Geschwindigkeitsüberschreitung: Anforderungen an die Aufklärungspflicht des Gerichts
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(1) Die Beteiligten können bei der Deutschen Rentenversicherung Bund schriftlich oder elektronisch eine Entscheidung beantragen, ob bei einem Auftragsverhältnis eine Beschäftigung oder eine selbständige Tätigkeit vorliegt, es sei denn, die Einzugsstelle oder ein anderer Versicherungsträger hatte im Zeitpunkt der Antragstellung bereits ein Verfahren zur Feststellung von Versicherungspflicht auf Grund einer Beschäftigung eingeleitet. Die Einzugsstelle hat einen Antrag nach Satz 1 zu stellen, wenn sich aus der Meldung des Arbeitgebers (§ 28a) ergibt, dass der Beschäftigte Ehegatte, Lebenspartner oder Abkömmling des Arbeitgebers oder geschäftsführender Gesellschafter einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung ist.
(2) Die Deutsche Rentenversicherung Bund entscheidet auf Grund einer Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalles, ob eine Beschäftigung oder eine selbständige Tätigkeit vorliegt. Wird die vereinbarte Tätigkeit für einen Dritten erbracht und liegen Anhaltspunkte dafür vor, dass der Auftragnehmer in dessen Arbeitsorganisation eingegliedert ist und dessen Weisungen unterliegt, stellt sie bei Vorliegen einer Beschäftigung auch fest, ob das Beschäftigungsverhältnis zu dem Dritten besteht. Der Dritte kann bei Vorliegen von Anhaltspunkten im Sinne des Satzes 2 ebenfalls eine Entscheidung nach Absatz 1 Satz 1 beantragen. Bei der Beurteilung von Versicherungspflicht auf Grund des Auftragsverhältnisses sind andere Versicherungsträger an die Entscheidungen der Deutschen Rentenversicherung Bund gebunden.
(3) Die Deutsche Rentenversicherung Bund teilt den Beteiligten schriftlich oder elektronisch mit, welche Angaben und Unterlagen sie für ihre Entscheidung benötigt. Sie setzt den Beteiligten eine angemessene Frist, innerhalb der diese die Angaben zu machen und die Unterlagen vorzulegen haben.
(4) Die Deutsche Rentenversicherung Bund teilt den Beteiligten mit, welche Entscheidung sie zu treffen beabsichtigt, bezeichnet die Tatsachen, auf die sie ihre Entscheidung stützen will, und gibt den Beteiligten Gelegenheit, sich zu der beabsichtigten Entscheidung zu äußern. Satz 1 gilt nicht, wenn die Deutsche Rentenversicherung Bund einem übereinstimmenden Antrag der Beteiligten entspricht.
(4a) Auf Antrag der Beteiligten entscheidet die Deutsche Rentenversicherung Bund bereits vor Aufnahme der Tätigkeit nach Absatz 2. Neben den schriftlichen Vereinbarungen sind die beabsichtigten Umstände der Vertragsdurchführung zu Grunde zu legen. Ändern sich die schriftlichen Vereinbarungen oder die Umstände der Vertragsdurchführung bis zu einem Monat nach der Aufnahme der Tätigkeit, haben die Beteiligten dies unverzüglich mitzuteilen. Ergibt sich eine wesentliche Änderung, hebt die Deutsche Rentenversicherung Bund die Entscheidung nach Maßgabe des § 48 des Zehnten Buches auf. Die Aufnahme der Tätigkeit gilt als Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse.
(4b) Entscheidet die Deutsche Rentenversicherung Bund in einem Einzelfall über den Erwerbsstatus, äußert sie sich auf Antrag des Auftraggebers gutachterlich zu dem Erwerbsstatus von Auftragnehmern in gleichen Auftragsverhältnissen. Auftragsverhältnisse sind gleich, wenn die vereinbarten Tätigkeiten ihrer Art und den Umständen der Ausübung nach übereinstimmen und ihnen einheitliche vertragliche Vereinbarungen zu Grunde liegen. In der gutachterlichen Äußerung sind die Art der Tätigkeit, die zu Grunde gelegten vertraglichen Vereinbarungen und die Umstände der Ausübung sowie ihre Rechtswirkungen anzugeben. Bei Abschluss eines gleichen Auftragsverhältnisses hat der Auftraggeber dem Auftragnehmer eine Kopie der gutachterlichen Äußerung auszuhändigen. Der Auftragnehmer kann für gleiche Auftragsverhältnisse mit demselben Auftraggeber ebenfalls eine gutachterliche Äußerung beantragen.
(4c) Hat die Deutsche Rentenversicherung Bund in einer gutachterlichen Äußerung nach Absatz 4b das Vorliegen einer selbständigen Tätigkeit angenommen und stellt sie in einem Verfahren nach Absatz 1 oder ein anderer Versicherungsträger in einem Verfahren auf Feststellung von Versicherungspflicht für ein gleiches Auftragsverhältnis eine Beschäftigung fest, so tritt eine Versicherungspflicht auf Grund dieser Beschäftigung erst mit dem Tag der Bekanntgabe dieser Entscheidung ein, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 5 Satz 1 Nummer 2 erfüllt sind. Im Übrigen findet Absatz 5 Satz 1 keine Anwendung. Satz 1 gilt nur für Auftragsverhältnisse, die innerhalb von zwei Jahren seit Zugang der gutachterlichen Äußerung geschlossen werden. Stellt die Deutsche Rentenversicherung Bund die Beschäftigung in einem Verfahren nach Absatz 1 fest, so entscheidet sie auch darüber, ob die Voraussetzungen des Absatzes 5 Satz 1 Nummer 2 erfüllt sind.
(5) Wird der Antrag auf Feststellung des Erwerbsstatus innerhalb eines Monats nach Aufnahme der Tätigkeit gestellt und stellt die Deutsche Rentenversicherung Bund eine Beschäftigung fest, gilt der Tag der Bekanntgabe der Entscheidung als Tag des Eintritts in das Beschäftigungsverhältnis, wenn der Beschäftigte
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zustimmt und - 2.
er für den Zeitraum zwischen Aufnahme der Beschäftigung und der Entscheidung eine Absicherung gegen das finanzielle Risiko von Krankheit und zur Altersvorsorge vorgenommen hat, die der Art nach den Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung und der gesetzlichen Rentenversicherung entspricht.
(6) Widerspruch und Klage gegen Entscheidungen nach den Absätzen 2 und 4a haben aufschiebende Wirkung. Im Widerspruchsverfahren können die Beteiligten nach Begründung des Widerspruchs eine mündliche Anhörung beantragen, die gemeinsam mit den anderen Beteiligten erfolgen soll. Eine Klage auf Erlass der Entscheidung ist abweichend von § 88 Absatz 1 des Sozialgerichtsgesetzes nach Ablauf von drei Monaten zulässig.
(7) Absatz 2 Satz 2 und 3, Absätze 4a bis 4c und Absatz 6 Satz 2 treten mit Ablauf des 30. Juni 2027 außer Kraft. Die Deutsche Rentenversicherung Bund legt dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales bis zum 31. Dezember 2025 einen Bericht über die Erfahrungen bei der Anwendung des Absatzes 2 Satz 2 und 3, der Absätze 4a bis 4c und des Absatzes 6 Satz 2 vor.
(1) Die Träger der Rentenversicherung prüfen bei den Arbeitgebern, ob diese ihre Meldepflichten und ihre sonstigen Pflichten nach diesem Gesetzbuch, die im Zusammenhang mit dem Gesamtsozialversicherungsbeitrag stehen, ordnungsgemäß erfüllen; sie prüfen insbesondere die Richtigkeit der Beitragszahlungen und der Meldungen (§ 28a) mindestens alle vier Jahre. Die Prüfung soll in kürzeren Zeitabständen erfolgen, wenn der Arbeitgeber dies verlangt. Die Einzugsstelle unterrichtet den für den Arbeitgeber zuständigen Träger der Rentenversicherung, wenn sie eine alsbaldige Prüfung bei dem Arbeitgeber für erforderlich hält. Die Prüfung umfasst auch die Entgeltunterlagen der Beschäftigten, für die Beiträge nicht gezahlt wurden. Die Träger der Rentenversicherung erlassen im Rahmen der Prüfung Verwaltungsakte zur Versicherungspflicht und Beitragshöhe in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung einschließlich der Widerspruchsbescheide gegenüber den Arbeitgebern; insoweit gelten § 28h Absatz 2 sowie § 93 in Verbindung mit § 89 Absatz 5 des Zehnten Buches nicht. Die landwirtschaftliche Krankenkasse nimmt abweichend von Satz 1 die Prüfung für die bei ihr versicherten mitarbeitenden Familienangehörigen vor.
(1a) Die Prüfung nach Absatz 1 umfasst die ordnungsgemäße Erfüllung der Meldepflichten nach dem Künstlersozialversicherungsgesetz und die rechtzeitige und vollständige Entrichtung der Künstlersozialabgabe durch die Arbeitgeber. Die Prüfung erfolgt
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mindestens alle vier Jahre bei den Arbeitgebern, die als abgabepflichtige Unternehmer nach § 24 des Künstlersozialversicherungsgesetzes bei der Künstlersozialkasse erfasst wurden, - 2.
mindestens alle vier Jahre bei den Arbeitgebern mit mehr als 19 Beschäftigten und - 3.
bei mindestens 40 Prozent der im jeweiligen Kalenderjahr zur Prüfung nach Absatz 1 anstehenden Arbeitgeber mit weniger als 20 Beschäftigten.
(1b) Die Träger der Rentenversicherung legen im Benehmen mit der Künstlersozialkasse die Kriterien zur Auswahl der nach Absatz 1a Satz 2 Nummer 3 zu prüfenden Arbeitgeber fest. Die Auswahl dient dem Ziel, alle abgabepflichtigen Arbeitgeber zu erfassen. Arbeitgeber mit weniger als 20 Beschäftigten, die nicht nach Absatz 1a Satz 2 Nummer 3 zu prüfen sind, werden durch die Träger der Rentenversicherung im Rahmen der Prüfung nach Absatz 1 im Hinblick auf die Künstlersozialabgabe beraten. Dazu erhalten sie mit der Prüfankündigung Hinweise zur Künstlersozialabgabe. Im Rahmen der Prüfung nach Absatz 1 lässt sich der zuständige Träger der Rentenversicherung durch den Arbeitgeber schriftlich oder elektronisch bestätigen, dass der Arbeitgeber über die Künstlersozialabgabe unterrichtet wurde und abgabepflichtige Sachverhalte melden wird. Bestätigt der Arbeitgeber dies nicht, wird die Prüfung nach Absatz 1a Satz 1 unverzüglich durchgeführt. Erlangt ein Träger der Rentenversicherung im Rahmen einer Prüfung nach Absatz 1 bei Arbeitgebern mit weniger als 20 Beschäftigten, die nicht nach Absatz 1a Satz 2 Nummer 3 geprüft werden, Hinweise auf einen künstlersozialabgabepflichtigen Sachverhalt, muss er diesen nachgehen.
(1c) Die Träger der Rentenversicherung teilen den Trägern der Unfallversicherung die Feststellungen aus der Prüfung bei den Arbeitgebern nach § 166 Absatz 2 des Siebten Buches mit. Die Träger der Unfallversicherung erlassen die erforderlichen Bescheide.
(2) Im Bereich der Regionalträger richtet sich die örtliche Zuständigkeit nach dem Sitz der Lohn- und Gehaltsabrechnungsstelle des Arbeitgebers. Die Träger der Rentenversicherung stimmen sich darüber ab, welche Arbeitgeber sie prüfen; ein Arbeitgeber ist jeweils nur von einem Träger der Rentenversicherung zu prüfen.
(3) Die Träger der Rentenversicherung unterrichten die Einzugsstellen über Sachverhalte, soweit sie die Zahlungspflicht oder die Meldepflicht des Arbeitgebers betreffen.
(4) Die Deutsche Rentenversicherung Bund führt ein Dateisystem, in dem die Träger der Rentenversicherung ihre elektronischen Akten führen, die im Zusammenhang mit der Durchführung der Prüfungen nach den Absätzen 1, 1a und 1c stehen. Die in diesem Dateisystem gespeicherten Daten dürfen nur für die Prüfung bei den Arbeitgebern durch die jeweils zuständigen Träger der Rentenversicherung verarbeitet werden.
(5) Die Arbeitgeber sind verpflichtet, angemessene Prüfhilfen zu leisten. Abrechnungsverfahren, die mit Hilfe automatischer Einrichtungen durchgeführt werden, sind in die Prüfung einzubeziehen.
(6) Zu prüfen sind auch steuerberatende Stellen, Rechenzentren und vergleichbare Einrichtungen, die im Auftrag des Arbeitgebers oder einer von ihm beauftragten Person Löhne und Gehälter abrechnen oder Meldungen erstatten. Die örtliche Zuständigkeit richtet sich im Bereich der Regionalträger nach dem Sitz dieser Stellen. Absatz 5 gilt entsprechend.
(6a) Für die Prüfung nach Absatz 1 sind dem zuständigen Rentenversicherungsträger die notwendigen Daten elektronisch aus einem systemgeprüften Entgeltabrechnungsprogramm zu übermitteln; für Daten aus der Finanzbuchhaltung kann dies nur im Einvernehmen mit dem Arbeitgeber erfolgen. Die Deutsche Rentenversicherung Bund bestimmt in Grundsätzen bundeseinheitlich das Nähere zum Verfahren der Datenübermittlung und der dafür erforderlichen Datensätze und Datenbausteine. Die Grundsätze bedürfen der Genehmigung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales, das vorher die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände anzuhören hat.
(7) Die Träger der Rentenversicherung haben eine Übersicht über die Ergebnisse ihrer Prüfungen zu führen und bis zum 31. März eines jeden Jahres für das abgelaufene Kalenderjahr den Aufsichtsbehörden vorzulegen. Das Nähere über Inhalt und Form der Übersicht bestimmen einvernehmlich die Aufsichtsbehörden der Träger der Rentenversicherung mit Wirkung für diese.
