von der Genehmigung und Existenz des Sprengstofflagers erlangen müssen. Denn zu diesem Zeitpunkt hätten sie in enger Zusammenarbeit mit der Gemeinde ... an der Fortschreibung des Flächennutzungsplans 2015 bzw. der Bebauungsplanänderung mitgewirkt und Akteneinsicht in die Planungsakten gehabt bzw. beantragen können. In der öffentlichen Gemeinderatssitzung vom 26.01.2004 sei ausweislich des Protokolls auf das Sprengstofflager hingewiesen worden. Mit Anwaltsschriftsatz vom 03.03.2004 an die Gemeinde ... habe die Rechtsvorgängerin der Beigeladenen nochmals Bedenken im Hinblick auf die Einhaltung der sprengstoffrechtlich erforderlichen Schutzabstände vorgebracht.
10 
Mit Widerspruchsbescheid vom 02.08.2006 wies das Regierungspräsidium Karlsruhe den Widerspruch der Klägerin als unzulässig zurück. Zur Begründung führte das Regierungspräsidium aus, dass hier die einjährige Widerspruchsfrist mangels Bekanntgabe an die Klägerin zu dem Zeitpunkt zu laufen beginne, in dem sie von der erteilten Genehmigung Kenntnis erlangt habe oder hätte erlangen müssen. Im konkreten Fall habe die Frist nach Auffassung des Regierungspräsidiums bereits mit Erkennbarkeit der Aufnahme von Baumaßnahmen Ende November 1995 zu laufen begonnen. Das Betriebsgrundstück der Klägerin und das Grundstück der Beigeladenen hätten zwar keine gemeinsame Grenze; die kürzeste Entfernung zwischen den beiden Grundstücken betrage ca. 300 m. Aus den von der Beigeladenen vorgelegten Fotos zur Bauphase im Jahre 1995 ergebe sich jedoch, dass der Rechtsvorgängerin der Klägerin trotz der topographischen Gegebenheiten die Bautätigkeit für das Sprengstofflager nicht entgangen sein könne. Der auf der Baustelle aufgestellte ca. 25 m hohe Kran sowie die Anlieferung von großen Mengen Beton hätten insbesondere in der Winterzeit mangels Belaubung der zwischen den Grundstücken stehenden Bäume auffallen müssen. Hinzu komme, dass der sich an die Baumaßnahme anschließende Betrieb einem durchschnittlichen Betrachter nicht habe entgehen können, weil sich ein erheblicher Lkw-Fahrbetrieb zu dem Lager auf Feldwegen abgespielt habe. Ob die Klägerin im Rahmen der Flächennutzungsplanfortschreibung 2015 oder der Bebauungsplanänderung vor April 2004 von der Genehmigung erfahren habe, lasse sich nicht ermitteln und sei für die Entscheidung über den Widerspruch letztlich nicht entscheidend.
11 
Die Klägerin hat am 01.09.2006 Klage zum Verwaltungsgericht Karlsruhe erhoben und beantragt, die immissionsschutzrechtliche Genehmigung des Landratsamtes ... vom 10.08.1995 für die Errichtung und den Betrieb des Sprengstofflagers auf den Grundstücken Flst.Nrn. ... und ... der Gemarkung ... in Gestalt des Widerspruchsbescheids des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 02.08.2006 aufzuheben. Zur Begründung hat die Klägerin ihre Ausführungen aus dem Widerspruchsverfahren wiederholt und ergänzend vorgetragen, das Regierungspräsidium überspanne die Anforderungen an die Erkundigungspflichten des Nachbarn im nachbarschaftlichen Gemeinschaftsverhältnis. Die bloße Erkennbarkeit von Baumaßnahmen reiche jedenfalls dann nicht aus, wenn diese in größerer Entfernung stattfänden und die aus der Nutzung des Grundstücks resultierenden Beeinträchtigungen nicht erkennbar seien. Die Widerspruchsbehörde verkenne, dass vom Grundstück der Klägerin aus die Baumaßnahmen zur Errichtung der Sprengstoffbunker nicht erkennbar gewesen seien. Dies werde bestätigt durch die von Mitarbeitern des Regierungspräsidiums Karlsruhe am 20.07.2005 durchgeführte Ortsbesichtigung. Die Mitarbeiter des Regierungspräsidiums hätten in einem Aktenvermerk vom 04.08.2005 selbst festgehalten, dass das Lager von der Böschungsoberkante der Bundesstraße aus wegen des dichten Bewuchses nicht ausgemacht werden könne. Die Genehmigung sei rechtswidrig erteilt worden, da sie den Festsetzungen des Bebauungsplans aus dem Jahre 1983 widerspreche; ferner greife der Schutzabstand in die mit dem Bebauungsplan vom 20.05.2005 als Sondergebiet SO 1 „Spanplattenwerk“ festgesetzte Fläche ein. Die Errichtung ständiger Arbeitsplätze sei in diesem Bereich wegen des Schutzabstandes nicht mehr möglich. Die Beigeladene habe bereits im laufenden immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren zur Änderung der von der Firma ... GmbH betriebenen Holzspanplattenfabrik unter Hinweis auf ihre eigene immissionsschutzrechtliche Genehmigung Einwendungen geltend gemacht.
12 
Mit Urteil vom 07.07.2009 hat das Verwaltungsgericht die Klage als unzulässig abgewiesen. Zur Begründung hat das Verwaltungsgericht ausgeführt, die streitgegenständliche Genehmigung sei in Bestandskraft erwachsen, da der Widerspruch der Klägerin verwirkt sei. Zwar sei die immissionsschutzrechtliche Genehmigung vom 10.08.1995 der Rechtsvorgängerin der Klägerin nicht zugestellt worden, so dass die Monatsfrist des § 70 Abs. 1 VwGO nicht zur Anwendung gelange. Nach den vom Bundesverwaltungsgericht in seinen Urteilen vom 25.01.1974 (IV C 2.72) und vom 28.08.1987 (4 N 3.86) aufgestellten Grundsätzen komme hier die Verwirkung des verfahrensrechtlichen Widerspruchsrechts und eine Unzulässigkeit des Widerspruchs nach Treu und Glauben in Betracht. Nach Überzeugung der Kammer sei davon auszugehen, dass die Rechtsvorgängerin der Klägerin, deren Verhalten sich diese zurechnen lassen müsse, schon Ende November 1995 von den Bauarbeiten für das Sprengstofflager zuverlässige Kenntnis erlangen musste und deshalb für diese Anlass bestanden habe, sich nach dem Vorliegen einer Genehmigung zu erkundigen. Aus dem nachbarschaftlichen Gemeinschaftsverhältnis ergebe sich, dass nicht nur ein als Einverständnis zu wertendes, sondern auch ein rein passives Verhalten des Nachbarn zur Verwirkung des Rechts zur Einlegung des Widerspruchs führen könne. Trotz der topographischen Gegebenheiten lasse sich aus den vorgelegten Fotos und der Erklärung des Mitarbeiters der Firma ... KG, Herrn ... ..., vom 17.08.2005 entnehmen, dass in der Winterzeit 1995/1996 massive Bauarbeiten stattgefunden hätten. Insbesondere der eingesetzte Baukran habe weithin sichtbar während der einjährigen Bauphase auf dem Grundstück gestanden, was der Rechtsvorgängerin der Klägerin nicht entgangen sein könne. Auch habe der Bau massive Erdaushubarbeiten und Erdbewegungen erfordert.
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Unerheblich sei, ob die Rechtsvorgängerin der Klägerin auch habe erkennen können, dass auf dem Grundstück der Beigeladenen ein Sprengstofflager mit 395 m weit reichenden Abstandserfordernissen verwirklicht werde. Denn nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts erfordere ein „Kennen müssen“ in diesem Zusammenhang lediglich, dass sich dem betroffenen Nachbarn das Vorliegen einer bau- bzw. immissionsschutzrechtlichen Genehmigung habe aufdrängen müssen und es ihm zumutbar gewesen sei, sich hierüber durch Anfrage bei dem Bauherrn oder der Baugenehmigungsbehörde Gewissheit zu verschaffen. Dagegen erfordere ein „Kennenmüssen“ nicht, dass die nachteilige Betroffenheit vom Nachbarn tatsächlich subjektiv erkannt worden sei. Es bestehe die Obliegenheit für Nachbarn, nach Kenntnis von Baumaßnahmen die tatsächliche nachbarliche Betroffenheit zu ermitteln. Dies wäre ebenso bei Zustellung der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung erforderlich gewesen. Ansonsten würden an das Merkmal des „Kennenmüssens“ derart hohe Anforderungen gestellt, dass diese praktisch nie nachweislich erfüllt wären. Dies gelte erst recht, wenn wie hier ein Bauvorhaben im Außenbereich nach § 35 BauGB errichtet werde, da dieser grundsätzlich von Bebauung freizuhalten sei. Daher habe die Klägerin - insbesondere auch aufgrund des Baukrans - nicht von einem gewöhnlichen Bauvorhaben ausgehen dürfen. Im Übrigen seien Vorhaben, die aufgrund ihrer besonderen Zweckbestimmung nur im Außenbereich errichtet werden dürfen, grundsätzlich geeignet, im nachbarschaftlichen Verhältnis gesteigerte Konflikte auszulösen. Ferner handle es sich bei dem Betrieb der Klägerin selbst um ein Unternehmen, das erhebliche Immissionen mit sich bringe und daher das Konfliktpotential im nachbarschaftlichen Gemeinschaftsverhältnis verstärke. Aufgrund dieser Umstände sei hier die Klägerin in besonderem Maße gehalten gewesen, sich nach dem Vorliegen einer Genehmigung für das Bauvorhaben auf dem Grundstück der Beigeladenen zu erkundigen. Nach alldem hätte die Rechtsvorgängerin der Klägerin, deren Verhalten sich diese zurechnen lassen müsse, bei Anwendung der notwendigen Sorgfalt bis spätestens zum Abschluss der Bauarbeiten auf dem Grundstück der Beigeladenen im September 1996 Kenntnis von der streitigen immissionsschutzrechtlichen Genehmigung und deren Anfechtbarkeit erlangen müssen. Der Widerspruch der Klägerin sei jedoch nicht innerhalb eines Jahres, d. h. spätestens bis Ende September 1997 eingelegt worden, so dass die Genehmigung in Bestandskraft erwachsen sei.
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Mit Beschluss vom 07.12.2009 - der Klägerin zugestellt am 17.12.2009 - hat der Senat die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts wegen ernstlicher Richtigkeitszweifel zugelassen. Die Klägerin hat mit einem bei dem Verwaltungsgerichtshof am 05.03.2010 eingegangenen Schriftsatz die Berufung unter Stellung eines Antrages innerhalb der vom Senat bis zum 08.03.2010 verlängerten Frist begründet.
15 
Die Klägerin macht geltend, sie habe entgegen der entscheidungstragenden Annahme des Verwaltungsgerichts weder bereits im Jahre 1995 Kenntnis von der Errichtung der Bunker erlangt noch die besonderen Auswirkungen dieses Vorhabens auf ihre eigene Rechtsstellung erkennen können. Vielmehr habe sie erst durch das Schreiben der Gemeinde ... vom 19.04.2004 im Rahmen des Änderungsverfahrens für den Bebauungsplan Kenntnis vom Vorhaben der Beigeladenen erhalten. Aufgrund der konkreten topographischen Gegebenheiten sei die Bauausführung im Jahre 1995/1996 vom Grundstück der Klägerin aus nicht wahrnehmbar gewesen. Beide Grundstücke seien mehr als 300 m entfernt; zwischen ihnen verlaufe die auf einem Damm geführte Bundesstraße B ... und lägen mit Obstbäumen bewachsene Flächen. Niedrige Bauwerke wie die einschließlich der Schornsteine weniger als 7 m hohen Sprengstoffbunker und die entsprechenden Baumaßnahmen würden durch die Obstbäume verdeckt; die Baufläche liege von dem Grundstück der Klägerin aus gesehen „im toten Winkel“ hinter dem Bundesstraßendamm.
16 
Das Verwaltungsgericht habe die konkreten topographischen Gegebenheiten verkannt und ohne Ortsbesichtigung oder sonstige Beweisaufnahme angenommen, dass der Baukran vom Grundstück der Klägerin aus sichtbar gewesen sei. Die vom Verwaltungsgericht entscheidungstragend herangezogene schriftliche Erklärung des Mitarbeiters der Beigeladenen, Herrn ... ..., stelle kein taugliches Beweismittel nach der Zivilprozessordnung dar. Dem Verwaltungsgericht habe sich im Rahmen der Amtsermittlungspflicht die Einnahme eines Augenscheins oder die Vernehmung des Zeugen ... aufdrängen müssen. Ferner wiesen die Art der Bauarbeiten und das Aufstellen eines Krans auf dem Grundstück der Beigeladenen nicht auf die Errichtung eines Sprengstofflagers mit besonderen Abstandserfordernissen hin. Auch ließen sich aus der Tatsache, dass das Bauvorhaben im Außenbereich gemäß § 35 BauGB errichtet worden sei, nicht weitreichende nachbarliche Beeinträchtigungen entnehmen. Denn es hätte sich ebenso um ein Vorhaben nach § 35 Abs. 1 Nrn. 1, 2, 3, 5 und 6 BauGB ohne besonderes Konfliktpotential und tatsächliche Beeinträchtigungen für die Klägerin handeln können.
17 
Entgegen der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts sei es nach der in Bezug genommenen ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts erforderlich, dass der Nachbar die mit der Genehmigung verbundene subjektive Beeinträchtigung erkennen könne. Voraussetzung für eine Verwirkung sei das Erkennen und damit auch die Erkennbarkeit einer Beeinträchtigung durch das Bauvorhaben. Nur in diesem Falle treffe den Nachbarn die Obliegenheit, durch Anfrage beim Bauherrn oder der Baugenehmigungsbehörde sich Gewissheit über das Vorliegen einer Baugenehmigung zu verschaffen. Im Übrigen sei der Nachbar nicht kraft Treu und Glaubens verpflichtet, jede Bautätigkeit in seiner Umgebung zu beobachten und zu allen ihm erkennbaren Bautätigkeiten vorsorglich Erkundigungen einzuholen. Selbst wenn die Klägerin Bauarbeiten wahrgenommen hätte, habe für sie keine Veranlassung bestanden, Erkundigungen über das Vorliegen einer Genehmigung einzuholen, da die konkrete Beeinträchtigung durch den Sprengstoffbunker und die daraus resultierenden Abstandserfordernisse nicht erkennbar gewesen sei.
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Die Klägerin sei mit ihrem Betriebsgrundstück nur deshalb Nachbar der Beigeladenen im baurechtlichen und immissionsschutzrechtlichen Sinne, weil das Vorhaben der Beigeladenen besonders weitreichende Abstandsanforderungen nach sich ziehe. Das Nachbarschaftsverhältnis sei für die Klägerin jedoch nicht erkennbar gewesen, sodass ihr auch nach Treu und Glauben keine besonderen Erkundigungspflichten auferlegt werden könnten. Fehl gehe der Hinweis des Verwaltungsgerichts, dass der Nachbar auch nach Zustellung der Genehmigung prüfen müsse, ob er subjektiv beeinträchtigt werde. Bei Zustellung der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung hätte die Klägerin als Nachbarin erkennen können, dass ein Sprengstoffbunker mit besonders weitreichenden Abstandsanforderungen errichtet werde. Die Auffassung des Verwaltungsgerichts laufe darauf hinaus, dass die Klägerin im gesamten Einwirkungsbereich entsprechend Nr. 4.6.2.5 der TA Luft - hier also im Umkreis von 4 km - zur Beobachtung der Nachbarschaft und zur Nachfrage bei Behörden über das Bestehen etwaiger Baugenehmigungen verpflichtet werde. Das Verwaltungsgericht habe zudem nicht festgestellt, dass der Bauherr infolge der Untätigkeit auf den Bestand der Genehmigung vertrauen durfte, hierauf auch tatsächlich vertraut habe und sich daher durch Maßnahmen und Vorkehrungen so eingerichtet habe, dass ihm durch die verspätete Rechtsdurchsetzung ein unzumutbarer Nachteil entstehe. Die Ausführung des Bauvorhabens stehe mit dem Vertrauen auf den Bestand der Genehmigung in keinem Kausalzusammenhang. Denn die Firma ... ... KG habe die Bauarbeiten unabhängig von der Haltung der Klägerin ausgeführt und das Vorhaben noch vor Ablauf der Jahresfrist für den Widerspruch fertiggestellt. Bereits aus diesem Grunde scheide eine Verwirkung des Widerspruchsrechts der Klägerin aus.
19 
Die zulässige Klage sei auch begründet, da die angefochtene Genehmigung gegen die nachbarschützende Vorschrift des § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BImSchG und § 17 SprengG verstoße. Zur Konkretisierung der nachbarschützenden Schutzpflicht des § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BImSchG seien die Bestimmungen der 2. SprengV heranzuziehen, die auf der Grundlage von § 6 Abs. 1 Nr. 4 SprengG erlassen worden sei. Eine wesentliche Genehmigungsvoraussetzung sei nach der 2. SprengV die Einhaltung der erforderlichen Schutz- und Sicherheitsabstände. Gemäß Ziff. 3.2.2 des Anhangs zu § 2 der 2. SprengV müssten Lager von Wohnbereichen mindestens die in Anlage 3 der Verordnung genannten Schutzabstände einhalten. Die Bundesanstalt für Materialforschung habe auf dieser Grundlage in ihrer für die Genehmigung maßgeblichen Stellungnahme vom 24.04.1995 den Schutzabstand für das Sprengstofflager der Beigeladenen zu Wohnbereichen in östlicher Richtung zum Grundstück der Klägerin unter Annahme einer Ausnahme nach § 3 der 2. SprengV mit 395 m festgesetzt. Der in der Genehmigung festgesetzte Schutzabstand von 395 m reiche jedoch auf das Grundstück der Klägerin und schränke dort die maßgebliche durch den Bebauungsplan festgesetzte Nutzbarkeit ein. Unzumutbar und damit erheblich im Sinne von § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BImSchG seien die Immissionen und sonstigen Gefahren, die mit den für den Einwirkungsort geltenden Festsetzungen des Bebauungsplans im Zeitpunkt der Genehmigungserteilung unvereinbar seien.
20 
Entgegen der Auffassung des Regierungspräsidiums komme es deshalb nicht darauf an, ob die Klägerin das Grundstück bei Erteilung der angefochtenen Genehmigung bzw. im Zeitpunkt des Widerspruchsbescheids tatsächlich entsprechend den Festsetzungen des Bebauungsplans bebaut und genutzt habe. Denn mit Inkrafttreten des Bebauungsplans habe die Klägerin das Recht erlangt, von den Festsetzungen des Bebauungsplans Gebrauch zu machen. Auf dieses durch den Bebauungsplan begründete Nutzungsrecht habe die immissionsschutzrechtliche Genehmigung Rücksicht zu nehmen. Der bei Erteilung der angefochtenen Genehmigung rechtsverbindliche maßgebliche Bebauungsplan „...“ vom 19.07.1983 habe für den westlichen Teil des Baugrundstücks der Klägerin, welcher innerhalb des festgelegten Schutzabstandes liege, ein Industriegebiet festgesetzt. Damit sei die Errichtung von Industriegebäuden mit ständigen Arbeitsplätzen zulässig; die Festsetzung begründe einen Abwehranspruch gegen die Genehmigung von Vorhaben, welche die Verwirklichung der im Industriegebiet zulässigen Nutzungen gefährdeten bzw. unmöglich machten. Nichts anderes gelte im Ergebnis, wenn man auf den mit Wirkung zum 20.05.2005 in Kraft getretenen Bebauungsplan „Gewerbegebiete an der B ... und Sondergebiet Spanplattenwerk“ abstelle, welcher für den maßgeblichen Bereich ein Sondergebiet „Spanplattenwerk“ festsetze. Auch die nach den Festsetzungen dieses Bebauungsplans zulässigen Nutzungen könnten bei Einhaltung des Schutzabstands nur ohne Einrichtung ständiger Arbeitsplätze verwirklicht werden. Eine dem Bebauungsplan entsprechende bestimmungsgemäße Nutzung sei dadurch ausgeschlossen. Davon gehe im Übrigen auch die Beigeladene aus, welche im beantragten Änderungsgenehmigungsverfahren für die Spanplattenfabrik mit Schreiben vom 18.09.2006 Einwendungen unter Hinweis auf die Anforderungen der 2. SprengV geltend gemacht habe. Schließlich werde der Verstoß gegen § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BImSchG i.V.m. § 17 SprengG nicht durch den Hinweis im Bebauungsplan vom 20.05.2005 im Abschnitt C Ziff. 7 „Schutzmaßnahmen gegen Explosivstoffe“ ausgeräumt. Schon nach dem Wortlaut handle es sich lediglich um einen Hinweis des Plangebers, nicht um eine rechtsverbindliche Festsetzung des Bebauungsplans. Daher modifiziere der Hinweis weder die festgesetzten Baugrenzen noch die überbaubaren Grundstücksflächen sowie die dort zulässige Art der Nutzung. Rechtliche Bedeutung könne der Hinweis allenfalls bei Anwendung von § 15 BauNVO haben, was belege, dass die angefochtene Genehmigung die Ausnutzung der Festsetzungen des Bebauungsplans vom 20.05.2005 gefährde.
21 
Die Klägerin beantragt,
22 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 7. Juli 2009 - 6 K 2167/06 - zu ändern und die immissionsschutzrechtliche Genehmigung des Landratsamts ... vom 10.08.1995 und den Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 02.08.2006 aufzuheben.
23 
Der Beklagte beantragt,
24 
die Berufung zurückzuweisen.
25 
Der Beklagte tritt der Berufung entgegen und verteidigt das angefochtene Urteil. Das Verwaltungsgericht sei zutreffend unter Würdigung der konkreten örtlichen Verhältnisse davon ausgegangen, dass die Klägerin bzw. ihre Rechtsvorgänger Kenntnis von den Baumaßnahmen hätten erlangen müssen. Die von dem Regierungspräsidium durchgeführte Ortsbesichtigung habe im Sommer stattgefunden und lasse entgegen der Auffassung der Klägerin keine Rückschlüsse auf die Sichtverhältnisse in der maßgeblichen Bauphase im Winter 1995/1996 zu. Ferner könne das fertig gestellte Bauwerk nicht mit der Erkennbarkeit eines 25 m hohen Krans gleichgestellt werden. Es sei einem Nachbarn zuzumuten, ein Vorhaben nach Kenntnisnahme der Baumaßnahme im Hinblick auf die nachbarliche Betroffenheit zu prüfen und sich über das Vorliegen von Beeinträchtigungen und ihre Qualität zu erkundigen. Gerade aufgrund einer möglichen Verschärfung der im nachbarschaftlichen Gemeinschaftsverhältnis angelegten Konfliktsituation zweier immissionsschutzrechtlich genehmigungsbedürftiger Betriebe hätten sich der Klägerin Erkundigungen aufdrängen müssen. Ansonsten könnten im Verfahren nach § 19 BImSchG erteilte Genehmigungen keine Bestandskraft erlangen, da für alle im Einwirkungsbereich Betroffenen eine eigene Widerspruchsfrist liefe. Die Auffassung des Verwaltungsgerichts führe nicht zu einer allgemeinen Belastung von Nachbarn im Umkreis von mehreren Kilometern, Nachforschungen über die bestehenden Genehmigungen anzustellen, denn das Verwaltungsgericht habe sich mit den konkreten Umständen des Einzelfalles auseinandergesetzt. Der Firma ... ... ... als Rechtsvorgängerin der Klägerin sei aus Anlass verschiedener Gespräche bei der Gemeinde ..., die sie im eigenen Interesse zum Erhalt einer direkten Betriebszufahrt geführt habe, bekannt gewesen, dass das Sprengstofflager der Beigeladenen zum Ausbau der Bundesstraße B ... verlegt werden müsse. Die Firma ... ... ... sei über die Vorgänge informiert gewesen, habe jedoch damals keine Notwendigkeit zum störungspräventiven Vorgehen gegen das Vorhaben der Beigeladenen gesehen; dieses Unterlassen müsse sich die Klägerin als Rechtsnachfolgerin zurechnen lassen. Unerheblich sei deshalb, dass die Klägerin ihre subjektive Betroffenheit durch die Genehmigung erst im Mai 2004 erkannt habe. Im Übrigen sei die Klage unbegründet, da die Genehmigung der Sprengstoffbunker nicht rechtswidrig erfolgt sei. In dem Bebauungsplan „Gewerbegebiete an der B ... und Sondergebiet Spanplattenwerk“ vom 20.05.2005 sei in Abschnitt C auf den erforderlichen Schutzabstand hingewiesen worden. Eine Beeinträchtigung der Klägerin scheide ferner deswegen aus, weil ihr Grundstück seit jeher situationsvorbelastet durch die vormalige Sprengstofflageranlage im Gewann „... ...“ gewesen sei.
26 
Die Beigeladene beantragt,
27 
die Berufung zurückzuweisen.
28 
Zur Begründung wiederholt und vertieft sie ihr Vorbringen aus dem Widerspruchsverfahren, wonach die Klägerin bei Anwendung der erforderlichen Sorgfalt Kenntnis von den Baumaßnahmen und der erteilten Genehmigung hätte haben müssen. Ergänzend weist sie darauf hin, dass die Klägerin als Grundstückseigentümerin auch von einer etwa rechtswidrigen Genehmigung nicht subjektiv-rechtlich betroffen sei. In eigenen Rechten verletzt könne allenfalls die Firma ... GmbH als Rechtsnachfolgerin der Firma ... ... ... sein, da sie Inhaberin der entsprechenden immissionsschutzrechtlichen Genehmigung zum Betrieb des Spanplattenwerkes sei. Im Übrigen müsse sich die Klägerin das Nichtstun ihrer Rechtsvorgängerin zurechnen lassen. Ferner habe die Gemeinde ... auf Initiative der Klägerin den bisher gültigen Bebauungsplan „...“ durch den neuen Bebauungsplan vom 20.05.2005 ersetzt, welcher unter Abschnitt C „Hinweise“ Schutzmaßnahmen gegen Explosivstoffe vorsehe. Durch diese Planänderung und Planaufhebung seien möglicherweise vorher bestehende schützenswerte Rechtspositionen der Klägerin unwirksam geworden, so dass der alte Bebauungsplan „...“ keine Auswirkungen auf das Ergebnis der gerichtlichen Prüfung entfalten könne. Im Übrigen scheide eine Beeinträchtigung der Klägerin als Grundstückseigentümerin durch die geltend gemachten Schutzabstände aus, da die Ausnutzbarkeit des Grundstücks nach Stellungnahme der sachkundigen Bundesanstalt für Materialforschung nicht eingeschränkt werde.
29 
Dem Senat liegen die einschlägigen Akten des Verwaltungsgerichts und des Beklagten sowie eine Ausfertigung des Bebauungsplans „...“ und des Bebauungsplans „Gewerbegebiete an der B ... und Sondergebiet Spanplattenwerk“ der Gemeinde ... vor. Der Senat hat die Akten des Regierungspräsidiums Karlsruhe zum ergänzenden Planfeststellungsverfahren über den vierspurigen Ausbau der B ... zwischen ... und dem Anschluss an die BAB 5 beigezogen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird hierauf und auf die gewechselten Schriftsätze verwiesen.
30 
Der Senat hat in der mündlichen Verhandlung am 15.11.2011 einen Augenschein auf dem Grundstück der Klägerin und dem der Beigeladenen zur Klärung der Sichtbeziehungen eingenommen. Wegen der dabei getroffenen Feststellungen wird auf die Anlage zur Niederschrift sowie ergänzend auf die gefertigten Lichtbilder verwiesen. Ferner hat der Senat in der weiteren mündlichen Verhandlung am 14.05.2012 den Bürgermeister der Gemeinde ..., Herrn ... ..., als Zeugen vernommen; wegen der dabei getätigten Angaben wird auf die Anlage zur Niederschrift über diese Sitzung verwiesen.

