Bankrecht: Zu den Verhaltensregeln von Wertpapierdienstleistern gegenüber Kunden

bei uns veröffentlicht am28.11.2013

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Autoren

Rechtsanwalt Dirk Streifler - Partner

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Zusammenfassung des Autors
Es obliegt der innerstaatlichen Rechtsordnung festzulegen, welche vertraglichen Folgen es hat, wenn eine Wertpapierfirma die Anforderungen der RL 2004/39 nicht erfüllt.
Der EuGH hat in seinem Urteil vom 30.05.2013 (Az.: C-604/11) folgendes entschieden:

Art. 19 IX der Richtlinie 2004/39/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. 4. 2004 über Märkte für Finanzinstrumente, zur Änderung der Richtlinien 85/611/EWG und 93/6/EWG des Rates und der Richtlinie 2000/12/EG des Europäischen Parlaments und des Rates und zur Aufhebung der Richtlinie 93/22/EWG des Rates ist dahin auszulegen, dass zum einen eine Wertpapierdienstleistung nur dann als Teil eines Finanzprodukts angeboten wird, wenn sie zu dem Zeitpunkt, zu dem sie dem Kunden angeboten wird, integraler Bestandteil dieses Produkts ist, und zum anderen die Bestimmungen des Unionsrechts und die gemeinsamen europäischen Normen, auf die diese Vorschrift Bezug nimmt, eine Bewertung des Risikos für den Kunden erlauben und/oder Informationspflichten enthalten müssen, die auch die Wertpapierdienstleistung, die integraler Bestandteil des fraglichen Finanzprodukts ist, umfassen, damit diese Dienstleistung nicht mehr den in Art. 19 vorgesehenen Verpflichtungen unterliegt.

Art. 4 I Nr. 4 der Richtlinie 2004/39/EG ist dahin auszulegen, dass es als Anlageberatung im Sinne der Begriffsbestimmung in dieser Vorschrift anzusehen ist, wenn einem Kunden ein Swap zur Deckung des Risikos von Zinsschwankungen eines Finanzprodukts, das dieser Kunde gezeichnet hat, angeboten wird, sofern die Empfehlung, die sich auf die Unterzeichnung eines solchen Swaps bezieht, an diesen Kunden in seiner Eigenschaft als Anleger gerichtet ist, als für ihn geeignet dargestellt wird oder auf eine Prüfung seiner Verhältnisse gestützt ist und nicht ausschließlich über Informationsverbreitungskanäle oder für die Öffentlichkeit gegeben wird.

Es kommt der innerstaatlichen Rechtsordnung der einzelnen Mitgliedstaaten zu, festzulegen, welche vertraglichen Folgen es haben muss, wenn eine Wertpapierfirma, die eine Wertpapierdienstleistung anbietet, die in Art. 19 IV und V der Richtlinie 2004/39 in Bezug auf die Bewertung vorgesehenen Anforderungen nicht erfüllt, wobei die Grundsätze der Äquivalenz und der Effektivität beachtet werden müssen.


Urteil:

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 4 Abs. 1 Nr. 4 und Art. 19 Abs. 4, 5 und 9 der Richtlinie 2004/39/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. April 2004 über Märkte für Finanzinstrumente, zur Änderung der Richtlinien 85/611/EWG und 93/6/EWG des Rates und der Richtlinie 2000/12/EG des Europäischen Parlaments und des Rates und zur Aufhebung der Richtlinie 93/22/EWG des Rates.

Es ergeht im Rahmen zweier Rechtsstreitigkeiten zwischen zum einen der Genil 48 SL (im Folgenden: Genil 48) und der Bankinter SA und zum anderen der Comercial Hostelera de Grandes Vinos SL (im Folgenden: CHGV) und der Banco Bilbao Vizcaya Argentaria SA über als „Swaps“ bezeichnete Tauschverträge, mit denen bezweckt wird, Genil 48 und CHGV vor Schwankungen der variablen Zinssätze im Rahmen der Finanzprodukte, die sie bei diesen beiden Banken gezeichnet haben, zu schützen.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht:

Richtlinie 2004/39

In den Erwägungsgründen 2 und 31 der Richtlinie 2004/39 heißt es:
„ [Es] ist … erforderlich, eine Harmonisierung in dem Umfang vorzunehmen, der notwendig ist, um Anlegern ein hohes Schutzniveau zu bieten …


Ein Ziel dieser Richtlinie ist der Anlegerschutz. …“

Art. 4 Abs. 1 dieser Richtlinie enthält in den Nrn. 2, 4 und 17 folgende Definitionen:
„ ‚Wertpapierdienstleistungen und Anlagetätigkeiten‘: jede in Anhang I Abschnitt A genannte Dienstleistung und Tätigkeit, die sich auf eines der Instrumente in Anhang I Abschnitt C bezieht.


Anlageberatung‘: die Abgabe persönlicher Empfehlungen an einen Kunden entweder auf dessen Aufforderung oder auf Initiative der Wertpapierfirma, die sich auf ein oder mehrere Geschäfte mit Finanzinstrumenten beziehen.


