Architektenhaftpflicht: Mehrere Haftpflichtfälle in einem Bauvorhaben

bei uns veröffentlicht am17.12.2010

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für Familien- und Erbrecht

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Zusammenfassung des Autors
Anwalt für Architektenrecht - Baurecht - BSP Bierbach, Streifler & Partner PartGmbB
In der Berufshaftpflichtversicherung eines Architekten kann es pro Bauvorhaben auch mehrere Versicherungsfälle geben.

So entschied das Oberlandesgericht (OLG) Celle im Fall eines Architekten, der bei einem Bauvorhaben mehrere Planungsfehler gemacht hatte. Sein Haftpflichtversicherer regulierte zunächst die Kosten für Nachbesserungsarbeiten wegen Schäden an den Fenstern. Als weitere Ansprüche wegen Mängeln an den Trockenbauarbeiten gestellt wurden, verweigerte der Versicherer jedoch weitere Zahlungen. Er habe für das Bauvorhaben bereits die volle Deckungssumme zur Verfügung gestellt.

Das OLG verurteilte den Versicherer gleichwohl zur Regulierung auch der weiteren Schäden. Die Richter machten deutlich, dass keine Veranlassung bestehe, bei einem einheitlichen Bauvorhaben nur von einem Versicherungsfall auszugehen. Nur durch die Anerkennung der grundsätzlichen Möglichkeit, dass mehrere Versicherungsfälle vorliegen können, lasse sich dem Sinn der Berufshaftpflichtversicherung entsprechen. Mache der Architekt mehrere Fehler, durch die seinem Auftraggeber mehrfach Schäden entstünden, müsse die Versicherung dem Rechnung tragen. Es müsse zumindest in Betracht kommen, dass mehrfach Ansprüche gegen den Versicherer bestehen. Die Deckungssumme sei daher nicht auf das Bauvorhaben, sondern auf jeden Fehler des Architekten einzeln anzuwenden (OLG Celle, 8 U 180/09).


Die Entscheidung im einzelnen lautet:

OLG Celle: Urteil vom 23.09.2010 - 8 U 180/09

Zur Frage der wirksamen Einbeziehung von AVB nach § 23 Abs. 3 AGB-Gesetz: Die danach erforderliche Genehmigung muss nachgewiesen werden; dazu genügt nicht der Hinweis auf die Üblichkeit oder die Genehmigungsfähigkeit der AVB.

Zur Frage, ob es in der Berufshaftpflichtversicherung eines Architekten pro Bauvorhaben nur einen oder mehrere Versicherungsfälle geben kann: Der Senat vertritt dazu die Auffassung, dass es keine Veranlassung gibt, regelmäßig nur von einem Versicherungsfall auszugehen, auch dann nicht, wenn es sich um ein einheitliches Bauvorhaben handelt. Nur durch die Anerkennung der grundsätzlichen Möglichkeit, dass mehrere Versicherungsfälle vorliegen können, lässt sich dem Sinn der Berufshaftpflichtversicherung entsprechen. Wenn der Architekt mehrere Fehler macht und seinem Auftraggeber dadurch mehrfach Schäden entstehen, muss die Versicherung dem korrespondieren und muss es zumindest in Betracht kommen, dass mehrfach Ansprüche gegen den Versicherer bestehen.

Auf die Berufung des Klägers wird das am 14. August 2009 verkündete Urteil der 13. Zivilkammer des Landgerichts Hannover unter Zurückweisung des Weitergehenden Rechtsmittels teilweise geändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 61.537,33 € nebst Zinsen von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 23. Mai 2008 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.


Gründe:

Der Kläger nimmt aus abgetretenem Recht seines früheren Architekten S. die Beklagte als Haftpflichtversicherer in Anspruch.

Zwischen dem Architekten und der Beklagten bestand auf der Grundlage des Antrages Anlage B 10 (Bl. 174 d. A.), der einen Hinweis auf die AVB der Beklagten nebst Sonderbedingungen enthält, seit 15. September 1988 eine Berufshaftpflichtversicherung. Unter dem 21. Oktober 1988 (Anlage B 7, Bl. 164 d. A.) und dem 27. Juli 1989 (Anlage B 8, Bl. 165 d. A.) erhielt der Architekt einen Versicherungsschein. Im letztgenannten heißt es auf S. 2:

„Anlagen: Satzung, H 051, H 101, H 104. Die nicht beigefügten Anlagen liegen Ihnen bereits vor.“

Ob die „Allgemeinen Versicherungsbedingungen für Betriebs- und Privathaftpflichtversicherung (AVB) H 051“ (Anlage B 9, Bl. 168 d. A., die als Anlage B 3 vorher vorgelegten AVB stammen aus dem Jahr 1998) in den Vertrag einbezogen wurden, ist zwischen den Parteien im Streit. Es heißt in den AVB unter § 16 Ziff. 6 (Bl. 172 d. A.), dass es dem Versicherten nicht gestattet ist, ohne vorherige Zustimmung des Versicherers gegen ihn erhobene Haftpflichtansprüche anzuerkennen, und ansonsten der Versicherer von der Verpflichtung zur Leistung frei ist, es sei denn, dass nach den Umständen der Versicherte die Befriedigung oder Anerkennung nicht ohne offenbare Unbilligkeit verweigern konnte.

Im Jahr 1991 beauftragte der Kläger den Architekten S. mit der Planung, Bauüberwachung und Objektbetreuung für den Um- und Ausbau seines Anwesens E-straße in L., einem Ortsteil von W.; er hatte sämtliche Leistungsphasen zu erbringen (Beiakten 8 OH 16/96 Landgericht Lüneburg, Bl. 43 d. A.). Unter anderem hinsichtlich des Trockenbaus und der Erneuerung des Daches traten erhebliche Mängel auf. In einem selbstständigen Beweisverfahren machte der Kläger mit Schriftsatz vom 17. Juli 1996 gegenüber der R. GmbH und dem Architekten S. Mängel geltend (8 OH 16/96 Landgericht Lüneburg). Mit Schriftsatz vom gleichen Tag machte der Kläger gegenüber dem Baubetrieb St., der insbesondere mit den Arbeiten an den Dächern der auf dem Grundstück befindlichen Gebäude beauftragt war, sowie dem Architekten S. Mängel geltend (8 OH 18/96 Landgericht Lüneburg). Der Kläger erhob mit Schriftsatz vom 19. September 1997 vor dem Landgericht Lüneburg (Beiakten 5 O 156/04, ursprünglich 8 O 374/97) gegen die mit dem Trockenausbau beauftragte R. GmbH und den Architekten S. Klage auf Kostenvorschuss bzw. auf Zahlung von Schadensersatz wegen Mängeln bei der Ausführung bzw. mangelhafter Objektüberwachung hinsichtlich der Dach- und Trockenbauarbeiten auf Zahlung von 169.395,00 DM. Soweit die Klage auch gegen die Firma R. wegen der Trockenbauarbeiten gerichtet war, endete der Rechtsstreit mit einem Vergleich, der in der mündlichen Verhandlung vom 30. April 2003 geschlossen wurde, und worin sich die Firma R. verpflichtete, an den Kläger zur Abgeltung sämtlicher wechselseitigen Ansprüche einen Betrag von 18.750,00 € zu zahlen (Beiakten 5 O 156/04 Landgericht Lüneburg, Bl. 586). Gegenüber dem Architekten hatte der Kläger mit Schriftsatz vom 17. Januar 2000 (ebenda, Bl. 302) die Klage dahingehend erweitert, dass dieser an den Kläger 141.972,40 DM und weitere 89.320,32 DM (insgesamt 231.292,72 DM) zu zahlen habe.