Entscheidungsgründe

 
31 
Die von dem Senat wegen ernstlicher Richtigkeitszweifel zugelassene Berufung der Klägerin ist innerhalb der bis zum 08.03.2010 verlängerten Frist begründet worden (§ 124a Abs. 6 Satz 3 i.V.m. Abs. 3 Satz 3 VwGO) und auch im Übrigen zulässig; sie hat darüber hinaus in der Sache Erfolg. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts ist die Klage zulässig (dazu unter 1.) und begründet (dazu unter 2.).
32 
1.1 Zutreffend ist das Verwaltungsgericht davon ausgegangen, dass die immissionsschutzrechtliche Genehmigung vom 10.08.1995 nicht bereits deshalb in Bestandskraft erwachsen ist, weil erstmals am 11.05.2004 hiergegen Widerspruch eingelegt wurde und deshalb die Frist des § 70 Abs. 1 VwGO nicht gewahrt ist. Die streitgegenständliche Genehmigung wurde im vereinfachten Verfahren nach § 19 BImSchG erteilt, so dass eine förmliche Zustellung gemäß § 10 Abs. 7 BImSchG an Dritte und eine anderweitige förmliche Bekanntgabe der Genehmigung durch die Behörde an die Klägerin unterblieben ist. Demzufolge wurde die einmonatige Widerspruchsfrist des § 70 Abs. 1 VwGO nicht in Gang gesetzt. Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, dass im Jahre 1995 eine Bekanntgabe der Genehmigung an die Rechtsvorgängerin der Beigeladenen erfolgte. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts setzt die Bekanntgabe einer Baugenehmigung - nichts anderes gilt für eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung - an den Bauherrn als ihren Adressaten nicht zugleich die Rechtsbehelfsfristen auch für den Nachbarn als beteiligten Nichtadressaten in Lauf (vgl. grundlegend BVerwG, Urteil vom 14.02.1969 - IV C 82.66 - DVBl. 1969, 362; sowie Urteil vom 25.01.1974 - IV C 2.72 - BVerwGE 44, 294). Zu Recht weist die Klägerin im Übrigen darauf hin, dass die Bekanntgabe eines Verwaltungsaktes im Sinne von § 41 LVwVfG den Willen der Behörde voraussetzt, den Bescheid dem Bekanntgabeadressaten zur Kenntnis zu bringen; zufällige Kenntnisnahme, etwa der Nachbarn auf Grund Information seitens des Bauherrn, reicht regelmäßig nicht aus (vgl. hierzu Rennert in: Eyermann, Verwaltungsgerichtsordnung, 13. Aufl., RdNr. 4 zu § 70 VwGO). Daher stellt auch das Schreiben der Gemeinde ... an die Klägerin vom 19.04.2004 keine Bekanntgabe der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung dar.
33 
1.2. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts führt auch der den Bestimmungen der §§ 70, 58 Abs. 2 VwGO zu entnehmende Rechtsgedanke hier nicht zur Bestandskraft der angegriffenen immissionsschutzrechtlichen Genehmigung.
34 
1.2.1 Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts muss sich ein Nachbar, der sichere Kenntnis von der Erteilung einer Baugenehmigung erhalten hat oder diese Kenntnis hätte haben müssen, so behandeln lassen, als sei ihm die Baugenehmigung im Zeitpunkt der zuverlässigen Kenntniserlangung oder in dem Zeitpunkt, in dem er diese Kenntnis hätte erlangen müssen, amtlich bekannt gegeben worden. Von diesem Zeitpunkt an richtet sich die Widerspruchsfrist regelmäßig nach den Vorschriften der §§ 70 und 58 Abs. 2 VwGO (vgl. grundlegend BVerwG, Urteil vom 25.01.1974 - IV C 2.72 - a.a.O.; sowie Urteil vom 16.05.1991 - 4 C 4.89 - NVwZ 1991, 1182). Die vom Bundesverwaltungsgericht ursprünglich für das Baurecht bei unmittelbar benachbarten Grundstücken entwickelten Grundsätze werden aus dem zwischen Nachbarn bestehenden besonderen Gemeinschaftsverhältnis, das durch eine von Treu und Glauben geprägte Verbundenheit gekennzeichnet ist, hergeleitet (vgl. BVerwG, Urteil vom 25.01.1974 - IV C 2.72 - a.a.O.). Dieses verpflichtet den Nachbarn, durch zumutbares aktives Handeln mitzuwirken, einen möglichen Schaden des Bauherrn zu vermeiden oder den Vermögensverlust möglichst gering zu halten; der Nachbar muss dieser Verpflichtung dadurch nachkommen, dass er nach Erkennen der Beeinträchtigung durch Baumaßnahmen ungesäumt seine nachbarlichen Einwendungen geltend macht, wenn ihm nicht der Grundsatz von Treu und Glauben entgegengehalten werden soll, weil er ohne zureichenden Grund mit seinen Einwendungen länger als notwendig zugewartet hat.
35 
Die Ableitung aus Treu und Glauben und dem nachbarschaftlichen Gemeinschaftsverhältnis bedingt, dass diese Grundsätze nicht nur für unmittelbar benachbarte Grundstücke anzuwenden sind (so ausdrücklich BVerwG, Beschluss vom 28.08.1987 - 4 N 3.86 - BVerwGE 78, 85). Entscheidend ist allein, dass die Grundstücke derart nahe beieinander liegen, dass von einem nachbarschaftlichen Gemeinschaftsverhältnis und aus Treu und Glauben ableitbaren Bindungen gesprochen werden kann. Zu Recht ist das Verwaltungsgericht davon ausgegangen, dass diese Grundsätze für die immissionsschutzrechtliche Genehmigung gleichermaßen Geltung beanspruchen, da auch das Immissionsschutzrecht von einem Raumbezug geprägt ist und die immissionsschutzrechtliche Genehmigung gemäß § 13 Satz 1 BImSchG im Rahmen der materiellen Konzentrationswirkung die Baugenehmigung ersetzt.
36 
Nach dem Rechtsgedanken der §§ 70, 58 Abs. 2 VwGO ist der Nachbar regelmäßig so zu behandeln, als ob ihm die Genehmigung ohne Rechtsbehelfsbelehrung amtlich bekannt gemacht worden wäre. Es läuft daher grundsätzlich eine Widerspruchsfrist von einem Jahr ab dem Zeitpunkt, zu dem der Nachbar sichere Kenntnis erlangt hat oder hätte erlangen müssen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 17.02.1989 - 4 B 28.89 - Buchholz 406.19 Nachbarschutz Nr. 87). Maßgeblich ist dabei nicht das Erkennen, sondern die Erkennbarkeit der Genehmigung bzw. der hierdurch verursachten Beeinträchtigung. Allein das Abstellen auf die Erkennbarkeit wird dem zwischen dem Bauherrn und dem Nachbarn bestehenden besonderen Gemeinschaftsverhältnis gerecht, das dem Nachbarn die Obliegenheit auferlegt, durch ein zumutbares aktives Handeln mitzuwirken, einen wirtschaftlichen Schaden des Bauherrn zu vermeiden oder den Vermögensverlust möglichst niedrig zu halten, und der er dadurch nachzukommen hat, dass er nach Kenntnisnahme ungesäumt seine nachbarlichen Einwendungen geltend zu machen hat (vgl. hierzu OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 20.12.2005 - 10 B 10.05 - juris).
37 
1.2.2 Zutreffend weist die Klägerin aber darauf hin, dass sich die Kenntnis bzw. Möglichkeit der Kenntnisnahme nicht lediglich auf die Erteilung einer Baugenehmigung bzw. immissionsschutzrechtlichen Genehmigung beziehen muss, sondern es auf die Erkennbarkeit der spezifischen Risiken und Beeinträchtigungen für den Nachbarn ankommt. Zu Unrecht geht das Verwaltungsgericht in entscheidungstragender Weise unter Hinweis auf ein Urteil des Verwaltungsgerichts München (Urteil vom 06.10.2005 - M 11 K 04.2630 - juris) davon aus, dass allein auf die Kenntnisnahme bzw. Möglichkeit der Kenntnisnahme von der Baugenehmigung abzustellen ist, unabhängig davon, ob der Nachbar seine nachteilige Beeinträchtigung bei Ausnutzung der Genehmigung erkannt hat oder diese hätte erkennen müssen. Dies ergibt sich bereits mit hinreichender Deutlichkeit aus dem Wortlaut der herangezogenen Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts, daneben aber auch aus den Ableitungszusammenhängen der oben dargestellten Rechtsprechung.
38 
So hebt das Bundesverwaltungsgericht in seinem grundlegenden Urteil vom 25.01.1974 (IV C 2.72 - a.a.O. - RdNr. 24 des Urteilsabdrucks bei juris) ausdrücklich auf ein Erkennen der Beeinträchtigung durch Baumaßnahmen durch den Nachbarn ab. Gerade die Herleitung der Verpflichtung des Nachbarn aus Treu und Glauben und dem nachbarschaftlichen Gemeinschaftsverhältnis gebietet es, nicht lediglich auf die Erteilung einer Baugenehmigung, sondern auf für den Nachbarn erkennbare hierdurch ausgelöste negative Beeinträchtigungen abzustellen. Denn eine aus Treu und Glauben herzuleitende Verpflichtung des Nachbarn zu aktivem Tun kann lediglich dann bestehen, wenn ihm nicht nur die Tatsache der Erteilung der Genehmigung bekannt wird, sondern auch deren Umfang und Folgen für seine Rechte zumindest erkennbar sind. Dafür spricht auch das Leitbild des § 58 Abs. 2 VwGO, da dem Nachbarn im dort ausdrücklich geregelten Fall die Baugenehmigung wegen der erfolgten Bekanntgabe vorliegt, wenn auch ohne die erforderliche Rechtsbehelfsbelehrung. Fehl geht die vom Verwaltungsgericht angestellte Erwägung, dass der Nachbar bei Bekanntgabe der Genehmigung ebenfalls innerhalb der Jahresfrist Widerspruch einlegen muss, auch wenn er seine subjektive Beeinträchtigung daraus nicht erkennen kann. Das Verwaltungsgericht übersieht dabei, dass die Position des Nachbarn bei Bekanntgabe der Genehmigung deutlich besser als im hier in Rede stehenden Fall ist. Zum einen ist bereits die bloße förmliche Bekanntgabe eines Verwaltungsaktes mit einer gewissen Warnfunktion verbunden und gibt dem Mitteilungsempfänger Anlass, sich über eine hierdurch etwa ausgelöste nachteilige Betroffenheit zu informieren. Zum anderen kann - wie gerade auch der Inhalt der hier erteilten immissionsschutzrechtlichen Genehmigung zeigt - der Nachbar aus der Begründung regelmäßig ohne großen Aufwand seine potentielle Beeinträchtigung unschwer erkennen.
39 
Auch in diesem Zusammenhang ist jedoch nicht erforderlich, dass der Nachbar die negative Beeinträchtigung tatsächlich erkannt hat; es genügt ebenfalls das „Kennenmüssen“. Davon ist zum einen auszugehen, wenn sich das Vorliegen der Genehmigung (einschließlich der subjektiven Beeinträchtigung) aufdrängt. Ferner ist ausreichend, wenn es dem Nachbarn möglich und zumutbar war, sich über diese Umstände Gewissheit zu verschaffen, etwa durch Anfrage beim Bauherrn oder der Behörde (vgl. näher Dolde/Porsch in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, Verwaltungsgerichtsordnung, 13. Ergänzungslieferung April 2006, RdNr. 21 zu § 70 VwGO). Der Umfang der einem Nachbarn obliegenden Sorgfaltsanforderungen lässt sich dabei nicht abstrakt ermitteln. Insbesondere lässt sich ein Maßstab für die Ermittlungspflichten des Nachbarn nicht den Bestimmungen der §§ 58 Abs. 2, 70 VwGO entnehmen. Zwar läuft einerseits bei einer Bekanntgabe ohne Rechtsbehelfsbelehrung (d.h. bei Kenntnis von der Beeinträchtigung) eine Rechtsmittelfrist von einem Jahr, während andererseits dem Nachbarn trotz fehlender Kenntnis von der subjektiven Beeinträchtigung ebenfalls eine Jahresfrist eingeräumt und zudem die Erkundigung und Ermittlung vorausgesetzt wird. Dies gebietet es jedoch nicht zwingend, die Anforderungen an die Ermittlungspflicht generell gering anzusetzen. Denn die Einjahresfrist markiert im Rechtsbehelfsverfahren aus Gründen der Rechtssicherheit grundsätzlich - abgesehen von Unmöglichkeit der Rechtsbehelfseinlegung - eine absolute Grenze, vgl. §§ 58 Abs. 2, 60 Abs. 3, 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO. Somit kann dieser Zeitraum in jedem Fall sachgerecht auf Drittwidersprüche übertragen werden. Da die Verwaltungsgerichtsordnung den Fall des Nachbarwiderspruchs nicht regelt, muss es vielmehr maßgeblich auf die Herleitung der Rechtsgrundsätze aus dem nachbarschaftlichen Gemeinschaftsverhältnis ankommen. Daraus folgt, dass auf die Besonderheiten des Einzelfalles abzustellen ist und sich der Umfang der Treuepflicht nach den jeweiligen rechtlichen und tatsächlichen Umständen richtet (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 28.08.1987 - 4 N 3.86 - a.a.O.; sowie vom 17.02.1989 - 4 B 28.89 - a.a.O.).
40 
Wann ein Nachbar Kenntnis erlangt hat oder hätte erlangen müssen, hängt deshalb allein von den konkreten Umständen des Einzelfalles ab und ist aufgrund einer umfassenden Sachverhaltswürdigung zu beurteilen. Dabei ist maßgeblich auf die Sicht des Nachbarn abzuheben, lediglich untergeordnet kann auf die Interessen des Bauherrn abgestellt werden. Eine Ermittlungspflicht des Nachbarn besteht etwa, wenn sich eine Beeinträchtigung anhand des sichtbaren Baugeschehens aufdrängt. Ferner besteht eine Ermittlungspflicht, wenn eine Beeinträchtigung des Nachbarn aufgrund der Nutzung des eigenen Grundstücks wahrscheinlich ist. Je einfacher Informationen über das Bauvorhaben zugänglich sind, desto eher ist dem Nachbarn die Erkundigung zuzumuten. So hat die Rechtsprechung es teilweise ausreichen lassen, dass der Nachbar durch eine Mitteilung über die Erteilung der Baugenehmigung und den sichtbaren Beginn der Bauarbeiten Kenntnis über einen möglichen Eingriff in die zu schützende Rechtspositionen erlangt hat (vgl. BVerwG, Urteil vom 16.05.1991 - 4 C.89 - a.a.O.). Auch bei deutlich wahrnehmbaren Bauarbeiten solle es Anlass geben, der Frage nach der eigenen Beeinträchtigung nachzugehen (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 20.12.2005 - 10 B 10.05 - a.a.O; ebenso OVG Frankfurt (Oder), Beschluss vom 28.01.2000 - 3 B 67/99 - LKV 2001, 466).
41 
1.2.3 Entgegen der Auffassung der Berufung ist für den Verlust des verfahrensmäßigen Rechts, Widerspruch einzulegen, außer der Untätigkeit des Nachbarn kein weiteres besonderes Umstandsmoment auf der Seite des Bauherrn erforderlich; unerheblich ist mithin, ob der Bauherr ein entsprechendes Vertrauen auf den Bestand der Genehmigung entwickelt hat und dieses schutzwürdig ist. Hierfür spricht bereits, dass die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts - anders als in der Kommentarliteratur häufig behauptet - streng zwischen dem Verlust des verfahrensmäßigen Rechts, Widerspruch einzulegen, durch Fristablauf entsprechend den sich aus §§ 58, 70 VwGO ergebenden Grundsätzen auf der einen Seite und der Verwirkung des Widerspruchsrechts oder gar des materiellen Abwehranspruchs auf der andern Seite unterscheidet (so ausdrücklich bereits BVerwG, Urteil vom 25.01.1974 - IV C 2.72 - a.a.O.; ferner Beschluss vom 18.03.1988 - 4 B 50.88 - Buchholz 406.19 Nachbarschutz Nr. 77; Beschluss vom 17.02.1989 - 4 B 28.89 - a.a.O.).
42 
Der Verlust des verfahrensmäßigen Rechts aufgrund von Zeitablauf und die Verwirkung des Widerspruchsrechts führen zwar zur gleichen Rechtsfolge (nämlich der Unzulässigkeit des Widerspruchs), auch wird sich ihr Anwendungsbereich häufig überschneiden. Die Rechtsinstitute stehen jedoch in unterschiedlichen Ableitungszusammenhängen und haben unterschiedliche Voraussetzungen. So kommt eine Verwirkung des Widerspruchsrechts nach den Umständen des Einzelfalles auch bereits vor Ablauf der Jahresfrist des § 58 Abs. 2 VwGO in Betracht; eine Verwirkung hat jedoch zusätzlich zur Voraussetzung, dass der Genehmigungsempfänger aus aktivem Tun des Nachbarn oder einer ihm gleichzusetzenden Duldung auf dessen Einverständnis schließen kann (vgl. BVerwG, Beschluss vom 17.02.1989 - 4 B 28.89 - a.a.O.). Entgegen der Auffassung der Klägerin können diese vom Bundesverwaltungsgericht für die Verwirkung aufgestellten zusätzlichen Anforderungen an die Vertrauensbetätigung des Bauherrn nicht auf die hier in Rede stehende Problematik der entsprechenden Anwendung von §§ 70, 58 Abs. 2 VwGO übertragen werden. Gegenteiliges kann insbesondere nicht dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 16.05.1991 (4 C 4.89 - NVwZ 1991, 1182) entnommen werden; die von der Klägerin herangezogenen Passagen des Urteils beziehen sich nach ihrer systematischen Stellung eindeutig auf die Verwirkung des materiellen nachbarlichen Abwehrrechts. Die Auffassung der Klägerin beruht auf einer Vermischung der Voraussetzungen für Verlust des Widerspruchsrechts allein aufgrund von Zeitablauf in entsprechender Anwendung von §§ 70 und 58 Abs. 2 VwGO und den Voraussetzungen für eine Verwirkung entweder des verfahrensmäßigen Widerspruchsrechts oder des nachbarlichen Abwehranspruchs. Sie hätte darüber hinaus zur Folge, dass es kaum jemals zum Verlust des Widerspruchsrechts des Nachbarn kommen könnte. Denn die Berufung will dem Nachbarn in entsprechender Anwendung von § 58 Abs. 2 VwGO eine Widerspruchsmöglichkeit binnen Jahresfrist ab Erkennbarkeit der Baumaßnahmen einräumen und fordert darüber hinaus, dass der Bauherr gerade aufgrund der Untätigkeit des Nachbarn ein entsprechendes Vertrauen in den Bestand der Baugenehmigung entwickelt und auch betätigt hat, mithin die Untätigkeit des Nachbarn kausal für den Baufortschritt sein muss. Wie jedoch der vorliegende Fall zeigt, kann binnen eines Jahres auch ein umfangreiches Bauvorhaben fertiggestellt sein.
43 
1.2.4 Bei Anwendung dieser Grundsätze ist der Widerspruch der Klägerin nicht verfristet. Es steht aufgrund der durchgeführten Beweiserhebungen durch Einnahme eines Augenscheins sowie durch Zeugenvernehmung des Bürgermeisters der Gemeinde ... fest, dass die Klägerin erstmals im April 2004 Kenntnis von der Beeinträchtigung durch das genehmigte Sprengstofflager erlangt hat. Entgegen der Auffassung des Beklagten und der Beigeladenen musste die Klägerin auch bei Anwendung der gebotenen Sorgfalt im oben dargestellten Sinne nicht bereits zu einem früheren Zeitpunkt Kenntnis von der erteilten Genehmigung und der durch ihre Ausnutzung eintretenden Beeinträchtigungen erlangen.
44 
1.2.4.1 Fehl geht die Auffassung der Beigeladenen, dass die Klägerin bereits vor Beginn der Baumaßnahmen im Jahre 1995 Kenntnis von der geplanten Errichtung der Bunkeranlage erlangt habe bzw. hätte erlangen müssen. Wie oben näher dargestellt, setzt die zeitliche Beschränkung des Widerspruchsrechts nach § 70 i.V.m. § 58 Abs. 2 VwGO ebenso wie die verfahrensrechtliche Verwirkung voraus, dass zuvor eine Genehmigung erteilt worden ist. Die maßgebliche Jahresfrist kann deshalb erst mit Erteilung der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung an die Rechtsvorgängerin der Beigeladenen am 10.08.1995 zu laufen beginnen. Die von der Beigeladenen aufgeworfene Frage einer Kenntniserlangung der Klägerin bereits im Jahre 1993 unter Hinweis auf einen Aktenvermerk des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 23.09.1993 stellt sich deshalb nicht. Im Übrigen weist die Klägerin zu Recht darauf hin, dass sich diesem Aktenvermerk (Anlage A 9 zum Schriftsatz der Beigeladenen vom 31.08.2005 im Widerspruchsverfahren) keinerlei Anhaltspunkte dafür entnehmen lassen, dass Vertreter oder Mitarbeiter der Klägerin an der maßgeblichen Besprechung teilgenommen haben. Aus zeitlichen Gründen kann auch nicht auf die Veröffentlichung im gemeinsamen Mitteilungsblatt der Gemeinden ... und ... vom 16.06.1995 abgehoben werden, in der unter Ziff. 13 auf eine Sitzung des Technischen Ausschusses in ... zur Behandlung eines Antrags auf immissionsschutzrechtliche Genehmigung eines Sprengstoffbunkers auf den maßgeblichen Flurstücken ... und ... im Gewann ... hingewiesen wurde. Auch diese Sitzung fand zu einem Zeitpunkt statt, als die Genehmigung noch nicht erteilt war und noch nicht über die Genehmigungsvoraussetzungen entschieden worden ist. Allenfalls bot diese amtliche Mitteilung im Zusammenhang mit weiteren tatsächlichen Gesichtspunkten Anlass, sich bei der veröffentlichenden Gemeinde oder der zuständigen Immissionsschutzbehörde über den weiteren Verlauf des Verfahrens und eine etwa in der Erteilung befindliche immissionsschutzrechtliche Genehmigung zu erkundigen (vgl. zur Relevanz von Pressemitteilungen auch OVG Frankfurt (Oder), Beschluss vom 28.01.2000 - 3 B 67/99 - a.a.O.). Dies setzt jedoch voraus, dass die Klägerin aufgrund tatsächlicher Wahrnehmung von Baumaßnahmen Anlass gehabt hätte, weitergehende Erkundigungen zu einer etwa erteilten Genehmigung und deren Umfang anzustellen.
45 
1.2.4.2 Aufgrund der durchgeführten Beweiserhebung ist der Senat zu der Überzeugung gelangt, dass die Klägerin auch nicht mit Baubeginn des Bunkers im November 1995 von der erteilten Genehmigung und deren Auswirkungen Kenntnis erlangt hat oder hätte erlangen müssen. Bei der nach dem oben Gesagten anzustellenden umfassenden Sachverhaltswürdigung ist aus der Sphäre des Bauherrn in erster Linie die Wahrnehmbarkeit des Baugeschehens zu berücksichtigen. Die Grundstücke der Klägerin und der Beigeladenen befinden sich nicht in unmittelbarer Nachbarschaft; sie sind durch die B ... und eine Ansammlung von Laubbäumen voneinander getrennt. Aufgrund des in der mündlichen Verhandlung am 15.11.2011 durchgeführten Augenscheins steht zur Überzeugung des Senats fest, dass bereits zu Beginn der Baumaßnahmen in der 48. Kalenderwoche des Jahres 1995 nur eine sehr eingeschränkte Sichtverbindung zwischen dem Grundstück der Klägerin und dem Baugrundstück der Beigeladenen bestand, so dass die eigentlichen Baumaßnahmen und der Baufortschritt nicht zu erkennen waren. Wie im Termin am 15.11.2011 festgestellt und zwischen den Beteiligten im Einzelnen nicht mehr umstritten, bestand von der Geländeoberfläche des Grundstücks der Klägerin zum Zeitpunkt des Augenscheins keine Sichtbeziehung zum auf dem Grundstück der Beigeladenen errichteten Sprengstoffbunker. Selbst in direkter Blickrichtung vom Betriebsgelände der Klägerin in Richtung Westen war der Sprengstoffbunker nicht zu sehen, da die dazwischenliegenden Grundstücke jenseits der Bundesstraße mit hochstämmigen Streuobstbäumen sowie mit Büschen bepflanzt sind; die Streuobstbäume und Büsche waren zu diesem Zeitpunkt nur noch gering belaubt. Diese Sichtbeziehungen waren auch zum maßgeblichen Zeitpunkt im November 1995 nicht wesentlich anders. Zwar weist der Beklagte zu Recht darauf hin, dass die Streuobstbäume zu diesem Zeitpunkt noch nicht ihre heutige Höhe erreicht haben dürften. Angesichts des Alters dieser Bäume von mehreren Jahrzehnten kann jedoch von ähnlichen Sichtverhältnissen ausgegangen werden, zumal die Sichtbeeinträchtigung bereits durch die Vielzahl der Baumstämme und nicht durch die konkrete Höhe der Bäume bedingt war. Unerheblich ist in diesem Zusammenhang auch, dass die Bundesstraße ... in ihrer heutigen Gestalt erst nach dem maßgeblichen Zeitpunkt im Jahre 1995 fertiggestellt wurde. Zum einen ist die erst später vierspurig ausgebaute Bundesstraße auch im Herbst 1995 bereits in Dammlage verlaufen. Dies lässt sich etwa den vom Regierungspräsidium im Widerspruchsverfahren eingeholten Querschnitten der Straßenbauverwaltung und den vom Senat beigezogenen Planfeststellungsakten entnehmen. Im Übrigen lässt sich die damalige Straßenführung auch anhand des von der Beigeladenen mit Schriftsatz vom 21.11.2005 vorgelegten Lichtbildes Nr. 4 nachvollziehen. Unabhängig hiervon ist die konkrete Trassenlage der B ... und die Frage einer Führung in Dammlage für die Sichtbeziehungen nicht erheblich, da der Sprengstoffbunker bei dem Augenschein selbst von dem Höhenniveau der Bundesstraße aus nicht zu erkennen war.
46 
Aufgrund des bei dem Augenschein gewonnenen Eindruckes und der von der Beigeladenen vorgelegten Lichtbilder steht deshalb fest, dass während der einjährigen Bauphase im wesentlichen lediglich der auf dem Grundstück der Beigeladenen aufstehende Kran zu sehen gewesen ist. Ferner spricht vieles dafür, dass vom Grundstück der Klägerin aus der Anfahrtsverkehr zur Baustelle, insbesondere die Anlieferung von Beton, wahrnehmbar war. Wie die Beigeladene unwidersprochen vorträgt, wurden auf dem dem Grundstück der Klägerin zugewandten ... Weg insgesamt 130 Fahrten mit Betonmischfahrzeugen abgewickelt; diese dürften vom Grundstück der Klägerin aus - wenn auch nur eingeschränkt - wahrnehmbar gewesen sein. Diese während der Bauphase bestehenden Beobachtungsmöglichkeiten führen entgegen der Auffassung der Widerspruchsbehörde und der Beigeladenen nicht dazu, von einer fahrlässigen Unkenntnis der Klägerin auszugehen. Zum einen ist die Anstoßwirkung dieser Maßnahmen hier aufgrund der konkreten topographischen Verhältnisse bereits deshalb erheblich reduziert, weil vom Grundstück der Klägerin aus gesehen nicht auszuschließen war, dass der Kran und der Baustellenverkehr von einer etwaigen Baustelle im südwestlich gelegenen Industriegebiet von ... herrührten. Zum anderen lassen sich aus den genannten Umständen nicht ausreichende Anhaltspunkte für eine subjektive Beeinträchtigung der Klägerin entnehmen. Die Masse des angelieferten Betons und die einjährige Benutzung eines üblichen Baukrans deuten allerdings auf ein ungewöhnlich großes Bauvorhaben hin. Da sich das Baugrundstück zudem im Außenbereich befindet, war es aus Sicht des Nachbarn naheliegend, dass ein privilegiertes Vorhaben nach § 35 Abs. 1 Nrn. 1 bis 7 BauGB mit potenziell weitgehenden Beeinträchtigungen der Nachbarschaft errichtet wird. All diese Umstände geboten jedoch auch bei Anwendung der erforderlichen Sorgfalt für die Klägerin nicht den Schluss, dass ein immissionsschutzrechtlich genehmigter Sprengstoffbunker mit mehreren 100 Meter weit reichenden Abstandserfordernissen errichtet wurde. Je weniger ein Vorhaben dem üblichen Erwartungshorizont entspricht, d.h. je exotischer der verfolgte Nutzungszweck ist und je ungewöhnlicher das Ausmaß der Abstandsanforderungen an die Nachbarschaft sind, um so höher sind die Anforderungen an die Annahme anzusetzen, der von dem Vorhaben Betroffene müsste sich gleichwohl von sich aus die Kenntnis von der Natur des Vorhabens verschaffen. Von daher liegt es ungeachtet der grundsätzlichen Zulässigkeit der Genehmigungserteilung im vereinfachten Verfahren im wohlverstandenen eigenen Interesse der Genehmigungsbehörde und des Vorhabenträgers zur Vermeidung etwaiger - wie hier - erst viel später auftretender Konflikte um die Bestandskraft der Genehmigung jedenfalls die erkennbar unmittelbar betroffene Nachbarschaft über das Vorhaben zu informieren. Dem entspricht auf Seiten der Nachbarschaft eine gewisse berechtigte Erwartung einer wenigstens formlosen Unterrichtung über ein solches Vorhaben. Deshalb durfte die Klägerin gerade auch aufgrund des Umstandes, dass sie im Genehmigungsverfahren weder förmlich beteiligt noch angehört wurde, davon ausgehen, dass etwa wahrgenommene Baumaßnahmen sie nicht in eigenen Belangen tangieren können.
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Unerheblich ist in diesem Zusammenhang auch, dass die Errichtung des Sprengstoffbunkers jedenfalls von den höher gelegenen Betriebseinrichtungen auf dem Grundstück der Klägerin zu erkennen gewesen sein dürfte. Zum Zeitpunkt der Augenscheinseinnahme im Jahre 2011 war der Bunker ab einem Höhenniveau von etwa 15 m zu erkennen; zur Zeit der Errichtung dürfte die Erkennbarkeit eher noch besser gewesen sein. Zwar bestand nach dem Vortrag der Klägerin eine vergleichbare Möglichkeit zur Begehung von Betriebseinrichtungen auch bereits im Jahre 1995. Nach dem unwidersprochenen Vortrag der Klägerin, der mit der allgemeinen Lebenserfahrung in Einklang steht, werden derartige hochgelegenen Betriebseinrichtungen jedoch lediglich in größeren Intervallen von untergeordnetem technischen Personal betreten, woraus keine Erkenntnismöglichkeit für die maßgeblichen Bediensteten und insbesondere die vertretungsberechtigten Organe der Klägerin hergeleitet werden kann.
48 
1.2.4.3 Aus ähnlichen Erwägungen ergibt sich, dass die Klägerin auch nicht mit Beginn des Betriebs des Sprengstofflagers im Herbst 1996 Kenntnis von der Genehmigung erlangt hat bzw. diese hätte erlangen müssen. Zwar wurden die Aufschüttungen der Bunkerwände erst im November 1996 besät, so dass bei Aufnahme des Betriebs die später gewachsene Begrünung die Sicht auf den Bunker wohl noch nicht verdeckt haben dürfte und die hellen Bunkerwände deutlicher als zum Zeitpunkt des Augenscheins in Erscheinung getreten sind. Zudem liefern nach dem Vortrag der Beigeladenen rote bzw. orangefarbene Lastwagen die eingelagerten Sprengstoffe mit jährlich ca. 200 An- und Abfahrten an. Da aber die vorhandenen Bauten maximal eine Höhe von ca. 5 m erreichen, sind die Anhaltspunkte für eine subjektive Beeinträchtigung von Rechtsgütern Dritter aus Sicht der Klägerin geringer als während der Bauphase. Auch verläuft der für die An- und Abfahrten genutzte ... Weg vom Grundstück der Klägerin aus gesehen weitgehend verdeckt durch die Bäume der Streuobstwiese bzw. durch die in Dammlage geführte B ... Daraus folgt, dass für den Betrieb des Sprengstofflagers erst recht nicht von der Kenntnis der Klägerin ausgegangen werden kann, wenn das Kennenmüssen für die Bauphase wie oben verneint wird.
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1.2.4.4 Zu Unrecht geht die Beigeladene davon aus, dass die Klägerin aufgrund ihrer Beteiligung im Planfeststellungsverfahren zur Erweiterung der B ... Kenntnis von der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung bzw. dem Sprengstofflager erlangt hat. Den vom Senat beigezogenen Akten des Regierungspräsidiums Karlsruhe zum ergänzenden Planfeststellungsverfahren über den vierspurigen Ausbau der B ... zwischen ... und dem Anschluss an die BAB 5 lassen sich keinerlei Anhaltspunkte für die Behauptung der Beigeladenen entnehmen, dass die Klägerin in diesem Zusammenhang Kenntnis von dem neuen Standort des Bunkers erlangt haben könnte. Ausweislich der Planfeststellungsakten kann bereits nicht davon ausgegangen werden, dass sich die Klägerin aktiv am Verfahren beteiligt oder Einsicht in die entsprechenden Unterlagen genommen hat. Im Übrigen lässt sich den Planfeststellungsakten lediglich entnehmen, dass die neu geplante Trassenführung Flächen des ursprünglichen Sprengstofflagers im Gewann „... ...“ in Anspruch nimmt, ohne dass freilich in den Vorgängen der ins Auge gefasste neue Standort des Bunkers erwähnt wird. Weitergehende Anhaltspunkte für eine Kenntnis bzw. Kennenmüssen der Klägerin im Zusammenhang mit dem Ausbau der B ... ließen sich auch nicht durch die in der mündlichen Verhandlung am 14.05.2012 durchgeführte Befragung des Bürgermeisters der Gemeinde ..., Herrn ... ..., als Zeugen gewinnen. Vielmehr ließ sich der Zeuge in jeder Hinsicht glaubhaft und nachvollziehbar dahingehend ein, dass er im Zusammenhang mit dem Ausbau der B ... zwar mehrfach Gespräche mit den geschäftsführenden Gesellschaftern der Klägerin geführt habe. Im Mittelpunkt dieser Gespräche habe jedoch das von der Gemeinde verfolgte Anliegen gestanden, eine neue Nordzufahrt zu dem Grundstück der Klägerin zu schaffen, wogegen die Klägerin vor allem aus erschließungsbeitragsrechtlichen Gründen Einwände erhoben habe. Zwar habe er in diesem Zusammenhang auf die Notwendigkeit der Verlegung des bestehenden Sprengstofflagers im Gewann „... ...“ am Rande hingewiesen; er könne jedoch mit hoher Sicherheit ausschließen, dass er gegenüber Organen oder Mitarbeitern der Klägerin den Zielstandort erwähnt habe. Ebenso führte der Zeuge überzeugend aus, dass in der öffentlichen Diskussion in ... zum fraglichen Zeitpunkt die Verlegung des Sprengstoffbunkers keine bedeutende Rolle gespielt habe, nicht zuletzt in Anbetracht wesentlich öffentlichkeitswirksamerer raum- und umweltbezogener Vorhabenplanungen.
50 
1.2.4.5 Ebenso wenig kann davon ausgegangen werden, dass Organe bzw. Mitarbeiter der Klägerin oder der Firma ... ... ... aufgrund der Verhandlungen zum Abschluss des öffentlich-rechtlichen Vertrages mit der Gemeinde ... vom 04.11.1996 Kenntnis von der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung erlangt haben. Den vorliegenden Behördenakten lassen sich keine Anhaltspunkte dafür entnehmen, dass im Rahmen der Verhandlungen zum Abschluss dieses öffentlich-rechtlichen Vertrags das in der Vergangenheit genehmigte Sprengstofflager eine Rolle gespielt hat. Dies wurde durch die Zeugenvernehmung des Bürgermeisters ... in der mündlichen Verhandlung bestätigt. Der Zeuge hat sich auch in diesem Zusammenhang glaubhaft dahingehend eingelassen, dass er gegenüber Organen und Mitarbeitern der Firma ... ... ... lediglich auf die Notwendigkeit einer Verlegung des Sprengstofflagers hingewiesen, nicht aber dessen neuen Standort thematisiert habe. Im Übrigen hat auch der Prozessbevollmächtigte der Klägerin, der diese bereits damals bei den Vertragsverhandlungen vertreten hat, versichert, dass ihm gegenüber die Existenz der Genehmigungen nicht erwähnt worden sei. Diese Versicherung des Prozessbevollmächtigten steht dabei nicht im Widerspruch zu den Bekundungen des Zeugen ..., da dieser glaubhaft angegeben hat, dass der Prozessbevollmächtigte an den ersten Verhandlungen zum Abschluss des öffentlich-rechtlichen Vertrags nicht beteiligt gewesen sei. Da der Senat von der Richtigkeit der Erklärungen des Prozessbevollmächtigten überzeugt ist, war dem in der mündlichen Verhandlung hilfsweise gestellten Antrag auf Zeugenvernehmung nicht mehr nachzugehen.
51 
1.2.4.6 Auch kann entgegen der Auffassung der Beigeladenen nicht davon ausgegangen werden, dass die Klägerin aufgrund ihrer Mitwirkung im Verfahren über die Aufstellung des Bebauungsplans „Gewerbegebiete an der B ... und Sondergebiet Spanplattenwerk“ sowie über die parallele Fortschreibung des Flächennutzungsplans 2015 ... ... ... im Jahre 2001 von dem Sprengstofflager und der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung vom 10.08.1995 Kenntnis erlangt hat oder hätte erlangen müssen. Insbesondere das von der Beigeladenen erwähnte Einwendungsschreiben und das Schreiben der IHK vom 12.11.2001 sind nicht an die Klägerin, sondern an die Stadt ... bzw. an die Firma ... ... ... gerichtet. Es ist nicht erkennbar, dass die Klägerin zum damaligen Zeitpunkt von diesen Schreiben Kenntnis erlangt hat. Auch die Beigeladene legt nicht näher dar, dass der Klägerin diese Schreiben zugegangen sein könnten oder sie im Bebauungsplanverfahren anderweitige Kenntnis von der erteilten Genehmigung für den Sprengstoffbunker erlangt hat. Die von der Beigeladenen erwähnte abstrakt bestehende Möglichkeit, Einsicht in die Bebauungsplanakten zu nehmen und dadurch Kenntnis von der Baugenehmigung erhalten zu können, begründet noch keine entsprechende Nachforschungspflicht.
52 
Wie sich einem in der Widerspruchsakte befindlichen Schreiben der Firma ... GmbH vom 12.11.2001 entnehmen lässt, hat ein Mitarbeiter dieser Firma sich im Zuge des Flächennutzungsplanänderungsverfahrens beteiligt und auf ein am 06.11.2001 stattgefundenes Gespräch mit dem Bürgermeister der Gemeinde ... Bezug genommen. Die dabei von den Vertretern der Firma ... unterbreiteten konkreten Änderungsvorschläge bzw. Nachfragen zum Bebauungsplan deuten darauf hin, dass diese die Planunterlagen eingesehen und sich eingehend mit ihnen auseinandergesetzt haben. Dem Anschreiben lassen sich indes keinerlei Anhaltspunkte entnehmen, dass die Mitarbeiter der Firma ... dabei einen Hinweis auf die Existenz des bestehenden Bunkers und die erteilte Genehmigung erlangt haben. In Übereinstimmung hiermit hat der Zeuge ... in der mündlichen Verhandlung glaubhaft bekundet, im Zuge des Bebauungsplanänderungsverfahrens in ständigem Kontakt mit Mitarbeitern der Firma ... bzw. der Klägerin gestanden zu haben; dabei seien die Belange der Klägerin auch anhand von Planauszügen erörtert worden. Auf entsprechende Nachfrage konnte der Zeuge ... jedoch bestätigen, dass Mitarbeiter der Klägerin bzw. der Firma ... oder deren Rechtsvorgängerin nicht Einsicht in die vollständigen Planunterlagen auf der Gemeindeverwaltung genommen haben.
53 
Nach dem Ergebnis der von dem Senat durchgeführten Beweiserhebungen ist deshalb davon auszugehen, dass die Klägerin - wie von ihr vorgetragen - erstmals im April 2004 Kenntnis von der erteilten Genehmigung des Sprengstofflagers und den dadurch ausgelösten Beeinträchtigungen erlangt hat. Der am 11.05.2004 gegen die Genehmigung eingelegte Widerspruch ist nach dem oben Gesagten rechtzeitig erfolgt, da er die Jahresfrist des §§ 70, 58 Abs. 2 VwGO wahrt.
54 
1.3 Aus diesen Darlegungen folgt zugleich, dass entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts die Klägerin ihr verfahrensmäßiges Recht zur Widerspruchseinlegung nicht verwirkt hat. Denn die Verwirkung dieses verfahrensmäßigen Rechts setzt jedenfalls die Erkennbarkeit der Baumaßnahmen voraus. Daneben muss nach dem oben Gesagten ein entsprechendes Umstandsmoment auf der Seite der Beigeladenen bestehen, das die verspätete Wahrnehmung des Rechts als Verstoß gegen Treue und Glauben erscheinen lässt. Letzteres bedarf hier keiner weiteren Klärung, da es bereits an der entsprechenden Erkennbarkeit der Baumaßnahmen und der dadurch ausgelösten Beeinträchtigungen für die Klägerin fehlt.
55 
1.4 Entgegen der Annahme der Beigeladenen fehlt der Klägerin nicht die nach § 42 Abs. 2 VwGO erforderliche Klagebefugnis.
56 
Gemäß § 42 Abs. 2 VwGO ist erforderlich, dass eine Verletzung der Klägerin in eigenen Rechten geltend gemacht wird. Die erteilte Genehmigung muss gegen eine Norm verstoßen, die zumindest auch rechtliche Interessen der Klägerin zu schützen bestimmt ist. Ausreichend ist dabei, wenn die Verletzung der drittschützenden Norm durch den angefochtenen Verwaltungsakt möglich erscheint. Die Pflicht des § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BImSchG ist nach ständiger Rechtsprechung für Nachbarn drittschützend (vgl. BVerwG, Beschluss vom 07.09.1988 - 4 N 1/87 - BVerwGE 80, 184; BVerwG, Urteil vom 11.12.2003 - 7 C 19.02 - BVerwGE 119, 329; Dietlein in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, § 5 BImSchG RdNr. 87 f.). Deren Belange müssen in einer allgemeinen Güterabwägung bei Erteilung der Genehmigung berücksichtigt werden. Nachbar im immissionsschutzrechtlichen Sinne ist, wer sich im Einwirkungsbereich der Anlage, d.h. in einem Bereich, in dem die Immissionen nach Art und Umfang einzelne Personen hervorgehoben treffen können, ständig aufhält oder Rechte an dort befindlichen Sachen inne hat (BVerwG, Urteil vom 22.10.1982 - 7 C 50.78 - NJW 1983, 1507). Der wegen der Sprengstofflager einzuhaltende Schutzabstand zu Wohngebäuden bzw. zum Daueraufenthalt bestimmten Betriebsgebäuden überschneidet sich zum Teil mit dem Grundstücksbereich der Klägerin, auf dem bauplanungsrechtlich eine Nutzung als Sondergebiet festgesetzt ist. Bei dieser Betrachtung ist es nicht ausgeschlossen, dass die Klägerin danach grundsätzlich zur Überbauung des gesamten Grundstücks berechtigt wäre.
57 
Fehl geht der Einwand der Beigeladenen, wonach die Klägerin als Grundstückseigentümerin nicht klagebefugt sei, sondern allenfalls sich die Firma ... ... ... als Inhaberin der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung in einer wehrfähigen Rechtsposition befinde. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist im Bauplanungsrecht wie auch im Immissionsschutzrecht grundsätzlich der Eigentümer klagebefugt, soweit er sich auf drittschützende Normen berufen kann. Unerheblich ist deshalb in diesem Zusammenhang, ob darüber hinaus auch die Firma ... als Rechtsnachfolgerin der Firma ... ... ... als Inhaberin einer möglicherweise verletzten anderweitigen Genehmigung klagebefugt ist (vgl. zu diesem Problemkreis m.w.N. Happ in: Eyermann, Verwaltungsgerichtsordnung, a.a.O., RdNr. 121 zu § 42 VwGO). Nicht zu folgen vermag der Senat auch der von der Beigeladenen im Widerspruchsverfahren geäußerten Auffassung, dass die Klägerin aufgrund der Vorbelastung ihres Grundstücks durch die im Jahre 1953 bzw. 1958 erteilten Genehmigungen für den Vorgängersprengstoffbunker im Gewann „... ...“ in der Ausnutzbarkeit ihrer Grundstücke der Gestalt eingeschränkt sei, dass eine eigene Rechtsverletzung auszuschließen ist. An die Möglichkeit einer Rechtsverletzung im Sinne des § 42 Abs. 2 VwGO sind nach ständiger Rechtsprechung keine allzu hohen Anforderungen zu stellen. Erforderlich aber auch ausreichend ist, dass nicht offensichtlich und eindeutig nach keiner Betrachtungsweise die vom Kläger behaupteten Rechte nicht bestehen oder ihm nicht zustehen können (vgl. BVerwG, Urteil vom 24.09.1998 - 4 CN 2.98 - BVerwGE 107, 215; Happ in: Eyermann, a.a.O., RdNr. 93 zu § 42 VwGO - m.w.N.). Davon kann angesichts der komplexen Problematik der Auswirkungen einer etwa bestehenden Vorbelastung aufgrund der in den 60iger Jahren genehmigten Altanlage keine Rede sein.
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1.5 Der Klägerin steht auch das erforderliche allgemeine Rechtsschutzinteresse für die erhobene Anfechtungsklage gegen die erteilte immissionsschutzrechtliche Genehmigung zu, obwohl der Betrieb des Spanplattenwerkes im Jahre 2010 eingestellt wurde. Zum einen lässt die Einstellung des Betriebs den Bestand der für die Spanplattenfabrik erteilten immissionsschutzrechtlichen Genehmigung unberührt. Denn diese erlischt gemäß § 18 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG erst dann, wenn die Anlage während eines Zeitraumes von mehr als drei Jahren nicht mehr betrieben wurde. Zum insoweit maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung sind die Klägerin bzw. die Firma ... GmbH deshalb noch in der Lage, von der erteilten immissionsschutzrechtlichen Genehmigung Gebrauch zu machen. Zum anderen ergibt sich das fortbestehende Rechtsschutzinteresse der Klägerin aus den Festsetzungen des Bebauungsplans „Gewerbegebiete an der B ... und Sondergebiet Spanplattenwerk“, der für die von dem Sicherheitsabstand überdeckten Flächen eine bauplanungsgemäße Nutzung ermöglicht. Das allgemeine Rechtsschutzinteresse fehlt indes nur, wenn die Klage für den Kläger offensichtlich keinerlei rechtliche oder tatsächliche Vorteile bringen kann; die Nutzlosigkeit muss also eindeutig sein (vgl. BVerwG, Urteil vom 29.04.2004 - 3 C 25.03 - BVerwGE 121, 1). Danach hat die Klägerin hier ein schutzwürdiges Interesse an der verfolgten Aufhebung der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung für den Sprengstoffbunker unabhängig davon, ob das genehmigte Spanplattenwerk derzeit betrieben wird.
59 
Nach alldem ist die Klage entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts zulässig.
60 
2. Die Klage hat auch in der Sache Erfolg. Die immissionsschutzrechtliche Genehmigung des Landratsamts ... vom 10.08.1995 und der Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 02.08.2006 sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in eigenen Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Maßgeblich ist dabei die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt des Ergehens der letzten Behördenentscheidung (dazu unter 2.1). Zu diesem Zeitpunkt richtete sich die Genehmigungsfähigkeit des Sprengstofflagers nach der allgemeinen Bestimmung des § 4 Abs. 1 Satz 1 BImSchG, nicht nach speziellerem Sprengstoffrecht (dazu unter 2.2). Die erteilte Genehmigung für das Sprengstofflager steht mit den materiell-rechtlichen Vorgaben des § 4 BImSchG und den in diesem Zusammenhang zu prüfenden öffentlich-rechtlichen Vorschriften nicht in Einklang (dazu unter 2.3). Schließlich ist der materiell-rechtliche Abwehranspruch der Klägerin gegen das Vorhaben nicht verwirkt (dazu unter 2.4).
61 
2.1 Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist hier der Erlass der letzten Behördenentscheidung, mithin des Widerspruchsbescheids des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 02.08.2006.
62 
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts bestimmt sich der maßgebliche Zeitpunkt für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit eines angefochtenen Verwaltungsakts nicht nach dem Prozessrecht, sondern richtet sich nach dem jeweiligen materiellen Recht. Im Zweifel ist bei Anfechtungsklagen der Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung maßgeblich (im Grundsatz ständige Rechtsprechung, siehe etwa BVerwG, Urteil vom 06.04.2000 - 3 C 6.99 - DVBl. 2000, 1614). Diese Grundsätze sind insbesondere auch bei der hier in Rede stehenden Drittanfechtungsklage gegen eine der Beigeladenen erteilte immissionsschutzrechtliche Genehmigung maßgeblich. Entgegen einer in der verwaltungsprozessualen Literatur weithin vertretenen Auffassung (vgl. so etwa Jörg Schmidt in: Eyermann, a.a.O., RdNr. 58 zu § 113 VwGO) können die für nachteilige Veränderungen der Sach- und Rechtslage bei Anfechtungsklagen gegen Baugenehmigungen entwickelten Grundsätze nicht auf immissionsschutzrechtliche Drittanfechtungsklagen übertragen werden. Maßgeblich für die Beurteilung der Baunachbarklage ist regelmäßig die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der Erteilung der Baugenehmigung unter Ausschluss der Berücksichtigung späterer Änderungen zu Gunsten des Nachbarn, selbst vor Ergehen des Widerspruchsbescheides (vgl. hierzu etwa BVerwG, Beschluss vom 08.11.2010 - 4 B 43.10 - BauR 2011, 499 - m.w.N.). Angesichts der andersartigen Funktion des Immissionsschutzrechts gegenüber dem Baugenehmigungsverfahren sind diese baurechtlichen Grundsätze auf das Immissionsschutzrecht nicht übertragbar (vgl. etwa VG Gießen, Urteil vom 23.07.1999 - 8 E 1215.98 - juris; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 29.06.2011 - OVG 10 N 39.08 - juris; ähnlich BVerwG, Beschluss vom 10.01.1991 - 7 B 102.90 - NVwZ-RR 1991, 236). Dem Immissionsschutzrecht ist die Abwehr qualitativ andersartiger und schwerer wiegender Gefahrenlagen als im Baurecht eigen. Zudem werden in § 5 BImSchG dynamische Grundpflichten statuiert, die dem Ziel dienen, den Anlagenbetreiber nicht auf die Pflichten zu beschränken, die er im Zeitpunkt der Genehmigungserteilung hatte. Ferner gibt es im Immissionsschutzrecht - im Gegensatz zum Baurecht - keinen Grundsatz dahingehend, dass einem Antragsteller eingeräumte Rechtspositionen trotz Rechtsänderung im Allgemeinen zu belassen oder nur gegen Entschädigung zu entziehen sind (vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 18.05.1982 - 7 C 42.80 - BVerwGE 65, 313). Die baurechtlichen Grundsätze können daher auch dann nicht auf das Immissionsschutzrecht übertragen werden, wenn die immissionsschutzrechtliche Genehmigungsfähigkeit einer Anlage - wie hier - vornehmlich an baurechtlichen Normen zu prüfen ist. Abzustellen ist deshalb auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheids des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 02.08.2006, ohne dass danach zu differenzieren ist, ob etwaige Rechtsänderungen zu Ungunsten der Beigeladenen eingetreten sind. Dies hat insbesondere zur Konsequenz, dass nachfolgend auch das Inkrafttreten des Bebauungsplans „Gewerbegebiete an der B ... und Sondergebiet Spanplattenwerk“ vom 20.05.2005 zu berücksichtigen ist.
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2.2 Zum nach dem oben Gesagten maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheids des Regierungspräsidiums am 02.08.2006 richtete sich die Genehmigungsfähigkeit des Sprengstofflagers nach der allgemeineren Bestimmung des § 4 Abs. 1 Satz 1 BImSchG i.V.m. Ziff. 9.35 - Spalte 2 - des Anhangs zur 4. BImSchV, nicht nach der spezielleren Norm des § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SprengG (in der Fassung vom 15.06.2005, BGBl. I S. 1626). Das Verhältnis zwischen der immissionsschutzrechtlichen und der sprengstoffrechtlichen Genehmigung regelt § 17 Abs. 1 Satz 3 SprengG a.F. nur partiell. Danach ist die sprengstoffrechtliche Genehmigung für solche Sprengstofflager subsidiär, die Bestandteil einer Anlage nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz sind. Es handelt sich vorliegend indes um ein selbständiges Lager und nicht um Bestandteile einer immissionsschutzrechtlich genehmigungsbedürftigen Anlage. Entgegen einer in der Literatur vertretenen Auffassung ist die ungeregelte Kollision der Genehmigungsverfahren nicht entsprechend der konkurrierende Planfeststellungserfordernisse regelnden Bestimmung des § 78 Abs. 2 LVwVfG zu lösen. Danach ist die Genehmigung mit dem weitesten Prüfungsumfang vorrangig (vgl. etwa Odendahl, NVwZ 2002, 686, 687; offengelassen etwa von OVG Berlin, Beschluss vom 20.10.2000 - 2 S 9.00 - juris). Richtigerweise muss § 17 Abs. 1 Satz 3 BImSchG erst recht gelten, wenn das Lager selbst immissionsschutzrechtlich genehmigungsbedürftig ist (so etwa auch Jarass, BImSchG, 9. Aufl. 2012, § 13 RdNr. 6 a). Der Zuständigkeitsabgrenzung in § 17 Abs. 1 Satz 3 SprengG liegt der Rechtsgedanke zugrunde, dass die Prüfung sprengstoffrechtlicher Gefährdungen durch die umfassendere Prüfung im Rahmen des immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahrens besser erfasst wird. Dieser Auffassung entspricht auch die novellierte Fassung von § 17 Abs. 1 Satz 3 SprengG mit Wirkung zum 01.03.2010 (Gesetz vom 11.08.2009, BGBl. I, S. 2723). Die Änderung ist ausweislich der Gesetzesmaterialien als bloße Klarstellung zu verstehen (Gesetzentwurf zur Bereinigung des Bundesrechts im Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (Rechtsbereinigungsgesetz Umwelt - RGU - BT-Drs. 16/12277, S. 11). Somit ist dem immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren gemäß § 4 BImSchG Priorität einzuräumen.
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2.3 Die Voraussetzungen für die Erteilung der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung gemäß § 4 BImSchG lagen zum maßgeblichen Zeitpunkt nicht vor. Zwar war das vereinfachte Genehmigungsverfahren gemäß § 19 BImSchG zulässig, vgl. § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 lit. c i.V.m. Nr. 9.35 Spalte 2 des Anhangs der 4. BImSchV sowie § 3 b Abs. 1 UVPG, Ziff. 10.1 und 10.2 Anhang I). Die materiellen Genehmigungsvoraussetzungen lagen indes nicht vor. Die Genehmigung ist gemäß § 6 Abs. 1 BImSchG zu erteilen, wenn die sich aus § 5 ergebenden Anforderungen erfüllt sind und dem nicht andere öffentlich-rechtliche Vorschriften entgegenstehen. Danach - ferner auch in Folge der Konzentrationswirkung des § 13 Satz 1 BImSchG - erstreckt sich die immissionsschutzrechtliche Prüfung auch auf Normen des Sprengstoffgesetzes (dazu unter 2.3.1) und des Baugesetzbuchs (dazu unter 2.3.2).
65 
Gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG muss sichergestellt sein, dass die sich aus § 5 BImSchG ergebenden Pflichten erfüllt werden. Nach § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BImSchG müssen genehmigungsbedürftige Anlagen so errichtet und betrieben werden, dass schädliche Umwelteinwirkungen (vgl. § 3 Abs. 1 BImSchG) und sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile und erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit und die Nachbarschaft nicht hervorgerufen werden können. Aus dem Begriff der Erheblichkeit folgt, dass unzumutbare Beeinträchtigungen vermieden werden sollen. Es ist eine Abwägung von Rechtsgütern des Anlagenbetreibers einerseits und der Nachbarschaft andererseits vorzunehmen. § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BImSchG ist, soweit er die „Nachbarschaft“ vor schädlichen Umwelteinwirkungen schützt, daher eine spezielle gesetzliche Ausprägung des Rücksichtnahmegebots (BVerwG, Urteil vom 30.09.1983 - 4 C 74.78 - BVerwGE 68, 58). Folglich entspricht der Schutz des Nachbarn durch Bauplanungsrecht dem durch die immissionsschutzrechtlichen Normen vermittelten Schutz (BVerwG, Urteil vom 30.09.1983 - 4 C 74.78 - BVerwGE 68, 58). Soweit sich ein Nachbar auf sprengstoffrechtliche Vorschriften berufen kann, ist dies in gleicher Weise im Rahmen des Rücksichtnahmegebots nach § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BImSchG zu beachten. Ein Verstoß gegen nachbarschützende Regelungen des Baugesetzbuchs oder Sprengstoffgesetzes bedingt folglich zugleich einen Verstoß gegen § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG.
66 
2.3.1 Die erteilte immissionsschutzrechtliche Genehmigung verstößt bei isolierter Betrachtung nicht gegen die Anforderungen des Sprengstoffgesetzes.
67 
Nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 SprengG ist eine sprengstoffrechtliche Genehmigung zu versagen, wenn keine Vorsorge gegen Gefahren für Leben, Gesundheit und Sachgüter Beschäftigter oder Dritter, insbesondere durch die den allgemein anerkannten Regeln der Technik entsprechenden Maßnahmen, getroffen werden. Was in Bezug auf die Aufbewahrung von explosionsgefährdeten Stoffen Stand der Technik ist, wird nach § 6 Abs. 2 SprengG durch den Anhang zu § 2 der 2. SprengV (i.d.F. der Bekanntmachung vom 10.09.2002, BGBl. I, S. 3543) bestimmt, vgl. §§ 1, 2 Abs. 1 SprengV.
68 
Welche - für den Nachbarschutz relevanten - Schutzabstände einzuhalten sind, regelt Ziff. 2.2.2 Absatz 1 des Anhangs zu § 2 der 2. SprengV. Für Abstände zu Wohnbereichen und Verkehrswegen verweist die Vorschrift auf die Anlage 1 zum Anhang. Gemäß Ziff. 1.12 des Anhangs zu § 2 der 2. SprengV stehen Gebäude und Anlagen mit Räumen, die nicht nur zum vorübergehenden Aufenthalt von Personen bestimmt und geeignet sind, bewohnten Gebäuden gleich. Gemäß Ziff. 2.1 der Anlage 1 zum Anhang ist für die Lagergruppe 1.1 betreffend der Abstände zu Wohneinheiten die Formel E = 22 x M1/3 und zu Verkehrswegen die Formel E = 15 x M1/3 einzuhalten. E bezeichnet den kürzesten Abstand in Meter, M die Lagermenge in Kilogramm. Nach der ursprünglich erteilten Genehmigung dürfen in den Lagerbunkern jeweils 25 t Explosivstoffe und Gegenstände mit Explosivstoffen der Lagergruppen 1.1, 1.3 und 1.4 eingelagert werden. Da die Lagergruppe 1.1 von den genannten den größten Sicherheitsabstand erfordert, ist gemäß Ziff. 2.2.2 Abs. 4 des Anhangs zu § 2 der 2. SprengV die Formel für diese auf die Gesamtmasse anzuwenden. Somit ist ein Sicherheitsabstand von 643,28 m (Abstand zu Wohngebäuden) und von 438,6 m (Abstand zu Verkehrsflächen) einzuhalten.
69 
Jedoch hat die Immissionsschutzbehörde eine Ausnahme nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 der 2. SprengV (a.F.) in der Genehmigung des Vorhabens zugelassen. Nach dieser Bestimmung kann die zuständige Behörde auf schriftlichen Antrag Ausnahmen von den Vorschriften des Anhangs zu dieser Verordnung zulassen, wenn eine andere, ebenso wirksame Maßnahme getroffen wird. Aus der Stellungnahme der Bundesanstalt für Materialforschung vom 05.10.2005 sowie der ergänzenden Auskunft vom 24.01.2007 ergibt sich, dass Grundlage der oben genannten Formel die Annahme ist, die Druckwelle bei einer etwaigen Explosion werde sich gleichmäßig ausbreiten. Durch Seiten- und Rückwände aus Stahlbeton oder eine Erdüberschüttung der Bunker ließen sich jedoch die Auswirkungen einer Detonation vermindern. Da diese Ausführung aber nicht bei der Bemessung des gesetzlichen Schutzabstandes herangezogen wurde, könne die Formel K = 13,5 x M1/3 angewendet werden. Daraus ergibt sich ein Schutzabstand von 395 m zu Wohngebäuden. Auf diese Formel stützt sich bereits das Gutachten der Bundesanstalt für Materialforschung vom 24.04.1995 (S. 5); zugleich wurde zu Verkehrswegen mit dem Faktor 9,2 ein Schutzabstand von 269 m errechnet. Dass die Genehmigungsbehörde sich zunächst auf § 3 Abs. 2 der 2. SprengV ( a.F.) berufen hatte, ist entgegen der Auffassung der Klägerin unschädlich. Denn das Gutachten der Bundesanstalt für Materialforschung wurde ausdrücklich zum Bestandteil der Genehmigung gemacht. Diesem Gutachten lag aber bereits die genannte Formel mit einem Faktor von 13,5 zugrunde, so dass der Genehmigung die notwendigen Erwägungen für die Gestattung einer Ausnahme zugrunde liegen. Dadurch sind die nach dem Stand der Technik erforderlichen Schutzabstände zu den tatsächlich auf dem Grundstück der Klägerin vorhandenen Gebäuden gewahrt. Die Genehmigung steht insoweit mit § 17 Abs. 1 SprengG in Einklang.
70 
2.3.2 Die Genehmigung verstößt jedoch gegen nachbarschützende Vorschriften des Bauplanungsrechts.
71 
2.3.2.1 Welche Immissionen für Nachbarn im Sinne von § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BImSchG zumutbar sind, ergibt sich nicht primär aus den tatsächlichen Gegebenheiten des Gebiets, sondern vor allem aus infolge von planungsrechtlichen Vorgaben möglichen Nutzungen (BVerwG, Urteil vom 22.03.1985 - 4 C 63.80 - BVerwGE 71, 150; Urteil vom 24.04.1991 - 7 C 12.90 - BVerwGE 88, 143; BVerwG, Urteil vom 12.08.1999 - 4 CN 4.98 - BVerwGE 109, 246). Unzumutbar und damit erheblich im Sinne von § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BImSchG sind die Immissionen und sonstigen Gefahren, die mit den für den Einwirkungsort geltenden nachbarschützenden Festsetzungen des Bebauungsplans unvereinbar sind. Mit dem Inkrafttreten des maßgeblichen Bebauungsplans erlangen die Eigentümer der Grundstücke im Plangebiet eine Position, aufgrund derer sie darauf vertrauen können, dass eine nachfolgende heranrückende bauliche Nutzung auf Nachbargrundstücken auf die nach dem Bebauungsplan einmal gegebene Nutzbarkeit ihrer Grundstücke Rücksicht nehmen muss. Es kommt in diesem Zusammenhang auch nicht darauf an, ob die Grundstücke später tatsächlich entsprechend den Festsetzungen des Bebauungsplans bebaut und genutzt werden, oder ob für die Bebauung und Nutzungen Ausnahmen und Befreiungen erteilt worden sind, denn der Eigentümer eines Grundstücks in einem festgesetzten Bebauungsplangebiet kann allgemein darauf vertrauen, dass spätere Planungen und Baugenehmigungserteilungen die erforderliche Rücksicht auf das - insgesamt schutzbedürftige und schutzwürdige - festgesetzte Baugebiet nehmen werden. Mit der Anerkennung des Bebauungsplans als normative Bestimmung der Schutzwürdigkeit der Nachbarschaft im Einwirkungsbereich emittierender Anlagen gewährleistet das Immissionsschutzrecht, dass der Bebauungsplan die ihm in § 1 BauGB zugedachte Aufgabe erfüllen kann, eine geordnete städtebauliche Entwicklung zu erreichen und dauerhaft zu sichern. Würde das Immissionsschutzrecht die Schutzwürdigkeit im Regelfall nach der tatsächlichen baulichen Nutzung bestimmen, stünde dies im Widerspruch zu den Zielen des Baugesetzbuchs (vgl. BVerwG, Urteil vom 12.08.1999 - 4 CN 4.98 - a.a.O.). Entscheidend ist deshalb, ob die immissionsschutzrechtliche Genehmigung vom 10.08.1995 Festsetzungen von Bebauungsplänen verletzt. Da nach dem oben Gesagten maßgeblicher Zeitpunkt für die Entscheidung über die Drittanfechtungsklage der der letzten Verwaltungsentscheidung ist, kommt es - soweit dieser wirksam ist - auf den am 20.05.2005 in Kraft getretenen Bebauungsplan „Gewerbegebiete an der B ... und Sondergebiet Spanplattenwerk“ an.
72 
2.3.2.2 Der Bebauungsplan setzt für das Grundstück der Klägerin ein Sondergebiet (SO1) im Sinne von § 9 a BauGB, § 11 Abs. 2 BauNVO fest. Gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 9 BauGB wurden zudem in dem der B... nächstgelegenen Teil A die Nutzung „Silos für Sägespäne“, im Teil B „Spanplattenwerk Lagerhaltung, Veredelung (einschließlich Schleifen), Vertrieb und Verwaltung“ und im Übrigen „Spanplattenwerk Lagerflächen, einschließlich Hacker- und Förderanlagen, Lkw-Parkplatz-Anlage, einschließlich Waage und Gebäude mit Sanitär- und Aufenthaltsräumen, Pförtnerloge“ festgesetzt. Der sprengstoffrechtlich erforderliche Schutzabstand von 395 m zu Wohngebäuden verhindert jedenfalls die nach dem Bebauungsplan zulässige Nutzung des Grundstücksteils B für Vertrieb und Verwaltung, soweit ständige Arbeitsplätze eingerichtet werden sollen. Wie sich der Stellungnahme der Bundesanstalt für Materialforschung vom 24.01.2007 entnehmen lässt, ist nach der Auffassung der Fachbehörde auch eine bebauungsplangerechte Nutzung des als Teil A bezeichneten Geländes erheblich eingeschränkt.
73 
Der Umfang der zulässigen Bebauung wird durch den Hinweis unter C. Ziff. 7 im Bebauungsplan nicht eingeschränkt. Denn rechtsverbindliche Wirkung haben lediglich Festsetzungen im Sinne des § 9 Abs. 1 BauGB, wohingegen der Begründung des Bebauungsplans (§ 9 Abs. 8 BauGB) kein Satzungscharakter zukommt (Söfker in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, 97. Ergänzungslieferung 2010, § 9 RdNr. 6). Während die Festsetzungen die zulässigen Vorhaben rechtsverbindlich einschränken und konkretisieren, dient die Begründung lediglich der Erläuterung und der Überprüfbarkeit des Abwägungsprozesses. Der Hinweis enthält jedoch keine Regelung zur Umschreibung der zulässigen Bauvorhaben. Er verweist lediglich auf Beschränkungen, die sich aus Umständen ergeben, welche außerhalb des Bebauungsplans liegen. Der Hinweis steht daher der Erläuterung und Begründung näher. Die Begründung kann aber nicht die rechtsverbindlichen Bebauungsplanfestsetzungen aushebeln. Folglich schränkt die Genehmigung des Sprengstofflagers die grundsätzlich zulässige Nutzung des Grundstücks der Klägerin ein.
74 
2.3.2.3 Der maßgebliche Bebauungsplan „Gewerbegebiete an der B ... und Sondergebiet Spanplattenwerk“ vom 20.05.2005 ist wirksam; er verstößt weder gegen das Gebot der Erforderlichkeit der Planung noch gegen das Abwägungsgebot.
75 
Der Bebauungsplan ist nicht wegen Verstoßes gegen das in § 1 Abs. 3 BauGB normierte Gebot der Erforderlichkeit nichtig. Die Gemeinde darf keinen Bebauungsplan aufstellen, der aus Rechtsgründen nicht vollzugsfähig ist (ständige Rechtsprechung, vgl. BVerwG, Urteil vom 12.08.1999 - 4 CN 4.98 - a.a.O.). Davon ist auszugehen, wenn die Realisierung des Bebauungsplans zwangsläufig an rechtlichen Hindernissen scheitern müsste. Demgegenüber ist der Bebauungsplan vollzugsfähig und wirksam, wenn die Konflikte durch angemessene Auflagen oder sonstige Beschränkungen überwunden werden können. Die Festsetzung des Gebiets scheitert nicht in ihrer Gesamtheit. Lediglich ein Teilabschnitt der Fläche, die als Sondergebiet ausgewiesen ist, kann nicht wie im Bebauungsplan vorgesehen ausgenutzt werden. Es handelt sich somit um eine Beschränkung und nicht um eine Aufhebung der Vollzugsfähigkeit. Daher bleibt die Festsetzung im Bebauungsplan erforderlich im Sinne von § 1 Abs. 3 BauGB.
76 
Der Bebauungsplan verstößt auch nicht gegen das Abwägungsgebot des § 1 Abs. 6 BauGB. Dies wäre der Fall, wenn im Rahmen der planerischen Abwägung die Schutzwürdigkeit der auf dem Grundstück der Klägerin zulässigen Bebauung verkannt und damit falsch beurteilt worden ist. Die Schutzabstände des Sprengstofflagers waren auch dann zu berücksichtigen, wenn dessen Genehmigung rechtswidrig erfolgt sein sollte. Denn für die Bauleitplanung sind die tatsächlichen Verhältnisse maßgeblich (vgl. Söfker, a.a.O., § 1 RdNr. 193). Die Unvereinbarkeit von zum Daueraufenthalt bestimmten Betriebsgebäuden im Gebiet SO1 und der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung der Beigeladenen wurde zwar im Bebauungsplanverfahren behandelt. Dieser Umstand hat jedoch in den rechtsverbindlichen Festsetzungen keinen Eingang gefunden. Die Konfliktlage spiegelt sich nicht im Abwägungsergebnis wieder.
77 
Es ist jedoch in Grenzen zulässig, die Lösung von Konflikten nachfolgenden Genehmigungsverfahren zu überlassen (Konfliktverlagerung). Die planende Gemeinde darf auf eine abschließende Konfliktlösung im Bebauungsplan verzichten, wenn diese außerhalb des Planverfahrens im Rahmen der Verwirklichung der Planung sichergestellt und zu erwarten ist. Dafür muss jedoch eine sachgerechte Konfliktlösung durch die Behörde hinreichend sicher abschätzbar sein. Bleibt das Problem zu Lasten des Betroffenen ungelöst, ist das Gebot der umfassenden Konfliktlösung verletzt (vgl. BVerwG, Urteil vom 11.03.1988 - 4 C 56.84 - Buchholz 406.11 § 9 BBauG Nr. 30; Beschluss vom 17.02.1984 - 4 B 191.83 - BVerwGE 69, 30). Dem liegt zugrunde, dass eine Überfrachtung des Bebauungsplans vermieden werden soll (vgl. BVerwG, Beschluss vom 17.02.1984 - 4 B 191.83 - a.a.O.). Wie sich aus dem vorgenannten Hinweis C im Bebauungsplan ergibt, ging die Gemeinde ... aufgrund der Stellungnahme des Gewerbeaufsichtsamts ... per E-Mail vom 26.04.2004 davon aus, dass dem Schutzabstand uneingeschränkt Vorrang einzuräumen ist. Dieser sei sodann im Genehmigungsverfahren wegen § 15 Abs. 1 BauNVO bzw. § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG zu berücksichtigen. Folglich durfte die Gemeinde damit rechnen, dass der Konflikt sachgemäß im Genehmigungsverfahren zu lösen ist. Ferner hat die Gemeinde durch den Verzicht auf die Festsetzung eines Schutzabstands dem Vertrauensschutz der Klägerin Rechnung getragen. Zwar besteht kein Anspruch auf Aufstellung und Bewahrung eines Bebauungsplans (§ 1 Abs. 3 Satz 2 BauGB); jedoch hat die vorherige Überplanung der Grundstücke durch den Bebauungsplan von 1983 in den Abwägungsvorgang nach § 1 Abs. 7 BauGB Eingang zu finden. Der Bebauungsplan ist somit nicht wegen Verstoßes gegen das Abwägungsgebot unwirksam.
78 
2.3.2.4 Entgegen der Auffassung der Beigeladenen und des Beklagten werden die durch den Bebauungsplan eingeräumten Rechte zu Gunsten der Klägerin nicht infolge einer Vorbelastung ihres Grundstücks eingeschränkt. Der im Gesetz unerwähnte Begriff der Vorbelastung wurde zur Konkretisierung des unbestimmten Rechtsbegriffs der unzumutbaren Beeinträchtigung entwickelt (BVerwG, Urteil vom 21.05.1976 - IV C 80.74 - BVerwGE 51, 15). Aufgrund bestehender Umwelteinflüsse kann sich das Maß des für Nachbarn Zumutbaren verändern. Vorliegend könnte daran gedacht werden, dass das Grundstück der Klägerin schon immer mit den Schutzabständen zu den Sprengstoffbunkern belastet war. Wie die Beigeladene im Widerspruchsverfahren darlegte, betrieb sie in der Vergangenheit auf der Grundlage von Gestattungen aus dem Jahre 1953 bzw. 1957 ein Sprengstofflager im Gewann „... ...“, welches ebenfalls mit erheblichen Abstandsanforderungen verbunden gewesen sein dürfte. Somit dürfte die Ausnutzbarkeit des Grundstücks der Klägerin bereits zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Vorgängerbebauungsplanes aus dem Jahre 1983 eingeschränkt gewesen sein.
79 
Selbst wenn der Bebauungsplan im Hinblick auf die Nichtberücksichtigung der zu dem ehemaligen Sprengstofflager einzuhaltenden Abstände an einem Abwägungsfehler litte, wäre dieser jedoch unbeachtlich. Nach § 233 Abs. 2 Satz 1 BauGB finden die derzeit geltenden Vorschriften zur Planerhaltung grundsätzlich rückwirkend auf Bebauungspläne Anwendung, die auf der Grundlage bisheriger Fassungen des BauGB bzw. BBauG in Kraft getreten sind. Darüber hinaus sind gemäß § 233 Abs. 2 Satz 3 BauGB für vor dem Inkrafttreten einer Gesetzesänderung in Kraft getretene Flächennutzungspläne und Satzungen die vor dem Inkrafttreten der Gesetzesänderung geltenden Vorschriften über die Geltendmachung der Verletzung von Verfahrens- und Formvorschriften, von Mängeln der Abwägung und von sonstigen Vorschriften einschließlich ihrer Fristen weiterhin anzuwenden. Daraus folgt, dass insbesondere bei Abwägungsmängeln nicht nur die §§ 214, 215 BauGB in ihrer derzeitigen Fassungen gelten, sondern dass frühere Regelungen fortgelten.
80 
Maßgeblich für die vor dem Inkrafttreten des Baugesetzbuches zum 01.07.1987 bekannt gemachten Bebauungspläne bleibt daher die Überleitungsvorschrift des § 244 Abs. 2 BauGB 1978 (vgl. BVerwG, Beschluss vom 11.11.1998 - 4 BN 50.98 - Buchholz 406.11 § 244 BauGB Nr. 3). Nach dieser Vorschrift sind Mängel der Abwägung von Flächennutzungsplänen und Satzungen, die vor dem 01.07.1987 bekannt gemacht worden sind, unbeachtlich, wenn sie nicht innerhalb von sieben Jahren nach dem 01.07.1987 schriftlich gegenüber der Gemeinde geltend gemacht worden sind, wobei der Sachverhalt, der die Mängel begründen soll, darzulegen ist. Dem steht nicht entgegen, dass § 244 Abs. 2 BauGB 1987 durch das Bau- und Raumordnungsgesetz 1998 - BauROG - gestrichen wurde. Die Aufhebung der Vorschrift erfolgte, da sie nach Auffassung des Gesetzgebers ihren Zweck erfüllt hatte. Der Geltungsanspruch der Vorschrift sollte nicht rückwirkend entfallen. Dies ergibt sich im Übrigen aus § 233 Abs. 3 BauGB, wonach auf der Grundlage bisheriger Fassungen des BauGB bzw. des BBauG wirksame oder übergeleitete Pläne, Satzungen und Entscheidungen fortgelten (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 13.12.1999 - 8 S 1625/99 - VBlBW 2000, 394). Für den vor dem 01.07.1987 bekanntgemachten Bebauungsplan „...-...“ sind danach nur Abwägungsmängel beachtlich, die vor dem 01.07.1994 geltend gemacht worden sind. Da die von der Beigeladenen im Widerspruchsverfahren behauptete Nichtberücksichtigung der Sicherheitsabstände zu dem ehemaligen Sprengstofflager bisher nicht gegenüber der planenden Gemeinde geltend gemacht worden ist, wäre ein entsprechender Abwägungsmangel gemäß § 244 Abs. 2 BauGB a.F. i.V.m. § 233 Abs. 2 Satz 3, Abs. 3 BauGB unbeachtlich und würde nicht zur Nichtigkeit des Bebauungsplans führen.
81 
Unabhängig hiervon war zum maßgeblichen Zeitpunkt eine Vorbelastung durch etwa einzuhaltende Sicherheitsabstände zum ehemaligen Sprengstofflager im Gewann „... ...“ entfallen. Denn dessen Genehmigung erlosch gemäß § 18 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG, weil die Vorgängeranlage nach Verlegung an den heutigen Standort für einen Zeitraum von mehr als drei Jahren nicht mehr betrieben worden war.
82 
2.4 Nach dem oben unter 1.2 Ausgeführten scheidet hier die materiell-rechtliche Verwirkung des nachbarschützenden Abwehranspruchs gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BImSchG aus (vgl. hierzu BVerwG, Urteile vom 25.01.1974 - IV C 2.72 - a.a.O.; sowie vom 16.05.1991 - 4 C 4.89 - a.a.O.). Dieses Rechtsinstitut setzt neben einem Zeitablauf seit der Entstehung des Rechts voraus, dass besondere Umstände die Geltendmachung als Verstoß gegen Treu und Glauben erscheinen lassen. Das ist insbesondere der Fall, wenn der Verpflichtete infolge eines bestimmten Verhaltens des Berechtigten darauf vertrauen durfte, dass dieser das Recht nach so langer Zeit nicht mehr geltend machen werde (Vertrauensgrundlage), der Verpflichtete ferner tatsächlich darauf vertraut hat, dass das Recht nicht mehr ausgeübt werde (Vertrauenstatbestand) und sich infolge dessen in seinen Vorkehrungen und Maßnahmen so eingerichtet hat, dass ihm durch die verspätete Durchsetzung des Rechts ein unzumutbarer Nachteil entstehen würde (Vertrauensbetätigung). Eine materiell-rechtliche Verwirkung scheidet hier bereits deshalb aus, weil nach dem oben Gesagten die Klägerin auch bei Anwendung der erforderlichen Sorgfalt keine Kenntnis von dem Bauvorhaben und den dadurch ausgelösten Beeinträchtigungen hat erlangen müssen.
83 
Nach alldem hat die Berufung der Klägerin auch in der Sache Erfolg.
84 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 und 3 und § 159 Satz 1 VwGO i.V.m. § 100 ZPO.
85 
Die Revision ist nicht zuzulassen, da keiner der Gründe des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt. Insbesondere ist in der oben dargestellten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts fallübergreifend abschließend geklärt, unter welchen Voraussetzungen sich ein Nachbar in Anwendung des Rechtsgedankens der §§ 70 und 58 Abs. 2 VwGO so behandeln lassen muss, als ob ihm eine Genehmigung zugestellt worden wäre.