‚Finanzinstrument‘: die in Anhang I Abschnitt C genannten Instrumente.“

In der Liste der Wertpapierdienstleistungen und Anlagetätigkeiten im genannten Abschnitt A ist u. a. die Anlageberatung aufgeführt. Ferner enthält die Aufzählung in Abschnitt C Nr. 4 „Optionen, Terminkontrakte, Swaps, Zinsausgleichsvereinbarungen und alle anderen Derivatkontrakte in Bezug auf Wertpapiere, Währungen, Zinssätze oder -erträge, oder andere Derivat-Instrumente …“.

Titel II Kapitel II Abschnitt 2 („Bestimmungen zum Anlegerschutz“) der genannten Richtlinie enthält Art. 19 („Wohlverhaltensregeln bei der Erbringung von Wertpapierdienstleistungen für Kunden“). Art. 19 Abs. 4 bis 6 und 9 bestimmt:
„Erbringt die Wertpapierfirma Anlageberatung- oder Portfolio-Management, so holt sie die notwendigen Informationen über die Kenntnisse und Erfahrung des Kunden oder potenziellen Kunden im Anlagebereich in Bezug auf den speziellen Produkttyp oder den speziellen Typ der Dienstleistung, seine finanziellen Verhältnisse und seine Anlageziele ein, um ihr zu ermöglichen, dem Kunden oder potenziellen Kunden für ihn geeignete Wertpapierdienstleistungen und Finanzinstrumente zu empfehlen.

Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass Wertpapierfirmen bei anderen als den in Absatz 4 genannten Finanzdienstleistungen von Kunden oder potenziellen Kunden Angaben zu ihren Kenntnissen und Erfahrungen im Anlagebereich in Bezug auf den speziellen Typ der angebotenen oder angeforderten Produkte oder Dienstleistungen einholen, um beurteilen zu können, ob die in Betracht gezogenen Wertpapierdienstleistungen oder Produkte für den Kunden geeignet sind.

Gelangt die Wertpapierfirma aufgrund der gemäß Unterabsatz 1 erhaltenen Informationen zu der Auffassung, dass das Produkt oder die Dienstleistung für den Kunden oder potenziellen Kunden nicht geeignet ist, so warnt sie den Kunden oder potenziellen Kunden. Diese Warnung kann in standardisierter Form erfolgen.

Lehnt der Kunde oder potenzielle Kunde es ab, die in Unterabsatz 1 genannten Angaben zu machen, oder macht er unzureichende Angaben zu seinen Kenntnissen und Erfahrungen, so warnt die Wertpapierfirma den Kunden oder potenziellen Kunden, dass eine solche Entscheidung es ihr nicht ermöglicht, zu beurteilen, ob die in Betracht gezogene Wertpapierdienstleistung oder das in Betracht gezogene Produkt für ihn geeignet ist. Diese Warnung kann in standardisierter Form erfolgen.

Die Mitgliedstaaten gestatten Wertpapierfirmen, deren Wertpapierdienstleistungen lediglich in der Ausführung von Kundenaufträgen und/oder der Annahme und Übermittlung von Kundenaufträgen mit oder ohne Nebendienstleistungen bestehen, solche Wertpapierdienstleistungen für ihre Kunden zu erbringen, ohne zuvor die Angaben gemäß Absatz 5 einholen oder bewerten zu müssen, wenn alle der nachstehenden Voraussetzungen erfüllt sind:
– die betreffenden Dienstleistungen beziehen sich auf Aktien, die zum Handel an einem geregelten Markt oder an einem gleichwertigen Markt eines Drittlandes zugelassen sind, Geldmarktinstrumente, Schuldverschreibungen oder sonstige verbriefte Schuldtitel (ausgenommen Schuldverschreibungen oder verbriefte Schuldtitel, in die ein Derivat eingebettet ist), OGAW und andere nicht komplexe Finanzinstrumente …


Wird eine Wertpapierdienstleistung als Teil eines Finanzprodukts angeboten, das in Bezug auf die Bewertung des Risikos für den Kunden und/oder die Informationspflichten bereits anderen Bestimmungen des Gemeinschaftsrechts oder gemeinsamen europäischen Normen für Kreditinstitute und Verbraucherkredite unterliegt, so unterliegt diese Dienstleistung nicht zusätzlich den Anforderungen dieses Artikels.“

Nach Art. 51 Abs. 1 der Richtlinie 2004/39 sorgen die Mitgliedstaaten entsprechend ihrem nationalen Recht dafür, dass bei Verstößen gegen die gemäß dieser Richtlinie erlassenen Vorschriften gegen die verantwortlichen Personen geeignete Verwaltungsmaßnahmen ergriffen oder im Verwaltungsverfahren zu erlassende Sanktionen verhängt werden können und dass diese Maßnahmen wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sind.

Richtlinie 2006/73

Die Art. 35 bis 37 der Richtlinie 2006/73/EG der Kommission vom 10. August 2006 zur Durchführung der Richtlinie 2004/39 in Bezug auf die organisatorischen Anforderungen an Wertpapierfirmen und die Bedingungen für die Ausübung ihrer Tätigkeit sowie in Bezug auf die Definition bestimmter Begriffe für die Zwecke der genannten Richtlinie (ABl. L 241, S. 26) enthalten nähere Bestimmungen zu den in Art. 19 Abs. 4 und 5 der Richtlinie 2004/39 vorgesehenen Beurteilungen der Eignung und der Angemessenheit der zu erbringenden Dienstleistung.