Im Jahr 2002 wurde über das Vermögen des Architekten das Insolvenzverfahren eröffnet (Beschluss des Amtsgerichts Schwarzenbeck vom 12. August 2002, 1b IN 155/02, ebenda, Bl. 521). Mit einem an den Bevollmächtigten des Klägers gerichteten Schreiben vom 26. November 2002 (Anlage K 3, Bl. 14 d. A.) trat der Insolvenzverwalter „einen möglichen Befreiungsanspruch des Schuldners P. S. gegen die V.“ ab. Mit Schriftsatz vom 10. Mai 2004 nahm der Insolvenzverwalter über das Vermögen des Architekten S. den Rechtsstreit auf und verkündete der Beklagten den Streit (Beiakten 5 O 156/04 Landgericht Lüneburg, Bl. 592); diese sei die Haftpflichtversicherung des Schuldners und außergerichtlich nicht bereit gewesen, für den Schuldner im Unterliegensfalle einzutreten. Mit Schriftsatz vom 26. Juli 2004 trat die hiesige Beklagte dem Rechtsstreit auf Seiten des beklagten Architekten bei (ebenda, Bl. 620). Mit weiterem Schriftsatz vom 30. August 2004 beantragte sie Klagabweisung (ebenda, Bl. 646).

Am 6. April 2005 erging ein Teil-Grundurteil (ebenda, Bl. 716, sowie Anlage K 1, Bl. 5 d. A.), wonach die Klage gegenüber dem Architekten dem Grunde nach für gerechtfertigt erachtet wurde. Nach dem bisherigen Ergebnis der Beweisaufnahme stehe außer Frage, dass die Bauarbeiten an dem Wohnhaus des Klägers mit erheblichen Mängeln behaftet gewesen seien; der Architekt hafte für die zur Mängelbeseitigung notwendigen Kosten dem Grunde nach auf Schadensersatz.

Im August 2006 wurde die vom Kläger angemeldete Forderung in Höhe von 118.258,08 € Schadensersatz sowie Zinsen und Kosten, insgesamt 157.971,87 €, vom Insolvenzverwalter zur Tabelle festgestellt (Anlage K 2, Bl. 13 d. A.). In Unkenntnis dieses Umstandes setzte das Landgericht Lüneburg die Beweisaufnahme fort. Unter dem 4. Juli 2007 erstattete der Dipl.-Ing. Architekt St. ein schriftliches Gutachten (Beiakten 5 O 156/04 Landgericht Lüneburg, Bl. 886 ff.). Dieser ermittelte Mängelbeseitigungskosten in Höhe von insgesamt 136.706,15 € brutto (S. 7 des Gutachtens). Nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens mit Beschluss des Amtsgerichts Schwarzenbeck vom 24. Januar 2007 (Beiakten 5 O 156/04 Landgericht Lüneburg, Bl. 961) und Zahlung in Höhe von 12.600,00 € am 15. Mai 2006 stellte der Kläger im Verfahren vor dem Landgericht Lüneburg unter dem 23. Oktober 2007 einen neuen Antrag (ebenda, Bl. 969), nämlich auf Zahlung von 118.258,08 €. Nachdem der Beklagte zu 2 persönlich auf die erfolgte Feststellung zur Insolvenztabelle hingewiesen hatte, erklärte der Kläger mit Schriftsatz vom 14. April 2007 (ebenda, Bl. 983) in Höhe des festgestellten Betrages von 118.258,08 € nebst Zinsen bis zum 12. August 2002 den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt und machte lediglich noch weitere Zinsen geltend. Der beklagte Architekt schloss sich der Erledigungserklärung (anders als im angefochtenen Urteil dargestellt) nicht an (ebenda, Bl. 994). Mit Schlussurteil vom 7. März 2008 verurteilte das Landgericht den beklagten Architekten zur Zahlung weiterer Zinsen und legte ihm den größten Teil der Kosten auf (ebenda, Bl. 1020). Die dagegen gerichtete Berufung des beklagten Architekten nahm dieser vor dem 5. Zivilsenat (5 U 51/08) zurück.

Mit seiner Klage verlangt der Kläger nunmehr aus abgetretenem Recht von der Beklagten den vom Insolvenzverwalter festgestellten Betrag in Höhe von 157.971,87 €, abzüglich der erhaltenen Quote in Höhe von 755,44 € und der Zahlung der Beklagten vom 15. Mai 2006 in Höhe von 12.600,00 €, mithin 144.616,43 € nebst Zinsen. Die Beklagte zahlte an den Kläger jedenfalls insgesamt 58.862,98 € (Schriftsätze des Klägers vom 3. und vom 25. November 2008, Bl. 72 a und 120 d. A.).