Gründe

 
31 
Die von dem Senat wegen ernstlicher Richtigkeitszweifel zugelassene Berufung der Klägerin ist innerhalb der bis zum 08.03.2010 verlängerten Frist begründet worden (§ 124a Abs. 6 Satz 3 i.V.m. Abs. 3 Satz 3 VwGO) und auch im Übrigen zulässig; sie hat darüber hinaus in der Sache Erfolg. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts ist die Klage zulässig (dazu unter 1.) und begründet (dazu unter 2.).
32 
1.1 Zutreffend ist das Verwaltungsgericht davon ausgegangen, dass die immissionsschutzrechtliche Genehmigung vom 10.08.1995 nicht bereits deshalb in Bestandskraft erwachsen ist, weil erstmals am 11.05.2004 hiergegen Widerspruch eingelegt wurde und deshalb die Frist des § 70 Abs. 1 VwGO nicht gewahrt ist. Die streitgegenständliche Genehmigung wurde im vereinfachten Verfahren nach § 19 BImSchG erteilt, so dass eine förmliche Zustellung gemäß § 10 Abs. 7 BImSchG an Dritte und eine anderweitige förmliche Bekanntgabe der Genehmigung durch die Behörde an die Klägerin unterblieben ist. Demzufolge wurde die einmonatige Widerspruchsfrist des § 70 Abs. 1 VwGO nicht in Gang gesetzt. Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, dass im Jahre 1995 eine Bekanntgabe der Genehmigung an die Rechtsvorgängerin der Beigeladenen erfolgte. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts setzt die Bekanntgabe einer Baugenehmigung - nichts anderes gilt für eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung - an den Bauherrn als ihren Adressaten nicht zugleich die Rechtsbehelfsfristen auch für den Nachbarn als beteiligten Nichtadressaten in Lauf (vgl. grundlegend BVerwG, Urteil vom 14.02.1969 - IV C 82.66 - DVBl. 1969, 362; sowie Urteil vom 25.01.1974 - IV C 2.72 - BVerwGE 44, 294). Zu Recht weist die Klägerin im Übrigen darauf hin, dass die Bekanntgabe eines Verwaltungsaktes im Sinne von § 41 LVwVfG den Willen der Behörde voraussetzt, den Bescheid dem Bekanntgabeadressaten zur Kenntnis zu bringen; zufällige Kenntnisnahme, etwa der Nachbarn auf Grund Information seitens des Bauherrn, reicht regelmäßig nicht aus (vgl. hierzu Rennert in: Eyermann, Verwaltungsgerichtsordnung, 13. Aufl., RdNr. 4 zu § 70 VwGO). Daher stellt auch das Schreiben der Gemeinde ... an die Klägerin vom 19.04.2004 keine Bekanntgabe der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung dar.
33 
1.2. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts führt auch der den Bestimmungen der §§ 70, 58 Abs. 2 VwGO zu entnehmende Rechtsgedanke hier nicht zur Bestandskraft der angegriffenen immissionsschutzrechtlichen Genehmigung.
34 
1.2.1 Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts muss sich ein Nachbar, der sichere Kenntnis von der Erteilung einer Baugenehmigung erhalten hat oder diese Kenntnis hätte haben müssen, so behandeln lassen, als sei ihm die Baugenehmigung im Zeitpunkt der zuverlässigen Kenntniserlangung oder in dem Zeitpunkt, in dem er diese Kenntnis hätte erlangen müssen, amtlich bekannt gegeben worden. Von diesem Zeitpunkt an richtet sich die Widerspruchsfrist regelmäßig nach den Vorschriften der §§ 70 und 58 Abs. 2 VwGO (vgl. grundlegend BVerwG, Urteil vom 25.01.1974 - IV C 2.72 - a.a.O.; sowie Urteil vom 16.05.1991 - 4 C 4.89 - NVwZ 1991, 1182). Die vom Bundesverwaltungsgericht ursprünglich für das Baurecht bei unmittelbar benachbarten Grundstücken entwickelten Grundsätze werden aus dem zwischen Nachbarn bestehenden besonderen Gemeinschaftsverhältnis, das durch eine von Treu und Glauben geprägte Verbundenheit gekennzeichnet ist, hergeleitet (vgl. BVerwG, Urteil vom 25.01.1974 - IV C 2.72 - a.a.O.). Dieses verpflichtet den Nachbarn, durch zumutbares aktives Handeln mitzuwirken, einen möglichen Schaden des Bauherrn zu vermeiden oder den Vermögensverlust möglichst gering zu halten; der Nachbar muss dieser Verpflichtung dadurch nachkommen, dass er nach Erkennen der Beeinträchtigung durch Baumaßnahmen ungesäumt seine nachbarlichen Einwendungen geltend macht, wenn ihm nicht der Grundsatz von Treu und Glauben entgegengehalten werden soll, weil er ohne zureichenden Grund mit seinen Einwendungen länger als notwendig zugewartet hat.
35 
Die Ableitung aus Treu und Glauben und dem nachbarschaftlichen Gemeinschaftsverhältnis bedingt, dass diese Grundsätze nicht nur für unmittelbar benachbarte Grundstücke anzuwenden sind (so ausdrücklich BVerwG, Beschluss vom 28.08.1987 - 4 N 3.86 - BVerwGE 78, 85). Entscheidend ist allein, dass die Grundstücke derart nahe beieinander liegen, dass von einem nachbarschaftlichen Gemeinschaftsverhältnis und aus Treu und Glauben ableitbaren Bindungen gesprochen werden kann. Zu Recht ist das Verwaltungsgericht davon ausgegangen, dass diese Grundsätze für die immissionsschutzrechtliche Genehmigung gleichermaßen Geltung beanspruchen, da auch das Immissionsschutzrecht von einem Raumbezug geprägt ist und die immissionsschutzrechtliche Genehmigung gemäß § 13 Satz 1 BImSchG im Rahmen der materiellen Konzentrationswirkung die Baugenehmigung ersetzt.
36 
Nach dem Rechtsgedanken der §§ 70, 58 Abs. 2 VwGO ist der Nachbar regelmäßig so zu behandeln, als ob ihm die Genehmigung ohne Rechtsbehelfsbelehrung amtlich bekannt gemacht worden wäre. Es läuft daher grundsätzlich eine Widerspruchsfrist von einem Jahr ab dem Zeitpunkt, zu dem der Nachbar sichere Kenntnis erlangt hat oder hätte erlangen müssen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 17.02.1989 - 4 B 28.89 - Buchholz 406.19 Nachbarschutz Nr. 87). Maßgeblich ist dabei nicht das Erkennen, sondern die Erkennbarkeit der Genehmigung bzw. der hierdurch verursachten Beeinträchtigung. Allein das Abstellen auf die Erkennbarkeit wird dem zwischen dem Bauherrn und dem Nachbarn bestehenden besonderen Gemeinschaftsverhältnis gerecht, das dem Nachbarn die Obliegenheit auferlegt, durch ein zumutbares aktives Handeln mitzuwirken, einen wirtschaftlichen Schaden des Bauherrn zu vermeiden oder den Vermögensverlust möglichst niedrig zu halten, und der er dadurch nachzukommen hat, dass er nach Kenntnisnahme ungesäumt seine nachbarlichen Einwendungen geltend zu machen hat (vgl. hierzu OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 20.12.2005 - 10 B 10.05 - juris).
37 
1.2.2 Zutreffend weist die Klägerin aber darauf hin, dass sich die Kenntnis bzw. Möglichkeit der Kenntnisnahme nicht lediglich auf die Erteilung einer Baugenehmigung bzw. immissionsschutzrechtlichen Genehmigung beziehen muss, sondern es auf die Erkennbarkeit der spezifischen Risiken und Beeinträchtigungen für den Nachbarn ankommt. Zu Unrecht geht das Verwaltungsgericht in entscheidungstragender Weise unter Hinweis auf ein Urteil des Verwaltungsgerichts München (Urteil vom 06.10.2005 - M 11 K 04.2630 - juris) davon aus, dass allein auf die Kenntnisnahme bzw. Möglichkeit der Kenntnisnahme von der Baugenehmigung abzustellen ist, unabhängig davon, ob der Nachbar seine nachteilige Beeinträchtigung bei Ausnutzung der Genehmigung erkannt hat oder diese hätte erkennen müssen. Dies ergibt sich bereits mit hinreichender Deutlichkeit aus dem Wortlaut der herangezogenen Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts, daneben aber auch aus den Ableitungszusammenhängen der oben dargestellten Rechtsprechung.
38 
So hebt das Bundesverwaltungsgericht in seinem grundlegenden Urteil vom 25.01.1974 (IV C 2.72 - a.a.O. - RdNr. 24 des Urteilsabdrucks bei juris) ausdrücklich auf ein Erkennen der Beeinträchtigung durch Baumaßnahmen durch den Nachbarn ab. Gerade die Herleitung der Verpflichtung des Nachbarn aus Treu und Glauben und dem nachbarschaftlichen Gemeinschaftsverhältnis gebietet es, nicht lediglich auf die Erteilung einer Baugenehmigung, sondern auf für den Nachbarn erkennbare hierdurch ausgelöste negative Beeinträchtigungen abzustellen. Denn eine aus Treu und Glauben herzuleitende Verpflichtung des Nachbarn zu aktivem Tun kann lediglich dann bestehen, wenn ihm nicht nur die Tatsache der Erteilung der Genehmigung bekannt wird, sondern auch deren Umfang und Folgen für seine Rechte zumindest erkennbar sind. Dafür spricht auch das Leitbild des § 58 Abs. 2 VwGO, da dem Nachbarn im dort ausdrücklich geregelten Fall die Baugenehmigung wegen der erfolgten Bekanntgabe vorliegt, wenn auch ohne die erforderliche Rechtsbehelfsbelehrung. Fehl geht die vom Verwaltungsgericht angestellte Erwägung, dass der Nachbar bei Bekanntgabe der Genehmigung ebenfalls innerhalb der Jahresfrist Widerspruch einlegen muss, auch wenn er seine subjektive Beeinträchtigung daraus nicht erkennen kann. Das Verwaltungsgericht übersieht dabei, dass die Position des Nachbarn bei Bekanntgabe der Genehmigung deutlich besser als im hier in Rede stehenden Fall ist. Zum einen ist bereits die bloße förmliche Bekanntgabe eines Verwaltungsaktes mit einer gewissen Warnfunktion verbunden und gibt dem Mitteilungsempfänger Anlass, sich über eine hierdurch etwa ausgelöste nachteilige Betroffenheit zu informieren. Zum anderen kann - wie gerade auch der Inhalt der hier erteilten immissionsschutzrechtlichen Genehmigung zeigt - der Nachbar aus der Begründung regelmäßig ohne großen Aufwand seine potentielle Beeinträchtigung unschwer erkennen.
39 
Auch in diesem Zusammenhang ist jedoch nicht erforderlich, dass der Nachbar die negative Beeinträchtigung tatsächlich erkannt hat; es genügt ebenfalls das „Kennenmüssen“. Davon ist zum einen auszugehen, wenn sich das Vorliegen der Genehmigung (einschließlich der subjektiven Beeinträchtigung) aufdrängt. Ferner ist ausreichend, wenn es dem Nachbarn möglich und zumutbar war, sich über diese Umstände Gewissheit zu verschaffen, etwa durch Anfrage beim Bauherrn oder der Behörde (vgl. näher Dolde/Porsch in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, Verwaltungsgerichtsordnung, 13. Ergänzungslieferung April 2006, RdNr. 21 zu § 70 VwGO). Der Umfang der einem Nachbarn obliegenden Sorgfaltsanforderungen lässt sich dabei nicht abstrakt ermitteln. Insbesondere lässt sich ein Maßstab für die Ermittlungspflichten des Nachbarn nicht den Bestimmungen der §§ 58 Abs. 2, 70 VwGO entnehmen. Zwar läuft einerseits bei einer Bekanntgabe ohne Rechtsbehelfsbelehrung (d.h. bei Kenntnis von der Beeinträchtigung) eine Rechtsmittelfrist von einem Jahr, während andererseits dem Nachbarn trotz fehlender Kenntnis von der subjektiven Beeinträchtigung ebenfalls eine Jahresfrist eingeräumt und zudem die Erkundigung und Ermittlung vorausgesetzt wird. Dies gebietet es jedoch nicht zwingend, die Anforderungen an die Ermittlungspflicht generell gering anzusetzen. Denn die Einjahresfrist markiert im Rechtsbehelfsverfahren aus Gründen der Rechtssicherheit grundsätzlich - abgesehen von Unmöglichkeit der Rechtsbehelfseinlegung - eine absolute Grenze, vgl. §§ 58 Abs. 2, 60 Abs. 3, 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO. Somit kann dieser Zeitraum in jedem Fall sachgerecht auf Drittwidersprüche übertragen werden. Da die Verwaltungsgerichtsordnung den Fall des Nachbarwiderspruchs nicht regelt, muss es vielmehr maßgeblich auf die Herleitung der Rechtsgrundsätze aus dem nachbarschaftlichen Gemeinschaftsverhältnis ankommen. Daraus folgt, dass auf die Besonderheiten des Einzelfalles abzustellen ist und sich der Umfang der Treuepflicht nach den jeweiligen rechtlichen und tatsächlichen Umständen richtet (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 28.08.1987 - 4 N 3.86 - a.a.O.; sowie vom 17.02.1989 - 4 B 28.89 - a.a.O.).
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Wann ein Nachbar Kenntnis erlangt hat oder hätte erlangen müssen, hängt deshalb allein von den konkreten Umständen des Einzelfalles ab und ist aufgrund einer umfassenden Sachverhaltswürdigung zu beurteilen. Dabei ist maßgeblich auf die Sicht des Nachbarn abzuheben, lediglich untergeordnet kann auf die Interessen des Bauherrn abgestellt werden. Eine Ermittlungspflicht des Nachbarn besteht etwa, wenn sich eine Beeinträchtigung anhand des sichtbaren Baugeschehens aufdrängt. Ferner besteht eine Ermittlungspflicht, wenn eine Beeinträchtigung des Nachbarn aufgrund der Nutzung des eigenen Grundstücks wahrscheinlich ist. Je einfacher Informationen über das Bauvorhaben zugänglich sind, desto eher ist dem Nachbarn die Erkundigung zuzumuten. So hat die Rechtsprechung es teilweise ausreichen lassen, dass der Nachbar durch eine Mitteilung über die Erteilung der Baugenehmigung und den sichtbaren Beginn der Bauarbeiten Kenntnis über einen möglichen Eingriff in die zu schützende Rechtspositionen erlangt hat (vgl. BVerwG, Urteil vom 16.05.1991 - 4 C.89 - a.a.O.). Auch bei deutlich wahrnehmbaren Bauarbeiten solle es Anlass geben, der Frage nach der eigenen Beeinträchtigung nachzugehen (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 20.12.2005 - 10 B 10.05 - a.a.O; ebenso OVG Frankfurt (Oder), Beschluss vom 28.01.2000 - 3 B 67/99 - LKV 2001, 466).
41 
1.2.3 Entgegen der Auffassung der Berufung ist für den Verlust des verfahrensmäßigen Rechts, Widerspruch einzulegen, außer der Untätigkeit des Nachbarn kein weiteres besonderes Umstandsmoment auf der Seite des Bauherrn erforderlich; unerheblich ist mithin, ob der Bauherr ein entsprechendes Vertrauen auf den Bestand der Genehmigung entwickelt hat und dieses schutzwürdig ist. Hierfür spricht bereits, dass die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts - anders als in der Kommentarliteratur häufig behauptet - streng zwischen dem Verlust des verfahrensmäßigen Rechts, Widerspruch einzulegen, durch Fristablauf entsprechend den sich aus §§ 58, 70 VwGO ergebenden Grundsätzen auf der einen Seite und der Verwirkung des Widerspruchsrechts oder gar des materiellen Abwehranspruchs auf der andern Seite unterscheidet (so ausdrücklich bereits BVerwG, Urteil vom 25.01.1974 - IV C 2.72 - a.a.O.; ferner Beschluss vom 18.03.1988 - 4 B 50.88 - Buchholz 406.19 Nachbarschutz Nr. 77; Beschluss vom 17.02.1989 - 4 B 28.89 - a.a.O.).
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Der Verlust des verfahrensmäßigen Rechts aufgrund von Zeitablauf und die Verwirkung des Widerspruchsrechts führen zwar zur gleichen Rechtsfolge (nämlich der Unzulässigkeit des Widerspruchs), auch wird sich ihr Anwendungsbereich häufig überschneiden. Die Rechtsinstitute stehen jedoch in unterschiedlichen Ableitungszusammenhängen und haben unterschiedliche Voraussetzungen. So kommt eine Verwirkung des Widerspruchsrechts nach den Umständen des Einzelfalles auch bereits vor Ablauf der Jahresfrist des § 58 Abs. 2 VwGO in Betracht; eine Verwirkung hat jedoch zusätzlich zur Voraussetzung, dass der Genehmigungsempfänger aus aktivem Tun des Nachbarn oder einer ihm gleichzusetzenden Duldung auf dessen Einverständnis schließen kann (vgl. BVerwG, Beschluss vom 17.02.1989 - 4 B 28.89 - a.a.O.). Entgegen der Auffassung der Klägerin können diese vom Bundesverwaltungsgericht für die Verwirkung aufgestellten zusätzlichen Anforderungen an die Vertrauensbetätigung des Bauherrn nicht auf die hier in Rede stehende Problematik der entsprechenden Anwendung von §§ 70, 58 Abs. 2 VwGO übertragen werden. Gegenteiliges kann insbesondere nicht dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 16.05.1991 (4 C 4.89 - NVwZ 1991, 1182) entnommen werden; die von der Klägerin herangezogenen Passagen des Urteils beziehen sich nach ihrer systematischen Stellung eindeutig auf die Verwirkung des materiellen nachbarlichen Abwehrrechts. Die Auffassung der Klägerin beruht auf einer Vermischung der Voraussetzungen für Verlust des Widerspruchsrechts allein aufgrund von Zeitablauf in entsprechender Anwendung von §§ 70 und 58 Abs. 2 VwGO und den Voraussetzungen für eine Verwirkung entweder des verfahrensmäßigen Widerspruchsrechts oder des nachbarlichen Abwehranspruchs. Sie hätte darüber hinaus zur Folge, dass es kaum jemals zum Verlust des Widerspruchsrechts des Nachbarn kommen könnte. Denn die Berufung will dem Nachbarn in entsprechender Anwendung von § 58 Abs. 2 VwGO eine Widerspruchsmöglichkeit binnen Jahresfrist ab Erkennbarkeit der Baumaßnahmen einräumen und fordert darüber hinaus, dass der Bauherr gerade aufgrund der Untätigkeit des Nachbarn ein entsprechendes Vertrauen in den Bestand der Baugenehmigung entwickelt und auch betätigt hat, mithin die Untätigkeit des Nachbarn kausal für den Baufortschritt sein muss. Wie jedoch der vorliegende Fall zeigt, kann binnen eines Jahres auch ein umfangreiches Bauvorhaben fertiggestellt sein.
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1.2.4 Bei Anwendung dieser Grundsätze ist der Widerspruch der Klägerin nicht verfristet. Es steht aufgrund der durchgeführten Beweiserhebungen durch Einnahme eines Augenscheins sowie durch Zeugenvernehmung des Bürgermeisters der Gemeinde ... fest, dass die Klägerin erstmals im April 2004 Kenntnis von der Beeinträchtigung durch das genehmigte Sprengstofflager erlangt hat. Entgegen der Auffassung des Beklagten und der Beigeladenen musste die Klägerin auch bei Anwendung der gebotenen Sorgfalt im oben dargestellten Sinne nicht bereits zu einem früheren Zeitpunkt Kenntnis von der erteilten Genehmigung und der durch ihre Ausnutzung eintretenden Beeinträchtigungen erlangen.
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1.2.4.1 Fehl geht die Auffassung der Beigeladenen, dass die Klägerin bereits vor Beginn der Baumaßnahmen im Jahre 1995 Kenntnis von der geplanten Errichtung der Bunkeranlage erlangt habe bzw. hätte erlangen müssen. Wie oben näher dargestellt, setzt die zeitliche Beschränkung des Widerspruchsrechts nach § 70 i.V.m. § 58 Abs. 2 VwGO ebenso wie die verfahrensrechtliche Verwirkung voraus, dass zuvor eine Genehmigung erteilt worden ist. Die maßgebliche Jahresfrist kann deshalb erst mit Erteilung der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung an die Rechtsvorgängerin der Beigeladenen am 10.08.1995 zu laufen beginnen. Die von der Beigeladenen aufgeworfene Frage einer Kenntniserlangung der Klägerin bereits im Jahre 1993 unter Hinweis auf einen Aktenvermerk des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 23.09.1993 stellt sich deshalb nicht. Im Übrigen weist die Klägerin zu Recht darauf hin, dass sich diesem Aktenvermerk (Anlage A 9 zum Schriftsatz der Beigeladenen vom 31.08.2005 im Widerspruchsverfahren) keinerlei Anhaltspunkte dafür entnehmen lassen, dass Vertreter oder Mitarbeiter der Klägerin an der maßgeblichen Besprechung teilgenommen haben. Aus zeitlichen Gründen kann auch nicht auf die Veröffentlichung im gemeinsamen Mitteilungsblatt der Gemeinden ... und ... vom 16.06.1995 abgehoben werden, in der unter Ziff. 13 auf eine Sitzung des Technischen Ausschusses in ... zur Behandlung eines Antrags auf immissionsschutzrechtliche Genehmigung eines Sprengstoffbunkers auf den maßgeblichen Flurstücken ... und ... im Gewann ... hingewiesen wurde. Auch diese Sitzung fand zu einem Zeitpunkt statt, als die Genehmigung noch nicht erteilt war und noch nicht über die Genehmigungsvoraussetzungen entschieden worden ist. Allenfalls bot diese amtliche Mitteilung im Zusammenhang mit weiteren tatsächlichen Gesichtspunkten Anlass, sich bei der veröffentlichenden Gemeinde oder der zuständigen Immissionsschutzbehörde über den weiteren Verlauf des Verfahrens und eine etwa in der Erteilung befindliche immissionsschutzrechtliche Genehmigung zu erkundigen (vgl. zur Relevanz von Pressemitteilungen auch OVG Frankfurt (Oder), Beschluss vom 28.01.2000 - 3 B 67/99 - a.a.O.). Dies setzt jedoch voraus, dass die Klägerin aufgrund tatsächlicher Wahrnehmung von Baumaßnahmen Anlass gehabt hätte, weitergehende Erkundigungen zu einer etwa erteilten Genehmigung und deren Umfang anzustellen.
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1.2.4.2 Aufgrund der durchgeführten Beweiserhebung ist der Senat zu der Überzeugung gelangt, dass die Klägerin auch nicht mit Baubeginn des Bunkers im November 1995 von der erteilten Genehmigung und deren Auswirkungen Kenntnis erlangt hat oder hätte erlangen müssen. Bei der nach dem oben Gesagten anzustellenden umfassenden Sachverhaltswürdigung ist aus der Sphäre des Bauherrn in erster Linie die Wahrnehmbarkeit des Baugeschehens zu berücksichtigen. Die Grundstücke der Klägerin und der Beigeladenen befinden sich nicht in unmittelbarer Nachbarschaft; sie sind durch die B ... und eine Ansammlung von Laubbäumen voneinander getrennt. Aufgrund des in der mündlichen Verhandlung am 15.11.2011 durchgeführten Augenscheins steht zur Überzeugung des Senats fest, dass bereits zu Beginn der Baumaßnahmen in der 48. Kalenderwoche des Jahres 1995 nur eine sehr eingeschränkte Sichtverbindung zwischen dem Grundstück der Klägerin und dem Baugrundstück der Beigeladenen bestand, so dass die eigentlichen Baumaßnahmen und der Baufortschritt nicht zu erkennen waren. Wie im Termin am 15.11.2011 festgestellt und zwischen den Beteiligten im Einzelnen nicht mehr umstritten, bestand von der Geländeoberfläche des Grundstücks der Klägerin zum Zeitpunkt des Augenscheins keine Sichtbeziehung zum auf dem Grundstück der Beigeladenen errichteten Sprengstoffbunker. Selbst in direkter Blickrichtung vom Betriebsgelände der Klägerin in Richtung Westen war der Sprengstoffbunker nicht zu sehen, da die dazwischenliegenden Grundstücke jenseits der Bundesstraße mit hochstämmigen Streuobstbäumen sowie mit Büschen bepflanzt sind; die Streuobstbäume und Büsche waren zu diesem Zeitpunkt nur noch gering belaubt. Diese Sichtbeziehungen waren auch zum maßgeblichen Zeitpunkt im November 1995 nicht wesentlich anders. Zwar weist der Beklagte zu Recht darauf hin, dass die Streuobstbäume zu diesem Zeitpunkt noch nicht ihre heutige Höhe erreicht haben dürften. Angesichts des Alters dieser Bäume von mehreren Jahrzehnten kann jedoch von ähnlichen Sichtverhältnissen ausgegangen werden, zumal die Sichtbeeinträchtigung bereits durch die Vielzahl der Baumstämme und nicht durch die konkrete Höhe der Bäume bedingt war. Unerheblich ist in diesem Zusammenhang auch, dass die Bundesstraße ... in ihrer heutigen Gestalt erst nach dem maßgeblichen Zeitpunkt im Jahre 1995 fertiggestellt wurde. Zum einen ist die erst später vierspurig ausgebaute Bundesstraße auch im Herbst 1995 bereits in Dammlage verlaufen. Dies lässt sich etwa den vom Regierungspräsidium im Widerspruchsverfahren eingeholten Querschnitten der Straßenbauverwaltung und den vom Senat beigezogenen Planfeststellungsakten entnehmen. Im Übrigen lässt sich die damalige Straßenführung auch anhand des von der Beigeladenen mit Schriftsatz vom 21.11.2005 vorgelegten Lichtbildes Nr. 4 nachvollziehen. Unabhängig hiervon ist die konkrete Trassenlage der B ... und die Frage einer Führung in Dammlage für die Sichtbeziehungen nicht erheblich, da der Sprengstoffbunker bei dem Augenschein selbst von dem Höhenniveau der Bundesstraße aus nicht zu erkennen war.
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Aufgrund des bei dem Augenschein gewonnenen Eindruckes und der von der Beigeladenen vorgelegten Lichtbilder steht deshalb fest, dass während der einjährigen Bauphase im wesentlichen lediglich der auf dem Grundstück der Beigeladenen aufstehende Kran zu sehen gewesen ist. Ferner spricht vieles dafür, dass vom Grundstück der Klägerin aus der Anfahrtsverkehr zur Baustelle, insbesondere die Anlieferung von Beton, wahrnehmbar war. Wie die Beigeladene unwidersprochen vorträgt, wurden auf dem dem Grundstück der Klägerin zugewandten ... Weg insgesamt 130 Fahrten mit Betonmischfahrzeugen abgewickelt; diese dürften vom Grundstück der Klägerin aus - wenn auch nur eingeschränkt - wahrnehmbar gewesen sein. Diese während der Bauphase bestehenden Beobachtungsmöglichkeiten führen entgegen der Auffassung der Widerspruchsbehörde und der Beigeladenen nicht dazu, von einer fahrlässigen Unkenntnis der Klägerin auszugehen. Zum einen ist die Anstoßwirkung dieser Maßnahmen hier aufgrund der konkreten topographischen Verhältnisse bereits deshalb erheblich reduziert, weil vom Grundstück der Klägerin aus gesehen nicht auszuschließen war, dass der Kran und der Baustellenverkehr von einer etwaigen Baustelle im südwestlich gelegenen Industriegebiet von ... herrührten. Zum anderen lassen sich aus den genannten Umständen nicht ausreichende Anhaltspunkte für eine subjektive Beeinträchtigung der Klägerin entnehmen. Die Masse des angelieferten Betons und die einjährige Benutzung eines üblichen Baukrans deuten allerdings auf ein ungewöhnlich großes Bauvorhaben hin. Da sich das Baugrundstück zudem im Außenbereich befindet, war es aus Sicht des Nachbarn naheliegend, dass ein privilegiertes Vorhaben nach § 35 Abs. 1 Nrn. 1 bis 7 BauGB mit potenziell weitgehenden Beeinträchtigungen der Nachbarschaft errichtet wird. All diese Umstände geboten jedoch auch bei Anwendung der erforderlichen Sorgfalt für die Klägerin nicht den Schluss, dass ein immissionsschutzrechtlich genehmigter Sprengstoffbunker mit mehreren 100 Meter weit reichenden Abstandserfordernissen errichtet wurde. Je weniger ein Vorhaben dem üblichen Erwartungshorizont entspricht, d.h. je exotischer der verfolgte Nutzungszweck ist und je ungewöhnlicher das Ausmaß der Abstandsanforderungen an die Nachbarschaft sind, um so höher sind die Anforderungen an die Annahme anzusetzen, der von dem Vorhaben Betroffene müsste sich gleichwohl von sich aus die Kenntnis von der Natur des Vorhabens verschaffen. Von daher liegt es ungeachtet der grundsätzlichen Zulässigkeit der Genehmigungserteilung im vereinfachten Verfahren im wohlverstandenen eigenen Interesse der Genehmigungsbehörde und des Vorhabenträgers zur Vermeidung etwaiger - wie hier - erst viel später auftretender Konflikte um die Bestandskraft der Genehmigung jedenfalls die erkennbar unmittelbar betroffene Nachbarschaft über das Vorhaben zu informieren. Dem entspricht auf Seiten der Nachbarschaft eine gewisse berechtigte Erwartung einer wenigstens formlosen Unterrichtung über ein solches Vorhaben. Deshalb durfte die Klägerin gerade auch aufgrund des Umstandes, dass sie im Genehmigungsverfahren weder förmlich beteiligt noch angehört wurde, davon ausgehen, dass etwa wahrgenommene Baumaßnahmen sie nicht in eigenen Belangen tangieren können.
47 
Unerheblich ist in diesem Zusammenhang auch, dass die Errichtung des Sprengstoffbunkers jedenfalls von den höher gelegenen Betriebseinrichtungen auf dem Grundstück der Klägerin zu erkennen gewesen sein dürfte. Zum Zeitpunkt der Augenscheinseinnahme im Jahre 2011 war der Bunker ab einem Höhenniveau von etwa 15 m zu erkennen; zur Zeit der Errichtung dürfte die Erkennbarkeit eher noch besser gewesen sein. Zwar bestand nach dem Vortrag der Klägerin eine vergleichbare Möglichkeit zur Begehung von Betriebseinrichtungen auch bereits im Jahre 1995. Nach dem unwidersprochenen Vortrag der Klägerin, der mit der allgemeinen Lebenserfahrung in Einklang steht, werden derartige hochgelegenen Betriebseinrichtungen jedoch lediglich in größeren Intervallen von untergeordnetem technischen Personal betreten, woraus keine Erkenntnismöglichkeit für die maßgeblichen Bediensteten und insbesondere die vertretungsberechtigten Organe der Klägerin hergeleitet werden kann.
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1.2.4.3 Aus ähnlichen Erwägungen ergibt sich, dass die Klägerin auch nicht mit Beginn des Betriebs des Sprengstofflagers im Herbst 1996 Kenntnis von der Genehmigung erlangt hat bzw. diese hätte erlangen müssen. Zwar wurden die Aufschüttungen der Bunkerwände erst im November 1996 besät, so dass bei Aufnahme des Betriebs die später gewachsene Begrünung die Sicht auf den Bunker wohl noch nicht verdeckt haben dürfte und die hellen Bunkerwände deutlicher als zum Zeitpunkt des Augenscheins in Erscheinung getreten sind. Zudem liefern nach dem Vortrag der Beigeladenen rote bzw. orangefarbene Lastwagen die eingelagerten Sprengstoffe mit jährlich ca. 200 An- und Abfahrten an. Da aber die vorhandenen Bauten maximal eine Höhe von ca. 5 m erreichen, sind die Anhaltspunkte für eine subjektive Beeinträchtigung von Rechtsgütern Dritter aus Sicht der Klägerin geringer als während der Bauphase. Auch verläuft der für die An- und Abfahrten genutzte ... Weg vom Grundstück der Klägerin aus gesehen weitgehend verdeckt durch die Bäume der Streuobstwiese bzw. durch die in Dammlage geführte B ... Daraus folgt, dass für den Betrieb des Sprengstofflagers erst recht nicht von der Kenntnis der Klägerin ausgegangen werden kann, wenn das Kennenmüssen für die Bauphase wie oben verneint wird.
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1.2.4.4 Zu Unrecht geht die Beigeladene davon aus, dass die Klägerin aufgrund ihrer Beteiligung im Planfeststellungsverfahren zur Erweiterung der B ... Kenntnis von der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung bzw. dem Sprengstofflager erlangt hat. Den vom Senat beigezogenen Akten des Regierungspräsidiums Karlsruhe zum ergänzenden Planfeststellungsverfahren über den vierspurigen Ausbau der B ... zwischen ... und dem Anschluss an die BAB 5 lassen sich keinerlei Anhaltspunkte für die Behauptung der Beigeladenen entnehmen, dass die Klägerin in diesem Zusammenhang Kenntnis von dem neuen Standort des Bunkers erlangt haben könnte. Ausweislich der Planfeststellungsakten kann bereits nicht davon ausgegangen werden, dass sich die Klägerin aktiv am Verfahren beteiligt oder Einsicht in die entsprechenden Unterlagen genommen hat. Im Übrigen lässt sich den Planfeststellungsakten lediglich entnehmen, dass die neu geplante Trassenführung Flächen des ursprünglichen Sprengstofflagers im Gewann „... ...“ in Anspruch nimmt, ohne dass freilich in den Vorgängen der ins Auge gefasste neue Standort des Bunkers erwähnt wird. Weitergehende Anhaltspunkte für eine Kenntnis bzw. Kennenmüssen der Klägerin im Zusammenhang mit dem Ausbau der B ... ließen sich auch nicht durch die in der mündlichen Verhandlung am 14.05.2012 durchgeführte Befragung des Bürgermeisters der Gemeinde ..., Herrn ... ..., als Zeugen gewinnen. Vielmehr ließ sich der Zeuge in jeder Hinsicht glaubhaft und nachvollziehbar dahingehend ein, dass er im Zusammenhang mit dem Ausbau der B ... zwar mehrfach Gespräche mit den geschäftsführenden Gesellschaftern der Klägerin geführt habe. Im Mittelpunkt dieser Gespräche habe jedoch das von der Gemeinde verfolgte Anliegen gestanden, eine neue Nordzufahrt zu dem Grundstück der Klägerin zu schaffen, wogegen die Klägerin vor allem aus erschließungsbeitragsrechtlichen Gründen Einwände erhoben habe. Zwar habe er in diesem Zusammenhang auf die Notwendigkeit der Verlegung des bestehenden Sprengstofflagers im Gewann „... ...“ am Rande hingewiesen; er könne jedoch mit hoher Sicherheit ausschließen, dass er gegenüber Organen oder Mitarbeitern der Klägerin den Zielstandort erwähnt habe. Ebenso führte der Zeuge überzeugend aus, dass in der öffentlichen Diskussion in ... zum fraglichen Zeitpunkt die Verlegung des Sprengstoffbunkers keine bedeutende Rolle gespielt habe, nicht zuletzt in Anbetracht wesentlich öffentlichkeitswirksamerer raum- und umweltbezogener Vorhabenplanungen.
50 
1.2.4.5 Ebenso wenig kann davon ausgegangen werden, dass Organe bzw. Mitarbeiter der Klägerin oder der Firma ... ... ... aufgrund der Verhandlungen zum Abschluss des öffentlich-rechtlichen Vertrages mit der Gemeinde ... vom 04.11.1996 Kenntnis von der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung erlangt haben. Den vorliegenden Behördenakten lassen sich keine Anhaltspunkte dafür entnehmen, dass im Rahmen der Verhandlungen zum Abschluss dieses öffentlich-rechtlichen Vertrags das in der Vergangenheit genehmigte Sprengstofflager eine Rolle gespielt hat. Dies wurde durch die Zeugenvernehmung des Bürgermeisters ... in der mündlichen Verhandlung bestätigt. Der Zeuge hat sich auch in diesem Zusammenhang glaubhaft dahingehend eingelassen, dass er gegenüber Organen und Mitarbeitern der Firma ... ... ... lediglich auf die Notwendigkeit einer Verlegung des Sprengstofflagers hingewiesen, nicht aber dessen neuen Standort thematisiert habe. Im Übrigen hat auch der Prozessbevollmächtigte der Klägerin, der diese bereits damals bei den Vertragsverhandlungen vertreten hat, versichert, dass ihm gegenüber die Existenz der Genehmigungen nicht erwähnt worden sei. Diese Versicherung des Prozessbevollmächtigten steht dabei nicht im Widerspruch zu den Bekundungen des Zeugen ..., da dieser glaubhaft angegeben hat, dass der Prozessbevollmächtigte an den ersten Verhandlungen zum Abschluss des öffentlich-rechtlichen Vertrags nicht beteiligt gewesen sei. Da der Senat von der Richtigkeit der Erklärungen des Prozessbevollmächtigten überzeugt ist, war dem in der mündlichen Verhandlung hilfsweise gestellten Antrag auf Zeugenvernehmung nicht mehr nachzugehen.
51 
1.2.4.6 Auch kann entgegen der Auffassung der Beigeladenen nicht davon ausgegangen werden, dass die Klägerin aufgrund ihrer Mitwirkung im Verfahren über die Aufstellung des Bebauungsplans „Gewerbegebiete an der B ... und Sondergebiet Spanplattenwerk“ sowie über die parallele Fortschreibung des Flächennutzungsplans 2015 ... ... ... im Jahre 2001 von dem Sprengstofflager und der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung vom 10.08.1995 Kenntnis erlangt hat oder hätte erlangen müssen. Insbesondere das von der Beigeladenen erwähnte Einwendungsschreiben und das Schreiben der IHK vom 12.11.2001 sind nicht an die Klägerin, sondern an die Stadt ... bzw. an die Firma ... ... ... gerichtet. Es ist nicht erkennbar, dass die Klägerin zum damaligen Zeitpunkt von diesen Schreiben Kenntnis erlangt hat. Auch die Beigeladene legt nicht näher dar, dass der Klägerin diese Schreiben zugegangen sein könnten oder sie im Bebauungsplanverfahren anderweitige Kenntnis von der erteilten Genehmigung für den Sprengstoffbunker erlangt hat. Die von der Beigeladenen erwähnte abstrakt bestehende Möglichkeit, Einsicht in die Bebauungsplanakten zu nehmen und dadurch Kenntnis von der Baugenehmigung erhalten zu können, begründet noch keine entsprechende Nachforschungspflicht.
52 
Wie sich einem in der Widerspruchsakte befindlichen Schreiben der Firma ... GmbH vom 12.11.2001 entnehmen lässt, hat ein Mitarbeiter dieser Firma sich im Zuge des Flächennutzungsplanänderungsverfahrens beteiligt und auf ein am 06.11.2001 stattgefundenes Gespräch mit dem Bürgermeister der Gemeinde ... Bezug genommen. Die dabei von den Vertretern der Firma ... unterbreiteten konkreten Änderungsvorschläge bzw. Nachfragen zum Bebauungsplan deuten darauf hin, dass diese die Planunterlagen eingesehen und sich eingehend mit ihnen auseinandergesetzt haben. Dem Anschreiben lassen sich indes keinerlei Anhaltspunkte entnehmen, dass die Mitarbeiter der Firma ... dabei einen Hinweis auf die Existenz des bestehenden Bunkers und die erteilte Genehmigung erlangt haben. In Übereinstimmung hiermit hat der Zeuge ... in der mündlichen Verhandlung glaubhaft bekundet, im Zuge des Bebauungsplanänderungsverfahrens in ständigem Kontakt mit Mitarbeitern der Firma ... bzw. der Klägerin gestanden zu haben; dabei seien die Belange der Klägerin auch anhand von Planauszügen erörtert worden. Auf entsprechende Nachfrage konnte der Zeuge ... jedoch bestätigen, dass Mitarbeiter der Klägerin bzw. der Firma ... oder deren Rechtsvorgängerin nicht Einsicht in die vollständigen Planunterlagen auf der Gemeindeverwaltung genommen haben.
53 
Nach dem Ergebnis der von dem Senat durchgeführten Beweiserhebungen ist deshalb davon auszugehen, dass die Klägerin - wie von ihr vorgetragen - erstmals im April 2004 Kenntnis von der erteilten Genehmigung des Sprengstofflagers und den dadurch ausgelösten Beeinträchtigungen erlangt hat. Der am 11.05.2004 gegen die Genehmigung eingelegte Widerspruch ist nach dem oben Gesagten rechtzeitig erfolgt, da er die Jahresfrist des §§ 70, 58 Abs. 2 VwGO wahrt.
54 
1.3 Aus diesen Darlegungen folgt zugleich, dass entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts die Klägerin ihr verfahrensmäßiges Recht zur Widerspruchseinlegung nicht verwirkt hat. Denn die Verwirkung dieses verfahrensmäßigen Rechts setzt jedenfalls die Erkennbarkeit der Baumaßnahmen voraus. Daneben muss nach dem oben Gesagten ein entsprechendes Umstandsmoment auf der Seite der Beigeladenen bestehen, das die verspätete Wahrnehmung des Rechts als Verstoß gegen Treue und Glauben erscheinen lässt. Letzteres bedarf hier keiner weiteren Klärung, da es bereits an der entsprechenden Erkennbarkeit der Baumaßnahmen und der dadurch ausgelösten Beeinträchtigungen für die Klägerin fehlt.
55 
1.4 Entgegen der Annahme der Beigeladenen fehlt der Klägerin nicht die nach § 42 Abs. 2 VwGO erforderliche Klagebefugnis.
56 
Gemäß § 42 Abs. 2 VwGO ist erforderlich, dass eine Verletzung der Klägerin in eigenen Rechten geltend gemacht wird. Die erteilte Genehmigung muss gegen eine Norm verstoßen, die zumindest auch rechtliche Interessen der Klägerin zu schützen bestimmt ist. Ausreichend ist dabei, wenn die Verletzung der drittschützenden Norm durch den angefochtenen Verwaltungsakt möglich erscheint. Die Pflicht des § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BImSchG ist nach ständiger Rechtsprechung für Nachbarn drittschützend (vgl. BVerwG, Beschluss vom 07.09.1988 - 4 N 1/87 - BVerwGE 80, 184; BVerwG, Urteil vom 11.12.2003 - 7 C 19.02 - BVerwGE 119, 329; Dietlein in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, § 5 BImSchG RdNr. 87 f.). Deren Belange müssen in einer allgemeinen Güterabwägung bei Erteilung der Genehmigung berücksichtigt werden. Nachbar im immissionsschutzrechtlichen Sinne ist, wer sich im Einwirkungsbereich der Anlage, d.h. in einem Bereich, in dem die Immissionen nach Art und Umfang einzelne Personen hervorgehoben treffen können, ständig aufhält oder Rechte an dort befindlichen Sachen inne hat (BVerwG, Urteil vom 22.10.1982 - 7 C 50.78 - NJW 1983, 1507). Der wegen der Sprengstofflager einzuhaltende Schutzabstand zu Wohngebäuden bzw. zum Daueraufenthalt bestimmten Betriebsgebäuden überschneidet sich zum Teil mit dem Grundstücksbereich der Klägerin, auf dem bauplanungsrechtlich eine Nutzung als Sondergebiet festgesetzt ist. Bei dieser Betrachtung ist es nicht ausgeschlossen, dass die Klägerin danach grundsätzlich zur Überbauung des gesamten Grundstücks berechtigt wäre.
57 
Fehl geht der Einwand der Beigeladenen, wonach die Klägerin als Grundstückseigentümerin nicht klagebefugt sei, sondern allenfalls sich die Firma ... ... ... als Inhaberin der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung in einer wehrfähigen Rechtsposition befinde. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist im Bauplanungsrecht wie auch im Immissionsschutzrecht grundsätzlich der Eigentümer klagebefugt, soweit er sich auf drittschützende Normen berufen kann. Unerheblich ist deshalb in diesem Zusammenhang, ob darüber hinaus auch die Firma ... als Rechtsnachfolgerin der Firma ... ... ... als Inhaberin einer möglicherweise verletzten anderweitigen Genehmigung klagebefugt ist (vgl. zu diesem Problemkreis m.w.N. Happ in: Eyermann, Verwaltungsgerichtsordnung, a.a.O., RdNr. 121 zu § 42 VwGO). Nicht zu folgen vermag der Senat auch der von der Beigeladenen im Widerspruchsverfahren geäußerten Auffassung, dass die Klägerin aufgrund der Vorbelastung ihres Grundstücks durch die im Jahre 1953 bzw. 1958 erteilten Genehmigungen für den Vorgängersprengstoffbunker im Gewann „... ...“ in der Ausnutzbarkeit ihrer Grundstücke der Gestalt eingeschränkt sei, dass eine eigene Rechtsverletzung auszuschließen ist. An die Möglichkeit einer Rechtsverletzung im Sinne des § 42 Abs. 2 VwGO sind nach ständiger Rechtsprechung keine allzu hohen Anforderungen zu stellen. Erforderlich aber auch ausreichend ist, dass nicht offensichtlich und eindeutig nach keiner Betrachtungsweise die vom Kläger behaupteten Rechte nicht bestehen oder ihm nicht zustehen können (vgl. BVerwG, Urteil vom 24.09.1998 - 4 CN 2.98 - BVerwGE 107, 215; Happ in: Eyermann, a.a.O., RdNr. 93 zu § 42 VwGO - m.w.N.). Davon kann angesichts der komplexen Problematik der Auswirkungen einer etwa bestehenden Vorbelastung aufgrund der in den 60iger Jahren genehmigten Altanlage keine Rede sein.
58 
1.5 Der Klägerin steht auch das erforderliche allgemeine Rechtsschutzinteresse für die erhobene Anfechtungsklage gegen die erteilte immissionsschutzrechtliche Genehmigung zu, obwohl der Betrieb des Spanplattenwerkes im Jahre 2010 eingestellt wurde. Zum einen lässt die Einstellung des Betriebs den Bestand der für die Spanplattenfabrik erteilten immissionsschutzrechtlichen Genehmigung unberührt. Denn diese erlischt gemäß § 18 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG erst dann, wenn die Anlage während eines Zeitraumes von mehr als drei Jahren nicht mehr betrieben wurde. Zum insoweit maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung sind die Klägerin bzw. die Firma ... GmbH deshalb noch in der Lage, von der erteilten immissionsschutzrechtlichen Genehmigung Gebrauch zu machen. Zum anderen ergibt sich das fortbestehende Rechtsschutzinteresse der Klägerin aus den Festsetzungen des Bebauungsplans „Gewerbegebiete an der B ... und Sondergebiet Spanplattenwerk“, der für die von dem Sicherheitsabstand überdeckten Flächen eine bauplanungsgemäße Nutzung ermöglicht. Das allgemeine Rechtsschutzinteresse fehlt indes nur, wenn die Klage für den Kläger offensichtlich keinerlei rechtliche oder tatsächliche Vorteile bringen kann; die Nutzlosigkeit muss also eindeutig sein (vgl. BVerwG, Urteil vom 29.04.2004 - 3 C 25.03 - BVerwGE 121, 1). Danach hat die Klägerin hier ein schutzwürdiges Interesse an der verfolgten Aufhebung der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung für den Sprengstoffbunker unabhängig davon, ob das genehmigte Spanplattenwerk derzeit betrieben wird.
59 
Nach alldem ist die Klage entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts zulässig.
60 
2. Die Klage hat auch in der Sache Erfolg. Die immissionsschutzrechtliche Genehmigung des Landratsamts ... vom 10.08.1995 und der Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 02.08.2006 sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in eigenen Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Maßgeblich ist dabei die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt des Ergehens der letzten Behördenentscheidung (dazu unter 2.1). Zu diesem Zeitpunkt richtete sich die Genehmigungsfähigkeit des Sprengstofflagers nach der allgemeinen Bestimmung des § 4 Abs. 1 Satz 1 BImSchG, nicht nach speziellerem Sprengstoffrecht (dazu unter 2.2). Die erteilte Genehmigung für das Sprengstofflager steht mit den materiell-rechtlichen Vorgaben des § 4 BImSchG und den in diesem Zusammenhang zu prüfenden öffentlich-rechtlichen Vorschriften nicht in Einklang (dazu unter 2.3). Schließlich ist der materiell-rechtliche Abwehranspruch der Klägerin gegen das Vorhaben nicht verwirkt (dazu unter 2.4).
61 
2.1 Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist hier der Erlass der letzten Behördenentscheidung, mithin des Widerspruchsbescheids des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 02.08.2006.
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Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts bestimmt sich der maßgebliche Zeitpunkt für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit eines angefochtenen Verwaltungsakts nicht nach dem Prozessrecht, sondern richtet sich nach dem jeweiligen materiellen Recht. Im Zweifel ist bei Anfechtungsklagen der Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung maßgeblich (im Grundsatz ständige Rechtsprechung, siehe etwa BVerwG, Urteil vom 06.04.2000 - 3 C 6.99 - DVBl. 2000, 1614). Diese Grundsätze sind insbesondere auch bei der hier in Rede stehenden Drittanfechtungsklage gegen eine der Beigeladenen erteilte immissionsschutzrechtliche Genehmigung maßgeblich. Entgegen einer in der verwaltungsprozessualen Literatur weithin vertretenen Auffassung (vgl. so etwa Jörg Schmidt in: Eyermann, a.a.O., RdNr. 58 zu § 113 VwGO) können die für nachteilige Veränderungen der Sach- und Rechtslage bei Anfechtungsklagen gegen Baugenehmigungen entwickelten Grundsätze nicht auf immissionsschutzrechtliche Drittanfechtungsklagen übertragen werden. Maßgeblich für die Beurteilung der Baunachbarklage ist regelmäßig die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der Erteilung der Baugenehmigung unter Ausschluss der Berücksichtigung späterer Änderungen zu Gunsten des Nachbarn, selbst vor Ergehen des Widerspruchsbescheides (vgl. hierzu etwa BVerwG, Beschluss vom 08.11.2010 - 4 B 43.10 - BauR 2011, 499 - m.w.N.). Angesichts der andersartigen Funktion des Immissionsschutzrechts gegenüber dem Baugenehmigungsverfahren sind diese baurechtlichen Grundsätze auf das Immissionsschutzrecht nicht übertragbar (vgl. etwa VG Gießen, Urteil vom 23.07.1999 - 8 E 1215.98 - juris; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 29.06.2011 - OVG 10 N 39.08 - juris; ähnlich BVerwG, Beschluss vom 10.01.1991 - 7 B 102.90 - NVwZ-RR 1991, 236). Dem Immissionsschutzrecht ist die Abwehr qualitativ andersartiger und schwerer wiegender Gefahrenlagen als im Baurecht eigen. Zudem werden in § 5 BImSchG dynamische Grundpflichten statuiert, die dem Ziel dienen, den Anlagenbetreiber nicht auf die Pflichten zu beschränken, die er im Zeitpunkt der Genehmigungserteilung hatte. Ferner gibt es im Immissionsschutzrecht - im Gegensatz zum Baurecht - keinen Grundsatz dahingehend, dass einem Antragsteller eingeräumte Rechtspositionen trotz Rechtsänderung im Allgemeinen zu belassen oder nur gegen Entschädigung zu entziehen sind (vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 18.05.1982 - 7 C 42.80 - BVerwGE 65, 313). Die baurechtlichen Grundsätze können daher auch dann nicht auf das Immissionsschutzrecht übertragen werden, wenn die immissionsschutzrechtliche Genehmigungsfähigkeit einer Anlage - wie hier - vornehmlich an baurechtlichen Normen zu prüfen ist. Abzustellen ist deshalb auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheids des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 02.08.2006, ohne dass danach zu differenzieren ist, ob etwaige Rechtsänderungen zu Ungunsten der Beigeladenen eingetreten sind. Dies hat insbesondere zur Konsequenz, dass nachfolgend auch das Inkrafttreten des Bebauungsplans „Gewerbegebiete an der B ... und Sondergebiet Spanplattenwerk“ vom 20.05.2005 zu berücksichtigen ist.
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2.2 Zum nach dem oben Gesagten maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheids des Regierungspräsidiums am 02.08.2006 richtete sich die Genehmigungsfähigkeit des Sprengstofflagers nach der allgemeineren Bestimmung des § 4 Abs. 1 Satz 1 BImSchG i.V.m. Ziff. 9.35 - Spalte 2 - des Anhangs zur 4. BImSchV, nicht nach der spezielleren Norm des § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SprengG (in der Fassung vom 15.06.2005, BGBl. I S. 1626). Das Verhältnis zwischen der immissionsschutzrechtlichen und der sprengstoffrechtlichen Genehmigung regelt § 17 Abs. 1 Satz 3 SprengG a.F. nur partiell. Danach ist die sprengstoffrechtliche Genehmigung für solche Sprengstofflager subsidiär, die Bestandteil einer Anlage nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz sind. Es handelt sich vorliegend indes um ein selbständiges Lager und nicht um Bestandteile einer immissionsschutzrechtlich genehmigungsbedürftigen Anlage. Entgegen einer in der Literatur vertretenen Auffassung ist die ungeregelte Kollision der Genehmigungsverfahren nicht entsprechend der konkurrierende Planfeststellungserfordernisse regelnden Bestimmung des § 78 Abs. 2 LVwVfG zu lösen. Danach ist die Genehmigung mit dem weitesten Prüfungsumfang vorrangig (vgl. etwa Odendahl, NVwZ 2002, 686, 687; offengelassen etwa von OVG Berlin, Beschluss vom 20.10.2000 - 2 S 9.00 - juris). Richtigerweise muss § 17 Abs. 1 Satz 3 BImSchG erst recht gelten, wenn das Lager selbst immissionsschutzrechtlich genehmigungsbedürftig ist (so etwa auch Jarass, BImSchG, 9. Aufl. 2012, § 13 RdNr. 6 a). Der Zuständigkeitsabgrenzung in § 17 Abs. 1 Satz 3 SprengG liegt der Rechtsgedanke zugrunde, dass die Prüfung sprengstoffrechtlicher Gefährdungen durch die umfassendere Prüfung im Rahmen des immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahrens besser erfasst wird. Dieser Auffassung entspricht auch die novellierte Fassung von § 17 Abs. 1 Satz 3 SprengG mit Wirkung zum 01.03.2010 (Gesetz vom 11.08.2009, BGBl. I, S. 2723). Die Änderung ist ausweislich der Gesetzesmaterialien als bloße Klarstellung zu verstehen (Gesetzentwurf zur Bereinigung des Bundesrechts im Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (Rechtsbereinigungsgesetz Umwelt - RGU - BT-Drs. 16/12277, S. 11). Somit ist dem immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren gemäß § 4 BImSchG Priorität einzuräumen.
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2.3 Die Voraussetzungen für die Erteilung der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung gemäß § 4 BImSchG lagen zum maßgeblichen Zeitpunkt nicht vor. Zwar war das vereinfachte Genehmigungsverfahren gemäß § 19 BImSchG zulässig, vgl. § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 lit. c i.V.m. Nr. 9.35 Spalte 2 des Anhangs der 4. BImSchV sowie § 3 b Abs. 1 UVPG, Ziff. 10.1 und 10.2 Anhang I). Die materiellen Genehmigungsvoraussetzungen lagen indes nicht vor. Die Genehmigung ist gemäß § 6 Abs. 1 BImSchG zu erteilen, wenn die sich aus § 5 ergebenden Anforderungen erfüllt sind und dem nicht andere öffentlich-rechtliche Vorschriften entgegenstehen. Danach - ferner auch in Folge der Konzentrationswirkung des § 13 Satz 1 BImSchG - erstreckt sich die immissionsschutzrechtliche Prüfung auch auf Normen des Sprengstoffgesetzes (dazu unter 2.3.1) und des Baugesetzbuchs (dazu unter 2.3.2).
65 
Gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG muss sichergestellt sein, dass die sich aus § 5 BImSchG ergebenden Pflichten erfüllt werden. Nach § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BImSchG müssen genehmigungsbedürftige Anlagen so errichtet und betrieben werden, dass schädliche Umwelteinwirkungen (vgl. § 3 Abs. 1 BImSchG) und sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile und erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit und die Nachbarschaft nicht hervorgerufen werden können. Aus dem Begriff der Erheblichkeit folgt, dass unzumutbare Beeinträchtigungen vermieden werden sollen. Es ist eine Abwägung von Rechtsgütern des Anlagenbetreibers einerseits und der Nachbarschaft andererseits vorzunehmen. § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BImSchG ist, soweit er die „Nachbarschaft“ vor schädlichen Umwelteinwirkungen schützt, daher eine spezielle gesetzliche Ausprägung des Rücksichtnahmegebots (BVerwG, Urteil vom 30.09.1983 - 4 C 74.78 - BVerwGE 68, 58). Folglich entspricht der Schutz des Nachbarn durch Bauplanungsrecht dem durch die immissionsschutzrechtlichen Normen vermittelten Schutz (BVerwG, Urteil vom 30.09.1983 - 4 C 74.78 - BVerwGE 68, 58). Soweit sich ein Nachbar auf sprengstoffrechtliche Vorschriften berufen kann, ist dies in gleicher Weise im Rahmen des Rücksichtnahmegebots nach § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BImSchG zu beachten. Ein Verstoß gegen nachbarschützende Regelungen des Baugesetzbuchs oder Sprengstoffgesetzes bedingt folglich zugleich einen Verstoß gegen § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG.
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2.3.1 Die erteilte immissionsschutzrechtliche Genehmigung verstößt bei isolierter Betrachtung nicht gegen die Anforderungen des Sprengstoffgesetzes.
67 
Nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 SprengG ist eine sprengstoffrechtliche Genehmigung zu versagen, wenn keine Vorsorge gegen Gefahren für Leben, Gesundheit und Sachgüter Beschäftigter oder Dritter, insbesondere durch die den allgemein anerkannten Regeln der Technik entsprechenden Maßnahmen, getroffen werden. Was in Bezug auf die Aufbewahrung von explosionsgefährdeten Stoffen Stand der Technik ist, wird nach § 6 Abs. 2 SprengG durch den Anhang zu § 2 der 2. SprengV (i.d.F. der Bekanntmachung vom 10.09.2002, BGBl. I, S. 3543) bestimmt, vgl. §§ 1, 2 Abs. 1 SprengV.
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Welche - für den Nachbarschutz relevanten - Schutzabstände einzuhalten sind, regelt Ziff. 2.2.2 Absatz 1 des Anhangs zu § 2 der 2. SprengV. Für Abstände zu Wohnbereichen und Verkehrswegen verweist die Vorschrift auf die Anlage 1 zum Anhang. Gemäß Ziff. 1.12 des Anhangs zu § 2 der 2. SprengV stehen Gebäude und Anlagen mit Räumen, die nicht nur zum vorübergehenden Aufenthalt von Personen bestimmt und geeignet sind, bewohnten Gebäuden gleich. Gemäß Ziff. 2.1 der Anlage 1 zum Anhang ist für die Lagergruppe 1.1 betreffend der Abstände zu Wohneinheiten die Formel E = 22 x M1/3 und zu Verkehrswegen die Formel E = 15 x M1/3 einzuhalten. E bezeichnet den kürzesten Abstand in Meter, M die Lagermenge in Kilogramm. Nach der ursprünglich erteilten Genehmigung dürfen in den Lagerbunkern jeweils 25 t Explosivstoffe und Gegenstände mit Explosivstoffen der Lagergruppen 1.1, 1.3 und 1.4 eingelagert werden. Da die Lagergruppe 1.1 von den genannten den größten Sicherheitsabstand erfordert, ist gemäß Ziff. 2.2.2 Abs. 4 des Anhangs zu § 2 der 2. SprengV die Formel für diese auf die Gesamtmasse anzuwenden. Somit ist ein Sicherheitsabstand von 643,28 m (Abstand zu Wohngebäuden) und von 438,6 m (Abstand zu Verkehrsflächen) einzuhalten.
69 
Jedoch hat die Immissionsschutzbehörde eine Ausnahme nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 der 2. SprengV (a.F.) in der Genehmigung des Vorhabens zugelassen. Nach dieser Bestimmung kann die zuständige Behörde auf schriftlichen Antrag Ausnahmen von den Vorschriften des Anhangs zu dieser Verordnung zulassen, wenn eine andere, ebenso wirksame Maßnahme getroffen wird. Aus der Stellungnahme der Bundesanstalt für Materialforschung vom 05.10.2005 sowie der ergänzenden Auskunft vom 24.01.2007 ergibt sich, dass Grundlage der oben genannten Formel die Annahme ist, die Druckwelle bei einer etwaigen Explosion werde sich gleichmäßig ausbreiten. Durch Seiten- und Rückwände aus Stahlbeton oder eine Erdüberschüttung der Bunker ließen sich jedoch die Auswirkungen einer Detonation vermindern. Da diese Ausführung aber nicht bei der Bemessung des gesetzlichen Schutzabstandes herangezogen wurde, könne die Formel K = 13,5 x M1/3 angewendet werden. Daraus ergibt sich ein Schutzabstand von 395 m zu Wohngebäuden. Auf diese Formel stützt sich bereits das Gutachten der Bundesanstalt für Materialforschung vom 24.04.1995 (S. 5); zugleich wurde zu Verkehrswegen mit dem Faktor 9,2 ein Schutzabstand von 269 m errechnet. Dass die Genehmigungsbehörde sich zunächst auf § 3 Abs. 2 der 2. SprengV ( a.F.) berufen hatte, ist entgegen der Auffassung der Klägerin unschädlich. Denn das Gutachten der Bundesanstalt für Materialforschung wurde ausdrücklich zum Bestandteil der Genehmigung gemacht. Diesem Gutachten lag aber bereits die genannte Formel mit einem Faktor von 13,5 zugrunde, so dass der Genehmigung die notwendigen Erwägungen für die Gestattung einer Ausnahme zugrunde liegen. Dadurch sind die nach dem Stand der Technik erforderlichen Schutzabstände zu den tatsächlich auf dem Grundstück der Klägerin vorhandenen Gebäuden gewahrt. Die Genehmigung steht insoweit mit § 17 Abs. 1 SprengG in Einklang.
70 
2.3.2 Die Genehmigung verstößt jedoch gegen nachbarschützende Vorschriften des Bauplanungsrechts.
71 
2.3.2.1 Welche Immissionen für Nachbarn im Sinne von § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BImSchG zumutbar sind, ergibt sich nicht primär aus den tatsächlichen Gegebenheiten des Gebiets, sondern vor allem aus infolge von planungsrechtlichen Vorgaben möglichen Nutzungen (BVerwG, Urteil vom 22.03.1985 - 4 C 63.80 - BVerwGE 71, 150; Urteil vom 24.04.1991 - 7 C 12.90 - BVerwGE 88, 143; BVerwG, Urteil vom 12.08.1999 - 4 CN 4.98 - BVerwGE 109, 246). Unzumutbar und damit erheblich im Sinne von § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BImSchG sind die Immissionen und sonstigen Gefahren, die mit den für den Einwirkungsort geltenden nachbarschützenden Festsetzungen des Bebauungsplans unvereinbar sind. Mit dem Inkrafttreten des maßgeblichen Bebauungsplans erlangen die Eigentümer der Grundstücke im Plangebiet eine Position, aufgrund derer sie darauf vertrauen können, dass eine nachfolgende heranrückende bauliche Nutzung auf Nachbargrundstücken auf die nach dem Bebauungsplan einmal gegebene Nutzbarkeit ihrer Grundstücke Rücksicht nehmen muss. Es kommt in diesem Zusammenhang auch nicht darauf an, ob die Grundstücke später tatsächlich entsprechend den Festsetzungen des Bebauungsplans bebaut und genutzt werden, oder ob für die Bebauung und Nutzungen Ausnahmen und Befreiungen erteilt worden sind, denn der Eigentümer eines Grundstücks in einem festgesetzten Bebauungsplangebiet kann allgemein darauf vertrauen, dass spätere Planungen und Baugenehmigungserteilungen die erforderliche Rücksicht auf das - insgesamt schutzbedürftige und schutzwürdige - festgesetzte Baugebiet nehmen werden. Mit der Anerkennung des Bebauungsplans als normative Bestimmung der Schutzwürdigkeit der Nachbarschaft im Einwirkungsbereich emittierender Anlagen gewährleistet das Immissionsschutzrecht, dass der Bebauungsplan die ihm in § 1 BauGB zugedachte Aufgabe erfüllen kann, eine geordnete städtebauliche Entwicklung zu erreichen und dauerhaft zu sichern. Würde das Immissionsschutzrecht die Schutzwürdigkeit im Regelfall nach der tatsächlichen baulichen Nutzung bestimmen, stünde dies im Widerspruch zu den Zielen des Baugesetzbuchs (vgl. BVerwG, Urteil vom 12.08.1999 - 4 CN 4.98 - a.a.O.). Entscheidend ist deshalb, ob die immissionsschutzrechtliche Genehmigung vom 10.08.1995 Festsetzungen von Bebauungsplänen verletzt. Da nach dem oben Gesagten maßgeblicher Zeitpunkt für die Entscheidung über die Drittanfechtungsklage der der letzten Verwaltungsentscheidung ist, kommt es - soweit dieser wirksam ist - auf den am 20.05.2005 in Kraft getretenen Bebauungsplan „Gewerbegebiete an der B ... und Sondergebiet Spanplattenwerk“ an.
72 
2.3.2.2 Der Bebauungsplan setzt für das Grundstück der Klägerin ein Sondergebiet (SO1) im Sinne von § 9 a BauGB, § 11 Abs. 2 BauNVO fest. Gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 9 BauGB wurden zudem in dem der B... nächstgelegenen Teil A die Nutzung „Silos für Sägespäne“, im Teil B „Spanplattenwerk Lagerhaltung, Veredelung (einschließlich Schleifen), Vertrieb und Verwaltung“ und im Übrigen „Spanplattenwerk Lagerflächen, einschließlich Hacker- und Förderanlagen, Lkw-Parkplatz-Anlage, einschließlich Waage und Gebäude mit Sanitär- und Aufenthaltsräumen, Pförtnerloge“ festgesetzt. Der sprengstoffrechtlich erforderliche Schutzabstand von 395 m zu Wohngebäuden verhindert jedenfalls die nach dem Bebauungsplan zulässige Nutzung des Grundstücksteils B für Vertrieb und Verwaltung, soweit ständige Arbeitsplätze eingerichtet werden sollen. Wie sich der Stellungnahme der Bundesanstalt für Materialforschung vom 24.01.2007 entnehmen lässt, ist nach der Auffassung der Fachbehörde auch eine bebauungsplangerechte Nutzung des als Teil A bezeichneten Geländes erheblich eingeschränkt.
73 
Der Umfang der zulässigen Bebauung wird durch den Hinweis unter C. Ziff. 7 im Bebauungsplan nicht eingeschränkt. Denn rechtsverbindliche Wirkung haben lediglich Festsetzungen im Sinne des § 9 Abs. 1 BauGB, wohingegen der Begründung des Bebauungsplans (§ 9 Abs. 8 BauGB) kein Satzungscharakter zukommt (Söfker in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, 97. Ergänzungslieferung 2010, § 9 RdNr. 6). Während die Festsetzungen die zulässigen Vorhaben rechtsverbindlich einschränken und konkretisieren, dient die Begründung lediglich der Erläuterung und der Überprüfbarkeit des Abwägungsprozesses. Der Hinweis enthält jedoch keine Regelung zur Umschreibung der zulässigen Bauvorhaben. Er verweist lediglich auf Beschränkungen, die sich aus Umständen ergeben, welche außerhalb des Bebauungsplans liegen. Der Hinweis steht daher der Erläuterung und Begründung näher. Die Begründung kann aber nicht die rechtsverbindlichen Bebauungsplanfestsetzungen aushebeln. Folglich schränkt die Genehmigung des Sprengstofflagers die grundsätzlich zulässige Nutzung des Grundstücks der Klägerin ein.
74 
2.3.2.3 Der maßgebliche Bebauungsplan „Gewerbegebiete an der B ... und Sondergebiet Spanplattenwerk“ vom 20.05.2005 ist wirksam; er verstößt weder gegen das Gebot der Erforderlichkeit der Planung noch gegen das Abwägungsgebot.
75 
Der Bebauungsplan ist nicht wegen Verstoßes gegen das in § 1 Abs. 3 BauGB normierte Gebot der Erforderlichkeit nichtig. Die Gemeinde darf keinen Bebauungsplan aufstellen, der aus Rechtsgründen nicht vollzugsfähig ist (ständige Rechtsprechung, vgl. BVerwG, Urteil vom 12.08.1999 - 4 CN 4.98 - a.a.O.). Davon ist auszugehen, wenn die Realisierung des Bebauungsplans zwangsläufig an rechtlichen Hindernissen scheitern müsste. Demgegenüber ist der Bebauungsplan vollzugsfähig und wirksam, wenn die Konflikte durch angemessene Auflagen oder sonstige Beschränkungen überwunden werden können. Die Festsetzung des Gebiets scheitert nicht in ihrer Gesamtheit. Lediglich ein Teilabschnitt der Fläche, die als Sondergebiet ausgewiesen ist, kann nicht wie im Bebauungsplan vorgesehen ausgenutzt werden. Es handelt sich somit um eine Beschränkung und nicht um eine Aufhebung der Vollzugsfähigkeit. Daher bleibt die Festsetzung im Bebauungsplan erforderlich im Sinne von § 1 Abs. 3 BauGB.
76 
Der Bebauungsplan verstößt auch nicht gegen das Abwägungsgebot des § 1 Abs. 6 BauGB. Dies wäre der Fall, wenn im Rahmen der planerischen Abwägung die Schutzwürdigkeit der auf dem Grundstück der Klägerin zulässigen Bebauung verkannt und damit falsch beurteilt worden ist. Die Schutzabstände des Sprengstofflagers waren auch dann zu berücksichtigen, wenn dessen Genehmigung rechtswidrig erfolgt sein sollte. Denn für die Bauleitplanung sind die tatsächlichen Verhältnisse maßgeblich (vgl. Söfker, a.a.O., § 1 RdNr. 193). Die Unvereinbarkeit von zum Daueraufenthalt bestimmten Betriebsgebäuden im Gebiet SO1 und der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung der Beigeladenen wurde zwar im Bebauungsplanverfahren behandelt. Dieser Umstand hat jedoch in den rechtsverbindlichen Festsetzungen keinen Eingang gefunden. Die Konfliktlage spiegelt sich nicht im Abwägungsergebnis wieder.
77 
Es ist jedoch in Grenzen zulässig, die Lösung von Konflikten nachfolgenden Genehmigungsverfahren zu überlassen (Konfliktverlagerung). Die planende Gemeinde darf auf eine abschließende Konfliktlösung im Bebauungsplan verzichten, wenn diese außerhalb des Planverfahrens im Rahmen der Verwirklichung der Planung sichergestellt und zu erwarten ist. Dafür muss jedoch eine sachgerechte Konfliktlösung durch die Behörde hinreichend sicher abschätzbar sein. Bleibt das Problem zu Lasten des Betroffenen ungelöst, ist das Gebot der umfassenden Konfliktlösung verletzt (vgl. BVerwG, Urteil vom 11.03.1988 - 4 C 56.84 - Buchholz 406.11 § 9 BBauG Nr. 30; Beschluss vom 17.02.1984 - 4 B 191.83 - BVerwGE 69, 30). Dem liegt zugrunde, dass eine Überfrachtung des Bebauungsplans vermieden werden soll (vgl. BVerwG, Beschluss vom 17.02.1984 - 4 B 191.83 - a.a.O.). Wie sich aus dem vorgenannten Hinweis C im Bebauungsplan ergibt, ging die Gemeinde ... aufgrund der Stellungnahme des Gewerbeaufsichtsamts ... per E-Mail vom 26.04.2004 davon aus, dass dem Schutzabstand uneingeschränkt Vorrang einzuräumen ist. Dieser sei sodann im Genehmigungsverfahren wegen § 15 Abs. 1 BauNVO bzw. § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG zu berücksichtigen. Folglich durfte die Gemeinde damit rechnen, dass der Konflikt sachgemäß im Genehmigungsverfahren zu lösen ist. Ferner hat die Gemeinde durch den Verzicht auf die Festsetzung eines Schutzabstands dem Vertrauensschutz der Klägerin Rechnung getragen. Zwar besteht kein Anspruch auf Aufstellung und Bewahrung eines Bebauungsplans (§ 1 Abs. 3 Satz 2 BauGB); jedoch hat die vorherige Überplanung der Grundstücke durch den Bebauungsplan von 1983 in den Abwägungsvorgang nach § 1 Abs. 7 BauGB Eingang zu finden. Der Bebauungsplan ist somit nicht wegen Verstoßes gegen das Abwägungsgebot unwirksam.
78 
2.3.2.4 Entgegen der Auffassung der Beigeladenen und des Beklagten werden die durch den Bebauungsplan eingeräumten Rechte zu Gunsten der Klägerin nicht infolge einer Vorbelastung ihres Grundstücks eingeschränkt. Der im Gesetz unerwähnte Begriff der Vorbelastung wurde zur Konkretisierung des unbestimmten Rechtsbegriffs der unzumutbaren Beeinträchtigung entwickelt (BVerwG, Urteil vom 21.05.1976 - IV C 80.74 - BVerwGE 51, 15). Aufgrund bestehender Umwelteinflüsse kann sich das Maß des für Nachbarn Zumutbaren verändern. Vorliegend könnte daran gedacht werden, dass das Grundstück der Klägerin schon immer mit den Schutzabständen zu den Sprengstoffbunkern belastet war. Wie die Beigeladene im Widerspruchsverfahren darlegte, betrieb sie in der Vergangenheit auf der Grundlage von Gestattungen aus dem Jahre 1953 bzw. 1957 ein Sprengstofflager im Gewann „... ...“, welches ebenfalls mit erheblichen Abstandsanforderungen verbunden gewesen sein dürfte. Somit dürfte die Ausnutzbarkeit des Grundstücks der Klägerin bereits zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Vorgängerbebauungsplanes aus dem Jahre 1983 eingeschränkt gewesen sein.
79 
Selbst wenn der Bebauungsplan im Hinblick auf die Nichtberücksichtigung der zu dem ehemaligen Sprengstofflager einzuhaltenden Abstände an einem Abwägungsfehler litte, wäre dieser jedoch unbeachtlich. Nach § 233 Abs. 2 Satz 1 BauGB finden die derzeit geltenden Vorschriften zur Planerhaltung grundsätzlich rückwirkend auf Bebauungspläne Anwendung, die auf der Grundlage bisheriger Fassungen des BauGB bzw. BBauG in Kraft getreten sind. Darüber hinaus sind gemäß § 233 Abs. 2 Satz 3 BauGB für vor dem Inkrafttreten einer Gesetzesänderung in Kraft getretene Flächennutzungspläne und Satzungen die vor dem Inkrafttreten der Gesetzesänderung geltenden Vorschriften über die Geltendmachung der Verletzung von Verfahrens- und Formvorschriften, von Mängeln der Abwägung und von sonstigen Vorschriften einschließlich ihrer Fristen weiterhin anzuwenden. Daraus folgt, dass insbesondere bei Abwägungsmängeln nicht nur die §§ 214, 215 BauGB in ihrer derzeitigen Fassungen gelten, sondern dass frühere Regelungen fortgelten.
80 
Maßgeblich für die vor dem Inkrafttreten des Baugesetzbuches zum 01.07.1987 bekannt gemachten Bebauungspläne bleibt daher die Überleitungsvorschrift des § 244 Abs. 2 BauGB 1978 (vgl. BVerwG, Beschluss vom 11.11.1998 - 4 BN 50.98 - Buchholz 406.11 § 244 BauGB Nr. 3). Nach dieser Vorschrift sind Mängel der Abwägung von Flächennutzungsplänen und Satzungen, die vor dem 01.07.1987 bekannt gemacht worden sind, unbeachtlich, wenn sie nicht innerhalb von sieben Jahren nach dem 01.07.1987 schriftlich gegenüber der Gemeinde geltend gemacht worden sind, wobei der Sachverhalt, der die Mängel begründen soll, darzulegen ist. Dem steht nicht entgegen, dass § 244 Abs. 2 BauGB 1987 durch das Bau- und Raumordnungsgesetz 1998 - BauROG - gestrichen wurde. Die Aufhebung der Vorschrift erfolgte, da sie nach Auffassung des Gesetzgebers ihren Zweck erfüllt hatte. Der Geltungsanspruch der Vorschrift sollte nicht rückwirkend entfallen. Dies ergibt sich im Übrigen aus § 233 Abs. 3 BauGB, wonach auf der Grundlage bisheriger Fassungen des BauGB bzw. des BBauG wirksame oder übergeleitete Pläne, Satzungen und Entscheidungen fortgelten (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 13.12.1999 - 8 S 1625/99 - VBlBW 2000, 394). Für den vor dem 01.07.1987 bekanntgemachten Bebauungsplan „...-...“ sind danach nur Abwägungsmängel beachtlich, die vor dem 01.07.1994 geltend gemacht worden sind. Da die von der Beigeladenen im Widerspruchsverfahren behauptete Nichtberücksichtigung der Sicherheitsabstände zu dem ehemaligen Sprengstofflager bisher nicht gegenüber der planenden Gemeinde geltend gemacht worden ist, wäre ein entsprechender Abwägungsmangel gemäß § 244 Abs. 2 BauGB a.F. i.V.m. § 233 Abs. 2 Satz 3, Abs. 3 BauGB unbeachtlich und würde nicht zur Nichtigkeit des Bebauungsplans führen.
81 
Unabhängig hiervon war zum maßgeblichen Zeitpunkt eine Vorbelastung durch etwa einzuhaltende Sicherheitsabstände zum ehemaligen Sprengstofflager im Gewann „... ...“ entfallen. Denn dessen Genehmigung erlosch gemäß § 18 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG, weil die Vorgängeranlage nach Verlegung an den heutigen Standort für einen Zeitraum von mehr als drei Jahren nicht mehr betrieben worden war.
82 
2.4 Nach dem oben unter 1.2 Ausgeführten scheidet hier die materiell-rechtliche Verwirkung des nachbarschützenden Abwehranspruchs gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BImSchG aus (vgl. hierzu BVerwG, Urteile vom 25.01.1974 - IV C 2.72 - a.a.O.; sowie vom 16.05.1991 - 4 C 4.89 - a.a.O.). Dieses Rechtsinstitut setzt neben einem Zeitablauf seit der Entstehung des Rechts voraus, dass besondere Umstände die Geltendmachung als Verstoß gegen Treu und Glauben erscheinen lassen. Das ist insbesondere der Fall, wenn der Verpflichtete infolge eines bestimmten Verhaltens des Berechtigten darauf vertrauen durfte, dass dieser das Recht nach so langer Zeit nicht mehr geltend machen werde (Vertrauensgrundlage), der Verpflichtete ferner tatsächlich darauf vertraut hat, dass das Recht nicht mehr ausgeübt werde (Vertrauenstatbestand) und sich infolge dessen in seinen Vorkehrungen und Maßnahmen so eingerichtet hat, dass ihm durch die verspätete Durchsetzung des Rechts ein unzumutbarer Nachteil entstehen würde (Vertrauensbetätigung). Eine materiell-rechtliche Verwirkung scheidet hier bereits deshalb aus, weil nach dem oben Gesagten die Klägerin auch bei Anwendung der erforderlichen Sorgfalt keine Kenntnis von dem Bauvorhaben und den dadurch ausgelösten Beeinträchtigungen hat erlangen müssen.
83 
Nach alldem hat die Berufung der Klägerin auch in der Sache Erfolg.
84 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 und 3 und § 159 Satz 1 VwGO i.V.m. § 100 ZPO.
85 
Die Revision ist nicht zuzulassen, da keiner der Gründe des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt. Insbesondere ist in der oben dargestellten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts fallübergreifend abschließend geklärt, unter welchen Voraussetzungen sich ein Nachbar in Anwendung des Rechtsgedankens der §§ 70 und 58 Abs. 2 VwGO so behandeln lassen muss, als ob ihm eine Genehmigung zugestellt worden wäre.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.

