Familienrecht: Formbedürftiger Ehevertrag: Privatschriftliche Abänderungen sind unwirksam

published on 28/07/2010 16:31
Familienrecht: Formbedürftiger Ehevertrag: Privatschriftliche Abänderungen sind unwirksam
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Unwirksamkeit der privatschriftlich erfolgten wesentlichen Abänderung - S&K Rechtsanälte in Berlin Mitte
Soll ein notariell beurkundeter formbedürftiger Ehevertrag abgeändert werden, ist auch diese Änderung formbedürftig.

Das gilt nach einer Entscheidung des Oberlandesgerichts (OLG) Bremen selbst, wenn der Regelungsgegenstand als solcher allein keinen Formvorschriften unterliegt. Halten sich die Parteien nicht an diese Formbedürftigkeit und nehmen noch vor der Eheschließung wesentliche Änderungen lediglich in privatschriftlicher Form vor, sind diese formunwirksam und nichtig. Eine hierdurch hervorgerufene Teilnichtigkeit kann sogar zu einer vollständigen Nichtigkeit des notariellen Vertrags führen (OLG Bremen, 5 UF 76/09).


Die Entscheidung im einzelnen lautet:

OLG Bremen: Beschluss vom 11.03.2010 (Az: 5 UF 76/09)

Die Parteien werden nach erneuter Beratung im Senat auf Folgendes hingewiesen:

Der Senat hält den Ehevertrag vom 11.9.1991 wegen der Formnichtigkeit des handschriftlichen Zusatzvertrages vom 12.9.1991 für insgesamt nichtig. Er beabsichtigt daher, das Scheidungsverbundurteil des Amtsgerichts – Familiengericht – B. vom 29.9.2009 hinsichtlich der Entscheidung in den Folgesachen 5 (nachehelicher Unterhalt ), 6 (Versorgungsausgleich ), 7 (Hausratsverteilung) und 8 (Zugewinnausgleich), d.h. in Ziffer 2 – 5 des Urteils aufzuheben und zur erneuten Entscheidung an das Familiengericht zurückzuverweisen.

Dem liegen folgende Überlegungen zu Grunde:

Da der Ehevertrag vom 11.9.1991 Regelungen zum Güterrecht, Versorgungsausgleich, Hausrat und nachehelichem Unterhalt enthält, die nach dem Willen der Parteien und angesichts der Bedeutung der im Vertrag getroffenen Regelungen in einem untrennbaren Zusammenhang standen, bedurften alle Vereinbarungen der notariellen Beurkundung, auch wenn Regelungen zum nachehelichen Unterhalt nach altem Recht formfrei möglich waren (§ 1585 c BGB a.F.). Die Formbedürftigkeit der Ursprungsvereinbarung ergreift aber auch alle Vereinbarungen, mit denen einzelne in dem notariellen Vertragswerk enthaltenen Regelungen abgeändert werden sollten. Die Formbedürftigkeit ergreift daher auch die Zusatzvereinbarung vom 12.9.1991. Eine Ausnahme vom Formzwang macht die Rechtsprechung nur, wenn die Änderungen nur der Beseitigung unvorhergesehener Schwierigkeiten der Vertragsanwicklung ohne wesentliche Änderung der Vertragspflicht dienen oder die formbedürftige Verpflichtung des Hauptvertrages nur eingeschränkt oder geringfügig modifiziert wird. Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Im Gegenteil schränkte die Zusatzvereinbarung nach ihrem Wortlaut die in der notariellen Vereinbarung enthaltene Regelung des nachehelichen Unterhalts, auf die sie ausdrücklich Bezug nimmt, wesentlich ein, sollte doch der Ehefrau für den Fall, dass sie die Schuld am Scheitern der Ehe trüge, jeglicher Unterhaltsanspruch versagt sein. Eine solche Regelung bedurfte daher ebenfalls der notariellen Beurkundung. Die Parteien waren sich über den inneren Zusammenhang und wohl auch die Formbedürftigkeit nicht im Unklaren, sollte doch der Zeuge W. das von den Parteien unterzeichnete handschriftliche Exemplar beim Notar L. abliefern. Da es zur Beurkundung der Zusatzvereinbarung aber nicht gekommen ist, ist diese nichtig.

