Arbeitsrecht: Altersgrenze von 65 Jahren für Piloten bestätigt

bei uns veröffentlicht am05.09.2017
Zusammenfassung des Autors
Die Altersgrenze von 65 Jahren für im gewerblichen Luftverkehr eingesetzte Piloten ist gültig. Sie ist durch das Ziel gerechtfertigt, die Sicherheit der Zivilluftfahrt in Europa zu gewährleisten.
Zu diesem Ergebnis kam der Europäische Gerichtshof (EuGH). Hintergrund des Streits war die Ansicht eines Piloten, die Altersgrenze von 65 sei eine Diskriminierung wegen des Alters und verstoße gegen seine Berufsfreiheit. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) befragte den EuGH zur Gültigkeit und Tragweite der streitigen Altersgrenze. Mit dem Urteil antwortete der EuGH, dass diese Altersgrenze gültig sei. Zwar begründe die streitige Altersgrenze eine Ungleichbehandlung. Aber diese sei durch das Ziel, die Sicherheit der Zivilluftfahrt in Europa zu gewährleisten, durchaus gerechtfertigt.

Es sei unbestritten, dass die für den Beruf des Verkehrspiloten erforderlichen körperlichen Fähigkeiten mit zunehmendem Alter abnähmen. Durch die fragliche Altersgrenze könne ausgeschlossen werden, dass ein Abnehmen dieser körperlichen Fähigkeiten nach dem 65. Lebensjahr zur Unfallursache werde, ohne dass gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstoßen würde.

Der Gerichtshof hat in seinem Urteil vom 05.07.2017 (C 190/16) folgendes entschieden:

Urteil

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Gültigkeit und hilfsweise die Auslegung von FCL.065 Buchst. b des Anhangs I der Verordnung Nr. 1178/2011 der Kommission vom 3. November 2011 zur Festlegung technischer Vorschriften und von Verwaltungsverfahren in Bezug auf das fliegende Personal in der Zivilluftfahrt gemäß der Verordnung Nr. 216/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates. 

Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits, den Herr Werner Fries gegen die Lufthansa CityLine GmbH, einer in Deutschland niedergelassenen Fluggesellschaft, wegen der Zahlung der auf die Monate November und Dezember des Jahres 2013 entfallenden Vergütung führt, die die Lufthansa Herrn Fries schulden soll. 

Rechtlicher Rahmen

Völkerrecht

Abkommen von Chicago

Das am 7. Dezember 1944 in Chicago unterzeichnete Abkommen über die Internationale Zivilluftfahrt ist von allen Mitgliedstaaten der Europäischen Union ratifiziert worden; die Europäische Union ist allerdings selbst nicht Vertragspartei dieses Abkommens. Mit dem Abkommen von Chicago ist die Internationale Zivilluftfahrt-Organisation geschaffen worden; deren Aufgabe ist nach Art. 44 dieses Abkommens, die Grundsätze und die Technik der internationalen Luftfahrt zu entwickeln sowie die Planung und Entwicklung des internationalen Luftverkehrs zu fördern.

In Anhang 1 des Abkommens von Chicago, der durch den ICAO-Rat verabschiedet wurde, sind die Richtlinien und Empfehlungen zusammengefasst, die die Erteilung von Lizenzen an die Flugbesatzung, an Fluglotsen, Funker der Flugfernmeldestelle, Wartungspersonal und Flugdienstberater regeln. Insbesondere erhält dieser Anhang die folgenden Bestimmungen: 

„2.1.10.1  Ein Vertragsstaat, der eine Pilotenlizenz vergeben hat, gestattet einem Inhaber dieser Lizenz, die Funktion eines verantwortlichen Piloten eines Flugzeugs, mit dem internationale gewerbliche Flüge durchgeführt werden, bis zum Alter von 60 Jahren wahrzunehmen, oder von 65 Jahren bei Flügen mit mehr als einem Piloten, sofern der andere Pilot weniger als 60 Jahre alt ist. 

2.1.10.2 Empfehlung – Es wird empfohlen, dass ein Vertragsstaat, der Pilotenlizenzen erteilt hat, den Lizenzinhabern gestattet, die Funktion des Kopiloten eines Luftfahrzeugs, mit dem internationale gewerbliche Flüge durchgeführt werden, bis zum Alter von 65 Jahren wahrzunehmen.“

 JAR-FCL 1

Die internationalen Regelungswerke betreffend Privat-, Berufs- und Verkehrsflugzeugführer wurden von einer internationalen Institution namens „Joint Aviation Authorities“, an der die Bundesrepublik Deutschland beteiligt ist, erarbeitet. Eines dieser Regelungswerke, die Joint Aviation Requirements – Flight Crew Licensing 1 wurde am 15. April 2003 erlassen. Die JAR-FCL 1 wurde vom Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen im Bundesanzeiger Nr. 80a vom 29. April 2003 bekannt gemacht.

Die JAR-FCL 1.060 bestimmt:

„Beschränkungen für Lizenzinhaber nach Vollendung des 60. Lebensjahres …

a) 60–64 Jahre – Der Inhaber einer Lizenz darf nach Vollendung des 60. Lebensjahres nicht mehr als Pilot von Flugzeugen bei der gewerbsmäßigen Beförderung eingesetzt werden, es sei denn:

[E]r ist Mitglied einer Flugbesatzung, die aus mehreren Piloten besteht und

die anderen Piloten haben das 60. Lebensjahr noch nicht vollendet.

b) 65 Jahre – Der Inhaber einer Lizenz darf nach Vollendung des 65. Lebensjahres nicht mehr als Pilot von Flugzeugen bei der gewerbsmäßigen Beförderung tätig sein.“

Unionsrecht

Verordnung Nr. 216/2008

Art. 2 Abs. 1 der Verordnung Nr. 216/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Februar 2008 zur Festlegung gemeinsamer Vorschriften für die Zivilluftfahrt und zur Errichtung einer Europäischen Agentur für Flugsicherheit, zur Aufhebung der Richtlinie 91/670/EWG des Rates, der Verordnung Nr. 1592/2002 und der Richtlinie 2004/36/EG bestimmt: 

„Hauptziel dieser Verordnung ist die Schaffung und die Aufrechterhaltung eines einheitlichen, hohen Niveaus der zivilen Flugsicherheit in Europa.“

Verordnung Nr. 1178/2011

Die Erwägungsgründe 1 und 11 der Verordnung Nr. 1178/2011 lauten:

„Ziel der Verordnung Nr. 216/2008 ist die Schaffung und die Aufrechterhaltung eines einheitlichen, hohen Sicherheitsniveaus der Zivilluftfahrt in Europa. Diese Verordnung sieht die zum Erreichen dieses Ziels sowie anderer Ziele auf dem Gebiet der Sicherheit der Zivilluftfahrt notwendigen Mittel vor.