II. Die Beigeladene trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 7.500‚- Euro festgesetzt.

Gründe

I.

Der Kläger wendet sich gegen die der Beigeladenen mit Bescheid des Landratsamts Würzburg vom 25. März 2010 erteilte abgrabungsrechtliche Genehmigung für die Errichtung und den Betrieb des Steinbruchs „Mittenhölzlein“ auf den Grundstücken FlNr. 790‚ 791‚ 1239 bis 1247‚ 1249‚ 1335 und 1336 Gemarkung Kirchheim. Das geplante Steinbruchgelände liegt im unbeplanten Außenbereich und grenzt nordwestlich unmittelbar an Wohnbebauung an. Dort befindet sich das im Eigentum des Klägers stehende‚ mit einem Wohnhaus bebaute Grundstück FlNr. 1235/2. Das Verwaltungsgericht hat den Bescheid des Landratsamts vom 25. März 2010 mit Urteil vom 8. Dezember 2011 aufgehoben. Hiergegen wendet sich die Beigeladene mit ihrem Antrag auf Zulassung der Berufung.

II.

Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.

Die Beigeladene beruft sich auf ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Ob solche Zweifel bestehen‚ ist im Wesentlichen an Hand dessen zu beurteilen‚ was die Beigeladene innerhalb offener Frist zur Begründung ihres Zulassungsantrags hat darlegen lassen (§ 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO). Daraus ergeben sich solche Zweifel nicht.

Das Verwaltungsgericht ist davon ausgegangen‚ dass die angefochtene Abgrabungsgenehmigung aus zwei Gründen Nachbarrechte des Klägers verletzt. Es hat zum einen angenommen‚ dass die Abgrabungsgenehmigung nicht hinreichend bestimmt im Sinn des Art. 37 Abs. 1 BayVwVfG ist. Zum anderen hat es darauf abgestellt‚ das die Genehmigung gegen das Rücksichtnahmegebot verstößt‚ weil sie nicht sicher stellt‚ das der Kläger keinen schädlichen Umwelteinwirkungen in Form von Geräuschen und Erschütterungen ausgesetzt wird.

Ist das Urteil des Verwaltungsgerichts auf zwei selbständig tragende Begründungen gestützt (kumulative Mehrfachbegründung)‚ kann die Berufung nur zugelassen werden‚ wenn im Hinblick auf jede dieser Urteilsbegründungen ein Zulassungsgrund geltend gemacht ist und vorliegt (vgl. z.B. BayVGH‚ B.v. 21.1.2013 – 8 ZB 11.2030 – juris Rn. 15; siehe auch Happ in Eyermann‚ VwGO‚ 14. Aufl. 2014‚ § 124a Rn. 61; Kopp/Schenke‚ VwGO‚ 20. Aufl. 2014‚ § 124 Rn. 5).

Hier kann der Zulassungsantrag der Beigeladenen schon deshalb keinen Erfolg haben‚ weil sich aus ihrem Vorbringen der allein geltend gemachte Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO nicht ergibt‚ soweit das Verwaltungsgericht die Abgrabungsgenehmigung als nicht hinreichend bestimmt angesehen hat. Damit kann dahinstehen‚ ob auch im Hinblick auf den vom Verwaltungsgericht angenommenen Verstoß der Genehmigung gegen das Gebot der Rücksichtnahme gegenüber dem Kläger ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils bestehen.

Das Verwaltungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen‚ dass die angefochtene Abgrabungsgenehmigung in nachbarrechtsrelevanter Weise zu unbestimmt ist und damit gegen Art. 37 Abs. 1 BayVwVfG verstößt. Nach dieser Vorschrift muss ein Verwaltungsakt inhaltlich hinreichend bestimmt sein. Dieser Anforderung entspricht eine Genehmigung‚ wenn die mit dem Bescheid getroffene Regelung (Art. 35 BayVwVfG) für die Beteiligten des Verfahrens (Art. 13 BayVwVfG) – ggf. nach Auslegung – eindeutig zu erkennen und damit einer unterschiedlichen subjektiven Bewertung nicht zugänglich ist (vgl. BVerwG‚ U.v. 22.1.1993 – 8 C 57/91 – NJW 1993‚ 1667 m.w.N.). Nachbarn müssen zweifelsfrei feststellen können‚ ob und in welchem Umfang sie betroffen sind. Eine Verletzung von Nachbarrechten liegt vor‚ wenn die Unbestimmtheit ein nachbarrechtlich relevantes Merkmal betrifft (vgl. BayVGH‚ B.v. 22.4.2009 – 1 C 09.221 – juris Rn. 20; BayVGH‚ B.v. 15.2.2011 – 14 B 10.806 – juris Rn. 21). Insoweit ist anerkannt‚ dass eine Baugenehmigung aufzuheben ist‚ wenn wegen Fehlens oder Unvollständigkeit der Bauvorlagen Gegenstand und Umfang der Baugenehmigung nicht eindeutig festgestellt und aus diesem Grund eine Verletzung von Nachbarrechten nicht ausgeschlossen werden kann (vgl. BayVGH‚ U.v. 16.10.2013 – 15 B 12.1808 – juris Rn. 13 m.w.N.). Der Nachbar muss aus der Baugenehmigung in Verbindung mit den ihr zugrunde liegenden Unterlagen die Reichweite des genehmigten Vorhabens und seine Nutzung erkennen können.

Nach der zutreffenden Einschätzung des Verwaltungsgerichts wird die angefochtene Abgrabungsgenehmigung diesen Anforderungen nicht gerecht. Zwar lässt sich dem Bescheid vom 25. März 2010 in Verbindung mit dem Genehmigungsantrag der Beigeladenen vom 14. Juli 2008 und dem dort beigefügten Erläuterungsbericht im Allgemeinen entnehmen‚ was Gegenstand der Genehmigung ist und welchen Umfang das genehmigte Vorhaben hat. Insbesondere werden dort die geplante Abbaufläche‚ die Abbauabschnitte‚ die Abbaumenge sowie das Abbauverfahren dargestellt. Der Inhalt der Abgrabungsgenehmigung und das genehmigte Vorhaben werden konkretisiert durch die in Bezug genommenen‚ mit dem Genehmigungsvermerk versehenen Bauvorlagen (vgl. Lechner in Simon/Busse‚ Bayerische Bauordnung, Stand: November 2014‚ Art. 68 Rn. 466). Es fehlen dort aber – worauf das Verwaltungsgericht zutreffend hingewiesen hat – genaue Angaben zu den Arbeitsabläufen‚ den eingesetzten Maschinen sowie den vorgesehenen Nutzungs- und Betriebszeiten. Nach § 9 Satz 1 BauVorlV sind in der als Bauvorlage vorzulegenden Baubeschreibung (§ 3 Nr. 3 BauVorlV) das Bauvorhaben und seine Nutzung zu erläutern‚ soweit dies zur Beurteilung erforderlich ist und die notwendigen Angaben nicht im Lageplan und in den Bauzeichnungen enthalten sind. Für den im abgrabungsrechtlichen Genehmigungsverfahren vorzulegenden Abgrabungsplan (Art. 7 Abs. 1 Satz 1 BayAbgrG) gilt diese Vorschrift entsprechend (§ 14 Satz 1 BauVorlV). Dass die genannten fehlenden Angaben hier für die Beurteilung des Vorhabens der Beigeladenen hinsichtlich des notwendigen Lärm- und Erschütterungsschutzes erforderlich sind, unterliegt keinen ernstlichen Zweifeln.

Soweit die Beigeladene in ihrem Zulassungsvorbringen auf die Schallimmissionsprognose des Büros W... vom 14. Dezember 2009 verweist‚ ist dieses Gutachten zwar Bestandteil der Abgrabungsgenehmigung geworden (Nebenbestimmung Nr. 750.2 zum angefochtenen Bescheid), wobei allerdings zweifelhaft sein mag‚ ob eine solche pauschale Bezugnahme auf die Schallprognose in der Abgrabungsgenehmigung regelmäßig zu einem eindeutig bestimmbaren Inhalt dieser Genehmigung führen kann (vgl. OVG NW‚ B.v. 20.9.2007 – 10 A 4372/05 – juris Rn. 8). Dies bedarf aber keiner Entscheidung. Denn jedenfalls bleibt nach dem Inhalt der Schallprognose unklar‚ ob die dort genannten Eingangsdaten als verbindliche Vorgaben für die Abgrabungsgenehmigung gelten sollen. Wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat‚ werden in der Prognose zwar verschiedene Maschinen und Geräte aufgeführt‚ die aber lediglich „nach derzeitigem Kenntnisstand im Abbaubetrieb eingesetzt werden sollen“. Dies gilt auch für die in der Prognose des Weiteren enthaltenen Angaben über die angesetzten Betriebszeiten dieser Maschinen und Geräte. Es kommt hinzu‚ dass in der Nebenbestimmung Nr. 750.11 der Abgrabungsgenehmigung zwar einige „Auflagen“ ausdrücklich festgelegt werden‚ die sich aus der Prognose ergeben‚ wie z.B. die Begrenzung der täglichen Arbeitszeit auf maximal acht Stunden sowie der Betriebszeit des Steinbohrgeräts auf vier Stunden pro Werktag. Allerdings geht diese Nebenbestimmung nach ihrem ausdrücklichen Wortlaut davon aus‚ dass sich aus der Prognose noch weitere Auflagen bezüglich des Abbauabschnitts I ergeben. Welche weiteren Auflagen dies sein sollen‚ bleibt jedoch unklar.

Auch der Hinweis im Zulassungsantrag auf die Angaben unter Nr. 7 der Baubeschreibung vom 4. Juli 2008 (Anlage 2 zum Bauantrag) vermag nicht die hinreichende Bestimmtheit der Abgrabungsgenehmigung bezüglich der eingesetzten Maschinen zu begründen. Denn diese Angaben stehen im Widerspruch zu den Eingangsdaten der oben genannten Schallprognose. Während dort als eingesetzte Maschinen und Geräte ein Kettenbagger‚ zwei Radlader‚ ein hydraulisch selbstfahrendes Bohrgerät und ein Hydraulikspaltkeil mit separatem Pumpenmotor genannt werden‚ ist in der Nr. 7 der Baubeschreibung nur von einem Radlader und Kleingeräten die Rede.

Nachdem sich bereits aus den bisher genannten Gründen die Unbestimmtheit der angefochtenen Abgrabungsgenehmigung ergibt‚ ist nicht entscheidungserheblich‚ ob auch die Nebenbestimmung Nr. 750.6 des Genehmigungsbescheids dem Bestimmtheitsgebot genügt.

Kosten: § 154 Abs. 2 VwGO.

Streitwert: § 47 Abs. 3‚ § 52 Abs. 1 GKG.

Mit der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung wird das angefochtene Urteil rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).

Tenor

I.

In Abänderung der Nrn. I und II des Beschlusses des Verwaltungsgerichts Würzburg vom 9. Juli 2015 wird die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers vom 23. Dezember 2014 gegen den Bescheid des Landratsamts S... vom 21. November 2014 angeordnet.

II.

Der Antragsgegner und die Beigeladene tragen die Kosten des Verfahrens in beiden Instanzen jeweils zur Hälfte. Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.

III.

Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 3.750,-- Euro festgesetzt.

Gründe

I. Der Antragsteller wendet sich gegen die Erteilung einer Baugenehmigung an die Beigeladene zur Errichtung eines Kiosk mit Freiterrasse, Pavillon, Umkleide- und Sanitärräumen und begehrt vorläufigen Rechtsschutz.

Die Beigeladene ist eine Grundstücksgesellschaft im Bereich der G.-Unternehmensgruppe, die seit mehr als 40 Jahren auf dem Grundstück FlNr. 1005 Gemarkung B. ein betriebliches Freizeitgelände im Außenbereich betreibt. Eine Baugenehmigung hierfür besteht (bislang) nicht. Das Grundstück ist umgeben von mehreren ehemaligen Baggerseen, die teilweise als Badeplätze genutzt werden.

Der Antragsteller ist Eigentümer des Grundstücks FlNr. 964/1 Gemarkung B. Das Wohngebäude des Antragstellers befindet sich - im Übrigen umgeben von landwirtschaftlichen Flächen - mit zwei weiteren Wohngebäuden und einigen weiteren Gebäuden im Außenbereich in ca. 270 m Entfernung zum oben genannten Freizeitgelände. Der Ortsrand der Ortschaft G. liegt ca. 170 m südlich dieser Gebäudeansammlung „Am F.“... Die Zufahrt zu dem betrieblichen Gelände, auf dem sich das Bauvorhaben befindet, verläuft unmittelbar südlich des Wohngebäudes des Antragstellers über einen öffentlichen Feld- und Waldweg auf FlNr. 1004 Gemarkung B.

Mit Unterlagen vom 14. März 2014 beantragte die Beigeladene die Erteilung einer Baugenehmigung zur Errichtung eines Kiosk mit Freiterrasse, Pavillon, Umkleide- und Sanitärräumen auf dem Grundstück FlNr. 1005 Gemarkung B. für überwiegend Mitarbeiter der Unternehmensgruppe G. und Angehörige. Die mit Nebenbestimmungen, u. a. zum Immissionsschutz, versehene Baugenehmigung hierfür wurde vom Landratsamt S... mit Bescheid vom 21. November 2014 erteilt.

Hiergegen hat der Antragsteller mit Schriftsatz vom 23. Dezember 2014 Klage beim Verwaltungsgericht Würzburg erhoben (Az. W 4 K 14.1363), über die noch nicht entschieden ist. Mit Schriftsatz vom 23. Juni 2015 beantragte der Antragsteller beim Verwaltungsgericht die Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage, was das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 9. Juli 2015 abgelehnt hat. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass die angefochtene Baugenehmigung hinreichend bestimmt sei und keine Nachbarrechte des Antragstellers verletze. Durch die Festlegung eines Immissionsrichtwertes an den nächstgelegenen Wohngebäuden, die sich in ca. 240 m Entfernung in einem reinen Wohngebiet befänden, sowie die Beschränkung der Betriebszeit des Kiosks auf die Tagzeit sei sichergestellt, dass keine schädlichen Umwelteinwirkungen durch Lärmimmissionen hervorgerufen würden. Gegenüber dem Antragsteller, der nur das Schutzniveau eines Dorfgebiets beanspruchen könne, seien keine weitergehenden Nebenbestimmungen begründet. Auch eine unzumutbare Belastung des Antragstellers durch Verkehrslärm sei nicht zu erwarten.

Mit seiner Beschwerde verfolgt der Antragsteller sein Begehren weiter. Die Baugenehmigung sei unbestimmt, da sich der Umfang der Anlage nicht aus dem Bescheid und den Genehmigungsunterlagen ergebe. So sei die Anzahl der Personen nicht bestimmbar, da die Mitarbeiterzahl des Unternehmens variabel sei und auch die Zahl der Angehörigen nicht eingrenzbar sei. Zudem sei die Nutzung für „überwiegend“ Mitarbeiter und Angehörige genehmigt, so dass unklar sei, ob dies zeitlich oder numerisch zu verstehen sei. Da eine zahlenmäßige Begrenzung des Nutzerkreises nicht realisierbar sei, seien auch die zu erwartenden Auswirkungen nicht absehbar. Vorliegend sei unter dem Deckmantel eines Badebetriebs eine öffentliche Gaststätte genehmigt worden. Die festgesetzten Nebenbestimmungen seien nicht ausreichend, das Hervorrufen schädlicher Umwelteinwirkungen und die Verletzung nachbarschützender Vorschriften zu unterbinden. Erforderlich sei eine realistische Lärmprognose und die Berücksichtigung der privilegierten Wohnnutzung des Antragstellers im Außenbereich. Die nähere Umgebung entspreche hierbei nicht einem Dorfgebiet, sondern eher einem Wohngebiet. Die Werte des Zu- und Abfahrtsverkehrs seien willkürlich angesetzt und der Antragsteller habe aufgrund der unzureichenden Zufahrtsituation mit einer erheblichen Verschlechterung seiner Erschließung zu rechnen. Zudem seien Erschütterungen durch die Vorbeifahrt von Wohnmobilen zu der ungenehmigten Wohnwagenlandschaft auf dem Gelände nicht berücksichtigt. Eine öffentliche Gaststätte mit einer Betriebszeit von April bis September und einer Öffnungszeit bis 22:00 Uhr widerspreche dem Flächennutzungsplan, da dies nicht prägend für einen Badebetrieb sei. Das Vorhaben sei offensichtlich nicht privilegiert und unterlaufe den Schutz des Außenbereichs vor zusätzlicher Bebauung. Die Zulassung einer Wohnwagenlandschaft lasse ferner die Entstehung, Verfestigung bzw. Erweiterung einer Splittersiedlung befürchten.

Der Antragsteller beantragt,

unter Aufhebung des Beschlusses des Bayerischen Verwaltungsgerichts Würzburg vom 9. Juli 2015, die aufschiebende Wirkung der am 23. Dezember 2014 erhobenen Klage anzuordnen.

Der Antragsgegner beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Die Baugenehmigung sei nicht unbestimmt, da sich aus den Bauunterlagen die Zahl der genehmigten Plätze ergebe. Im Hinblick auf den begrenzten Nutzerkreis und die baulichen Gegebenheiten liege keine öffentliche Gaststätte mit unbegrenzter Nutzungsmöglichkeit vor. Unzumutbare Belästigungen an dem 270 m entfernten Anwesen des Antragstellers seien nicht ersichtlich. Die Beschränkung der Öffnungszeit bis 22:00 Uhr in Abweichung zum Antrag (23:00 Uhr) sei gerade zum Schutz der Nachbarn erfolgt. Im Flächennutzungsplan sei das Grundstück des Klägers als Fläche für die Landwirtschaft dargestellt, so dass eine Einstufung seiner Schutzwürdigkeit entsprechend der eines Dorfgebiets zulässig sei. Bei der Beurteilung des Verkehrslärms sei ein erhöhter PKW-Verkehr an heißen Sommertagen berücksichtigt. Die Frage von Erschütterungen aufgrund einer Vorbeifahrt von Wohnmobilen stelle sich bei der von der Baugenehmigung umfassten Nutzung nicht.

Die Beigeladene beantragt ebenfalls,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Mit der Baugenehmigung seien die seit Jahren bestehenden und nicht veränderten baulichen Anlagen legalisiert worden. Der Zutritt zu der Badeanlage und zum genehmigten Kiosk werde von der Beigeladenen durch die Ausgabe von Berechtigungsausweisen limitiert und überwacht. Ohne diese Beschränkungen wäre der Badesee für jedermann zur Benutzung freigegeben. Das Vorhaben rufe keine schädlichen Umwelteinwirkungen hervor, da die immissionsschutzrechtliche Einordnung durch die sehr hoch angesetzten Ausgangswerte, die in der Realität nie erreicht würden, auf der sicheren Seite liege. Eine Verkehrszählung der Gemeinde habe deutlich weniger Fahrbewegungen ergeben. Zudem seien hiervon noch die Fahrten des Beschwerdeführers und der Mitbewohner der Splittersiedlung „Am F.“ abzuziehen. Die angeführten Wohnwägen stünden nicht im Zusammenhang mit der Baugenehmigung.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der vorgelegten Behördenakten verwiesen.

II. Die Beschwerde ist zulässig und begründet. Das Verwaltungsgericht hat den Antrag des Antragstellers gemäß § 80a Abs. 3, § 80 Abs. 5 VwGO zu Unrecht abgelehnt. Nach der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nur möglichen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage spricht viel dafür, dass die Anfechtungsklage des Antragstellers unter den derzeitigen Gegebenheiten erfolgreich sein wird. Die der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung verletzt den Antragsteller voraussichtlich in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO), weil sie in nachbarrechtsrelevanter Weise zu unbestimmt ist.

1. Die Baugenehmigung vom 21. November 2014 ist unbestimmt.

Nach Art. 37 Abs. 1 BayVwVfG muss die Baugenehmigung hinreichend bestimmt sein, d. h. die im Bescheid getroffene Regelung muss für die Beteiligten - gegebenenfalls nach Auslegung - eindeutig zu erkennen und einer unterschiedlichen subjektiven Bewertung nicht zugänglich sein (vgl. BayVGH, B. v. 16.4.2015 - 9 ZB 12.205 - juris Rn. 7). Maßgebend sind die Umstände des Einzelfalls, wobei Unklarheiten zulasten der Behörde gehen (Kopp/Ramsauer, VwVfG, 14. Aufl. 2014, § 37 Rn. 6, 7). Nachbarn müssen zweifelsfrei feststellen können, ob und in welchem Umfang sie betroffen sind (vgl. Lechner in Simon/Busse, BayBO, Stand Mai 2015, Art. 68 Rn. 472). Eine Verletzung von Nachbarrechten liegt vor, wenn die Unbestimmtheit der Baugenehmigung ein nachbarrechtlich relevantes Merkmal betrifft. Eine Baugenehmigung ist daher aufzuheben, wenn wegen Fehlens oder Unvollständigkeit der Bauvorlagen Gegenstand und Umfang der Baugenehmigung nicht eindeutig festgestellt und aus diesem Grund eine Verletzung von Nachbarrechten nicht eindeutig ausgeschlossen werden kann (BayVGH, B. v. 16.4.2015 - 9 ZB 12.205 - juris Rn. 7 m. w. N.). Der Inhalt der Baugenehmigung bestimmt sich nach der Bezeichnung und den Regelungen im Baugenehmigungsbescheid, der konkretisiert wird durch die in Bezug genommenen Bauvorlagen (Schwarzer/König, BayBO, 4. Aufl. 2012, Art. 68 Rn. 34). Danach ist die vorliegende Baugenehmigung in einer für den Antragsteller nachteiligen Weise unbestimmt, weil der Nutzungsumfang der genehmigten Anlage nicht erkennbar ist und die auf ihn von der genehmigten Anlage einwirkenden Immissionen nicht eindeutig absehbar sind.

a) Die Baugenehmigung ist nicht bereits wegen fehlender Bestimmtheit der Betriebszeit rechtswidrig. Nach der Nebenbestimmung Nr. 3 des angefochtenen Bescheids ist offensichtlich ein Betrieb mit Ablauf des Monats September nicht mehr zulässig. Soweit dort als Ende der Betriebszeit der „31. September“ bezeichnet wird, handelt es sich um eine offenbare Unrichtigkeit, die nach Art. 42 Satz 1 BayVwVfG jederzeit berichtigt werden kann.

b) Der Antragsteller bemängelt aber im Beschwerdevorbringen (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO) zu Recht die fehlende Bestimmtheit des nutzungsberechtigten Personenkreises für die insgesamt von der Baugenehmigung umfasste Anlage.

aa) Die Baugenehmigung ist nicht unbestimmt, soweit sie sich auf den Gaststättenbetrieb (Kiosk mit Pavillion/Gastraum, Ausschank und Freiterrasse) bezieht. Denn die Zahl der hierfür genehmigten Gastplätze und das Betriebskonzept, die dieser Beurteilung zugrunde zu legen sind, ergeben sich eindeutig aus der Baubeschreibung nach § 9 Satz 1 BauVorlV (Bl. 13 der Behördenakte), die gemäß Nr. I des Bescheids vom 21. November 2011 ausdrücklich zum Bestandteil der Baugenehmigung gemacht wurde (vgl. Schwarzer/König, a. a. O., Art. 68 Rn. 34). Danach wurden insgesamt 36 Gastplätze genehmigt.

Maßgeblich für den Rechtsschutz des Antragstellers ist, dass er feststellen kann, ob und mit welchem Umfang er von der Baugenehmigung betroffen ist (vgl. BayVGH, B. v. 29.4.2015 - 2 ZB 14.1164 - juris Rn. 6). Der Antragsteller muss erkennen können, mit welchen Immissionen er zu rechnen hat und ob er gegebenenfalls schädlichen Umwelteinwirkungen ausgesetzt ist. Dies beurteilt sich im vorliegenden Fall hinsichtlich des Gaststättenbetriebs aber nach der genehmigten Zahl der Gastplätze sowie dem durch das Bauvorhaben bedingten Verkehr und nicht nach der Art des nutzungsberechtigten Personenkreises. Für die immissionsschutzrechtliche Beurteilung ist grundsätzlich unerheblich, ob die Gäste Mitarbeiter der Unternehmensgruppe G. und deren Angehörige oder Firmenkunden oder gar außenstehende Dritte sind. Es kann insoweit dahinstehen, ob der nutzungsberechtigte Personenkreis bereits deswegen zu unbestimmt ist, weil die in der angefochtenen Baugenehmigung insoweit enthaltene Einschränkung „überwiegend für Mitarbeiter der Unternehmensgruppe G. und deren Angehörigen“ - wie der Antragsteller vorträgt - nicht eingrenzbar und zudem unklar sei, ob es sich um eine zeitliche oder numerische Begrenzung handeln soll.

bb) Die Baugenehmigung lässt jedoch die Zahl der Personen nicht erkennen, die die insgesamt genehmigte Anlage mit ihren - neben dem Gaststättenbetrieb - weiteren Teilen, insbesondere den Umkleide- und Sanitärräumen, nutzen. Insoweit sind die den Antragsteller betreffenden Immissionen nicht abschließend feststellbar.

Grundlage des vorliegenden Verfahrens ist die genehmigte Planung und das mitgenehmigte Betriebskonzept (vgl. BayVGH, B. v. 2.3.2015 - 9 ZB 12.1377 - juris Rn. 7). Nach dem Bauantrag, den genehmigten Plänen und der Baugenehmigung vom 21. November 2014 umfasst die genehmigte bauliche Anlage einen Kiosk mit Freiterrasse, Pavillon/Gastraum mit Ausschank sowie Umkleide- und Sanitärräume. Die von der Beigeladenen betriebene - (bislang) ungenehmigte - betriebliche Freizeitanlage „Badesee“ in ihrer Gesamtheit, auf deren Gelände die genehmigte bauliche Anlage liegt, und ein eventueller (selbstständiger oder unselbstständiger) Wohnwagenabstellplatz auf diesem Gelände werden dagegen von der Baugenehmigung nicht ausdrücklich umfasst. Angesichts dieser Umstände und im Hinblick darauf, dass die Angaben zum Bauvorhaben mit der objektiv möglichen Nutzung vereinbar sein müssen (Krautzberger in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand Mai 2015, § 29 Rn. 21), erscheint aber äußerst zweifelhaft, ob insbesondere die Sanitärräume, die in ihrer Ausstattung über das Vorhandensein von Toiletten hinausgehen und zusätzlich auch Duschen vorsehen, sowie der Umkleideraum allein dem Gaststättenbetrieb zugerechnet werden können. Ihrer Funktion und Zwecksetzung nach (vgl. BVerwG, U. v. 15.11.1991 - 4 C 17/88 - juris Rn. 14 und U. v. 29.4.1992 - 4 C 43/89 - BVerwGE 90, 140 = juris Rn. 15) dürften sie vielmehr wesentlicher Teil der betrieblichen Freizeitanlage der Beigeladenen sein. Denn es spricht viel dafür, dass die Duschen und der Umkleideraum im Hinblick auf die örtliche Lage an dem Badesee und im Zusammenhang mit dem dort befindlichen betrieblichen Freizeitgelände für die (wohl ausschließliche) Nutzung durch die sich dort aufhaltenden Bade- und Erholungsgäste vorgesehen sein dürften. Insoweit ist der Nutzungsumfang der betrieblichen Freizeitanlage aber im Hinblick auf die Zahl und den Umfang der Bade- oder Erholungsgäste, die die genannten Einrichtungen nutzen, weder aus dem Bauantrag noch aus der Baubeschreibung (Bl. 13 der Behördenakte) oder der Betriebsbeschreibung (Bl. 17 der Behördenakte) ersichtlich. Die Beigeladene führt zwar aus, dass der Zugang zur Anlage beschränkt ist und überwacht wird, die Angaben hierzu oder derartige Einschränkungen sind aber nicht Teil der Bauunterlagen und lassen auch keine Rückschlüsse auf den tatsächlichen Nutzungsumfang, insbesondere die Zahl der maximal pro Tag auf dem Gelände zugelassenen Personenzahl, zu. Unerheblich ist daher, ob die Umkleide- und Sanitärräume - wofür wohl einiges spricht - auch von Nutzern der Wohnmobil- und Wohnwagenabstellplätze, deren Nutzungsumfang ebenfalls nicht angegeben ist, genutzt werden oder ob es sich insoweit um einen abtrennbaren, selbstständigen Teil der Freizeitanlage handelt. Aufgrund der baulichen Konzeption erscheint eine Teilung der Anlage - in einen reinen Gaststättenbetrieb mit den angeführten 36 Gastplätzen und in einen Teil „Nebenanlage der betrieblichen Freizeitanlage“ mit Umkleide- und Sanitärräumen - nicht möglich. Der Umkleideraum steht in einem baulich untrennbaren Zusammenhang mit dem Kioskgebäude und kann daher nicht isoliert für die - insgesamt wohl nicht von der Genehmigung erfasste - betriebliche Freizeitanlage gesehen werden. Dass eine derartige Teilung nicht ohne Weiteres möglich ist, zeigt auch der vom Beklagten im Rahmen der Verkehrslärmbeurteilung zugrunde gelegte Ansatz an Verkehrsaufkommen, der deutlich über die für die genehmigte Anlage erforderlichen sieben Stellplätze und die zugrundeliegende Gästezahl hinausreicht. Nachvollziehbare oder festgesetzte Angaben zu der zu erwartenden oder zugelassenen Besucherzahl der betrieblichen Freizeitanlage insgesamt, liegen der Beurteilung aber nicht zugrunde, so dass deren Grundlage offen ist. Auch wenn insoweit singuläre Ereignisse, wie z. B. das zweijährlich stattfindende Betriebsfest der Beigeladenen, nicht relevant sein dürften und die von der Gemeinde im Rahmen einer Verkehrszählung auf dem Weg FlNr. 3890/41 Gemarkung G. erfassten Daten vermuten lassen, dass die von der Beigeladenen betriebene Freizeitanlage keine unzumutbaren Lärmimmissionen oder derart chaotische Verkehrsverhältnisse erwarten lassen, dass die entstehende Gesamtbelastung unzumutbar ist, fehlt es jedenfalls an einer festgesetzten und überprüfbaren Angabe der Nutzerzahl der genehmigten Anlage in ihrer Gesamtheit, d. h. einschließlich der Zahl der Personen, die voraussichtlich die Umkleide- und Sanitärräume nutzen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 159 VwGO. Da die Beigeladene einen eigenen Antrag gestellt hat, entspricht es der Billigkeit, sie an den Kosten des Verfahrens zu beteiligen (§ 162 Abs. 3, § 154 Abs. 3 VwGO).

Die Festsetzung des Streitwerts ergibt sich aus § 47 Abs. 1, § 52 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG i. V. m. Nr. 9.7.1 und Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

(1) Kleinsiedlungsgebiete dienen vorwiegend der Unterbringung von Kleinsiedlungen einschließlich Wohngebäuden mit entsprechenden Nutzgärten und landwirtschaftlichen Nebenerwerbsstellen.

(2) Zulässig sind

1.
Kleinsiedlungen einschließlich Wohngebäude mit entsprechenden Nutzgärten, landwirtschaftliche Nebenerwerbsstellen und Gartenbaubetriebe,
2.
die der Versorgung des Gebiets dienenden Läden, Schank- und Speisewirtschaften sowie nicht störenden Handwerksbetriebe.

(3) Ausnahmsweise können zugelassen werden

1.
sonstige Wohngebäude mit nicht mehr als zwei Wohnungen,
2.
Anlagen für kirchliche, kulturelle, soziale, gesundheitliche und sportliche Zwecke,
3.
Tankstellen,
4.
nicht störende Gewerbebetriebe.

(1) Reine Wohngebiete dienen dem Wohnen.

(2) Zulässig sind

1.
Wohngebäude,
2.
Anlagen zur Kinderbetreuung, die den Bedürfnissen der Bewohner des Gebiets dienen.

(3) Ausnahmsweise können zugelassen werden

1.
Läden und nicht störende Handwerksbetriebe, die zur Deckung des täglichen Bedarfs für die Bewohner des Gebiets dienen, sowie kleine Betriebe des Beherbergungsgewerbes,
2.
sonstige Anlagen für soziale Zwecke sowie den Bedürfnissen der Bewohner des Gebiets dienende Anlagen für kirchliche, kulturelle, gesundheitliche und sportliche Zwecke.

(4) Zu den nach Absatz 2 sowie den §§ 2, 4 bis 7 zulässigen Wohngebäuden gehören auch solche, die ganz oder teilweise der Betreuung und Pflege ihrer Bewohner dienen.

(1) Allgemeine Wohngebiete dienen vorwiegend dem Wohnen.

(2) Zulässig sind

1.
Wohngebäude,
2.
die der Versorgung des Gebiets dienenden Läden, Schank- und Speisewirtschaften sowie nicht störenden Handwerksbetriebe,
3.
Anlagen für kirchliche, kulturelle, soziale, gesundheitliche und sportliche Zwecke.

(3) Ausnahmsweise können zugelassen werden

1.
Betriebe des Beherbergungsgewerbes,
2.
sonstige nicht störende Gewerbebetriebe,
3.
Anlagen für Verwaltungen,
4.
Gartenbaubetriebe,
5.
Tankstellen.

(1) Besondere Wohngebiete sind überwiegend bebaute Gebiete, die aufgrund ausgeübter Wohnnutzung und vorhandener sonstiger in Absatz 2 genannter Anlagen eine besondere Eigenart aufweisen und in denen unter Berücksichtigung dieser Eigenart die Wohnnutzung erhalten und fortentwickelt werden soll. Besondere Wohngebiete dienen vorwiegend dem Wohnen; sie dienen auch der Unterbringung von Gewerbebetrieben und sonstigen Anlagen im Sinne der Absätze 2 und 3, soweit diese Betriebe und Anlagen nach der besonderen Eigenart des Gebiets mit der Wohnnutzung vereinbar sind.

(2) Zulässig sind

1.
Wohngebäude,
2.
Läden, Betriebe des Beherbergungsgewerbes, Schank- und Speisewirtschaften,
3.
sonstige Gewerbebetriebe,
4.
Geschäfts- und Bürogebäude,
5.
Anlagen für kirchliche, kulturelle, soziale, gesundheitliche und sportliche Zwecke.

(3) Ausnahmsweise können zugelassen werden

1.
Anlagen für zentrale Einrichtungen der Verwaltung,
2.
Vergnügungsstätten, soweit sie nicht wegen ihrer Zweckbestimmung oder ihres Umfangs nur in Kerngebieten allgemein zulässig sind,
3.
Tankstellen.

