Aufklärungspflicht eines professionellen Vermögensverwalters gegenüber Kunden

bei uns veröffentlicht am21.01.2011

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Rechtsanwalt Dirk Streifler - Partner

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Zusammenfassung des Autors
Hat eine Bank mit dem
Der BGH hat mit dem Urteil vom 19.12.2000 (Az: XI ZR 349/99) folgendes entschieden:

Hat eine Bank mit dem Vermögensverwalter eines Kunden eine Vereinbarung über die Beteiligung des Verwalters an ihren Provisionen und Depotgebühren geschlossen, so ist sie verpflichtet, dies gegenüber dem Kunden offenzulegen.

Diese Offenlegungspflicht bezweckt eine umfassende Wahrung der Kundeninteressen; wird sie verletzt, so können Schadensersatzansprüche des Kunden nicht unter dem Gesichtspunkt des Schutzzwecks der verletzten Pflicht eingeschränkt werden.

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 12. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 25. November 1999 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als es zum Nachteil des Klägers ergangen ist.

Insoweit wird die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Die Anschlußrevision der Beklagten wird nicht angenommen.


Tatbestand:

Der Kläger nimmt die beklagte Bank wegen pflichtwidrigen Verhaltens auf Ersatz von Verlusten in Anspruch, die er durch die Tätigkeit seiner Vermögensverwalterin erlitten hat. Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

Unter dem 4. August 1991 hatte die Beklagte mit der E. + Partner GmbH für Vermögensverwaltung (im folgenden: E. GmbH) eine Vereinbarung geschlossen, die die Zusammenarbeit bei Bankgeschäften mit den von der E. GmbH betreuten Vermögensverwaltungskunden regelte. Diese Vereinbarung sah unter anderem eine "Vergütung" an die E. GmbH in Höhe von 33,3% der Effektenprovisionen aus von der E. GmbH veranlaßten Wertpapiergeschäften sowie der Depotgebühren der Kunden vor. Ziffer 2 sah vor, daß die E. GmbH aufgrund entsprechender Kundenvollmacht "für Rechnung des Kunden Optionsgeschäfte auf gedeckter Basis tätigen" könne.

Am 7. April 1995 eröffnete der Kläger bei der Beklagten ein Wertpapierdepot, ein Girokonto sowie ein Termingeldkonto, führte mit Vertretern der Beklagten und der E. GmbH ein Beratungsgespräch und schloß mit der E. GmbH einen Vermögensverwaltungsvertrag. Dabei wurde er weder von der Beklagten noch von der E. GmbH über die Vereinbarung vom 4. August 1991 unterrichtet.

Der Kläger übertrug in sein Depot bei der Beklagten Wertpapiere im Kurswert von 637.020 DM und zahlte auf die beiden Konten insgesamt 1.334.327,87 DM ein. Die E. GmbH tätigte mit diesen Werten für ihn Wertpapiergeschäfte, überwiegend aber Börsentermingeschäfte. Er erlitt dadurch hohe Verluste, deren genauer Betrag umstritten ist. Bis zur Kündigung des Vermögensverwaltungsvertrags durch den Kläger im August 1997 zahlte die Beklagte aufgrund der Vereinbarung vom 4. August 1991 sowie einer Börsentermingeschäfte betreffenden Zusatzvereinbarung Provisions- und Gebührenbeteiligungen von insgesamt 6.896,77 DM an die E. GmbH.

Der Kläger berühmt sich gegenüber der Beklagten eines Schadensersatzanspruchs in Höhe von 1.411.942,31 DM. Er macht geltend, die Beklagte sei verpflichtet gewesen, ihn vor Beginn der Geschäftsbeziehungen auf ihre Provisions- und Gebührenbeteiligungsvereinbarung mit der E. GmbH hinzuweisen. Einen solchen Hinweis würde er, so behauptet der Kläger, zum Anlaß genommen haben, von einem Vermögensverwaltungsvertrag mit der E. GmbH abzusehen. Einen Teil seines Schadensersatzanspruchs stützt er hilfsweise darauf, daß die Beklagte in erheblichem Umfang Wertpapier-Optionsgeschäfte "auf nicht gedeckter Basis" vorgenommen und dadurch gegen die kundenschützende Regelung in Ziffer 2 der mit der E. GmbH getroffenen Vereinbarung verstoßen habe. Weiter hilfsweise macht er geltend, die Beklagte sei ihm jedenfalls zur Erstattung der an die E. GmbH weitergeleiteten anteiligen Provisionen und Gebühren verpflichtet.