(8) Die Deutsche Rentenversicherung Bund führt ein Dateisystem, in dem der Name, die Anschrift, die Betriebsnummer, der für den Arbeitgeber zuständige Unfallversicherungsträger und weitere Identifikationsmerkmale eines jeden Arbeitgebers sowie die für die Planung der Prüfungen bei den Arbeitgebern und die für die Übersichten nach Absatz 7 erforderlichen Daten gespeichert sind; die Deutsche Rentenversicherung Bund darf die in diesem Dateisystem gespeicherten Daten nur für die Prüfung bei den Arbeitgebern und zur Ermittlung der nach dem Künstlersozialversicherungsgesetz abgabepflichtigen Unternehmer verarbeiten. In das Dateisystem ist eine Kennzeichnung aufzunehmen, wenn nach § 166 Absatz 2 Satz 2 des Siebten Buches die Prüfung der Arbeitgeber für die Unfallversicherung nicht von den Trägern der Rentenversicherung durchzuführen ist; die Träger der Unfallversicherung haben die erforderlichen Angaben zu übermitteln. Die Datenstelle der Rentenversicherung führt für die Prüfung bei den Arbeitgebern ein Dateisystem, in dem neben der Betriebsnummer eines jeden Arbeitgebers, die Betriebsnummer des für den Arbeitgeber zuständigen Unfallversicherungsträgers, die Unternehmernummer nach § 136a des Siebten Buches des Arbeitgebers, das in der Unfallversicherung beitragspflichtige Entgelt der bei ihm Beschäftigten in Euro, die anzuwendenden Gefahrtarifstellen der bei ihm Beschäftigten, die Versicherungsnummern der bei ihm Beschäftigten einschließlich des Beginns und des Endes von deren Beschäftigung, die Bezeichnung der für jeden Beschäftigten zuständigen Einzugsstelle sowie eine Kennzeichnung des Vorliegens einer geringfügigen Beschäftigung gespeichert sind. Sie darf die Daten der Stammsatzdatei nach § 150 Absatz 1 und 2 des Sechsten Buches sowie die Daten des Dateisystems nach § 150 Absatz 3 des Sechsten Buches und der Stammdatendatei nach § 101 für die Prüfung bei den Arbeitgebern speichern, verändern, nutzen, übermitteln oder in der Verarbeitung einschränken; dies gilt für die Daten der Stammsatzdatei auch für Prüfungen nach § 212a des Sechsten Buches. Sie ist verpflichtet, auf Anforderung des prüfenden Trägers der Rentenversicherung
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die in den Dateisystemen nach den Sätzen 1 und 3 gespeicherten Daten, - 2.
die in den Versicherungskonten der Träger der Rentenversicherung gespeicherten, auf den Prüfungszeitraum entfallenden Daten der bei dem zu prüfenden Arbeitgeber Beschäftigten, - 3.
die bei den für den Arbeitgeber zuständigen Einzugsstellen gespeicherten Daten aus den Beitragsnachweisen (§ 28f Absatz 3) für die Zeit nach dem Zeitpunkt, bis zu dem der Arbeitgeber zuletzt geprüft wurde, - 4.
die bei der Künstlersozialkasse über den Arbeitgeber gespeicherten Daten zur Melde- und Abgabepflicht für den Zeitraum seit der letzten Prüfung sowie - 5.
die bei den Trägern der Unfallversicherung gespeicherten Daten zur Melde- und Beitragspflicht sowie zur Gefahrtarifstelle für den Zeitraum seit der letzten Prüfung
(9) Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales bestimmt im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Gesundheit durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates das Nähere über
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den Umfang der Pflichten des Arbeitgebers, der Beschäftigten und der in Absatz 6 genannten Stellen bei Abrechnungsverfahren, die mit Hilfe automatischer Einrichtungen durchgeführt werden, - 2.
die Durchführung der Prüfung sowie die Behebung von Mängeln, die bei der Prüfung festgestellt worden sind, und - 3.
den Inhalt des Dateisystems nach Absatz 8 Satz 1 hinsichtlich der für die Planung der Prüfungen bei Arbeitgebern und der für die Prüfung bei Einzugsstellen erforderlichen Daten, über den Aufbau und die Aktualisierung dieses Dateisystems sowie über den Umfang der Daten aus diesem Dateisystem, die von den Einzugsstellen und der Bundesagentur für Arbeit nach § 28q Absatz 5 abgerufen werden können.
(10) Arbeitgeber werden wegen der Beschäftigten in privaten Haushalten nicht geprüft.
(11) Sind beim Übergang der Prüfung der Arbeitgeber von Krankenkassen auf die Träger der Rentenversicherung Angestellte übernommen worden, die am 1. Januar 1995 ganz oder überwiegend mit der Prüfung der Arbeitgeber beschäftigt waren, sind die bis zum Zeitpunkt der Übernahme gültigen Tarifverträge oder sonstigen kollektiven Vereinbarungen für die übernommenen Arbeitnehmer bis zum Inkrafttreten neuer Tarifverträge oder sonstiger kollektiver Vereinbarungen maßgebend. Soweit es sich bei einem gemäß Satz 1 übernommenen Beschäftigten um einen Dienstordnungs-Angestellten handelt, tragen der aufnehmende Träger der Rentenversicherung und die abgebende Krankenkasse bei Eintritt des Versorgungsfalles die Versorgungsbezüge anteilig, sofern der Angestellte im Zeitpunkt der Übernahme das 45. Lebensjahr bereits vollendet hatte. § 107b Absatz 2 bis 5 des Beamtenversorgungsgesetzes gilt sinngemäß.
(1) Die Berufung ist bei dem Landessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen.
(2) Die Berufungsfrist ist auch gewahrt, wenn die Berufung innerhalb der Frist bei dem Sozialgericht schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle eingelegt wird. In diesem Fall legt das Sozialgericht die Berufungsschrift oder das Protokoll mit seinen Akten unverzüglich dem Landessozialgericht vor.
(3) Die Berufungsschrift soll das angefochtene Urteil bezeichnen, einen bestimmten Antrag enthalten und die zur Begründung dienenden Tatsachen und Beweismittel angeben.
(1) Der Lauf einer Frist beginnt, soweit nichts anderes bestimmt ist, mit dem Tag nach der Zustellung oder, wenn diese nicht vorgeschrieben ist, mit dem Tag nach der Eröffnung oder Verkündung.
(2) Eine nach Tagen bestimmte Frist endet mit dem Ablauf ihres letzten Tages, eine nach Wochen oder Monaten bestimmte Frist mit dem Ablauf desjenigen Tages der letzten Woche oder des letzten Monats, welcher nach Benennung oder Zahl dem Tag entspricht, in den das Ereignis oder der Zeitpunkt fällt. Fehlt dem letzten Monat der entsprechende Tag, so endet die Frist mit dem Monat.
(3) Fällt das Ende einer Frist auf einen Sonntag, einen gesetzlichen Feiertag oder einen Sonnabend, so endet die Frist mit Ablauf des nächsten Werktags.
(1) Anordnungen und Entscheidungen, durch die eine Frist in Lauf gesetzt wird, sind den Beteiligten zuzustellen, bei Verkündung jedoch nur, wenn es ausdrücklich vorgeschrieben ist. Terminbestimmungen und Ladungen sind bekannt zu geben.
(2) Zugestellt wird von Amts wegen nach den Vorschriften der Zivilprozessordnung. §§ 173, 175 und 178 Abs. 1 Nr. 2 der Zivilprozessordnung sind entsprechend anzuwenden auf die nach § 73 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 bis 9 zur Prozessvertretung zugelassenen Personen.
(3) Wer nicht im Inland wohnt, hat auf Verlangen einen Zustellungsbevollmächtigten zu bestellen.
(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts oder seine Abänderung sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts begehrt werden. Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage zulässig, wenn der Kläger behauptet, durch den Verwaltungsakt oder durch die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts beschwert zu sein.
(2) Der Kläger ist beschwert, wenn der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts rechtswidrig ist. Soweit die Behörde, Körperschaft oder Anstalt des öffentlichen Rechts ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, ist Rechtswidrigkeit auch gegeben, wenn die gesetzlichen Grenzen dieses Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist.
(3) Eine Körperschaft oder eine Anstalt des öffentlichen Rechts kann mit der Klage die Aufhebung einer Anordnung der Aufsichtsbehörde begehren, wenn sie behauptet, daß die Anordnung das Aufsichtsrecht überschreite.
(4) Betrifft der angefochtene Verwaltungsakt eine Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, so kann mit der Klage neben der Aufhebung des Verwaltungsakts gleichzeitig die Leistung verlangt werden.
(5) Mit der Klage kann die Verurteilung zu einer Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, auch dann begehrt werden, wenn ein Verwaltungsakt nicht zu ergehen hatte.
(1) Die Beteiligten können bei der Deutschen Rentenversicherung Bund schriftlich oder elektronisch eine Entscheidung beantragen, ob bei einem Auftragsverhältnis eine Beschäftigung oder eine selbständige Tätigkeit vorliegt, es sei denn, die Einzugsstelle oder ein anderer Versicherungsträger hatte im Zeitpunkt der Antragstellung bereits ein Verfahren zur Feststellung von Versicherungspflicht auf Grund einer Beschäftigung eingeleitet. Die Einzugsstelle hat einen Antrag nach Satz 1 zu stellen, wenn sich aus der Meldung des Arbeitgebers (§ 28a) ergibt, dass der Beschäftigte Ehegatte, Lebenspartner oder Abkömmling des Arbeitgebers oder geschäftsführender Gesellschafter einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung ist.
(2) Die Deutsche Rentenversicherung Bund entscheidet auf Grund einer Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalles, ob eine Beschäftigung oder eine selbständige Tätigkeit vorliegt. Wird die vereinbarte Tätigkeit für einen Dritten erbracht und liegen Anhaltspunkte dafür vor, dass der Auftragnehmer in dessen Arbeitsorganisation eingegliedert ist und dessen Weisungen unterliegt, stellt sie bei Vorliegen einer Beschäftigung auch fest, ob das Beschäftigungsverhältnis zu dem Dritten besteht. Der Dritte kann bei Vorliegen von Anhaltspunkten im Sinne des Satzes 2 ebenfalls eine Entscheidung nach Absatz 1 Satz 1 beantragen. Bei der Beurteilung von Versicherungspflicht auf Grund des Auftragsverhältnisses sind andere Versicherungsträger an die Entscheidungen der Deutschen Rentenversicherung Bund gebunden.
(3) Die Deutsche Rentenversicherung Bund teilt den Beteiligten schriftlich oder elektronisch mit, welche Angaben und Unterlagen sie für ihre Entscheidung benötigt. Sie setzt den Beteiligten eine angemessene Frist, innerhalb der diese die Angaben zu machen und die Unterlagen vorzulegen haben.
(4) Die Deutsche Rentenversicherung Bund teilt den Beteiligten mit, welche Entscheidung sie zu treffen beabsichtigt, bezeichnet die Tatsachen, auf die sie ihre Entscheidung stützen will, und gibt den Beteiligten Gelegenheit, sich zu der beabsichtigten Entscheidung zu äußern. Satz 1 gilt nicht, wenn die Deutsche Rentenversicherung Bund einem übereinstimmenden Antrag der Beteiligten entspricht.
(4a) Auf Antrag der Beteiligten entscheidet die Deutsche Rentenversicherung Bund bereits vor Aufnahme der Tätigkeit nach Absatz 2. Neben den schriftlichen Vereinbarungen sind die beabsichtigten Umstände der Vertragsdurchführung zu Grunde zu legen. Ändern sich die schriftlichen Vereinbarungen oder die Umstände der Vertragsdurchführung bis zu einem Monat nach der Aufnahme der Tätigkeit, haben die Beteiligten dies unverzüglich mitzuteilen. Ergibt sich eine wesentliche Änderung, hebt die Deutsche Rentenversicherung Bund die Entscheidung nach Maßgabe des § 48 des Zehnten Buches auf. Die Aufnahme der Tätigkeit gilt als Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse.
(4b) Entscheidet die Deutsche Rentenversicherung Bund in einem Einzelfall über den Erwerbsstatus, äußert sie sich auf Antrag des Auftraggebers gutachterlich zu dem Erwerbsstatus von Auftragnehmern in gleichen Auftragsverhältnissen. Auftragsverhältnisse sind gleich, wenn die vereinbarten Tätigkeiten ihrer Art und den Umständen der Ausübung nach übereinstimmen und ihnen einheitliche vertragliche Vereinbarungen zu Grunde liegen. In der gutachterlichen Äußerung sind die Art der Tätigkeit, die zu Grunde gelegten vertraglichen Vereinbarungen und die Umstände der Ausübung sowie ihre Rechtswirkungen anzugeben. Bei Abschluss eines gleichen Auftragsverhältnisses hat der Auftraggeber dem Auftragnehmer eine Kopie der gutachterlichen Äußerung auszuhändigen. Der Auftragnehmer kann für gleiche Auftragsverhältnisse mit demselben Auftraggeber ebenfalls eine gutachterliche Äußerung beantragen.
(4c) Hat die Deutsche Rentenversicherung Bund in einer gutachterlichen Äußerung nach Absatz 4b das Vorliegen einer selbständigen Tätigkeit angenommen und stellt sie in einem Verfahren nach Absatz 1 oder ein anderer Versicherungsträger in einem Verfahren auf Feststellung von Versicherungspflicht für ein gleiches Auftragsverhältnis eine Beschäftigung fest, so tritt eine Versicherungspflicht auf Grund dieser Beschäftigung erst mit dem Tag der Bekanntgabe dieser Entscheidung ein, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 5 Satz 1 Nummer 2 erfüllt sind. Im Übrigen findet Absatz 5 Satz 1 keine Anwendung. Satz 1 gilt nur für Auftragsverhältnisse, die innerhalb von zwei Jahren seit Zugang der gutachterlichen Äußerung geschlossen werden. Stellt die Deutsche Rentenversicherung Bund die Beschäftigung in einem Verfahren nach Absatz 1 fest, so entscheidet sie auch darüber, ob die Voraussetzungen des Absatzes 5 Satz 1 Nummer 2 erfüllt sind.
(5) Wird der Antrag auf Feststellung des Erwerbsstatus innerhalb eines Monats nach Aufnahme der Tätigkeit gestellt und stellt die Deutsche Rentenversicherung Bund eine Beschäftigung fest, gilt der Tag der Bekanntgabe der Entscheidung als Tag des Eintritts in das Beschäftigungsverhältnis, wenn der Beschäftigte
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er für den Zeitraum zwischen Aufnahme der Beschäftigung und der Entscheidung eine Absicherung gegen das finanzielle Risiko von Krankheit und zur Altersvorsorge vorgenommen hat, die der Art nach den Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung und der gesetzlichen Rentenversicherung entspricht.
(6) Widerspruch und Klage gegen Entscheidungen nach den Absätzen 2 und 4a haben aufschiebende Wirkung. Im Widerspruchsverfahren können die Beteiligten nach Begründung des Widerspruchs eine mündliche Anhörung beantragen, die gemeinsam mit den anderen Beteiligten erfolgen soll. Eine Klage auf Erlass der Entscheidung ist abweichend von § 88 Absatz 1 des Sozialgerichtsgesetzes nach Ablauf von drei Monaten zulässig.
(7) Absatz 2 Satz 2 und 3, Absätze 4a bis 4c und Absatz 6 Satz 2 treten mit Ablauf des 30. Juni 2027 außer Kraft. Die Deutsche Rentenversicherung Bund legt dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales bis zum 31. Dezember 2025 einen Bericht über die Erfahrungen bei der Anwendung des Absatzes 2 Satz 2 und 3, der Absätze 4a bis 4c und des Absatzes 6 Satz 2 vor.
(1) Der Gesamtsozialversicherungsbeitrag ist an die Krankenkassen (Einzugsstellen) zu zahlen. Die Einzugsstelle überwacht die Einreichung des Beitragsnachweises und die Zahlung des Gesamtsozialversicherungsbeitrags. Beitragsansprüche, die nicht rechtzeitig erfüllt worden sind, hat die Einzugsstelle geltend zu machen.
(2) Die Einzugsstelle entscheidet über die Versicherungspflicht und Beitragshöhe in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung auf Verlangen des Arbeitgebers durch einen schriftlichen oder elektronischen Bescheid; sie erlässt auch den Widerspruchsbescheid. Soweit die Einzugsstelle die Höhe des Arbeitsentgelts nicht oder nicht ohne unverhältnismäßig großen Verwaltungsaufwand ermitteln kann, hat sie dieses zu schätzen. Dabei ist für das monatliche Arbeitsentgelt des Beschäftigten das am Beschäftigungsort ortsübliche Arbeitsentgelt mit zu berücksichtigen. Die nach § 28i Satz 5 zuständige Einzugsstelle prüft die Einhaltung der Arbeitsentgeltgrenze bei geringfügiger Beschäftigung nach den §§ 8 und 8a und entscheidet bei deren Überschreiten über die Versicherungspflicht in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung; sie erlässt auch den Widerspruchsbescheid.
(2a) (weggefallen)
(3) Bei Verwendung eines Haushaltsschecks vergibt die Einzugsstelle im Auftrag der Bundesagentur für Arbeit die Betriebsnummer des Arbeitgebers, berechnet den Gesamtsozialversicherungsbeitrag und die Umlagen nach dem Aufwendungsausgleichsgesetz und zieht diese vom Arbeitgeber im Wege des Lastschriftverfahrens ein. Die Einzugsstelle meldet bei Beginn und Ende der Beschäftigung und zum Jahresende der Datenstelle der Rentenversicherung die für die Rentenversicherung und die Bundesagentur für Arbeit erforderlichen Daten eines jeden Beschäftigten. Die Einzugsstelle teilt dem Beschäftigten den Inhalt der abgegebenen Meldung schriftlich oder durch gesicherte Datenübertragung mit.