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, der Haftpflichtanspruch des Architekten sei i. S. v. § 154 VVG durch das Grundurteil des Landgerichts Lüneburg bzw. durch das Anerkenntnis des Insolvenzverwalters festgestellt. Auf das Abtretungsverbot könne sich die Beklagte nicht berufen. Das Anerkenntnisverbot in § 16 Ziff. 6 AVB H 051 greife nicht, da diese AVB nicht wirksam in den Vertrag einbezogen worden seien, ebenso wenig wie die Besonderen Bedingungen BBR AI (Anlage B 4, Bl. 81 d. A.). Überdies sei durch das im Vorprozess vor dem Landgericht Lüneburg eingeholte Sachverständigengutachten St. vom 4. Juli 2007 der Kausalitätsgegenbeweis erbracht worden; die vom Insolvenzverwalter anerkannte Forderung sei höher als die vom Sachverständigen angenommenen Mängelbeseitigungskosten. Schließlich hat der Kläger gemeint, dass der Anspruch nicht daran scheitere, dass lediglich eine Deckungssumme von 150.000,00 DM/76.693,78 € vereinbart worden sei, da es sich um Objektüberwachungsmängel hinsichtlich verschiedener Gewerke handele und deswegen auch mehrere Schadenereignisse vorlägen.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 144.616,43 € nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz ab 22. Mai 2008 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Ein wirksames Anerkenntnis liege nicht vor. Dem Versicherungsnehmer sei eine Obliegenheitsverletzung vorzuwerfen, da der Insolvenzverwalter entgegen § 16 Nr. 6 AVB, die auch wirksam vereinbart worden seien, den Haftpflichtanspruch anerkannt habe. Schließlich sei die Deckungssumme ausgeschöpft, da es sich um ein Schadenereignis handele.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen.

Die Beklagte sei wegen einer Obliegenheitsverletzung des Insolvenzverwalters, die sich der Versicherungsnehmer S. wie eigenes Handeln zurechnen lassen müsse, in Form eines Verstoßes gegen das Anerkenntnisverbot leistungsfrei geworden. Die AVB seien auch wirksam vereinbart und damit Vertragsbestandteil geworden. Der Versicherungsschein sei eine Urkunde, die die (außerhalb des § 5 VVG) widerlegbare Vermutung der Vollständigkeit habe. Angesichts der eindeutigen Vertragsurkunde sei die bloße, im Einzelnen nicht belegte Behauptung des Klägers, die im Streit stehenden AVB seien als AGB nicht wirksam in den Versicherungsvertrag einbezogen worden, ohne Substanz.

Durch die Feststellung der angemeldeten Schadensersatzforderung zur Tabelle habe der Insolvenzverwalter objektiv gegen die Obliegenheit, Haftpflichtansprüche ohne vorherige Zustimmung des Versicherers nicht anzuerkennen, verstoßen. Die widerspruchslose Feststellung durch den Insolvenzverwalter sei wegen der Gleichstellung mit einem rechtskräftigen Urteil einem Anerkenntnis durch den Versicherungsnehmer gleichzusetzen. Den Verstoß habe der Insolvenzverwalter zumindest grob fahrlässig begangen. Dieser habe unstreitig Kenntnis von dem Versicherungsverhältnis gehabt und habe dafür Sorge tragen müssen, dass die Verpflichtungen aus dem Versicherungsvertrag eingehalten werden. Er habe sich Gewissheit darüber verschaffen müssen, ob die vereinbarten Versicherungsbedingungen ein Anerkenntnis zuließen.

Der Kläger habe den ihm obliegenden Kausalitätsgegenbeweis nicht geführt. Dieser lasse sich nicht allein mit dem pauschalen Hinweis darauf, dass die von dem Sachverständigen St. ermittelten Mängelbeseitigungskosten höher gewesen seien als die anerkannte Forderung, begründen. Aus dem bloßen Vergleich der Summen lasse sich nicht mit der notwendigen Sicherheit entnehmen, dass die Beklagte für den vom Insolvenzverwalter anerkannten Anspruch auch ohne Obliegenheitsverletzung hätte aufkommen müssen. Geführt wäre der Kausalitätsgegenbeweis nur, wenn die Mängelbeseitigungskosten, die der Insolvenzverwalter auf die einzelnen Gewerke bezogen anerkannt habe, genau in dieser Höhe auch in dem Gutachten St. betätigt würden, was nicht ersichtlich sei. Ergänzend sei darauf hinzuweisen, dass in dem Verfahren vor dem Landgericht Lüneburg gegen das Gutachten des Sachverständigen zwar keine Einwendungen erhoben worden seien, gegen ein Urteil des Landgerichts Lüneburg aber noch Rechtsmittel eröffnet gewesen wären.

Gegen das Urteil wendet sich der Kläger mit seiner Berufung, mit der er seinen erstinstanzlichen Zahlungsantrag weiterverfolgt.

Der Kläger rügt, dass die Frage, ob die AVB H 051 mit dem Anerkenntnisverbot in den Versicherungsvertrag einbezogen worden seien, durch die Vernehmung des Zeugen S. hätte aufgeklärt werden müssen. Entgegen der Auffassung des Landgerichts sei ihm, dem Kläger, in Bezug auf die Einbeziehung der AVB ein substantiierterer Vortrag nicht möglich gewesen. Einen erforderlichen Hinweis habe das Landgericht unterlassen. Der Grundsatz der Vollständigkeit und Richtigkeit sei zwar auch auf Versicherungsscheine anzuwenden, aber nicht in Bezug auf die Einbeziehungsvoraussetzungen. Die Einbeziehungsklausel verstoße vorliegend überdies gegen AGB-Vorschriften.

Die Auffassung des Landgerichts, dem Insolvenzverwalter sei grobe Fahrlässigkeit durch die Feststellung des Anspruchs zur Tabelle vorzuwerfen, treffe nicht zu. Der Insolvenzverwalter habe mit Schreiben vom 4. Februar 2003 (Anlage K 11, Bl. 279 d. A.) bei der Beklagten nach dem Bestand einer Haftpflichtversicherung gefragt, aber keine Antwort erhalten. Eine Deckung habe die Beklagte, soweit ein Betrag von 12.000,00 € überschritten werde, immer abgelehnt. Damit hätten die Obliegenheiten des Versicherungsnehmers geendet. Mit der Zahlung des Betrages von 12.600,00 € im Mai 2006 habe es für den Versicherungsnehmer und den Insolvenzverwalter keine Obliegenheiten mehr gegeben, die einzuhalten gewesen wären. Mit ihrer Passivität habe die Beklagte überdies ein eigenes Fehlverhalten begangen.

Weiter seien auch die Ausführungen des Landgerichts zum Kausalitätsgegenbeweis nicht richtig. Auf eine genaue Identität der Zahlen nach dem Sachverständigengutachten und dem vom Insolvenzverwalter zur Tabelle festgestellten Betrag komme es nicht an. Die vom Sachverständigen St. (im Jahr 2007) ermittelten Zahlen hätten deutlich über denen gelegen, die vorher aktuell gewesen seien.