(4) Für besondere Wohngebiete oder Teile solcher Gebiete kann, wenn besondere städtebauliche Gründe dies rechtfertigen (§ 9 Absatz 3 des Baugesetzbuchs), festgesetzt werden, dass

1.
oberhalb eines im Bebauungsplan bestimmten Geschosses nur Wohnungen zulässig sind oder
2.
in Gebäuden ein im Bebauungsplan bestimmter Anteil der zulässigen Geschossfläche oder eine bestimmte Größe der Geschossfläche für Wohnungen zu verwenden ist.

(1) Dorfgebiete dienen der Unterbringung der Wirtschaftsstellen land- und forstwirtschaftlicher Betriebe, dem Wohnen und der Unterbringung von nicht wesentlich störenden Gewerbebetrieben sowie der Versorgung der Bewohner des Gebiets dienenden Handwerksbetrieben. Auf die Belange der land- und forstwirtschaftlichen Betriebe einschließlich ihrer Entwicklungsmöglichkeiten ist vorrangig Rücksicht zu nehmen.

(2) Zulässig sind

1.
Wirtschaftsstellen land- und forstwirtschaftlicher Betriebe und die dazugehörigen Wohnungen und Wohngebäude,
2.
Kleinsiedlungen einschließlich Wohngebäude mit entsprechenden Nutzgärten und landwirtschaftliche Nebenerwerbsstellen,
3.
sonstige Wohngebäude,
4.
Betriebe zur Be- und Verarbeitung und Sammlung land- und forstwirtschaftlicher Erzeugnisse,
5.
Einzelhandelsbetriebe, Schank- und Speisewirtschaften sowie Betriebe des Beherbergungsgewerbes,
6.
sonstige Gewerbebetriebe,
7.
Anlagen für örtliche Verwaltungen sowie für kirchliche, kulturelle, soziale, gesundheitliche und sportliche Zwecke,
8.
Gartenbaubetriebe,
9.
Tankstellen.

(3) Ausnahmsweise können Vergnügungsstätten im Sinne des § 4a Absatz 3 Nummer 2 zugelassen werden.

(1) Mischgebiete dienen dem Wohnen und der Unterbringung von Gewerbebetrieben, die das Wohnen nicht wesentlich stören.

(2) Zulässig sind

1.
Wohngebäude,
2.
Geschäfts- und Bürogebäude,
3.
Einzelhandelsbetriebe, Schank- und Speisewirtschaften sowie Betriebe des Beherbergungsgewerbes,
4.
sonstige Gewerbebetriebe,
5.
Anlagen für Verwaltungen sowie für kirchliche, kulturelle, soziale, gesundheitliche und sportliche Zwecke,
6.
Gartenbaubetriebe,
7.
Tankstellen,
8.
Vergnügungsstätten im Sinne des § 4a Absatz 3 Nummer 2 in den Teilen des Gebiets, die überwiegend durch gewerbliche Nutzungen geprägt sind.

(3) Ausnahmsweise können Vergnügungsstätten im Sinne des § 4a Absatz 3 Nummer 2 außerhalb der in Absatz 2 Nummer 8 bezeichneten Teile des Gebiets zugelassen werden.

(1) Als Sondergebiete, die der Erholung dienen, kommen insbesondere in Betracht
Wochenendhausgebiete,
Ferienhausgebiete,
Campingplatzgebiete.

(2) Für Sondergebiete, die der Erholung dienen, sind die Zweckbestimmung und die Art der Nutzung darzustellen und festzusetzen. Im Bebauungsplan kann festgesetzt werden, dass bestimmte, der Eigenart des Gebiets entsprechende Anlagen und Einrichtungen zur Versorgung des Gebiets und für sportliche Zwecke allgemein zulässig sind oder ausnahmsweise zugelassen werden können.

(3) In Wochenendhausgebieten sind Wochenendhäuser als Einzelhäuser zulässig. Im Bebauungsplan kann festgesetzt werden, dass Wochenendhäuser nur als Hausgruppen zulässig sind oder ausnahmsweise als Hausgruppen zugelassen werden können. Die zulässige Grundfläche der Wochenendhäuser ist im Bebauungsplan, begrenzt nach der besonderen Eigenart des Gebiets, unter Berücksichtigung der landschaftlichen Gegebenheiten festzusetzen.

(4) In Ferienhausgebieten sind Ferienhäuser zulässig, die aufgrund ihrer Lage, Größe, Ausstattung, Erschließung und Versorgung für den Erholungsaufenthalt geeignet und dazu bestimmt sind, überwiegend und auf Dauer einem wechselnden Personenkreis zur Erholung zu dienen. Im Bebauungsplan kann die Grundfläche der Ferienhäuser, begrenzt nach der besonderen Eigenart des Gebiets, unter Berücksichtigung der landschaftlichen Gegebenheiten festgesetzt werden.

(5) In Campingplatzgebieten sind Campingplätze und Zeltplätze zulässig.

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Greifswald vom 13. August 2012 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen, die dieser selbst trägt.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des Vollstreckungsbetrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

1

Der Kläger wendet sich gegen einen Bescheid über die Rücknahme einer durch Fristablauf entstandenen Baugenehmigung und Ablehnung des Bauantrags für die Errichtung eines Gebäudes mit vier Ferienwohnungen.

2

Betroffen ist das Grundstück D. Straße 2 in E., Flur X, Flurstück Y. Es liegt im Geltungsbereich des Bebauungsplans Nr. 3 "Wohnbebauung F.", der einen Bereich inmitten in der Ortslage betrifft. Als Art der baulichen Nutzung ist ein Reines Wohngebiet gemäß § 3 Abs. 1, Abs. 2 und Abs. 4 BauNVO festgesetzt. Gem. Ziff. 1.1. und 1.2 der textlichen Festsetzungen werden Ausnahmen iSv § 3 Abs. 3 BauNVO ausschließlich für kleine Betriebe des Beherbergungsgewerbes zugelassen. Nach der Begründung ist die Fläche im Flächennutzungsplan als Wohnbaufläche dargestellt. Die Gemeinde verfolgt das Ziel, Flächen zur Deckung des gemeindlichen Wohnbedarfs zur Verfügung zu stellen (Ziff. 1.2 der Begründung). In der Begründung zu den Festsetzungen der Art der baulichen Nutzung heißt es (Ziff. 2.1.1), die Gemeinde wolle an einem innerörtlichen Standort Flächen für die Deckung von Wohnbedarf bereitstellen. Gemäß Nutzungsschablone und textlichen Festsetzungen könnten etwa 15 bis 20 Wohneinheiten als Einzel- oder Doppelhäuser entstehen. Da die Gemeinde sich in einem Raum mit besonderer natürlicher Eignung für Fremdenverkehr und Erholung und in einem Tourismusschwerpunktraum befinde, sollten Ausnahmen im Sinne von § 3 Abs. 3 BauNVO für kleine Betriebe des Beherbergungsgewerbes zugelassen werden. Für die ausgeschlossenen übrigen Nutzungen gemäß § 3 Abs. 3 BauNVO wie Läden und Handwerksbetriebe stünden in der Gemeinde andere Flächen insbesondere in den Mischgebieten beiderseits der Hauptstraße zur Verfügung. Durch den Ausschluss dieser Nutzung würden Nutzungskonflikte im reinen Wohngebiet unterbunden.

3

Für das Nachbargrundstück (Flurstück Z) erteilte die Beklagte dem Kläger mit Bescheid vom 24.06.2009 eine Baugenehmigung für die Errichtung eines Gebäudes mit einer Wohnung und drei Ferienwohnungen. Das auf jenem Grundstück errichtete Gebäude befindet sich in Nutzung.

4

Bezogen auf das Vorhabengrundstück beantragte der Kläger am 23.10.2009 die Erteilung einer Baugenehmigung. Im Antragsformular ist das Vorhaben mit "Wohngebäude mit vier Wohnungen" bezeichnet; in den bautechnischen Erläuterungen ist von vier Ferienwohnungen die Rede. Nach den Bauvorlagen sind in den Wohnungen jeweils drei Zimmer mit Bad vorgesehen; die Wohnflächen sollen etwa 53 qm im Erdgeschoss und etwa 45 qm im Dachgeschoss betragen. Die drei Zimmer sind jeweils mit "Zimmer Eltern" (11,60 qm im EG bzw. 9,50 qm im DG), "Zimmer Kinder" (9,82 qm im EG bzw. 8,00 qm im DG) und "Wohnen/Küche" (26,19 qm im EG bzw. 22,00 qm im DG) bezeichnet. Der Kläger beantragte ferner mit gesondertem Schreiben unter dem Betreff "Antrag auf Ausnahmegenehmigung nach § 3 BauNVO vom Bebauungsplan Nr. 3 als kleiner Betrieb des Beherbergungsgewerbes" für das Wohnhaus vier Ferienwohnungen zu genehmigen; diese Ausnahme sei nach dem Bebauungsplan möglich. Ebenfalls mit gesondertem Schreiben beantragte er, eine Verschiebung des Baufensters zu genehmigen.

5

Mit Schreiben vom 11.11.2009 verlängerte die Beklagte gemäß § 63 Abs. 2 LBauO M-V die Bearbeitungsfrist um einen Monat bis zum 23.02.2010. Mit einem weiteren Schreiben an den Kläger vom gleichen Tag verlangte sie die Einreichung eines neuen Lageplanes mit Stellflächen sowie eine Berechnung der Grund- und Geschossflächenzahlen zum Nachweis, dass die Festsetzungen des Bebauungsplanes eingehalten würden. Der Kläger reichte diese Unterlagen am 23.04.2010 bei der Beklagten ein. Die Gemeinde E. erteilte unter dem 19.10.2009 das Einvernehmen zu einer Ausnahme hinsichtlich der Art der Nutzung und formulierte, die Genehmigung zur Verschiebung des Baufeldes solle durch den Landkreis geprüft werden; eine weitere Stellungnahme der Gemeinde, mit der das Einvernehmen zur Verschiebung des Baufensters erteilt wird, datiert vom 03.03.2010. Die Beklagte stellte sich auf den Standpunkt, eine "Verschiebung des Baufensters" könne nur durch eine B-Plan-Änderung erfolgen, und verlangte einen (erneuten) Befreiungsantrag, auf den hin die Gemeinde das Einvernehmen sowohl zu einer Ausnahme hinsichtlich der Art der Nutzung als auch zu einer Befreiung von der Einhaltung der Baugrenzen versagte.

6

Mit Bescheid vom 13.12.2010 nahm die Beklagte nach vorheriger Anhörung die am 24.07.2010 durch Fristablauf entstandene Baugenehmigung mit Wirkung zum 23.07.2010 zurück, ordnete die sofortige Vollziehung an und lehnte den Bauantrag, den Ausnahmeantrag und den Befreiungsantrag ab. Zur Begründung ist u.a. ausgeführt, das Vorhaben entspreche nach der Art der Nutzung nicht den Festsetzungen des Bebauungsplans; eine Ausnahme könne nicht erteilt werden, da bereits für das Nachbargrundstück eine Ausnahme für drei Ferienwohnungen zugelassen worden sei und eine weitere Ausnahme den Gebietscharakter eines reinen Wohngebietes in Frage stellen würde. Im Rahmen der Ermessensausübung sei das öffentliche Interesse an der Einhaltung des geltenden Baurechts höher zu bewerten als das private Interesse des Klägers am Bestand des rechtswidrigen Verwaltungsaktes.

7

Den Widerspruch des Klägers wies die Beklage mit Widerspruchsbescheid vom 01.09.2011 als unbegründet zurück und führte aus, bei den Ferienwohnungen des Klägers handele es sich mangels entsprechenden Leistungsangebots nicht um einen Betrieb des Beherbergungsgewerbes. Da derzeit in dem Gebiet drei Ferienwohnungen und 14 Dauerwohnungen genehmigt seien, würde nach Zulassung weiterer vier Ferienwohnungen ein Drittel der bestehenden Nutzungseinheiten zu Ferienwohnzwecken genutzt. Dies widerspreche dem Gebietscharakter eines reinen Wohngebietes.

8

Bereits während des Widerspruchsverfahrens hatte die Beklagte dem Kläger auf dessen Antrag mit Bescheid vom 16.05.2011 für das Vorhabengrundstück (Flurstück Y) eine Baugenehmigung für die Errichtung eines Gebäudes mit drei (Dauer-)Wohnungen und einer Ferienwohnung sowie eine Ausnahme hinsichtlich der Nutzung einer Wohnung als Ferienwohnung und eine Befreiung von der Einhaltung der Baugrenze erteilt; die Gemeinde hatte hierzu das Einvernehmen erklärt.

9

Der Kläger hat am 01.08.2011 gegen den Rücknahme- und Ablehnungsbescheid Klage erhoben und vorgetragen: Bei seinem Vorhaben handele es sich um einen kleinen Betrieb des Beherbergungsgewerbes. Den Gästen der Ferienwohnungen würden Bettwäsche und Handtücher, ein Brötchenservice und "Housekeeping" zur Verfügung gestellt. Ein kleiner Beherbergungsbetrieb sei bei weniger als etwa zehn Zimmern zu bejahen. Das Störungspotential von vier Ferienwohnungen sei gering. Nach dem Inhalt des Bebauungsplans solle ein Nebeneinander von reinem Wohnen und einer kleinen Ferienhaus- und Ferienwohnungskultur ermöglicht werden. Die Gemeinde wolle sich zu einem Seebad mit zahlreichen Ferienwohnungen entwickeln, ohne jedoch ein Sondergebiet "Ferienhaus" gemäß § 10 Abs. 4 BauNVO auszuweisen. Da der Gebietscharakter des Reinen Wohngebietes nicht in Frage gestellt werde, habe er einen Anspruch auf die Erteilung einer Ausnahme.

10

Der Kläger hat beantragt,

11

den Rücknahme- und Ablehnungsbescheid der Beklagten vom 13.12.2010 in der Gestalt ihres Widerspruchsbescheides vom 01.09.2011 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, ihm die beantragte Baugenehmigung zur Errichtung eines Wohngebäudes mit vier Ferienwohnungen auf dem Grundstück Gemarkung E., Flur X, Flurstück Y einschließlich einer Ausnahme von den Festsetzungen des Bebauungsplans Nr. 3 „Wohnbebauung F.“ betreffend die Art der baulichen Nutzung sowie einer Befreiung von der festgesetzten Baugrenze zu erteilen.

12

Die Beklagte hat beantragt,

13

die Klage abzuweisen.

14

Mit Urteil vom 31.08.2012, zugestellt am 12.09.2012, hat das Verwaltungsgericht Greifswald den Rücknahme- und Ablehnungsbescheid der Beklagten vom 13.12.2010 aufgehoben, soweit er die Nutzung einer zweiten Wohnung als Ferienwohnung in dem streitigen Vorhaben betrifft, und insoweit die Beklagte verpflichtet, dem Kläger eine Ausnahme von der Festsetzung des Bebauungsplans zu erteilen. Im übrigen hat es die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat das Verwaltungsgericht ausgeführt: Die Klage sei unzulässig, soweit die Rücknahme und Ablehnung der Baugenehmigung für die zwischenzeitlich bereits mit Bescheid vom 16.05.2011 genehmigte Ferienwohnung angegriffen werde und die Beklagte insoweit zur Erteilung einer Ausnahme und einer Befreiung verpflichtet werden solle. Die durch Fristablauf entstandene Baugenehmigung widerspreche den planungsrechtlichen Vorschriften teilweise, nämlich hinsichtlich zweier Ferienwohnungen. Insoweit sei die Art der baulichen Nutzung nicht mit den Festsetzungen des Bebauungsplans vereinbar. Die beantragten Ferienwohnungen stellten einen Betrieb des Beherbergungsgewerbes dar. Ein Bauantrag für Ferienwohnungen sei regelmäßig auf den Betrieb eines Beherbergungsgewerbes gerichtet. Denn Ferienwohnungen böten wegen der zeitlich begrenzten Nutzung und der vollständigen Möblierung, zu deren Umgestaltung oder Austausch der Gast nicht befugt sei, typischerweise keine umfassende Möglichkeit eigenständiger Häuslichkeit; das Vorhandensein einer Kochmöglichkeit reiche dazu nicht aus. Soweit das VG Berlin (B. v. 23.01.2012 - 19 L 294/11 - LKV 2012, 93) und das OVG Berlin-Brandenburg (B. v. 06.07.2006 - OVG 2 S 2/06 - BRS 70 Nr. 67) für die Unterscheidung von Wohnen und Beherbergungsbetrieb auf die Möglichkeit einer Küchenbenutzung sowie der Nutzung weiterer beherbergungstypischer Dienstleistungen abstellten, hätten den Entscheidungen besondere Fallgestaltungen zu Grunde gelegen.

15

Der beabsichtigte Beherbergungsbetrieb sei jedoch nicht mehr als klein anzusehen, da der Kläger bereits auf dem Nachbargrundstück ein gleichartiges Gebäude mit drei genehmigten Ferienwohnungen unterhalte. Die bereits vorhandenen und die zusätzlich beantragten Ferienwohnungen stellten sich auch im Hinblick auf die vom Kläger beschriebenen beherbergungsbezogenen Dienstleistungen, die er für die Gäste über die reine Ferienwohnnutzung hinaus erbringe, als eine organisatorische Zusammenfassung von Betriebsanlagen und Betriebsmitteln zu einem bestimmten Betriebszweck dar. Je Ferienwohnung müsse von bis zu sechs Betten ausgegangen werden, so dass der Kläger mit insgesamt sieben Ferienwohnungen bis zu 42 Schlafplätze in 21 Räumen vorhalten wolle. Er trage jedoch selbst vor, dass die Grenze für einen kleinen Betrieb bei 10 Zimmern liege. Tatsächlich sei mit fünf Ferienwohnungen und maximal 30 Schlafgelegenheiten die Grenze eines kleinen Beherbergungsbetriebs erreicht. In diesem Umfang sei die Rücknahme rechtswidrig und dem Kläger eine Ausnahme für eine weitere Ferienwohnnutzung zu erteilen.

16

Dass die Gemeinde zahlreiche Ferienwohnungen habe ermöglichen wollen, lasse sich der Planung nicht entnehmen. In reinen Wohngebieten könnten deshalb nur kleine Beherbergungsbetriebe ausnahmsweise zugelassen werden, weil diese ein erhöhtes Störungspotential für die benachbarte Wohnbevölkerung mit sich brächten, für die das Baugebiet in erster Linie gedacht sei. Dies gelte auch und gerade für Ferienwohnungen mit ihrer üblichen Terrassen- und Balkonnutzung, weil Feriengäste die Abend- und frühen Nachtstunden länger nutzen könnten als die arbeitende Wohnbevölkerung. Weise die Gemeinde E. ein reines Wohngebiet aus, so wolle sie damit eine vergleichbare Wohnqualität verwirklichen wie sie in anderen Orten üblich sei. Hätte sie "zahlreiche Ferienwohnungen" im Plangebiet zulassen wollen, hätte sie eine andere Art der baulichen Nutzung festgesetzt.

17

Im übrigen sei die Rücknahme rechtmäßig. Die Beklagte habe das Ermessen fehlerfrei ausgeübt. Auf einen etwaigen Vertrauensschutz im Hinblick auf den erfolgten Beginn der Bauarbeiten durch Errichtung der Bodenplatte unter geringfügiger Überschreitung der Baugrenze und einen dadurch möglicherweise entstandenen Schaden habe sie nicht eingehen müssen, weil dem Kläger diesbezüglich bereits mit der Baugenehmigung vom 16.05.2011 eine Befreiung erteilt worden sei.

18

Mit Bescheid vom 01.11.2012 hat die Beklagte in Umsetzung des erstinstanzlichen Urteils dem Kläger eine Ausnahme von den Festsetzungen des Bebauungsplans dahingehend erteilt, dass für das bereits genehmigte Wohngebäude eine weitere Ferienwohnung zugelassen wird, womit für das Gebäude auf dem Flurstück Y insgesamt zwei Dauerwohnungen und zwei Ferienwohnungen zulässig seien.

19

Auf den am 12.09.2012 gestellten Antrag des Klägers hat der Senat mit Beschluss vom 16.09.2013, zugestellt am 27.09.2013, die Berufung wegen der geltend gemachten grundsätzlichen Bedeutung der Frage zugelassen, inwieweit, in welcher Form und in welchem Umfang die Nutzung von Ferienwohnungen einen kleinen Beherbergungsbetrieb iSv § 3 Abs. 3 Nr. 1 BauNVO darstellen kann. Auf den am 18.10.2013 gestellten Antrag des Prozessbevollmächtigten des Klägers hat der Senatsvorsitzende mit Verfügung vom 21.10.2013 die Frist zur Begründung der Berufung bis zum 28.11.2013 verlängert. Der Kläger hat die Berufung am 27.11.2013 im Wesentlichen wie folgt begründet:

20

Das Verwaltungsgericht sei von unrichtigen Tatsachenfeststellungen ausgegangen. Je Wohnung sei - wie im einzelnen näher ausgeführt wird - nicht von sechs, sondern von vier Schlafgelegenheiten auszugehen. In den sieben Ferienwohnungen würden damit insgesamt 28 Schlafgelegenheiten vorgehalten. Der Schwellenwert von 30 Schlafgelegenheiten, von dem das Verwaltungsgericht für einen kleinen Beherbergungsbetrieb ausgegangen sei, werde nicht erreicht. Weshalb das Verwaltungsgericht zusätzlich auch eine Beschränkung der Anzahl der Wohnungen auf fünf zu Grunde gelegt habe, sei nicht ersichtlich. Im übrigen spreche aber alles dafür, den für M-V ermittelten Durchschnitt von knapp 50 Schlafgelegenheiten je Betrieb als Indizgröße für die Abgrenzung heranzuziehen. Erst recht liege die Zahl der Schlafgelegenheiten in dem Betrieb des Klägers deutlich unterhalb des Durchschnitts in E. (knapp 80 je Betrieb). Was ein kleiner Betrieb des Beherbergungsgewerbes sei, sei im Lichte der planerischen Zielsetzung der Gemeinde auszulegen. In einem Tourismusschwerpunktraum mit besonderer natürlicher Eignung für Fremdenverkehr, in dem sich die Gemeinde nach der Planbegründung befinde, seien solche Betriebe nach ihrer Bettenzahl naturgemäß größer als in anderen Gebieten. Dem entsprechend habe die Gemeinde auch mit Beschluss vom 25.02.2013 das Einvernehmen zur Erteilung einer Ausnahme für die Nutzung des Vorhabenflurstücks Y als kleiner Betrieb des Beherbergungsgewerbes mit vier Ferienwohnungen erteilt. Das Verwaltungsgericht habe die maßgebliche Struktur der konkreten Örtlichkeit nicht aufgeklärt, obwohl sich dies nach Lage der Dinge aufgedrängt habe.

21

Andere Merkmale als die Bettenzahl habe das Verwaltungsgericht zur Abgrenzung zu Unrecht nicht herangezogen. Richtigerweise sei auch das Element der "Versorgung" zu betrachten. Dieses spreche aber fast zwingend dafür, den Beherbergungsbetrieb als "klein" zu qualifizieren, weil in dem bestehenden Einmannbetrieb neben einem Brötchenservice lediglich Wäsche- bzw. Handtuchwechsel und Reinigung der Zimmer vorgesehen seien; weniger sei kaum möglich.

22

Zu Unrecht sei das Verwaltungsgericht bei seinen Überlegungen zum Störungspotential von Ferienwohnungen für die benachbarte Wohnbevölkerung davon ausgegangen, dass Feriengäste die Terrassen und Balkone in den Abend- und frühen Nachtstunden länger nutzen könnten als die arbeitende Wohnbevölkerung. Als typische Gäste in Ferienwohnungen hätten auch Eltern mit kleinen Kindern in diesen Stunden ein besonderes Ruhebedürfnis. Im übrigen könne angesichts der hohen Arbeitslosigkeit in Mecklenburg-Vorpommern bzw. im Landkreis Vorpommern-Greifswald nicht ohne weiteres von arbeitender Wohnbevölkerung ausgegangen werden.

23

Der Kläger beantragt,

24
1. das Urteil des Verwaltungsgerichts Greifswald vom 31.08.2012 – 5 A 760/11 – insoweit aufzuheben, als die Klage im Übrigen abgewiesen worden ist,
25
2. den Rücknahme- und Ablehnungsbescheid der Beklagten vom 13.12.2010 und ihren Widerspruchsbescheid vom 01.09.2011 aufzuheben, soweit sie die Nutzung einer dritten und vierten Wohnung als Ferienwohnungen im Gebäude auf dem Flurstück Y der Flur X der Gemarkung E. betreffen,
26
3. die Beklagte unter teilweiser Änderung ihres Rücknahme- und Ablehnungsbescheides vom 13.12.2010 und ihres Widerspruchsbescheides vom 01.09.2011 zu verpflichten, ihm Ausnahmen von der Festsetzung des Bebauungsplans für die Nutzung zweier weiterer Wohnungen, d.h. der dritten und vierten Ferienwohnung im Gebäude auf dem Flurstück Y der Flur X der Gemarkung E. zu erteilen.
27

Die Beklagte beantragt,

28

die Berufung zurückzuweisen.

29

Der Beigeladene hat keinen Antrag gestellt und sich zur Sache nicht geäußert.

30

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

31

Die Berufung ist zulässig, aber nicht begründet.

32

1. Streitgegenstand ist trotz der beschränkten Antragstellung und der vorangegangenen teilweise stattgebenden Entscheidung des Verwaltungsgerichts der Rücknahme- und Ablehnungsbescheid der Beklagten vom 13.12.2010 insgesamt. Der Streitgegenstand ist insoweit nicht teilbar. Über das zur Genehmigung gestellte Vorhaben der Errichtung eines Gebäudes mit vier Ferienwohnungen an einem bestimmten Standort konnte nur einheitlich entschieden werden. Dabei bleibt es auch im Verfahren über den Rücknahme- und Ablehnungsbescheid. Auf die Frage, ob das Vorhaben in bestimmten Aspekten mit dem Vorhaben übereinstimmt, für das bereits mit Datum vom 16.05.2011 eine Genehmigung erteilt wurde, einschließlich Befreiung von der Einhaltung der Baugrenze und Ausnahme für die Nutzung einer der vier Wohnungen als Ferienwohnung, und für das in Umsetzung des erstinstanzlichen Urteils mit dem Bescheid vom 01.11.2012 eine weitere Ausnahme für die Nutzung einer weiteren Wohnung als Ferienwohnung erteilt wurde, kommt es nicht an.

33

2. Dem Kläger fehlt für die Weiterverfolgung der Klage nicht das Rechtsschutzbedürfnis. Allerdings erstrebt er eine Baugenehmigung für ein anderes Gebäude als dasjenige, das er auf dem Vorhabenflurstück Y tatsächlich errichtet hat. Wie die mündliche Verhandlung vor dem Senat ergeben hat, ist das Gebäude jedenfalls insoweit abweichend von den Bauvorlagen errichtet worden, als in dem Gebäude über Erd- und "Dachgeschoss" hinaus eine dritte Wohnebene mit Verglasung auf der Südseite nebst Balkon entstanden ist. Es erscheint jedoch nicht von vornherein ausgeschlossen, dass dieser Bestand durch einen entsprechenden Rückbau legalisiert werden kann.

34

3. Die Klage ist nicht begründet, weil der Rücknahme- und Ablehnungsbescheid der Beklagten vom 13.12.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 01.09.2011 rechtmäßig ist und den Kläger nicht in seinen Rechten verletzt, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.

35

Nach § 48 Abs. 1 VwVfG M-V kann ein rechtswidriger Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden (Satz 1); ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), darf nur unter den Einschränkungen der Abs. 2 bis 4 der Vorschrift zurückgenommen werden. Gemessen an diesen Voraussetzungen ist die Rücknahmeentscheidung der Beklagten rechtmäßig.

36

Gegenstand der Rücknahme ist eine fiktiv erteilte Baugenehmigung. Diese Baugenehmigung ist rechtswidrig. Sie war nicht zu erteilen, weil dem Vorhaben öffentlich-rechtliche Vorschriften des Bauplanungsrechts entgegen stehen, § 72 Abs. 1 LBauO M-V. Da das Vorhaben im Geltungsbereich eines qualifizierten Bebauungsplans liegt, setzt die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit gemäß § 30 Abs. 1 BauGB voraus, dass das Vorhaben dessen Festsetzungen nicht widerspricht. Dies ist aber hier im Hinblick auf die angestrebte Art der baulichen Nutzung des Gebäudes für vier Ferienwohnungen der Fall.

37

a) Der Bebauungsplan Nr. 3 der Gemeinde E. "Bebauung F." setzt ein reines Wohngebiet fest, in dem gemäß § 3 Abs. 2 BauNVO nur Wohngebäude (und nach der aktuellen Fassung der BauNVO Anlagen zur Kinderbetreuung) allgemein zulässig sind. Bei dem Vorhaben des Klägers handelt es sich jedoch nicht um ein Wohngebäude in diesem Sinne. Wie der Senat bereits in dem Beschluss vom 28.12.2007 - 3 M 190/07 - (Juris Rn. 9 ff.) ausgeführt hat, sind Ferienwohnungen von dem bauplanungsrechtlichen Begriff des Wohngebäudes nicht umfasst. An dieser Rechtsprechung hält der Senat - in Übereinstimmung mit dem Bundesverwaltungsgericht (vgl. B. v. 11.07.2013 - 4 CN 7.12 - NVwZ 2014, 72 = Juris Rn. 11) - fest (ebenso: OVG Lüneburg B. v. 22.11.2013 - 1 LA 49/13 - NordÖR 2014, 81 = Juris Rn. 18; anderer Ansicht: Jäde BauNVO § 3 Rn. 4; unklar Fickert/Fieseler BauNVO § 3 Rn. 1.2 u. 10 sowie § 10 Rn. 34.1, wo einzeln gelegene Ferienwohnungen in reinen und allgemeinen Wohngebieten offenbar für allgemein zulässig gehalten werden).

38

Das Bauplanungsrecht unterscheidet begrifflich zwischen Wohngebäuden einerseits und Ferien- und Wochenendhäusern andererseits. Während nach den §§ 2, 3, 4, 4a, 5 und 6 BauNVO "Wohngebäude" in den entsprechenden Baugebieten zulässig sind, bezieht sich § 10 Abs. 3 BauNVO auf "Wochenendhäuser" und § 10 Abs. 4 BauNVO auf "Ferienhäuser". Diese begriffliche Unterscheidung ist im Bauplanungsrecht angelegt (vgl. BVerwG U. v. 12.03.1982 - 4 C 59.78 -, NJW 1982, 2512 = Juris Rn. 23). Die Baunutzungsverordnung führt die allgemeine Wohnnutzung einerseits und die Ferienwohnnutzung andererseits als eigenständige Nutzungsarten auf (BVerwG, B. v. 08.05.1989 - 4 B 78.89 -, NVwZ 1989, 1060 = Juris Rn. 3; B. v. 07.09.1984 – 4 N 3.84 – NVwZ 1985, 338 = Juris Rn. 21).

39

Um den Wohnbegriff in Abgrenzung zu anderen Nutzungsarten unter Zugrundelegung der typisierenden bauplanungsrechtlichen Betrachtungsweise sachgerecht zu erfassen, bedarf es einer wertenden Betrachtung aller Umstände. Maßgeblich ist die Zweckbestimmung des Aufenthalts in den Räumen. Zum Begriff des Wohnens gehört eine auf Dauer angelegte Häuslichkeit, die Eigengestaltung der Haushaltsführung und des häuslichen Wirkungskreises sowie die Freiwilligkeit des Aufenthalts. Diese Definition ist aus der Abgrenzung zu anderen planungsrechtlichen Nutzungsformen (Beherbergung, Heimunterbringung, Formen der sozialen Betreuung und Pflege) entwickelt worden. Sie soll den Bereich des Wohnens als Bestandteil der privaten Lebensgestaltung kennzeichnen. Gemeint ist damit die Nutzungsform des selbstbestimmt geführten privaten Lebens "in den eigenen vier Wänden", die auf eine gewisse Dauer angelegt ist und keinem anderen in der Baunutzungsverordnung vorgesehenen Nutzungszweck verschrieben ist, insbesondere keinem Erwerbszweck dient (vgl. BVerwG B. v. 25.03.2004 - 4 B 15.04 - BRS 67 Nr. 70 = Juris Rn. 4 mwN; B. v. 25.03.1996 - 4 B 302.95 - NVwZ 1996, 893 = Juris Rn. 12). Diese Merkmale schließen einen Zweitwohnsitz nicht aus (vgl. OVG Greifswald U. v. 11.07.2007 - 3 L 75/06 -). Sie unterscheiden das (Dauer-)Wohnen aber von anderen Nutzungsarten, die sich durch ein übergangsweises, nicht "alltägliches" Wohnen oder ein provisorisches, einem begrenzten Zweck dienendes Unterkommen auszeichnen. Bei Ferienwohnungen, die vom Nutzungskonzept her (zumeist wochenweisen) vorübergehenden Aufenthalt für ständig wechselnde Feriengäste bieten (vgl. Stock in: König u.a. BauNVO, 2. Aufl. § 3 Rn. 17; vgl. a. Boeddinghaus BauNVO 5. Aufl. 2005 § 10 Rn. 15), fehlt es typischerweise an der auf Dauer angelegten Häuslichkeit (OVG Lüneburg B. v. 22.11.2013 – 1 LA 49/13 – NordÖR 2014, 81 = Juris Rn. 18; OVG Münster U. v. 17.01.1996 – 7 A 166/96 – S. 13 d. Urteilsabdrucks). (Dauer)Wohnungen werden demgegenüber von einem über einen längeren Zeitraum gleichbleibenden Bewohnerkreis genutzt. Die daraus resultierenden unterschiedlichen bodenrechtlichen Auswirkungen der beiden Nutzungsarten rechtfertigen die bauplanungsrechtliche typisierende Unterscheidung.

40

b) Die beantragte Nutzung des Gebäudes für vier Ferienwohnungen kann auch nicht ausnahmsweise zugelassen werden. Die Voraussetzungen für die Erteilung einer Ausnahme liegen nicht vor. Ausnahmen von den Festsetzungen des Bebauungsplans können nach § 31 Abs. 1 BauGB zugelassen werden, wenn sie in dem Bebauungsplan nach Art und Umfang ausdrücklich vorgesehen sind. Gemäß Ziff. 1.1 der textlichen Festsetzungen des Bebauungsplans Nr. 3 der Gemeinde E. sollen von den gemäß § 3 Abs. 3 BauNVO im reinen Wohngebiet grundsätzlich ausnahmefähigen Vorhaben nur kleine Betriebe des Beherbergungsgewerbes ausnahmsweise zugelassen werden können. Hierunter fällt das Vorhaben des Klägers nicht.

41

aa) Das Vorhaben des Klägers ist kein Betrieb des Beherbergungsgewerbes.

42

(1) Ferienwohnungen und Betriebe des Beherbergungsgewerbes sind bauplanungsrechtlich unterschiedliche Nutzungsarten. Auch die Vermietung mehrerer in einem Gebäude oder räumlich benachbart liegender Ferienwohnungen desselben Eigentümers begründet nicht das Vorliegen eines Betriebs des Beherbergungsgewerbes iSd § 3 Abs. 3 BauNVO (vgl. OVG Lüneburg U. v. 12.12.2013 - 1 LA 123/13 - DVBl 2014, 254 Rn. 11 u. B. v. 18.07.2008 – 1 LA 203/07 – BRS 73 Nr. 168 = Juris Rn. 12; vgl. a. B. v. 22.11.2013 - 1 LA 49/13 - NordÖR 2014, 81 = Juris Rn. 19; OVG Münster U. v. 17.01.1996 – 7 A 166/96 – S. 10 d. Urteilsabdrucks; ebenso VG Schwerin U. v. 20.12.2012 – 2 A 1577/10 – Juris Rn. 34 ff. sowie U. v. 20.12.2012 – 2 A 863/11 – Juris Rn. 31 ff; anderer Ansicht: Stock in König ua BauNVO § 4a Rn. 25 sowie in Ernst/Zinkahn/Bielenberg § 4 BauNVO Rn. 110, 114; Fickert/Fieseler BauNVO 11. Aufl.2008 § 3 Rn. 19; OVG Lüneburg U. v. 20.05.1987 - 1 A 124/86 - BRS 47 Nr. 37; offener Bönker in Bönker/Bischopink BauNVO § 7 Rn. 70).

43

Ferienwohnungen und Betriebe des Beherbergungsgewerbes werden im Bauplanungsrecht begrifflich unterschieden. Während das Ferienwohnen nur in § 10 Abs. 4 BauNVO bezogen auf den Spezialfall der Ferienhäuser Erwähnung findet, nennt die Baunutzungsverordnung Betriebe des Beherbergungsgewerbes in § 4 Abs. 2 Nr. 2, § 5 Abs. 2 Nr. 5, § 6 Abs. 2 Nr. 3 und § 7 Abs. 2 Nr. 2 als allgemein zulässig und in § 3 Abs. 3 Nr. 1 und § 4 Abs. 3 Nr. 1 – im ersteren Falle mit der Einschränkung auf kleine Betriebe - als ausnahmsweise zulässig. Es handelt sich um städtebaulich relevante, eigenständige Nutzungsarten (vgl. BVerwG B. v. 08.05.1989 – 4 B 78.89 – NVwZ 1989, 1060 = Juris Rn. 3; B. v. 07.09.1984 – 4 N 3.84 – NVwZ 1985, 338 = Juris Rn. 21). Eine Beherbergung liegt daher nicht etwa immer bereits dann vor, wenn bei Anmietung einer fremden Wohnung wegen fehlender Dauerhaftigkeit ein (Dauer-)Wohnen verneint werden muss (so aber wohl Vietmeier in Bönker/Bischopink aaO § 3 Rn. 27).

44

Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist die mietweise Überlassung von selbständigen Wohnungen, sei es auch zu Ferienzwecken, keine Beherbergung (vgl. BVerwG B. v. 08.05.1989 - 4 B 78.89 - NVwZ 1989, 1060 = Juris Rn. 3). Bereits zuvor hatte das Bundesverwaltungsgericht formuliert, Vieles spreche dafür, dass die Nutzung "Betrieb des Beherbergungsgewerbes" nicht die allgemeine Wohnnutzung (einschließlich der Nutzung als Zweitwohnung) und nicht die Ferienwohnung iSd § 10 Abs. 4 BauNVO umfasst, weil die Baunutzungsverordnung die allgemeine Wohnnutzung und die Ferienwohnnutzung als städtebaulich relevante eigenständige Nutzungsarten neben der Nutzungsart "Beherbergungsbetriebe" regelt (vgl. B. v. 07.09.1984 - 4 N 3.84 - NVwZ 1985, 338 = Juris Rn. 20 f.). Aus dem Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 27.11.1987 - 4 B 230/87 ua (DÖV 1988, 382 = Juris) folgt nichts anderes. Zwar betrifft diese Entscheidung einen Fall, in dem die Vorinstanz (OVG Lüneburg, U. v. 20.05.1987 - 1 A 124/86 - BRS 47 Nr. 37) 10 Ferienwohnungen in zwei Häusern zusammengefasst als Betrieb des Beherbergungsgewerbes angesehen hatte; zu dieser Einordnung selbst verhält die Entscheidung sich aber mangels entsprechender Rüge nicht. Auch dem Urteil des Bundesverwaltungsgericht vom 29.04.1992 - 4 C 43.89 - (BVerwGE 90, 140 = Juris Rn. 16) lässt sich eine andere Auffassung nicht entnehmen, weil die Frage, ob ein Beherbergungsbetrieb ("im weiteren Sinne") vorliegt, wenn Appartements mit Kochgelegenheit ohne nennenswerte weitere Dienstleistungen an Montagearbeiter vermietet werden, ausdrücklich offen gelassen wird.

45

(2) Ein Betrieb des Beherbergungsgewerbes liegt nach der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts vor, wenn Räume ständig wechselnden Gästen zum vorübergehenden Aufenthalt zur Verfügung gestellt werden, ohne dass diese dort ihren häuslichen Wirkungskreis unabhängig gestalten können (vgl. BVerwG B. v. 08.05.1989 - 4 B 78.89 - NVwZ 1989, 1060 = Juris Rn. 3). Diese Voraussetzungen sind jedenfalls dann erfüllt, wenn sich die Überlassung der Räume auf eine reine Übernachtungsmöglichkeit beschränkt, so dass der Gast ausstattungsbedingt auf die Inanspruchnahme weiterer Dienstleistungen angewiesen ist (vgl. OVG Berlin-Brandenburg B. v. 06.07.2006 - OVG 2 S 2.06 - BRS 70 Nr. 67 = Juris Rn. 8; s.a. OVG Münster B. v. 14.08.2007 - 10 A 1219/06 - NVwZ-RR 2008, 20 = Juris Rn. 9 ff.). Danach sind Hotels, Pensionen, Gasthöfe, Gästehäuser und Fremdenheime typische Betriebe des Beherbergungsgewerbes.

46

Ferienwohnungen sind entsprechend der - Ferienhäuser betreffenden - Bestimmung des § 10 Abs. 4 BauNVO auf Grund ihrer Lage Größe, Ausstattung, Erschließung und Versorgung für den Erholungsaufenthalt geeignet und dazu bestimmt, überwiegend und auf Dauer einem wechselnden Personenkreis zur Erholung zu dienen. Diese sind nach ihrer Ausstattung auf eine Selbstversorgung der Feriengäste ausgerichtet, so dass die Voraussetzung für einen Betrieb des Beherbergungsgewerbes, dass der häusliche Wirkungskreis nicht unabhängig gestaltet werden kann, nicht erfüllt ist (vgl. OVG Lüneburg B. v. 22.11.2013 – 1 LA 49/13 – NordÖR 2014, 81 = Juris Rn. 19 sowie B. v. 18.07.2008 – 1 LA 203/07 – BRS 73 Nr. 168 = Juris Rn. 12; vgl. a. OVG Münster U. v. 17.01.1996 – 7 A 166/96 – S. 10 d. Urteilsabdrucks). Soweit der Beschluss des Senats vom 28.12.2007 – 3 M 190/07 – (Juris) zur Abgrenzung von Dauerwohnen und Ferienwohnen dahin gehend verstanden werden konnte, bei der Ferienwohnnutzung sei ein unabhängig zu gestaltender häuslicher Wirkungskreis nicht gegeben, hält der Senat daran nicht fest.

47

(3) Allerdings bedarf der Begriff des Betriebs des Beherbergungsgewerbes im Hinblick auf entstandene Zwischenformen wie zB Apart(ment)hotels der Modifizierung. Da es für die Zuordnung zu bestimmten Nutzungsarten allgemein nicht nur auf die mit einer bestimmten baulichen Ausstattung gegebenen Möglichkeiten der Nutzung ankommt, sondern maßgeblich auch auf das Nutzungskonzept und dessen grundsätzliche tatsächliche Verwirklichung (vgl. BVerwG B. v. 25.03.1996 – 4 B 302.95 – NVwZ 1996, 893 = Juris Rn. 12; Vietmeier in Bönker/Bischopink BauNVO § 4 Rn. 68), können auch Unterkünfte, die eine unabhängige Gestaltung des häuslichen Wirkungskreises ermöglichen, zu einem Beherbergungsbetrieb gehören, nämlich dann wenn neben der Überlassung von Räumen beherbergungstypische Dienstleistungen angeboten und auch typischerweise in Anspruch genommen werden, die einen nennenswerten Umfang erreichen und die Nutzung prägen (vgl. OVG Münster B. v. 14.08.2007 - 10 A 1219/06 - NVwZ-RR 2008, 20 = Juris Rn. 9; OVG Berlin-Brandenburg B. v. 06.07.2006 - OVG 2 S 2.06 - BRS 70 Nr. 67 = Juris Rn. 8 ff. - "Boardinghouse"; VG Berlin B. v. 23.01.2013 – 19 L 294/11LKV 2012, 93 = Juris Rn. 20 ff.). Soweit eine Unterkunft nach Größe und Ausstattung die Möglichkeit bietet, auf eine gewisse Dauer ein selbst bestimmtes häusliches Leben zu führen, insbesondere weil diese über eine eigene Küchenzeile mit Kühlschrank und darüber hinaus weitere zur eigenständigen Haushaltsführung geeignete technische Geräte verfügt, kann daher gleichwohl ein Beherbergungsbetrieb vorliegen, wenn hotelähnliche Nebenleistungen wie Frühstücksbuffet, Reinigungsdienst, Wäscheservice, Bettwäschewechsel oder Lebensmitteldienste einen nennenswerten Umfang erreichen, vom eigenen Hauspersonal erbracht werden und im Preis inbegriffen sind. Danach ist das Vorhandensein der für einen solchen Betrieb typischen Servicebereiche außerhalb der vermieteten Unterkünfte - wie Speise- und Aufenthaltsräume mit dem zugehörigen Personalservice, betriebsnotwendige Nebenräume, Aufenthalts- und Sozialräume für das Personal sowie Lagerräume für die Unterbringung von Servicegerätschaften und Bedarfsartikeln - ein Indiz für einen Beherbergungsbetrieb; der räumlichen Struktur der Gesamtanlage und den sich dadurch bietenden Nutzungsmöglichkeiten kommt neben dem Nutzungskonzept ein besonderes Gewicht zu (vgl. OVG Berlin-Brandenburg aaO). Vor diesem Hintergrund kann auch der Umstand, dass der Vorhabenträger keine Betriebsbeschreibung einreicht, aus der sich die Betriebsabläufe, Zahl der Mitarbeiter, Öffnungszeiten usw. ergeben, und eine solche Beschreibung zur Beurteilung des Vorhabens auch nicht erforderlich erscheint, als Indiz dafür gewertet werden, dass relevante Betriebsabläufe nicht stattfinden, wie sie zum Betrieb des Beherbergungsgewerbes gehören.

48

In Modifizierung der Ausgangsdefinition ist daher ein Betrieb des Beherbergungsgewerbes dann anzunehmen, wenn Räume ständig wechselnden Gästen zum vorübergehenden Aufenthalt zur Verfügung gestellt werden, ohne dass diese dort typischerweise eine eigene Häuslichkeit begründen, entweder weil dies nach der Art der Räumlichkeiten gar nicht möglich ist oder weil die Inanspruchnahme beherbergungstypischer Dienstleistungen die Nutzung prägt.

49

(4) Eine generelle Einordnung von Ferienwohnungen als Betrieb des Beherbergungsgewerbes ist auch nicht im Hinblick auf die städtebaulichen Zielsetzungen der Baunutzungsverordnung gerechtfertigt. Soweit angeführt wird, dass Ferienwohnungen vergleichbare Auswirkungen auf die Umgebung hätten wie Betriebe des Beherbergungsgewerbes (vgl. OVG Lüneburg, U. v. 20.05.1987 - 1 A 124/86 - BRS 47 Nr. 37), mag allerdings auf den ersten Blick einiges dafür sprechen anzunehmen, dass das Störpotential von Ferienwohnungen für die Umgebung demjenigen ähnelt, das von Beherbergungsbetrieben ausgeht, oder wegen der meist nicht tage- sondern nur wochenweisen Vermietung sogar geringer ist. Andererseits können gerade die typischerweise geringere Größe der überlassenen Räumlichkeiten und das Vorhandensein bewirtschafteter Servicebereiche in Betrieben des Beherbergungsgewerbes auch Anlass bieten anzunehmen, das Störpotential könnte geringer sein bzw. vom Betriebsinhaber besser gesteuert werden. Hinzu kommt, dass für die bauplanungsrechtliche Beurteilung nicht nur die (ggf. störenden) Auswirkungen eines Vorhabens in dem Blick zu nehmen sind, sondern auch seine Anforderungen an die Umgebung. Diese können sich zwischen Ferienwohnung und Beherbergungsbetrieb zB deshalb unterscheiden, weil der Beherbergungsbetrieb im Hinblick auf seine Bewirtschaftung bereits selbst ein Mindestmaß an "Infrastruktur" garantiert, das deshalb nicht in der Umgebung vorgehalten werden muss. Ein weiterer maßgeblicher Unterschied ergibt sich aus dem häufigen Leerstand von Ferienwohnungen außerhalb der Saison-Zeiten.

50

Allerdings führt die hier vertretene Auffassung dazu, dass "reine" Ferienwohnungen in anderen als Sondergebieten generell unzulässig sind. Der Plangeber, der kein Sondergebiet sondern ein allgemeines Wohngebiet festsetzt, ist auch nicht befugt, den Begriff "Betrieb des Beherbergungsgewerbes" in einem von der Baunutzungsverordnung abweichenden Sinne zu verwenden und Ferienwohnungen einzuschließen (zu den insoweit bestehenden Gestaltungsmöglichkeiten der planenden Gemeinde bei der Festsetzung von Sondergebieten vgl. OVG Lüneburg B. v. 12.12.2013 - 1 LA 123/13 - DVBl 2014, 254 = Juris Rn. 11 f. mwN). Diese Konsequenz als unerwünscht anzusehen, wird teilweise zum Anlass genommen, Ferienwohnungen entweder dem Begriff der Wohngebäude zuzuordnen (vgl. Jäde BauNVO § 3 Rn. 4; unklar Fickert/Fieseler BauNVO § 3 Rn. 1.2 u.10 sowie § 10 Rn. 34.1), oder die Vermietung von Ferienwohnungen "der Beherbergung gleichzustellen" (vgl. Stock in König ua BauNVO § 4a Rn. 25 sowie in Ernst/Zinkahn/Bielenberg § 4 BauNVO Rn. 110, 114). Im Hinblick auf die Kategorien der BauNVO, die nur nach Maßgabe des § 1 Abs. 3 ff. BauNVO im Bebauungsplan variiert werden können, ist es jedoch Sache des Verordnungsgebers, eine ggf. gewünschte Einordnung der Ferienwohnungen vorzunehmen. Auch anlässlich der letzten Änderung der Baunutzungsverordnung mit dem Gesetz zur Stärkung der Innenentwicklung in den Städten und Gemeinden und weiteren Fortentwicklung des Städtebaurechts vom 11.06.2013 (BGBl. I S. 1548) sind entsprechende Vorschläge vom Verordnungsgeber jedoch nicht aufgegriffen worden.

51

(5) Nach den vorstehenden Kriterien ist im vorliegenden Fall von Ferienwohnungen und nicht von einem Betrieb des Beherbergungsgewerbes auszugehen. Die bloße Ausstattung der Wohnungen mit Bett-, Tisch- und Badwäsche entspricht einer möblierten Vermietung und stellt noch keine beherbergungstypische Dienstleistung dar (vgl. OVG Berlin-Brandenburg B. v. 06.07.2006 - OVG 2 S 2.06 - BRS 70 Nr. 67 = Juris Rn. 15). Ebenso gibt das "Housekeeping" durch den Kläger, d.h. die Reinigung und Instandhaltung des Hauses und Grundstücks, für die Abgrenzung nichts her, weil dieses im Grundsatz ebenso im Falle einer Vermietung „reiner“ Ferienwohnungen erfolgt. Soweit der Kläger auch Bettwäsche- und Handtuchwechsel im Laufe des Mietzeitraums sowie einen Brötchenservice anbietet, geht es um geringfügige Dienstleistungen, die nicht zum "Kernangebot" gehören und die Nutzung nicht prägen. Der Kläger selbst trägt vor, er beschäftige keine Mitarbeiter, sondern führe einen Ein-Mann-Betrieb; ein geringeres Leistungsangebot als bei ihm sei kaum möglich. Typische Servicebereiche außerhalb der vermieteten Unterkünfte wie Speise- oder Aufenthaltsräume mit Personalservice einschließlich entsprechender Nebenräume sind nicht vorhanden. Dem entsprechend ist mit dem Bauantrag auch keine Betriebsbeschreibung eingereicht worden und von der Beklagten auch nicht für erforderlich gehalten worden.

52

bb) Lediglich ergänzend und ohne dass es für die Entscheidung noch darauf ankommt, wird darauf hingewiesen, dass es sich, auch wenn ein Betrieb des Beherbergungsgewerbes bejaht würde, nicht mehr um einen kleinen Betrieb handeln dürfte. § 3 Abs. 3 BauNVO verwendet zur Kennzeichnung des Typs der in reinen Wohngebieten ausnahmsweise zulassungsfähigen Beherbergungsbetriebe als Zusatz den unbestimmten Rechtsbegriff "klein", um eine Konkretisierung im Einzelfall, nämlich unter Bezug auf das im Bebauungsplan festgesetzte Gebiet zu ermöglichen. Was in diesem Sinne "klein" ist, kann zwar im Einzelfall nach der Bettenzahl als einem dafür maßgeblichen Merkmal bestimmt werden, aber nicht allgemein mit einer bestimmten Zahl einheitlich für alle nach § 3 BauNVO festgesetzten und festzusetzenden Gebiete. Für die Auslegung kommt es vielmehr auf die Festsetzungen des Bebauungsplans und deren Bedeutung in der konkreten Örtlichkeit an (vgl. BVerwG B. v. 27.11.1987 - 4 B 230/87 ua - DÖV 1988, 382 = Juris Rn. 3). Maßgeblich ist, ob sich der Betrieb nach Erscheinungsform, Betriebsform und Betriebsführung sowie unter Berücksichtigung der Zahl der Benutzer unauffällig in das Gebiet einordnet. Wesentlicher Gesichtspunkt ist dabei, wie sich der Betrieb auf seine Umgebung auswirkt und welche Störungen von ihm ausgehen. Die kleinen Betriebe des Beherbergungsgewerbes werden dadurch gekennzeichnet, dass sie sich der Vermietung von Wohnräumen annähern, baulich zumeist nicht besonders in Erscheinung treten und in Folge dessen auch den Charakter des reinen Wohngebietes nicht beeinflussen (vgl. OVG Hamburg B. v. 07.01.2000 - 2 Bs 344/99 - BRS 63 Nr. 68 = Juris Rn. 7; vgl. a. VGH Kassel B. v. 24.01.2007 - 4 TG 2870/06 - BRS 71 Nr. 53 = Juris Rn. 4 sowie zur Bedeutung der Bettenzahl VGH Mannheim U. v. 31.01.1997 - 8 S 3167/96 - BRS 59 Nr. 58 = Juris Rn. 17; zum Begriff des "wohnartigen (Gewerbe-)Betriebs" vgl. Schiller in Gelzer Bauplanungsrecht Rn. 1546 u. Jäde BauNVO § 3 Rn. 44).

53

Vorliegend ist zu berücksichtigen, dass es sich um ein kleines Baugebiet handelt, in dem nach dem Willen des Plangebers lediglich etwa 15 bis 20 Wohneinheiten als Einzel- oder Doppelhäuser beiderseits einer einzigen als Sackgasse ausgestalteten Wohnstraße entstehen sollen. Allerdings hat der Plangeber mit der Festlegung der Baugrenzen und den Festsetzungen zum Maß der baulichen Nutzung (Grundflächenzahl 0,3, höchstens zwei Vollgeschosse, Traufhöhe 3,80 m, Dachneigung 30-49 Grad) eine eher großzügige bauliche Ausnutzung der Grundstücke ermöglicht. Das streitgegenständliche Gebäude dürfte daher isoliert betrachtet nicht besonders in Erscheinung treten. Unter dem Gesichtspunkt eines Betriebs des Beherbergungsgewerbes wären aber vorliegend die beiden Gebäude mit Ferienwohnungen auf den Flurstücken Z und Y zusammen zu betrachten (vgl. die ähnliche Fallkonstellation die dem U. d. OVG Lüneburg v. 20.05.1987 - 1 A 124/86 - BRS 47 Nr. 37 u. dem B. d. BVerwG v. 27.11.1987 - 4 B 230/87 ua - DÖV 1988, 382 = Juris zu Grunde lag). Läge damit ein den Umfang eines Einzelhauses überschreitender und zwei Bauplätze einnehmender Betrieb vor, so dürfte dieser sich nicht mehr unauffällig einordnen, sondern die Umgebung dominieren und daher in dem konkreten Baugebiet nicht mehr als "klein" anzusehen sein. Entsprechendes gilt unter dem Gesichtspunkt der Bettenzahl. Dem Vortrag des Klägers folgend geht der Senat davon aus, dass jede Ferienwohnung vier Betten umfasst, so dass sich für das streitgegenständliche Gebäude 16 Betten ergeben. Ein einheitlicher Betrieb des Beherbergungsgewerbes, der in den Gebäuden auf den Flurstücken Z und Y betrieben würde, hätte 28 Betten. In einem Gebiet, das von einer Einfamilienhausbebauung geprägt sein soll, dürfte auch im Hinblick auf diese Bettenzahl die Grenze eines kleinen Beherbergungsbetriebes überschritten sein. Denn durch ein entsprechendes Vorhaben werden auf Grund der wechselnden Gäste und der potentiellen Nutzungskonflikte zwischen Urlaubs- und Dauerwohnnutzung Störungen in das Gebiet hineingetragen, die mit der Zahl der Gäste zunehmen. Auf die Verhältnisse in der Gemeinde E. insgesamt und die durchschnittliche Bettenzahl der dortigen Beherbergungsbetriebe kommt es nicht an; erst recht nicht auf die durchschnittliche Bettenzahl von Beherbergungsbetrieben in Mecklenburg-Vorpommern.