(4) Bei Verwendung eines Haushaltsschecks bescheinigt die Einzugsstelle dem Arbeitgeber zum Jahresende
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den Zeitraum, für den Beiträge zur Rentenversicherung gezahlt wurden, und - 2.
die Höhe des Arbeitsentgelts (§ 14 Absatz 3), des von ihm getragenen Gesamtsozialversicherungsbeitrags und der Umlagen.
(1) Die Beteiligten können bei der Deutschen Rentenversicherung Bund schriftlich oder elektronisch eine Entscheidung beantragen, ob bei einem Auftragsverhältnis eine Beschäftigung oder eine selbständige Tätigkeit vorliegt, es sei denn, die Einzugsstelle oder ein anderer Versicherungsträger hatte im Zeitpunkt der Antragstellung bereits ein Verfahren zur Feststellung von Versicherungspflicht auf Grund einer Beschäftigung eingeleitet. Die Einzugsstelle hat einen Antrag nach Satz 1 zu stellen, wenn sich aus der Meldung des Arbeitgebers (§ 28a) ergibt, dass der Beschäftigte Ehegatte, Lebenspartner oder Abkömmling des Arbeitgebers oder geschäftsführender Gesellschafter einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung ist.
(2) Die Deutsche Rentenversicherung Bund entscheidet auf Grund einer Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalles, ob eine Beschäftigung oder eine selbständige Tätigkeit vorliegt. Wird die vereinbarte Tätigkeit für einen Dritten erbracht und liegen Anhaltspunkte dafür vor, dass der Auftragnehmer in dessen Arbeitsorganisation eingegliedert ist und dessen Weisungen unterliegt, stellt sie bei Vorliegen einer Beschäftigung auch fest, ob das Beschäftigungsverhältnis zu dem Dritten besteht. Der Dritte kann bei Vorliegen von Anhaltspunkten im Sinne des Satzes 2 ebenfalls eine Entscheidung nach Absatz 1 Satz 1 beantragen. Bei der Beurteilung von Versicherungspflicht auf Grund des Auftragsverhältnisses sind andere Versicherungsträger an die Entscheidungen der Deutschen Rentenversicherung Bund gebunden.
(3) Die Deutsche Rentenversicherung Bund teilt den Beteiligten schriftlich oder elektronisch mit, welche Angaben und Unterlagen sie für ihre Entscheidung benötigt. Sie setzt den Beteiligten eine angemessene Frist, innerhalb der diese die Angaben zu machen und die Unterlagen vorzulegen haben.
(4) Die Deutsche Rentenversicherung Bund teilt den Beteiligten mit, welche Entscheidung sie zu treffen beabsichtigt, bezeichnet die Tatsachen, auf die sie ihre Entscheidung stützen will, und gibt den Beteiligten Gelegenheit, sich zu der beabsichtigten Entscheidung zu äußern. Satz 1 gilt nicht, wenn die Deutsche Rentenversicherung Bund einem übereinstimmenden Antrag der Beteiligten entspricht.
(4a) Auf Antrag der Beteiligten entscheidet die Deutsche Rentenversicherung Bund bereits vor Aufnahme der Tätigkeit nach Absatz 2. Neben den schriftlichen Vereinbarungen sind die beabsichtigten Umstände der Vertragsdurchführung zu Grunde zu legen. Ändern sich die schriftlichen Vereinbarungen oder die Umstände der Vertragsdurchführung bis zu einem Monat nach der Aufnahme der Tätigkeit, haben die Beteiligten dies unverzüglich mitzuteilen. Ergibt sich eine wesentliche Änderung, hebt die Deutsche Rentenversicherung Bund die Entscheidung nach Maßgabe des § 48 des Zehnten Buches auf. Die Aufnahme der Tätigkeit gilt als Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse.
(4b) Entscheidet die Deutsche Rentenversicherung Bund in einem Einzelfall über den Erwerbsstatus, äußert sie sich auf Antrag des Auftraggebers gutachterlich zu dem Erwerbsstatus von Auftragnehmern in gleichen Auftragsverhältnissen. Auftragsverhältnisse sind gleich, wenn die vereinbarten Tätigkeiten ihrer Art und den Umständen der Ausübung nach übereinstimmen und ihnen einheitliche vertragliche Vereinbarungen zu Grunde liegen. In der gutachterlichen Äußerung sind die Art der Tätigkeit, die zu Grunde gelegten vertraglichen Vereinbarungen und die Umstände der Ausübung sowie ihre Rechtswirkungen anzugeben. Bei Abschluss eines gleichen Auftragsverhältnisses hat der Auftraggeber dem Auftragnehmer eine Kopie der gutachterlichen Äußerung auszuhändigen. Der Auftragnehmer kann für gleiche Auftragsverhältnisse mit demselben Auftraggeber ebenfalls eine gutachterliche Äußerung beantragen.
(4c) Hat die Deutsche Rentenversicherung Bund in einer gutachterlichen Äußerung nach Absatz 4b das Vorliegen einer selbständigen Tätigkeit angenommen und stellt sie in einem Verfahren nach Absatz 1 oder ein anderer Versicherungsträger in einem Verfahren auf Feststellung von Versicherungspflicht für ein gleiches Auftragsverhältnis eine Beschäftigung fest, so tritt eine Versicherungspflicht auf Grund dieser Beschäftigung erst mit dem Tag der Bekanntgabe dieser Entscheidung ein, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 5 Satz 1 Nummer 2 erfüllt sind. Im Übrigen findet Absatz 5 Satz 1 keine Anwendung. Satz 1 gilt nur für Auftragsverhältnisse, die innerhalb von zwei Jahren seit Zugang der gutachterlichen Äußerung geschlossen werden. Stellt die Deutsche Rentenversicherung Bund die Beschäftigung in einem Verfahren nach Absatz 1 fest, so entscheidet sie auch darüber, ob die Voraussetzungen des Absatzes 5 Satz 1 Nummer 2 erfüllt sind.
(5) Wird der Antrag auf Feststellung des Erwerbsstatus innerhalb eines Monats nach Aufnahme der Tätigkeit gestellt und stellt die Deutsche Rentenversicherung Bund eine Beschäftigung fest, gilt der Tag der Bekanntgabe der Entscheidung als Tag des Eintritts in das Beschäftigungsverhältnis, wenn der Beschäftigte
- 1.
zustimmt und - 2.
er für den Zeitraum zwischen Aufnahme der Beschäftigung und der Entscheidung eine Absicherung gegen das finanzielle Risiko von Krankheit und zur Altersvorsorge vorgenommen hat, die der Art nach den Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung und der gesetzlichen Rentenversicherung entspricht.
(6) Widerspruch und Klage gegen Entscheidungen nach den Absätzen 2 und 4a haben aufschiebende Wirkung. Im Widerspruchsverfahren können die Beteiligten nach Begründung des Widerspruchs eine mündliche Anhörung beantragen, die gemeinsam mit den anderen Beteiligten erfolgen soll. Eine Klage auf Erlass der Entscheidung ist abweichend von § 88 Absatz 1 des Sozialgerichtsgesetzes nach Ablauf von drei Monaten zulässig.
(7) Absatz 2 Satz 2 und 3, Absätze 4a bis 4c und Absatz 6 Satz 2 treten mit Ablauf des 30. Juni 2027 außer Kraft. Die Deutsche Rentenversicherung Bund legt dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales bis zum 31. Dezember 2025 einen Bericht über die Erfahrungen bei der Anwendung des Absatzes 2 Satz 2 und 3, der Absätze 4a bis 4c und des Absatzes 6 Satz 2 vor.
(1) Die Träger der Rentenversicherung prüfen bei den Arbeitgebern, ob diese ihre Meldepflichten und ihre sonstigen Pflichten nach diesem Gesetzbuch, die im Zusammenhang mit dem Gesamtsozialversicherungsbeitrag stehen, ordnungsgemäß erfüllen; sie prüfen insbesondere die Richtigkeit der Beitragszahlungen und der Meldungen (§ 28a) mindestens alle vier Jahre. Die Prüfung soll in kürzeren Zeitabständen erfolgen, wenn der Arbeitgeber dies verlangt. Die Einzugsstelle unterrichtet den für den Arbeitgeber zuständigen Träger der Rentenversicherung, wenn sie eine alsbaldige Prüfung bei dem Arbeitgeber für erforderlich hält. Die Prüfung umfasst auch die Entgeltunterlagen der Beschäftigten, für die Beiträge nicht gezahlt wurden. Die Träger der Rentenversicherung erlassen im Rahmen der Prüfung Verwaltungsakte zur Versicherungspflicht und Beitragshöhe in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung einschließlich der Widerspruchsbescheide gegenüber den Arbeitgebern; insoweit gelten § 28h Absatz 2 sowie § 93 in Verbindung mit § 89 Absatz 5 des Zehnten Buches nicht. Die landwirtschaftliche Krankenkasse nimmt abweichend von Satz 1 die Prüfung für die bei ihr versicherten mitarbeitenden Familienangehörigen vor.
(1a) Die Prüfung nach Absatz 1 umfasst die ordnungsgemäße Erfüllung der Meldepflichten nach dem Künstlersozialversicherungsgesetz und die rechtzeitige und vollständige Entrichtung der Künstlersozialabgabe durch die Arbeitgeber. Die Prüfung erfolgt
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mindestens alle vier Jahre bei den Arbeitgebern, die als abgabepflichtige Unternehmer nach § 24 des Künstlersozialversicherungsgesetzes bei der Künstlersozialkasse erfasst wurden, - 2.
mindestens alle vier Jahre bei den Arbeitgebern mit mehr als 19 Beschäftigten und - 3.
bei mindestens 40 Prozent der im jeweiligen Kalenderjahr zur Prüfung nach Absatz 1 anstehenden Arbeitgeber mit weniger als 20 Beschäftigten.
(1b) Die Träger der Rentenversicherung legen im Benehmen mit der Künstlersozialkasse die Kriterien zur Auswahl der nach Absatz 1a Satz 2 Nummer 3 zu prüfenden Arbeitgeber fest. Die Auswahl dient dem Ziel, alle abgabepflichtigen Arbeitgeber zu erfassen. Arbeitgeber mit weniger als 20 Beschäftigten, die nicht nach Absatz 1a Satz 2 Nummer 3 zu prüfen sind, werden durch die Träger der Rentenversicherung im Rahmen der Prüfung nach Absatz 1 im Hinblick auf die Künstlersozialabgabe beraten. Dazu erhalten sie mit der Prüfankündigung Hinweise zur Künstlersozialabgabe. Im Rahmen der Prüfung nach Absatz 1 lässt sich der zuständige Träger der Rentenversicherung durch den Arbeitgeber schriftlich oder elektronisch bestätigen, dass der Arbeitgeber über die Künstlersozialabgabe unterrichtet wurde und abgabepflichtige Sachverhalte melden wird. Bestätigt der Arbeitgeber dies nicht, wird die Prüfung nach Absatz 1a Satz 1 unverzüglich durchgeführt. Erlangt ein Träger der Rentenversicherung im Rahmen einer Prüfung nach Absatz 1 bei Arbeitgebern mit weniger als 20 Beschäftigten, die nicht nach Absatz 1a Satz 2 Nummer 3 geprüft werden, Hinweise auf einen künstlersozialabgabepflichtigen Sachverhalt, muss er diesen nachgehen.
(1c) Die Träger der Rentenversicherung teilen den Trägern der Unfallversicherung die Feststellungen aus der Prüfung bei den Arbeitgebern nach § 166 Absatz 2 des Siebten Buches mit. Die Träger der Unfallversicherung erlassen die erforderlichen Bescheide.
(2) Im Bereich der Regionalträger richtet sich die örtliche Zuständigkeit nach dem Sitz der Lohn- und Gehaltsabrechnungsstelle des Arbeitgebers. Die Träger der Rentenversicherung stimmen sich darüber ab, welche Arbeitgeber sie prüfen; ein Arbeitgeber ist jeweils nur von einem Träger der Rentenversicherung zu prüfen.
(3) Die Träger der Rentenversicherung unterrichten die Einzugsstellen über Sachverhalte, soweit sie die Zahlungspflicht oder die Meldepflicht des Arbeitgebers betreffen.
(4) Die Deutsche Rentenversicherung Bund führt ein Dateisystem, in dem die Träger der Rentenversicherung ihre elektronischen Akten führen, die im Zusammenhang mit der Durchführung der Prüfungen nach den Absätzen 1, 1a und 1c stehen. Die in diesem Dateisystem gespeicherten Daten dürfen nur für die Prüfung bei den Arbeitgebern durch die jeweils zuständigen Träger der Rentenversicherung verarbeitet werden.
(5) Die Arbeitgeber sind verpflichtet, angemessene Prüfhilfen zu leisten. Abrechnungsverfahren, die mit Hilfe automatischer Einrichtungen durchgeführt werden, sind in die Prüfung einzubeziehen.
(6) Zu prüfen sind auch steuerberatende Stellen, Rechenzentren und vergleichbare Einrichtungen, die im Auftrag des Arbeitgebers oder einer von ihm beauftragten Person Löhne und Gehälter abrechnen oder Meldungen erstatten. Die örtliche Zuständigkeit richtet sich im Bereich der Regionalträger nach dem Sitz dieser Stellen. Absatz 5 gilt entsprechend.
(6a) Für die Prüfung nach Absatz 1 sind dem zuständigen Rentenversicherungsträger die notwendigen Daten elektronisch aus einem systemgeprüften Entgeltabrechnungsprogramm zu übermitteln; für Daten aus der Finanzbuchhaltung kann dies nur im Einvernehmen mit dem Arbeitgeber erfolgen. Die Deutsche Rentenversicherung Bund bestimmt in Grundsätzen bundeseinheitlich das Nähere zum Verfahren der Datenübermittlung und der dafür erforderlichen Datensätze und Datenbausteine. Die Grundsätze bedürfen der Genehmigung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales, das vorher die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände anzuhören hat.
(7) Die Träger der Rentenversicherung haben eine Übersicht über die Ergebnisse ihrer Prüfungen zu führen und bis zum 31. März eines jeden Jahres für das abgelaufene Kalenderjahr den Aufsichtsbehörden vorzulegen. Das Nähere über Inhalt und Form der Übersicht bestimmen einvernehmlich die Aufsichtsbehörden der Träger der Rentenversicherung mit Wirkung für diese.