Die Nichtigkeit der Zusatzvereinbarung führt hier auch gemäß § 139 BGB zur Nichtigkeit des gesamten ehevertraglichen Regelungswerks. Nach dem Vortrag des Ehemannes, dem die Ehefrau insoweit nicht entgegen tritt, da sie den notariellen Vertrag ohnehin aus inhaltlichen Gründen als sittenwidrig (§ 138 BGB) und damit nichtig ansieht, sollten nur beide Vereinbarungen zusammen den Regelungswillen der Parteien zutreffend abbilden. Der Ehemann hat dazu ergänzend geltend gemacht, ohne die Zusatzvereinbarung hätte er die Ehe, die Wirksamkeitsvoraussetzung für die rechtlichen Wirkungen des Vertrages ist, nicht geschlossen. Aus seiner Sicht sollten also die äußerlich getrennten Regelungen zum Unterhalt der Ehefrau miteinander stehen und fallen. Dafür spricht auch der enge zeitliche Zusammenhang beider Vereinbarungen sowie der Umstand, dass beide noch vor Eingehung der Ehe getroffen worden sind. Der Wille des Ehemannes zu einer einheitlichen Regelung der Unterhaltsfrage war für die Ehefrau auch klar erkennbar und ist von ihr zumindest hingenommen worden. Er wird bekräftigt durch den Umstand, dass die Parteien den Zeugen W. beauftragt haben, die Zusatzvereinbarung noch vor der Eheschließung beim Notar L. abzuliefern. Es ist also im vorliegenden Fall nicht anzunehmen, dass die Parteien, wäre ihnen die Nichtigkeit der Zusatzvereinbarung und die Auswirkungen auf den notariellen Vertrag klar gewesen, zumindest die in der notariellen Urkunde enthaltenen Regelungen gewollt hätten. Deshalb ist gemäß § 139 BGB von der Gesamtnichtigkeit aller Vereinbarungen, also auch der Nichtigkeit des notariellen Vertrages, auszugehen.

Die im notariellen Vertrag enthaltene salvatorische Klausel steht dem nicht entgegen. Solche standardgemäß verwendete Erhaltungsklauseln entbinden in der Regel nicht von der in jedem Einzelfall vorzunehmenden Abwägung, ob das Rechtsgeschäft auch ohne den nichtigen Teil geschlossen worden wäre. Sie weisen lediglich abweichend von § 139 BGB demjenigen die Beweislast zu, der sich auf die Gesamtnichtigkeit beruft. Da hier unstreitig beide Parteien, wenn auch aus unterschiedlichen Gründen, die ursprüngliche Vereinbarung (allein) nicht gewollt hätten, ergreift die Nichtigkeit der Änderungsvereinbarung den gesamten Vertrag.

Es sind daher noch die Folgesachen 5, 6, 7 und 8 durchzuführen, und zwar wiederum unter einander im Entscheidungsverbund. Da es dazu insbesondere in den Folgesachen 7 und 8 umfangreicher weiterer Ermittlungen und ggf. Beweisaufnahmen bedarf, wird der Rechtsstreit auf den Antrag der Ehefrau unter Aufhebung des angefochtenen Urteils hinsichtlich des Ausspruchs in Ziffer 2 - 5 an das Familiengericht zurückzuverweisen sein.


Die mündliche Verhandlung wird wieder eröffnet. Termin zur erneuten mündlichen Verhandlung wird anberaumt für […].


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(1) Ein Rechtsgeschäft, das gegen die guten Sitten verstößt, ist nichtig.

(2) Nichtig ist insbesondere ein Rechtsgeschäft, durch das jemand unter Ausbeutung der Zwangslage, der Unerfahrenheit, des Mangels an Urteilsvermögen oder der erheblichen Willensschwäche eines anderen sich oder einem Dritten für eine Leistung Vermögensvorteile versprechen oder gewähren lässt, die in einem auffälligen Missverhältnis zu der Leistung stehen.

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