Der Kläger beantragt,

unter Aufhebung des Urteils des Landgerichts Hannover vom 14.08.2009, 13 O 108/08, zugestellt am 19.08.2009, die Beklagte und Berufungsbeklagte zu verurteilen, an den Kläger Euro 144.616,43 nebst Jahreszinsen von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz ab Klagzustellung zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil. Vortrag des Klägers zum angeblichen Nichterhalt der AVB durch den Architekten S. und damit deren Nichteinbeziehung sei ins Blaue hinein erfolgt, so dass eine Beweisaufnahme nicht erforderlich gewesen sei. Bloßes Bestreiten sei ungenügend gewesen. Da der Kläger aus abgetretenem Recht vorgehe, müsse er sich die Kenntnisse des S. zurechnen lassen. Auf die Formulierung in dem Nachtrag zum Versicherungsschein aus dem Jahr 1989 und damit auf die Frage der AGB-rechtlichen Zulässigkeit komme es nicht an. Aus den Anlagen B 7 und B 10 ergebe sich, dass sämtliche Vertragsunterlagen zusammen mit dem Versicherungsschein an den Versicherungsnehmer übersandt worden seien.

Dass die Feststellung zur Tabelle ein unzulässiges Anerkenntnis darstelle, habe das Landgericht rechtsfehlerfrei angenommen. Der dazu mit den Anlagen K 10 bis K 14 belegte Sachvortrag des Klägers sei neu und verspätet. Davon unabhängig sei es unzutreffend, dass Obliegenheiten erloschen seien. Eine Ablehnung der Deckung durch die Beklagte liege nicht vor. Sie habe sich lediglich gegen die Höhe ihrer Deckungsverpflichtung gewandt. Gegen die Obliegenheit habe der Insolvenzverwalter verstoßen. Nach dem neuen Vortrag des Klägers sei die Obliegenheitsverletzung umso offensichtlicher, da dieser hiernach eine positive Kenntnis von der Verneinung eines Anspruchs gegen den Architekten durch die Beklagte in der später von ihm zur Tabelle festgestellten Höhe gehabt habe. Die Feststellung sei also nicht nur ohne die Zustimmung der Beklagten, sondern gegen deren erklärten Willen erfolgt. Rechtsfehlerfrei seien auch die Ausführungen zum Kausalitätsgegenbeweis. Die als Anlage K 15 vorgelegte Tabelle stelle neuen Sachvortrag dar und müsse unberücksichtigt bleiben. Aber auch inhaltlich könne diese Tabelle einen Kausalitätsgegenbeweis allenfalls teilweise begründen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze samt Anlagen, die beigezogenen Akten 8 OH 16/96, 8 OH 18/06 und 5 O 156/04, je Landgericht Lüneburg, das angefochtene Urteil, die Protokolle der mündlichen Verhandlungen und die (Hinweis-)Beschlüsse des Senats vom 18. März und vom 8. April 2010 verwiesen.


Die zulässige Berufung des Klägers ist teilweise begründet. Es steht nicht zur Überzeugung des Senats fest, dass die AVB der Beklagten, die dem Versicherungsvertrag mit dem Kläger zugrunde liegen, genehmigt und damit wirksam wurden (1.). Schließlich steht die Versicherungssumme dem Kläger zwar nicht von vornherein nur einmal zu, Fehler hinsichtlich der vorliegend nicht ausreichend zu trennenden Gewerke Trockenbau und Dach lösen den Anspruch auf die Versicherungssumme aber nur einmal aus (2.).

Nach § 16 Ziff. 6 der von der Beklagten als Anlage B 9 vorgelegten AVB H 051 ist es dem Versicherten nicht gestattet, irgendwelche Haftpflichtansprüche, die gegen ihn erhoben werden, ohne vorherige Zustimmung des Versicherers ganz oder teilweise anzuerkennen oder zu befriedigen oder einen Vergleich über dieselben abzuschließen, widrigenfalls der Versicherer von der Verpflichtung zur Leistung frei ist, es sei denn, dass nach den Umständen der Versicherte die Befriedigung oder Anerkennung nicht ohne offenbare Unbilligkeit verweigern konnte.

Diese AVB sind allerdings in den Versicherungsvertrag zwischen dem Architekten und der Beklagten nicht wirksam einbezogen worden. Für die Einbeziehung gilt vorliegend nicht § 5 a VVG a. F. Diese Vorschrift ist erst auf solche Versicherungsverträge anzuwenden, die nach dem 31. Dezember 1994 abgeschlossen worden sind. Richtig ist die Annahme des Landgerichts, dass der Grundsatz der Vermutung der Vollständigkeit und Richtigkeit einer Urkunde auch für den Versicherungsschein gilt. Damit ist noch nichts gesagt über solche Erklärungen, die nicht Teil des Versicherungsscheins selbst sind.

Nach § 23 Abs. 3 AGB-Gesetz wurden vom Bundesaufsichtsamt für das Versicherungswesen genehmigte AVB auch ohne Einhaltung der Einbeziehungserfordernisse des § 2 AGB-Gesetz Bestandteil des Versicherungsvertrages. Angesichts der durch die Genehmigung vermittelten „Angemessenheitsgewähr“ und des allgemein vorhandenen Wissens um die Verwendung von AVB führte der widerspruchslose Abschluss des Versicherungsvertrages ohne weiteres zum Einverständnis mit den zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses verwendeten AVB.