Nach Art. 38 der Richtlinie 2006/73 gilt ein Finanzinstrument, das in Art. 19 Abs. 6 erster Gedankenstrich der Richtlinie 2004/39 nicht genannt ist, u. a. dann als nicht komplex, wenn es nicht unter Art. 4 Abs. 1 Nr. 18 Buchst. c oder Anhang I Abschnitt C Nrn. 4 bis 10 der Richtlinie 2004/39 fällt.

Art. 52 der Richtlinie 2006/73 lautet:
„Für die Zwecke der Definition von ‚Anlageberatung‘ in Artikel 4 Absatz 1 Nummer 4 der Richtlinie 2004/39/EG gilt als persönliche Empfehlung eine Empfehlung, die an eine Person in ihrer Eigenschaft als Anleger oder potenzieller Anleger oder in ihrer Eigenschaft als Beauftragter eines Anlegers oder potenziellen Anlegers gerichtet ist.
Die betreffende Empfehlung muss als für die betreffende Person geeignet dargestellt werden oder auf eine Prüfung der Verhältnisse der betreffenden Person gestützt sein, und sie muss darauf abzielen, dass eine der folgenden Handlungen getätigt wird:

Kauf, Verkauf, Zeichnung, Tausch, Rückkauf, Halten oder Übernahme eines bestimmten Finanzinstruments;

Ausübung bzw. Nichtausübung eines mit einem bestimmten Finanzinstrument einhergehenden Rechts betreffend Kauf, Verkauf, Zeichnung, Tausch oder Rückkauf eines Finanzinstruments.

Eine Empfehlung stellt keine persönliche Empfehlung dar, wenn sie ausschließlich über Informationsverbreitungskanäle oder für die Öffentlichkeit gegeben wird.“

Spanisches Recht

Die Richtlinie 2004/39 wurde im spanischen Recht durch das Gesetz 24/1988 vom 28. Juli 1988 über den Wertpapierhandel in der durch das Gesetz 47/2007 vom 19. Dezember 2007 (BOE Nr. 304 vom 20. Dezember 2007, S. 52335) geänderten Fassung (im Folgenden: Gesetz 24/1988) umgesetzt. Art. 19 Abs. 4, 5 und 9 der genannten Richtlinie wurden durch Art. 79bis Abs. 6 und 7 sowie Art. 79quater dieses Gesetzes umgesetzt.

Die in Art. 19 Abs. 4 und 5 der Richtlinie 2004/39 vorgesehenen Beurteilungsverpflichtungen sind eingehender in den Art. 72 und 73 des Königlichen Dekrets 217/2008 zur Regelung der Wertpapierfirmen und sonstiger Rechtspersönlichkeiten, die Wertpapiergeschäfte betreiben (Real Decreto 217/2008 sobre el régimen jurídico de las empresas de servicios de inversión y de las demás entidades que prestan servicios de inversión), vom 15. Februar 2008 (BOE Nr. 41 vom 16. Februar 2008, S. 8706) geregelt.

Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

Aus der Vorlageentscheidung ergibt sich, dass mit den zwischen Genil 48 und CHGV einerseits und den in den Ausgangsverfahren beklagten Banken andererseits vereinbarten Swaps bezweckt wurde, Genil 48 und CHGV vor Schwankungen der variablen Zinssätze – in diesem Fall des Euribor-Zinssatzes (Euro interbank offered rate) – im Rahmen der Finanzprodukte, die sie bei den genannten Banken gezeichnet hatten, zu schützen.

In diesen Verträgen verpflichten sich die Parteien gegenseitig, der anderen Partei die Differenz zwischen den Beträgen zu zahlen, die sich aus der Anwendung der für verschiedene Fallgestaltungen vereinbarten Zinssätze ergibt. Nach diesen Verträgen hat der Kunde, wenn der Euribor als monatlicher Zinssatz den so vereinbarten festen Zinssatz unterschreitet, die sich daraus ergebende Differenz an die Bank zu zahlen, während umgekehrt die Bank dem Kunden die Differenz zu zahlen hat, wenn der Euribor-Zinssatz den vereinbarten festen Zinssatz überschreitet.

Dem vorlegenden Gericht zufolge schloss Genil 48 ihren Swap am 16. September 2008 ab, während CHGV den Abschluss eines solchen Vertrags telefonisch vereinbart habe. Es stelle sich jedoch die streitige Frage, ob der letztgenannte Vertrag zu diesem oder einem späteren Zeitpunkt überhaupt zustande gekommen sei.

Das vorlegende Gericht führt aus, dass in Bezug auf Genil 48 überhaupt keine der Beurteilungen, die in Art. 19 Abs. 4 und 5 der Richtlinie 2004/39 in seiner Umsetzung durch Art. 79bis Abs. 6 und 7 des Gesetzes 24/1988 vorgesehen seien, vorgenommen worden sei und dass sich aus den Akten nicht ergebe, dass in Bezug auf CHGV eine dieser Beurteilungen durchgeführt worden sei.

Gestützt auf diese Nichtvornahme der Beurteilung beantragen die Klägerinnen mit ihren Klagen beim vorlegenden Gericht, die Nichtigkeit der betreffenden Verträge festzustellen.

Um die Rechtsstreitigkeiten in den Ausgangsverfahren zu entscheiden, ist nach Ansicht des vorlegenden Gerichts zunächst zu prüfen, welche Pflichten Kreditinstituten obliegen, wenn sie ein Finanzinstrument wie einen Zinsswap anbieten, dann, ob die Beklagten der Ausgangsverfahren diesen Pflichten nachgekommen sind, und schließlich, welche Folgen sich aus einer etwaigen Pflichtverletzung insoweit ergeben.