(8) Die Deutsche Rentenversicherung Bund führt ein Dateisystem, in dem der Name, die Anschrift, die Betriebsnummer, der für den Arbeitgeber zuständige Unfallversicherungsträger und weitere Identifikationsmerkmale eines jeden Arbeitgebers sowie die für die Planung der Prüfungen bei den Arbeitgebern und die für die Übersichten nach Absatz 7 erforderlichen Daten gespeichert sind; die Deutsche Rentenversicherung Bund darf die in diesem Dateisystem gespeicherten Daten nur für die Prüfung bei den Arbeitgebern und zur Ermittlung der nach dem Künstlersozialversicherungsgesetz abgabepflichtigen Unternehmer verarbeiten. In das Dateisystem ist eine Kennzeichnung aufzunehmen, wenn nach § 166 Absatz 2 Satz 2 des Siebten Buches die Prüfung der Arbeitgeber für die Unfallversicherung nicht von den Trägern der Rentenversicherung durchzuführen ist; die Träger der Unfallversicherung haben die erforderlichen Angaben zu übermitteln. Die Datenstelle der Rentenversicherung führt für die Prüfung bei den Arbeitgebern ein Dateisystem, in dem neben der Betriebsnummer eines jeden Arbeitgebers, die Betriebsnummer des für den Arbeitgeber zuständigen Unfallversicherungsträgers, die Unternehmernummer nach § 136a des Siebten Buches des Arbeitgebers, das in der Unfallversicherung beitragspflichtige Entgelt der bei ihm Beschäftigten in Euro, die anzuwendenden Gefahrtarifstellen der bei ihm Beschäftigten, die Versicherungsnummern der bei ihm Beschäftigten einschließlich des Beginns und des Endes von deren Beschäftigung, die Bezeichnung der für jeden Beschäftigten zuständigen Einzugsstelle sowie eine Kennzeichnung des Vorliegens einer geringfügigen Beschäftigung gespeichert sind. Sie darf die Daten der Stammsatzdatei nach § 150 Absatz 1 und 2 des Sechsten Buches sowie die Daten des Dateisystems nach § 150 Absatz 3 des Sechsten Buches und der Stammdatendatei nach § 101 für die Prüfung bei den Arbeitgebern speichern, verändern, nutzen, übermitteln oder in der Verarbeitung einschränken; dies gilt für die Daten der Stammsatzdatei auch für Prüfungen nach § 212a des Sechsten Buches. Sie ist verpflichtet, auf Anforderung des prüfenden Trägers der Rentenversicherung
- 1.
die in den Dateisystemen nach den Sätzen 1 und 3 gespeicherten Daten, - 2.
die in den Versicherungskonten der Träger der Rentenversicherung gespeicherten, auf den Prüfungszeitraum entfallenden Daten der bei dem zu prüfenden Arbeitgeber Beschäftigten, - 3.
die bei den für den Arbeitgeber zuständigen Einzugsstellen gespeicherten Daten aus den Beitragsnachweisen (§ 28f Absatz 3) für die Zeit nach dem Zeitpunkt, bis zu dem der Arbeitgeber zuletzt geprüft wurde, - 4.
die bei der Künstlersozialkasse über den Arbeitgeber gespeicherten Daten zur Melde- und Abgabepflicht für den Zeitraum seit der letzten Prüfung sowie - 5.
die bei den Trägern der Unfallversicherung gespeicherten Daten zur Melde- und Beitragspflicht sowie zur Gefahrtarifstelle für den Zeitraum seit der letzten Prüfung
(9) Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales bestimmt im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Gesundheit durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates das Nähere über
- 1.
den Umfang der Pflichten des Arbeitgebers, der Beschäftigten und der in Absatz 6 genannten Stellen bei Abrechnungsverfahren, die mit Hilfe automatischer Einrichtungen durchgeführt werden, - 2.
die Durchführung der Prüfung sowie die Behebung von Mängeln, die bei der Prüfung festgestellt worden sind, und - 3.
den Inhalt des Dateisystems nach Absatz 8 Satz 1 hinsichtlich der für die Planung der Prüfungen bei Arbeitgebern und der für die Prüfung bei Einzugsstellen erforderlichen Daten, über den Aufbau und die Aktualisierung dieses Dateisystems sowie über den Umfang der Daten aus diesem Dateisystem, die von den Einzugsstellen und der Bundesagentur für Arbeit nach § 28q Absatz 5 abgerufen werden können.
(10) Arbeitgeber werden wegen der Beschäftigten in privaten Haushalten nicht geprüft.
(11) Sind beim Übergang der Prüfung der Arbeitgeber von Krankenkassen auf die Träger der Rentenversicherung Angestellte übernommen worden, die am 1. Januar 1995 ganz oder überwiegend mit der Prüfung der Arbeitgeber beschäftigt waren, sind die bis zum Zeitpunkt der Übernahme gültigen Tarifverträge oder sonstigen kollektiven Vereinbarungen für die übernommenen Arbeitnehmer bis zum Inkrafttreten neuer Tarifverträge oder sonstiger kollektiver Vereinbarungen maßgebend. Soweit es sich bei einem gemäß Satz 1 übernommenen Beschäftigten um einen Dienstordnungs-Angestellten handelt, tragen der aufnehmende Träger der Rentenversicherung und die abgebende Krankenkasse bei Eintritt des Versorgungsfalles die Versorgungsbezüge anteilig, sofern der Angestellte im Zeitpunkt der Übernahme das 45. Lebensjahr bereits vollendet hatte. § 107b Absatz 2 bis 5 des Beamtenversorgungsgesetzes gilt sinngemäß.
(1) Die Prüfung nach § 28p des Vierten Buches Sozialgesetzbuch erfolgt grundsätzlich nach vorheriger Ankündigung durch die Versicherungsträger. Die Ankündigung soll möglichst einen Monat, sie muss jedoch spätestens 14 Tage vor der Prüfung erfolgen. Mit Zustimmung des Arbeitgebers kann von Satz 2 abgewichen werden. In den Fällen des § 98 Abs. 1 Satz 4 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch kann die Prüfung ohne Ankündigung durchgeführt werden. Der Prüfer oder die Prüferin des Versicherungsträgers hat sich auszuweisen.
(2) Für die Prüfung dürfen auf Kosten des Versicherungsträgers schriftliche Unterlagen des Arbeitgebers vervielfältigt und elektronische Unterlagen gespeichert werden, soweit es für die Aufgabenerfüllung erforderlich ist. Der Arbeitgeber oder der Auftragnehmer nach § 28p Abs. 6 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch hat einen zur Durchführung der Prüfung geeigneten Raum oder Arbeitsplatz sowie die erforderlichen Hilfsmittel kostenlos zur Verfügung zu stellen; Kosten oder Verdienstausfall, die durch die Prüfung entstehen, werden nicht erstattet.
(3) (weggefallen)
(4) Das Ergebnis der Prüfung ist dem Arbeitgeber innerhalb von zwei Monaten nach Abschluss der Prüfung mitzuteilen; auf Wunsch des Arbeitgebers kann dies durch Datenübertragung erfolgen. Der Arbeitgeber soll durch den Prüfbescheid oder das Abschlussgespräch zur Prüfung Hinweise zu den beanstandeten Sachverhalten erhalten, um in den weiteren Verfahren fehlerhafte Angaben zu vermeiden. Die Mitteilung ist vom Arbeitgeber bis zur nächsten Prüfung aufzubewahren. In den Fällen des § 28p Abs. 1a Satz 6 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch sind der Künstlersozialkasse die Prüfberichte und Prüfbescheide zu übersenden. Für das Ergebnis der Prüfung nach § 166 Abs. 2 des Siebten Buches gelten die Sätze 1 bis 3 entsprechend. Die Feststellungen zu den Arbeitsentgelten, die bei der Berechnung der Beiträge nach dem Siebten Buch Sozialgesetzbuch zu berücksichtigen sind, und deren Zuordnung zu den Gefahrtarifstellen sind den zuständigen Unfallversicherungsträgern zu übersenden.
(1) Die Beteiligten können bei der Deutschen Rentenversicherung Bund schriftlich oder elektronisch eine Entscheidung beantragen, ob bei einem Auftragsverhältnis eine Beschäftigung oder eine selbständige Tätigkeit vorliegt, es sei denn, die Einzugsstelle oder ein anderer Versicherungsträger hatte im Zeitpunkt der Antragstellung bereits ein Verfahren zur Feststellung von Versicherungspflicht auf Grund einer Beschäftigung eingeleitet. Die Einzugsstelle hat einen Antrag nach Satz 1 zu stellen, wenn sich aus der Meldung des Arbeitgebers (§ 28a) ergibt, dass der Beschäftigte Ehegatte, Lebenspartner oder Abkömmling des Arbeitgebers oder geschäftsführender Gesellschafter einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung ist.
(2) Die Deutsche Rentenversicherung Bund entscheidet auf Grund einer Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalles, ob eine Beschäftigung oder eine selbständige Tätigkeit vorliegt. Wird die vereinbarte Tätigkeit für einen Dritten erbracht und liegen Anhaltspunkte dafür vor, dass der Auftragnehmer in dessen Arbeitsorganisation eingegliedert ist und dessen Weisungen unterliegt, stellt sie bei Vorliegen einer Beschäftigung auch fest, ob das Beschäftigungsverhältnis zu dem Dritten besteht. Der Dritte kann bei Vorliegen von Anhaltspunkten im Sinne des Satzes 2 ebenfalls eine Entscheidung nach Absatz 1 Satz 1 beantragen. Bei der Beurteilung von Versicherungspflicht auf Grund des Auftragsverhältnisses sind andere Versicherungsträger an die Entscheidungen der Deutschen Rentenversicherung Bund gebunden.
(3) Die Deutsche Rentenversicherung Bund teilt den Beteiligten schriftlich oder elektronisch mit, welche Angaben und Unterlagen sie für ihre Entscheidung benötigt. Sie setzt den Beteiligten eine angemessene Frist, innerhalb der diese die Angaben zu machen und die Unterlagen vorzulegen haben.
(4) Die Deutsche Rentenversicherung Bund teilt den Beteiligten mit, welche Entscheidung sie zu treffen beabsichtigt, bezeichnet die Tatsachen, auf die sie ihre Entscheidung stützen will, und gibt den Beteiligten Gelegenheit, sich zu der beabsichtigten Entscheidung zu äußern. Satz 1 gilt nicht, wenn die Deutsche Rentenversicherung Bund einem übereinstimmenden Antrag der Beteiligten entspricht.
(4a) Auf Antrag der Beteiligten entscheidet die Deutsche Rentenversicherung Bund bereits vor Aufnahme der Tätigkeit nach Absatz 2. Neben den schriftlichen Vereinbarungen sind die beabsichtigten Umstände der Vertragsdurchführung zu Grunde zu legen. Ändern sich die schriftlichen Vereinbarungen oder die Umstände der Vertragsdurchführung bis zu einem Monat nach der Aufnahme der Tätigkeit, haben die Beteiligten dies unverzüglich mitzuteilen. Ergibt sich eine wesentliche Änderung, hebt die Deutsche Rentenversicherung Bund die Entscheidung nach Maßgabe des § 48 des Zehnten Buches auf. Die Aufnahme der Tätigkeit gilt als Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse.
(4b) Entscheidet die Deutsche Rentenversicherung Bund in einem Einzelfall über den Erwerbsstatus, äußert sie sich auf Antrag des Auftraggebers gutachterlich zu dem Erwerbsstatus von Auftragnehmern in gleichen Auftragsverhältnissen. Auftragsverhältnisse sind gleich, wenn die vereinbarten Tätigkeiten ihrer Art und den Umständen der Ausübung nach übereinstimmen und ihnen einheitliche vertragliche Vereinbarungen zu Grunde liegen. In der gutachterlichen Äußerung sind die Art der Tätigkeit, die zu Grunde gelegten vertraglichen Vereinbarungen und die Umstände der Ausübung sowie ihre Rechtswirkungen anzugeben. Bei Abschluss eines gleichen Auftragsverhältnisses hat der Auftraggeber dem Auftragnehmer eine Kopie der gutachterlichen Äußerung auszuhändigen. Der Auftragnehmer kann für gleiche Auftragsverhältnisse mit demselben Auftraggeber ebenfalls eine gutachterliche Äußerung beantragen.
(4c) Hat die Deutsche Rentenversicherung Bund in einer gutachterlichen Äußerung nach Absatz 4b das Vorliegen einer selbständigen Tätigkeit angenommen und stellt sie in einem Verfahren nach Absatz 1 oder ein anderer Versicherungsträger in einem Verfahren auf Feststellung von Versicherungspflicht für ein gleiches Auftragsverhältnis eine Beschäftigung fest, so tritt eine Versicherungspflicht auf Grund dieser Beschäftigung erst mit dem Tag der Bekanntgabe dieser Entscheidung ein, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 5 Satz 1 Nummer 2 erfüllt sind. Im Übrigen findet Absatz 5 Satz 1 keine Anwendung. Satz 1 gilt nur für Auftragsverhältnisse, die innerhalb von zwei Jahren seit Zugang der gutachterlichen Äußerung geschlossen werden. Stellt die Deutsche Rentenversicherung Bund die Beschäftigung in einem Verfahren nach Absatz 1 fest, so entscheidet sie auch darüber, ob die Voraussetzungen des Absatzes 5 Satz 1 Nummer 2 erfüllt sind.
(5) Wird der Antrag auf Feststellung des Erwerbsstatus innerhalb eines Monats nach Aufnahme der Tätigkeit gestellt und stellt die Deutsche Rentenversicherung Bund eine Beschäftigung fest, gilt der Tag der Bekanntgabe der Entscheidung als Tag des Eintritts in das Beschäftigungsverhältnis, wenn der Beschäftigte
- 1.
zustimmt und - 2.
er für den Zeitraum zwischen Aufnahme der Beschäftigung und der Entscheidung eine Absicherung gegen das finanzielle Risiko von Krankheit und zur Altersvorsorge vorgenommen hat, die der Art nach den Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung und der gesetzlichen Rentenversicherung entspricht.
(6) Widerspruch und Klage gegen Entscheidungen nach den Absätzen 2 und 4a haben aufschiebende Wirkung. Im Widerspruchsverfahren können die Beteiligten nach Begründung des Widerspruchs eine mündliche Anhörung beantragen, die gemeinsam mit den anderen Beteiligten erfolgen soll. Eine Klage auf Erlass der Entscheidung ist abweichend von § 88 Absatz 1 des Sozialgerichtsgesetzes nach Ablauf von drei Monaten zulässig.
(7) Absatz 2 Satz 2 und 3, Absätze 4a bis 4c und Absatz 6 Satz 2 treten mit Ablauf des 30. Juni 2027 außer Kraft. Die Deutsche Rentenversicherung Bund legt dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales bis zum 31. Dezember 2025 einen Bericht über die Erfahrungen bei der Anwendung des Absatzes 2 Satz 2 und 3, der Absätze 4a bis 4c und des Absatzes 6 Satz 2 vor.
(1) Ansprüche auf Beiträge verjähren in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahrs, in dem sie fällig geworden sind. Ansprüche auf vorsätzlich vorenthaltene Beiträge verjähren in dreißig Jahren nach Ablauf des Kalenderjahrs, in dem sie fällig geworden sind.
(2) Für die Hemmung, die Ablaufhemmung, den Neubeginn und die Wirkung der Verjährung gelten die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs sinngemäß. Die Verjährung ist für die Dauer einer Prüfung beim Arbeitgeber gehemmt; diese Hemmung der Verjährung bei einer Prüfung gilt auch gegenüber den auf Grund eines Werkvertrages für den Arbeitgeber tätigen Nachunternehmern und deren weiteren Nachunternehmern. Satz 2 gilt nicht, wenn die Prüfung unmittelbar nach ihrem Beginn für die Dauer von mehr als sechs Monaten aus Gründen unterbrochen wird, die die prüfende Stelle zu vertreten hat. Die Hemmung beginnt mit dem Tag des Beginns der Prüfung beim Arbeitgeber oder bei der vom Arbeitgeber mit der Lohn- und Gehaltsabrechnung beauftragten Stelle und endet mit der Bekanntgabe des Beitragsbescheides, spätestens nach Ablauf von sechs Kalendermonaten nach Abschluss der Prüfung. Kommt es aus Gründen, die die prüfende Stelle nicht zu vertreten hat, zu einem späteren Beginn der Prüfung, beginnt die Hemmung mit dem in der Prüfungsankündigung ursprünglich bestimmten Tag. Die Sätze 2 bis 5 gelten für Prüfungen der Beitragszahlung bei sonstigen Versicherten, in Fällen der Nachversicherung und bei versicherungspflichtigen Selbständigen entsprechend. Die Sätze 1 bis 5 gelten auch für Prüfungen nach § 28q Absatz 1 und 1a sowie nach § 251 Absatz 5 und § 252 Absatz 5 des Fünften Buches.
(1) Die Beteiligten können bei der Deutschen Rentenversicherung Bund schriftlich oder elektronisch eine Entscheidung beantragen, ob bei einem Auftragsverhältnis eine Beschäftigung oder eine selbständige Tätigkeit vorliegt, es sei denn, die Einzugsstelle oder ein anderer Versicherungsträger hatte im Zeitpunkt der Antragstellung bereits ein Verfahren zur Feststellung von Versicherungspflicht auf Grund einer Beschäftigung eingeleitet. Die Einzugsstelle hat einen Antrag nach Satz 1 zu stellen, wenn sich aus der Meldung des Arbeitgebers (§ 28a) ergibt, dass der Beschäftigte Ehegatte, Lebenspartner oder Abkömmling des Arbeitgebers oder geschäftsführender Gesellschafter einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung ist.