Es steht aber nicht zur Überzeugung des Senats fest, dass die AVB der Beklagten, die dem Versicherungsvertrag mit dem Kläger zugrunde liegen, genehmigt und damit wirksam wurden. Auf entsprechende Bedenken hat der Senat die Beklagte bereits mit Beschluss vom 8. April 2010 hingewiesen. Zu dieser Zeit hatte die Beklagte im Anschluss an die erste mündliche Verhandlung vor dem Senat lediglich - als Anlage BE 1 zum Schriftsatz vom 16. März 2010 - ein Schreiben des Bundesaufsichtsamts für das Versicherungswesen vom 14. Januar 1982 vorgelegt. Der Senat hat im Beschluss vom 8. April 2010 bereits darauf hingewiesen, dass das von der Beklagten vorgelegte Schreiben des Bundesaufsichtsamts für das Versicherungswesen vom 14. Januar 1982 betreffend einzelne Bestimmungen der AHB und AVB der Beklagten möglicherweise nicht ausreichend belegt, dass die hier in Rede stehenden Versicherungsbedingungen (Anlage B 9), die kein Datum tragen, bei Abschluss des Versicherungsvertrages genehmigt waren und deshalb § 23 Abs. 3 AGB-Gesetz Anwendung findet. Dagegen wendet sich die Beklagte in ihrem Schriftsatz vom 19. Juli 2010. Dass die AVB genehmigungsfähig waren und ohnehin gleichlautende AVB auch genehmigt wurden, dürfte dabei zwar ohne weiteres zutreffen. Das allerdings genügt nicht den Anforderungen von § 23 Abs. 3 AGB-Gesetz, wie der Senat in der letzten mündlichen Verhandlung bereits ausgeführt hat. Der BGH hat entschieden, dass sogar eine möglicherweise erst nach Abschluss des Versicherungsvertrags erteilte Genehmigung - Genehmigungsfähigkeit lag damit bei Vertragsschluss also vor - nicht genügt. § 23 Abs. 3 AGB-Gesetz erleichterte die Einbeziehung von AVB; § 2 AGB-Gesetz blieb daneben anwendbar, woraus sich aber gleichfalls für die Beklagte nichts ergibt. In dem Versicherungsschein wird zwar auf die hier in Rede stehenden AVB, die „H.“ hingewiesen, aber das war nicht mehr „bei Vertragsabschluss“ i. S. v. § 2 AGB-Gesetz. Dass der Architekt bereits bei Unterzeichnung des Versicherungsantrags Gelegenheit hatte, von den AVB Kenntnis zu nehmen, behauptet auch die Beklagte nicht. Diese hat lediglich vorgetragen (Bl. 155), dass in dem vom Architekten unterzeichneten Antrag (B 10), was insoweit auch zutrifft, auf AVB hingewiesen wurde, wobei diese aber bei Abgabe des Angebots nicht vorlagen und überdies nicht klar ist, welche AVB in welcher Fassung Vertragsbestandteil werden sollten. Nicht zutreffend ist es Weiter, wenn die Beklagte auf § 24 AGB-Gesetz abstellt. Der Architekt war nicht im Sinne von § 24 AGB-Gesetz Kaufmann, auf die Eigenschaft als Unternehmer stellte das AGB-Recht, was die Beklagte verkennt, erst später ab; darauf hat der Senat bereits im Beschluss vom 8. April 2010 hingewiesen.

Schließlich trifft nicht die im Schriftsatz der Beklagten vom 24. August 2010 vertretene Auffassung zu, dass die Genehmigung sämtlicher genehmigungspflichtiger AVB gerichtsbekannt sei. Eine solche amtliche Kenntnis im Sinne von § 291 ZPO hat der Senat nicht. Der Senat kann nicht einmal behaupten, dass er alle genehmigungsbedürftigen AVB kennt, womit überdies die Frage der Kenntnis der Genehmigung, die sich wegen Zeitablaufs auch nur noch selten stellen dürfte, nicht beantwortet wäre.

Damit geht der Senat davon aus, dass die AVB H. … nicht in den Versicherungsvertrag zwischen dem Architekten als Versicherungsnehmer und der Beklagten einbezogen worden sind mit der Folge, dass es auf die sich aus einer Geltung der AVB ergebenden Fragen, wie insbesondere das Anerkenntnisverbot und dessen Verletzung durch den Insolvenzverwalter und weiter die Folgen einer solchen Obliegenheitsverletzung nicht mehr ankommt.

Der Anspruch des Klägers besteht in der ausgeurteilten Höhe.

Die Beklagte hat bereits vorgerichtlich die Auffassung vertreten, es liege insgesamt nur ein Versicherungsfall vor, und die Deckungssumme sei „fast ausgeschöpft“ (Schreiben der Beklagten vom 16. Dezember 2003, Anlage K 14, Bl. 282 d. A., der Vortrag zu den erstmals in der Berufungsinstanz vorgelegten Anlagen K 10 bis K 14 ist neu, aber nicht bestritten). Ausweislich des Versicherungsscheins vom 27. Juli 1989 (Anlage B 8, Bl. 165 d. A.) lag die Deckungssumme bei 150.000,00 DM. Unstreitig ist eine Zahlung der Beklagten am 15. Mai 2006 (S. 3 der Klagschrift sowie Bl. 20) in Höhe von 12.600,00 €. In der Klagschrift hat der Kläger weitere Leistungen der Beklagten nicht in Abzug gebracht (sondern nur eine Quote vom Insolvenzverwalter in Höhe von 755,44 €, ebenda). In der Klagerwiderung hat die Beklagte eine Vielzahl weiterer Zahlungen behauptet (Aufstellung S. 6 des Schriftsatzes vom 17. Juli 2008, Bl. 41 d. A.), unter Einbeziehung der Zahlung von 12.600,00 € am 11. Mai 2006 insgesamt 69.247,56 €, so dass nur noch ein Restbetrag von 7.446,22 € verlangt werden könne, bis die Deckungssumme von 76.693,78 € ausgeschöpft sei. Daraufhin hat der Kläger mit Schriftsatz vom 1. September 2008 denkbar vage erklärt, „es mag eine oder zwei Zahlungen gegeben haben, mehr aber wohl nicht“ (Bl. 63 d. A.). Im Schriftsatz vom 3. November 2008 heißt es dann, von den beklagtenseits behaupteten Zahlungen habe der Kläger 20.310.38 DM nichts bekommen, allenfalls der Architekt; insgesamt habe er, der Kläger, 58.862,98 € erhalten (womit nur eine Differenz zur Deckungssumme von 17.830,80 € verbliebe). Erst auf den Hinweis des Senats im Beschluss vom 8. April 2010 hin hat der Kläger näher dazu vorgetragen, worauf die Beklagte ihre Leistungen erbracht hat, nämlich im Schriftsatz vom 3. Mai 2010. Danach betreffen die erbrachten Leistungen der Beklagten ganz überwiegend Ansprüche des Klägers gegen den Architekten S. in einer Angelegenheit betreffend die Gewerke Fenster und Heizkörperverkleidungen der Tischlerei H. (8 O 474/97 Landgericht Lüneburg/16 U 182/99 OLG Celle), freilich mit Ausnahme von 12.600 € (Bl. 368, 372 d. A.). Die Beklagte hat den Vortrag nicht bestritten, so dass seiner Berücksichtigung durch den Senat nichts entgegensteht. Um diese Gewerke Fenster und Heizkörperverkleidungen geht es vorliegend nicht, so dass die Versicherungssumme von 150.000 DM noch überwiegend zur Verfügung steht. Was diese Versicherungssumme angeht, geht es auch nicht um die Frage der Einbeziehung von AGB oder die §§ 5, 5a VVG a. F., weil die Versicherungssumme sich bereits aus dem Versicherungsantrag (B 10) ebenso wie aus dem Versicherungsschein (Anlage B 7) ergibt. Darauf, dass die Beklagte in ihrem Schriftsatz vom 19. Juli 2010 nur noch Zahlungen in Höhe 51.094,39 € und damit einen Rest von 25.599,39 € behauptet, kommt es nicht mehr an.