Um einen reibungslosen Übergang und ein hohes einheitliches Sicherheitsniveau der Zivilluftfahrt in der Europäischen Union zu gewährleisten, sollten die Durchführungsmaßnahmen dem Stand der Technik, einschließlich bewährter Praktiken, sowie dem wissenschaftlichen und technischen Fortschritt im Bereich der Pilotenausbildung und der flugmedizinischen Tauglichkeit des fliegenden Personals entsprechen. Dementsprechend sollten technische Anforderungen und Verwaltungsverfahren, die von der Internationalen Zivilluftfahrt-Organisation und bis 30. Juni 2009 von den Gemeinsamen Luftfahrtbehörden beschlossen wurden, sowie bestehende Rechtsvorschriften zu einem spezifischen einzelstaatlichen Umfeld Berücksichtigung finden.“

Art. 3 der Verordnung Nr. 1178/2001 bestimmt:

„Unbeschadet Artikel 7 haben Piloten von Luftfahrzeugen, auf die in Artikel 4 Absatz 1 Buchstaben b und c und in Artikel 4 Absatz 5 der Verordnung Nr. 216/2008 Bezug genommen wird, die in Anhang I und Anhang IV der vorliegenden Verordnung festgelegten technischen Anforderungen und Verwaltungsverfahren zu erfüllen.“

In FCL.010 in Anhang I der Verordnung Nr. 1178/2011 heißt es: 

„Für die Zwecke dieses Teils gelten die folgenden Begriffsbestimmungen:



‚Gewerblicher Luftverkehr‘ bezeichnet die entgeltliche Beförderung von Fluggästen, Fracht oder Post.

…“

FCL.065 in Anhang I der Verordnung Nr. 1178/2011 bestimmt: 

„a) Altersgruppe 60–64 Jahre. Flugzeuge und Hubschrauber. Ein Inhaber einer Pilotenlizenz, der das Alter von 60 Jahren erreicht hat, darf nicht als Pilot eines Luftfahrzeugs im gewerblichen Luftverkehr tätig sein, außer:

als Mitglied einer Besatzung mit mehreren Piloten und

unter der Voraussetzung, dass ein solcher Inhaber der einzige Pilot in der Flugbesatzung ist, der das Alter von 60 Jahren erreicht hat.

b) Altersgruppe ab 65 Jahren. Ein Inhaber einer Pilotenlizenz, der das Alter von 65 Jahren erreicht hat, darf nicht als Pilot eines Luftfahrzeugs im gewerblichen Luftverkehr tätig sein.“

Deutsches Recht

§ 241 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs bestimmt:

„Das Schuldverhältnis kann nach seinem Inhalt jeden Teil zur Rücksicht auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Teils verpflichten.“

§ 280 Abs. 1 Satz 1 BGB lautet: „Verletzt der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis, so kann der Gläubiger Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen.“

§ 293 BGB bestimmt:

„Der Gläubiger kommt in Verzug, wenn er die ihm angebotene Leistung nicht annimmt.“

In § 297 BGB heißt es:

„Der Gläubiger kommt nicht in Verzug, wenn der Schuldner zur Zeit des Angebots … außerstande ist, die Leistung zu bewirken.“

§ 615 Satz 1 BGB lautet:

„Kommt der Dienstberechtigte mit der Annahme der Dienste in Verzug, so kann der Verpflichtete für die infolge des Verzugs nicht geleisteten Dienste die vereinbarte Vergütung verlangen, ohne zur Nachleistung verpflichtet zu sein.“

Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

Herr Fries, der Kläger des Ausgangsverfahrens, war von 1986 bis zum 31. Dezember 2013 bei der Lufthansa als Flugkapitän beschäftigt. Daneben wurde er aufgrund einer Zusatzvereinbarung auch in der Ausbildung anderer Piloten eingesetzt.

Im Oktober 2013 wurde der Kläger des Ausgangsverfahrens 65 Jahre alt. Am 31. Dezember 2013 endete sein Arbeitsvertrag, da er nach dem anwendbaren Tarifvertrag die Regelaltersgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung erreicht hatte. 

Die Lufthansa beschäftigte Herrn Fries nach dem 31. Oktober 2013 nicht mehr. Sie berief sich darauf, er dürfe seit diesem Datum nach FCL.065 Buchst. b des Anhangs I der Verordnung Nr. 1178/2011 nicht mehr als Pilot im gewerblichen Luftverkehr tätig sein.

Aus der Vorlageentscheidung geht hervor, dass Herr Fries vom 31. Oktober bis 31. Dezember 2013 weiterhin über seine allgemeine Lizenz zum Führen von Verkehrsflugzeugen einschließlich der Musterberechtigung für das Flugzeugmuster Embraer, die Berechtigung als Type Rating Instructor zur Ausbildung von Flugzeugführern auf dem Flugzeugmuster Embraer im Flugzeug und im Simulator, die Berechtigung als Type Rating Examiner zur Abnahme von Überprüfungen im Flugzeug und im Simulator zum Erhalt oder zur Verlängerung von Lizenzen auf dem Flugzeugmuster Embraer sowie die Anerkennung als Senior Examiner zur Abnahme der Überprüfung von Type Rating Examinern unabhängig vom Flugzeugmuster verfügte. 