(2) Die Deutsche Rentenversicherung Bund entscheidet auf Grund einer Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalles, ob eine Beschäftigung oder eine selbständige Tätigkeit vorliegt. Wird die vereinbarte Tätigkeit für einen Dritten erbracht und liegen Anhaltspunkte dafür vor, dass der Auftragnehmer in dessen Arbeitsorganisation eingegliedert ist und dessen Weisungen unterliegt, stellt sie bei Vorliegen einer Beschäftigung auch fest, ob das Beschäftigungsverhältnis zu dem Dritten besteht. Der Dritte kann bei Vorliegen von Anhaltspunkten im Sinne des Satzes 2 ebenfalls eine Entscheidung nach Absatz 1 Satz 1 beantragen. Bei der Beurteilung von Versicherungspflicht auf Grund des Auftragsverhältnisses sind andere Versicherungsträger an die Entscheidungen der Deutschen Rentenversicherung Bund gebunden.
(3) Die Deutsche Rentenversicherung Bund teilt den Beteiligten schriftlich oder elektronisch mit, welche Angaben und Unterlagen sie für ihre Entscheidung benötigt. Sie setzt den Beteiligten eine angemessene Frist, innerhalb der diese die Angaben zu machen und die Unterlagen vorzulegen haben.
(4) Die Deutsche Rentenversicherung Bund teilt den Beteiligten mit, welche Entscheidung sie zu treffen beabsichtigt, bezeichnet die Tatsachen, auf die sie ihre Entscheidung stützen will, und gibt den Beteiligten Gelegenheit, sich zu der beabsichtigten Entscheidung zu äußern. Satz 1 gilt nicht, wenn die Deutsche Rentenversicherung Bund einem übereinstimmenden Antrag der Beteiligten entspricht.
(4a) Auf Antrag der Beteiligten entscheidet die Deutsche Rentenversicherung Bund bereits vor Aufnahme der Tätigkeit nach Absatz 2. Neben den schriftlichen Vereinbarungen sind die beabsichtigten Umstände der Vertragsdurchführung zu Grunde zu legen. Ändern sich die schriftlichen Vereinbarungen oder die Umstände der Vertragsdurchführung bis zu einem Monat nach der Aufnahme der Tätigkeit, haben die Beteiligten dies unverzüglich mitzuteilen. Ergibt sich eine wesentliche Änderung, hebt die Deutsche Rentenversicherung Bund die Entscheidung nach Maßgabe des § 48 des Zehnten Buches auf. Die Aufnahme der Tätigkeit gilt als Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse.
(4b) Entscheidet die Deutsche Rentenversicherung Bund in einem Einzelfall über den Erwerbsstatus, äußert sie sich auf Antrag des Auftraggebers gutachterlich zu dem Erwerbsstatus von Auftragnehmern in gleichen Auftragsverhältnissen. Auftragsverhältnisse sind gleich, wenn die vereinbarten Tätigkeiten ihrer Art und den Umständen der Ausübung nach übereinstimmen und ihnen einheitliche vertragliche Vereinbarungen zu Grunde liegen. In der gutachterlichen Äußerung sind die Art der Tätigkeit, die zu Grunde gelegten vertraglichen Vereinbarungen und die Umstände der Ausübung sowie ihre Rechtswirkungen anzugeben. Bei Abschluss eines gleichen Auftragsverhältnisses hat der Auftraggeber dem Auftragnehmer eine Kopie der gutachterlichen Äußerung auszuhändigen. Der Auftragnehmer kann für gleiche Auftragsverhältnisse mit demselben Auftraggeber ebenfalls eine gutachterliche Äußerung beantragen.
(4c) Hat die Deutsche Rentenversicherung Bund in einer gutachterlichen Äußerung nach Absatz 4b das Vorliegen einer selbständigen Tätigkeit angenommen und stellt sie in einem Verfahren nach Absatz 1 oder ein anderer Versicherungsträger in einem Verfahren auf Feststellung von Versicherungspflicht für ein gleiches Auftragsverhältnis eine Beschäftigung fest, so tritt eine Versicherungspflicht auf Grund dieser Beschäftigung erst mit dem Tag der Bekanntgabe dieser Entscheidung ein, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 5 Satz 1 Nummer 2 erfüllt sind. Im Übrigen findet Absatz 5 Satz 1 keine Anwendung. Satz 1 gilt nur für Auftragsverhältnisse, die innerhalb von zwei Jahren seit Zugang der gutachterlichen Äußerung geschlossen werden. Stellt die Deutsche Rentenversicherung Bund die Beschäftigung in einem Verfahren nach Absatz 1 fest, so entscheidet sie auch darüber, ob die Voraussetzungen des Absatzes 5 Satz 1 Nummer 2 erfüllt sind.
(5) Wird der Antrag auf Feststellung des Erwerbsstatus innerhalb eines Monats nach Aufnahme der Tätigkeit gestellt und stellt die Deutsche Rentenversicherung Bund eine Beschäftigung fest, gilt der Tag der Bekanntgabe der Entscheidung als Tag des Eintritts in das Beschäftigungsverhältnis, wenn der Beschäftigte
- 1.
zustimmt und - 2.
er für den Zeitraum zwischen Aufnahme der Beschäftigung und der Entscheidung eine Absicherung gegen das finanzielle Risiko von Krankheit und zur Altersvorsorge vorgenommen hat, die der Art nach den Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung und der gesetzlichen Rentenversicherung entspricht.
(6) Widerspruch und Klage gegen Entscheidungen nach den Absätzen 2 und 4a haben aufschiebende Wirkung. Im Widerspruchsverfahren können die Beteiligten nach Begründung des Widerspruchs eine mündliche Anhörung beantragen, die gemeinsam mit den anderen Beteiligten erfolgen soll. Eine Klage auf Erlass der Entscheidung ist abweichend von § 88 Absatz 1 des Sozialgerichtsgesetzes nach Ablauf von drei Monaten zulässig.
(7) Absatz 2 Satz 2 und 3, Absätze 4a bis 4c und Absatz 6 Satz 2 treten mit Ablauf des 30. Juni 2027 außer Kraft. Die Deutsche Rentenversicherung Bund legt dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales bis zum 31. Dezember 2025 einen Bericht über die Erfahrungen bei der Anwendung des Absatzes 2 Satz 2 und 3, der Absätze 4a bis 4c und des Absatzes 6 Satz 2 vor.
Wird der gegen einen Verwaltungsakt gegebene Rechtsbehelf nicht oder erfolglos eingelegt, so ist der Verwaltungsakt für die Beteiligten in der Sache bindend, soweit durch Gesetz nichts anderes bestimmt ist.
Tenor
-
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 18. Februar 2011 wird zurückgewiesen.
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Die Klägerin trägt auch die Kosten des Revisionsverfahrens.
-
Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf 15 830,54 Euro festgesetzt.
Tatbestand
- 1
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Die Beteiligten streiten über die Erstattung von der Klägerin getragener Beiträge zur Arbeitslosenversicherung.
- 2
-
Die Klägerin betreibt in der Rechtsform einer GmbH ua einen Spezialgroßhandel für Brems- und Betätigungszüge. Einer von zwei Geschäftsführern war seit 25.2.1980 (Gründung der Gesellschaft) der Gesellschafter L. (im Folgenden: L.), der bis 26.2.1995 37,5 vH, vom 27.2.1995 bis 11.5.1997 62,5 vH und seitdem (wieder) 37,5 vH der Gesellschaftsanteile hielt. Während des gesamten Zeitraums verfügte L. bei wichtigen Beschlüssen der Gesellschafterversammlung über eine sog Sperrminorität, weil diese Beschlüsse der Zustimmung von mindestens 80 vH der in der Gesellschafterversammlung abgegebenen Stimmen bedurften. Die Klägerin entrichtete für L. vom 25.2.1980 bis 31.12.1999 Beiträge zur Renten- und Arbeitslosenversicherung.
- 3
-
Am 20.10.1997 führte die AOK - Die Gesundheitskasse in Hessen (im Folgenden AOK) als Einzugsstelle eine Betriebsprüfung (Arbeitgeberprüfung) bei der Klägerin durch (Prüfzeitraum 1.10.1993 bis 31.12.1996). In einer aus Anlass der Abschlussbesprechung vom Steuerberater der Klägerin gefertigten Aktennotiz heißt es: Zwar habe der Mitarbeiter der AOK erwähnt, "dass eventuell zu prüfen sei, ob die Sozialversicherungspflicht für die beiden Gesellschafter korrekt ist, bzw. ob es zu einer Versicherungsfreiheit kommen kann". Der Mitarbeiter habe "dieses Thema aber nicht mehr weiter verfolgt, da auch noch die Erben H. an der Gesellschaft beteiligt waren". Die AOK verwies hierzu darauf, dass die Prüfung der Versicherungspflicht der beiden Geschäftsführer der Klägerin als Gesellschafter-Geschäftsführer nicht Gegenstand der im Jahr 1997 durchgeführten Betriebsprüfung gewesen sei. Die Einzugsstelle habe sich bei der Prüfung auf Stichproben beschränken dürfen. Im Anschluss an eine (weitere) Betriebsprüfung durch die LVA Hessen am 5.6.2001 trug die Prüferin im Protokoll der Schlussbesprechung ein, dass für L. ab 1.1.2000 keine Beiträge zur Sozialversicherung mehr abgeführt würden, "obwohl dem Grunde nach Sozialversicherungspflicht besteht".
- 4
-
Mit bestandskräftigem Bescheid vom 28.11.2001 stellte die AOK als Einzugsstelle gegenüber der Klägerin fest, dass L. in seiner Tätigkeit als Geschäftsführer ab 25.2.1980 nicht wegen einer Beschäftigung der Sozialversicherungspflicht unterliege.
- 5
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Am 18.12.2001 beantragte die Klägerin bei der AOK, ihr die vom 25.2.1980 bis 31.12.1999 für L. gezahlten "Beiträge" zur Arbeitslosenversicherung zu erstatten. Die AOK leitete den Antrag unter Hinweis auf eine in Betracht kommende Verjährung zuständigkeitshalber an die Rechtsvorgängerin der beklagten Bundesagentur für Arbeit (im Folgenden: Beklagte) weiter. Mit zwei Bescheiden vom 11.6.2002 stellte die Beklagte gegenüber der Klägerin und L. fest, dass die von der Klägerin zur Arbeitslosenversicherung gezahlten Beiträge in voller Höhe zu Unrecht entrichtet worden seien, und setzte den Erstattungsbetrag für die Zeit vom 1.12.1996 bis 31.12.1999 auf jeweils 9785,10 DM (= 5003,04 Euro) fest. Für die Zeit vor dem 1.12.1996 lehnte sie eine Erstattung ab, weil der Erstattungsanspruch insoweit verjährt und sie nicht verpflichtet sei, im Wege einer Ermessensentscheidung auf die Einrede der Verjährung zu verzichten; die Beitragsüberzahlung sei nämlich nicht auf fehlerhaftes Verwaltungshandeln zurückzuführen. Den Widerspruch der Klägerin wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 18.11.2002 zurück.
- 6
-
Die Klägerin hat Klage erhoben und begehrt, die Beklagte unter Abänderung der angefochtenen Bescheide zu verurteilen, an sie die für L. "für die Zeit vom 25.2.1980 bis zum 30.11.2001 gezahlten Beiträge in Höhe von 94 326,25 Euro abzüglich bereits gezahlter 5003,04 Euro zu erstatten". Das SG hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 30.10.2007). Die Klägerin hat hiergegen Berufung eingelegt und beantragt, die Beklagte unter Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils und Abänderung der angefochtenen Bescheide zu verurteilen, "ihr gezahlte Beiträge in Höhe von weiteren 89 323,21 Euro für den Zeitraum vom 25.2.1980 bis zum 30.11.1996 zu erstatten". Das LSG hat die Berufung zurückgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Die Beklagte habe sich ermessensfehlerfrei auf die Einrede der Verjährung berufen. Das SG habe die Rechtsfolgen durchgeführter Betriebsprüfungen unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BSG zutreffend dargestellt. Betriebsprüfungen bezweckten danach nicht, den Arbeitgeber als Beitragsschuldner zu schützen und ihm "Entlastung" zu erteilen. Vielmehr liege es primär in der Verantwortung des Arbeitgebers, den Versicherungsstatus seiner Mitarbeiter richtig zu beurteilen. In Zweifelsfällen sei der zuständige Versicherungsträger oder die Einzugsstelle zu befragen und ein Feststellungsverfahren einzuleiten. Bei Klein- oder Kleinstbetrieben (mit nur sehr wenigen oder überhaupt keinen weiteren Arbeitnehmern) bestehe keine weitergehende Prüfungspflicht; eine solche lasse sich weder den Vorschriften des SGB IV noch der Beitragsüberwachungsverordnung (BeitrÜV) entnehmen. Auch hier dürfe sich eine Betriebsprüfung infolgedessen auf Stichproben beschränken, sodass einzelne gemeldete Mitarbeiter von der Prüfung ausgeschlossen bleiben könnten. Anlass, die Umstände der im Jahr 1997 durchgeführten Betriebsprüfung weiter aufzuklären, gebe es nicht (Urteil vom 18.2.2011).
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Mit ihrer Revision rügt die Klägerin sinngemäß die Verletzung von § 27 Abs 2 S 1 SGB IV sowie der für eine Prüfung der Sozialversicherungsträger bei den Arbeitgebern geltenden Vorschriften. Die Erhebung der Verjährungseinrede durch die Beklagte sei "rechtsmissbräuchlich". Bei den vorangegangenen Betriebsprüfungen habe sich die Sozialverwaltung nicht auf stichprobenartige Prüfungen beschränken dürfen. Jedenfalls für Kleinbetriebe müssten andere Maßstäbe gelten. Ein Kleinbetrieb, der - wie sie - nur wenige Mitarbeiter habe, könne erwarten, dass ein Betriebsprüfer die Sozialversicherungspflicht dieser Mitarbeiter vollständig und verlässlich beurteile. Insoweit sei der vom LSG Rheinland-Pfalz in seinem Urteil vom 25.8.2005 (L 1 AL 5/05 - Juris = NZA 2006, 534) vertretenen Auffassung zu folgen. Soweit es um die begriffliche Abgrenzung des Kleinbetriebs von sonstigen Betrieben gehe, könne an die Vorstellungen des Gesetzgebers im Kündigungsschutzgesetz angeknüpft werden. Es sei unerträglich, dass Betriebsprüfer bei fehlerhafter Prüfung keiner Haftung unterlägen und sich darüber hinaus die Sozialverwaltung - einerseits - gegen eine Beitragserstattung durch die Verjährungseinrede schützen könne, während sie - andererseits - die Zahlung von Arbeitslosengeld verweigern dürfe.
- 8
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Die Klägerin beantragt,
die Urteile des Hessischen Landessozialgerichts vom 18. Februar 2011 und des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 30. Oktober 2007 aufzuheben und die Beklagte unter Änderung ihres Bescheides vom 11. Juni 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. November 2002 zu verurteilen, ihr weitere 15 830,54 Euro zu erstatten.
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Die Beklagte beantragt,
die Revision der Klägerin zurückzuweisen.
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Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Die Erhebung der Verjährungseinrede stelle keine unzulässige Rechtsausübung dar. Nach der Rechtsprechung des BSG begründeten auch bei Kleinbetrieben durchgeführte Betriebsprüfungen keinen Vertrauensschutz.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Revision der Klägerin ist unbegründet.
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Zutreffend hat das LSG ihre Berufung gegen das die Klage abweisende Urteil des SG zurückgewiesen. Die Klägerin kann von der beklagten Bundesagentur für Arbeit die Erstattung der von ihr als Arbeitgeberin für die Zeit vom 25.2.1980 bis 30.11.1996 für den Gesellschafter-Geschäftsführer L. getragenen Beiträge zur Arbeitslosenversicherung nicht verlangen. Die Beklagte hat die Erfüllung des bestehenden Erstattungsanspruchs zu Recht verweigert; ihre Entscheidung, hinsichtlich dieser Beiträge die Einrede der Verjährung zu erheben, ist rechtlich nicht zu beanstanden. Der Bescheid der Beklagten vom 11.6.2002 in der Gestalt ihres Widerspruchsbescheides vom 18.11.2002 ist daher (auch) insoweit rechtmäßig.