Ein derartiges Finanzinstrument gehöre nach Art. 4 Abs. 1 Nr. 17 und Anhang I Abschnitt C Nr. 4 der Richtlinie 2004/39 in deren Geltungsbereich. Um festzustellen, ob die Dienstleistung, die die Beklagten der Ausgangsverfahren erbracht hätten, als sie Genil 48 und CHGV die streitigen Swaps angeboten hätten, unter Art. 19 Abs. 4 dieser Richtlinie falle, sei zu prüfen, ob sie als „Anlageberatung“, wie sie in dieser Bestimmung genannt und in Art. 4 Abs. 1 Nr. 4 der genannten Richtlinie definiert sei, einzustufen sei.

Wenn nicht, seien die Beklagten der Ausgangsverfahren verpflichtet gewesen, die Prüfung nach Art. 19 Abs. 5 der Richtlinie 2004/39 durchzuführen, da Swaps komplexe Finanzinstrumente seien. Jedenfalls gehe aus dieser Richtlinie nicht klar hervor, ob die Nichterfüllung der sich aus Art. 19 Abs. 4 oder 5 ergebenden Pflichten zur Nichtigkeit der betreffenden Verträge führe oder ob es sich um einen heilbaren Willensmangel des Kunden handele.

Schließlich fragt sich das vorlegende Gericht, ob die Beklagten der Ausgangsverfahren nach Art. 19 Abs. 9 der Richtlinie 2004/39 von der Pflicht zur Durchführung der in diesen Vorschriften genannten Beurteilungen befreit waren.

Vor diesem Hintergrund hat der Juzgado de Primera Instancia n° 12 de Madrid die Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

Ist es als Anlageberatung im Sinne der Begriffsbestimmung in Art. 4 Abs. 1 Nr. 4 der Richtlinie 2004/39 anzusehen, wenn einem Kunden ein Zinsswap zur Deckung des Risikos von Zinsschwankungen bei anderen Finanzprodukten angeboten wird?

Hat die Nichtdurchführung des in Art. 19 Abs. 4 der Richtlinie vorgesehenen Geeignetheitstests bei einem Kleinanleger die Nichtigkeit des zwischen dem Anleger und dem beratenden Kreditinstitut vereinbarten Zinsswaps zur Folge?

Für den Fall, dass die zuvor dargestellte Dienstleistung nicht als Anlageberatung anzusehen ist: Hat der bloße Erwerb eines komplexen Finanzinstruments wie eines Zinsswaps, wenn die Wertpapierfirma aus von ihr zu vertretenden Gründen nicht den in Art. 19 Abs. 5 der Richtlinie 2004/39 vorgesehenen Angemessenheitstest durchgeführt hat, die Nichtigkeit des Vertrags zur Folge?

Reicht die bloße Tatsache, dass ein Kreditinstitut ein komplexes Finanzinstrument anbietet, das an andere Finanzierungsprodukte gekoppelt ist, aus, um von der Verpflichtung der Wertpapierfirma gegenüber Kleinanlegern zur Durchführung der in Art. 19 der Richtlinie 2004/39 vorgesehenen Geeignetheits- und Angemessenheitstests absehen zu können?

Muss das Finanzprodukt, an das das angebotene Finanzinstrument gekoppelt ist, ähnlichen gesetzlichen Standards für den Anlegerschutz unterliegen, wie sie die Richtlinie 2004/39 vorschreibt, um von den Verpflichtungen aus Art. 19 dieser Richtlinie absehen zu können?

Zu den Vorlagefragen

Zur Zulässigkeit:

Genil 48 ist zum einen der Auffassung, dass die vom vorlegenden Gericht erbetene Auslegung der Richtlinie 2004/39 nicht im Sinne des Art. 267 Abs. 2 AEUV zum Erlass seines Urteils erforderlich sei, da diese Richtlinie in Spanien nicht unmittelbar anwendbar sei und es in den Rechtsstreitigkeiten der Ausgangsverfahren um Folgen eines Verstoßes gegen Verpflichtungen aus Art. 79bis des Gesetzes 24/1988 und Art. 72 des Königlichen Dekrets 217/2008 gehe.

Zum anderen macht Genil 48 geltend, der Gerichtshof sei für die Entscheidung über die Nichtigkeit der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Swaps nicht zuständig, da es in Ermangelung einer ausdrücklichen Regelung hierzu in der Richtlinie 2004/39 Sache der nationalen Gerichte sei, die vertraglichen Folgen eines derartigen Verstoßes zu bestimmen.

Im Übrigen haben die Beklagten der Ausgangsverfahren in der mündlichen Verhandlung Zweifel an der Zulässigkeit der Vorlagefragen geäußert, da diese die Beantwortung tatsächlicher Fragen erforderten.