54

Soweit der Kläger sich der Sache nach auf den Beschluss des BVerwG vom 27.11.1987 - 4 B 230/87 (DÖV 1988, 382 = Juris) beruft, ist dort lediglich die Bewertung der Vorinstanz unbeanstandet geblieben, ein Beherbergungsbetrieb mit zehn Ferienwohnungen und 30 Betten sei nicht mehr "klein" iSd § 3 Abs. 3 BauNVO. Daraus kann nicht gefolgert werden, bei dieser Größenordnung liege die generelle Obergrenze für einen kleinen Beherbergungsbetrieb, zumal es - wie bereits ausgeführt - auf die konkrete Situation vor Ort ankommt.

55

Gegen die Ermessensausübung der Beklagten sind Bedenken weder vorgetragen noch ersichtlich. Insoweit wird auf die zutreffenden Gründe der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen.

56

Ebenso wie die Rücknahme der als erteilt geltenden Baugenehmigung ist auch die Ablehnung des Bauantrages rechtmäßig. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Erteilung einer Baugenehmigung für sein Vorhaben (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).

57

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 2, 162 Abs. 3 VwGO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO iVm §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

58

Die Revision wird wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Frage zugelassen, ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen Ferienwohnungen einen Betrieb des Beherbergungsgewerbes im Sinne der Vorschriften der Baunutzungsverordnung darstellen können (§ 132 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Diese Frage ist soweit ersichtlich in der jüngeren Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nicht thematisiert worden; aus der älteren Rechtsprechung werden zum Teil unterschiedliche Schlussfolgerungen gezogen. Zudem haben sich die tatsächlichen Gegebenheiten verändert, was die Unterkunftsarten für Erholungssuchende und die Entwicklung von Zwischenformen zwischen Wohnen bzw. Ferienwohnen und Beherbergung angeht, so dass sich die Frage auch unter diesem Gesichtspunkt neu stellt.

Tenor

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Greifswald vom 10.09.2007 wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst trägt.

Der Wert des Streitgegenstandes für das Beschwerdeverfahren wird auf 5.000,- Euro festgesetzt.

Gründe

I.

1

Die Antragstellerin wendet sich gegen eine Verfügung des Antragsgegners, mit der ihr die Nutzung einer Ferienwohnung untersagt wurde.

2

Im Oktober 2004 zeigte die Antragstellerin die Errichtung eines Zweifamilienwohnhauses mit Carport auf dem Grundstück Flurstück 276/23 der Flur 5 der Gemarkung X., Anschrift: Y. 5, X., bei dem Antragsgegner an. Mit Schreiben vom 02.05.2005 teilte sie den Nutzungsbeginn mit.

3

Das Grundstück liegt im Geltungsbereich des Bebauungsplanes Nr. 6 Wohngebiet "Y." der Beigeladenen vom 21.08.2003 in der Fassung der ersten vereinfachten Änderung vom 06.07.2006, in Kraft getreten am 15.12.2006, dort in dem Baufeld I. Als Art der baulichen Nutzung ist für dieses Baufeld ein Allgemeines Wohngebiet mit maximal zwei Wohnungen bei maximal zwei Vollgeschossen festgesetzt, wobei sämtliche in § 4 Abs. 3 BauNVO genannten, ausnahmsweise zugelassenen Nutzungsarten ausgeschlossen sind. In der Begründung wird angeführt, dass das Gebiet mit geeigneten Wohnbaulandflächen der Abdeckung des zukünftigen Wohnbedarfs der Bevölkerung der Gemeinde dienen soll.

4

Nach Anhörung zur angezeigten Ferienwohnungsnutzung untersagte der Antragsgegner der Antragstellerin mit Verfügung vom 21.08.2007 unter Anordnung der sofortigen Vollziehung und Androhung eines Zwangsgeldes die Nutzung der Dachgeschosswohnung als Ferienwohnung mit der Begründung, eine Freizeitwohnnutzung sei im Allgemeinen Wohngebiet nicht zulässig.

5

Mit anwaltlichem Schreiben vom 24.08.2007 legte die Antragstellerin Widerspruch ein und suchte unter dem 26.08.2007 um vorläufigen Rechtsschutz nach.

6

Das Verwaltungsgericht lehnte den Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs durch Beschluss vom 09.10.2007 mit der Begründung ab, die Nutzung der Wohnung im Dachgeschoss des Hauses der Antragstellerin als Ferienwohnung widerspreche öffentlich-rechtlichen Vorschriften, weil sie formell illegal sei. Im Verhältnis zur ursprünglich angezeigten allgemeinen Wohnnutzung stelle die Nutzung als Ferienwohnung eine genehmigungsbedürftige Nutzungsänderung dar. Zwar handele es sich bei der Vermietung einer einzelnen Ferienwohnung nicht um den Betrieb eines nach den Festsetzungen des Bebauungsplanes ausgeschlossenen Beherbergungsgewerbes. Die Ferienwohnungsnutzung sei wegen der entgegenstehenden Festsetzungen im Bebauungsplan auch nicht genehmigungsfähig und die Nutzung damit materiell rechtswidrig.

II.

7

Die dagegen gerichtete Beschwerde bleibt ohne Erfolg. Das gem. § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO maßgebliche Beschwerdevorbringen rechtfertigt die Änderung der erstinstanzlichen Entscheidung nicht, da sich die Nutzungsuntersagungsverfügung nach der im Eilverfahren gebotenen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage als rechtmäßig erweist und die Antragstellerin nicht in ihren Rechten verletzt.

8

Die im Kern des Beschwerdevorbringens stehende Frage, ob sich eine Ferienwohnnutzung bauplanungsrechtlich (lediglich) als eine Unterform der Wohnnutzung darstellt und damit im vorliegend festgesetzten Allgemeinen Wohngebiet zulässig ist, beantwortet der Senat im Sinne der erstinstanzlichen Entscheidung, wonach es sich bei der gebotenen typisierenden Betrachtung bei der Ferienwohnnutzung gegenüber der allgemeinen Wohnnutzung um eine eigenständige Nutzungsart handelt.

9

Zwar kann nach allgemeinem Sprachgebrauch auch ein Ferien- oder Wochenendhaus als ein "Wohngebäude" bezeichnet werden; denn auch Ferien- oder Wochenendhäuser dienen dem Wohnen. Gleichwohl unterscheidet das Bauplanungsrecht begrifflich zwischen Wohngebäuden einerseits und Ferien- und Wochenendhäusern andererseits: Während nach den §§ 2, 3, 4, 4 a, 5 und 6 der Baunutzungsverordnung in der Fassung vom 15. September 1977 (BGBl. I S. 1763) - BauNVO - "Wohngebäude" in den entsprechenden Baugebieten zulässig sind, bezieht sich § 10 Abs. 3 BauNVO auf "Wochenendhäuser" und § 10 Abs. 4 BauNVO auf "Ferienhäuser". Diese begriffliche Unterscheidung ist im Bauplanungsrecht angelegt (vgl. BVerwG, U. v. 12.03.1982 - 4 C 59.78 -, NJW 1982, 2512). Die BauNVO führt die allgemeine Wohnnutzung einerseits und die Ferienwohnnutzung andererseits als eigenständige Nutzungsarten auf (BVerwG, B. v. 08.05.1989 - 4 B 78.89 -, NVwZ 1989, 1060).

10

Um den Wohnbegriff in Abgrenzung zu anderen Nutzungsarten unter Zugrundelegung der o.g. typisierenden bauplanungsrechtlichen Betrachtungsweise sachgerecht zu erfassen, bedarf es einer wertenden Betrachtung aller Umstände. Zu unterscheiden ist die im wesentlichen an der Zweckbestimmung des Aufenthalts in den Räumen (vgl. zu dieser als maßgebliches Kriterium: Bielenberg in Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauGB, Kommentar, Bd. V, § 3 BauNVO Rn. 8) ausgerichtete (reine) Wohnnutzung von der Ferienwohnnutzung, in der der für das Dauerwohnen maßgebende eigenständige bzw. unabhängig zu gestaltende häusliche Wirkungskreis nicht angenommen werden kann (Bielenberg, a.a.O., Rn. 20). Zum Begriff des Wohnens gehört eine auf Dauer angelegte Häuslichkeit, zu der auch die Eigengestaltung der Haushaltsführung und des häuslichen Wirkungskreises gehört (vgl. BVerwG, B. v. 25.03.1996 - 4 B 302.95 -, BRS 58 Nr. 56). Mit der Dauerhaftigkeit des Wohnens ist zunächst nicht der Gegensatz von längerer und kürzerer oder von unbestimmter und bestimmter Dauer zu verbinden. So schließt etwa eine auf Dauer angelegte Häuslichkeit als Inbegriff des Wohnens einen Zweitwohnsitz nicht aus (Senat, U. v. 11.07.2007 - 3 L 75/06 -). Ausgehend von der Zweckbestimmung des Aufenthalts in den Räumen unterscheidet sich Wohnen von anderen Nutzungsarten, die sich durch ein übergangsweises, nicht "alltägliches" Wohnen oder ein provisorisches, einem begrenzten Zweck dienendes Unterkommen auszeichnen. "Ferienwohnen" ist ebensowenig auf Dauer angelegt wie das Unterkommen in Herbergen jeder Art. Vom Nutzungskonzept her bieten Ferienwohnungen den zumeist wochenweisen vorübergehenden Aufenthalt für ständig wechselnde Feriengäste (vgl. Stock in: König/Roeser/Stock, BauNVO, 2. Aufl., § 3 Rn. 17; Boeddinghaus, BauNVO, 5. Aufl., § 10 Rn. 15), während reine (Dauer)Wohnungen - ungeachtet der Frage der Aufenthaltsdauer - von einem über einen längeren Zeitraum gleichbleibenden Bewohnerkreis genutzt werden. Gerade die daraus resultierenden unterschiedlichen bodenrechtlichen Auswirkungen der beiden Nutzungsarten rechtfertigen die bauplanungsrechtliche typisierende Unterscheidung.

11

Unterscheidet sich danach die Ferienwohnnutzung von der (reinen) Wohnnutzung, ergibt sich aus der Systematik der Gebietstypen der BauNVO einerseits und den Festsetzungen im hier maßgeblichen Bebauungsplan andererseits, dass eine Ferienwohnnutzung im Plangebiet nicht zulässig ist. Die Beschränkung der Nutzungsarten in den in §§ 2 - 9 BauNVO geregelten Gebietstypen bedeutet nämlich, dass eine andere als die bezeichnete Nutzungsart in dem entsprechenden Gebiet grundsätzlich nicht zulässig ist, soweit die Gemeinde nicht von den durch § 1 Abs. 4 bis 10 BauNVO eingeräumten Möglichkeiten Gebrauch macht und Ausnahmen nicht zugelassen werden. Letzteres ist mit den Festsetzungen im vorliegend maßgeblichen Bebauungsplan und ausweislich der Begründung gerade nicht geschehen, so dass eine Ferienwohnnutzung, soweit man sie entgegen der übereinstimmenden Auffassung der Beteiligten und des Verwaltungsgerichts denn als Beherbergungsbetrieb ansehen wollte (vgl. etwa Fickert/Fieseler, BauNVO, 10. Aufl., § 3 n. 19 und 19.1 m.w.N., wonach die Überlassung von Räumen zur Unterbringung ohne zusätzliche Leistungen für die Annahme eines Beherbergungsbetriebes ausreicht), auch unter diesem Aspekt ausgeschlossen ist.

12

Die von der Antragstellerin unstreitig praktizierte Nutzung des Dachgeschosses des Gebäudes als Ferienwohnung stellt gegenüber der ursprünglich angezeigten reinen Wohnnutzung eine genehmigungsbedürftige, aber nicht genehmigungs- und auch nicht ausnahme- bzw. befreiungsfähige Nutzungsänderung dar, die vom Antragsgegner bauordnungsrechtlich untersagt werden kann. Da die Beschwerde die Entscheidung des Verwaltungsgerichts insoweit nicht angreift, kann auf die zutreffenden Entscheidungsgründe Bezug genommen werden. Letztlich vermag auch das von der Antragstellerin angeführte, zwecks Vermarktung der Flächen durch die Gemeinde erstellte Expose eine andere Bewertung vor dem Hintergrund der Festsetzungen des Bebauungsplanes nicht zu rechtfertigen. Während sich die Beschreibung zu Lage, Ortsbild, Freizeit und Erholung erkennbar auf den gesamten Ort bezieht, wird weiter wiederholt auf den Charakter des Plangebietes als Allgemeines bzw. Reines Wohngebiet hingewiesen und es werden die Festsetzungen des Bebauungsplanes zur Art der baulichen Nutzungen zitiert. Damit konnte die Antragstellerin nicht davon ausgehen, dass für eine möglicherweise beabsichtigte teilweise Feriennutzung eine Befreiung erteilt werden würde und diesbezüglich ein Vertrauenstatbestand geschaffen wurde. Eines ausdrücklichen Hinweises auf die Unzulässigkeit der Feriennutzung hat es bei den insoweit eindeutigen Festsetzungen nicht bedurft. Dem Umstand, dass die Feriennutzung nur in einem Teil des Gebäudes der Antragstellerin stattfindet, trägt die Verfügung dadurch Rechnung, dass eben nur für diesen Teil die entsprechende Nutzung untersagt wird. Die reine Wohnnutzung im Erdgeschoss des Gebäudes führt nicht dazu, dass die im Dachgeschoss ausgeübte Feriennutzung im Übrigen auch zu einer Wohnnutzung wird. Welche Abgrenzungskriterien zwischen einer reinen Wohnnutzung und einer Feriennutzung über die o.a. Typisierung der Nutzungsarten hinaus im konkreten Einzelfall erforderlich sind, bedarf im vorliegenden Fall deshalb keiner abschließenden Entscheidung, weil die Beteiligten übereinstimmend von einer Feriennutzung ausgehen.

13

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig, da diese im Beschwerdeverfahren keinen Antrag gestellt und sich damit auch keinem Kostenrisiko ausgesetzt hat (§§ 162 Abs. 3, 154 Abs. 3 VwGO). Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 52 Abs.1, 53 Abs. 3 Nr. 1 und 47 GKG.

14

Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Tenor

Der Antrag der Beklagten auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts - 2. Kammer - vom 23. Mai 2013 wird abgelehnt.

Die Beklagte trägt die Kosten des Antragsverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Antragsverfahren auf

32.000,00 Euro

festgesetzt.

Gründe

I.

1

Der Kläger ist Inhaber eines Kfz.-Handelsbetriebes. Seinen Antrag auf Genehmigung einer Fläche von 276 m² auf dem Grundstück … als Verkaufsfläche für Gebrauchtwagen lehnte die Beklage mit Bescheid vom 09.08.2012 ab. Die … Straße ist vierspurig ausgebaut.

2

Auf die nach erfolglosem Widerspruch erhobene Klage verpflichtete das Verwaltungsgericht die Beklagte zur Neubescheidung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts. Zur Begründung wurde i. w. ausgeführt, der Kläger betreibe in einem faktischen allgemeinen Wohngebiet einen ausnahmsweise zulässigen sonstigen Gewerbebetrieb. Das Ausstellen von 14-16 Pkw sei nicht störend, da ein Werkstattbetrieb auf der gegenüberliegenden Straßenseite vorhanden sei und der Störungsgrad durch das Abstellen von Fahrzeugen gering sei. Die Beklagte habe ihr diesbezügliches Ermessen auf der Grundlage einer falschen Rechtsgrundlage ausgeübt; anstelle des § 31 Abs. 2 BauGB sei § 31 Abs. 1 BauGB anzuwenden. Angesichts der durch die … Straße vorbelasteten Situation bestehe kaum Raum für eine Versagung der Ausnahme; evtl. Genehmigungshindernisse seien durch Nebenbestimmungen zu überwinden, anstatt den Bauantrag vollständig abzulehnen.

3

Gegen das am 31.05.2013 zugestellte Urteil erstrebt die Beklagte die Zulassung der Berufung. Sie hält die Richtigkeit des Urteils für ernstlich zweifelhaft und meint, die Rechtssache habe grundsätzliche Bedeutung.

II.

4

Der Antrag auf Zulassung der Berufung bleibt ohne Erfolg. Die Darlegungen zu den Zulassungsgründen nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 3 VwGO begründen keinen Zulassungsanspruch.

5

1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils hat die Beklagte nicht dargelegt.

6

1.1 Die Beklagte leitet solche Zweifel aus der Annahme ab, ein Kfz.-Handel sei "bei der gebotenen typisierenden Betrachtung als ein im allgemeinen Wohngebiet störender Gewerbebetrieb" einzustufen; besondere Anhaltspunkte dafür, dass der Betrieb – atypisch – nicht störe, seien nicht vorgetragen worden. Dies stellt die erstinstanzliche Entscheidung nicht in Frage.

7

Richtig ist - zunächst -, dass bei der Anwendung des § 4 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO von einer typisierenden Betrachtungsweise auszugehen ist, um zu klären, ob das Vorhaben geeignet ist, das Wohnen in einem allgemeinen Wohngebiet zu stören. Allerdings setzt dies die Klärung voraus, welche Störungen von dem jeweiligen "Typ" erfahrungsgemäß ausgehen können. Je nach Vorhabentyp kann die Annahme begründet sein, dass das Vorhaben Störungen, die das Maß des Zulässigen im allgemeinen Wohngebiet überschreiten, nicht befürchten lässt, so dass seine Gebietsverträglichkeit zuverlässig sichergestellt ist. Das ist besonders in Branchen wichtig, die eine große Bandbreite unterschiedlicher betrieblicher "Typen" aufweisen mit der Folge, dass das Störpotential von "nicht störend" über "nicht wesentlich störend" bis hin zu – unterschiedlichen Graden von – "belästigend" reicht. Dementsprechend ist Ausgangspunkt der typisierenden Beurteilung das Vorhaben in seiner konkreten Form.

8

Das Verwaltungsgericht hat die Annahme der Beklagten, der An- und Abtransport der Verkaufsfahrzeuge, ihre Ausstellung bzw. Lagerung und der Kundenverkehr seien mit der Zweckbestimmung eines allgemeinen Wohngebiets unvereinbar und störten dessen Ordnung, zu Recht verworfen. Das Vorhaben des Klägers betrifft eine Ausstellungsfläche für ca. 16 Verkaufsfahrzeuge, auf der keine Werkstatt-, Wartungs- oder Pflegearbeiten ausgeführt werden. Ein solches - überschaubares - Vorhaben kann nicht von vornherein als "störend" angesehen werden (vgl. VG Göttingen, Beschl. v. 31.10.2011, 2 B 202/1, Juris [Rn. 12]). Das Verwaltungsgericht hat zutreffend festgestellt, dass die Nutzung bei der vorgesehenen "Bebauungstiefe von nur 20 m nicht ansatzweise in die rückwärtigen Ruhebereiche der angrenzenden Wohngrundstücke eindringt" (S. 8 des Urt.-Abdr.). Auch bei einer typisierenden Betrachtung ist damit kein für ein Allgemeines Wohngebiet unverträgliches Störpotential festzustellen. Die Abstellfläche ist hinsichtlich Ihrer Störwirkungen mit der Stellplatzanlage eines Mehrfamilien-Wohnhauses vergleichbar.

9

Die von der Beklagen angeführte Rechtsprechung zur Wohngebietsunverträglichkeit eines Autohandels betrifft Fälle, in denen Kfz.-Werkstatt- und Handelsbetriebe zu beurteilen waren (VG Aachen, Beschl. v. 01.02.2012, 3 L 280/11, Juris [Handel und Reparatur von Kfz.]; VG Ansbach, Urt. v. 11.06.2008, AN 9 K 07.02366, Juris [Erweiterung eines Kfz-Reparatur- und Kfz-Handels-Betriebs]). Soweit veröffentlichten Entscheidungen Fälle ohne Werkstattbetrieb zugrundelagen (OVG Berlin, Urt. v. 15.08.2003, 2 B 18.01, NVwZ-RR 2004, 556 [Autohandelsbetrieb mit Ausstellungsfläche für bis zu 60 Kfz., Bürocontainern, Fahnenmasten und Werbeanlagen]; VGH München, Beschl. v. 22.01.2013, 15 CS 12.2005, Juris [Verkaufsfläche mit Bürocontainer]), ist daraus kein allgemeiner "Rechtssatz" abzuleiten, dass solche Betriebe immer oder regelmäßig als "störend" anzusehen sind. Maßgeblich sind insoweit stets die mit dem Vorhaben verbundenen Einzelumstände, die - etwa - in der Größe der gewerblich genutzten Fläche oder dem optischen Erscheinungsbild des Betriebes oder der zur Ausstellung vorgesehenen Fahrzeuge liegen können (vgl. dazu VGH Kassel, Urt. v. 13.10.1988, 3 UE 1945/84, BRS 48 Nr. 36: Wohnmobile als "städtebauliche Fremdkörper" in einem allgemeinen Wohngebiet).

10

1.2 Die Angriffe der Beklagten gegen die Berücksichtigung der "Randlage" des Vorhabengrundstücks begründen ebenfalls keine Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung. Bei der nach § 4 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO zu treffenden Entscheidung sind auch die Interessen des Klägers an der Realisierung seines Vorhabens zu berücksichtigen. Das Verwaltungsgericht hat zutreffend erkannt und auch zu Recht berücksichtigt, dass die Schutzposition der Wohnnutzung im allgemeinen Wohngebiet durch die vierspurige verkehrsreiche … Straße vorbelastet ist. Diese Vorbelastung mindert die Schutzwürdigkeit der betroffenen Wohnnutzung auch in Bezug auf den An- und Abfahrtsverkehr zu der Kfz.-Ausstellungsfläche und evtl. Kundenbesuche (vgl. OVG Münster, Urt. v. 14.03.1996, 7 A 3703/92, NVwZ-RR 1997, 16 [bei Juris Rn. 19]) Die diesbezüglichen Belastungen, die bei lebensnaher Betrachtung kaum von der "Lärmkulisse" der … Straße zu unterscheiden sein werden, können für das allgemeine Wohngebiet nicht als "störend" oder unzumutbar erfasst werden. Insofern hat das Verwaltungsgericht das Vorhaben des Klägers - zu Recht - anders beurteilt, als es für einen Standort in einer eher ruhigen oder abgelegenen "Wohnstraße" angezeigt wäre.

11

2. Die von der Beklagten angenommene grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache liegt nicht vor. Das gilt sowohl für die Frage, ob Kfz.-Ausstellungsflächen bis zu 300 m² in einem faktischen allgemeinen Wohngebiet "grundsätzlich keine gebietsunverträgliche optische Beeinträchtigung verursachen und deshalb sonstige nicht störende Gewerbebetriebe" sind, als auch für die Fragen, ob eine Ausstellungsfläche ohne Kfz.-Werkstattgebäude bzw. ob eine Ausstellungsfläche, die zu einem "außergebietlichen" Kfz.-Handelsbetrieb gehöre, als sonstiger nicht störender Gewerbebetrieb angesehen werden kann. Die genannten Fragen sind angesichts der auf das Vorhaben des Klägers bezogenen Betrachtungsweise (s. o. 1.1) und unter Berücksichtigung des vorbelasteten Vorhabenstandorts (s. o. 1.2) nicht in einer verallgemeinerungsfähigen Form zu beantworten. Der vorliegende Fall betrifft eine - relativ - kleine Kfz.-Ausstellungsfläche. Nach dem Inhalt des Genehmigungsantrags geht es nur um diese Fläche und ihre Befestigung, ohne Werbeanlagen oder andere "optisch" wirkende Elemente. Soweit optische Beeinträchtigungen entstehen sollten (z. B. durch Beleuchtung, Werbeanlagen, Fahnen etc.), kann die Beklagte dem ggf. durch gesonderte Entscheidungen oder Nebenbestimmungen entgegenwirken.

12

3. Der Zulassungsantrag ist nach alledem mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen. Das Urteil des Verwaltungsgerichts ist damit rechtskräftig (§ 124 a Abs. 5 Satz 4 VwGO).

13

Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf § 52 Abs. 1 GKG.

14

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §§ 68 Abs. 1 S. 5, 66 Abs. 3 S. 3 GKG).


(1) Als Sondergebiete, die der Erholung dienen, kommen insbesondere in Betracht
Wochenendhausgebiete,
Ferienhausgebiete,
Campingplatzgebiete.

(2) Für Sondergebiete, die der Erholung dienen, sind die Zweckbestimmung und die Art der Nutzung darzustellen und festzusetzen. Im Bebauungsplan kann festgesetzt werden, dass bestimmte, der Eigenart des Gebiets entsprechende Anlagen und Einrichtungen zur Versorgung des Gebiets und für sportliche Zwecke allgemein zulässig sind oder ausnahmsweise zugelassen werden können.

(3) In Wochenendhausgebieten sind Wochenendhäuser als Einzelhäuser zulässig. Im Bebauungsplan kann festgesetzt werden, dass Wochenendhäuser nur als Hausgruppen zulässig sind oder ausnahmsweise als Hausgruppen zugelassen werden können. Die zulässige Grundfläche der Wochenendhäuser ist im Bebauungsplan, begrenzt nach der besonderen Eigenart des Gebiets, unter Berücksichtigung der landschaftlichen Gegebenheiten festzusetzen.

(4) In Ferienhausgebieten sind Ferienhäuser zulässig, die aufgrund ihrer Lage, Größe, Ausstattung, Erschließung und Versorgung für den Erholungsaufenthalt geeignet und dazu bestimmt sind, überwiegend und auf Dauer einem wechselnden Personenkreis zur Erholung zu dienen. Im Bebauungsplan kann die Grundfläche der Ferienhäuser, begrenzt nach der besonderen Eigenart des Gebiets, unter Berücksichtigung der landschaftlichen Gegebenheiten festgesetzt werden.

(5) In Campingplatzgebieten sind Campingplätze und Zeltplätze zulässig.

Tenor

Der Antrag der Beklagten auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts - 2. Kammer - vom 23. Mai 2013 wird abgelehnt.

Die Beklagte trägt die Kosten des Antragsverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Antragsverfahren auf

32.000,00 Euro

festgesetzt.

Gründe

I.

1

Der Kläger ist Inhaber eines Kfz.-Handelsbetriebes. Seinen Antrag auf Genehmigung einer Fläche von 276 m² auf dem Grundstück … als Verkaufsfläche für Gebrauchtwagen lehnte die Beklage mit Bescheid vom 09.08.2012 ab. Die … Straße ist vierspurig ausgebaut.

2

Auf die nach erfolglosem Widerspruch erhobene Klage verpflichtete das Verwaltungsgericht die Beklagte zur Neubescheidung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts. Zur Begründung wurde i. w. ausgeführt, der Kläger betreibe in einem faktischen allgemeinen Wohngebiet einen ausnahmsweise zulässigen sonstigen Gewerbebetrieb. Das Ausstellen von 14-16 Pkw sei nicht störend, da ein Werkstattbetrieb auf der gegenüberliegenden Straßenseite vorhanden sei und der Störungsgrad durch das Abstellen von Fahrzeugen gering sei. Die Beklagte habe ihr diesbezügliches Ermessen auf der Grundlage einer falschen Rechtsgrundlage ausgeübt; anstelle des § 31 Abs. 2 BauGB sei § 31 Abs. 1 BauGB anzuwenden. Angesichts der durch die … Straße vorbelasteten Situation bestehe kaum Raum für eine Versagung der Ausnahme; evtl. Genehmigungshindernisse seien durch Nebenbestimmungen zu überwinden, anstatt den Bauantrag vollständig abzulehnen.

3

Gegen das am 31.05.2013 zugestellte Urteil erstrebt die Beklagte die Zulassung der Berufung. Sie hält die Richtigkeit des Urteils für ernstlich zweifelhaft und meint, die Rechtssache habe grundsätzliche Bedeutung.

II.

4

Der Antrag auf Zulassung der Berufung bleibt ohne Erfolg. Die Darlegungen zu den Zulassungsgründen nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 3 VwGO begründen keinen Zulassungsanspruch.

5

1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils hat die Beklagte nicht dargelegt.

6

1.1 Die Beklagte leitet solche Zweifel aus der Annahme ab, ein Kfz.-Handel sei "bei der gebotenen typisierenden Betrachtung als ein im allgemeinen Wohngebiet störender Gewerbebetrieb" einzustufen; besondere Anhaltspunkte dafür, dass der Betrieb – atypisch – nicht störe, seien nicht vorgetragen worden. Dies stellt die erstinstanzliche Entscheidung nicht in Frage.

7

Richtig ist - zunächst -, dass bei der Anwendung des § 4 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO von einer typisierenden Betrachtungsweise auszugehen ist, um zu klären, ob das Vorhaben geeignet ist, das Wohnen in einem allgemeinen Wohngebiet zu stören. Allerdings setzt dies die Klärung voraus, welche Störungen von dem jeweiligen "Typ" erfahrungsgemäß ausgehen können. Je nach Vorhabentyp kann die Annahme begründet sein, dass das Vorhaben Störungen, die das Maß des Zulässigen im allgemeinen Wohngebiet überschreiten, nicht befürchten lässt, so dass seine Gebietsverträglichkeit zuverlässig sichergestellt ist. Das ist besonders in Branchen wichtig, die eine große Bandbreite unterschiedlicher betrieblicher "Typen" aufweisen mit der Folge, dass das Störpotential von "nicht störend" über "nicht wesentlich störend" bis hin zu – unterschiedlichen Graden von – "belästigend" reicht. Dementsprechend ist Ausgangspunkt der typisierenden Beurteilung das Vorhaben in seiner konkreten Form.

8

Das Verwaltungsgericht hat die Annahme der Beklagten, der An- und Abtransport der Verkaufsfahrzeuge, ihre Ausstellung bzw. Lagerung und der Kundenverkehr seien mit der Zweckbestimmung eines allgemeinen Wohngebiets unvereinbar und störten dessen Ordnung, zu Recht verworfen. Das Vorhaben des Klägers betrifft eine Ausstellungsfläche für ca. 16 Verkaufsfahrzeuge, auf der keine Werkstatt-, Wartungs- oder Pflegearbeiten ausgeführt werden. Ein solches - überschaubares - Vorhaben kann nicht von vornherein als "störend" angesehen werden (vgl. VG Göttingen, Beschl. v. 31.10.2011, 2 B 202/1, Juris [Rn. 12]). Das Verwaltungsgericht hat zutreffend festgestellt, dass die Nutzung bei der vorgesehenen "Bebauungstiefe von nur 20 m nicht ansatzweise in die rückwärtigen Ruhebereiche der angrenzenden Wohngrundstücke eindringt" (S. 8 des Urt.-Abdr.). Auch bei einer typisierenden Betrachtung ist damit kein für ein Allgemeines Wohngebiet unverträgliches Störpotential festzustellen. Die Abstellfläche ist hinsichtlich Ihrer Störwirkungen mit der Stellplatzanlage eines Mehrfamilien-Wohnhauses vergleichbar.

9

Die von der Beklagen angeführte Rechtsprechung zur Wohngebietsunverträglichkeit eines Autohandels betrifft Fälle, in denen Kfz.-Werkstatt- und Handelsbetriebe zu beurteilen waren (VG Aachen, Beschl. v. 01.02.2012, 3 L 280/11, Juris [Handel und Reparatur von Kfz.]; VG Ansbach, Urt. v. 11.06.2008, AN 9 K 07.02366, Juris [Erweiterung eines Kfz-Reparatur- und Kfz-Handels-Betriebs]). Soweit veröffentlichten Entscheidungen Fälle ohne Werkstattbetrieb zugrundelagen (OVG Berlin, Urt. v. 15.08.2003, 2 B 18.01, NVwZ-RR 2004, 556 [Autohandelsbetrieb mit Ausstellungsfläche für bis zu 60 Kfz., Bürocontainern, Fahnenmasten und Werbeanlagen]; VGH München, Beschl. v. 22.01.2013, 15 CS 12.2005, Juris [Verkaufsfläche mit Bürocontainer]), ist daraus kein allgemeiner "Rechtssatz" abzuleiten, dass solche Betriebe immer oder regelmäßig als "störend" anzusehen sind. Maßgeblich sind insoweit stets die mit dem Vorhaben verbundenen Einzelumstände, die - etwa - in der Größe der gewerblich genutzten Fläche oder dem optischen Erscheinungsbild des Betriebes oder der zur Ausstellung vorgesehenen Fahrzeuge liegen können (vgl. dazu VGH Kassel, Urt. v. 13.10.1988, 3 UE 1945/84, BRS 48 Nr. 36: Wohnmobile als "städtebauliche Fremdkörper" in einem allgemeinen Wohngebiet).

10

1.2 Die Angriffe der Beklagten gegen die Berücksichtigung der "Randlage" des Vorhabengrundstücks begründen ebenfalls keine Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung. Bei der nach § 4 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO zu treffenden Entscheidung sind auch die Interessen des Klägers an der Realisierung seines Vorhabens zu berücksichtigen. Das Verwaltungsgericht hat zutreffend erkannt und auch zu Recht berücksichtigt, dass die Schutzposition der Wohnnutzung im allgemeinen Wohngebiet durch die vierspurige verkehrsreiche … Straße vorbelastet ist. Diese Vorbelastung mindert die Schutzwürdigkeit der betroffenen Wohnnutzung auch in Bezug auf den An- und Abfahrtsverkehr zu der Kfz.-Ausstellungsfläche und evtl. Kundenbesuche (vgl. OVG Münster, Urt. v. 14.03.1996, 7 A 3703/92, NVwZ-RR 1997, 16 [bei Juris Rn. 19]) Die diesbezüglichen Belastungen, die bei lebensnaher Betrachtung kaum von der "Lärmkulisse" der … Straße zu unterscheiden sein werden, können für das allgemeine Wohngebiet nicht als "störend" oder unzumutbar erfasst werden. Insofern hat das Verwaltungsgericht das Vorhaben des Klägers - zu Recht - anders beurteilt, als es für einen Standort in einer eher ruhigen oder abgelegenen "Wohnstraße" angezeigt wäre.

11

2. Die von der Beklagten angenommene grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache liegt nicht vor. Das gilt sowohl für die Frage, ob Kfz.-Ausstellungsflächen bis zu 300 m² in einem faktischen allgemeinen Wohngebiet "grundsätzlich keine gebietsunverträgliche optische Beeinträchtigung verursachen und deshalb sonstige nicht störende Gewerbebetriebe" sind, als auch für die Fragen, ob eine Ausstellungsfläche ohne Kfz.-Werkstattgebäude bzw. ob eine Ausstellungsfläche, die zu einem "außergebietlichen" Kfz.-Handelsbetrieb gehöre, als sonstiger nicht störender Gewerbebetrieb angesehen werden kann. Die genannten Fragen sind angesichts der auf das Vorhaben des Klägers bezogenen Betrachtungsweise (s. o. 1.1) und unter Berücksichtigung des vorbelasteten Vorhabenstandorts (s. o. 1.2) nicht in einer verallgemeinerungsfähigen Form zu beantworten. Der vorliegende Fall betrifft eine - relativ - kleine Kfz.-Ausstellungsfläche. Nach dem Inhalt des Genehmigungsantrags geht es nur um diese Fläche und ihre Befestigung, ohne Werbeanlagen oder andere "optisch" wirkende Elemente. Soweit optische Beeinträchtigungen entstehen sollten (z. B. durch Beleuchtung, Werbeanlagen, Fahnen etc.), kann die Beklagte dem ggf. durch gesonderte Entscheidungen oder Nebenbestimmungen entgegenwirken.

12

3. Der Zulassungsantrag ist nach alledem mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen. Das Urteil des Verwaltungsgerichts ist damit rechtskräftig (§ 124 a Abs. 5 Satz 4 VwGO).

13

Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf § 52 Abs. 1 GKG.

14

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §§ 68 Abs. 1 S. 5, 66 Abs. 3 S. 3 GKG).


Tenor

I.

Der Antrag wird abgelehnt.

II.

Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens. Der Beigeladene trägt seine außergerichtlichen Kosten selbst.

III.

Der Streitwert wird auf 7.500 Euro festgesetzt.

Gründe

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung nach §§ 124, 124 a Abs. 4 VwGO bleibt ohne Erfolg, weil die geltend gemachten Zulassungsgründe nicht vorliegen.

1. Das Urteil des Verwaltungsgerichts begegnet im Rahmen der dargelegten Zulassungsgründe keinen ernstlichen Zweifeln an seiner Richtigkeit (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).

Der Senat hält die Klage bereits für unzulässig. Die Klagebefugnis (§ 42 Abs. 2 VwGO) setzt voraus, dass die öffentlich-rechtlichen Vorschriften, über deren Einhaltung im Genehmigungsverfahren entschieden wird, dem Nachbarn Rechte verleihen. In räumlicher Hinsicht erfasst der Drittschutz die von dem Rechtsverstoß betroffenen Grundstücke. Wessen Grundstück außerhalb des räumlichen Schutzbereichs der Norm liegt, kann nicht in seinen Rechten verletzt sein. Im vorliegenden Fall ist der Kläger nicht unmittelbarer Nachbar des Vorhabensgrundstücks. Angesichts der konkreten örtlichen Verhältnisse hält der Senat einen Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot sowie eine Verletzung des Gebietserhaltungsanspruchs für fernliegend.

Der Senat teilt im Übrigen die Auffassung des Erstgerichts, dass die streitgegenständliche Baugenehmigung keine drittschützenden Vorschriften verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Der Kläger kann eine Baugenehmigung mit dem Ziel ihrer Aufhebung nur dann erfolgreich anfechten, wenn öffentlich-rechtliche Vorschriften verletzt sind, die zumindest auch seinem Schutz dienen. Dies ist hier nicht der Fall.

a) Der Kläger rügt, dass das Bestimmtheitsgebot verletzt sei, weil die Baubeschreibung unklar sei, eine oberverwaltungsgerichtliche Entscheidung unberücksichtigt geblieben sei, falsche Angaben des Beigeladenen nicht berücksichtigt und nachweislich keine Überprüfung möglich sei.

Eine Baugenehmigung muss inhaltlich hinreichend bestimmt sein (Art. 37 Abs. 1 BayVwVfG). Dieser Anforderung entspricht eine Genehmigung, wenn die mit dem Bescheid getroffene Regelung (Art. 35 BayVwVfG) für die Beteiligten des Verfahrens (Art. 13 BayVwVfG) - gegebenenfalls nach Auslegung - eindeutig zu erkennen und damit einer unterschiedlichen subjektiven Bewertung nicht zugänglich ist (vgl. BVerwG, U. v. 22.01.1993 - 8 C 57/91 - juris). Nachbarn müssen zweifelsfrei feststellen können, ob und in welchem Umfang sie betroffen sind. Eine Verletzung von Nachbarrechten liegt vor, wenn die Unbestimmtheit ein nachbarrechtlich relevantes Merkmal betrifft (vgl. BayVGH, B. v. 22.4.2009 - 1 CS 09.221 - juris). Nichts anderes entnimmt der Senat dem vom Kläger zitierten Urteil des Oberverwaltungsgerichts Nordrhein-Westfalen vom 25. August 2011 (Az. 2 A 38/10).

Vor diesem Hintergrund ist für den Senat nicht ersichtlich, wieso die Baubeschreibung in nachbarrechtsverletzender Weise unklar sein soll. Der Senat teilt die Auffassung des Erstgerichts, dass bereits die Baubeschreibung des Bauherrn, die das zur Prüfung gestellte Vorhaben konkretisiert, eine hinreichende Bestimmtheit bezüglich der Art der baulichen Nutzung erkennen lässt. Der Beigeladene beantragte am 10. April 2012 die Erteilung einer Baugenehmigung für den Umbau eines 7-Familienhauses zu einer Wohngruppe. Das zur Umnutzung vorgesehene Wohngebäude soll im Erdgeschoss im Wesentlichen Büros, Küchen und einen Therapieraum aufnehmen. Im ersten Obergeschoss sollen vier Zimmer mit dazugehörigen Bädern und eine Gemeinschaftsküche untergebracht werden. Für das zweite Obergeschoss sind die gleichen Räumlichkeiten vorgesehen. Im Dachgeschoss sind zwei weitere Zimmer mit Bädern und eine Hausmeisterwohnung geplant. Die „Betriebsbeschreibungen“ vom 2. Mai 2012 und 18. Mai 2012 konkretisieren den Baugenehmigungsantrag. Unter Ziffer 1 des streitgegenständlichen Bescheids vom 19. Oktober 2012 ist geregelt, dass die Genehmigung unter der Bedingung erteilt wird, dass in der geplanten Wohngruppe ausschließlich Patienten aus dem Bezirkskrankenhaus B... (Klinik für forensische Psychiatrie) aufgenommen werden, die dort nach Maßgabe des § 64 StGB untergebracht waren und für die ein richterlicher Bewährungsbeschluss vorliegt. Damit ist die Nutzungsart hinreichend konkretisiert. Es würde die Anforderungen an die Bestimmtheit überspannen, wenn man angesichts des breiten Spektrums der der Resozialisierung dienenden Maßnahmen eine genauere Beschreibung in den Bauvorlagen fordern würde.

Für den Senat ist auch nicht ersichtlich, dass die Angaben des Beigeladenen falsch sein sollen. Er ist mit dem Erstgericht der Auffassung, dass es ausgeschlossen ist, dass hier eine Art „Etikettenschwindel“ betrieben wird.

Das Verwaltungsgericht hat ausgeführt, dass die Einhaltung der genehmigten Nutzungsart im Übrigen von der Baugenehmigungsbehörde jederzeit überprüfbar wäre. Der Kläger zieht dies mit dem Argument in Zweifel, dass es der Beigeladene und das Bezirkskrankenhaus B... abgelehnt haben, eine namentliche Aufstellung der in der Wohngemeinschaft aufgenommenen Patienten und eine Kopie der Bewährungsbeschlüsse zu diesen Patienten zu übersenden. Vom Bezirkskrankenhaus B... wurde bestätigt (Schreiben vom 31.3.2014), dass nur Patienten aus dem Bezirkskrankenhaus in das Bauvorhaben aufgenommen wurden, die dort nach Maßgabe des § 64 StGB untergebracht waren und für die ein richterlicher Bewährungsbeschluss (bis zum Zeitpunkt der Aufnahme in der Wohngemeinschaft) vorlag. Ausdrücklich wurde ausgeführt, dass weder Personen eingezogen sind, die nach § 63 StGB untergebracht waren, noch Personen, die sich im Maßregelvollzug nach § 64 StGB befinden. Das Bezirkskrankenhaus befindet sich in öffentlicher Trägerschaft. Angesichts der Konsequenzen, die falsche Angaben in beamten-/arbeitsrechtlicher Hinsicht haben können und angesichts des Umstands, dass auch der Kläger keinerlei Anhaltspunkte dafür vortragen konnte, dass die Angaben unzutreffend sein könnten, bestehen für den Senat keine Zweifel hinsichtlich der Annahme des Erstgerichts.

b) Ob ernstliche Zweifel an dem Urteil deshalb bestehen, weil das Verwaltungsgericht einen Sonderbau zu Unrecht verneint habe, kann offen bleiben. Denn das Verwaltungsgericht hat sein Urteil auch dahingehend begründet, dass nicht erkennbar ist, gegen welche drittschützenden Vorschriften das Bauvorhaben verstoßen würde, wenn man einen Sonderbau und in dessen Folge das vollumfängliche bauaufsichtliche Genehmigungsverfahren im Sinn des Art. 60 BayBO annehmen wollte. Dies ist nicht zu beanstanden.

Der Senat erkennt keine Verletzung des Gebots der Rücksichtnahme. Nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts hängen die Anforderungen, die das Gebot der Rücksichtnahme im Einzelnen begründet, wesentlich von den jeweiligen Umständen ab. Je empfindlicher und schutzwürdiger die Stellung desjenigen ist, dem die Rücksichtnahme im gegebenen Zusammenhang zugute kommt, umso mehr kann er an Rücksichtnahme verlangen. Je verständlicher und unabweisbarer die mit dem Vorhaben verfolgten Interessen sind, umso weniger braucht derjenige, der das Vorhaben verwirklichen will, Rücksicht zu nehmen. Abzustellen ist darauf, was einerseits dem Rücksichtnahmebegünstigten und andererseits dem Rücksichtnahmeverpflichteten nach Lage der Dinge zuzumuten ist (vgl. BVerwG U. v. 18.11.2004 - 4 C 1/04 - juris). Nach diesen Maßstäben liegt eine Verletzung des Rücksichtnahmegebots zulasten der Kläger nicht vor.

Soweit der Kläger das Rücksichtnahmegebot dadurch verletzt sieht, dass keine Kontrollmechanismen gegeben seien, ist auf die obigen Ausführungen zu verweisen. Der Kläger rügt weiter, dass eine negative Gefahrprognose gegeben sei. Jedoch wurden durch den Bescheid Personen ausgeschlossen, für die zwar auch ein richterlicher Bewährungsbeschluss vorliegt, die aber vor ihrer Entlassung nach § 63 StGB untergebracht waren. Der Senat teilt die Auffassung des Verwaltungsgerichts, dass damit sichergestellt ist, dass keine Personen in die gegenständliche Wohnanlage einziehen, die als für die Allgemeinheit gefährlich eingestuft wurden.

Aus dem Stellplatzerfordernis (Art. 47 BayBO) lässt sich grundsätzlich kein nachbarrechtliches Abwehrrecht ableiten (vgl. BayVGH, B. v. 26.04.2012 - 2 ZB 10.3147 - juris). Die Pflicht zur Herstellung einer ausreichenden Zahl an Stellplätzen soll nicht den Nachbarn schützen, die Vorschrift dient vielmehr ausschließlich dem öffentlichen Interesse an der Entlastung der öffentlichen Verkehrsfläche vom ruhenden Verkehr. Die Anzahl der Stellplätze auf dem Grundstück des Beigeladenen lässt keine für den Kläger unzumutbaren Auswirkungen erwarten. Ein Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot liegt nicht deswegen vor, weil das Vorhaben einen zusätzlichen Stellplatzbedarf auslöst (vgl. BayVGH, B. v. 15.11.2010 - 2 ZB 09.2191 - juris). Rechte des Nachbarn werden nur verletzt, wenn die Genehmigung eines Vorhabens ohne die erforderlichen Stellplätze zu Beeinträchtigungen führt, die den Nachbarn bei Abwägung aller Umstände unzumutbar sind. Dies ist hier nicht ersichtlich. Insbesondere ist für den Senat nicht erkennbar, dass der Park-Such-Verkehr quasi vor die Haustür des Klägers kanalisiert würde. Denn das Vorhabensgrundstück kann nicht nur von der J...straße, sondern auch von der F...-...-...straße angefahren werden.

Der Kläger macht geltend, dass der Gebietserhaltungsanspruch verletzt sei. Der Gebietserhaltungsanspruch wurde in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts als Rechtsinstitut des öffentlich-rechtlichen Nachbarschutzes begründet (vgl. BVerwG, U. v. 16. 9. 1993 - 4 C 28/91 - BVerwGE 94, 151). Er gewährt dem Eigentümer eines Grundstücks hinsichtlich der durch einen Bebauungsplan festgesetzten Nutzungsart einen Abwehranspruch gegen die Genehmigung eines Bauvorhabens im Plangebiet, das von der zulässigen Nutzungsart abweicht und zwar unabhängig davon, ob die zugelassene gebietswidrige Nutzung den Nachbarn selbst unzumutbar beeinträchtigt oder nicht (vgl. Stühler, BauR 2011, 1576/1577; Decker, JA 2007, 55/56). Denn die Festsetzung von Baugebieten durch einen Bebauungsplan hat grundsätzlich nachbarschützende Wirkung zugunsten der Grundstückseigentümer im jeweiligen Baugebiet (vgl. BVerwG, U. v. 16.9.1993 a. a. O.). Dieser bauplanungsrechtliche Nachbarschutz beruht auf dem Gedanken des wechselseitigen Austauschverhältnisses. Soweit der Eigentümer eines Grundstücks in dessen Ausnutzung öffentlich-rechtlichen Beschränkungen unterworfen ist, kann er deren Beachtung grundsätzlich auch im Verhältnis zum Nachbarn durchsetzen. Im Rahmen des nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnisses soll daher jeder Planbetroffene im Baugebiet das Eindringen einer gebietsfremden Nutzung und damit die schleichende Umwandlung des Baugebiets unabhängig von einer konkreten Beeinträchtigung verhindern können.

Der Grundsatz, dass sich ein Nachbar im Plangebiet auch dann gegen die Zulassung einer gebietswidrigen Nutzung wenden kann, wenn er durch sie selbst nicht unzumutbar beeinträchtigt wird, lässt sich auf den Nachbarschutz im faktischen Baugebiet übertragen (vgl. BVerwG, U. v. 16.9.1993 a. a. O.). In einem faktischen Baugebiet ist der Anspruch in räumlicher Hinsicht jedoch auf die Grundstücke begrenzt, die zur näheren Umgebung des Baugrundstücks im Sinn von § 34 Abs. 2 Satz 1 BauGB zählen. Nur so weit reichen die rechtliche Schicksalsgemeinschaft und das sich daraus ergebende wechselseitige Austauschverhältnis.

Unstreitig ist, dass die Umgebungsbebauung im Sinn des § 34 Abs. 2 BauGB von der Art der baulichen Nutzung her als allgemeines Wohngebiet im Sinn des § 4 BauNVO anzusehen ist. Das Bauvorhaben entspricht den in einem allgemeinen Wohngebiet zulässigen Nutzungsarten. Das Verwaltungsgericht hat nachvollziehbar dargelegt, dass die streitgegenständliche Nutzung den Anforderungen des erweiterten Wohnbegriffs des § 4 Abs. 2 Nr. 1 BauNVO entspricht. Auch wenn im Einzelfall ein Bewohner wieder in das Bezirkskrankenhaus zurückgeschickt wurde, weil bei ihm positiv Drogen gezogen worden sind, kann damit nicht bestritten werden, dass die Bewohner grundsätzlich ein häusliches, im Wesentlichen selbstbestimmtes Leben führen. Die auf eine gewisse Dauerhaftigkeit angelegte eigenständige Gestaltung des häuslichen Lebens kann nicht damit in Zweifel gezogen werden, dass das Projekt als „Zwischenschritt“ zwischen der Unterbringung auf einer geschlossenen Station und dem anschließenden alleinigen Wohnen in der eigenen Wohnung zu sehen ist. Für den erweiterten Wohnbegriff ist es auch nicht erforderlich, dass sich die Mieter ohne jegliche Betreuung in den Räumen aufhalten (§ 3 Abs. 4 BauNVO).

Würde man aber eine Wohnnutzung ablehnen, wäre im vorliegenden Fall eine Anlage für soziale Zwecke anzunehmen. Diese ist in einem allgemeinen Wohngebiet allgemein zulässig (§ 4 Abs. 2 Nr. 3 BauNVO). Auch von daher ist die Verletzung des Gebietserhaltungsanspruchs ausgeschlossen.

Die durch den angefochtenen Bescheid auch genehmigte Änderung zur Nutzung als Büroräume ist entgegen der Auffassung des Klägers im allgemeinen Wohngebiet nach § 4 Abs. 2 Nr. 3 BauNVO ebenso zulässig. Ob es sich bei dem beabsichtigten Nutzungszweck der Büroräume um eine gewöhnliche Arbeitnehmerüberlassung handelt, ist in diesem Zusammenhang unerheblich. Weiter ist im Zusammenhang mit dem Gebietserhaltungsanspruch unerheblich, ob die Nutzungsänderung in Büroräume im Wesentlichen der Wohnnutzung im ersten und zweiten Obergeschoss zuzurechnen ist oder nicht. Denn wie das Erstgericht zutreffend ausgeführt hat, wäre es bei der Nutzung für soziale Zwecke auch unbedenklich, wenn die Beigeladene die beiden Büroräume für anderweitige Vereinszwecke nutzen sollte.

2. Die Rechtssache weist auch keine besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten auf (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO), denn sie verursacht in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht keine größeren, d. h. überdurchschnittlichen, das normale Maß nicht unerheblich übersteigenden Schwierigkeiten und es handelt sich auch nicht um einen besonders unübersichtlichen oder kontroversen Sachverhalt, bei dem noch nicht abzusehen ist, zu welchem Ergebnis ein künftiges Berufungsverfahren führen wird (vgl. BayVGH, B. v. 12.4.2000 - 23 ZB 00.643 - juris). Vielmehr ist der Rechtsstreit im tatsächlichen Bereich überschaubar und die entscheidungserheblichen Fragen sind durch die Rechtsprechung hinreichend geklärt. Im Rahmen dieses Zulassungsgrunds ist nicht die Richtigkeit des Ersturteils Gegenstand der Zulassungsentscheidung, sondern die mögliche „abstrakte“ Fehleranfälligkeit wegen der besonderen Schwierigkeiten der Fallbehandlung (vgl. Berkemann, DVBl 1998, 446). Diese ist nach Auffassung des Senats im vorliegenden Fall nicht gegeben. Dies gilt insbesondere für die Frage, unter welchen Voraussetzungen ein Gebietserhaltungsanspruch gegeben ist und das Rücksichtnahmegebot verletzt wird.

3. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO). Der Begriff der grundsätzlichen Bedeutung erfordert, dass für die angefochtene Entscheidung des Verwaltungsgerichts die im Zulassungsantrag dargelegte konkrete Rechts- oder Tatsachenfrage von Bedeutung war, ihre Klärung im Berufsverfahren zu erwarten und zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder zur Weiterentwicklung des Rechts geboten ist (vgl. Happ in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 124 Rn. 36). Der Kläger möchte die Frage der Zulässigkeit eines sogenannten „Forensikerwohnhauses“ grundsätzlich geklärt haben. Er legt jedoch bereits nicht dar, im Hinblick auf welche Rechtsvorschrift die Klärung erfolgen soll. Die Zulässigkeit des Vorhabens lässt sich im Übrigen anhand des bauplanungsrechtlichen Begriffs des „Wohnens“, wie oben dargelegt wurde, klären und ist insofern nicht von grundsätzlicher Bedeutung. Auf die Ausführungen unter Ziffer 1. wird verwiesen.

4. Der Kläger macht den Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO geltend. Er zitiert in diesem Zusammenhang lediglich eine Entscheidung des Verwaltungsgerichts Regensburg. Mit einer erstgerichtlichen Entscheidung kann jedoch eine Divergenz nicht begründet werden.