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1. Gegenstand des Rechtsstreits ist der - an die Klägerin gerichtete - Bescheid vom 11.6.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.11.2002 nur noch insoweit, als die Beklagte darin den Erstattungsantrag der Klägerin - hinsichtlich der für L. gezahlten Beiträge zur Arbeitslosenversicherung für die Zeit vom 25.2.1980 bis 30.11.1996 - abgelehnt hat. Zu überprüfen ist darüber hinaus lediglich, ob die Klägerin die Erstattung der (in diesem Zeitraum) von ihr getragenen Beiträge (vgl § 26 Abs 3 S 1 SGB IV iVm § 185a Abs 1 S 2 Arbeitsförderungsgesetz
) , also der Arbeitgeberanteile, verlangen kann. Nicht (mehr) Gegenstand des Rechtsstreits ist - was die Klägerin mit ihrem ursprünglichen Klageantrag ebenfalls begehrt hat - nach entsprechender Beschränkung des Klagebegehrens die Erstattung der für die Zeit vom 25.2.1980 bis 30.11.1996 von ihr getragenen Beiträge zur Rentenversicherung.
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2. Die Klägerin kann von der Beklagten die Arbeitgeberanteile der für die Zeit vom 25.2.1980 bis 30.11.1996 für L. entrichteten Beiträge zur Arbeitslosenversicherung nicht erstattet verlangen. Zwar war(en) ihr(e) Anspruch (Ansprüche) auf Beitragserstattung insoweit entstanden - und fällig geworden - (dazu a); er (sie) war(en) jedoch für die zwischen 1980 und November 1996 entrichteten Beiträge verjährt (dazu b). Die Beklagte macht auch beanstandungsfrei die Einrede der Verjährung geltend und ist deshalb zur Verweigerung der Erstattung berechtigt (dazu c).
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a) Nach § 26 Abs 2 Halbs 1 SGB IV bzw dem für das Recht der Arbeitsförderung bis zum 31.12.1997 geltenden - mit § 26 Abs 2 Halbs 1 SGB IV nahezu textidentischen - § 185a Abs 1 S 1 AFG(vgl zum Zeitpunkt des Entstehens von Beitragserstattungsansprüchen allgemein BSG SozR 3-2400 § 28 Nr 1 S 4) sind zu Unrecht entrichtete Beiträge (zur Arbeitslosenversicherung) zu erstatten; eine Erstattung solcher Beiträge kommt nach § 26 Abs 2 Halbs 1 SGB IV nur dann in Betracht, wenn der Versicherungsträger bis zur Geltendmachung des Erstattungsanspruchs aufgrund dieser Beiträge oder für den Zeitraum, für den die Beiträge zu Unrecht entrichtet worden sind, keine Leistungen erbracht oder zu erbringen hat (sog Verfallklausel). Gemäß § 26 Abs 3 S 1 SGB IV(iVm § 185a Abs 1 S 2 AFG) steht der Erstattungsanspruch demjenigen zu, der die Beiträge getragen hat.
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Die von der Klägerin für L. im streitigen Zeitraum getragenen und gezahlten Beiträge zur Arbeitslosenversicherung wurden von ihr iS von § 26 Abs 2 Halbs 1 SGB IV bzw § 185a Abs 1 S 1 AFG zu Unrecht entrichtet; denn mit bestandskräftigem Bescheid vom 28.11.2001 stellte die Einzugsstelle fest, dass L. in seiner für die Klägerin ausgeübten Tätigkeit als Geschäftsführer ab 25.2.1980 nicht wegen Beschäftigung der Sozialversicherungspflicht - und im Recht der Arbeitsförderung der Beitragspflicht - unterliegt. Die Klägerin hat ihren Beitragserstattungsanspruch erstmals im Dezember 2001 geltend gemacht; bis zu diesem Zeitpunkt wurden von der Beklagten Leistungen an L. nicht erbracht bzw waren nicht zu erbringen. Die Beklagte erfüllte den Beitragserstattungsanspruch bzw die Beitragserstattungsansprüche für die von Dezember 1996 bis Dezember 1999 entrichteten Beiträge durch entsprechende Zahlung.
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Die für die Zeit vom 25.2.1980 bis 30.11.1996 entrichteten Beiträge zur Arbeitslosenversicherung wurden von der Klägerin nicht etwa (bereits) deshalb gleichwohl zu Recht entrichtet, weil - wie die Beklagte einwendet - in der Vergangenheit bei früheren Betriebsprüfungen (Arbeitgeberprüfungen) ein für diese verbindlicher (§ 77 SGG) Verwaltungsakt über die Feststellung der Versicherungspflicht bzw - im Bereich der Arbeitslosenversicherung - der Beitragspflicht des L. ab 25.2.1980 ergangen sein könnte; ein solcher Verwaltungsakt wäre dann nämlich (weiterhin) Rechtsgrund für die Tragung der Beiträge und ließe einen Beitragserstattungsanspruch (schon gar) nicht entstehen mit der Folge, dass über Fragen der Verjährung vorliegend (überhaupt) nicht entschieden werden müsste (vgl zu einem solchen Fall BSG SozR 4-2400 § 27 Nr 2). Nach den Feststellungen des LSG waren bei früheren Betriebsprüfungen durch Einzugsstellen oder Rentenversicherungsträger konkret die Versicherungspflicht bzw Beitragspflicht des L. und die Richtigkeit der Beitragszahlungen feststellende, also der materiellen Bindung fähige personenbezogene Bescheide für einen bestimmten Zeitraum (vgl hierzu BSG SozR 4-2400 § 27 Nr 1 RdNr 20; auch BSG-Urteil vom 29.7.2003 - B 12 AL 3/03 R - AuB 2003, 341) nicht ergangen. Zwar hat das Berufungsgericht von (weiteren) Ermittlungen zu der im Oktober 1997 (für den Prüfzeitraum 1.10.1993 bis 31.12.1996) von der Einzugsstelle durchgeführten Betriebsprüfung abgesehen und nicht (weiter) aufgeklärt, ob und in welchem Umfang die versicherungsrechtlichen Verhältnisse des L. seinerzeit (tatsächlich) vollständig überprüft wurden (bzw Anlass hierfür bestand). Jedenfalls hat das LSG aber festgestellt, dass wegen fehlender Kenntnis der Vertragsgestaltung und tatsächlichen Durchführung der Geschäftsführertätigkeit von einer solchen vollständigen Prüfung abgesehen (und diese - unvollständige - Prüfung damit auch nicht durch einen Verwaltungsakt über die Versicherungspflicht bzw Beitragspflicht in der Arbeitslosenversicherung und die Beitragshöhe abgeschlossen) wurde. Im Übrigen wären bei früheren Betriebsprüfungen ergangene Bescheide der Einzugsstelle zur Versicherungspflicht bzw Beitragspflicht des L. durch den Bescheid der Einzugsstelle vom 18.12.2001 mit Rückwirkung ab 25.2.1980 schlüssig aufgehoben worden (siehe - zu einer vergleichbaren Konstellation - BSG SozR 4-2400 § 27 Nr 2 RdNr 13).
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b) Die hier geltend gemachten entstandenen Erstattungsansprüche hinsichtlich der für die Zeit vom 25.2.1980 bis 30.11.1996 entrichteten Beiträge zur Arbeitslosenversicherung sind verjährt.
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Nach § 27 Abs 2 S 1 SGB IV(iVm § 185a Abs 1 S 2 AFG)verjährt der Anspruch auf Erstattung von Beiträgen zur Arbeitslosenversicherung in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Beiträge entrichtet worden sind. § 27 Abs 2 S 2 SGB IV, wonach die Verjährung erst mit Ablauf des Kalenderjahrs einer Beitragsbeanstandung durch den Versicherungsträger beginnt, findet in der Arbeitslosenversicherung keine Anwendung(vgl BSG SozR 4-2400 § 27 Nr 1 RdNr 9, und BSG Urteil vom 29.7.2003 - B 12 AL 3/03 R - AuB 2003, 341; ferner BSGE 99, 271 = SozR 4-2400 § 27 Nr 3, RdNr 11; nunmehr ausdrücklich § 351 Abs 1 S 2 SGB III). Die Verjährungsvorschriften bedürfen für den besonderen Zusammenhang des Beitragsrechts in der Arbeitslosenversicherung keiner Modifikation (vgl BSG SozR 4-2400 § 27 Nr 1 RdNr 10 ff; BSG Urteil vom 29.7.2003 - B 12 AL 3/03 R - AuB 2003, 341; BSGE 99, 271 = SozR 4-2400 § 27 Nr 3, RdNr 11). Auch ist - entgegen der von der Klägerin vertretenen Auffassung - ihre Unkenntnis von den Beitragserstattungsansprüchen und damit die Möglichkeit, diese (rechtzeitig) geltend zu machen, für die Frage der Verjährung ohne Bedeutung (vgl BSG SozR 4-2400 § 27 Nr 1 RdNr 11 mwN; BSG Urteil vom 29.7.2003 - B 12 AL 3/03 R - AuB 2003, 341).
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Die entstandenen Erstattungsansprüche hinsichtlich der bis November 1996 entrichteten Beiträge zur Arbeitslosenversicherung sind demgemäß mit Ablauf des Jahres 2000 insgesamt verjährt. Anhaltspunkte für eine Hemmung oder Unterbrechung der Verjährung nach den sinngemäß geltenden Vorschriften des BGB (vgl § 27 Abs 3 S 1 SGB IV idF bis 31.12.2001 iVm §§ 198 ff BGB aF) sind nicht gegeben. Insbesondere hat die Klägerin einen schriftlichen Antrag auf Erstattung, der die Verjährung unterbrechen konnte (vgl § 27 Abs 3 S 2 SGB IV), erst im Dezember 2001 und damit nach Ablauf des Verjährungszeitraums gestellt.
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c) Die Beklagte war auch, soweit es um die vor Dezember 1996 entrichteten Beiträge zur Arbeitslosenversicherung geht, zur Verweigerung der Beitragserstattung wegen Verjährung berechtigt; sie hat ohne Rechtsfehler die Einrede der Verjährung erhoben.
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Der Verjährungseinrede steht nicht der Einwand unzulässiger Rechtsausübung (venire contra factum proprium) als Unterfall des auch im öffentlichen Recht maßgebenden - und von Amts wegen zu beachtenden - § 242 BGB entgegen. Ob dieser Gesichtspunkt der Berufung auf den Verjährungseintritt bereits tatbestandsmäßig entgegensteht oder erst im Zusammenhang mit dem dem Schuldner nach § 27 Abs 3 S 1 SGB IV iVm § 222 Abs 1 BGB aF zustehenden Ermessen zu beachten ist(vgl zu dieser Frage BSG SozR 4-2400 § 27 Nr 1 RdNr 14 mwN; ferner BSG Urteil vom 29.7.2003 - B 12 AL 3/03 R - AuB 2003, 341), braucht der Senat nicht zu entscheiden. Zutreffend geht das LSG - unter Bezugnahme auf die Entscheidungsgründe des erstinstanzlichen Urteils (§ 153 Abs 2 SGG) - nämlich davon aus, dass aus der Begründung des Bescheides der Beklagten vom 11.6.2002 und ihres Widerspruchsbescheides vom 18.11.2002 jedenfalls (auch) zu entnehmen ist, dass sie ihre Pflicht erkannte, eine Ermessensentscheidung über die Erhebung der Verjährungseinrede zu treffen (vgl BSG SozR 4-2400 § 27 Nr 1 RdNr 15, mwN; BSG Urteil vom 29.7.2003 - B 12 AL 3/03 R - AuB 2003, 341), und eine solche Ermessensentscheidung tatsächlich getroffen hat. Dabei hielt sie sich an ihre Verwaltungsanweisungen, die vorsehen, in Fällen einer "unbilligen Härte" von der Verjährungseinrede abzusehen. Hierzu heißt es in der Durchführungsanweisung der Beklagten zu § 27 SGB IV: "Eine besondere Härte ist im Allgemeinen anzunehmen, wenn die Beitragszahlung deshalb zu Unrecht erfolgt ist, weil sie auf einem fehlerhaften Verwaltungshandeln der BA, der Einzugsstelle oder eines Trägers der Rentenversicherung (letzterer als Prüfinstitution) beruht, dh die fehlerhafte Beitragszahlung muss von einer dieser Stellen nachweislich verursacht worden sein." Dies verneinte die Beklagte für den vorliegenden Zusammenhang zu Recht.
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Für das Ermessen relevante Gesichtspunkte im Sinne einer unbilligen oder besonderen Härte, die ausnahmsweise dazu hätten Anlass geben können, das Interesse der Versichertengemeinschaft, unvorhergesehene Belastungen zu verhindern, hintanzustellen (vgl BSGE 40, 279, 280 = SozR 2200 § 29 Nr 4) und von der Verjährungseinrede abzusehen, liegen nicht vor. Insbesondere ist der (bloße) Umstand, dass in der Vergangenheit von Einzugsstellen oder Rentenversicherungsträgern durchgeführte Betriebsprüfungen (Arbeitgeberprüfungen) hinsichtlich erfolgter Beitragszahlungen ohne Beanstandungen blieben, später aber für bereits geprüfte (abgeschlossene) Zeiträume festgestellt wurde, dass der Mitarbeiter nicht versicherungspflichtig bzw beitragspflichtig war, kein - der Beklagten zuzurechnendes - fehlerhaftes Verwaltungshandeln der Prüfbehörden (dazu aa). Das ist unabhängig von der Betriebsgröße als "Rechtsfolge" auch bei Betriebsprüfungen in kleinen oder Kleinstbetrieben anzunehmen (dazu bb). Jüngere Instanzrechtsprechung "zur Beitragsprüfung", zu "Anforderungen der Rechtsentwicklung" oder "aktuelle rechtliche Bedürfnisse" veranlassen hier nicht zu einer anderen Beurteilung (dazu cc).
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aa) Der Senat hat sich bereits wiederholt - im Zusammenhang mit sog Beitragsnachforderungsfällen (vgl BSGE 47, 194 = SozR 2200 § 1399 Nr 11; BSGE 93, 109 = SozR 4-5375 § 2 Nr 1; BSGE 93, 119 = SozR 4-2400 § 22 Nr 2; BSG SozR 4-2400 § 22 Nr 1) und sog Beitragserstattungsfällen (vgl BSG SozR 4-2400 § 27 Nr 1; BSG Urteil vom 29.7.2003 - B 12 AL 3/03 R - AuB 2003, 341) - mit den "Rechtsfolgen" von Betriebsprüfungen befasst, bei denen es zunächst keine Beanstandungen gab, sich später jedoch herausstellte, dass die Versicherungs- und/oder Beitragspflicht von Mitarbeitern vom geprüften Arbeitgeber schon im Prüfzeitraum unzutreffend beurteilt wurden, dieses im Rahmen der Betriebsprüfung aber nicht aufgefallen war. Aus dieser Rechtsprechung ergibt sich als grundlegende Erkenntnis, dass Arbeitgeber (und Arbeitnehmer) aus solchen Betriebsprüfungen keine weitergehenden Rechte herleiten können, weil Betriebsprüfungen unmittelbar im Interesse der Versicherungsträger und mittelbar im Interesse der Versicherten nur den Zweck haben, die Beitragsentrichtung zu einzelnen Zweigen der Sozialversicherung zu sichern (vgl stellvertretend BSGE 93, 119 = SozR 4-2400 § 22 Nr 2, jeweils RdNr 36, mwN
; BSG SozR 4-2400 § 27 Nr 1 RdNr 20 . Eine über diese Kontrollfunktion hinausgehende Bedeutung kommt den Betriebsprüfungen nicht zu und kann ihnen schon deshalb nicht zukommen, weil die Betriebsprüfung nicht umfassend oder erschöpfend zu sein braucht und sich auf bestimmte Einzelfälle oder Stichproben beschränken darf (vgl BSG SozR 4-2400 § 27 Nr 1 RdNr 19 mwN). Betriebsprüfungen - ebenso wie das Ergebnis der Prüfung festhaltende Prüfberichte der Versicherungsträger - bezwecken insbesondere nicht, den Arbeitgeber als Beitragsschuldner zu schützen oder ihm etwa - mit Außenwirkung - "Entlastung" zu erteilen (vgl BSGE 47, 194, 198 = SozR 2200 § 1399 Nr 11). Eine materielle Bindungswirkung kann sich lediglich dann und insoweit ergeben, als Versicherungs- und/oder Beitragspflicht (und Beitragshöhe) im Rahmen der Prüfung personenbezogen für bestimmte Zeiträume durch gesonderten Verwaltungsakt festgestellt wurden (vgl BSG SozR 4-2400 § 27 Nr 1 RdNr 20; BSG Urteil vom 29.7.2003 - B 12 AL 3/03 R - AuB 2003, 341). Hiervon ausgehend hat der Senat bei unterbliebenen Beanstandungen in Beitragsnachforderungsfällen das Bestehen einer Vertrauensgrundlage für den Arbeitgeber (und den Arbeitnehmer) bzw eines vertrauensbegründenden (Verwirkungs-)Verhaltens des prüfenden Versicherungsträgers (vgl BSGE 47, 194, 196 ff = SozR 2200 § 1399 Nr 11) und in Beitragserstattungsfällen das Vorliegen eines eigenen oder zuzurechnenden fehlerhaften Verwaltungshandelns der Prüfbehörde (vgl BSG SozR 4-2400 § 27 Nr 1 RdNr 21) verneint.)
