Bankrecht: BGH: Unwirksamkeit des Haftungsausschlusses für grob verschuldete Zugangsbeschränkungen zum Online-Banking
Auf die Rechtsmittel des Klägers werden das Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 14. April 2000 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Berufung des Klägers zurückgewiesen worden ist, und das Urteil der 26. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 14. Juli 1999 erneut abgeändert.
Der Beklagten wird es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 500.000 DM, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu vollstrecken an den Vorstandsmitgliedern, weiter untersagt,
im Zusammenhang mit dem Abschluss von Verträgen, insbesondere Giro-, Spar- und Bankverträgen des ... Online-Service mit PIN und TAN, die nachfolgende und eine dieser inhaltsgleiche Klausel in Allgemeine Geschäftsbedingungen einzubeziehen sowie sich auf diese Bestimmung bei der Abwicklung derartiger Verträge zu berufen, soweit es sich nicht um Verträge mit einer juristischen Person des öffentlichen Rechts, einem öffentlich-rechtlichen Sondervermögen oder einem Unternehmer handelt:
"Aus technischen und betrieblichen Gründen sind zeitweilige Beschränkungen und Unterbrechungen des Zugangs zum ... Online-Service möglich."
Der Kläger wird ermächtigt, die Urteilsformel mit der Bezeichnung der Beklagten als Verwenderin auf deren Kosten im Bundesanzeiger, im übrigen auf eigene Kosten bekanntzumachen.
Tatbestand:
Der klagende Verbraucherschutzverein hat nach seiner Satzung die Aufgabe, die Interessen der Verbraucher durch Aufklärung und Beratung wahrzunehmen. Die beklagte Bank bietet Kunden, die bei ihr ein Girokonto unterhalten, die Teilnahme am "... Online-Service" an. In dessen Rahmen können die Kunden u.a. Kontenstandsabfragen durchführen oder Überweisungsaufträge erteilen. Voraussetzung für die Inanspruchnahme des Online-Service der Beklagten ist der Abschluss selbständiger Verträge mit Providern durch die Kunden.
Im Zusammenhang mit ihrem Online-Service verwendet die Beklagte "Besondere Bedingungen ... - ... Online-Service mit PIN und TAN -" (im folgenden: Besondere Bedingungen), die in Ziffer 9 folgende Klausel enthalten:
"Aus technischen und betrieblichen Gründen sind zeitweilige Beschränkungen und Unterbrechungen des Zugangs zum ... Online-Service möglich. Zeitweilige Beschränkungen und Unterbrechungen können beruhen auf höherer Gewalt, Änderungen und Verbesserungen an den technischen Anlagen oder auf sonstigen Maßnahmen, z.B. Wartungs- oder Instandsetzungsarbeiten, die für einen einwandfreien oder optimierten ... Online-Service notwendig sind, oder auf sonstigen Vorkommnissen, z.B. Überlastung der Telekommunikationsnetze."
Gegen die in Satz 1 dieser Bestimmung enthaltene Regelung sowie gegen eine weitere, die Sperrung des Zugangs zum Online-Service betreffende Klausel der Besonderen Bedingungen wendet sich der Kläger mit der Unterlassungsklage gemäß § 13 AGBG. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat ihr hinsichtlich der Sperrungsklausel stattgegeben und die Berufung des Klägers im übrigen zurückgewiesen. Mit der - zugelassenen - Revision verfolgt der Kläger sein Unterlassungsbegehren in bezug auf Ziffer 9 Satz 1 der Besonderen Bedingungen weiter.
Entscheidungsgründe:
Die Revision ist begründet.
