Lehman Zertifikate: Urteil des OLG Frankfurt a.M. 17.02.2010, 17 U 207/09
published on 20/04/2010 12:21
Lehman Zertifikate: Urteil des OLG Frankfurt a.M. 17.02.2010, 17 U 207/09


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Dem Urteil des OLG Frankfurt lag ein Twin Win Zertifikat 08/2007 zugrunde. Bei diesem Zertifikat -auch Schmetterlingszertifikat genannt - wird auf die Wertentwicklung des Dow Jones Eurostoxx 50 Indexes spekuliert und der Inhaber kann sowohl bei steigenden als auch bei fallenden Kursen des Basiswertes an der Entwicklung partizipieren. Abgesehen von einer vorgesehenen Sicherheitsschwelle von 50 % und dem Emittentenrisiko ist ein Kapitalverlust ausgeschlossen. Wird allerdings die Sicherheitsschwelle berührt oder unterschritten, erhält der Anleger am Ende der Laufzeit - abschließender Bewertungstag 22.08.2012 - keinen Barbetrag ausgezahlt, sondern Dow Jones Euro Stoxx 50 - Zertifikate mit einer Laufzeit bis zum Jahr 2057, die die Wertentwicklung des Dow Jones Eurostoxx abbilden. Ab dem Jahr 2014 hat die Emittentin jährlich das Recht, das Zertifikat zu kündigen. Auf die Kündigungsmöglichkeit der Emittentin wird allerdings nicht unter "Risiken", sondern unter „Produkteigenschaften“ hingewiesen.
Die beklagte Sparkasse hatte dem Kläger im August 2007 telefonisch die Veräußerung von Einzelwerten in kleinen Stückzahlen und den gleichzeitigen Erwerb von sog. "Lehman-Zertifikaten" im Wert von 7.000 € empfohlen.
Die Beklagte hatte sich zur Aufklärung über ein Totalverlustrisiko nicht verpflichtet gehalten, weil es im August 2007 keinerlei Warnhinweise bezüglich eines konkreten Ausfallsrisikos der Investmentbank Lehman Brothers Holding Inc. gegeben habe. Das LG sah dies anders und gab der Klage im vollen Umfang statt. Die Berufung der Beklagten blieb vor dem OLG erfolglos. Die Revision wurde zugelassen.
Das Gericht stütz den Schadensersatzanspruch auf die Verletzung von Beratungspflichten (§§ 280 Abs. 1).
Zwar sei der Beklagten ein Verstoß gegen die Grundsätze der objektgerechten Beratung nicht deswegen vorzuwerfen, weil sie etwa über ein spezifisches Risiko einer Insolvenz von Lehman Brothers hätte aufklären müssen. Schließlich stand nicht zu erwarten, dass eine derartige Großbank bei Liquiditätsproblemen nicht gestützt werden würde.
Allerdings war die Beklagte aufgrund des Anlageberatungsvertrags zu richtiger und vollständiger Information über diejenigen tatsächlichen Umstände des Anlageobjekts verpflichtet, die für den Anlageentschluss des Zedenten von besonderer Bedeutung waren. § 31 Abs. 2 Nr. 2 WpHG stellt die Verpflichtung der Wertpapierdienstleistungsunternehmen, ihren Kunden alle zweckdienlichen Informationen mitzuteilen unter den Vorbehalt, dass dies zur Wahrung der Interessen und im Hinblick auf Art und Umfang der beabsichtigten Geschäfte erforderlich ist. Da bei den ausgegebenen Ersatzzertifikaten, die die Wertentwicklung des Dow Jones Euro Stocks abbilden, das eingesetzte Kapital verloren werden kann, ist auch über ein vorzeitiges Kündigungsrecht der Emittentin aufzuklären.