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Ist die Beurteilung der sozialversicherungsrechtlichen Verhältnisse eines Mitarbeiters für den Arbeitgeber (oder Arbeitnehmer) zweifelhaft, so stehen ihm nämlich mehrere Möglichkeiten offen, Rechtsklarheit zu erlangen. Er kann gemäß § 28h Abs 2 S 1 SGB IV rechtzeitig eine Entscheidung der Beitragseinzugsstelle über die Versicherungs- und/oder Beitragspflicht des Mitarbeiters durch Verwaltungsakt herbeiführen(vgl BSG SozR 4-2400 § 27 Nr 1 RdNr 20; BSG SozR 3-2400 § 26 Nr 7 S 35). An diese Entscheidung sind die Versicherungsträger nach Maßgabe der §§ 44 ff SGB X gebunden(§ 77 SGG). Mit dem gleichen Ziel kann heute der Weg des Anfrageverfahrens nach § 7a SGB IV beschritten werden.
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bb) Der Senat wendet diese Grundsätze in ständiger Rechtsprechung auch bei Betriebsprüfungen in "kleineren" Betrieben an (vgl - im Zusammenhang mit Nachforderungsfällen - BSGE 93, 109 = SozR 4-5375 § 2 Nr 1, RdNr 33 bzw 34; BSGE 93, 119 = SozR 4-2400 § 22 Nr 2, jeweils RdNr 36; BSG SozR 4-2400 § 22 Nr 1 RdNr 38, und - im Zusammenhang mit Erstattungsfällen - BSG SozR 4-2400 § 27 Nr 1 RdNr 21; BSG Urteil vom 29.7.2003 - B 12 AL 3/03 R - AuB 2003, 341). Selbst für Betriebsprüfungen in sog Kleinstbetrieben mit nur einem (einzigen) "Aushilfsarbeiter" hat er eine Verpflichtung der Prüfbehörden verneint, die versicherungsrechtlichen Verhältnisse der (aller) Mitarbeiter vollständig zu beurteilen (vgl BSGE 93, 119 = SozR 4-2400 § 22 Nr 2, RdNr 1, 36). Obwohl in der Literatur teilweise die Forderung erhoben wird, die Prüfung solle umso dichter sein, je kleiner ein Betrieb ist (vgl hierzu Neidert/Scheer, DB 2011, 2547, 2548), darf die Prüfung von Aufzeichnungen und Unterlagen hier ebenfalls auf Stichproben beschränkt bleiben. Der Senat hat seine Auffassung schon in der Vergangenheit damit begründet, dass sich dem SGB IV und dem für Betriebsprüfungen geltenden Verordnungsrecht eine Unterscheidung zwischen "kleinen" und "großen" Betrieben hinsichtlich Umfang und Schutzweck von Betriebsprüfungen nicht entnehmen lässt (vgl BSG SozR 4-2400 § 27 Nr 1 RdNr 21; BSG Urteil vom 29.7.2003 - B 12 AL 3/03 R - AuB 2003, 341). Er hat weiter darauf hingewiesen, dass es im Übrigen auch bei kleineren Betrieben mit wenigen Arbeitnehmern ausgeschlossen sei, eine vollständige Überprüfung der Lohn(Entgelt)unterlagen vorzunehmen, weil die Prüfzeiträume mehrere Jahre umfassen und sich eine Vollüberprüfung sonst auf sämtliche Abrechnungszeiträume in allen Versicherungszweigen erstrecken müsste.
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cc) An dieser Rechtsprechung - zum obligatorischen Umfang einer Betriebsprüfung, zur fehlenden Relevanz der Betriebsgröße insoweit und zu den "Rechtsfolgen" von Betriebsprüfungen - hält der Senat auch in Ansehung neuerer Instanzrechtsprechung "zur Beitragsprüfung" und trotz im Schrifttum erhobener (vorrangig sozialpolitisch einzuordnender) Forderungen nach einer Herstellung von Rechtsfrieden zwischen Sozialverwaltung einerseits und Arbeitgeber (und Arbeitnehmer) andererseits fest.
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Entgegen der vom LSG Rheinland-Pfalz in seinem - vom Berufungsgericht zitierten und von der Klägerin für ihren Rechtsstandpunkt herangezogenen - Urteil vom 25.8.2005 (L 1 AL 5/05 - Juris = NZA 2006, 534) vertretenen Auffassung sind Prüfbehörden, wenn "außer dem Gesellschafter-Geschäftsführer nur eine weitere Angestellte gemeldet" ist, nicht (von vornherein) zur umfassenden und erschöpfenden Prüfung der versicherungsrechtlichen Verhältnisse aller Mitarbeiter verpflichtet. Das LSG Rheinland-Pfalz belegt seine Ansicht, dass im Hinblick auf solche betrieblichen Besonderheiten für eine Stichprobenprüfung "kein Raum" sein bzw "grundsätzlich keine Veranlassung bestehen" soll, die Betriebsprüfung auf Stichproben zu beschränken (LSG, aaO, Juris RdNr 21 f) nicht mit einer juristisch nachvollziehbaren Argumentation.
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Es ist auch nicht der vereinzelt im Schrifttum vertretenen Auffassung (vgl Rittweger, DB 2011, 2147 ff, unter Hinweis auf Bayerisches LSG Urteil vom 18.1.2011 - L 5 R 752/08 - Juris = ASR 2011, 250, und Bayerisches LSG Beschluss vom 7.10.2011 - L 5 R 613/11 B ER - Juris = NZS 2012, 280; kritisch - auf den Gesichtspunkt der Transparenz für die Rechtsverfolgung abhebend - auch Brand, NZS 2013, 641, 644) zu folgen, nach der zur Herstellung von "Kalkulationssicherheit bei den Arbeitgebern" in Beitragsnachforderungsfällen bei beanstandungsfreien Betriebsprüfungen ein "Bestandsschutz" für den gesamten geprüften Zeitraum und die versicherungsrechtlichen Verhältnisse aller Mitarbeiter angenommen werden müsse. Dieser "Bestandsschutz" soll dieser Auffassung zufolge - konstruktiv - dadurch erreicht werden, dass eine Betriebsprüfung als in jeder Hinsicht (verfahrens)abschließend betrachtet und zu diesem Zweck das Ergebnis der Prüfung festhaltenden Prüfberichten - in ihrer (nur noch) bis Ende 2010 bestehenden Form (vgl hierzu die Streichung des § 7 Abs 3 Beitragsverfahrensverordnung
vom 3.5.2006 Gesetzes zur Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 5.8.2010, BGBl I 1127) - im Verhältnis zum Arbeitgeber Verwaltungsaktsqualität "zuerkannt" bzw ein "formeller Prüfabschluss-Bescheid" gegenüber dem Arbeitgeber gefordert wird (vgl Rittweger, DB 2011, 2147, 2148 f); bei Beitragsnachforderungen solle dann die Pflicht bestehen, die Bindungen des § 45 SGB X und dessen Vertrauensschutzregelungen zu beachten(vgl Rittweger, DB 2011, 2147, 2149), sodass "Eingriffe" in abgeschlossene (oder sich jedenfalls überschneidende) Prüfzeiträume nur unter erschwerten Voraussetzungen möglich seien. In der Konsequenz dieser Auffassung müsste dann für Beitragserstattungsfälle - zum Zweck der Herstellung von "Kalkulationssicherheit bei den Arbeitgebern" - gefordert werden, dass eine Berufung auf den Verjährungseintritt als unzulässige Rechtsausübung gehindert sei, weil die Beitragsüberzahlung auf ein zurechenbares fehlerhaftes Verwaltungshandeln der Prüfbehörde zurückgehe.durch Art 10 Nr 1 Buchst a des Dritten
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Gegen diese vor allem mit den "Anforderungen der Rechtsentwicklung" und "aktuellen rechtlichen Bedürfnissen" begründete Ansicht ist indessen einzuwenden, dass es - was aber (zunächst) erforderlich wäre - eine Ermächtigung für die Versicherungsträger (Prüfinstitutionen), Prüfberichte als Verwaltungsakte (mit Außenwirkung für den Arbeitgeber) zu erlassen, im SGB IV und in dem für Betriebsprüfungen geltenden Verordnungsrecht nicht gibt. So musste etwa nach § 1 Abs 3 S 1 der bis 30.6.2006 geltenden BeitrÜV vom 22.5.1989 (BGBl I 992) - und § 7 Abs 3 S 1 BVV in ihrer bis 31.12.2010 geltenden Fassung (aaO) - jeder Versicherungsträger (Prüfinstitution), der eine Prüfung durchgeführt hatte, den Umfang und das Ergebnis der Prüfung … in einem "Bericht" festhalten. Der Prüfbericht, der - mit dem Ziel seiner Weitergabe etwa an die Einzugsstellen (vgl § 1 Abs 3 S 3 BÜV und § 7 Abs 4 S 3 BVV) - lediglich festhielt, welches versicherungsrechtliche Ergebnis aus dem geprüften Sachverhalt hervorging (vgl zu dessen Funktion BSG SozR 4-2400 § 27 Nr 1 RdNr 20, mwN; BSG Urteil vom 29.7.2003 - B 12 AL 3/03 R - AuB 2003, 341) sollte nach der Konzeption des Verordnungsgebers, die in den einschlägigen Vorschriften ihren Niederschlag gefunden hat, aber nur für den zuständigen, die Betriebsprüfung durchführenden Versicherungsträger (Prüfinstitution) Bedeutung erlangen und damit internen Charakter (ohne Außenwirkung für den Arbeitgeber) erhalten (so auch Neidert/Scheer, DB 2011, 2547). Eine (ausdrückliche) Ermächtigung zum Erlass von Verwaltungsakten "im Rahmen der Prüfung" besteht nur in § 28p Abs 1 S 5 SGB IV, nämlich soweit Versicherungspflicht und/oder Beitragspflicht sowie Beitragshöhe personenbezogen für bestimmte Zeiträume (oder ggf durch Summenbescheid) festgestellt werden sollen.
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Keine Verwaltungsakte stellen auch die - dem Arbeitgeber gegenüber schriftlich abzugebenden (vgl § 1 Abs 4 S 1 BeitrÜV und § 7 Abs 4 S 1 BVV) - Mitteilungen der Versicherungsträger (Prüfinstitutionen) über das Ergebnis der Betriebsprüfung dar. Eine solche (bloße) Prüfmitteilung kommt in Betracht, wenn die Betriebsprüfung ohne Beanstandungen blieb; andernfalls wird das Ergebnis der Betriebsprüfung nämlich in der Gestalt von Bescheiden nach § 28p Abs 1 S 5 SGB IV bekanntgegeben(vgl auch Neidert/Scheer, DB 2011, 2547; Jochim in: jurisPK-SGB IV, 2. Aufl 2011, § 28p RdNr 138 f; Roßbach in: Kreikebohm/Spellbrink/Waltermann, Kommentar zum Sozialrecht, 3. Aufl 2013, § 28p SGB IV RdNr 11). Schon nach dem Wortlaut der Verordnungsregelungen ("Mitteilung") setzt die Mitteilung an den Arbeitgeber diesem gegenüber keine (verbindliche) - regelnde oder feststellende - Rechtsfolge, sondern enthält lediglich eine (unverbindliche) Information des Versicherungsträgers (Prüfinstitution) über die zurückliegende Betriebsprüfung (so ausdrücklich Jochim, aaO, RdNr 138; Roßbach, aaO, RdNr 11; vgl auch Brand, NZS 2013, 641, 645).
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Gegen die Annahme eines umfassenden "Bestandsschutzes" für den Arbeitgeber (und den Arbeitnehmer) nach beanstandungsfreien Betriebsprüfungen spricht schließlich, dass das Verfahren der Betriebsprüfung (heute) inhaltsgleich und rechtlich gleichwertig neben dem Einzugsstellenverfahren (vgl § 28h Abs 2 SGB IV)und dem Anfrageverfahren (vgl § 7a SGB IV) besteht (vgl - zum Anfrageverfahren - BSGE 103, 17 = SozR 4-2400 § 7a Nr 2, RdNr 17, 22 f; BSG SozR 4-2400 § 7a Nr 3 RdNr 13, 18 f)und für die Entscheidungskompetenzen der Einzugsstelle und der "Clearing-Stelle" im Rahmen der Beschäftigtenversicherung (entsprechende) zeitliche Einschränkungen gesetzlich (gerade) nicht gelten. Die Entscheidung, ob eine bestimmte Tätigkeit als Beschäftigung zur Versicherungspflicht führt oder nicht, kann auch im Einzugsstellen- und Anfrageverfahren grundsätzlich ohne zeitliche Beschränkungen nachträglich getroffen werden; das hat der Senat für diese Verfahren stets ohne Weiteres angenommen und ist davon ausgegangen, dass Verwaltungsakte über das (Nicht)Bestehen von Versicherungspflicht hier unabhängig davon ergehen können, ob die Tätigkeit bereits zuvor von einer Einzugsstelle, der "Clearing-Stelle" oder bei einer Betriebsprüfung beurteilt und ohne Beanstandungen geblieben war (so auch - zum Einzugsstellenverfahren - LSG Baden-Württemberg Urteil vom 28.4.2009 - L 11 KR 2495/05 - Juris RdNr 53 = ArbuR 2009, 264). Gesichtspunkte des Vertrauensschutzes sind allerdings auch im Einzugsstellen- und Anfrageverfahren (jedenfalls) dann zu prüfen, wenn in der Vergangenheit Verwaltungsakte mit materieller Bindungswirkung ergangen sind.
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Vor diesem Hintergrund kann die im Schrifttum erhobene Forderung nach einem "neuen rechtlichen Rahmen", insbesondere einem formellen "Prüfabschluss-Bescheid", bzw einer "neuen Beitragsordnung" (vgl Rittweger, DB 2011, 2147, 2149) letztlich nur als Anregung an den Gesetzgeber verstanden werden, dem "Bestands- bzw Vertrauensschutz" nach Betriebsprüfungen, die ohne Beanstandungen geblieben sind, mehr Beachtung zu schenken. Als Referenz wird insoweit vor allem die für Steuerbescheide, die aufgrund einer (steuerlichen) Außenprüfung ergangen sind, geltende Änderungssperre nach § 173 Abs 2 S 1 Abgabenordnung (AO) benannt, die - unter den dort geregelten Voraussetzungen - als zusätzliches Korrekturhindernis die allgemeinen Korrekturtatbestände des § 173 Abs 1 AO modifiziert; eine entsprechende Vorschrift existiert indessen für das Sozialversicherungsrecht nicht. Angesichts der jahrzehntelangen, dem Gesetzgeber bekannten Rechtsprechung des Senats zu den "Rechtsfolgen" von Betriebsprüfungen kann auch nicht von einer durch eine Analogie auszufüllenden Gesetzeslücke ausgegangen werden.