Herr Fries macht vor dem Bundesarbeitsgericht geltend, die Weigerung der Lufthansa, ihn als Pilot zu beschäftigen, sei rechtswidrig, und beantragte, die Lufthansa zur Zahlung der Vergütung für die Monate November und Dezember 2013 zu verurteilen. 

Hierzu führt das vorlegende Gericht aus, dass der Arbeitgeber nach den nationalen Vorschriften in Annahmeverzug komme, wenn er im erfüllbaren Arbeitsverhältnis die ihm vom Arbeitnehmer ordnungsgemäß angebotene Arbeitsleistung nicht annehme. Obwohl er nicht arbeite, könne der Arbeitnehmer in diesem Fall vom Arbeitgeber die Vergütung fordern, die er erhalten hätte, wenn der Arbeitgeber im Verzugszeitraum die Arbeitsleistung angenommen hätte. Doch sei der Annahmeverzug des Arbeitgebers ausgeschlossen, wenn der Arbeitnehmer außerstande sei, die Arbeitsleistung zu bewirken. Sei es dem Arbeitnehmer unmöglich, die arbeitsvertraglich vereinbarte Leistung in Gänze oder zum Teil zu erbringen, könne es die Rücksichtnahmepflicht des Arbeitgebers gebieten, den Arbeitnehmer mit anderen Arbeiten, für die er leistungsfähig ist, zu beschäftigen. Verletze der Arbeitgeber diese Rücksichtnahmepflicht, könne er sich schadensersatzpflichtig machen.

Die Lufthansa ist der Ansicht, dass sie sich für die Monate November und Dezember 2013 nicht im Annahmeverzug des Arbeitsangebots von Herrn Fries befinde, da der Kläger des Ausgangsverfahrens gemäß FCL.065 Buchst. b des Anhangs I der Verordnung Nr. 1178/2011 ab dem Alter von 65 Jahren nicht mehr als Verkehrspilot im gewerblichen Luftverkehr tätig sein dürfe, so dass er außerstande gewesen sei, die vereinbarte Leistung vom 1. November 2013 bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses zu erbringen. 

Das vorlegende Gericht äußert jedoch Zweifel an der Gültigkeit von FCL.065 Buchst. b des Anhangs I der Verordnung Nr. 1178/2011 im Hinblick auf die Charta der Grundrechte der Europäischen Union und insbesondere dem in Art. 21 Abs. 1 der Charta enthaltenen Verbot der Diskriminierung wegen des Alters und dem in Art. 15 Abs. 1 der Charta verbürgten Recht, zu arbeiten und einen frei gewählten oder angenommenen Beruf auszuüben.

Im Übrigen könnte Herr Fries, falls FCL.065 Buchst. b des Anhangs I der Verordnung mit der Charta im Einklang stehe, nach den nationalen Vorschriften seine Forderung als Schadensersatz geltend machen, wenn sich herausstellen sollte, dass er nach Erreichen des Alters von 65 Jahren noch Leerflüge hätte durchführen dürfen und/oder als Ausbilder und Prüfer im Flugzeug hätte tätig werden können. Für diese Forderung komme es auf die Auslegung des Begriffs „gewerblicher Luftverkehr“ im Sinne von FCL.065 Buchst. b in Verbindung mit FCL.010 des Anhangs I der Verordnung Nr. 1178/2011 an. 

Unter diesen Umständen hat das Bundesarbeitsgericht das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt: 

Ist FCL.065 Buchst. b des Anhangs I der Verordnung Nr. 1178/2011 mit dem Verbot der Diskriminierung wegen des Alters in Art. 21 Abs. 1 der Charta vereinbar?

Ist FCL.065 Buchst. b des Anhangs I der Verordnung Nr. 1178/2011 mit Art. 15 Abs. 1 der Charta, wonach jede Person das Recht hat, zu arbeiten und einen frei gewählten oder angenommenen Beruf auszuüben, vereinbar?

Falls die erste und die zweite Frage bejaht werden:

Fallen unter den Begriff des „gewerblichen Luftverkehrs“ im Sinne der FCL.065 Buchst. b bzw. der Bestimmung dieses Begriffs in FCL.010 des Anhangs I der Verordnung Nr. 1178/2011 auch sogenannte Leerflüge im Gewerbebetrieb eines Luftverkehrsunternehmens, bei denen weder Fluggäste noch Fracht oder Post befördert werden?

Fallen unter den Begriff des „gewerblichen Luftverkehrs“ im Sinne der FCL.065 Buchst. b bzw. der Bestimmung dieses Begriffs in FCL.010 des Anhangs I der Verordnung Nr. 1178/2011 die Ausbildung und Abnahme von Prüfungen, bei denen der über 65‑jährige Pilot sich als nicht fliegendes Mitglied der Crew im Cockpit des Flugzeugs aufhält?

Zu den Vorlagefragen

Zur ersten und zur zweiten Frage

Mit seiner ersten und seiner zweiten Frage, die zusammen zu prüfen sind, möchte das vorlegende Gericht wissen, ob FCL.065 Buchst. b des Anhangs I der Verordnung Nr. 1178/2011 im Hinblick auf Art. 15 Abs. 1 bzw. auf Art. 21 Abs. 1 der Charta gültig ist. 

Zur Beantwortung dieser Fragen ist in einem ersten Schritt zu bestimmen, ob der Unionsgesetzgeber gegen den in Art. 21 Abs. 1 der Charta verankerten Grundsatz der Nichtdiskriminierung verstoßen hat, nach dem „Diskriminierungen insbesondere wegen … des Alters“ verboten sind, indem er Inhabern einer Pilotenlizenz, die das Alter von 65 Jahren erreicht haben, verboten hat, als Pilot eines Luftfahrzeugs im gewerblichen Flugverkehr tätig zu sein. In einem zweiten Schritt ist zu prüfen, ob der Unionsgesetzgeber durch dieses Verbot hinsichtlich der von ihm betroffenen Lizenzinhaber gegen das in Art. 15 Abs. 1 der Charta verankerte Recht, zu arbeiten und einen frei gewählten oder angenommenen Beruf auszuüben, verstoßen hat. 