Das Twin Win Zertifikat sei ein sehr komplexes Produkt. Die dabei eingegangenen Risiken seien wenig transparent. Ein derartiges Zertifikat kann kaum in objektgerechter Weise telefonisch erläutert werden. Einem Anleger, der mit der komplexen Struktur dieser Zertifikate nicht vertraut ist, wird der Eindruck erweckt, er könne Kursverluste aussitzen und die Zertifikate zu einem ihm genehmen Zeitpunkt veräußern, nämlich dann, wenn der Index wieder steigt. Dass letztlich für den nahezu eingetretenen Totalverlust der Anlage die Insolvenz der Emittentin verantwortlich ist und - angeblich - die Sicherheitsschwelle tatsächlich zu keinem Zeitpunkt gerissen sein soll, kann nicht dazu führen, die Kausalität des Erwerbs der streitgegenständlichen Zertifikate mit dem eingetretenen Schaden zu verneinen.
Die beklagte Sparkasse hatte dem Kläger im August 2007 telefonisch die Veräußerung von Einzelwerten in kleinen Stückzahlen und den gleichzeitigen Erwerb von sog. "Lehman-Zertifikaten" im Wert von 7.000 € empfohlen.
Die Beklagte hatte sich zur Aufklärung über ein Totalverlustrisiko nicht verpflichtet gehalten, weil es im August 2007 keinerlei Warnhinweise bezüglich eines konkreten Ausfallsrisikos der Investmentbank Lehman Brothers Holding Inc. gegeben habe. Das LG sah dies anders und gab der Klage im vollen Umfang statt. Die Berufung der Beklagten blieb vor dem OLG erfolglos. Die Revision wurde zugelassen.
Das Gericht stütz den Schadensersatzanspruch auf die Verletzung von Beratungspflichten (§§ 280 Abs. 1).
Zwar sei der Beklagten ein Verstoß gegen die Grundsätze der objektgerechten Beratung nicht deswegen vorzuwerfen, weil sie etwa über ein spezifisches Risiko einer Insolvenz von Lehman Brothers hätte aufklären müssen. Schließlich stand nicht zu erwarten, dass eine derartige Großbank bei Liquiditätsproblemen nicht gestützt werden würde.
Allerdings war die Beklagte aufgrund des Anlageberatungsvertrags zu richtiger und vollständiger Information über diejenigen tatsächlichen Umstände des Anlageobjekts verpflichtet, die für den Anlageentschluss des Zedenten von besonderer Bedeutung waren. § 31 Abs. 2 Nr. 2 WpHG stellt die Verpflichtung der Wertpapierdienstleistungsunternehmen, ihren Kunden alle zweckdienlichen Informationen mitzuteilen unter den Vorbehalt, dass dies zur Wahrung der Interessen und im Hinblick auf Art und Umfang der beabsichtigten Geschäfte erforderlich ist. Da bei den ausgegebenen Ersatzzertifikaten, die die Wertentwicklung des Dow Jones Euro Stocks abbilden, das eingesetzte Kapital verloren werden kann, ist auch über ein vorzeitiges Kündigungsrecht der Emittentin aufzuklären.
Das Twin Win Zertifikat sei ein sehr komplexes Produkt. Die dabei eingegangenen Risiken seien wenig transparent. Ein derartiges Zertifikat kann kaum in objektgerechter Weise telefonisch erläutert werden. Einem Anleger, der mit der komplexen Struktur dieser Zertifikate nicht vertraut ist, wird der Eindruck erweckt, er könne Kursverluste aussitzen und die Zertifikate zu einem ihm genehmen Zeitpunkt veräußern, nämlich dann, wenn der Index wieder steigt. Dass letztlich für den nahezu eingetretenen Totalverlust der Anlage die Insolvenz der Emittentin verantwortlich ist und - angeblich - die Sicherheitsschwelle tatsächlich zu keinem Zeitpunkt gerissen sein soll, kann nicht dazu führen, die Kausalität des Erwerbs der streitgegenständlichen Zertifikate mit dem eingetretenen Schaden zu verneinen.
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Das Bundesministerium der Finanzen kann durch Rechtsverordnung, die nicht der Zustimmung des Bundesrates bedarf, nähere Bestimmungen erlassen über den Inhalt, die Art, die Sprache, den Umfang und die Form der Unterrichtung nach Artikel 4a Absatz 1 Un

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