Wie in der letzten mündlichen Verhandlung ausführlich erörtert, sieht der Senat keinen ausreichenden Anlass, von vornherein nur von einem einheitlichen Versicherungsfall auszugehen. Versichert war die berufliche Tätigkeit des Architekten. Dieser hatte gegenüber dem Kläger als seinem Vertragspartner Pflichten, die sich aus diesem Vertragsverhältnis ergeben. Insbesondere hatte der Architekt Leistungen der Bauleitung und Bauaufsicht zu erbringen, damit das Bauwerk plangerecht und mangelfrei errichtet wird. Diesen Erfolg aus dem (Werk-)Vertrag hat der Architekt nicht oder jedenfalls nicht vollständig erbracht.

Der Kläger geht hier von zwei Gewerken aus: Dachdeckerarbeiten und Trockenbau (Bl. 56). Dafür waren zwei unterschiedliche Firmen beauftragt. Demgegenüber lässt sich im vorliegenden Zusammenhang nicht sagen, es handele sich um einen einheitlichen Vertrag mit dem Gegenstand „Umbau eines zur Zeit landwirtschaftlich genutzten und denkmalgeschützten Hofgebäudes zu einem Wohnhaus“ (Anlage ASt 4 in 8 OH 16/96 Landgericht Lüneburg, Bl. 43 ff.), wobei alle Leistungsphasen vereinbart waren (Beiakten 8 OH 16/96 Landgericht Lüneburg, Bl. 43). In diesem Sinne, dass nämlich für ein einzelnes Bauvorhaben die Versicherungssumme nur einmal zur Verfügung steht, ist auch I. 3. BBR Al in der Vergangenheit verstanden worden. Eine differenzierende Ansicht hat demgegenüber das OLG Köln vertreten, freilich ebenfalls in einer älteren Entscheidung. Die Versicherungssumme stehe für jeden der drei Arbeitsbereiche des Architekten, nämlich Planung, Oberleitung und Bauaufsicht, zur Verfügung. Abzugrenzen ist das aber im Einzelfall nur schwer. Die Abgrenzung erscheint auch willkürlich. Diese Auffassung ist wiederholt in der Literatur kritisiert worden. Auch der Senat schließt sich ihr nicht an. Auch das jedenfalls überwiegende neuere Schrifttum scheint davon auszugehen, dass es eine Regel „ein Bauvorhaben, ein Verstoß, ein Versicherungsfall“ nicht oder nicht mehr gibt.

Der Senat vertritt die Auffassung, dass es keine Veranlassung gibt, regelmäßig nur von einem Versicherungsfall auszugehen, auch dann nicht, wenn es sich um ein einheitliches Bauvorhaben handelt (das ohnehin im Einzelfall erheblichen Umfang haben kann). So wie ein versichertes Fahrzeug nicht nur einmal beschädigt werden kann und mehrere Unfälle oder andere Schadensfälle jeweils wieder einen Versicherungsfall darstellen und den Versicherer zu Leistungen verpflichten können, muss dies auch im vorliegenden Zusammenhang gelten. Nur so lässt sich auch dem Sinn der Berufshaftpflichtversicherung entsprechen. Wenn der Architekt mehrere Fehler macht und seinem Auftraggeber dadurch mehrfach Schäden entstehen, muss die Versicherung dem korrespondieren und muss es zumindest in Betracht kommen, dass mehrfach Ansprüche gegen den Versicherer bestehen. Der Senat sieht sich durch den vorliegend zu beurteilenden Sachverhalt aber nicht veranlasst, solche Abgrenzungskriterien zu entwickeln, die allgemeingültig sind. Klar muss sein, dass die Abgrenzung, ob ein Versicherungsfall vorliegt oder mehrere gegeben sind, nur im Einzelfall und in wertender Betrachtung erfolgen kann.

Bei den Bauarbeiten traten erhebliche Mängel auf. Dazu sind in den Verfahren, deren Akten beigezogen wurden, umfangreiche Begutachtungen erfolgt, denen die Beklagte nicht näher widersprochen hat und die der Senat zugrunde legt. Unter dem 4. Juli 2007 erstattete der Dipl.-Ing. Architekt St. ein schriftliches Gutachten (Beiakten 5 O 156/04 Landgericht Lüneburg, Bl. 886 ff.). Dieser ermittelte Mängelbeseitigungskosten in Höhe von insgesamt 136.706,15 € brutto (S. 7 des Gutachtens). Darauf stützt sich der Kläger im Wesentlichen (s. zuletzt Schriftsatz vom 3. Mai 2010). Der Kläger hatte bereits während des Rechtsstreits umfangreiche Sanierungsarbeiten vornehmen lassen. Diese wurden vom Dipl.-Ing. H. begleitet. Auf dessen Unterlagen und v. a. auf die Rechnung der die Sanierungsarbeiten durchführenden Firma H. GmbH stützt sich im Wesentlichen das Gutachten St. Die Schlussrechnung dieser Firma endet mit einem Gesamtrechnungsbetrag von 137.007,57 € (Beiakten 5 O 156/04 Landgericht Lüneburg, Bl. 902). Mit dieser Rechnung sind dem Kläger nicht nur reine Dachdeckerarbeiten in Rechnung gestellt worden, sondern auch der Einbau mehrerer Dampfbremsen, der Einbau von Fermacellplatten und (sonstige) Dämmarbeiten (ebenda, Bl. 894 f.). Solche Arbeiten hat der Kläger freilich dem Trockenbau zugeordnet (Bl. 56 f. d. A.). Klagweise in Anspruch genommen hat er in dem Rechtsstreit 5 O 156/04 Landgericht Lüneburg auch den Trockenbauer, u. a. mit der Begründung aus der Klagschrift, bei den Dachschrägen fehlten unterhalb der Dämmschicht die Diffusionsbremse und die Luftsperre, so dass die Wärmedämmung mangelhaft sei. Außerdem geht es um Mängel bei der Dämmung zwischen den Sparren des Dachgeschosses. Der Einbau von Dampfbremsen und Dampfsperren findet sich nicht nur in der Rechnung der Firma H., sondern auch im Nachtrags-Bauleistungsauftrag des Klägers mit dem Trockenbauer (Beiakten 8 OH 16/96 Landgericht Lüneburg, Bl. 22, 27). Neben der mangelhaften Ausführung von (Trockenbau-)Wänden wurde dem Trockenbauer in dem genannten selbstständigen Beweisverfahren v. a. vorgeworfen, Fehler im Bereich des Daches gemacht zu haben, nämlich insbesondere im Bereich des Daches eine mangelhafte Wärmedämmung hergestellt zu haben; insbesondere fehle eine durchgehende Dampf- und Windsperre (Beiakten 8 OH 16/96 Landgericht Lüneburg, Bl. 2). In dem Gutachten in dem genannten selbstständigen Beweisverfahren, erstellt durch den Dipl.-Ing. R., heißt es, „das gesamte Dach ist grundsätzlich falsch und daher mangelhaft“ (Gutachten, S. 11). Die fehlerhafte Dämmung, fehlende Winddichtung und mangelhafte Fugenandichtungen habe das Dachgeschossausbaugewerk, die Fa. R., zu vertreten (ebenda, S. 16). Andererseits war die Fa. St. nicht nur für das Gewerk Dachdeckung verantwortlich. Dieser Firma sind in dem selbstständigen Beweisverfahren 8 OH 18/96 Landgericht Lüneburg auch nicht nur Fehler bei der Dachdeckung vorgeworfen worden, sondern z. B. auch mangelhafter Putz der Innenwände, sowie auch Mängel am Außenmauerwerk und dem Fundament. Vor diesem Hintergrund sieht sich der Senat schon zu einer genauen Trennung der Gewerke Dachdeckerarbeiten und Trockenbau nicht in der Lage. Die Annahme zweier Versicherungsfälle im Rahmen dieses Rechtsstreits kommt damit nicht in Betracht.