Art. 21 Abs. 1 der Charta

Der Grundsatz der Gleichbehandlung ist ein allgemeiner Grundsatz des Unionsrechts, der in Art. 20 der Charta niedergelegt ist. Das Diskriminierungsverbot des Art. 21 Abs. 1 der Charta stellt eine besondere Ausprägung dieses Grundsatzes dar.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs verlangt dieser allgemeine Grundsatz, dass vergleichbare Sachverhalte nicht unterschiedlich und unterschiedliche Sachverhalte nicht gleich behandelt werden, es sei denn, dass eine solche Behandlung objektiv gerechtfertigt ist.

Somit ist erstens zu prüfen, ob FCL.065 Buchst. b des Anhangs I der Verordnung Nr. 1178/2011 eine Ungleichbehandlung aufgrund des Alters begründet.

Nach dieser Bestimmung darf der Inhaber einer Pilotenlizenz, nachdem er das Alter von 65 Jahren erreicht hat, nicht als Pilot eines Luftfahrzeugs im gewerblichen Luftverkehr tätig sein. 

FCL.065 Buchst. b des Anhangs I der Verordnung Nr. 1178/2011 gewährt so dem Inhaber einer Pilotenlizenz, der das Alter von 65 Jahren erreicht hat, eine weniger günstige Behandlung als dem, der jünger als 65 Jahre ist. 

Somit ist festzustellen, dass diese Bestimmung eine Ungleichbehandlung wegen des Alters darstellt. 

Zweitens ist zu prüfen, ob diese Ungleichbehandlung jedoch mit Art. 21 Abs. 1 der Charta im Einklang steht, da sie den in Art. 52 Abs. 1 der Charta angeführten Kriterien entspricht. 

Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass gemäß Art. 52 Abs. 1 der Charta jede Einschränkung der Ausübung der in dieser Charta anerkannten Rechte und Freiheiten gesetzlich vorgesehen sein und den Wesensgehalt dieser Rechte und Freiheiten achten muss. Unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit dürfen Einschränkungen nur vorgenommen werden, wenn sie erforderlich sind und den von der Union anerkannten dem Gemeinwohl dienenden Zielsetzungen oder den Erfordernissen des Schutzes der Rechte und Freiheiten anderer tatsächlich entsprechen.

Es steht fest, dass das Verbot für Inhaber einer Pilotenlizenz, die das Alter von 65 Jahren erreicht haben, als Pilot eines Luftfahrzeugs im gewerblichen Luftverkehr tätig zu sein, als gesetzlich vorgesehene Einschränkung im Sinne von Art. 52 Abs. 1 der Charta anzusehen ist, da sie sich aus FCL.065 Buchst. b des Anhangs I der Verordnung Nr. 1178/2011 ergibt. 

Des Weiteren achtet diese Einschränkung, wie der Generalanwalt in Nr. 33 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, den Wesensgehalt des Diskriminierungsverbots. Sie stellt diesen Grundsatz als solchen nämlich nicht in Frage, da es nur um die spezifische Frage der Beschränkung der Pilotenaufgaben im Hinblick auf die Sicherstellung der Flugsicherheit geht.

Es ist jedoch weiter zu prüfen, ob diese Einschränkung im Sinne von Art. 52 Abs. 1 der Charta dem Gemeinwohl dient, und wenn ja, ob sie den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit im Sinne dieser Bestimmung wahrt.

Im Hinblick auf das von FCL.065 Buchst. b des Anhangs I der Verordnung Nr. 1178/2011 verfolgte Ziel ist anzumerken, dass diese Verordnung, wie aus ihrem Titel hervorgeht, die technischen Vorschriften und Verwaltungsverfahren in Bezug auf das fliegende Personal in der Zivilluftfahrt gemäß der Verordnung Nr. 216/2008 festlegt. So wurde die Verordnung Nr. 1178/2011 erlassen, um die Bestimmungen der Verordnung Nr. 216/2008 durchzuführen. 

Da FCL.065 Buchst. b des Anhangs I der Verordnung Nr. 1178/2011 eine Durchführung der Verordnung Nr. 216/2008 darstellt, ist somit festzustellen, dass die Bestimmung, um die es in der vorliegenden Rechtssache geht, dasselbe Ziel wie die letztgenannte Verordnung verfolgt, nämlich die Schaffung und Aufrechterhaltung eines einheitlichen, hohen Sicherheitsniveaus der Zivilluftfahrt in Europa, wie sowohl aus Art. 2 der Verordnung Nr. 216/2008 als auch aus den Erwägungsgründen 1 und 11 der Verordnung Nr. 1178/2011 hervorgeht. 

Jedoch hat der Gerichtshof im Hinblick auf die Flugsicherheit bei der Auslegung von Art. 2 Abs. 5 und von Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf entschieden, dass das Ziel der Gewährleistung der Flugsicherheit einen rechtmäßigen Zweck im Sinne dieser Bestimmungen darstellt.

Unter diesen Umständen ist festzustellen, dass es sich beim Ziel der Schaffung und Aufrechterhaltung eines einheitlichen, hohen Sicherheitsniveaus der Zivilluftfahrt in Europa um eine dem Gemeinwohl dienende Zielsetzung handelt. 

Somit ist zu prüfen, ob FCL.065 Buchst. b des Anhangs I der Verordnung Nr. 1178/2011, durch den Inhabern einer Pilotenlizenz, die das Alter von 65 Jahren erreicht haben, verboten wird, als Pilot eines Luftfahrzeugs im gewerblichen Luftverkehr tätig zu sein, eine verhältnismäßige Anforderung vorschreibt, d. h., ob diese Maßnahme geeignet ist, das verfolgte Ziel zu erreichen, und nicht über das hierfür Erforderliche hinausgeht. 