Das Berufungsgericht hat die teilweise Zurückweisung der Berufung im wesentlichen wie folgt begründet:
Ziffer 9 der Besonderen Bedingungen verstoße nicht gegen § 9 AGBG. Die Klausel beschreibe zwar nicht nur die Fälle, in denen der Zugang der Kunden zum Online-Service der Beklagten beschränkt oder unterbrochen werden könne, sondern erwecke den Eindruck, dass dadurch die Vertragsmäßigkeit der Leistung der Beklagten nicht beeinträchtigt werde und eine Haftung der Beklagten nicht in Betracht komme. Darin liege aber keine unangemessene Benachteiligung der Kunden, weil nach dem Wortlaut der Klausel als Ursachen der Zugangsbeschränkungen und -unterbrechungen nur Umstände in Betracht kämen, die von der Beklagten nicht zu vertreten seien oder die auch im Interesse der Kunden lägen. Die Klausel verschleiere auch nicht die tatsächliche Rechtsposition der Kunden, weil diese in den genannten Fällen vorübergehender und von der Beklagten nicht zu vertretender Leistungsstörungen ohnehin keine Rechte gemäß §§ 284 ff. BGB hätten. Die Klausel sei auch mit § 11 Nr. 7 und 8 AGBG vereinbar, weil sie nur Fälle betreffe, in denen die Beschränkungen und Unterbrechungen des Zugangs zum Online-Service nicht von der Beklagten zu vertreten seien. Ein Verstoß gegen § 10 Nr. 4 und § 11 Nr. 15 AGBG liege ebenfalls nicht vor.
Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Ziffer 9 Satz 1 der Besonderen Bedingungen verstößt gegen § 11 Nr. 7 AGBG und ist unwirksam.
Die Klausel unterliegt der Inhaltskontrolle nach §§ 9-11 AGBG ( § 8 AGBG).
Das Berufungsgericht ist rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, dass die Klausel nicht lediglich der Beschreibung tatsächlicher Zustände dient, sondern den Umfang der vertraglichen Leistungspflicht der Beklagten einschränkt. Diese Auslegung der von der Beklagten bundesweit verwandten Klausel, die der Senat uneingeschränkt nachprüfen kann, ist nicht zu beanstanden. Wenn die Beklagte mit ihren Kunden vereinbart, dass die in Ziffer 9 Satz 1 genannten und in Ziffer 9 Satz 2 der Besonderen Bedingungen präzisierten Beschränkungen und Unterbrechungen des Zugangs zum Online-Service ohne rechtliche Konsequenzen möglich sind, bedeutet dies, dass sie den Zugang während dieser Beschränkungen und Unterbrechungen nicht gewährleisten und nicht zum Gegenstand ihrer vertraglichen Verpflichtungen machen will.
In dieser Auslegung unterliegt die Klausel der Inhaltskontrolle nach §§ 9-11 AGBG.
Gemäß § 8 AGBG gelten die §§ 9-11 AGBG zwar nur für Klauseln, die von Rechtsvorschriften abweichen oder diese ergänzen, so dass bloße Abreden über den unmittelbaren Gegenstand der Hauptleistung der gesetzlichen Inhaltskontrolle ebenso wenig unterliegen wie Vereinbarungen über das von dem anderen Teil zu erbringende Entgelt. Derartige Leistungsbeschreibungen enthalten aber nur Klauseln, die Art, Umfang und Güte der geschuldeten Leistung festlegen. Hingegen unterliegen Klauseln, die das Hauptleistungsversprechen einschränken, ausgestalten oder modifizieren, der Inhaltskontrolle.
Gemessen hieran enthält Ziffer 9 der Besonderen Bedingungen keine kontrollfreie Beschreibung der von der Beklagten im Online-Service geschuldeten Hauptleistung. Vielmehr wird die versprochene Hauptleistung, der nach den Feststellungen des Berufungsgerichts "rund um die Uhr" eröffnete Zugang der Kunden zum Online-Service, zeitweise eingeschränkt.
Beim Online-Banking in der hier vorliegenden Form des Homebankings mit Hilfe eines Personal Computers kann der Bankkunde im Wege elektronischer Kommunikation mit dem Rechner der Bank über ein geschlossenes Netz ... oder über offene Netze (Internet) entweder bereitgestellte Informationen abrufen oder bestimmte Transaktionen durchführen. Das Verfahren weist dabei, abgesehen von der konkreten Art des Übermittlungsmediums, Ähnlichkeiten mit dem Telefon-Banking sowie mit dem früheren Btx-Verfahren ... auf. Ebenso wie in diesen Fällen setzt die Teilnahme am Online-Banking eine regelmäßig in Ergänzung zum Girovertrag getroffene Nebenabrede voraus, die den Kunden berechtigt, Erklärungen gegenüber dem Kreditinstitut online abzugeben. Ergeben sich aus dieser Vereinbarung - wie im vorliegenden Fall - keine zeitlichen Nutzungsbeschränkungen, steht dem Kunden der Online-Zugriff auf den Rechner der Bank grundsätzlich unbeschränkt zu.