Was den ersten Einwand von Genil 48 betrifft, ist darauf hinzuweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung eine Vermutung für die Entscheidungserheblichkeit der Vorlagefragen des nationalen Gerichts spricht, die es zur Auslegung des Unionsrechts in dem rechtlichen und sachlichen Rahmen stellt, den es in eigener Verantwortung festgelegt und dessen Richtigkeit der Gerichtshof nicht zu prüfen hat. Der Gerichtshof kann es nur dann ablehnen, über das Vorabentscheidungsersuchen eines nationalen Gerichts zu befinden, wenn die erbetene Auslegung des Unionsrechts offensichtlich in keinem Zusammenhang mit der Realität oder dem Gegenstand des Ausgangsrechtsstreits steht, wenn das Problem hypothetischer Natur ist oder wenn der Gerichtshof nicht über die tatsächlichen und rechtlichen Angaben verfügt, die für eine zweckdienliche Beantwortung der ihm vorgelegten Fragen erforderlich sind.

Im vorliegenden Fall geht aus der Vorlageentscheidung hervor, dass Art. 79bis des Gesetzes 24/1988 Art. 19 Abs. 4 und 5 der Richtlinie 2004/39 im spanischen Recht umsetzt und die Einzelheiten des in Art. 19 Abs. 4 genannten Geeignetheitstests in Art. 72 des Königlichen Dekrets 217/2008 geregelt sind. Daher ist nicht ersichtlich, dass die Vorlagefragen, die insbesondere die Auslegung dieser Bestimmungen der genannten Richtlinie betreffen, in keinem Zusammenhang mit der Realität oder dem Gegenstand der Ausgangsrechtsstreitigkeiten stünden.

Der zweite Einwand von Genil 48 betrifft insbesondere die zweite und die dritte Vorlagefrage. Der Begründung der Vorlageentscheidung lässt sich entnehmen, dass diese Fragen darauf gerichtet sind, zu klären, welche Folgen sich möglicherweise aus der Richtlinie 2004/39 für Verträge ergeben, die unter Verstoß gegen die Verpflichtungen aus Art. 19 Abs. 4 und 5 dieser Richtlinie geschlossen wurden. Der von Genil 48 hierzu erhobene Einwand zielt auf die Beantwortung dieser Fragen ab und bezieht sich somit auf ihren Inhalt und nicht auf ihre Zulässigkeit.

Was die von den Beklagten der Ausgangsverfahren erhobene Einrede der Unzulässigkeit betrifft, genügt die Feststellung, dass sich bereits aus dem Wortlaut der Vorlagefragen ergibt, dass mit ihnen um Auslegung bestimmter Vorschriften der Richtlinie 2004/39 gebeten wird.

Nach alledem sind die Vorlagefragen zulässig.


Zur Begründetheit:

Einleitende Bemerkungen

Aus der Systematik des Art. 19 der Richtlinie 2004/39 ergibt sich, dass mit der Erbringung einer Wertpapierdienstleistung im Sinne von Art. 4 Abs. 1 Nr. 2 dieser Richtlinie an einen Kunden oder potenziellen Kunden grundsätzlich die Verpflichtung der Wertpapierfirma einhergeht, entweder die Beurteilung nach Art. 19 Abs. 4 oder diejenige nach Art. 19 Abs. 5 durchzuführen, je nachdem, ob es sich um Anlageberatung, Portfolio-Management oder andere in Anhang I Abschnitt A der genannten Richtlinie aufgeführte Finanzdienstleistungen handelt. Diese Beurteilungen werden in den Art. 35 bis 37 der Richtlinie 2006/73 als Beurteilung der Eignung bzw. Beurteilung der Angemessenheit bezeichnet.

Art. 19 der Richtlinie 2004/39 sieht jedoch zwei Ausnahmen vor.

Die erste Ausnahme ist in Art. 19 Abs. 6 der Richtlinie 2004/39 geregelt. Nach dieser Bestimmung braucht für die Erbringung bestimmter Wertpapierdienstleistungen, die nicht komplexe Finanzinstrumente betreffen, unter bestimmten Umständen keine Beurteilung durchgeführt zu werden.

Zinsswaps wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden sind jedoch in Anhang I Abschnitt C Nr. 4 der Richtlinie 2004/39 aufgeführt, so dass nach Art. 38 der Richtlinie 2006/73 ausgeschlossen ist, dass sie als nicht komplex gelten. Daraus folgt, dass Art. 19 Abs. 6 der Richtlinie 2004/39 auf die Sachverhalte der Ausgangsverfahren nicht anwendbar ist.

Die zweite Ausnahme ergibt sich aus Art. 19 Abs. 9 der Richtlinie 2004/39. Mit der vierten und der fünften Vorlagefrage soll geklärt werden, ob diese Bestimmung auf die Ausgangsverfahren anwendbar ist. Sie sind daher zuerst zu prüfen.

Zur vierten und zur fünften Frage

Mit der vierten und der fünften Frage, die gemeinsam zu prüfen sind, möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 19 Abs. 9 der Richtlinie 2004/39 dahin auszulegen ist, dass zum einen eine Wertpapierdienstleistung als Teil eines Finanzprodukts angeboten wird, wenn sie an dieses gekoppelt ist, und zum anderen die Bestimmungen des Unionsrechts und die gemeinsamen europäischen Normen, auf die in dieser Bestimmung Bezug genommen wird, Anforderungen enthalten müssen, die den in Art. 19 Abs. 4 und 5 der Richtlinie 2004/39 vorgesehenen Verpflichtungen ähnlich sind.