Was erstens die Geeignetheit dieser Bestimmung im Hinblick auf das verfolgte Ziel angeht, ergibt sich aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs, dass in Bezug auf die Flugsicherheit Maßnahmen, die auf die Vermeidung von Flugzeugunglücken durch Kontrolle der Tauglichkeit und körperlichen Fähigkeiten der Piloten abzielen, damit menschliche Schwächen nicht zur Ursache derartiger Unfälle werden, unbestreitbar Maßnahmen darstellen, die geeignet sind, die Sicherheit des Flugverkehrs zu gewährleisten.

Des Weiteren hat der Gerichtshof ausgeführt, dass es wesentlich ist, dass Verkehrspiloten über angemessene körperliche Fähigkeiten verfügen, da körperliche Schwächen in diesem Beruf beträchtliche Konsequenzen haben können, und festgestellt, dass diese Fähigkeiten unbestreitbar mit zunehmendem Alter abnehmen.

So sind die Bestimmungen von FCL.065 Buchst. b des Anhangs I der Verordnung Nr. 1178/2011, da mit ihnen ausgeschlossen werden kann, dass ein Abnehmen dieser körperlichen Fähigkeiten nach dem 65. Lebensjahr zur Unfallursache wird, geeignet, die verfolgte dem Gemeinwohl dienende Zielsetzung zu erreichen. 

Allerdings sind Rechtsvorschriften nach ständiger Rechtsprechung nur dann geeignet, die Verwirklichung des geltend gemachten Ziels zu gewährleisten, wenn sie tatsächlich dem Anliegen gerecht werden, es in kohärenter und systematischer Weise zu erreichen; Ausnahmen von den Bestimmungen eines Gesetzes können in bestimmten Fällen dessen Kohärenz beeinträchtigen, insbesondere wenn sie wegen ihres Umfangs zu einem Ergebnis führen, das dem mit dem Gesetz verfolgten Ziel widerspricht. 

Hierzu geht aus dem Wortlaut von FCL.065 Buchst. b des Anhangs I der Verordnung Nr. 1178/2011 hervor, dass die Altersgrenze von 65 Jahren auf dem Gebiet des nicht gewerblichen Luftverkehrs nicht anwendbar ist. Nach Ansicht von Herrn Fries beeinträchtigt ein solcher Ausschluss die Kohärenz dieser Vorschrift im Hinblick auf das verfolgte Ziel, wodurch die fragliche Beschränkung unverhältnismäßig werde. 

Indem der Unionsgesetzgeber diese Altersgrenze nur für den gewerblichen Luftverkehr festgelegt hat, hat er jedoch die Unterschiede zwischen gewerblichem und nicht gewerblichem Luftverkehr berücksichtigt, nämlich insbesondere die größere technische Komplexität der Luftfahrzeuge und die höhere Anzahl betroffener Personen im gewerblichen Luftverkehr. Solche Unterschiede rechtfertigen die Aufstellung unterschiedlicher Regelungen, um die Sicherheit des Flugverkehrs für die beiden Verkehrsarten zu gewährleisten. 

Unter diesen Umständen scheint der Umstand, dass die Altersgrenze von 65 Jahren nur auf den gewerblichen Luftverkehr Anwendung findet, eher für als gegen die Verhältnismäßigkeit der betrachteten Maßnahme zu sprechen. 

Somit stellt das Verbot für den Inhaber einer Pilotenlizenz, der das Alter von 65 Jahren erreicht hat, als Pilot eines Luftfahrzeugs im gewerblichen Luftverkehr tätig zu sein, ein geeignetes Mittel dar, um ein angemessenes Sicherheitsniveau der Zivilluftfahrt in Europa aufrechtzuerhalten. 

Um sodann zu ermitteln, ob diese Maßnahme über das zur Erreichung des angestrebten Ziels Erforderliche hinausgeht und die Interessen der über 65-jährigen Inhaber von Pilotenlizenzen übermäßig beeinträchtigt, ist sie in dem Regelungskontext zu betrachten, in den sie sich einfügt, und sind sowohl die Nachteile, die sie für die Betroffenen bewirken kann, als auch die Vorteile zu berücksichtigen, die sie für die Gesellschaft im Allgemeinen und die diese bildenden Individuen bedeutet.

In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass FCL.065 Buchst. b des Anhangs I der Verordnung Nr. 1178/2011 zu den vom Unionsgesetzgeber aufgestellten Regeln gehört, mit denen die für das fliegende Personal in der Zivilluftfahrt geltenden Anforderungen definiert werden, um zu gewährleisten, dass dieses Personal qualifiziert, gewissenhaft und kompetent ist, so dass es die ihm anvertrauten Aufgaben bestmöglich erfüllt, und dies mit Blick auf die Verbesserung der Flugsicherheit. 

Da die Piloten von Luftfahrzeugen in der Kette der Akteure der Luftfahrt ein wesentliches Glied darstellen, bleibt die Kompetenz dieser Spezialisten eine der Hauptgarantien für die Zuverlässigkeit und Sicherheit der Zivilluftfahrt. Vor diesem Hintergrund ist der Erlass von Maßnahmen, mit denen gewährleistet werden soll, dass nur die über die erforderlichen körperlichen Fähigkeiten verfügenden Personen Luftfahrzeuge fliegen dürfen, unerlässlich, um die Gefahr von Zwischenfällen aufgrund menschlichen Versagens auf ein Mindestmaß zu verringern. 

Unter diesen Umständen erscheint es nicht unvernünftig, dass es der Unionsgesetzgeber unter Berücksichtigung der Bedeutung menschlicher Faktoren auf dem Gebiet der Zivilluftfahrt sowie des über die Jahre fortschreitenden Verlusts der für die Ausübung des Pilotenberufs erforderlichen körperlichen Fähigkeiten für erforderlich hält, für die Tätigkeit als Pilot im gewerblichen Luftverkehr eine Altersgrenze festzulegen, um ein angemessenes Sicherheitsniveau der Zivilluftfahrt in Europa aufrechtzuerhalten. 