Die Gewerke Fenster und Heizkörperverkleidungen der Tischlerei H. (8 O 474/97 Landgericht Lüneburg/16 U 182/99 OLG Celle, Anlage K 16) stehen mit dem bisher erörterten Sachverhalt in keinem inneren Zusammenhang. Dem Architekten S. wurde ausweislich der überreichten Urteile in dem genannten Rechtsstreit zu Recht vorgeworfen, die Tischlerei H., die mangels ausreichender finanzieller Mittel Fenster nicht kaufen konnte, sondern, wie der Architekt gewusst habe, selbst nachbauen musste, nicht ausreichend überwacht und die gefertigten, schwer mangelbehafteten Fenster, die keine einfachen Industriefenster gewesen seien, vor dem Einbau und vor Freigabe der Abschlagsrechnung nicht überprüft zu haben. Von den weiteren Gewerken Dachdeckerarbeiten und Trockenbau lassen sich die Fenster und Heizkörperverkleidungen als eigenes Gewerk trennen, so dass insoweit ein eigener Versicherungsfall vorliegt. Die diesbezüglich von der Beklagten an den Kläger erbrachten Leistungen schmälern damit den Anspruch des Klägers von vornherein nicht.

Dass man auch diesen Mangel in der Leistung des Architekten dem Bereich der Bauüberwachung zuordnen kann, hält der Senat nicht für ausschlaggebend. Der Kläger selbst hat zwar die Auffassung vertreten, die Pflichtverletzungen des Architekten lägen vorliegend vorwiegend im Bereich der Bauaufsicht (Antragsschriftsatz in 8 OH 16/96 Landgericht Lüneburg, S. 4, sowie S. 7 der Klagschrift in 8 O 374/97/5 O 156/04). Dann aber, wenn die in Rede stehenden Gewerke miteinander in keiner Verbindung stehen, außer, dass es um dasselbe Objekt geht, taugt der Begriff der Bauüberwachung nach Ansicht des Senats nicht als Klammer, die dazu führen würde, ganz unterschiedliche Fehler doch zu verklammern und wiederum nur zur Annahme eines einzigen Versicherungsfalls zu gelangen. Selbst wenn man von Fehlern bei der Bauaufsicht für alle hier in Rede stehenden Mängel ausgehen wollte, änderte dies nichts daran, dass solche Fehler bei Begutachtung der Fenster nicht in einem nicht trennbaren Zusammenhang mit Fehlern hinsichtlich Dach und Trockenbau stehen.

Selbst im Sinne der BBR A. (Anlage B 4, Bl. 81), zu denen sich bereits der Beschluss des Senats vom 8. April 2010 kurz verhalten hat, liegt kein einheitlicher Versicherungsfall vor, denn hinsichtlich der beiden vom Senat unterschiedenen Komplexe gibt es weder eine gemeinsame Fehlerquelle noch liegt ein einheitlicher Schaden vor.

Die Versicherungssumme beträgt 76.693,78 €, darüber hinausgehende Beträge bleiben unberücksichtigt, ihre genaue Höhe kann dahin stehen. Die im Zusammenhang mit den Gewerken Fenster und Heizkörperverkleidungen der Tischlerei H. erbrachten Leistungen der Beklagten bleiben aus den angeführten Gründen unberücksichtigt.

Abzuziehen von der Forderung des Klägers ist der Selbstbehalt, der pro Versicherungsfall 5.000 DM bzw. 2.556,45 € beträgt, so dass sich ein Betrag von 74.137,33 € ergibt.

Weiter abzuziehen ist die von der Beklagten im Mai 2006 (Bl. 20 d. A.) erbrachte Zahlung in Höhe von 12.600 €. Der Kläger selbst hat diesen Betrag von seiner Klagforderung in Abzug gebracht. Er hat auch ausdrücklich vorgetragen, dass diese Zahlung auf die hier in Rede stehenden Schäden, also insbesondere diejenigen am Dach und im Bereich der Dämmung, erfolgt ist (zuletzt Schriftsatz vom 3. Mai 2010, Bl. 372 d. A.). Es ergibt sich daraus der dem Kläger zugesprochene Betrag.

Nicht abzuziehen ist demgegenüber die Leistung des Insolvenzverwalters in Höhe von 755,44 €. Diese Zahlung hat zwar den Schaden des Klägers gemindert, wie dieser auch nicht in Abrede genommen hat. Es ist aber nicht ersichtlich, warum diese Leistung auf die Versicherungssumme anzurechnen sein sollte.

Die Entscheidung zu den Zinsen beruht auf §§ 286 Abs. 1 Satz 2, 288 Abs. 1 BGB.


Gesetze

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6 Gesetze werden in diesem Text zitiert

Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 286 Verzug des Schuldners


#BJNR001950896BJNE027902377 (1) Leistet der Schuldner auf eine Mahnung des Gläubigers nicht, die nach dem Eintritt der Fälligkeit erfolgt, so kommt er durch die Mahnung in Verzug. Der Mahnung stehen die Erhebung der Klage auf die Leistung sowie die Z

Gesetz über den Versicherungsvertrag


Versicherungsvertragsgesetz - VVG

Zivilprozessordnung - ZPO | § 291 Offenkundige Tatsachen


Tatsachen, die bei dem Gericht offenkundig sind, bedürfen keines Beweises.