Was erstens die Voraussetzung der Anwendbarkeit des Art. 19 Abs. 9 der Richtlinie 2004/39 angeht, wonach „eine Wertpapierdienstleistung als Teil eines Finanzprodukts angeboten [wird]“, ist darauf hinzuweisen, dass von den Sprachfassungen dieser Richtlinie, die bei ihrem Erlass vorlagen, nur die französische und die portugiesische in Art. 19 Abs. 9 den Ausdruck „im Rahmen eines“ enthalten, während in der spanischen, dänischen, deutschen, griechischen, englischen, italienischen, niederländischen, finnischen und schwedischen Sprachfassung Formulierungen verwendet werden, die dem Ausdruck „als Teil eines“ entsprechen und eine engere und spezifischere Verbindung nahelegen als die Formulierung „im Rahmen eines“.

Nach ständiger Rechtsprechung müssen die verschiedenen Sprachfassungen einer Vorschrift des Unionsrechts einheitlich ausgelegt werden; falls sie voneinander abweichen, muss die fragliche Vorschrift daher anhand der allgemeinen Systematik und des Zwecks der Regelung ausgelegt werden, zu der sie gehört.

Insoweit stellt die Bestimmung in Art. 19 Abs. 9 der Richtlinie 2004/39 eine Ausnahme vom System der Beurteilungen dar, das in Art. 19 für die Erbringung von Wertpapierdienstleistungen durch Wertpapierfirmen vorgesehen ist, so dass sie eng auszulegen ist. Dies gilt umso mehr, als die genannten Beurteilungen gemäß der Überschrift des Abschnitts 2, der in Titel II Kapitel II dieser Richtlinie enthalten ist und zu dem Art. 19 gehört, dem Schutz der Anleger dienen, der, wie in den Erwägungsgründen 2 und 31 der Richtlinie ausgeführt ist, eines der Ziele dieser Richtlinie ist.

Außerdem sieht Art. 19 Abs. 9 der Richtlinie 2004/39 vor, dass die Wertpapierdienstleistung als Teil eines Finanzprodukts „angeboten wird“.

Zudem bestimmt diese Vorschrift, dass, wenn eine Wertpapierdienstleistung als Teil eines Finanzprodukts angeboten wird, das bereits anderen gesetzlichen Bestimmungen oder Normen, wie sie in Art. 19 Abs. 9 genannt sind, unterliegt, „diese Dienstleistung nicht zusätzlich den Anforderungen [unterliegt]“, die in Art. 19 der Richtlinie 2004/39 enthalten sind. Mit der Verwendung des Wortes „zusätzlich“ wird jedoch stillschweigend vorausgesetzt, dass die betreffende Dienstleistung bereits anderen gesetzlichen Bestimmungen oder Normen in Bezug auf die Bewertung des Risikos für den Kunden und/oder die Informationspflichten unterliegt. Dies wird nur dann der Fall sein, wenn sie zu dem Zeitpunkt, zu dem diese Bewertung durchgeführt wurde und/oder die genannten Anforderungen in Bezug auf ein Finanzprodukt erfüllt wurden, integraler Bestandteil dieses Produkts war.

Daher ist davon auszugehen, dass eine Wertpapierdienstleistung nur dann im Sinne von Art. 19 Abs. 9 der Richtlinie 2004/39 als Teil eines Finanzprodukts angeboten wird, wenn sie zu dem Zeitpunkt, zu dem sie dem Kunden angeboten wird, integraler Bestandteil dieses Finanzprodukts ist.

Ob es sich in den Ausgangsverfahren um eine Wertpapierdienstleistung handelt, die im Sinne der genannten Vorschrift, wie sie der Gerichtshof in den vorstehenden Randnummern ausgelegt hat, als Teil eines Finanzprodukts angeboten wurde, ist eine tatsächliche Frage, deren Würdigung angesichts der Aufteilung der Zuständigkeiten zwischen den Unions- und den nationalen Gerichten Sache des nationalen Gerichts ist. Doch kann der Gerichtshof in seiner Entscheidung auf ein Vorabentscheidungsersuchen gegebenenfalls Klarstellungen vornehmen, um dem nationalen Gericht eine Richtschnur für seine Würdigung zu geben.

In diesem Zusammenhang stellen die Tatsachen, dass die Geltungsdauer des Finanzinstruments, auf das sich die genannte Dienstleistung bezieht, die des genannten Produkts überschreitet, dass ein einziges Finanzinstrument auf verschiedene, demselben Kunden angebotene Finanzprodukte Anwendung findet oder dass das Instrument und das Produkt in verschiedenen Verträgen angeboten werden, Hinweise darauf dar, dass die betreffende Dienstleistung kein integraler Bestandteil des fraglichen Finanzprodukts ist. Doch hat das vorlegende Gericht bei seiner Würdigung des Zusammenhangs zwischen der Dienstleistung und dem Finanzprodukt alle Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen.

Was zweitens die Frage betrifft, ob die in Art. 19 Abs. 9 der Richtlinie 2004/39 genannten Bestimmungen oder Normen in Bezug auf die Bewertung oder Information, denen das betreffende Finanzprodukt bereits unterliegt, den in Art. 19 Abs. 4 und 5 vorgesehenen Verpflichtungen ähnlich sein müssen, ist festzustellen, dass Art. 19 Abs. 9 eine solche Ähnlichkeit nicht vorschreibt.

Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass sich das Wesen des Finanzinstruments, auf das sich die betreffende Wertpapierdienstleistung bezieht, erheblich von dem des angebotenen Finanzprodukts unterscheiden kann. Folglich kann es sein, dass die Bewertungen, die der Anbieter dieses Produkts vorzunehmen hat, und die Informationen, die er einzuholen oder zu erteilen hat, um seinen Kunden zu schützen, den in Art. 19 Abs. 4 und 5 der Richtlinie 2004/39 genannten nicht entsprechen.

Doch auch wenn Art. 19 Abs. 9 der Richtlinie 2004/39 nicht vorschreibt, dass die in dieser Vorschrift genannten Bestimmungen oder Normen Anforderungen enthalten müssen, die mit den in Art. 19 vorgesehenen Verpflichtungen identisch sind, müssen diese Bestimmungen oder Normen, wie sich aus dem Wortlaut von Art. 19 Abs. 9 der Richtlinie 2004/39 ergibt, gleichwohl die Bewertung des Risikos für den Kunden und/oder die Informationspflichten betreffen. Unter Berücksichtigung des Ziels von Art. 19 der Richtlinie 2004/39, das, wie in Randnr. 39 des vorliegenden Urteils ausgeführt, insbesondere im Schutz der Anleger besteht, müssen diese Bestimmungen oder Normen eine Bewertung des Risikos für den Kunden erlauben und/oder Informationspflichten enthalten, die auch die Wertpapierdienstleistung, die integraler Bestandteil des fraglichen Finanzprodukts ist, umfassen, damit diese Dienstleistung nicht mehr den in Art. 19 der Richtlinie 2004/39 vorgesehenen Verpflichtungen unterliegt.

Aus den vorstehenden Erwägungen ergibt sich, dass Art. 19 Abs. 9 der Richtlinie 2004/39 dahin auszulegen ist, dass zum einen eine Wertpapierdienstleistung nur dann als Teil eines Finanzprodukts angeboten wird, wenn sie zu dem Zeitpunkt, zu dem sie dem Kunden angeboten wird, integraler Bestandteil dieses Produkts ist, und zum anderen die Bestimmungen des Unionsrechts und die gemeinsamen europäischen Normen, auf die diese Vorschrift Bezug nimmt, eine Bewertung des Risikos für den Kunden erlauben und/oder Informationspflichten enthalten müssen, die auch die Wertpapierdienstleistung, die integraler Bestandteil des fraglichen Finanzprodukts ist, umfassen, damit diese Dienstleistung nicht mehr den in Art. 19 vorgesehenen Verpflichtungen unterliegt.

Zur ersten Frage

Mit seiner ersten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 4 Abs. 1 Nr. 4 der Richtlinie 2004/39 dahin auszulegen ist, dass es als Anlageberatung im Sinne der Begriffsbestimmung in dieser Vorschrift anzusehen ist, wenn einem Kunden ein Swap zur Deckung des Risikos von Zinsschwankungen eines Finanzprodukts, das dieser Kunde gezeichnet hat, angeboten wird.

Hierzu ist zunächst darauf hinzuweisen, dass eine Wertpapierfirma, wenn sie für einen Kunden Anlageberatung erbringt, die in Art. 19 Abs. 4 der genannten Richtlinie vorgesehene Beurteilung durchführen muss.

Nach Art. 4 Abs. 1 Nr. 4 der Richtlinie 2004/39 besteht Anlageberatung in der Abgabe persönlicher Empfehlungen an einen Kunden entweder auf dessen Aufforderung oder auf Initiative der Wertpapierfirma, die sich auf ein oder mehrere Geschäfte mit Finanzinstrumenten beziehen.

Der in dieser Bestimmung verwendete Begriff „persönliche Empfehlungen“ wird in Art. 52 der Richtlinie 2006/73 näher bestimmt. Darin heißt es u. a., dass als „persönliche Empfehlung“ eine Empfehlung gilt, die an eine Person in ihrer Eigenschaft als Anleger oder potenzieller Anleger gerichtet ist und als für sie geeignet dargestellt wird oder auf eine Prüfung ihrer Verhältnisse gestützt ist. Nicht unter diesen Begriff fallen Empfehlungen, die ausschließlich über Informationsverbreitungskanäle oder für die Öffentlichkeit gegeben werden.

Aus den in den beiden vorstehenden Randnummern genannten Bestimmungen ergibt sich, dass es für die Frage, ob eine Wertpapierdienstleistung eine Anlageberatung darstellt, nicht auf das Wesen des Finanzinstruments, auf das sie sich bezieht, ankommt, sondern auf die Art und Weise, wie dieses Finanzinstrument dem Kunden oder potenziellen Kunden angeboten wird.

Da die Vorlageentscheidung keine näheren Angaben zur Art und Weise enthält, wie die in den Ausgangsverfahren in Rede stehenden Swaps Genil 48 und CHGV angeboten wurden, ist es Sache des vorlegenden Gerichts, anhand der in Art. 52 der Richtlinie 2006/73 aufgestellten Kriterien zu beurteilen, ob die mit diesen Swaps im Zusammenhang stehenden Empfehlungen persönlichen Charakter aufwiesen, und damit, ob die betreffende Wertpapierfirma die in Art. 19 Abs. 4 der Richtlinie 2004/39 vorgesehene Beurteilung vornehmen musste.