Was die Festlegung der Altersgrenze speziell auf 65 Jahre angeht, beanstandet Herr Fries diese Grenze und bringt u. a. vor, dass zum einen keine wissenschaftlich gesicherten medizinischen Erkenntnisse eine erhöhte Gefahr im Zusammenhang mit dem Einsatz von Piloten nach Vollendung des 65. Lebensjahrs im gewerblichen Luftverkehr belegten und dass sich zum anderen der Rückgang der körperlichen und psychischen Leistungsfähigkeit nicht mit Vollendung eines bestimmten Lebensalters einstelle, sondern von individuellen Faktoren, darunter der Lebensgeschichte, abhänge. 

Diesem Vorbringen kann jedoch nicht gefolgt werden.

Zunächst ist nämlich darauf hinzuweisen, dass der Unionsgesetzgeber über ein weites Ermessen im Hinblick auf komplexe Fragen medizinischer Art verfügt wie der, ob bei Personen, die ein bestimmtes Alter überschritten haben, besondere körperliche Fähigkeiten, die für die Ausübung des Berufs des Verkehrspiloten erforderlich sind, nicht vorhanden sind, und dass er bei Ungewissheiten bezüglich der Existenz oder des Umfangs von Risiken für die menschliche Gesundheit Schutzmaßnahmen treffen kann, ohne abwarten zu müssen, bis das Vorliegen und die Schwere dieser Risiken in vollem Umfang nachgewiesen sind.

Aufgrund der engen Verbindung zwischen der Sicherheit der Zivilluftfahrt und dem Schutz der Besatzungsmitglieder, der Fluggäste und der Bewohner der überflogenen Gebiete steht es dem Unionsgesetzgeber frei, wenn er sich für die Festlegung einer Altersgrenze wie der in der vorliegenden Rechtssache fraglichen entscheidet, angesichts wissenschaftlicher Ungewissheiten Maßnahmen den Vorzug zu geben, bei denen er sich sicher ist, dass sie ein hohes Maß an Sicherheit bieten, sofern diese auf objektiven Tatsachen gegründet sind. 

Insoweit ist zunächst darauf hinzuweisen, dass die Altersgrenze von 65 Jahren als hinreichend weit fortgeschritten betrachtet werden kann, um als Endpunkt der Zulassung als Pilot im gewerblichen Luftverkehr zu dienen.

Des Weiteren spiegelt FCL.065 Buchst. b des Anhangs I der Verordnung Nr. 1178/2011 völkerrechtliche Vorschriften auf dem Gebiet der internationalen gewerblichen Luftfahrt wider, auf die der elfte Erwägungsgrund der Verordnung im Übrigen ausdrücklich Bezug nimmt und die dieselbe Altersgrenze festlegen. 

Wie der Generalanwalt in Nr. 56 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, stellen solche Vorschriften, da sie auf einer intensiven Fachdiskussion sowie auf Sachverstand beruhen, als objektive und vernünftige Anhaltspunkte für die Entscheidungsträger ein besonders maßgebliches Element dar, um die Verhältnismäßigkeit der in der vorliegenden Rechtssache fraglichen Bestimmung des Unionsrechts zu beurteilen. 

Ferner ist der Unionsgesetzgeber angesichts des ihm zur Verfügung stehenden Wertungsspielraums nicht dazu verpflichtet, statt einer Altersgrenze eine individuelle Prüfung der körperlichen und psychischen Fähigkeiten jedes Inhabers einer Pilotenlizenz vorzusehen, der älter als 65 Jahre ist. 

Wie der Generalanwalt u. a. in den Nrn. 60 und 61 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, hat der Gesetzgeber insoweit entschieden, eine einzelfallbezogene Vorgehensweise für die Altersgruppe von 60 bis 64 Jahren mit der Altersgrenze von 65 Jahren zu kombinieren, was nach den vorstehenden Ausführungen eine Entscheidung darstellt, die fest in den maßgeblichen völkerrechtlichen Vorschriften verankert ist, die ihrerseits auf dem aktuellen Stand des medizinischem Fachwissens auf diesem Gebiet beruhen.

Zudem ist zu betonen, dass diese Altersgrenze nicht automatisch bewirkt, dass die Betroffenen gezwungen werden, endgültig aus dem Arbeitsmarkt auszuscheiden. Mit ihr wird keine zwingende Regelung zur Versetzung in den Ruhestand von Amts wegen eingeführt, und sie bringt auch nicht notwendigerweise mit sich, dass das Arbeitsverhältnis eines Beschäftigten beendet werden müsste, weil dieser das Alter von 65 Jahren erreicht hat.

FCL.065 Buchst. b des Anhangs I der Verordnung Nr. 1178/2011 schließt nämlich die Inhaber einer Pilotenlizenz, die das Alter von 65 Jahren erreicht haben, nicht von jeglicher Aktivität auf dem Gebiet der Luftfahrt aus, sondern verbietet ihnen lediglich, als Pilot im gewerblichen Luftverkehr tätig zu sein. 

Somit ist festzustellen, dass das Verbot für Inhaber einer Pilotenlizenz, die das Alter von 65 Jahren erreicht haben, als Pilot eines Luftfahrzeugs im gewerblichen Luftverkehr tätig zu sein, nicht über das hinausgeht, was zur Erreichung der dem Gemeinwohl dienenden Zielsetzung erforderlich ist. 

Aus den vorstehenden Ausführungen ergibt sich, dass die durch FCL.065 Buchst. b des Anhangs I der Verordnung Nr. 1178/2011 eingerichtete Ungleichbehandlung aufgrund des Alters mit Art. 21 Abs. 1 der Charta im Einklang steht. 

Art. 15 Abs. 1 der Charta.

Art. 15 Abs. 1 der Charta verankert das Recht jeder Person, zu arbeiten und einen frei gewählten Beruf auszuüben.

Vorliegend führt die Anwendung von FCL.065 Buchst. b des Anhangs I der Verordnung Nr. 1178/2011 zu einer Beschränkung der Berufsfreiheit der Inhaber einer Pilotenlizenz, die das Alter von 65 Jahren erreicht haben, die darin besteht, dass sie vom Datum ihres 65. Geburtstags an ihren Beruf als Pilot im gewerblichen Luftverkehr nicht mehr ausüben können. 