Ist aber für eine Einrichtung die unbeschränkte Nutzbarkeit vertraglich vereinbart, so stellen klauselmäßige Zugangsbeschränkungen eine nach §§ 9-11 AGBG kontrollfähige Modifikation des grundsätzlich umfassenden Zugangs- bzw. Nutzungsanspruchs der Kunden dar. Dies ist im Schrifttum für Provider- und Webhosting-Verträge sowie Mobilfunkdienstleistungen anerkannt. Für das Online-Banking gilt nichts anderes.
Ziffer 9 Satz 1 der Besonderen Bedingungen ist gemäß § 11 Nr. 7 AGBG unwirksam.
Das Berufungsgericht hat die Klausel zutreffend als Haftungsfreizeichnung für technisch oder betrieblich bedingte Beschränkungen und Unterbrechungen des Online-Service angesehen. Dem steht nicht entgegen, dass in der Klausel die Rechtsfolgen der Zugangsbeschränkungen bzw. -unterbrechungen nicht ausdrücklich geregelt sind. § 11 Nr. 7 AGBG setzt keinen ausdrücklichen Haftungsausschluss voraus. Es genügt, dass die Klausel nach ihrem Sinn und Zweck den Eindruck eines Haftungsausschlusses erweckt. Ein Haftungsausschluss im Sinne des § 11 Nr. 7 AGBG liegt insbesondere vor, wenn die objektive Pflicht, die Grundlage der Haftung ist, ausgeschlossen und ein bestimmtes Risiko allein dem Vertragspartner auferlegt wird. So liegt es hier.
Nach Ziffer 9 Satz 1 und 2 der Besonderen Bedingungen soll das Risiko zeitweiliger Zugangsbeschränkungen und -unterbrechungen nicht von der Beklagten, sondern von den Kunden getragen werden. Damit bringt die Beklagte zum Ausdruck, dass sie für Schäden, die sich aus der Verwirklichung dieser Risiken ergeben, nicht einstehen will. Aus der Sicht eines durchschnittlichen Kunden besagt die Klausel, dass die Haftung der Beklagten für Schäden aufgrund entsprechender Störungen des Online-Service ausgeschlossen werden soll. Dieses Verständnis wird durch Ziffer 10 Satz 1 der Besonderen Bedingungen bestätigt, wonach die Beklagte grundsätzlich für die Erfüllung ihrer Verpflichtungen aus dem Online-Service-Vertrag haftet. Vor dem Hintergrund dieser Regelung kann Ziffer 9 Satz 1 und 2 der Besonderen Bedingungen nur so verstanden werden, dass die Beklagte für den Zugang zum Online-Service während der im einzelnen genannten Beschränkungen und Unterbrechungen nicht haften will.
Anders als das Berufungsgericht meint, erfasst der undifferenzierte Wortlaut der Klausel nicht nur Zugangsunterbrechungen und -beschränkungen, die die Beklagte nicht zu vertreten hat oder die auch im Interesse der Kunden erfolgen. Nach Ziffer 9 Satz 2 der Besonderen Bedingungen können zeitweilige Zugangsbeschränkungen und -unterbrechungen nicht nur auf höherer Gewalt oder Änderungen an technischen Anlagen, sondern auch auf sonstigen Maßnahmen bzw. sonstigen Vorkommnissen beruhen. Dabei werden als Beispiele sonstiger Maßnahmen lediglich Wartungs- und Instandsetzungsarbeiten genannt, ohne dass ein Verschulden der Beklagten als Anlass für solche Arbeiten oder für andere, nicht ausdrücklich genannte Maßnahmen ausgeschlossen wird. Auch die beispielhafte Erläuterung der sonstigen Vorkommnisse mit einer Überlastung der Telekommunikationsnetze schließt andere, von der Beklagten verschuldete Vorkommnisse nicht aus.