Der Kläger verlangt mit der Klage Zahlung eines Teilbetrags seines angeblichen Schadens in Höhe von 250.000 DM nebst Zinsen, die Beklagte beantragt Klageabweisung und begehrt mit der in zweiter Instanz erhobenen Widerklage die Feststellung, daß dem Kläger keine darüber hinausgehenden Ansprüche zustünden. Das Landgericht hat die Klage überwiegend abgewiesen und dem Kläger nur 6.896,77 DM nebst Zinsen zugesprochen. Das Berufungsgericht hat diese Entscheidung gegen die Berufung des Klägers und die Anschlußberufung der Beklagten aufrechterhalten sowie der Widerklage stattgegeben. Der Kläger verfolgt mit der Revision seinen ursprünglichen Klageantrag über den bereits zugesprochenen Betrag hinaus weiter und begehrt die Abweisung der Widerklage, die Beklagte erstrebt mit ihrer unselbständigen Anschlußrevision die vollständige Abweisung der Klage.


Entscheidungsgründe:

Die Revision des Klägers ist begründet. Sie führt zur teilweisen Aufhebung des Berufungsurteils und in diesem Umfang zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

Soweit das Berufungsgericht die erstinstanzliche Klageabweisung bestätigt und der Widerklage stattgegeben hat, hat es zur Begründung im wesentlichen ausgeführt:

Über die zugesprochenen 6.896,77 DM hinaus stehe dem Kläger kein Schadensersatzanspruch zu. Zwar habe die Beklagte sich dadurch, daß sie den Kläger pflichtwidrig nicht auf ihre Provisions- und Gebührenbeteiligungsvereinbarung mit der E. GmbH hingewiesen habe, unter dem Gesichtspunkt des Verschuldens bei Vertragsverhandlungen schadensersatzpflichtig gemacht. Der Kläger könne deshalb jedoch nur die Erstattung der Teile der von ihm gezahlten Provisionen und Gebühren verlangen, die die Beklagte an die E. GmbH weitergeleitet habe. Ein darüber hinausgehender Schadensersatzanspruch stehe dem Kläger unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zu.

Zwar hafte die Beklagte dem Kläger dem Grunde nach aus Verschulden bei Vertragsverhandlungen. Die von ihm geltend gemachten Kursdifferenzschäden einschließlich der Verluste aus Optionsgeschäften würden aber nicht vom Schutzzweck der von der Beklagten verletzten Pflicht erfaßt. Der Schutzzweck der verletzten Offenbarungspflicht habe zum einen darin bestanden, Rückvergütungen hinter dem Rücken des Anlegers zu verhindern; diesem Schutzinteresse sei mit der Verurteilung der Beklagten zur Erstattung der Rückvergütungssumme genügt. Zum anderen solle die Offenbarungspflicht der Gefahr der sogenannten Spesenreiterei, die mit derartigen Rückvergütungsvereinbarungen verbunden sein könne, entgegenwirken. Ob im vorliegenden Fall überhaupt eine solche Gefahr bestanden habe, könne dahinstehen. Der Kläger habe jedenfalls keine Schäden geltend gemacht, die in Realisierung dieser Gefahr entstanden sein könnten.

Auch ein Schadensersatzanspruch unter dem Gesichtspunkt der Verletzung der Ziffer 2 der Vereinbarung vom 5. August 1991 in Verbindung mit den Grundsätzen des Vertrages mit Schutzwirkung für Dritte bestehe nicht.

Diese Ausführungen halten rechtlicher Überprüfung im entscheidenden Punkt nicht stand.

Zutreffend hat das Berufungsgericht allerdings Schadensersatzansprüche unter dem Gesichtspunkt der Verletzung eines Vertrages mit Schutzwirkung für Dritte verneint. Ziffer 2 der Vereinbarung zwischen der Beklagten und der E. GmbH vom 5. August 1991 kommt nicht der Charakter eines Vertrages mit Schutzwirkung für Dritte zu. In diesem Punkt greift die Revision das Berufungsurteil auch nicht an.