Wie bereits in Rn. 36 des vorliegenden Urteils dargelegt worden ist, lässt jedoch Art. 52 Abs. 1 der Charta Einschränkungen der Ausübung der in ihr verankerten Rechte zu, sofern sie gesetzlich vorgesehen sind, den Wesensgehalt dieser Rechte und Freiheiten achten, unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit erforderlich sind und den von der Union anerkannten dem Gemeinwohl dienenden Zielsetzungen oder den Erfordernissen des Schutzes der Rechte und Freiheiten anderer tatsächlich entsprechen.

Was insbesondere die Berufsfreiheit und die unternehmerische Freiheit betrifft, ist darauf hinzuweisen, dass nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs die freie Berufsausübung, ebenso wie das Eigentumsrecht, nicht absolut gewährleistet wird, sondern im Zusammenhang mit ihrer gesellschaftlichen Funktion zu sehen ist. Die Ausübung dieser Freiheiten kann daher Beschränkungen unterworfen werden, sofern diese tatsächlich den dem Gemeinwohl dienenden Zielen der Union entsprechen und keinen im Hinblick auf den verfolgten Zweck unverhältnismäßigen und untragbaren Eingriff darstellen, der diese Rechte in ihrem Wesensgehalt antastet.

Wie in Rn. 37 des vorliegenden Urteils ausgeführt worden ist, ist das Verbot für Inhaber einer Pilotenlizenz, die das Alter von 65 Jahren erreicht haben, als Pilot eines Luftfahrzeugs im gewerblichen Luftverkehr tätig zu sein, als gesetzlich vorgesehen im Sinne von Art. 52 Abs. 1 der Charta zu betrachten. 

Des Weiteren tastet die betreffende Einschränkung nicht den Wesensgehalt der Berufsfreiheit selbst an, da sie die berufliche Tätigkeit der Inhaber einer Pilotenlizenz, die das Alter von 65 Jahren erreicht haben, lediglich bestimmten Einschränkungen unterwirft. 

Im Hinblick auf das durch die streitige Maßnahme verfolgte Ziel geht aus den Rn. 40 bis 43 des vorliegenden Urteils hervor, dass mit FCL.065 Buchst. b des Anhangs I der Verordnung Nr. 1178/2011 die Schaffung und Aufrechterhaltung eines einheitlichen, hohen Sicherheitsniveaus der Zivilluftfahrt in Europa angestrebt wird, was eine dem Gemeinwohl dienende Zielsetzung darstellt. 

Was die Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit angeht, ergibt sich aus den Rn. 45 bis 52 des vorliegenden Urteils, dass die Maßnahme, um die es in der vorliegenden Rechtssache geht, geeignet ist, die dem Gemeinwohl dienende Zielsetzung zu gewährleisten. 

Des Weiteren lässt die Gesamtheit der Erwägungen in den Rn. 53 bis 68 des vorliegenden Urteils den Schluss zu, dass der Unionsgesetzgeber mit dem Erlass der Bestimmung, deren Gültigkeit in Frage gestellt wird, die Anforderungen der Flugsicherheit gegen das individuelle Recht des Inhabers einer Pilotenlizenz, der älter als 65 Jahre ist, zu arbeiten und einen gewählten Beruf auszuüben, in der Weise abgewogen hat, bei der nicht angenommen werden kann, dass sie außer Verhältnis zum verfolgten Ziel steht. 

Somit ist das Verbot gemäß FCL.065 Buchst. b des Anhangs I der Verordnung Nr. 1178/2011 für Inhaber einer Pilotenlizenz, die das Alter von 65 Jahren erreicht haben, als Pilot eines Luftfahrzeugs im gewerblichen Luftverkehr tätig zu sein, mit Art. 15 Abs. 1 der Charta vereinbar.

In Anbetracht der vorstehenden Erwägungen ist festzustellen, dass die Prüfung der ersten und der zweiten Frage nichts ergeben hat, was die Gültigkeit von FCL.065 Buchst. b des Anhangs I der Verordnung Nr. 1178/2011 im Hinblick auf Art. 15 Abs. 1 bzw. Art. 21 Abs. 1 der Charta beeinträchtigen könnte. 

Zur dritten Frage

Mit seiner dritten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob FCL.065 Buchst. b des Anhangs I der Verordnung Nr. 1178/2011 dahin auszulegen ist, dass er dem Inhaber einer Pilotenlizenz, der das Alter von 65 Jahren erreicht hat, verbietet, als Pilot Leer- oder Überführungsflüge im Gewerbebetrieb eines Luftverkehrsunternehmens durchzuführen, bei denen weder Fluggäste noch Fracht oder Post befördert werden, sowie – ohne Mitglied der Flugbesatzung zu sein – als Ausbilder und/oder Prüfer an Bord eines Luftfahrzeugs tätig zu sein. 

Zur Beantwortung dieser Frage ist darauf hinzuweisen, dass gemäß FCL.065 Buchst. b des Anhangs I der Verordnung der Inhaber einer Pilotenlizenz, der das Alter von 65 Jahren erreicht hat, nicht als Pilot eines Luftfahrzeugs im gewerblichen Luftverkehr tätig sein darf.

Aus dem Wortlaut selbst dieser Bestimmung ergibt sich, dass nur die Sachverhalte der durch diese Bestimmung vorgesehenen Einschränkung unterfallen, bei denen kumulativ drei Voraussetzungen erfüllt sind, nämlich dass der Inhaber einer Pilotenlizenz das Alter von 65 Jahren erreicht hat, dass er als Pilot eines Luftfahrzeugs tätig wird und dass dieses im gewerblichen Luftverkehr betrieben wird. 

In diesem Zusammenhang ist zu betonen, dass FCL.010 des Anhangs I der Verordnung Nr. 1178/2011 den Begriff „gewerblicher Luftverkehr“ ausdrücklich als die entgeltliche Beförderung von Fluggästen, Fracht oder Post definiert. 