Auf die erste Frage ist daher zu antworten, dass Art. 4 Abs. 1 Nr. 4 der Richtlinie 2004/39 dahin auszulegen ist, dass es als Anlageberatung im Sinne der in dieser Vorschrift enthaltenen Begriffsbestimmung anzusehen ist, wenn einem Kunden ein Swap zur Deckung des Risikos von Zinsschwankungen eines Finanzprodukts, das dieser Kunde gezeichnet hat, angeboten wird, sofern die Empfehlung, die sich auf die Unterzeichnung eines solchen Swaps bezieht, an diesen Kunden in seiner Eigenschaft als Anleger gerichtet ist, als für ihn geeignet dargestellt wird oder auf eine Prüfung seiner Verhältnisse gestützt ist und nicht ausschließlich über Informationsverbreitungskanäle oder für die Öffentlichkeit gegeben wird.
Zur zweiten und zur dritten Frage

Mit der zweiten und der dritten Frage, die gemeinsam zu prüfen sind, möchte das vorlegende Gericht wissen, welche vertraglichen Folgen es haben muss, wenn eine Wertpapierfirma, die eine Wertpapierdienstleistung anbietet, die Anforderungen nicht erfüllt, die in Art. 19 Abs. 4 und 5 der Richtlinie 2004/39 in Bezug auf die Bewertung vorgesehen sind.

Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass Art. 51 der Richtlinie 2004/39 zwar vorsieht, dass bei Verstößen gegen die gemäß dieser Richtlinie erlassenen Vorschriften gegen die verantwortlichen Personen Verwaltungsmaßnahmen ergriffen oder Verwaltungssanktionen verhängt werden können, die Richtlinie jedoch weder bestimmt, dass die Mitgliedstaaten vertragliche Folgen für den Abschluss von Verträgen vorsehen müssen, in denen die Verpflichtungen missachtet werden, die sich aus den Bestimmungen des nationalen Rechts zur Umsetzung von Art. 19 Abs. 4 und 5 der Richtlinie 2004/39 ergeben, noch, welche Folgen in Betracht kommen. In Ermangelung einer Regelung der Union hierzu kommt es der innerstaatlichen Rechtsordnung der einzelnen Mitgliedstaaten zu, die vertraglichen Folgen eines Verstoßes gegen diese Verpflichtungen festzulegen, wobei die Grundsätze der Äquivalenz und der Effektivität beachtet werden müssen.

Auf die zweite und die dritte Frage ist daher zu antworten, dass es der innerstaatlichen Rechtsordnung der einzelnen Mitgliedstaaten zukommt, festzulegen, welche vertraglichen Folgen es haben muss, wenn eine Wertpapierfirma, die eine Wertpapierdienstleistung anbietet, die in Art. 19 Abs. 4 und 5 der Richtlinie 2004/39 in Bezug auf die Bewertung vorgesehenen Anforderungen nicht erfüllt, wobei die Grundsätze der Äquivalenz und der Effektivität beachtet werden müssen.

Kosten:

Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Vierte Kammer) für Recht erkannt:

Art. 19 Abs. 9 der Richtlinie 2004/39/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. April 2004 über Märkte für Finanzinstrumente, zur Änderung der Richtlinien 85/611/EWG und 93/6/EWG des Rates und der Richtlinie 2000/12/EG des Europäischen Parlaments und des Rates und zur Aufhebung der Richtlinie 93/22/EWG des Rates ist dahin auszulegen, dass zum einen eine Wertpapierdienstleistung nur dann als Teil eines Finanzprodukts angeboten wird, wenn sie zu dem Zeitpunkt, zu dem sie dem Kunden angeboten wird, integraler Bestandteil dieses Produkts ist, und zum anderen die Bestimmungen des Unionsrechts und die gemeinsamen europäischen Normen, auf die diese Vorschrift Bezug nimmt, eine Bewertung des Risikos für den Kunden erlauben und/oder Informationspflichten enthalten müssen, die auch die Wertpapierdienstleistung, die integraler Bestandteil des fraglichen Finanzprodukts ist, umfassen, damit diese Dienstleistung nicht mehr den in Art. 19 vorgesehenen Verpflichtungen unterliegt.

Art. 4 Abs. 1 Nr. 4 der Richtlinie 2004/39 ist dahin auszulegen, dass es als Anlageberatung im Sinne der Begriffsbestimmung in dieser Vorschrift anzusehen ist, wenn einem Kunden ein Swap zur Deckung des Risikos von Zinsschwankungen eines Finanzprodukts, das dieser Kunde gezeichnet hat, angeboten wird, sofern die Empfehlung, die sich auf die Unterzeichnung eines solchen Swaps bezieht, an diesen Kunden in seiner Eigenschaft als Anleger gerichtet ist, als für ihn geeignet dargestellt wird oder auf eine Prüfung seiner Verhältnisse gestützt ist und nicht ausschließlich über Informationsverbreitungskanäle oder für die Öffentlichkeit gegeben wird.

Es kommt der innerstaatlichen Rechtsordnung der einzelnen Mitgliedstaaten zu, festzulegen, welche vertraglichen Folgen es haben muss, wenn eine Wertpapierfirma, die eine Wertpapierdienstleistung anbietet, die in Art. 19 Abs. 4 und 5 der Richtlinie 2004/39 in Bezug auf die Bewertung vorgesehenen Anforderungen nicht erfüllt, wobei die Grundsätze der Äquivalenz und der Effektivität beachtet werden müssen.

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