5. Der vom Kläger gerügte Verfahrensmangel (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO) liegt nicht vor. Nach § 86 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 1 VwGO erforscht das Gericht den Sachverhalt von Amts wegen. Es ist dabei an die Beweisanträge der Beteiligten nicht gebunden (§ 86 Abs. 1 Satz 2 VwGO). Werden notwendige Ermittlungen aber nicht angestellt, insbesondere erforderliche Beweise nicht erhoben, liegt darin ein wesentlicher Verfahrensfehler, der einem Rechtsmittel zum Erfolg verhelfen kann. Jedoch muss das Verwaltungsgericht für seine Überzeugungsbildung nur die vernünftigerweise zu Gebote stehenden Mittel ausschöpfen, um den Sachverhalt zu klären (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 17. Aufl. 2013, § 86 Rn. 5; Geiger in Eyermann, VwGO, 13. Aufl. 2010, § 86 Rn. 11). Dem ist das Verwaltungsgericht nachgekommen. Auf den Auffangtatbestand des Art. 2 Abs. 4 Nr. 11 BayBO kommt es, wie unter Ziffer 1. B ) dargelegt wurde, nicht an. Gleiches gilt für die Frage, ob im Rahmen des Gebietserhaltungsanspruchs die Büroräume im Erdgeschoss der Wohnnutzung oder sozialen Zwecken zuzurechnen sind. Hinsichtlich der Frage der autonomen Lebensführung und der bauordnungsrechtlichen Stellplatzfrage gilt das unter Ziffer 1. b) Ausgeführte. Weitere Ermittlungen durch das Erstgericht waren hier nicht veranlasst.

Die Kostenentscheidung für das Zulassungsverfahren folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Der Beigeladene trägt seine außergerichtlichen Kosten selbst (§ 162 Abs. 3 VwGO). Im Berufungszulassungsverfahren sind die außergerichtlichen Kosten eines Beigeladenen in der Regel nicht aus Billigkeitsgründen der unterliegenden Partei aufzuerlegen (vgl. BayVGH, B. v. 11.10.2001 - 8 ZB 01.1789 - BayVBl 2002, 378). Ein Ausnahmefall ist vorliegend nicht gegeben.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47, 52 Abs. 1 GKG.

Tenor

I.

In Abänderung der Nrn. I und II des Beschlusses des Verwaltungsgerichts Würzburg vom 9. Juli 2015 wird die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers vom 23. Dezember 2014 gegen den Bescheid des Landratsamts S... vom 21. November 2014 angeordnet.

II.

Der Antragsgegner und die Beigeladene tragen die Kosten des Verfahrens in beiden Instanzen jeweils zur Hälfte. Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.

III.

Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 3.750,-- Euro festgesetzt.

Gründe

I. Der Antragsteller wendet sich gegen die Erteilung einer Baugenehmigung an die Beigeladene zur Errichtung eines Kiosk mit Freiterrasse, Pavillon, Umkleide- und Sanitärräumen und begehrt vorläufigen Rechtsschutz.

Die Beigeladene ist eine Grundstücksgesellschaft im Bereich der G.-Unternehmensgruppe, die seit mehr als 40 Jahren auf dem Grundstück FlNr. 1005 Gemarkung B. ein betriebliches Freizeitgelände im Außenbereich betreibt. Eine Baugenehmigung hierfür besteht (bislang) nicht. Das Grundstück ist umgeben von mehreren ehemaligen Baggerseen, die teilweise als Badeplätze genutzt werden.

Der Antragsteller ist Eigentümer des Grundstücks FlNr. 964/1 Gemarkung B. Das Wohngebäude des Antragstellers befindet sich - im Übrigen umgeben von landwirtschaftlichen Flächen - mit zwei weiteren Wohngebäuden und einigen weiteren Gebäuden im Außenbereich in ca. 270 m Entfernung zum oben genannten Freizeitgelände. Der Ortsrand der Ortschaft G. liegt ca. 170 m südlich dieser Gebäudeansammlung „Am F.“... Die Zufahrt zu dem betrieblichen Gelände, auf dem sich das Bauvorhaben befindet, verläuft unmittelbar südlich des Wohngebäudes des Antragstellers über einen öffentlichen Feld- und Waldweg auf FlNr. 1004 Gemarkung B.

Mit Unterlagen vom 14. März 2014 beantragte die Beigeladene die Erteilung einer Baugenehmigung zur Errichtung eines Kiosk mit Freiterrasse, Pavillon, Umkleide- und Sanitärräumen auf dem Grundstück FlNr. 1005 Gemarkung B. für überwiegend Mitarbeiter der Unternehmensgruppe G. und Angehörige. Die mit Nebenbestimmungen, u. a. zum Immissionsschutz, versehene Baugenehmigung hierfür wurde vom Landratsamt S... mit Bescheid vom 21. November 2014 erteilt.

Hiergegen hat der Antragsteller mit Schriftsatz vom 23. Dezember 2014 Klage beim Verwaltungsgericht Würzburg erhoben (Az. W 4 K 14.1363), über die noch nicht entschieden ist. Mit Schriftsatz vom 23. Juni 2015 beantragte der Antragsteller beim Verwaltungsgericht die Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage, was das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 9. Juli 2015 abgelehnt hat. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass die angefochtene Baugenehmigung hinreichend bestimmt sei und keine Nachbarrechte des Antragstellers verletze. Durch die Festlegung eines Immissionsrichtwertes an den nächstgelegenen Wohngebäuden, die sich in ca. 240 m Entfernung in einem reinen Wohngebiet befänden, sowie die Beschränkung der Betriebszeit des Kiosks auf die Tagzeit sei sichergestellt, dass keine schädlichen Umwelteinwirkungen durch Lärmimmissionen hervorgerufen würden. Gegenüber dem Antragsteller, der nur das Schutzniveau eines Dorfgebiets beanspruchen könne, seien keine weitergehenden Nebenbestimmungen begründet. Auch eine unzumutbare Belastung des Antragstellers durch Verkehrslärm sei nicht zu erwarten.

Mit seiner Beschwerde verfolgt der Antragsteller sein Begehren weiter. Die Baugenehmigung sei unbestimmt, da sich der Umfang der Anlage nicht aus dem Bescheid und den Genehmigungsunterlagen ergebe. So sei die Anzahl der Personen nicht bestimmbar, da die Mitarbeiterzahl des Unternehmens variabel sei und auch die Zahl der Angehörigen nicht eingrenzbar sei. Zudem sei die Nutzung für „überwiegend“ Mitarbeiter und Angehörige genehmigt, so dass unklar sei, ob dies zeitlich oder numerisch zu verstehen sei. Da eine zahlenmäßige Begrenzung des Nutzerkreises nicht realisierbar sei, seien auch die zu erwartenden Auswirkungen nicht absehbar. Vorliegend sei unter dem Deckmantel eines Badebetriebs eine öffentliche Gaststätte genehmigt worden. Die festgesetzten Nebenbestimmungen seien nicht ausreichend, das Hervorrufen schädlicher Umwelteinwirkungen und die Verletzung nachbarschützender Vorschriften zu unterbinden. Erforderlich sei eine realistische Lärmprognose und die Berücksichtigung der privilegierten Wohnnutzung des Antragstellers im Außenbereich. Die nähere Umgebung entspreche hierbei nicht einem Dorfgebiet, sondern eher einem Wohngebiet. Die Werte des Zu- und Abfahrtsverkehrs seien willkürlich angesetzt und der Antragsteller habe aufgrund der unzureichenden Zufahrtsituation mit einer erheblichen Verschlechterung seiner Erschließung zu rechnen. Zudem seien Erschütterungen durch die Vorbeifahrt von Wohnmobilen zu der ungenehmigten Wohnwagenlandschaft auf dem Gelände nicht berücksichtigt. Eine öffentliche Gaststätte mit einer Betriebszeit von April bis September und einer Öffnungszeit bis 22:00 Uhr widerspreche dem Flächennutzungsplan, da dies nicht prägend für einen Badebetrieb sei. Das Vorhaben sei offensichtlich nicht privilegiert und unterlaufe den Schutz des Außenbereichs vor zusätzlicher Bebauung. Die Zulassung einer Wohnwagenlandschaft lasse ferner die Entstehung, Verfestigung bzw. Erweiterung einer Splittersiedlung befürchten.

Der Antragsteller beantragt,

unter Aufhebung des Beschlusses des Bayerischen Verwaltungsgerichts Würzburg vom 9. Juli 2015, die aufschiebende Wirkung der am 23. Dezember 2014 erhobenen Klage anzuordnen.

Der Antragsgegner beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Die Baugenehmigung sei nicht unbestimmt, da sich aus den Bauunterlagen die Zahl der genehmigten Plätze ergebe. Im Hinblick auf den begrenzten Nutzerkreis und die baulichen Gegebenheiten liege keine öffentliche Gaststätte mit unbegrenzter Nutzungsmöglichkeit vor. Unzumutbare Belästigungen an dem 270 m entfernten Anwesen des Antragstellers seien nicht ersichtlich. Die Beschränkung der Öffnungszeit bis 22:00 Uhr in Abweichung zum Antrag (23:00 Uhr) sei gerade zum Schutz der Nachbarn erfolgt. Im Flächennutzungsplan sei das Grundstück des Klägers als Fläche für die Landwirtschaft dargestellt, so dass eine Einstufung seiner Schutzwürdigkeit entsprechend der eines Dorfgebiets zulässig sei. Bei der Beurteilung des Verkehrslärms sei ein erhöhter PKW-Verkehr an heißen Sommertagen berücksichtigt. Die Frage von Erschütterungen aufgrund einer Vorbeifahrt von Wohnmobilen stelle sich bei der von der Baugenehmigung umfassten Nutzung nicht.

Die Beigeladene beantragt ebenfalls,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Mit der Baugenehmigung seien die seit Jahren bestehenden und nicht veränderten baulichen Anlagen legalisiert worden. Der Zutritt zu der Badeanlage und zum genehmigten Kiosk werde von der Beigeladenen durch die Ausgabe von Berechtigungsausweisen limitiert und überwacht. Ohne diese Beschränkungen wäre der Badesee für jedermann zur Benutzung freigegeben. Das Vorhaben rufe keine schädlichen Umwelteinwirkungen hervor, da die immissionsschutzrechtliche Einordnung durch die sehr hoch angesetzten Ausgangswerte, die in der Realität nie erreicht würden, auf der sicheren Seite liege. Eine Verkehrszählung der Gemeinde habe deutlich weniger Fahrbewegungen ergeben. Zudem seien hiervon noch die Fahrten des Beschwerdeführers und der Mitbewohner der Splittersiedlung „Am F.“ abzuziehen. Die angeführten Wohnwägen stünden nicht im Zusammenhang mit der Baugenehmigung.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der vorgelegten Behördenakten verwiesen.

II. Die Beschwerde ist zulässig und begründet. Das Verwaltungsgericht hat den Antrag des Antragstellers gemäß § 80a Abs. 3, § 80 Abs. 5 VwGO zu Unrecht abgelehnt. Nach der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nur möglichen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage spricht viel dafür, dass die Anfechtungsklage des Antragstellers unter den derzeitigen Gegebenheiten erfolgreich sein wird. Die der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung verletzt den Antragsteller voraussichtlich in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO), weil sie in nachbarrechtsrelevanter Weise zu unbestimmt ist.

1. Die Baugenehmigung vom 21. November 2014 ist unbestimmt.

Nach Art. 37 Abs. 1 BayVwVfG muss die Baugenehmigung hinreichend bestimmt sein, d. h. die im Bescheid getroffene Regelung muss für die Beteiligten - gegebenenfalls nach Auslegung - eindeutig zu erkennen und einer unterschiedlichen subjektiven Bewertung nicht zugänglich sein (vgl. BayVGH, B. v. 16.4.2015 - 9 ZB 12.205 - juris Rn. 7). Maßgebend sind die Umstände des Einzelfalls, wobei Unklarheiten zulasten der Behörde gehen (Kopp/Ramsauer, VwVfG, 14. Aufl. 2014, § 37 Rn. 6, 7). Nachbarn müssen zweifelsfrei feststellen können, ob und in welchem Umfang sie betroffen sind (vgl. Lechner in Simon/Busse, BayBO, Stand Mai 2015, Art. 68 Rn. 472). Eine Verletzung von Nachbarrechten liegt vor, wenn die Unbestimmtheit der Baugenehmigung ein nachbarrechtlich relevantes Merkmal betrifft. Eine Baugenehmigung ist daher aufzuheben, wenn wegen Fehlens oder Unvollständigkeit der Bauvorlagen Gegenstand und Umfang der Baugenehmigung nicht eindeutig festgestellt und aus diesem Grund eine Verletzung von Nachbarrechten nicht eindeutig ausgeschlossen werden kann (BayVGH, B. v. 16.4.2015 - 9 ZB 12.205 - juris Rn. 7 m. w. N.). Der Inhalt der Baugenehmigung bestimmt sich nach der Bezeichnung und den Regelungen im Baugenehmigungsbescheid, der konkretisiert wird durch die in Bezug genommenen Bauvorlagen (Schwarzer/König, BayBO, 4. Aufl. 2012, Art. 68 Rn. 34). Danach ist die vorliegende Baugenehmigung in einer für den Antragsteller nachteiligen Weise unbestimmt, weil der Nutzungsumfang der genehmigten Anlage nicht erkennbar ist und die auf ihn von der genehmigten Anlage einwirkenden Immissionen nicht eindeutig absehbar sind.

a) Die Baugenehmigung ist nicht bereits wegen fehlender Bestimmtheit der Betriebszeit rechtswidrig. Nach der Nebenbestimmung Nr. 3 des angefochtenen Bescheids ist offensichtlich ein Betrieb mit Ablauf des Monats September nicht mehr zulässig. Soweit dort als Ende der Betriebszeit der „31. September“ bezeichnet wird, handelt es sich um eine offenbare Unrichtigkeit, die nach Art. 42 Satz 1 BayVwVfG jederzeit berichtigt werden kann.

b) Der Antragsteller bemängelt aber im Beschwerdevorbringen (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO) zu Recht die fehlende Bestimmtheit des nutzungsberechtigten Personenkreises für die insgesamt von der Baugenehmigung umfasste Anlage.

aa) Die Baugenehmigung ist nicht unbestimmt, soweit sie sich auf den Gaststättenbetrieb (Kiosk mit Pavillion/Gastraum, Ausschank und Freiterrasse) bezieht. Denn die Zahl der hierfür genehmigten Gastplätze und das Betriebskonzept, die dieser Beurteilung zugrunde zu legen sind, ergeben sich eindeutig aus der Baubeschreibung nach § 9 Satz 1 BauVorlV (Bl. 13 der Behördenakte), die gemäß Nr. I des Bescheids vom 21. November 2011 ausdrücklich zum Bestandteil der Baugenehmigung gemacht wurde (vgl. Schwarzer/König, a. a. O., Art. 68 Rn. 34). Danach wurden insgesamt 36 Gastplätze genehmigt.

Maßgeblich für den Rechtsschutz des Antragstellers ist, dass er feststellen kann, ob und mit welchem Umfang er von der Baugenehmigung betroffen ist (vgl. BayVGH, B. v. 29.4.2015 - 2 ZB 14.1164 - juris Rn. 6). Der Antragsteller muss erkennen können, mit welchen Immissionen er zu rechnen hat und ob er gegebenenfalls schädlichen Umwelteinwirkungen ausgesetzt ist. Dies beurteilt sich im vorliegenden Fall hinsichtlich des Gaststättenbetriebs aber nach der genehmigten Zahl der Gastplätze sowie dem durch das Bauvorhaben bedingten Verkehr und nicht nach der Art des nutzungsberechtigten Personenkreises. Für die immissionsschutzrechtliche Beurteilung ist grundsätzlich unerheblich, ob die Gäste Mitarbeiter der Unternehmensgruppe G. und deren Angehörige oder Firmenkunden oder gar außenstehende Dritte sind. Es kann insoweit dahinstehen, ob der nutzungsberechtigte Personenkreis bereits deswegen zu unbestimmt ist, weil die in der angefochtenen Baugenehmigung insoweit enthaltene Einschränkung „überwiegend für Mitarbeiter der Unternehmensgruppe G. und deren Angehörigen“ - wie der Antragsteller vorträgt - nicht eingrenzbar und zudem unklar sei, ob es sich um eine zeitliche oder numerische Begrenzung handeln soll.

bb) Die Baugenehmigung lässt jedoch die Zahl der Personen nicht erkennen, die die insgesamt genehmigte Anlage mit ihren - neben dem Gaststättenbetrieb - weiteren Teilen, insbesondere den Umkleide- und Sanitärräumen, nutzen. Insoweit sind die den Antragsteller betreffenden Immissionen nicht abschließend feststellbar.

Grundlage des vorliegenden Verfahrens ist die genehmigte Planung und das mitgenehmigte Betriebskonzept (vgl. BayVGH, B. v. 2.3.2015 - 9 ZB 12.1377 - juris Rn. 7). Nach dem Bauantrag, den genehmigten Plänen und der Baugenehmigung vom 21. November 2014 umfasst die genehmigte bauliche Anlage einen Kiosk mit Freiterrasse, Pavillon/Gastraum mit Ausschank sowie Umkleide- und Sanitärräume. Die von der Beigeladenen betriebene - (bislang) ungenehmigte - betriebliche Freizeitanlage „Badesee“ in ihrer Gesamtheit, auf deren Gelände die genehmigte bauliche Anlage liegt, und ein eventueller (selbstständiger oder unselbstständiger) Wohnwagenabstellplatz auf diesem Gelände werden dagegen von der Baugenehmigung nicht ausdrücklich umfasst. Angesichts dieser Umstände und im Hinblick darauf, dass die Angaben zum Bauvorhaben mit der objektiv möglichen Nutzung vereinbar sein müssen (Krautzberger in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand Mai 2015, § 29 Rn. 21), erscheint aber äußerst zweifelhaft, ob insbesondere die Sanitärräume, die in ihrer Ausstattung über das Vorhandensein von Toiletten hinausgehen und zusätzlich auch Duschen vorsehen, sowie der Umkleideraum allein dem Gaststättenbetrieb zugerechnet werden können. Ihrer Funktion und Zwecksetzung nach (vgl. BVerwG, U. v. 15.11.1991 - 4 C 17/88 - juris Rn. 14 und U. v. 29.4.1992 - 4 C 43/89 - BVerwGE 90, 140 = juris Rn. 15) dürften sie vielmehr wesentlicher Teil der betrieblichen Freizeitanlage der Beigeladenen sein. Denn es spricht viel dafür, dass die Duschen und der Umkleideraum im Hinblick auf die örtliche Lage an dem Badesee und im Zusammenhang mit dem dort befindlichen betrieblichen Freizeitgelände für die (wohl ausschließliche) Nutzung durch die sich dort aufhaltenden Bade- und Erholungsgäste vorgesehen sein dürften. Insoweit ist der Nutzungsumfang der betrieblichen Freizeitanlage aber im Hinblick auf die Zahl und den Umfang der Bade- oder Erholungsgäste, die die genannten Einrichtungen nutzen, weder aus dem Bauantrag noch aus der Baubeschreibung (Bl. 13 der Behördenakte) oder der Betriebsbeschreibung (Bl. 17 der Behördenakte) ersichtlich. Die Beigeladene führt zwar aus, dass der Zugang zur Anlage beschränkt ist und überwacht wird, die Angaben hierzu oder derartige Einschränkungen sind aber nicht Teil der Bauunterlagen und lassen auch keine Rückschlüsse auf den tatsächlichen Nutzungsumfang, insbesondere die Zahl der maximal pro Tag auf dem Gelände zugelassenen Personenzahl, zu. Unerheblich ist daher, ob die Umkleide- und Sanitärräume - wofür wohl einiges spricht - auch von Nutzern der Wohnmobil- und Wohnwagenabstellplätze, deren Nutzungsumfang ebenfalls nicht angegeben ist, genutzt werden oder ob es sich insoweit um einen abtrennbaren, selbstständigen Teil der Freizeitanlage handelt. Aufgrund der baulichen Konzeption erscheint eine Teilung der Anlage - in einen reinen Gaststättenbetrieb mit den angeführten 36 Gastplätzen und in einen Teil „Nebenanlage der betrieblichen Freizeitanlage“ mit Umkleide- und Sanitärräumen - nicht möglich. Der Umkleideraum steht in einem baulich untrennbaren Zusammenhang mit dem Kioskgebäude und kann daher nicht isoliert für die - insgesamt wohl nicht von der Genehmigung erfasste - betriebliche Freizeitanlage gesehen werden. Dass eine derartige Teilung nicht ohne Weiteres möglich ist, zeigt auch der vom Beklagten im Rahmen der Verkehrslärmbeurteilung zugrunde gelegte Ansatz an Verkehrsaufkommen, der deutlich über die für die genehmigte Anlage erforderlichen sieben Stellplätze und die zugrundeliegende Gästezahl hinausreicht. Nachvollziehbare oder festgesetzte Angaben zu der zu erwartenden oder zugelassenen Besucherzahl der betrieblichen Freizeitanlage insgesamt, liegen der Beurteilung aber nicht zugrunde, so dass deren Grundlage offen ist. Auch wenn insoweit singuläre Ereignisse, wie z. B. das zweijährlich stattfindende Betriebsfest der Beigeladenen, nicht relevant sein dürften und die von der Gemeinde im Rahmen einer Verkehrszählung auf dem Weg FlNr. 3890/41 Gemarkung G. erfassten Daten vermuten lassen, dass die von der Beigeladenen betriebene Freizeitanlage keine unzumutbaren Lärmimmissionen oder derart chaotische Verkehrsverhältnisse erwarten lassen, dass die entstehende Gesamtbelastung unzumutbar ist, fehlt es jedenfalls an einer festgesetzten und überprüfbaren Angabe der Nutzerzahl der genehmigten Anlage in ihrer Gesamtheit, d. h. einschließlich der Zahl der Personen, die voraussichtlich die Umkleide- und Sanitärräume nutzen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 159 VwGO. Da die Beigeladene einen eigenen Antrag gestellt hat, entspricht es der Billigkeit, sie an den Kosten des Verfahrens zu beteiligen (§ 162 Abs. 3, § 154 Abs. 3 VwGO).

Die Festsetzung des Streitwerts ergibt sich aus § 47 Abs. 1, § 52 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG i. V. m. Nr. 9.7.1 und Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Greifswald vom 13. August 2012 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen, die dieser selbst trägt.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des Vollstreckungsbetrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

1

Der Kläger wendet sich gegen einen Bescheid über die Rücknahme einer durch Fristablauf entstandenen Baugenehmigung und Ablehnung des Bauantrags für die Errichtung eines Gebäudes mit vier Ferienwohnungen.

2

Betroffen ist das Grundstück D. Straße 2 in E., Flur X, Flurstück Y. Es liegt im Geltungsbereich des Bebauungsplans Nr. 3 "Wohnbebauung F.", der einen Bereich inmitten in der Ortslage betrifft. Als Art der baulichen Nutzung ist ein Reines Wohngebiet gemäß § 3 Abs. 1, Abs. 2 und Abs. 4 BauNVO festgesetzt. Gem. Ziff. 1.1. und 1.2 der textlichen Festsetzungen werden Ausnahmen iSv § 3 Abs. 3 BauNVO ausschließlich für kleine Betriebe des Beherbergungsgewerbes zugelassen. Nach der Begründung ist die Fläche im Flächennutzungsplan als Wohnbaufläche dargestellt. Die Gemeinde verfolgt das Ziel, Flächen zur Deckung des gemeindlichen Wohnbedarfs zur Verfügung zu stellen (Ziff. 1.2 der Begründung). In der Begründung zu den Festsetzungen der Art der baulichen Nutzung heißt es (Ziff. 2.1.1), die Gemeinde wolle an einem innerörtlichen Standort Flächen für die Deckung von Wohnbedarf bereitstellen. Gemäß Nutzungsschablone und textlichen Festsetzungen könnten etwa 15 bis 20 Wohneinheiten als Einzel- oder Doppelhäuser entstehen. Da die Gemeinde sich in einem Raum mit besonderer natürlicher Eignung für Fremdenverkehr und Erholung und in einem Tourismusschwerpunktraum befinde, sollten Ausnahmen im Sinne von § 3 Abs. 3 BauNVO für kleine Betriebe des Beherbergungsgewerbes zugelassen werden. Für die ausgeschlossenen übrigen Nutzungen gemäß § 3 Abs. 3 BauNVO wie Läden und Handwerksbetriebe stünden in der Gemeinde andere Flächen insbesondere in den Mischgebieten beiderseits der Hauptstraße zur Verfügung. Durch den Ausschluss dieser Nutzung würden Nutzungskonflikte im reinen Wohngebiet unterbunden.

3

Für das Nachbargrundstück (Flurstück Z) erteilte die Beklagte dem Kläger mit Bescheid vom 24.06.2009 eine Baugenehmigung für die Errichtung eines Gebäudes mit einer Wohnung und drei Ferienwohnungen. Das auf jenem Grundstück errichtete Gebäude befindet sich in Nutzung.

4

Bezogen auf das Vorhabengrundstück beantragte der Kläger am 23.10.2009 die Erteilung einer Baugenehmigung. Im Antragsformular ist das Vorhaben mit "Wohngebäude mit vier Wohnungen" bezeichnet; in den bautechnischen Erläuterungen ist von vier Ferienwohnungen die Rede. Nach den Bauvorlagen sind in den Wohnungen jeweils drei Zimmer mit Bad vorgesehen; die Wohnflächen sollen etwa 53 qm im Erdgeschoss und etwa 45 qm im Dachgeschoss betragen. Die drei Zimmer sind jeweils mit "Zimmer Eltern" (11,60 qm im EG bzw. 9,50 qm im DG), "Zimmer Kinder" (9,82 qm im EG bzw. 8,00 qm im DG) und "Wohnen/Küche" (26,19 qm im EG bzw. 22,00 qm im DG) bezeichnet. Der Kläger beantragte ferner mit gesondertem Schreiben unter dem Betreff "Antrag auf Ausnahmegenehmigung nach § 3 BauNVO vom Bebauungsplan Nr. 3 als kleiner Betrieb des Beherbergungsgewerbes" für das Wohnhaus vier Ferienwohnungen zu genehmigen; diese Ausnahme sei nach dem Bebauungsplan möglich. Ebenfalls mit gesondertem Schreiben beantragte er, eine Verschiebung des Baufensters zu genehmigen.

5

Mit Schreiben vom 11.11.2009 verlängerte die Beklagte gemäß § 63 Abs. 2 LBauO M-V die Bearbeitungsfrist um einen Monat bis zum 23.02.2010. Mit einem weiteren Schreiben an den Kläger vom gleichen Tag verlangte sie die Einreichung eines neuen Lageplanes mit Stellflächen sowie eine Berechnung der Grund- und Geschossflächenzahlen zum Nachweis, dass die Festsetzungen des Bebauungsplanes eingehalten würden. Der Kläger reichte diese Unterlagen am 23.04.2010 bei der Beklagten ein. Die Gemeinde E. erteilte unter dem 19.10.2009 das Einvernehmen zu einer Ausnahme hinsichtlich der Art der Nutzung und formulierte, die Genehmigung zur Verschiebung des Baufeldes solle durch den Landkreis geprüft werden; eine weitere Stellungnahme der Gemeinde, mit der das Einvernehmen zur Verschiebung des Baufensters erteilt wird, datiert vom 03.03.2010. Die Beklagte stellte sich auf den Standpunkt, eine "Verschiebung des Baufensters" könne nur durch eine B-Plan-Änderung erfolgen, und verlangte einen (erneuten) Befreiungsantrag, auf den hin die Gemeinde das Einvernehmen sowohl zu einer Ausnahme hinsichtlich der Art der Nutzung als auch zu einer Befreiung von der Einhaltung der Baugrenzen versagte.

6

Mit Bescheid vom 13.12.2010 nahm die Beklagte nach vorheriger Anhörung die am 24.07.2010 durch Fristablauf entstandene Baugenehmigung mit Wirkung zum 23.07.2010 zurück, ordnete die sofortige Vollziehung an und lehnte den Bauantrag, den Ausnahmeantrag und den Befreiungsantrag ab. Zur Begründung ist u.a. ausgeführt, das Vorhaben entspreche nach der Art der Nutzung nicht den Festsetzungen des Bebauungsplans; eine Ausnahme könne nicht erteilt werden, da bereits für das Nachbargrundstück eine Ausnahme für drei Ferienwohnungen zugelassen worden sei und eine weitere Ausnahme den Gebietscharakter eines reinen Wohngebietes in Frage stellen würde. Im Rahmen der Ermessensausübung sei das öffentliche Interesse an der Einhaltung des geltenden Baurechts höher zu bewerten als das private Interesse des Klägers am Bestand des rechtswidrigen Verwaltungsaktes.

7

Den Widerspruch des Klägers wies die Beklage mit Widerspruchsbescheid vom 01.09.2011 als unbegründet zurück und führte aus, bei den Ferienwohnungen des Klägers handele es sich mangels entsprechenden Leistungsangebots nicht um einen Betrieb des Beherbergungsgewerbes. Da derzeit in dem Gebiet drei Ferienwohnungen und 14 Dauerwohnungen genehmigt seien, würde nach Zulassung weiterer vier Ferienwohnungen ein Drittel der bestehenden Nutzungseinheiten zu Ferienwohnzwecken genutzt. Dies widerspreche dem Gebietscharakter eines reinen Wohngebietes.

8

Bereits während des Widerspruchsverfahrens hatte die Beklagte dem Kläger auf dessen Antrag mit Bescheid vom 16.05.2011 für das Vorhabengrundstück (Flurstück Y) eine Baugenehmigung für die Errichtung eines Gebäudes mit drei (Dauer-)Wohnungen und einer Ferienwohnung sowie eine Ausnahme hinsichtlich der Nutzung einer Wohnung als Ferienwohnung und eine Befreiung von der Einhaltung der Baugrenze erteilt; die Gemeinde hatte hierzu das Einvernehmen erklärt.

9

Der Kläger hat am 01.08.2011 gegen den Rücknahme- und Ablehnungsbescheid Klage erhoben und vorgetragen: Bei seinem Vorhaben handele es sich um einen kleinen Betrieb des Beherbergungsgewerbes. Den Gästen der Ferienwohnungen würden Bettwäsche und Handtücher, ein Brötchenservice und "Housekeeping" zur Verfügung gestellt. Ein kleiner Beherbergungsbetrieb sei bei weniger als etwa zehn Zimmern zu bejahen. Das Störungspotential von vier Ferienwohnungen sei gering. Nach dem Inhalt des Bebauungsplans solle ein Nebeneinander von reinem Wohnen und einer kleinen Ferienhaus- und Ferienwohnungskultur ermöglicht werden. Die Gemeinde wolle sich zu einem Seebad mit zahlreichen Ferienwohnungen entwickeln, ohne jedoch ein Sondergebiet "Ferienhaus" gemäß § 10 Abs. 4 BauNVO auszuweisen. Da der Gebietscharakter des Reinen Wohngebietes nicht in Frage gestellt werde, habe er einen Anspruch auf die Erteilung einer Ausnahme.

10

Der Kläger hat beantragt,

11

den Rücknahme- und Ablehnungsbescheid der Beklagten vom 13.12.2010 in der Gestalt ihres Widerspruchsbescheides vom 01.09.2011 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, ihm die beantragte Baugenehmigung zur Errichtung eines Wohngebäudes mit vier Ferienwohnungen auf dem Grundstück Gemarkung E., Flur X, Flurstück Y einschließlich einer Ausnahme von den Festsetzungen des Bebauungsplans Nr. 3 „Wohnbebauung F.“ betreffend die Art der baulichen Nutzung sowie einer Befreiung von der festgesetzten Baugrenze zu erteilen.

12

Die Beklagte hat beantragt,

13

die Klage abzuweisen.

14

Mit Urteil vom 31.08.2012, zugestellt am 12.09.2012, hat das Verwaltungsgericht Greifswald den Rücknahme- und Ablehnungsbescheid der Beklagten vom 13.12.2010 aufgehoben, soweit er die Nutzung einer zweiten Wohnung als Ferienwohnung in dem streitigen Vorhaben betrifft, und insoweit die Beklagte verpflichtet, dem Kläger eine Ausnahme von der Festsetzung des Bebauungsplans zu erteilen. Im übrigen hat es die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat das Verwaltungsgericht ausgeführt: Die Klage sei unzulässig, soweit die Rücknahme und Ablehnung der Baugenehmigung für die zwischenzeitlich bereits mit Bescheid vom 16.05.2011 genehmigte Ferienwohnung angegriffen werde und die Beklagte insoweit zur Erteilung einer Ausnahme und einer Befreiung verpflichtet werden solle. Die durch Fristablauf entstandene Baugenehmigung widerspreche den planungsrechtlichen Vorschriften teilweise, nämlich hinsichtlich zweier Ferienwohnungen. Insoweit sei die Art der baulichen Nutzung nicht mit den Festsetzungen des Bebauungsplans vereinbar. Die beantragten Ferienwohnungen stellten einen Betrieb des Beherbergungsgewerbes dar. Ein Bauantrag für Ferienwohnungen sei regelmäßig auf den Betrieb eines Beherbergungsgewerbes gerichtet. Denn Ferienwohnungen böten wegen der zeitlich begrenzten Nutzung und der vollständigen Möblierung, zu deren Umgestaltung oder Austausch der Gast nicht befugt sei, typischerweise keine umfassende Möglichkeit eigenständiger Häuslichkeit; das Vorhandensein einer Kochmöglichkeit reiche dazu nicht aus. Soweit das VG Berlin (B. v. 23.01.2012 - 19 L 294/11 - LKV 2012, 93) und das OVG Berlin-Brandenburg (B. v. 06.07.2006 - OVG 2 S 2/06 - BRS 70 Nr. 67) für die Unterscheidung von Wohnen und Beherbergungsbetrieb auf die Möglichkeit einer Küchenbenutzung sowie der Nutzung weiterer beherbergungstypischer Dienstleistungen abstellten, hätten den Entscheidungen besondere Fallgestaltungen zu Grunde gelegen.

15

Der beabsichtigte Beherbergungsbetrieb sei jedoch nicht mehr als klein anzusehen, da der Kläger bereits auf dem Nachbargrundstück ein gleichartiges Gebäude mit drei genehmigten Ferienwohnungen unterhalte. Die bereits vorhandenen und die zusätzlich beantragten Ferienwohnungen stellten sich auch im Hinblick auf die vom Kläger beschriebenen beherbergungsbezogenen Dienstleistungen, die er für die Gäste über die reine Ferienwohnnutzung hinaus erbringe, als eine organisatorische Zusammenfassung von Betriebsanlagen und Betriebsmitteln zu einem bestimmten Betriebszweck dar. Je Ferienwohnung müsse von bis zu sechs Betten ausgegangen werden, so dass der Kläger mit insgesamt sieben Ferienwohnungen bis zu 42 Schlafplätze in 21 Räumen vorhalten wolle. Er trage jedoch selbst vor, dass die Grenze für einen kleinen Betrieb bei 10 Zimmern liege. Tatsächlich sei mit fünf Ferienwohnungen und maximal 30 Schlafgelegenheiten die Grenze eines kleinen Beherbergungsbetriebs erreicht. In diesem Umfang sei die Rücknahme rechtswidrig und dem Kläger eine Ausnahme für eine weitere Ferienwohnnutzung zu erteilen.

16

Dass die Gemeinde zahlreiche Ferienwohnungen habe ermöglichen wollen, lasse sich der Planung nicht entnehmen. In reinen Wohngebieten könnten deshalb nur kleine Beherbergungsbetriebe ausnahmsweise zugelassen werden, weil diese ein erhöhtes Störungspotential für die benachbarte Wohnbevölkerung mit sich brächten, für die das Baugebiet in erster Linie gedacht sei. Dies gelte auch und gerade für Ferienwohnungen mit ihrer üblichen Terrassen- und Balkonnutzung, weil Feriengäste die Abend- und frühen Nachtstunden länger nutzen könnten als die arbeitende Wohnbevölkerung. Weise die Gemeinde E. ein reines Wohngebiet aus, so wolle sie damit eine vergleichbare Wohnqualität verwirklichen wie sie in anderen Orten üblich sei. Hätte sie "zahlreiche Ferienwohnungen" im Plangebiet zulassen wollen, hätte sie eine andere Art der baulichen Nutzung festgesetzt.

17

Im übrigen sei die Rücknahme rechtmäßig. Die Beklagte habe das Ermessen fehlerfrei ausgeübt. Auf einen etwaigen Vertrauensschutz im Hinblick auf den erfolgten Beginn der Bauarbeiten durch Errichtung der Bodenplatte unter geringfügiger Überschreitung der Baugrenze und einen dadurch möglicherweise entstandenen Schaden habe sie nicht eingehen müssen, weil dem Kläger diesbezüglich bereits mit der Baugenehmigung vom 16.05.2011 eine Befreiung erteilt worden sei.

18

Mit Bescheid vom 01.11.2012 hat die Beklagte in Umsetzung des erstinstanzlichen Urteils dem Kläger eine Ausnahme von den Festsetzungen des Bebauungsplans dahingehend erteilt, dass für das bereits genehmigte Wohngebäude eine weitere Ferienwohnung zugelassen wird, womit für das Gebäude auf dem Flurstück Y insgesamt zwei Dauerwohnungen und zwei Ferienwohnungen zulässig seien.

19

Auf den am 12.09.2012 gestellten Antrag des Klägers hat der Senat mit Beschluss vom 16.09.2013, zugestellt am 27.09.2013, die Berufung wegen der geltend gemachten grundsätzlichen Bedeutung der Frage zugelassen, inwieweit, in welcher Form und in welchem Umfang die Nutzung von Ferienwohnungen einen kleinen Beherbergungsbetrieb iSv § 3 Abs. 3 Nr. 1 BauNVO darstellen kann. Auf den am 18.10.2013 gestellten Antrag des Prozessbevollmächtigten des Klägers hat der Senatsvorsitzende mit Verfügung vom 21.10.2013 die Frist zur Begründung der Berufung bis zum 28.11.2013 verlängert. Der Kläger hat die Berufung am 27.11.2013 im Wesentlichen wie folgt begründet:

20

Das Verwaltungsgericht sei von unrichtigen Tatsachenfeststellungen ausgegangen. Je Wohnung sei - wie im einzelnen näher ausgeführt wird - nicht von sechs, sondern von vier Schlafgelegenheiten auszugehen. In den sieben Ferienwohnungen würden damit insgesamt 28 Schlafgelegenheiten vorgehalten. Der Schwellenwert von 30 Schlafgelegenheiten, von dem das Verwaltungsgericht für einen kleinen Beherbergungsbetrieb ausgegangen sei, werde nicht erreicht. Weshalb das Verwaltungsgericht zusätzlich auch eine Beschränkung der Anzahl der Wohnungen auf fünf zu Grunde gelegt habe, sei nicht ersichtlich. Im übrigen spreche aber alles dafür, den für M-V ermittelten Durchschnitt von knapp 50 Schlafgelegenheiten je Betrieb als Indizgröße für die Abgrenzung heranzuziehen. Erst recht liege die Zahl der Schlafgelegenheiten in dem Betrieb des Klägers deutlich unterhalb des Durchschnitts in E. (knapp 80 je Betrieb). Was ein kleiner Betrieb des Beherbergungsgewerbes sei, sei im Lichte der planerischen Zielsetzung der Gemeinde auszulegen. In einem Tourismusschwerpunktraum mit besonderer natürlicher Eignung für Fremdenverkehr, in dem sich die Gemeinde nach der Planbegründung befinde, seien solche Betriebe nach ihrer Bettenzahl naturgemäß größer als in anderen Gebieten. Dem entsprechend habe die Gemeinde auch mit Beschluss vom 25.02.2013 das Einvernehmen zur Erteilung einer Ausnahme für die Nutzung des Vorhabenflurstücks Y als kleiner Betrieb des Beherbergungsgewerbes mit vier Ferienwohnungen erteilt. Das Verwaltungsgericht habe die maßgebliche Struktur der konkreten Örtlichkeit nicht aufgeklärt, obwohl sich dies nach Lage der Dinge aufgedrängt habe.

21

Andere Merkmale als die Bettenzahl habe das Verwaltungsgericht zur Abgrenzung zu Unrecht nicht herangezogen. Richtigerweise sei auch das Element der "Versorgung" zu betrachten. Dieses spreche aber fast zwingend dafür, den Beherbergungsbetrieb als "klein" zu qualifizieren, weil in dem bestehenden Einmannbetrieb neben einem Brötchenservice lediglich Wäsche- bzw. Handtuchwechsel und Reinigung der Zimmer vorgesehen seien; weniger sei kaum möglich.

22

Zu Unrecht sei das Verwaltungsgericht bei seinen Überlegungen zum Störungspotential von Ferienwohnungen für die benachbarte Wohnbevölkerung davon ausgegangen, dass Feriengäste die Terrassen und Balkone in den Abend- und frühen Nachtstunden länger nutzen könnten als die arbeitende Wohnbevölkerung. Als typische Gäste in Ferienwohnungen hätten auch Eltern mit kleinen Kindern in diesen Stunden ein besonderes Ruhebedürfnis. Im übrigen könne angesichts der hohen Arbeitslosigkeit in Mecklenburg-Vorpommern bzw. im Landkreis Vorpommern-Greifswald nicht ohne weiteres von arbeitender Wohnbevölkerung ausgegangen werden.

23

Der Kläger beantragt,

24
1. das Urteil des Verwaltungsgerichts Greifswald vom 31.08.2012 – 5 A 760/11 – insoweit aufzuheben, als die Klage im Übrigen abgewiesen worden ist,
25
2. den Rücknahme- und Ablehnungsbescheid der Beklagten vom 13.12.2010 und ihren Widerspruchsbescheid vom 01.09.2011 aufzuheben, soweit sie die Nutzung einer dritten und vierten Wohnung als Ferienwohnungen im Gebäude auf dem Flurstück Y der Flur X der Gemarkung E. betreffen,
26
3. die Beklagte unter teilweiser Änderung ihres Rücknahme- und Ablehnungsbescheides vom 13.12.2010 und ihres Widerspruchsbescheides vom 01.09.2011 zu verpflichten, ihm Ausnahmen von der Festsetzung des Bebauungsplans für die Nutzung zweier weiterer Wohnungen, d.h. der dritten und vierten Ferienwohnung im Gebäude auf dem Flurstück Y der Flur X der Gemarkung E. zu erteilen.
27

Die Beklagte beantragt,

28

die Berufung zurückzuweisen.

29

Der Beigeladene hat keinen Antrag gestellt und sich zur Sache nicht geäußert.

30

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

31

Die Berufung ist zulässig, aber nicht begründet.

32

1. Streitgegenstand ist trotz der beschränkten Antragstellung und der vorangegangenen teilweise stattgebenden Entscheidung des Verwaltungsgerichts der Rücknahme- und Ablehnungsbescheid der Beklagten vom 13.12.2010 insgesamt. Der Streitgegenstand ist insoweit nicht teilbar. Über das zur Genehmigung gestellte Vorhaben der Errichtung eines Gebäudes mit vier Ferienwohnungen an einem bestimmten Standort konnte nur einheitlich entschieden werden. Dabei bleibt es auch im Verfahren über den Rücknahme- und Ablehnungsbescheid. Auf die Frage, ob das Vorhaben in bestimmten Aspekten mit dem Vorhaben übereinstimmt, für das bereits mit Datum vom 16.05.2011 eine Genehmigung erteilt wurde, einschließlich Befreiung von der Einhaltung der Baugrenze und Ausnahme für die Nutzung einer der vier Wohnungen als Ferienwohnung, und für das in Umsetzung des erstinstanzlichen Urteils mit dem Bescheid vom 01.11.2012 eine weitere Ausnahme für die Nutzung einer weiteren Wohnung als Ferienwohnung erteilt wurde, kommt es nicht an.

33

2. Dem Kläger fehlt für die Weiterverfolgung der Klage nicht das Rechtsschutzbedürfnis. Allerdings erstrebt er eine Baugenehmigung für ein anderes Gebäude als dasjenige, das er auf dem Vorhabenflurstück Y tatsächlich errichtet hat. Wie die mündliche Verhandlung vor dem Senat ergeben hat, ist das Gebäude jedenfalls insoweit abweichend von den Bauvorlagen errichtet worden, als in dem Gebäude über Erd- und "Dachgeschoss" hinaus eine dritte Wohnebene mit Verglasung auf der Südseite nebst Balkon entstanden ist. Es erscheint jedoch nicht von vornherein ausgeschlossen, dass dieser Bestand durch einen entsprechenden Rückbau legalisiert werden kann.

34

3. Die Klage ist nicht begründet, weil der Rücknahme- und Ablehnungsbescheid der Beklagten vom 13.12.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 01.09.2011 rechtmäßig ist und den Kläger nicht in seinen Rechten verletzt, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.

35

Nach § 48 Abs. 1 VwVfG M-V kann ein rechtswidriger Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden (Satz 1); ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), darf nur unter den Einschränkungen der Abs. 2 bis 4 der Vorschrift zurückgenommen werden. Gemessen an diesen Voraussetzungen ist die Rücknahmeentscheidung der Beklagten rechtmäßig.

36

Gegenstand der Rücknahme ist eine fiktiv erteilte Baugenehmigung. Diese Baugenehmigung ist rechtswidrig. Sie war nicht zu erteilen, weil dem Vorhaben öffentlich-rechtliche Vorschriften des Bauplanungsrechts entgegen stehen, § 72 Abs. 1 LBauO M-V. Da das Vorhaben im Geltungsbereich eines qualifizierten Bebauungsplans liegt, setzt die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit gemäß § 30 Abs. 1 BauGB voraus, dass das Vorhaben dessen Festsetzungen nicht widerspricht. Dies ist aber hier im Hinblick auf die angestrebte Art der baulichen Nutzung des Gebäudes für vier Ferienwohnungen der Fall.

37

a) Der Bebauungsplan Nr. 3 der Gemeinde E. "Bebauung F." setzt ein reines Wohngebiet fest, in dem gemäß § 3 Abs. 2 BauNVO nur Wohngebäude (und nach der aktuellen Fassung der BauNVO Anlagen zur Kinderbetreuung) allgemein zulässig sind. Bei dem Vorhaben des Klägers handelt es sich jedoch nicht um ein Wohngebäude in diesem Sinne. Wie der Senat bereits in dem Beschluss vom 28.12.2007 - 3 M 190/07 - (Juris Rn. 9 ff.) ausgeführt hat, sind Ferienwohnungen von dem bauplanungsrechtlichen Begriff des Wohngebäudes nicht umfasst. An dieser Rechtsprechung hält der Senat - in Übereinstimmung mit dem Bundesverwaltungsgericht (vgl. B. v. 11.07.2013 - 4 CN 7.12 - NVwZ 2014, 72 = Juris Rn. 11) - fest (ebenso: OVG Lüneburg B. v. 22.11.2013 - 1 LA 49/13 - NordÖR 2014, 81 = Juris Rn. 18; anderer Ansicht: Jäde BauNVO § 3 Rn. 4; unklar Fickert/Fieseler BauNVO § 3 Rn. 1.2 u. 10 sowie § 10 Rn. 34.1, wo einzeln gelegene Ferienwohnungen in reinen und allgemeinen Wohngebieten offenbar für allgemein zulässig gehalten werden).

38

Das Bauplanungsrecht unterscheidet begrifflich zwischen Wohngebäuden einerseits und Ferien- und Wochenendhäusern andererseits. Während nach den §§ 2, 3, 4, 4a, 5 und 6 BauNVO "Wohngebäude" in den entsprechenden Baugebieten zulässig sind, bezieht sich § 10 Abs. 3 BauNVO auf "Wochenendhäuser" und § 10 Abs. 4 BauNVO auf "Ferienhäuser". Diese begriffliche Unterscheidung ist im Bauplanungsrecht angelegt (vgl. BVerwG U. v. 12.03.1982 - 4 C 59.78 -, NJW 1982, 2512 = Juris Rn. 23). Die Baunutzungsverordnung führt die allgemeine Wohnnutzung einerseits und die Ferienwohnnutzung andererseits als eigenständige Nutzungsarten auf (BVerwG, B. v. 08.05.1989 - 4 B 78.89 -, NVwZ 1989, 1060 = Juris Rn. 3; B. v. 07.09.1984 – 4 N 3.84 – NVwZ 1985, 338 = Juris Rn. 21).

39

Um den Wohnbegriff in Abgrenzung zu anderen Nutzungsarten unter Zugrundelegung der typisierenden bauplanungsrechtlichen Betrachtungsweise sachgerecht zu erfassen, bedarf es einer wertenden Betrachtung aller Umstände. Maßgeblich ist die Zweckbestimmung des Aufenthalts in den Räumen. Zum Begriff des Wohnens gehört eine auf Dauer angelegte Häuslichkeit, die Eigengestaltung der Haushaltsführung und des häuslichen Wirkungskreises sowie die Freiwilligkeit des Aufenthalts. Diese Definition ist aus der Abgrenzung zu anderen planungsrechtlichen Nutzungsformen (Beherbergung, Heimunterbringung, Formen der sozialen Betreuung und Pflege) entwickelt worden. Sie soll den Bereich des Wohnens als Bestandteil der privaten Lebensgestaltung kennzeichnen. Gemeint ist damit die Nutzungsform des selbstbestimmt geführten privaten Lebens "in den eigenen vier Wänden", die auf eine gewisse Dauer angelegt ist und keinem anderen in der Baunutzungsverordnung vorgesehenen Nutzungszweck verschrieben ist, insbesondere keinem Erwerbszweck dient (vgl. BVerwG B. v. 25.03.2004 - 4 B 15.04 - BRS 67 Nr. 70 = Juris Rn. 4 mwN; B. v. 25.03.1996 - 4 B 302.95 - NVwZ 1996, 893 = Juris Rn. 12). Diese Merkmale schließen einen Zweitwohnsitz nicht aus (vgl. OVG Greifswald U. v. 11.07.2007 - 3 L 75/06 -). Sie unterscheiden das (Dauer-)Wohnen aber von anderen Nutzungsarten, die sich durch ein übergangsweises, nicht "alltägliches" Wohnen oder ein provisorisches, einem begrenzten Zweck dienendes Unterkommen auszeichnen. Bei Ferienwohnungen, die vom Nutzungskonzept her (zumeist wochenweisen) vorübergehenden Aufenthalt für ständig wechselnde Feriengäste bieten (vgl. Stock in: König u.a. BauNVO, 2. Aufl. § 3 Rn. 17; vgl. a. Boeddinghaus BauNVO 5. Aufl. 2005 § 10 Rn. 15), fehlt es typischerweise an der auf Dauer angelegten Häuslichkeit (OVG Lüneburg B. v. 22.11.2013 – 1 LA 49/13 – NordÖR 2014, 81 = Juris Rn. 18; OVG Münster U. v. 17.01.1996 – 7 A 166/96 – S. 13 d. Urteilsabdrucks). (Dauer)Wohnungen werden demgegenüber von einem über einen längeren Zeitraum gleichbleibenden Bewohnerkreis genutzt. Die daraus resultierenden unterschiedlichen bodenrechtlichen Auswirkungen der beiden Nutzungsarten rechtfertigen die bauplanungsrechtliche typisierende Unterscheidung.

40

b) Die beantragte Nutzung des Gebäudes für vier Ferienwohnungen kann auch nicht ausnahmsweise zugelassen werden. Die Voraussetzungen für die Erteilung einer Ausnahme liegen nicht vor. Ausnahmen von den Festsetzungen des Bebauungsplans können nach § 31 Abs. 1 BauGB zugelassen werden, wenn sie in dem Bebauungsplan nach Art und Umfang ausdrücklich vorgesehen sind. Gemäß Ziff. 1.1 der textlichen Festsetzungen des Bebauungsplans Nr. 3 der Gemeinde E. sollen von den gemäß § 3 Abs. 3 BauNVO im reinen Wohngebiet grundsätzlich ausnahmefähigen Vorhaben nur kleine Betriebe des Beherbergungsgewerbes ausnahmsweise zugelassen werden können. Hierunter fällt das Vorhaben des Klägers nicht.

41

aa) Das Vorhaben des Klägers ist kein Betrieb des Beherbergungsgewerbes.

42

(1) Ferienwohnungen und Betriebe des Beherbergungsgewerbes sind bauplanungsrechtlich unterschiedliche Nutzungsarten. Auch die Vermietung mehrerer in einem Gebäude oder räumlich benachbart liegender Ferienwohnungen desselben Eigentümers begründet nicht das Vorliegen eines Betriebs des Beherbergungsgewerbes iSd § 3 Abs. 3 BauNVO (vgl. OVG Lüneburg U. v. 12.12.2013 - 1 LA 123/13 - DVBl 2014, 254 Rn. 11 u. B. v. 18.07.2008 – 1 LA 203/07 – BRS 73 Nr. 168 = Juris Rn. 12; vgl. a. B. v. 22.11.2013 - 1 LA 49/13 - NordÖR 2014, 81 = Juris Rn. 19; OVG Münster U. v. 17.01.1996 – 7 A 166/96 – S. 10 d. Urteilsabdrucks; ebenso VG Schwerin U. v. 20.12.2012 – 2 A 1577/10 – Juris Rn. 34 ff. sowie U. v. 20.12.2012 – 2 A 863/11 – Juris Rn. 31 ff; anderer Ansicht: Stock in König ua BauNVO § 4a Rn. 25 sowie in Ernst/Zinkahn/Bielenberg § 4 BauNVO Rn. 110, 114; Fickert/Fieseler BauNVO 11. Aufl.2008 § 3 Rn. 19; OVG Lüneburg U. v. 20.05.1987 - 1 A 124/86 - BRS 47 Nr. 37; offener Bönker in Bönker/Bischopink BauNVO § 7 Rn. 70).

43

Ferienwohnungen und Betriebe des Beherbergungsgewerbes werden im Bauplanungsrecht begrifflich unterschieden. Während das Ferienwohnen nur in § 10 Abs. 4 BauNVO bezogen auf den Spezialfall der Ferienhäuser Erwähnung findet, nennt die Baunutzungsverordnung Betriebe des Beherbergungsgewerbes in § 4 Abs. 2 Nr. 2, § 5 Abs. 2 Nr. 5, § 6 Abs. 2 Nr. 3 und § 7 Abs. 2 Nr. 2 als allgemein zulässig und in § 3 Abs. 3 Nr. 1 und § 4 Abs. 3 Nr. 1 – im ersteren Falle mit der Einschränkung auf kleine Betriebe - als ausnahmsweise zulässig. Es handelt sich um städtebaulich relevante, eigenständige Nutzungsarten (vgl. BVerwG B. v. 08.05.1989 – 4 B 78.89 – NVwZ 1989, 1060 = Juris Rn. 3; B. v. 07.09.1984 – 4 N 3.84 – NVwZ 1985, 338 = Juris Rn. 21). Eine Beherbergung liegt daher nicht etwa immer bereits dann vor, wenn bei Anmietung einer fremden Wohnung wegen fehlender Dauerhaftigkeit ein (Dauer-)Wohnen verneint werden muss (so aber wohl Vietmeier in Bönker/Bischopink aaO § 3 Rn. 27).