Bei Leer- oder Überführungsflügen handelt es sich jedoch, wie aus der Vorlageentscheidung und dem Wortlaut der dritten Frage hervorgeht, nicht um Flüge, die der Beförderung von Fluggästen, Fracht oder Post dienen. 

Des Weiteren steht fest, was die Tätigkeiten im Zusammenhang mit der Ausbildung und Prüfung von Piloten angeht, dass sich der Inhaber einer Pilotenlizenz, der als Ausbilder und/oder Prüfer tätig ist, zwar im Cockpit des Flugzeugs aufhält, dieses aber nicht fliegt. 

Somit ist festzustellen, dass weder Leer- noch Überführungsflüge noch Tätigkeiten im Zusammenhang mit der Ausbildung und Prüfung von Piloten der Maßnahme gemäß FCL.065 Buchst. b des Anhangs I der Verordnung Nr. 1178/2011 unterfallen. 

In Anbetracht der vorstehenden Erwägungen ist auf die dritte Frage zu antworten, dass FCL.065 Buchst. b des Anhangs I der Verordnung Nr. 1178/2011 dahin auszulegen ist, dass er dem Inhaber einer Pilotenlizenz, der das Alter von 65 Jahren erreicht hat, weder verbietet, als Pilot Leer- oder Überführungsflüge im Gewerbebetrieb eines Luftverkehrsunternehmens durchzuführen, bei denen weder Fluggäste noch Fracht oder Post befördert werden, noch – ohne Mitglied der Flugbesatzung zu sein –, als Ausbilder und/oder Prüfer an Bord eines Luftfahrzeugs tätig zu sein. 

Kosten

Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem beim vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof für Recht erkannt:

Die Prüfung der ersten und der zweiten Frage hat nichts ergeben, was die Gültigkeit von FCL.065 Buchst. b des Anhangs I der Verordnung Nr. 1178/2011 der Kommission vom 3. November 2011 zur Festlegung technischer Vorschriften und von Verwaltungsverfahren in Bezug auf das fliegende Personal in der Zivilluftfahrt gemäß der Verordnung Nr. 216/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates im Hinblick auf Art. 15 Abs. 1 bzw. Art. 21 Abs. 1 der Charta beeinträchtigen könnte. 

FCL.065 Buchst. b des Anhangs I der Verordnung Nr. 1178/2011 ist dahin auszulegen, dass er dem Inhaber einer Pilotenlizenz, der das Alter von 65 Jahren erreicht hat, weder verbietet, als Pilot Leer- oder Überführungsflüge im Gewerbebetrieb eines Luftverkehrsunternehmens durchzuführen, bei denen weder Fluggäste noch Fracht oder Post befördert werden, noch – ohne Mitglied der Flugbesatzung zu sein –, als Ausbilder und/oder Prüfer an Bord eines Luftfahrzeugs tätig zu sein.

Gesetze

Gesetze

7 Gesetze werden in diesem Text zitiert

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 280 Schadensersatz wegen Pflichtverletzung


(1) Verletzt der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis, so kann der Gläubiger Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen. Dies gilt nicht, wenn der Schuldner die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat. (2) Schadensersatz weg

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 241 Pflichten aus dem Schuldverhältnis


(1) Kraft des Schuldverhältnisses ist der Gläubiger berechtigt, von dem Schuldner eine Leistung zu fordern. Die Leistung kann auch in einem Unterlassen bestehen. (2) Das Schuldverhältnis kann nach seinem Inhalt jeden Teil zur Rücksicht auf die Re

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 615 Vergütung bei Annahmeverzug und bei Betriebsrisiko


Kommt der Dienstberechtigte mit der Annahme der Dienste in Verzug, so kann der Verpflichtete für die infolge des Verzugs nicht geleisteten Dienste die vereinbarte Vergütung verlangen, ohne zur Nachleistung verpflichtet zu sein. Er muss sich jedoch de

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 293 Annahmeverzug


Der Gläubiger kommt in Verzug, wenn er die ihm angebotene Leistung nicht annimmt.

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 297 Unvermögen des Schuldners


Der Gläubiger kommt nicht in Verzug, wenn der Schuldner zur Zeit des Angebots oder im Falle des § 296 zu der für die Handlung des Gläubigers bestimmten Zeit außerstande ist, die Leistung zu bewirken.

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Referenzen

(1) Kraft des Schuldverhältnisses ist der Gläubiger berechtigt, von dem Schuldner eine Leistung zu fordern. Die Leistung kann auch in einem Unterlassen bestehen.

(2) Das Schuldverhältnis kann nach seinem Inhalt jeden Teil zur Rücksicht auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Teils verpflichten.

(1) Verletzt der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis, so kann der Gläubiger Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen. Dies gilt nicht, wenn der Schuldner die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.

(2) Schadensersatz wegen Verzögerung der Leistung kann der Gläubiger nur unter der zusätzlichen Voraussetzung des § 286 verlangen.

(3) Schadensersatz statt der Leistung kann der Gläubiger nur unter den zusätzlichen Voraussetzungen des § 281, des § 282 oder des § 283 verlangen.

Der Gläubiger kommt in Verzug, wenn er die ihm angebotene Leistung nicht annimmt.

Der Gläubiger kommt nicht in Verzug, wenn der Schuldner zur Zeit des Angebots oder im Falle des § 296 zu der für die Handlung des Gläubigers bestimmten Zeit außerstande ist, die Leistung zu bewirken.

Kommt der Dienstberechtigte mit der Annahme der Dienste in Verzug, so kann der Verpflichtete für die infolge des Verzugs nicht geleisteten Dienste die vereinbarte Vergütung verlangen, ohne zur Nachleistung verpflichtet zu sein. Er muss sich jedoch den Wert desjenigen anrechnen lassen, was er infolge des Unterbleibens der Dienstleistung erspart oder durch anderweitige Verwendung seiner Dienste erwirbt oder zu erwerben böswillig unterlässt. Die Sätze 1 und 2 gelten entsprechend in den Fällen, in denen der Arbeitgeber das Risiko des Arbeitsausfalls trägt.