Der danach ohne Rücksicht auf ein Verschulden der Beklagten und den Grad dieses Verschuldens vorgesehene Haftungsausschluss für sämtliche technisch oder betrieblich bedingten zeitweiligen Zugangsstörungen im Online-Service der Beklagten ist nach § 11 Nr. 7 AGBG unwirksam. Die Beklagte ist aufgrund eines Online-Service-Vertrages verpflichtet, geeignete Vorkehrungen für Funktionsfähigkeit und Betriebssicherheit des eigenen Rechnersystems zu treffen. In diesem Rahmen kann sie sich nicht umfassend von der Haftung für technisch oder betrieblich bedingte Störungen, die auf Eigenverschulden ( § 276 BGB), z.B. Organisationsverschulden in Form ungenügender Sicherung der Computeranlagen, oder zurechenbarem Fremdverschulden ( § 278 BGB) von Mitarbeitern oder beauftragtem Wartungspersonal, z.B. Programmierungs-, Bedienungs- oder Wartungsfehlern, beruhen, freizeichnen. Der Vorsatz und alle Grade der Fahrlässigkeit umfassende Haftungsausschluss in Ziffer 9 Satz 1 und 2 der Besonderen Bedingungen verstößt somit gegen § 11 Nr. 7 AGBG.
Dieser Verstoß macht die beanstandete Klausel insgesamt unwirksam. Sie kann nicht auf einen Restbestand zurückgeführt werden, der mit dem Kontrollmaßstab der §§ 9-11 AGBG in Einklang steht. Auf die Frage, ob Ziffer 9 der Besonderen Bedingungen auch gegen § 9 Abs. 1 und 2, § 10 Nr. 4 und § 11 Nr. 8 und 15 AGBG verstößt, kommt es mithin nicht an.
Die Entscheidung über die Veröffentlichungsbefugnis beruht auf § 18 Satz 1 AGBG.
Das Berufungsurteil war daher aufzuheben, soweit zum Nachteil des Klägers erkannt worden ist ( § 564 Abs. 1 ZPO). Da weitere Feststellungen nicht zu treffen sind, konnte der Senat in der Sache selbst entscheiden ( § 565 Abs. 3 Nr. 1 ZPO).
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(1) Der Schuldner hat Vorsatz und Fahrlässigkeit zu vertreten, wenn eine strengere oder mildere Haftung weder bestimmt noch aus dem sonstigen Inhalt des Schuldverhältnisses, insbesondere aus der Übernahme einer Garantie oder eines Beschaffungsrisikos, zu entnehmen ist. Die Vorschriften der §§ 827 und 828 finden entsprechende Anwendung.
(2) Fahrlässig handelt, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht lässt.
(3) Die Haftung wegen Vorsatzes kann dem Schuldner nicht im Voraus erlassen werden.
Der Schuldner hat ein Verschulden seines gesetzlichen Vertreters und der Personen, deren er sich zur Erfüllung seiner Verbindlichkeit bedient, in gleichem Umfang zu vertreten wie eigenes Verschulden. Die Vorschrift des § 276 Abs. 3 findet keine Anwendung.
Die Entscheidung braucht nicht begründet zu werden, soweit das Revisionsgericht Rügen von Verfahrensmängeln nicht für durchgreifend erachtet. Dies gilt nicht für Rügen nach § 547.
Die für die Berufung geltenden Vorschriften über die Anfechtbarkeit der Versäumnisurteile, über die Verzichtsleistung auf das Rechtsmittel und seine Zurücknahme, über die Rügen der Unzulässigkeit der Klage und über die Einforderung, Übersendung und Zurücksendung der Prozessakten sind auf die Revision entsprechend anzuwenden. Die Revision kann ohne Einwilligung des Revisionsbeklagten nur bis zum Beginn der mündlichen Verhandlung des Revisionsbeklagten zur Hauptsache zurückgenommen werden.