Ebenfalls zu Recht ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, daß der Beklagten die vorvertragliche Pflicht oblag, den Kläger auf die zwischen ihr und der E. GmbH bestehende Provisions- und Gebührenbeteiligungsvereinbarung hinzuweisen, und daß die Beklagte wegen der schuldhaften Verletzung dieser Pflicht unter dem Gesichtspunkt des Verschuldens bei Vertragsverhandlungen dem Grunde nach zum Schadensersatz verpflichtet ist.

Eine Bank, die mit einem Vermögensverwalter vereinbart, ihm einen Teil der Provisionen und Depotgebühren zu vergüten, die sie künftig von Kunden erhält, die er ihr zuführt, schafft dadurch für den Vermögensverwalter einen Anreiz, sowohl bei der Auswahl der Bankverbindung als auch hinsichtlich der Anzahl und des Umfangs der für seine Kunden über die Bank abzuwickelnden Geschäfte nicht allein das Interesse der Kunden, sondern auch das eigene Interesse an möglichst umfangreichen Vergütungen der Bank zu berücksichtigen. Über diese von ihr geschaffene Gefährdung der Kundeninteressen hat die Bank den Kunden, den ihr der Vermögensverwalter zuführt, noch vor Vertragsabschluß aufzuklären. Tut sie dies nicht, kann der Kunde von ihr unter dem Gesichtspunkt des Verschuldens bei Vertragsverhandlungen Ersatz derjenigen Schäden verlangen, die er infolge der unterbliebenen Aufklärung erleidet.

Zu Unrecht hat das Berufungsgericht einen über die Erstattung der an die E. GmbH weitergeleiteten Provisions- und Gebührenanteile hinausgehenden Schadensersatzanspruch des Klägers mit der Begründung verneint, die vom Kläger geltend gemachten weiteren Schäden würden vom Schutzzweck der verletzten Pflicht nicht umfaßt. In diesem Punkt greift die Revision das Berufungsurteil mit Recht an.

Grundsätzlich haftet derjenige, der für ein schädigendes Ereignis verantwortlich ist, dem Geschädigten für alle dadurch ausgelösten Schadensfolgen. Als Ausnahme von diesem Grundsatz ist sowohl für das Deliktsrecht als auch für das Vertragsrecht und für den Bereich vorvertraglicher Schuldverhältnisse anerkannt, daß der Verstoß gegen eine Rechtspflicht mit begrenztem Schutzzweck nur zum Ersatz der Schäden verpflichtet, deren Eintritt die Einhaltung der Pflicht verhindern sollte. Bei Kapitalanlagen folgt daraus, daß jemand, der nicht Partner des Anlagegeschäfts ist und dem Anlageinteressenten nur hinsichtlich eines bestimmten für das Vorhaben bedeutsamen Einzelpunkts Aufklärung schuldet, im Falle eines Fehlers lediglich für die Risiken einzustehen braucht, für deren Einschätzung die geschuldete Aufklärung maßgeblich war. Aufklärungspflichten, die dem Partner des Anlagegeschäfts obliegen, sind dagegen regelmäßig auf den Gesamterfolg des in Aussicht genommenen Geschäfts ausgerichtet. Der Partner des Anlagegeschäfts haftet daher grundsätzlich für alle mit einer nachteiligen Anlageentscheidung verbundenen Schäden, wenn er seine Pflichten auch nur hinsichtlich eines Einzelpunktes verletzt und dadurch die Anlageentscheidung verursacht hat.

Im vorliegenden Fall war die Beklagte als Geschäftspartnerin der umfangreichen Anlagegeschäfte vorgesehen, die der Kläger durch die E. GmbH ausführen lassen wollte. Die Pflicht zur Aufklärung über ihre für das Vermögen des Klägers gefährliche Provisions- und Gebührenbeteiligungsvereinbarung mit der E. GmbH hatte entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts nicht nur den Zweck, den Kläger in die Lage zu versetzen, geeignete Schritte hinsichtlich der von der Beklagten offenbar nicht für sich selbst benötigten Teile der Provisionen und Depotgebühren zu ergreifen und der Gefahr der sogenannten Spesenreiterei entgegenzuwirken. Dieser Pflicht kam im Hinblick auf das Interesse des Klägers am Gesamterfolg der in Aussicht genommenen Anlagegeschäfte auch die Funktion zu, ihm wichtige Informationen zur Beurteilung der Vertrauenswürdigkeit seiner Geschäftspartner zu vermitteln.