Versicherungsvertragsgesetz - VVG 2008 | § 5 Abweichender Versicherungsschein


(1) Weicht der Inhalt des Versicherungsscheins von dem Antrag des Versicherungsnehmers oder den getroffenen Vereinbarungen ab, gilt die Abweichung als genehmigt, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 erfüllt sind und der Versicherungsnehmer nicht i

Versicherungsvertragsgesetz - VVG 2008 | § 154 Modellrechnung


(1) Macht der Versicherer im Zusammenhang mit dem Angebot oder dem Abschluss einer Lebensversicherung bezifferte Angaben zur Höhe von möglichen Leistungen über die vertraglich garantierten Leistungen hinaus, hat er dem Versicherungsnehmer eine Modell

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(1) Macht der Versicherer im Zusammenhang mit dem Angebot oder dem Abschluss einer Lebensversicherung bezifferte Angaben zur Höhe von möglichen Leistungen über die vertraglich garantierten Leistungen hinaus, hat er dem Versicherungsnehmer eine Modellrechnung zu übermitteln, bei der die mögliche Ablaufleistung unter Zugrundelegung der Rechnungsgrundlagen für die Prämienkalkulation mit drei verschiedenen Zinssätzen dargestellt wird. Dies gilt nicht für Risikoversicherungen und Verträge, die Leistungen der in § 124 Absatz 2 Satz 2 des Versicherungsaufsichtsgesetzes bezeichneten Art vorsehen.

(2) Der Versicherer hat den Versicherungsnehmer klar und verständlich darauf hinzuweisen, dass es sich bei der Modellrechnung nur um ein Rechenmodell handelt, dem fiktive Annahmen zu Grunde liegen, und dass der Versicherungsnehmer aus der Modellrechnung keine vertraglichen Ansprüche gegen den Versicherer ableiten kann.

(1) Weicht der Inhalt des Versicherungsscheins von dem Antrag des Versicherungsnehmers oder den getroffenen Vereinbarungen ab, gilt die Abweichung als genehmigt, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 erfüllt sind und der Versicherungsnehmer nicht innerhalb eines Monats nach Zugang des Versicherungsscheins in Textform widerspricht.

(2) Der Versicherer hat den Versicherungsnehmer bei Übermittlung des Versicherungsscheins darauf hinzuweisen, dass Abweichungen als genehmigt gelten, wenn der Versicherungsnehmer nicht innerhalb eines Monats nach Zugang des Versicherungsscheins in Textform widerspricht. Auf jede Abweichung und die hiermit verbundenen Rechtsfolgen ist der Versicherungsnehmer durch einen auffälligen Hinweis im Versicherungsschein aufmerksam zu machen.

(3) Hat der Versicherer die Verpflichtungen nach Absatz 2 nicht erfüllt, gilt der Vertrag als mit dem Inhalt des Antrags des Versicherungsnehmers geschlossen.

(4) Eine Vereinbarung, durch die der Versicherungsnehmer darauf verzichtet, den Vertrag wegen Irrtums anzufechten, ist unwirksam.

Tatsachen, die bei dem Gericht offenkundig sind, bedürfen keines Beweises.

(1) Weicht der Inhalt des Versicherungsscheins von dem Antrag des Versicherungsnehmers oder den getroffenen Vereinbarungen ab, gilt die Abweichung als genehmigt, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 erfüllt sind und der Versicherungsnehmer nicht innerhalb eines Monats nach Zugang des Versicherungsscheins in Textform widerspricht.

(2) Der Versicherer hat den Versicherungsnehmer bei Übermittlung des Versicherungsscheins darauf hinzuweisen, dass Abweichungen als genehmigt gelten, wenn der Versicherungsnehmer nicht innerhalb eines Monats nach Zugang des Versicherungsscheins in Textform widerspricht. Auf jede Abweichung und die hiermit verbundenen Rechtsfolgen ist der Versicherungsnehmer durch einen auffälligen Hinweis im Versicherungsschein aufmerksam zu machen.

(3) Hat der Versicherer die Verpflichtungen nach Absatz 2 nicht erfüllt, gilt der Vertrag als mit dem Inhalt des Antrags des Versicherungsnehmers geschlossen.

(4) Eine Vereinbarung, durch die der Versicherungsnehmer darauf verzichtet, den Vertrag wegen Irrtums anzufechten, ist unwirksam.

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(1) Leistet der Schuldner auf eine Mahnung des Gläubigers nicht, die nach dem Eintritt der Fälligkeit erfolgt, so kommt er durch die Mahnung in Verzug. Der Mahnung stehen die Erhebung der Klage auf die Leistung sowie die Zustellung eines Mahnbescheids im Mahnverfahren gleich.

(2) Der Mahnung bedarf es nicht, wenn

1.
für die Leistung eine Zeit nach dem Kalender bestimmt ist,
2.
der Leistung ein Ereignis vorauszugehen hat und eine angemessene Zeit für die Leistung in der Weise bestimmt ist, dass sie sich von dem Ereignis an nach dem Kalender berechnen lässt,
3.
der Schuldner die Leistung ernsthaft und endgültig verweigert,
4.
aus besonderen Gründen unter Abwägung der beiderseitigen Interessen der sofortige Eintritt des Verzugs gerechtfertigt ist.

(3) Der Schuldner einer Entgeltforderung kommt spätestens in Verzug, wenn er nicht innerhalb von 30 Tagen nach Fälligkeit und Zugang einer Rechnung oder gleichwertigen Zahlungsaufstellung leistet; dies gilt gegenüber einem Schuldner, der Verbraucher ist, nur, wenn auf diese Folgen in der Rechnung oder Zahlungsaufstellung besonders hingewiesen worden ist. Wenn der Zeitpunkt des Zugangs der Rechnung oder Zahlungsaufstellung unsicher ist, kommt der Schuldner, der nicht Verbraucher ist, spätestens 30 Tage nach Fälligkeit und Empfang der Gegenleistung in Verzug.

(4) Der Schuldner kommt nicht in Verzug, solange die Leistung infolge eines Umstands unterbleibt, den er nicht zu vertreten hat.

(5) Für eine von den Absätzen 1 bis 3 abweichende Vereinbarung über den Eintritt des Verzugs gilt § 271a Absatz 1 bis 5 entsprechend.