44

Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist die mietweise Überlassung von selbständigen Wohnungen, sei es auch zu Ferienzwecken, keine Beherbergung (vgl. BVerwG B. v. 08.05.1989 - 4 B 78.89 - NVwZ 1989, 1060 = Juris Rn. 3). Bereits zuvor hatte das Bundesverwaltungsgericht formuliert, Vieles spreche dafür, dass die Nutzung "Betrieb des Beherbergungsgewerbes" nicht die allgemeine Wohnnutzung (einschließlich der Nutzung als Zweitwohnung) und nicht die Ferienwohnung iSd § 10 Abs. 4 BauNVO umfasst, weil die Baunutzungsverordnung die allgemeine Wohnnutzung und die Ferienwohnnutzung als städtebaulich relevante eigenständige Nutzungsarten neben der Nutzungsart "Beherbergungsbetriebe" regelt (vgl. B. v. 07.09.1984 - 4 N 3.84 - NVwZ 1985, 338 = Juris Rn. 20 f.). Aus dem Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 27.11.1987 - 4 B 230/87 ua (DÖV 1988, 382 = Juris) folgt nichts anderes. Zwar betrifft diese Entscheidung einen Fall, in dem die Vorinstanz (OVG Lüneburg, U. v. 20.05.1987 - 1 A 124/86 - BRS 47 Nr. 37) 10 Ferienwohnungen in zwei Häusern zusammengefasst als Betrieb des Beherbergungsgewerbes angesehen hatte; zu dieser Einordnung selbst verhält die Entscheidung sich aber mangels entsprechender Rüge nicht. Auch dem Urteil des Bundesverwaltungsgericht vom 29.04.1992 - 4 C 43.89 - (BVerwGE 90, 140 = Juris Rn. 16) lässt sich eine andere Auffassung nicht entnehmen, weil die Frage, ob ein Beherbergungsbetrieb ("im weiteren Sinne") vorliegt, wenn Appartements mit Kochgelegenheit ohne nennenswerte weitere Dienstleistungen an Montagearbeiter vermietet werden, ausdrücklich offen gelassen wird.

45

(2) Ein Betrieb des Beherbergungsgewerbes liegt nach der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts vor, wenn Räume ständig wechselnden Gästen zum vorübergehenden Aufenthalt zur Verfügung gestellt werden, ohne dass diese dort ihren häuslichen Wirkungskreis unabhängig gestalten können (vgl. BVerwG B. v. 08.05.1989 - 4 B 78.89 - NVwZ 1989, 1060 = Juris Rn. 3). Diese Voraussetzungen sind jedenfalls dann erfüllt, wenn sich die Überlassung der Räume auf eine reine Übernachtungsmöglichkeit beschränkt, so dass der Gast ausstattungsbedingt auf die Inanspruchnahme weiterer Dienstleistungen angewiesen ist (vgl. OVG Berlin-Brandenburg B. v. 06.07.2006 - OVG 2 S 2.06 - BRS 70 Nr. 67 = Juris Rn. 8; s.a. OVG Münster B. v. 14.08.2007 - 10 A 1219/06 - NVwZ-RR 2008, 20 = Juris Rn. 9 ff.). Danach sind Hotels, Pensionen, Gasthöfe, Gästehäuser und Fremdenheime typische Betriebe des Beherbergungsgewerbes.

46

Ferienwohnungen sind entsprechend der - Ferienhäuser betreffenden - Bestimmung des § 10 Abs. 4 BauNVO auf Grund ihrer Lage Größe, Ausstattung, Erschließung und Versorgung für den Erholungsaufenthalt geeignet und dazu bestimmt, überwiegend und auf Dauer einem wechselnden Personenkreis zur Erholung zu dienen. Diese sind nach ihrer Ausstattung auf eine Selbstversorgung der Feriengäste ausgerichtet, so dass die Voraussetzung für einen Betrieb des Beherbergungsgewerbes, dass der häusliche Wirkungskreis nicht unabhängig gestaltet werden kann, nicht erfüllt ist (vgl. OVG Lüneburg B. v. 22.11.2013 – 1 LA 49/13 – NordÖR 2014, 81 = Juris Rn. 19 sowie B. v. 18.07.2008 – 1 LA 203/07 – BRS 73 Nr. 168 = Juris Rn. 12; vgl. a. OVG Münster U. v. 17.01.1996 – 7 A 166/96 – S. 10 d. Urteilsabdrucks). Soweit der Beschluss des Senats vom 28.12.2007 – 3 M 190/07 – (Juris) zur Abgrenzung von Dauerwohnen und Ferienwohnen dahin gehend verstanden werden konnte, bei der Ferienwohnnutzung sei ein unabhängig zu gestaltender häuslicher Wirkungskreis nicht gegeben, hält der Senat daran nicht fest.

47

(3) Allerdings bedarf der Begriff des Betriebs des Beherbergungsgewerbes im Hinblick auf entstandene Zwischenformen wie zB Apart(ment)hotels der Modifizierung. Da es für die Zuordnung zu bestimmten Nutzungsarten allgemein nicht nur auf die mit einer bestimmten baulichen Ausstattung gegebenen Möglichkeiten der Nutzung ankommt, sondern maßgeblich auch auf das Nutzungskonzept und dessen grundsätzliche tatsächliche Verwirklichung (vgl. BVerwG B. v. 25.03.1996 – 4 B 302.95 – NVwZ 1996, 893 = Juris Rn. 12; Vietmeier in Bönker/Bischopink BauNVO § 4 Rn. 68), können auch Unterkünfte, die eine unabhängige Gestaltung des häuslichen Wirkungskreises ermöglichen, zu einem Beherbergungsbetrieb gehören, nämlich dann wenn neben der Überlassung von Räumen beherbergungstypische Dienstleistungen angeboten und auch typischerweise in Anspruch genommen werden, die einen nennenswerten Umfang erreichen und die Nutzung prägen (vgl. OVG Münster B. v. 14.08.2007 - 10 A 1219/06 - NVwZ-RR 2008, 20 = Juris Rn. 9; OVG Berlin-Brandenburg B. v. 06.07.2006 - OVG 2 S 2.06 - BRS 70 Nr. 67 = Juris Rn. 8 ff. - "Boardinghouse"; VG Berlin B. v. 23.01.2013 – 19 L 294/11LKV 2012, 93 = Juris Rn. 20 ff.). Soweit eine Unterkunft nach Größe und Ausstattung die Möglichkeit bietet, auf eine gewisse Dauer ein selbst bestimmtes häusliches Leben zu führen, insbesondere weil diese über eine eigene Küchenzeile mit Kühlschrank und darüber hinaus weitere zur eigenständigen Haushaltsführung geeignete technische Geräte verfügt, kann daher gleichwohl ein Beherbergungsbetrieb vorliegen, wenn hotelähnliche Nebenleistungen wie Frühstücksbuffet, Reinigungsdienst, Wäscheservice, Bettwäschewechsel oder Lebensmitteldienste einen nennenswerten Umfang erreichen, vom eigenen Hauspersonal erbracht werden und im Preis inbegriffen sind. Danach ist das Vorhandensein der für einen solchen Betrieb typischen Servicebereiche außerhalb der vermieteten Unterkünfte - wie Speise- und Aufenthaltsräume mit dem zugehörigen Personalservice, betriebsnotwendige Nebenräume, Aufenthalts- und Sozialräume für das Personal sowie Lagerräume für die Unterbringung von Servicegerätschaften und Bedarfsartikeln - ein Indiz für einen Beherbergungsbetrieb; der räumlichen Struktur der Gesamtanlage und den sich dadurch bietenden Nutzungsmöglichkeiten kommt neben dem Nutzungskonzept ein besonderes Gewicht zu (vgl. OVG Berlin-Brandenburg aaO). Vor diesem Hintergrund kann auch der Umstand, dass der Vorhabenträger keine Betriebsbeschreibung einreicht, aus der sich die Betriebsabläufe, Zahl der Mitarbeiter, Öffnungszeiten usw. ergeben, und eine solche Beschreibung zur Beurteilung des Vorhabens auch nicht erforderlich erscheint, als Indiz dafür gewertet werden, dass relevante Betriebsabläufe nicht stattfinden, wie sie zum Betrieb des Beherbergungsgewerbes gehören.

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In Modifizierung der Ausgangsdefinition ist daher ein Betrieb des Beherbergungsgewerbes dann anzunehmen, wenn Räume ständig wechselnden Gästen zum vorübergehenden Aufenthalt zur Verfügung gestellt werden, ohne dass diese dort typischerweise eine eigene Häuslichkeit begründen, entweder weil dies nach der Art der Räumlichkeiten gar nicht möglich ist oder weil die Inanspruchnahme beherbergungstypischer Dienstleistungen die Nutzung prägt.

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(4) Eine generelle Einordnung von Ferienwohnungen als Betrieb des Beherbergungsgewerbes ist auch nicht im Hinblick auf die städtebaulichen Zielsetzungen der Baunutzungsverordnung gerechtfertigt. Soweit angeführt wird, dass Ferienwohnungen vergleichbare Auswirkungen auf die Umgebung hätten wie Betriebe des Beherbergungsgewerbes (vgl. OVG Lüneburg, U. v. 20.05.1987 - 1 A 124/86 - BRS 47 Nr. 37), mag allerdings auf den ersten Blick einiges dafür sprechen anzunehmen, dass das Störpotential von Ferienwohnungen für die Umgebung demjenigen ähnelt, das von Beherbergungsbetrieben ausgeht, oder wegen der meist nicht tage- sondern nur wochenweisen Vermietung sogar geringer ist. Andererseits können gerade die typischerweise geringere Größe der überlassenen Räumlichkeiten und das Vorhandensein bewirtschafteter Servicebereiche in Betrieben des Beherbergungsgewerbes auch Anlass bieten anzunehmen, das Störpotential könnte geringer sein bzw. vom Betriebsinhaber besser gesteuert werden. Hinzu kommt, dass für die bauplanungsrechtliche Beurteilung nicht nur die (ggf. störenden) Auswirkungen eines Vorhabens in dem Blick zu nehmen sind, sondern auch seine Anforderungen an die Umgebung. Diese können sich zwischen Ferienwohnung und Beherbergungsbetrieb zB deshalb unterscheiden, weil der Beherbergungsbetrieb im Hinblick auf seine Bewirtschaftung bereits selbst ein Mindestmaß an "Infrastruktur" garantiert, das deshalb nicht in der Umgebung vorgehalten werden muss. Ein weiterer maßgeblicher Unterschied ergibt sich aus dem häufigen Leerstand von Ferienwohnungen außerhalb der Saison-Zeiten.

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Allerdings führt die hier vertretene Auffassung dazu, dass "reine" Ferienwohnungen in anderen als Sondergebieten generell unzulässig sind. Der Plangeber, der kein Sondergebiet sondern ein allgemeines Wohngebiet festsetzt, ist auch nicht befugt, den Begriff "Betrieb des Beherbergungsgewerbes" in einem von der Baunutzungsverordnung abweichenden Sinne zu verwenden und Ferienwohnungen einzuschließen (zu den insoweit bestehenden Gestaltungsmöglichkeiten der planenden Gemeinde bei der Festsetzung von Sondergebieten vgl. OVG Lüneburg B. v. 12.12.2013 - 1 LA 123/13 - DVBl 2014, 254 = Juris Rn. 11 f. mwN). Diese Konsequenz als unerwünscht anzusehen, wird teilweise zum Anlass genommen, Ferienwohnungen entweder dem Begriff der Wohngebäude zuzuordnen (vgl. Jäde BauNVO § 3 Rn. 4; unklar Fickert/Fieseler BauNVO § 3 Rn. 1.2 u.10 sowie § 10 Rn. 34.1), oder die Vermietung von Ferienwohnungen "der Beherbergung gleichzustellen" (vgl. Stock in König ua BauNVO § 4a Rn. 25 sowie in Ernst/Zinkahn/Bielenberg § 4 BauNVO Rn. 110, 114). Im Hinblick auf die Kategorien der BauNVO, die nur nach Maßgabe des § 1 Abs. 3 ff. BauNVO im Bebauungsplan variiert werden können, ist es jedoch Sache des Verordnungsgebers, eine ggf. gewünschte Einordnung der Ferienwohnungen vorzunehmen. Auch anlässlich der letzten Änderung der Baunutzungsverordnung mit dem Gesetz zur Stärkung der Innenentwicklung in den Städten und Gemeinden und weiteren Fortentwicklung des Städtebaurechts vom 11.06.2013 (BGBl. I S. 1548) sind entsprechende Vorschläge vom Verordnungsgeber jedoch nicht aufgegriffen worden.

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(5) Nach den vorstehenden Kriterien ist im vorliegenden Fall von Ferienwohnungen und nicht von einem Betrieb des Beherbergungsgewerbes auszugehen. Die bloße Ausstattung der Wohnungen mit Bett-, Tisch- und Badwäsche entspricht einer möblierten Vermietung und stellt noch keine beherbergungstypische Dienstleistung dar (vgl. OVG Berlin-Brandenburg B. v. 06.07.2006 - OVG 2 S 2.06 - BRS 70 Nr. 67 = Juris Rn. 15). Ebenso gibt das "Housekeeping" durch den Kläger, d.h. die Reinigung und Instandhaltung des Hauses und Grundstücks, für die Abgrenzung nichts her, weil dieses im Grundsatz ebenso im Falle einer Vermietung „reiner“ Ferienwohnungen erfolgt. Soweit der Kläger auch Bettwäsche- und Handtuchwechsel im Laufe des Mietzeitraums sowie einen Brötchenservice anbietet, geht es um geringfügige Dienstleistungen, die nicht zum "Kernangebot" gehören und die Nutzung nicht prägen. Der Kläger selbst trägt vor, er beschäftige keine Mitarbeiter, sondern führe einen Ein-Mann-Betrieb; ein geringeres Leistungsangebot als bei ihm sei kaum möglich. Typische Servicebereiche außerhalb der vermieteten Unterkünfte wie Speise- oder Aufenthaltsräume mit Personalservice einschließlich entsprechender Nebenräume sind nicht vorhanden. Dem entsprechend ist mit dem Bauantrag auch keine Betriebsbeschreibung eingereicht worden und von der Beklagten auch nicht für erforderlich gehalten worden.

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bb) Lediglich ergänzend und ohne dass es für die Entscheidung noch darauf ankommt, wird darauf hingewiesen, dass es sich, auch wenn ein Betrieb des Beherbergungsgewerbes bejaht würde, nicht mehr um einen kleinen Betrieb handeln dürfte. § 3 Abs. 3 BauNVO verwendet zur Kennzeichnung des Typs der in reinen Wohngebieten ausnahmsweise zulassungsfähigen Beherbergungsbetriebe als Zusatz den unbestimmten Rechtsbegriff "klein", um eine Konkretisierung im Einzelfall, nämlich unter Bezug auf das im Bebauungsplan festgesetzte Gebiet zu ermöglichen. Was in diesem Sinne "klein" ist, kann zwar im Einzelfall nach der Bettenzahl als einem dafür maßgeblichen Merkmal bestimmt werden, aber nicht allgemein mit einer bestimmten Zahl einheitlich für alle nach § 3 BauNVO festgesetzten und festzusetzenden Gebiete. Für die Auslegung kommt es vielmehr auf die Festsetzungen des Bebauungsplans und deren Bedeutung in der konkreten Örtlichkeit an (vgl. BVerwG B. v. 27.11.1987 - 4 B 230/87 ua - DÖV 1988, 382 = Juris Rn. 3). Maßgeblich ist, ob sich der Betrieb nach Erscheinungsform, Betriebsform und Betriebsführung sowie unter Berücksichtigung der Zahl der Benutzer unauffällig in das Gebiet einordnet. Wesentlicher Gesichtspunkt ist dabei, wie sich der Betrieb auf seine Umgebung auswirkt und welche Störungen von ihm ausgehen. Die kleinen Betriebe des Beherbergungsgewerbes werden dadurch gekennzeichnet, dass sie sich der Vermietung von Wohnräumen annähern, baulich zumeist nicht besonders in Erscheinung treten und in Folge dessen auch den Charakter des reinen Wohngebietes nicht beeinflussen (vgl. OVG Hamburg B. v. 07.01.2000 - 2 Bs 344/99 - BRS 63 Nr. 68 = Juris Rn. 7; vgl. a. VGH Kassel B. v. 24.01.2007 - 4 TG 2870/06 - BRS 71 Nr. 53 = Juris Rn. 4 sowie zur Bedeutung der Bettenzahl VGH Mannheim U. v. 31.01.1997 - 8 S 3167/96 - BRS 59 Nr. 58 = Juris Rn. 17; zum Begriff des "wohnartigen (Gewerbe-)Betriebs" vgl. Schiller in Gelzer Bauplanungsrecht Rn. 1546 u. Jäde BauNVO § 3 Rn. 44).

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Vorliegend ist zu berücksichtigen, dass es sich um ein kleines Baugebiet handelt, in dem nach dem Willen des Plangebers lediglich etwa 15 bis 20 Wohneinheiten als Einzel- oder Doppelhäuser beiderseits einer einzigen als Sackgasse ausgestalteten Wohnstraße entstehen sollen. Allerdings hat der Plangeber mit der Festlegung der Baugrenzen und den Festsetzungen zum Maß der baulichen Nutzung (Grundflächenzahl 0,3, höchstens zwei Vollgeschosse, Traufhöhe 3,80 m, Dachneigung 30-49 Grad) eine eher großzügige bauliche Ausnutzung der Grundstücke ermöglicht. Das streitgegenständliche Gebäude dürfte daher isoliert betrachtet nicht besonders in Erscheinung treten. Unter dem Gesichtspunkt eines Betriebs des Beherbergungsgewerbes wären aber vorliegend die beiden Gebäude mit Ferienwohnungen auf den Flurstücken Z und Y zusammen zu betrachten (vgl. die ähnliche Fallkonstellation die dem U. d. OVG Lüneburg v. 20.05.1987 - 1 A 124/86 - BRS 47 Nr. 37 u. dem B. d. BVerwG v. 27.11.1987 - 4 B 230/87 ua - DÖV 1988, 382 = Juris zu Grunde lag). Läge damit ein den Umfang eines Einzelhauses überschreitender und zwei Bauplätze einnehmender Betrieb vor, so dürfte dieser sich nicht mehr unauffällig einordnen, sondern die Umgebung dominieren und daher in dem konkreten Baugebiet nicht mehr als "klein" anzusehen sein. Entsprechendes gilt unter dem Gesichtspunkt der Bettenzahl. Dem Vortrag des Klägers folgend geht der Senat davon aus, dass jede Ferienwohnung vier Betten umfasst, so dass sich für das streitgegenständliche Gebäude 16 Betten ergeben. Ein einheitlicher Betrieb des Beherbergungsgewerbes, der in den Gebäuden auf den Flurstücken Z und Y betrieben würde, hätte 28 Betten. In einem Gebiet, das von einer Einfamilienhausbebauung geprägt sein soll, dürfte auch im Hinblick auf diese Bettenzahl die Grenze eines kleinen Beherbergungsbetriebes überschritten sein. Denn durch ein entsprechendes Vorhaben werden auf Grund der wechselnden Gäste und der potentiellen Nutzungskonflikte zwischen Urlaubs- und Dauerwohnnutzung Störungen in das Gebiet hineingetragen, die mit der Zahl der Gäste zunehmen. Auf die Verhältnisse in der Gemeinde E. insgesamt und die durchschnittliche Bettenzahl der dortigen Beherbergungsbetriebe kommt es nicht an; erst recht nicht auf die durchschnittliche Bettenzahl von Beherbergungsbetrieben in Mecklenburg-Vorpommern.

54

Soweit der Kläger sich der Sache nach auf den Beschluss des BVerwG vom 27.11.1987 - 4 B 230/87 (DÖV 1988, 382 = Juris) beruft, ist dort lediglich die Bewertung der Vorinstanz unbeanstandet geblieben, ein Beherbergungsbetrieb mit zehn Ferienwohnungen und 30 Betten sei nicht mehr "klein" iSd § 3 Abs. 3 BauNVO. Daraus kann nicht gefolgert werden, bei dieser Größenordnung liege die generelle Obergrenze für einen kleinen Beherbergungsbetrieb, zumal es - wie bereits ausgeführt - auf die konkrete Situation vor Ort ankommt.

55

Gegen die Ermessensausübung der Beklagten sind Bedenken weder vorgetragen noch ersichtlich. Insoweit wird auf die zutreffenden Gründe der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen.

56

Ebenso wie die Rücknahme der als erteilt geltenden Baugenehmigung ist auch die Ablehnung des Bauantrages rechtmäßig. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Erteilung einer Baugenehmigung für sein Vorhaben (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).

57

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 2, 162 Abs. 3 VwGO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO iVm §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

58

Die Revision wird wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Frage zugelassen, ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen Ferienwohnungen einen Betrieb des Beherbergungsgewerbes im Sinne der Vorschriften der Baunutzungsverordnung darstellen können (§ 132 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Diese Frage ist soweit ersichtlich in der jüngeren Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nicht thematisiert worden; aus der älteren Rechtsprechung werden zum Teil unterschiedliche Schlussfolgerungen gezogen. Zudem haben sich die tatsächlichen Gegebenheiten verändert, was die Unterkunftsarten für Erholungssuchende und die Entwicklung von Zwischenformen zwischen Wohnen bzw. Ferienwohnen und Beherbergung angeht, so dass sich die Frage auch unter diesem Gesichtspunkt neu stellt.

Tenor

I.

In Abänderung der Nrn. I und II des Beschlusses des Verwaltungsgerichts Würzburg vom 9. Juli 2015 wird die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers vom 23. Dezember 2014 gegen den Bescheid des Landratsamts S... vom 21. November 2014 angeordnet.

II.

Der Antragsgegner und die Beigeladene tragen die Kosten des Verfahrens in beiden Instanzen jeweils zur Hälfte. Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.

III.

Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 3.750,-- Euro festgesetzt.

Gründe

I. Der Antragsteller wendet sich gegen die Erteilung einer Baugenehmigung an die Beigeladene zur Errichtung eines Kiosk mit Freiterrasse, Pavillon, Umkleide- und Sanitärräumen und begehrt vorläufigen Rechtsschutz.

Die Beigeladene ist eine Grundstücksgesellschaft im Bereich der G.-Unternehmensgruppe, die seit mehr als 40 Jahren auf dem Grundstück FlNr. 1005 Gemarkung B. ein betriebliches Freizeitgelände im Außenbereich betreibt. Eine Baugenehmigung hierfür besteht (bislang) nicht. Das Grundstück ist umgeben von mehreren ehemaligen Baggerseen, die teilweise als Badeplätze genutzt werden.

Der Antragsteller ist Eigentümer des Grundstücks FlNr. 964/1 Gemarkung B. Das Wohngebäude des Antragstellers befindet sich - im Übrigen umgeben von landwirtschaftlichen Flächen - mit zwei weiteren Wohngebäuden und einigen weiteren Gebäuden im Außenbereich in ca. 270 m Entfernung zum oben genannten Freizeitgelände. Der Ortsrand der Ortschaft G. liegt ca. 170 m südlich dieser Gebäudeansammlung „Am F.“... Die Zufahrt zu dem betrieblichen Gelände, auf dem sich das Bauvorhaben befindet, verläuft unmittelbar südlich des Wohngebäudes des Antragstellers über einen öffentlichen Feld- und Waldweg auf FlNr. 1004 Gemarkung B.

Mit Unterlagen vom 14. März 2014 beantragte die Beigeladene die Erteilung einer Baugenehmigung zur Errichtung eines Kiosk mit Freiterrasse, Pavillon, Umkleide- und Sanitärräumen auf dem Grundstück FlNr. 1005 Gemarkung B. für überwiegend Mitarbeiter der Unternehmensgruppe G. und Angehörige. Die mit Nebenbestimmungen, u. a. zum Immissionsschutz, versehene Baugenehmigung hierfür wurde vom Landratsamt S... mit Bescheid vom 21. November 2014 erteilt.

Hiergegen hat der Antragsteller mit Schriftsatz vom 23. Dezember 2014 Klage beim Verwaltungsgericht Würzburg erhoben (Az. W 4 K 14.1363), über die noch nicht entschieden ist. Mit Schriftsatz vom 23. Juni 2015 beantragte der Antragsteller beim Verwaltungsgericht die Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage, was das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 9. Juli 2015 abgelehnt hat. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass die angefochtene Baugenehmigung hinreichend bestimmt sei und keine Nachbarrechte des Antragstellers verletze. Durch die Festlegung eines Immissionsrichtwertes an den nächstgelegenen Wohngebäuden, die sich in ca. 240 m Entfernung in einem reinen Wohngebiet befänden, sowie die Beschränkung der Betriebszeit des Kiosks auf die Tagzeit sei sichergestellt, dass keine schädlichen Umwelteinwirkungen durch Lärmimmissionen hervorgerufen würden. Gegenüber dem Antragsteller, der nur das Schutzniveau eines Dorfgebiets beanspruchen könne, seien keine weitergehenden Nebenbestimmungen begründet. Auch eine unzumutbare Belastung des Antragstellers durch Verkehrslärm sei nicht zu erwarten.

Mit seiner Beschwerde verfolgt der Antragsteller sein Begehren weiter. Die Baugenehmigung sei unbestimmt, da sich der Umfang der Anlage nicht aus dem Bescheid und den Genehmigungsunterlagen ergebe. So sei die Anzahl der Personen nicht bestimmbar, da die Mitarbeiterzahl des Unternehmens variabel sei und auch die Zahl der Angehörigen nicht eingrenzbar sei. Zudem sei die Nutzung für „überwiegend“ Mitarbeiter und Angehörige genehmigt, so dass unklar sei, ob dies zeitlich oder numerisch zu verstehen sei. Da eine zahlenmäßige Begrenzung des Nutzerkreises nicht realisierbar sei, seien auch die zu erwartenden Auswirkungen nicht absehbar. Vorliegend sei unter dem Deckmantel eines Badebetriebs eine öffentliche Gaststätte genehmigt worden. Die festgesetzten Nebenbestimmungen seien nicht ausreichend, das Hervorrufen schädlicher Umwelteinwirkungen und die Verletzung nachbarschützender Vorschriften zu unterbinden. Erforderlich sei eine realistische Lärmprognose und die Berücksichtigung der privilegierten Wohnnutzung des Antragstellers im Außenbereich. Die nähere Umgebung entspreche hierbei nicht einem Dorfgebiet, sondern eher einem Wohngebiet. Die Werte des Zu- und Abfahrtsverkehrs seien willkürlich angesetzt und der Antragsteller habe aufgrund der unzureichenden Zufahrtsituation mit einer erheblichen Verschlechterung seiner Erschließung zu rechnen. Zudem seien Erschütterungen durch die Vorbeifahrt von Wohnmobilen zu der ungenehmigten Wohnwagenlandschaft auf dem Gelände nicht berücksichtigt. Eine öffentliche Gaststätte mit einer Betriebszeit von April bis September und einer Öffnungszeit bis 22:00 Uhr widerspreche dem Flächennutzungsplan, da dies nicht prägend für einen Badebetrieb sei. Das Vorhaben sei offensichtlich nicht privilegiert und unterlaufe den Schutz des Außenbereichs vor zusätzlicher Bebauung. Die Zulassung einer Wohnwagenlandschaft lasse ferner die Entstehung, Verfestigung bzw. Erweiterung einer Splittersiedlung befürchten.

Der Antragsteller beantragt,

unter Aufhebung des Beschlusses des Bayerischen Verwaltungsgerichts Würzburg vom 9. Juli 2015, die aufschiebende Wirkung der am 23. Dezember 2014 erhobenen Klage anzuordnen.

Der Antragsgegner beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Die Baugenehmigung sei nicht unbestimmt, da sich aus den Bauunterlagen die Zahl der genehmigten Plätze ergebe. Im Hinblick auf den begrenzten Nutzerkreis und die baulichen Gegebenheiten liege keine öffentliche Gaststätte mit unbegrenzter Nutzungsmöglichkeit vor. Unzumutbare Belästigungen an dem 270 m entfernten Anwesen des Antragstellers seien nicht ersichtlich. Die Beschränkung der Öffnungszeit bis 22:00 Uhr in Abweichung zum Antrag (23:00 Uhr) sei gerade zum Schutz der Nachbarn erfolgt. Im Flächennutzungsplan sei das Grundstück des Klägers als Fläche für die Landwirtschaft dargestellt, so dass eine Einstufung seiner Schutzwürdigkeit entsprechend der eines Dorfgebiets zulässig sei. Bei der Beurteilung des Verkehrslärms sei ein erhöhter PKW-Verkehr an heißen Sommertagen berücksichtigt. Die Frage von Erschütterungen aufgrund einer Vorbeifahrt von Wohnmobilen stelle sich bei der von der Baugenehmigung umfassten Nutzung nicht.

Die Beigeladene beantragt ebenfalls,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Mit der Baugenehmigung seien die seit Jahren bestehenden und nicht veränderten baulichen Anlagen legalisiert worden. Der Zutritt zu der Badeanlage und zum genehmigten Kiosk werde von der Beigeladenen durch die Ausgabe von Berechtigungsausweisen limitiert und überwacht. Ohne diese Beschränkungen wäre der Badesee für jedermann zur Benutzung freigegeben. Das Vorhaben rufe keine schädlichen Umwelteinwirkungen hervor, da die immissionsschutzrechtliche Einordnung durch die sehr hoch angesetzten Ausgangswerte, die in der Realität nie erreicht würden, auf der sicheren Seite liege. Eine Verkehrszählung der Gemeinde habe deutlich weniger Fahrbewegungen ergeben. Zudem seien hiervon noch die Fahrten des Beschwerdeführers und der Mitbewohner der Splittersiedlung „Am F.“ abzuziehen. Die angeführten Wohnwägen stünden nicht im Zusammenhang mit der Baugenehmigung.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der vorgelegten Behördenakten verwiesen.

II. Die Beschwerde ist zulässig und begründet. Das Verwaltungsgericht hat den Antrag des Antragstellers gemäß § 80a Abs. 3, § 80 Abs. 5 VwGO zu Unrecht abgelehnt. Nach der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nur möglichen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage spricht viel dafür, dass die Anfechtungsklage des Antragstellers unter den derzeitigen Gegebenheiten erfolgreich sein wird. Die der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung verletzt den Antragsteller voraussichtlich in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO), weil sie in nachbarrechtsrelevanter Weise zu unbestimmt ist.

1. Die Baugenehmigung vom 21. November 2014 ist unbestimmt.

Nach Art. 37 Abs. 1 BayVwVfG muss die Baugenehmigung hinreichend bestimmt sein, d. h. die im Bescheid getroffene Regelung muss für die Beteiligten - gegebenenfalls nach Auslegung - eindeutig zu erkennen und einer unterschiedlichen subjektiven Bewertung nicht zugänglich sein (vgl. BayVGH, B. v. 16.4.2015 - 9 ZB 12.205 - juris Rn. 7). Maßgebend sind die Umstände des Einzelfalls, wobei Unklarheiten zulasten der Behörde gehen (Kopp/Ramsauer, VwVfG, 14. Aufl. 2014, § 37 Rn. 6, 7). Nachbarn müssen zweifelsfrei feststellen können, ob und in welchem Umfang sie betroffen sind (vgl. Lechner in Simon/Busse, BayBO, Stand Mai 2015, Art. 68 Rn. 472). Eine Verletzung von Nachbarrechten liegt vor, wenn die Unbestimmtheit der Baugenehmigung ein nachbarrechtlich relevantes Merkmal betrifft. Eine Baugenehmigung ist daher aufzuheben, wenn wegen Fehlens oder Unvollständigkeit der Bauvorlagen Gegenstand und Umfang der Baugenehmigung nicht eindeutig festgestellt und aus diesem Grund eine Verletzung von Nachbarrechten nicht eindeutig ausgeschlossen werden kann (BayVGH, B. v. 16.4.2015 - 9 ZB 12.205 - juris Rn. 7 m. w. N.). Der Inhalt der Baugenehmigung bestimmt sich nach der Bezeichnung und den Regelungen im Baugenehmigungsbescheid, der konkretisiert wird durch die in Bezug genommenen Bauvorlagen (Schwarzer/König, BayBO, 4. Aufl. 2012, Art. 68 Rn. 34). Danach ist die vorliegende Baugenehmigung in einer für den Antragsteller nachteiligen Weise unbestimmt, weil der Nutzungsumfang der genehmigten Anlage nicht erkennbar ist und die auf ihn von der genehmigten Anlage einwirkenden Immissionen nicht eindeutig absehbar sind.

a) Die Baugenehmigung ist nicht bereits wegen fehlender Bestimmtheit der Betriebszeit rechtswidrig. Nach der Nebenbestimmung Nr. 3 des angefochtenen Bescheids ist offensichtlich ein Betrieb mit Ablauf des Monats September nicht mehr zulässig. Soweit dort als Ende der Betriebszeit der „31. September“ bezeichnet wird, handelt es sich um eine offenbare Unrichtigkeit, die nach Art. 42 Satz 1 BayVwVfG jederzeit berichtigt werden kann.

b) Der Antragsteller bemängelt aber im Beschwerdevorbringen (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO) zu Recht die fehlende Bestimmtheit des nutzungsberechtigten Personenkreises für die insgesamt von der Baugenehmigung umfasste Anlage.

aa) Die Baugenehmigung ist nicht unbestimmt, soweit sie sich auf den Gaststättenbetrieb (Kiosk mit Pavillion/Gastraum, Ausschank und Freiterrasse) bezieht. Denn die Zahl der hierfür genehmigten Gastplätze und das Betriebskonzept, die dieser Beurteilung zugrunde zu legen sind, ergeben sich eindeutig aus der Baubeschreibung nach § 9 Satz 1 BauVorlV (Bl. 13 der Behördenakte), die gemäß Nr. I des Bescheids vom 21. November 2011 ausdrücklich zum Bestandteil der Baugenehmigung gemacht wurde (vgl. Schwarzer/König, a. a. O., Art. 68 Rn. 34). Danach wurden insgesamt 36 Gastplätze genehmigt.

Maßgeblich für den Rechtsschutz des Antragstellers ist, dass er feststellen kann, ob und mit welchem Umfang er von der Baugenehmigung betroffen ist (vgl. BayVGH, B. v. 29.4.2015 - 2 ZB 14.1164 - juris Rn. 6). Der Antragsteller muss erkennen können, mit welchen Immissionen er zu rechnen hat und ob er gegebenenfalls schädlichen Umwelteinwirkungen ausgesetzt ist. Dies beurteilt sich im vorliegenden Fall hinsichtlich des Gaststättenbetriebs aber nach der genehmigten Zahl der Gastplätze sowie dem durch das Bauvorhaben bedingten Verkehr und nicht nach der Art des nutzungsberechtigten Personenkreises. Für die immissionsschutzrechtliche Beurteilung ist grundsätzlich unerheblich, ob die Gäste Mitarbeiter der Unternehmensgruppe G. und deren Angehörige oder Firmenkunden oder gar außenstehende Dritte sind. Es kann insoweit dahinstehen, ob der nutzungsberechtigte Personenkreis bereits deswegen zu unbestimmt ist, weil die in der angefochtenen Baugenehmigung insoweit enthaltene Einschränkung „überwiegend für Mitarbeiter der Unternehmensgruppe G. und deren Angehörigen“ - wie der Antragsteller vorträgt - nicht eingrenzbar und zudem unklar sei, ob es sich um eine zeitliche oder numerische Begrenzung handeln soll.

bb) Die Baugenehmigung lässt jedoch die Zahl der Personen nicht erkennen, die die insgesamt genehmigte Anlage mit ihren - neben dem Gaststättenbetrieb - weiteren Teilen, insbesondere den Umkleide- und Sanitärräumen, nutzen. Insoweit sind die den Antragsteller betreffenden Immissionen nicht abschließend feststellbar.

Grundlage des vorliegenden Verfahrens ist die genehmigte Planung und das mitgenehmigte Betriebskonzept (vgl. BayVGH, B. v. 2.3.2015 - 9 ZB 12.1377 - juris Rn. 7). Nach dem Bauantrag, den genehmigten Plänen und der Baugenehmigung vom 21. November 2014 umfasst die genehmigte bauliche Anlage einen Kiosk mit Freiterrasse, Pavillon/Gastraum mit Ausschank sowie Umkleide- und Sanitärräume. Die von der Beigeladenen betriebene - (bislang) ungenehmigte - betriebliche Freizeitanlage „Badesee“ in ihrer Gesamtheit, auf deren Gelände die genehmigte bauliche Anlage liegt, und ein eventueller (selbstständiger oder unselbstständiger) Wohnwagenabstellplatz auf diesem Gelände werden dagegen von der Baugenehmigung nicht ausdrücklich umfasst. Angesichts dieser Umstände und im Hinblick darauf, dass die Angaben zum Bauvorhaben mit der objektiv möglichen Nutzung vereinbar sein müssen (Krautzberger in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand Mai 2015, § 29 Rn. 21), erscheint aber äußerst zweifelhaft, ob insbesondere die Sanitärräume, die in ihrer Ausstattung über das Vorhandensein von Toiletten hinausgehen und zusätzlich auch Duschen vorsehen, sowie der Umkleideraum allein dem Gaststättenbetrieb zugerechnet werden können. Ihrer Funktion und Zwecksetzung nach (vgl. BVerwG, U. v. 15.11.1991 - 4 C 17/88 - juris Rn. 14 und U. v. 29.4.1992 - 4 C 43/89 - BVerwGE 90, 140 = juris Rn. 15) dürften sie vielmehr wesentlicher Teil der betrieblichen Freizeitanlage der Beigeladenen sein. Denn es spricht viel dafür, dass die Duschen und der Umkleideraum im Hinblick auf die örtliche Lage an dem Badesee und im Zusammenhang mit dem dort befindlichen betrieblichen Freizeitgelände für die (wohl ausschließliche) Nutzung durch die sich dort aufhaltenden Bade- und Erholungsgäste vorgesehen sein dürften. Insoweit ist der Nutzungsumfang der betrieblichen Freizeitanlage aber im Hinblick auf die Zahl und den Umfang der Bade- oder Erholungsgäste, die die genannten Einrichtungen nutzen, weder aus dem Bauantrag noch aus der Baubeschreibung (Bl. 13 der Behördenakte) oder der Betriebsbeschreibung (Bl. 17 der Behördenakte) ersichtlich. Die Beigeladene führt zwar aus, dass der Zugang zur Anlage beschränkt ist und überwacht wird, die Angaben hierzu oder derartige Einschränkungen sind aber nicht Teil der Bauunterlagen und lassen auch keine Rückschlüsse auf den tatsächlichen Nutzungsumfang, insbesondere die Zahl der maximal pro Tag auf dem Gelände zugelassenen Personenzahl, zu. Unerheblich ist daher, ob die Umkleide- und Sanitärräume - wofür wohl einiges spricht - auch von Nutzern der Wohnmobil- und Wohnwagenabstellplätze, deren Nutzungsumfang ebenfalls nicht angegeben ist, genutzt werden oder ob es sich insoweit um einen abtrennbaren, selbstständigen Teil der Freizeitanlage handelt. Aufgrund der baulichen Konzeption erscheint eine Teilung der Anlage - in einen reinen Gaststättenbetrieb mit den angeführten 36 Gastplätzen und in einen Teil „Nebenanlage der betrieblichen Freizeitanlage“ mit Umkleide- und Sanitärräumen - nicht möglich. Der Umkleideraum steht in einem baulich untrennbaren Zusammenhang mit dem Kioskgebäude und kann daher nicht isoliert für die - insgesamt wohl nicht von der Genehmigung erfasste - betriebliche Freizeitanlage gesehen werden. Dass eine derartige Teilung nicht ohne Weiteres möglich ist, zeigt auch der vom Beklagten im Rahmen der Verkehrslärmbeurteilung zugrunde gelegte Ansatz an Verkehrsaufkommen, der deutlich über die für die genehmigte Anlage erforderlichen sieben Stellplätze und die zugrundeliegende Gästezahl hinausreicht. Nachvollziehbare oder festgesetzte Angaben zu der zu erwartenden oder zugelassenen Besucherzahl der betrieblichen Freizeitanlage insgesamt, liegen der Beurteilung aber nicht zugrunde, so dass deren Grundlage offen ist. Auch wenn insoweit singuläre Ereignisse, wie z. B. das zweijährlich stattfindende Betriebsfest der Beigeladenen, nicht relevant sein dürften und die von der Gemeinde im Rahmen einer Verkehrszählung auf dem Weg FlNr. 3890/41 Gemarkung G. erfassten Daten vermuten lassen, dass die von der Beigeladenen betriebene Freizeitanlage keine unzumutbaren Lärmimmissionen oder derart chaotische Verkehrsverhältnisse erwarten lassen, dass die entstehende Gesamtbelastung unzumutbar ist, fehlt es jedenfalls an einer festgesetzten und überprüfbaren Angabe der Nutzerzahl der genehmigten Anlage in ihrer Gesamtheit, d. h. einschließlich der Zahl der Personen, die voraussichtlich die Umkleide- und Sanitärräume nutzen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 159 VwGO. Da die Beigeladene einen eigenen Antrag gestellt hat, entspricht es der Billigkeit, sie an den Kosten des Verfahrens zu beteiligen (§ 162 Abs. 3, § 154 Abs. 3 VwGO).

Die Festsetzung des Streitwerts ergibt sich aus § 47 Abs. 1, § 52 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG i. V. m. Nr. 9.7.1 und Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

(1) Innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile ist ein Vorhaben zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und die Erschließung gesichert ist. Die Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse müssen gewahrt bleiben; das Ortsbild darf nicht beeinträchtigt werden.

(2) Entspricht die Eigenart der näheren Umgebung einem der Baugebiete, die in der auf Grund des § 9a erlassenen Verordnung bezeichnet sind, beurteilt sich die Zulässigkeit des Vorhabens nach seiner Art allein danach, ob es nach der Verordnung in dem Baugebiet allgemein zulässig wäre; auf die nach der Verordnung ausnahmsweise zulässigen Vorhaben ist § 31 Absatz 1, im Übrigen ist § 31 Absatz 2 entsprechend anzuwenden.

(3) Von Vorhaben nach Absatz 1 oder 2 dürfen keine schädlichen Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden zu erwarten sein.

(3a) Vom Erfordernis des Einfügens in die Eigenart der näheren Umgebung nach Absatz 1 Satz 1 kann im Einzelfall abgewichen werden, wenn die Abweichung

1.
einem der nachfolgend genannten Vorhaben dient:
a)
der Erweiterung, Änderung, Nutzungsänderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten Gewerbe- oder Handwerksbetriebs,
b)
der Erweiterung, Änderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten, Wohnzwecken dienenden Gebäudes oder
c)
der Nutzungsänderung einer zulässigerweise errichteten baulichen Anlage zu Wohnzwecken, einschließlich einer erforderlichen Änderung oder Erneuerung,
2.
städtebaulich vertretbar ist und
3.
auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist.
Satz 1 findet keine Anwendung auf Einzelhandelsbetriebe, die die verbrauchernahe Versorgung der Bevölkerung beeinträchtigen oder schädliche Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden haben können. In den Fällen des Satzes 1 Nummer 1 Buchstabe b und c kann darüber hinaus vom Erfordernis des Einfügens im Einzelfall im Sinne des Satzes 1 in mehreren vergleichbaren Fällen abgewichen werden, wenn die übrigen Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und die Aufstellung eines Bebauungsplans nicht erforderlich ist.

(4) Die Gemeinde kann durch Satzung

1.
die Grenzen für im Zusammenhang bebaute Ortsteile festlegen,
2.
bebaute Bereiche im Außenbereich als im Zusammenhang bebaute Ortsteile festlegen, wenn die Flächen im Flächennutzungsplan als Baufläche dargestellt sind,
3.
einzelne Außenbereichsflächen in die im Zusammenhang bebauten Ortsteile einbeziehen, wenn die einbezogenen Flächen durch die bauliche Nutzung des angrenzenden Bereichs entsprechend geprägt sind.
Die Satzungen können miteinander verbunden werden.

(5) Voraussetzung für die Aufstellung von Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 ist, dass

1.
sie mit einer geordneten städtebaulichen Entwicklung vereinbar sind,
2.
die Zulässigkeit von Vorhaben, die einer Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung nach Anlage 1 zum Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung oder nach Landesrecht unterliegen, nicht begründet wird und
3.
keine Anhaltspunkte für eine Beeinträchtigung der in § 1 Absatz 6 Nummer 7 Buchstabe b genannten Schutzgüter oder dafür bestehen, dass bei der Planung Pflichten zur Vermeidung oder Begrenzung der Auswirkungen von schweren Unfällen nach § 50 Satz 1 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes zu beachten sind.
In den Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 können einzelne Festsetzungen nach § 9 Absatz 1 und 3 Satz 1 sowie Absatz 4 getroffen werden. § 9 Absatz 6 und § 31 sind entsprechend anzuwenden. Auf die Satzung nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 3 sind ergänzend § 1a Absatz 2 und 3 und § 9 Absatz 1a entsprechend anzuwenden; ihr ist eine Begründung mit den Angaben entsprechend § 2a Satz 2 Nummer 1 beizufügen.

(6) Bei der Aufstellung der Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 sind die Vorschriften über die Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung nach § 13 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 und 3 sowie Satz 2 entsprechend anzuwenden. Auf die Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 1 bis 3 ist § 10 Absatz 3 entsprechend anzuwenden.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

(1) Die Beteiligten können vor dem Verwaltungsgericht den Rechtsstreit selbst führen.

(2) Die Beteiligten können sich durch einen Rechtsanwalt oder einen Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, der die Befähigung zum Richteramt besitzt, als Bevollmächtigten vertreten lassen. Darüber hinaus sind als Bevollmächtigte vor dem Verwaltungsgericht vertretungsbefugt nur

1.
Beschäftigte des Beteiligten oder eines mit ihm verbundenen Unternehmens (§ 15 des Aktiengesetzes); Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich auch durch Beschäftigte anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen,
2.
volljährige Familienangehörige (§ 15 der Abgabenordnung, § 11 des Lebenspartnerschaftsgesetzes), Personen mit Befähigung zum Richteramt und Streitgenossen, wenn die Vertretung nicht im Zusammenhang mit einer entgeltlichen Tätigkeit steht,
3.
Steuerberater, Steuerbevollmächtigte, Wirtschaftsprüfer und vereidigte Buchprüfer, Personen und Vereinigungen im Sinne der §§ 3a und 3c des Steuerberatungsgesetzes im Rahmen ihrer Befugnisse nach § 3a des Steuerberatungsgesetzes, zu beschränkter geschäftsmäßiger Hilfeleistung in Steuersachen nach den §§ 3d und 3e des Steuerberatungsgesetzes berechtigte Personen im Rahmen dieser Befugnisse sowie Gesellschaften im Sinne des § 3 Satz 1 Nummer 2 und 3 des Steuerberatungsgesetzes, die durch Personen im Sinne des § 3 Satz 2 des Steuerberatungsgesetzes handeln, in Abgabenangelegenheiten,
3a.
Steuerberater, Steuerbevollmächtigte, Wirtschaftsprüfer und vereidigte Buchprüfer, Personen und Vereinigungen im Sinne der §§ 3a und 3c des Steuerberatungsgesetzes im Rahmen ihrer Befugnisse nach § 3a des Steuerberatungsgesetzes, zu beschränkter geschäftsmäßiger Hilfeleistung in Steuersachen nach den §§ 3d und 3e des Steuerberatungsgesetzes berechtigte Personen im Rahmen dieser Befugnisse sowie Gesellschaften im Sinne des § 3 Satz 1 Nummer 2 und 3 des Steuerberatungsgesetzes, die durch Personen im Sinne des § 3 Satz 2 des Steuerberatungsgesetzes handeln, in Angelegenheiten finanzieller Hilfeleistungen im Rahmen staatlicher Hilfsprogramme zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie, wenn und soweit diese Hilfsprogramme eine Einbeziehung der Genannten als prüfende Dritte vorsehen,
4.
berufsständische Vereinigungen der Landwirtschaft für ihre Mitglieder,
5.
Gewerkschaften und Vereinigungen von Arbeitgebern sowie Zusammenschlüsse solcher Verbände für ihre Mitglieder oder für andere Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder,
6.
Vereinigungen, deren satzungsgemäße Aufgaben die gemeinschaftliche Interessenvertretung, die Beratung und Vertretung der Leistungsempfänger nach dem sozialen Entschädigungsrecht oder der behinderten Menschen wesentlich umfassen und die unter Berücksichtigung von Art und Umfang ihrer Tätigkeit sowie ihres Mitgliederkreises die Gewähr für eine sachkundige Prozessvertretung bieten, für ihre Mitglieder in Angelegenheiten der Kriegsopferfürsorge und des Schwerbehindertenrechts sowie der damit im Zusammenhang stehenden Angelegenheiten,
7.
juristische Personen, deren Anteile sämtlich im wirtschaftlichen Eigentum einer der in den Nummern 5 und 6 bezeichneten Organisationen stehen, wenn die juristische Person ausschließlich die Rechtsberatung und Prozessvertretung dieser Organisation und ihrer Mitglieder oder anderer Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder entsprechend deren Satzung durchführt, und wenn die Organisation für die Tätigkeit der Bevollmächtigten haftet.
Bevollmächtigte, die keine natürlichen Personen sind, handeln durch ihre Organe und mit der Prozessvertretung beauftragten Vertreter.

(3) Das Gericht weist Bevollmächtigte, die nicht nach Maßgabe des Absatzes 2 vertretungsbefugt sind, durch unanfechtbaren Beschluss zurück. Prozesshandlungen eines nicht vertretungsbefugten Bevollmächtigten und Zustellungen oder Mitteilungen an diesen Bevollmächtigten sind bis zu seiner Zurückweisung wirksam. Das Gericht kann den in Absatz 2 Satz 2 Nr. 1 und 2 bezeichneten Bevollmächtigten durch unanfechtbaren Beschluss die weitere Vertretung untersagen, wenn sie nicht in der Lage sind, das Sach- und Streitverhältnis sachgerecht darzustellen.

(4) Vor dem Bundesverwaltungsgericht und dem Oberverwaltungsgericht müssen sich die Beteiligten, außer im Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht oder einem Oberverwaltungsgericht eingeleitet wird. Als Bevollmächtigte sind nur die in Absatz 2 Satz 1 bezeichneten Personen zugelassen. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich durch eigene Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt oder durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen. Vor dem Bundesverwaltungsgericht sind auch die in Absatz 2 Satz 2 Nr. 5 bezeichneten Organisationen einschließlich der von ihnen gebildeten juristischen Personen gemäß Absatz 2 Satz 2 Nr. 7 als Bevollmächtigte zugelassen, jedoch nur in Angelegenheiten, die Rechtsverhältnisse im Sinne des § 52 Nr. 4 betreffen, in Personalvertretungsangelegenheiten und in Angelegenheiten, die in einem Zusammenhang mit einem gegenwärtigen oder früheren Arbeitsverhältnis von Arbeitnehmern im Sinne des § 5 des Arbeitsgerichtsgesetzes stehen, einschließlich Prüfungsangelegenheiten. Die in Satz 5 genannten Bevollmächtigten müssen durch Personen mit der Befähigung zum Richteramt handeln. Vor dem Oberverwaltungsgericht sind auch die in Absatz 2 Satz 2 Nr. 3 bis 7 bezeichneten Personen und Organisationen als Bevollmächtigte zugelassen. Ein Beteiligter, der nach Maßgabe der Sätze 3, 5 und 7 zur Vertretung berechtigt ist, kann sich selbst vertreten.

(5) Richter dürfen nicht als Bevollmächtigte vor dem Gericht auftreten, dem sie angehören. Ehrenamtliche Richter dürfen, außer in den Fällen des Absatzes 2 Satz 2 Nr. 1, nicht vor einem Spruchkörper auftreten, dem sie angehören. Absatz 3 Satz 1 und 2 gilt entsprechend.

(6) Die Vollmacht ist schriftlich zu den Gerichtsakten einzureichen. Sie kann nachgereicht werden; hierfür kann das Gericht eine Frist bestimmen. Der Mangel der Vollmacht kann in jeder Lage des Verfahrens geltend gemacht werden. Das Gericht hat den Mangel der Vollmacht von Amts wegen zu berücksichtigen, wenn nicht als Bevollmächtigter ein Rechtsanwalt auftritt. Ist ein Bevollmächtigter bestellt, sind die Zustellungen oder Mitteilungen des Gerichts an ihn zu richten.

(7) In der Verhandlung können die Beteiligten mit Beiständen erscheinen. Beistand kann sein, wer in Verfahren, in denen die Beteiligten den Rechtsstreit selbst führen können, als Bevollmächtigter zur Vertretung in der Verhandlung befugt ist. Das Gericht kann andere Personen als Beistand zulassen, wenn dies sachdienlich ist und hierfür nach den Umständen des Einzelfalls ein Bedürfnis besteht. Absatz 3 Satz 1 und 3 und Absatz 5 gelten entsprechend. Das von dem Beistand Vorgetragene gilt als von dem Beteiligten vorgebracht, soweit es nicht von diesem sofort widerrufen oder berichtigt wird.

(1) Kammerrechtsbeistände stehen in den nachfolgenden Vorschriften einem Rechtsanwalt gleich:

1.
§ 79 Absatz 1 Satz 2 und Absatz 2 Satz 1, § 88 Absatz 2, § 121 Absatz 2 bis 4, § 122 Absatz 1, den §§ 126, 130d und 133 Absatz 2, den §§ 135, 157 und 169 Absatz 2, den §§ 174, 195 und 317 Absatz 5 Satz 2, § 348 Absatz 1 Satz 2 Nummer 2 Buchstabe d, § 397 Absatz 2 und § 702 Absatz 2 Satz 2 der Zivilprozessordnung,
2.
§ 10 Absatz 2 Satz 1, § 11 Satz 4, § 13 Absatz 4, den §§ 14b und 78 Absatz 2 bis 4 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit,
3.
§ 11 Absatz 2 Satz 1 und § 46g des Arbeitsgerichtsgesetzes,
4.
den §§ 65d und 73 Absatz 2 Satz 1 und Absatz 6 Satz 5 des Sozialgerichtsgesetzes, wenn nicht die Erlaubnis das Sozial- und Sozialversicherungsrecht ausschließt,
5.
den §§ 55d und 67 Absatz 2 Satz 1 und Absatz 6 Satz 4 der Verwaltungsgerichtsordnung,
6.
den §§ 52d und 62 Absatz 2 Satz 1 und Absatz 6 Satz 4 der Finanzgerichtsordnung, wenn die Erlaubnis die geschäftsmäßige Hilfeleistung in Steuersachen umfasst.

(2) Registrierte Erlaubnisinhaber stehen im Sinn von § 79 Abs. 2 Satz 1 der Zivilprozessordnung, § 10 Abs. 2 Satz 1 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit, § 11 Abs. 2 Satz 1 des Arbeitsgerichtsgesetzes, § 73 Abs. 2 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes, § 67 Abs. 2 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung und § 62 Abs. 2 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung einem Rechtsanwalt gleich, soweit ihnen die gerichtliche Vertretung oder das Auftreten in der Verhandlung

1.
nach dem Umfang ihrer bisherigen Erlaubnis,
2.
als Prozessagent durch Anordnung der Justizverwaltung nach § 157 Abs. 3 der Zivilprozessordnung in der bis zum 30. Juni 2008 geltenden Fassung,
3.
durch eine für die Erteilung der Erlaubnis zum mündlichen Verhandeln vor den Sozialgerichten zuständige Stelle,
4.
nach § 67 der Verwaltungsgerichtsordnung in der bis zum 30. Juni 2008 geltenden Fassung oder
5.
nach § 13 des Gesetzes über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit in der bis zum 30. Juni 2008 geltenden Fassung
gestattet war. In den Fällen des Satzes 1 Nummer 1 bis 3 ist der Umfang der Befugnis zu registrieren und im Rechtsdienstleistungsregister bekanntzumachen.

(3) Das Gericht weist registrierte Erlaubnisinhaber, soweit sie nicht nach Maßgabe des Absatzes 2 zur gerichtlichen Vertretung oder zum Auftreten in der Verhandlung befugt sind, durch unanfechtbaren Beschluss zurück. Prozesshandlungen eines nicht vertretungsbefugten Bevollmächtigten und Zustellungen oder Mitteilungen an diesen Bevollmächtigten sind bis zu seiner Zurückweisung wirksam. Das Gericht kann registrierten Erlaubnisinhabern durch unanfechtbaren Beschluss die weitere Vertretung oder das weitere Auftreten in der Verhandlung untersagen, wenn sie nicht in der Lage sind, das Sach- und Streitverhältnis sachgerecht darzustellen.§ 335 Abs. 1 Nr. 5 der Zivilprozessordnung gilt entsprechend.