In diesem Zusammenhang kann offenbleiben, welches Gewicht es für die Beurteilung der Vertrauenswürdigkeit einer Bank haben kann, wenn diese zwar einerseits eine fragwürdige Provisions- und Gebührenbeteiligungsvereinbarung mit dem Vermögensverwalter ihres Kunden abschließt, dies aber andererseits dem Kunden rechtzeitig offenlegt. Auf jeden Fall hat es für die Einschätzung eines Vermögensverwalters entscheidende Bedeutung, wenn dieser sich hinter dem Rücken des Kunden von dessen Depotbank eine Beteiligung an Provisionen und Gebühren versprechen läßt. Ein derartiges Verhalten enthält eine schwerwiegende Treuwidrigkeit. In derartigen Fällen entfällt die Grundlage für das im besonders sensiblen Bereich der Vermögensverwaltung unabdingbare Vertrauen in die Seriosität des Verwalters.

Die Aufklärungspflicht der Beklagten über die Provisions- und Gebührenbeteiligungsvereinbarung mit der E. GmbH hatte hier danach auch den Zweck, dem Kläger eine sachgerechte Entscheidung über die Inanspruchnahme der Dienste der E. GmbH zu ermöglichen. Sollte der Kläger im Falle einer entsprechenden Aufklärung durch die Beklagte die E. GmbH nicht mit der Verwaltung seines Vermögens beauftragt und dadurch die eingetretenen Verluste vermieden haben, so wäre die Beklagte zum Ersatz des gesamten Schadens verpflichtet.

Die Annahme der unselbständigen Anschlußrevision der Beklagten war abzulehnen. Sie hat weder Aussicht auf Erfolg noch grundsätzliche Bedeutung ( § 554 b ZPO).

Prozeßrechtliche Bedenken gegen die Ablehnung der Annahme der Anschlußrevision durch Urteil nach mündlicher Verhandlung bestehen nicht. Die Entscheidung muß nicht in einem vorgeschalteten Beschlußverfahren getroffen werden.

Das Berufungsurteil war daher insoweit aufzuheben, als die Berufung des Klägers gegen das erstinstanzliche Urteil zurückgewiesen und der Widerklage der Beklagten stattgegeben worden ist ( § 564 Abs. 1 ZPO). Insoweit ist die Sache nicht zur Endentscheidung reif, weil tatrichterliche Feststellungen zur Ursächlichkeit der Aufklärungspflichtverletzung der Beklagten für den Abschluß des Vermögensverwaltungsvertrages des Klägers mit der E. GmbH sowie zur Höhe des dem Kläger durch die Tätigkeit der E. GmbH entstandenen Schadens fehlen. Im Umfang der Aufhebung des Berufungsurteils war die Sache deshalb an das Berufungsgericht zurückzuverweisen ( § 565 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

Gesetze

Gesetze

3 Gesetze werden in diesem Text zitiert

Zivilprozessordnung - ZPO | § 564 Keine Begründung der Entscheidung bei Rügen von Verfahrensmängeln


Die Entscheidung braucht nicht begründet zu werden, soweit das Revisionsgericht Rügen von Verfahrensmängeln nicht für durchgreifend erachtet. Dies gilt nicht für Rügen nach § 547.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 565 Anzuwendende Vorschriften des Berufungsverfahrens


Die für die Berufung geltenden Vorschriften über die Anfechtbarkeit der Versäumnisurteile, über die Verzichtsleistung auf das Rechtsmittel und seine Zurücknahme, über die Rügen der Unzulässigkeit der Klage und über die Einforderung, Übersendung und Z

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Referenzen

Die Entscheidung braucht nicht begründet zu werden, soweit das Revisionsgericht Rügen von Verfahrensmängeln nicht für durchgreifend erachtet. Dies gilt nicht für Rügen nach § 547.

Die für die Berufung geltenden Vorschriften über die Anfechtbarkeit der Versäumnisurteile, über die Verzichtsleistung auf das Rechtsmittel und seine Zurücknahme, über die Rügen der Unzulässigkeit der Klage und über die Einforderung, Übersendung und Zurücksendung der Prozessakten sind auf die Revision entsprechend anzuwenden. Die Revision kann ohne Einwilligung des Revisionsbeklagten nur bis zum Beginn der mündlichen Verhandlung des Revisionsbeklagten zur Hauptsache zurückgenommen werden.