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3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 S 1 Teils 3 SGG iVm § 154 Abs 2 VwGO.
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4. Der Streitwert für das Revisionsverfahren war gemäß § 197a Abs 1 S 1 Teils 1 SGG iVm § 63 Abs 2 S 1, § 52 Abs 1 und 3, § 47 Abs 1 GKG in Höhe des Betrages der noch streitigen Forderung nach Erstattung der Arbeitgeberanteile der Beiträge zur Arbeitslosenversicherung festzusetzen.
Bei der Auslegung einer Willenserklärung ist der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften.
(1) Beschäftigung ist die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers.
(1a) Eine Beschäftigung besteht auch in Zeiten der Freistellung von der Arbeitsleistung von mehr als einem Monat, wenn
- 1.
während der Freistellung Arbeitsentgelt aus einem Wertguthaben nach § 7b fällig ist und - 2.
das monatlich fällige Arbeitsentgelt in der Zeit der Freistellung nicht unangemessen von dem für die vorausgegangenen zwölf Kalendermonate abweicht, in denen Arbeitsentgelt bezogen wurde.
(1b) Die Möglichkeit eines Arbeitnehmers zur Vereinbarung flexibler Arbeitszeiten gilt nicht als eine die Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber begründende Tatsache im Sinne des § 1 Absatz 2 Satz 1 des Kündigungsschutzgesetzes.
(2) Als Beschäftigung gilt auch der Erwerb beruflicher Kenntnisse, Fertigkeiten oder Erfahrungen im Rahmen betrieblicher Berufsbildung.
(3) Eine Beschäftigung gegen Arbeitsentgelt gilt als fortbestehend, solange das Beschäftigungsverhältnis ohne Anspruch auf Arbeitsentgelt fortdauert, jedoch nicht länger als einen Monat. Eine Beschäftigung gilt auch als fortbestehend, wenn Arbeitsentgelt aus einem der Deutschen Rentenversicherung Bund übertragenen Wertguthaben bezogen wird. Satz 1 gilt nicht, wenn Krankengeld, Krankentagegeld, Verletztengeld, Versorgungskrankengeld, Übergangsgeld, Pflegeunterstützungsgeld oder Mutterschaftsgeld oder nach gesetzlichen Vorschriften Erziehungsgeld oder Elterngeld bezogen oder Elternzeit in Anspruch genommen oder Wehrdienst oder Zivildienst geleistet wird. Satz 1 gilt auch nicht für die Freistellung nach § 3 des Pflegezeitgesetzes.
(4) Beschäftigt ein Arbeitgeber einen Ausländer ohne die nach § 284 Absatz 1 des Dritten Buches erforderliche Genehmigung oder ohne die nach § 4a Absatz 5 des Aufenthaltsgesetzes erforderliche Berechtigung zur Erwerbstätigkeit, wird vermutet, dass ein Beschäftigungsverhältnis gegen Arbeitsentgelt für den Zeitraum von drei Monaten bestanden hat.
Tenor
-
Auf die Revision der Klägerin zu 1. werden das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 25. August 2011 und der Bescheid vom 31. März 2011 aufgehoben, soweit beide die Klägerin zu 1. betreffen.
-
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 17. September 2008 wird insoweit zurückgewiesen.
-
Die Beklagte hat der Klägerin zu 1. deren außergerichtliche Kosten für das Revisionsverfahren und das Berufungsverfahren zu erstatten. Im Übrigen sind Kosten des Revisionsverfahrens nicht zu erstatten.
-
Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf 5000 Euro festgesetzt.
Tatbestand
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-
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Klägerin zu 2. in ihrer für die Klägerin zu 1. ausgeübten Tätigkeit als "telefonische Gesprächspartnerin" wegen Beschäftigung der Sozialversicherungspflicht unterlag.
- 2
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Die Klägerin zu 1. bot unter einer zentralen Telefonnummer Dienstleistungen in Form von telefonischen Kontakten zu für sie tätigen "telefonischen Gesprächspartnern/Gesprächspartnerinnen" an. Diese führten, wenn sie im Telekommunikationsservice der Klägerin zu 1. "aktiviert" waren, über dieses System gebührenpflichtige Telefonate mit anrufenden Kunden.
- 3
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Die 1970 geborene Klägerin zu 2., die seinerzeit studierte, war in der Zeit vom 25.10.2000 bis 31.12.2005 als "telefonische Gesprächspartnerin" für die Klägerin zu 1. tätig. Sie arbeitete in dieser Zeit als "telefonische Gesprächspartnerin" auch für die Unternehmen S. GmbH und G. GmbH. Zur Erreichung des Unternehmensziels schlossen die Klägerinnen als "Auftraggeberin" und "Auftragnehmerin" im November 2000 einen "Auftragsvertrag" ua mit folgendem Inhalt:
"§ 3
Die Auftragnehmerin/der Auftragnehmer erhält ihre Vergütung ausschließlich für die Zeiten, in denen sie/er gebührenpflichtige Telefonate mit Anrufen über das System des Telekommunikationsservices geführt hat. Zeiten in dem die Auftragnehmerin/der Auftragnehmer zwar im System des Telekommunikationsservices aktiviert war, allerdings keine gebührenpflichtigen Telefonate mit Anrufen über dieses System geführt hat, werden nicht vergütet.
…
Die Vertragsparteien sind sich darüber einig, dass mit Abrechnung und Ausgleich sämtliche gegenseitigen Ansprüche in voller Höhe abgegolten sind.
§ 4
Die Auftragnehmerin/der Auftragnehmer ist/sind nicht verpflichtet, die Aufträge in Person auszuführen. Sie/er kann sich auch der Hilfe von Erfüllungsgehilfen bedienen.
Tritt die Auftragnehmerin bzw. der Auftragnehmer als Subunternehmer auf, ist dies der Auftraggeberin unverzüglich anzuzeigen.
In diesem Fall hat die Auftragnehmerin bzw. der Auftragnehmer die dort beschäftigten freien Mitarbeiter auf das Vertragsverhältnis zwischen den Parteien aufzuklären und ihre/seine eigenen Mitarbeiter auf Einhaltung der getroffenen Vereinbarungen mit der Auftraggeberin hinzuweisen.
…
§ 5
Die Auftragnehmerin/der Auftragnehmer hat das Recht, auch für dritte Arbeitgeber tätig zu sein.
Die Vertragsparteien sind sich bewusst, dass die in § 1 genannten Aufgaben der freien Mitarbeiterin bzw. des freien Mitarbeiters auch im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses erledigt werden könnten.
Von dieser Gestaltungsmöglichkeit haben sie aber bewusst keinen Gebrauch gemacht, sondern in Umgehung gesetzlicher Schutzvorschriften die Form des freien-Mitarbeiter-Vertrages gewählt, um der Mitarbeiterin bzw. dem Mitarbeiter die volle Entscheidungsfreiheit bei Verwertung ihrer/seiner Arbeitskraft zu belassen, soweit diese durch den vorstehenden Vertrag nicht belegt ist.
…
Vor Aufnahme der Tätigkeit verpflichtet sich die Auftragnehmerin bzw. der Auftragnehmer ein Gewerbe als Telekommunikationsagentur anzumelden, insbesondere bei dem für sie zuständigen Finanzamt zur Mehrwertsteuer zu optieren, wenn die Mehrwertsteuer ausgezahlt wird…
…
§ 8
…
Das gleichzeitige Schalten bei mehreren Firmen ist nicht gestattet, wenn einer der ersten beiden Plätze an die Auftragnehmerin bzw. den Auftragnehmer vergeben wurde. Es steht der Auftragnehmerin bzw. dem Auftragnehmer frei, sich auf hintere Plätze schalten zu lassen, sofern dies mindestens 6 Wochen vorher schriftlich angezeigt wird und keine berechtigten In der Auftraggeberin dem entgegenstehen. Außerhalb der Routingzeit bleibt es der Auftragnehmerin bzw. dem Auftragnehmer überlassen, sich bei anderen Firmen schalten zu lassen.
Für jeden Fall des Verstoßes gegen vorbezeichnete Vereinbarungen wird eine Vertragsstrafe von DM 5000 sofort zur Zahlung fällig…
…
Das Abwerben von Kunden auf andere gebührenpflichtige Nummern (gleichgültig ob die der Auftragnehmerin bzw. des Auftragnehmers bzw. die anderer Auftraggeber der Auftragnehmerin bzw. des Auftragnehmers) ist verboten. Für den Fall der Zuwiderhandlung ist gleichfalls eine Vertragsstrafe in Höhe von DM 5000 sofort zur Zahlung fällig.
§ 9
Den Vertragsschließenden ist bekannt, dass der Vertrag nach der jüngsten Rechtsprechung des BGH (Urteil vom 09.06.1998 - Az: XI ZR 192/97) als sittenwidrig und damit nichtig gem. § 138 Abs. 1 BGB angesehen werden kann.
Die Parteien schließen diesen Vertrag in Kenntnis dieser Problematik ab und verzichten wechselseitig auf das Recht, sich gegenüber der anderen Vertragspartei auf die etwaige Sittenwidrigkeit zu berufen.
…"
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Die Klägerin zu 2. übte ihre Tätigkeit als "telefonische Gesprächspartnerin" von zu Hause aus und über die eigene Telefonanlage aus, indem sie sich in das Telekommunikationssystem der Klägerin zu 1. einwählte und sodann "aktiviert" war. Die Einrichtung der eigenen Telefonanlage wurde durch die Klägerin zu 1. nicht mitfinanziert. Die Klägerin zu 2. teilte der Klägerin zu 1. jeweils im Voraus mit, wann sie zur Entgegennahme von Anrufen bereit sei und wurde sodann nach ihren Vorgaben freigeschaltet; diese Bereitschaftszeiten bestimmte sie selbst und richtete sie an den Anforderungen ihres Studiums aus. Einen verbindlichen Terminplan über die Einsatzzeiten der Klägerin zu 2. gab es nicht; Mindestzeiten der Anwesenheit oder eine Mindestanzahl tatsächlich getätigter Anrufe verlangte die Klägerin zu 1. ebenfalls nicht. Meldete die Klägerin zu 2. weniger Zeit an oder konnte sie angemeldete Bereitschaftszeiten nicht einhalten, sprach die Klägerin zu 1. keine Sanktionen aus. Urlaub zeigte die Klägerin zu 2. der Klägerin zu 1. lediglich an. Ihre Vergütung errechnete sich aus dem ermittelten Zeiteinsatz der Klägerin zu 2. für gebührenpflichtige Telefonate mit Anrufern über den Telekommunikationsservice der Klägerin zu 1. Auf der Grundlage dieser ihr im Folgemonat mitgeteilten Daten erstellte die Klägerin zu 2. ihre Rechnung. Überstundenvergütung, Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall und Urlaubsgeld erhielt die Klägerin zu 2. nicht. Um sich einen eigenen Kundenstamm aufzubauen, ließ sich die Klägerin zu 2. später im Einverständnis mit der Klägerin zu 1. eine zweite, ausschließlich für sie bestimmte Telefonnummer in deren Telekommunikationssystem einrichten, die sie in von ihr bezahlten Zeitungsanzeigen selbst bewarb. Gesprächskunden konnten sie auf diese Weise, nachdem sie sie auf ihre Bereitschaftszeiten hingewiesen hatte, direkt anwählen und wurden bei Abwesenheit nicht an eine andere Gesprächspartnerin vermittelt.
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Im Juni 2001 beantragte die Klägern zu 2. bei der Rechtsvorgängerin des beklagten Rentenversicherungsträgers (Bundesversicherungsanstalt für Angestellte; im Folgenden einheitlich: Beklagte) die "Feststellung des sozialversicherungsrechtlichen Status" und stellte sich auf den Standpunkt, dass "ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis nach § 7 Abs 1 SGB IV" nicht vorliege. Mit zwei Bescheiden vom 14.10.2002 stellte die Beklagte gegenüber den Klägerinnen fest, dass die Klägerin zu 2. ihre bei der Klägerin zu 1. ausgeübte Tätigkeit als Telefonistin seit Oktober 2000 (1.10.2000) im Rahmen eines abhängigen und damit dem Grunde nach sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses ausübe. Beide legten hiergegen Widerspruch mit der Begründung ein, dass die Klägerin zu 2. selbstständig tätig sei; mit Widerspruchsbescheiden vom 24.9.2003 wies die Beklagte ihre Widersprüche zurück.
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Auf die verbundenen Klagen der beiden Klägerinnen hat das SG die angefochtenen Bescheide aufgehoben (Urteil vom 17.9.2008).
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Die Beklagte hat hiergegen Berufung eingelegt. Nach Ermittlungen zur Höhe der von der Klägerin zu 2. im streitigen Zeitraum erhaltenen Vergütung, insbesondere einer Auswertung von der Klägerin zu 1. übersandter "Honorarrechnungen" der Klägerin zu 2. aus dem Jahr 2001 und beigezogener Einkommensteuerbescheide der Klägerin zu 2. aus den Jahren 2000 bis 2005 hat die Beklagte die ursprünglichen Bescheide mit an die Klägerinnen gerichteten Bescheiden vom 31.3.2011 geändert und festgestellt, dass die Klägerin zu 2. in der von ihr in der Zeit vom 25.10.2000 bis 31.12.2005 ausgeübten Beschäftigung als Telefonistin sozialversicherungspflichtig gewesen sei. Tatbestände, die Versicherungsfreiheit begründeten oder Versicherungspflicht ausschlössen, lägen nicht vor. Die Entscheidung zur Versicherungspflicht sei auf der Grundlage allgemeiner Beweislastregeln zu treffen.
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Das LSG hat das erstinstanzliche Urteil aufgehoben und die Klagen abgewiesen (Urteil vom 25.8.2011). Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Die Beklagte sei zutreffend davon ausgegangen, dass die Klägerin zu 2. in ihrer Tätigkeit für die Klägerin zu 1. wegen einer Beschäftigung der Sozialversicherungspflicht unterlegen habe. Die Klägerin zu 2. habe sich in das Telekommunikationssystem der Klägerin zu 1. einwählen müssen und sei erst damit als telefonische Gesprächspartnerin im Auftrag der Klägerin zu 1. "aktiviert" gewesen. Zwar habe die Klägerin zu 2. von der Klägerin zu 1. keine ins Einzelne gehenden Weisungen erhalten, ihre konkrete Aufgabenstellung habe sich indessen aus dem Vertrag ergeben. Auch sei die Leistungserbringung der Klägerin zu 2. über die Aufzeichnung ihrer aktiven Sprechzeiten durch das Telekommunikationssystem der Klägerin zu 1. kontrolliert worden. Im Hinblick auf die Notwendigkeit, das zur Verfügung gestellte Telekommunikationssystem zu nutzen, reichten diese Umstände für die Annahme einer persönlichen Abhängigkeit durch Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Gewerbes der Klägerin zu 1. aus. Die Klägerin zu 2. habe auch kein eigenes Unternehmerrisiko getragen, weil sie eigene Betriebsmittel nicht habe einsetzen müssen. Auch die Zuteilung einer zweiten Telefonnummer und die hierfür betriebene Eigenwerbung hätten keine Initiative in Richtung "unternehmerisches Risiko" dargestellt. Der Aufbau eines eigenen Kundenstammes habe nur im Rahmen des Gewerbes der Klägerin zu 1. stattgefunden. Die Klägerin zu 2. habe ihre Vergütung mit den Stammkunden nicht etwa selbst aushandeln können. Da im Hinblick auf die vorgelegten Unterlagen nicht erweislich sei, ob die Klägerin zu 2. im streitigen Zeitraum geringfügig beschäftigt und deshalb versicherungsfrei gewesen sei, müsse nach dem Grundsatz der objektiven Beweislast von Versicherungspflicht ausgegangen werden. Diese Beweislast treffe die Klägerinnen, weil sie im Statusfeststellungsverfahren beantragt hätten, dass die Klägerin zu 2. nicht als Beschäftigte sozialversicherungspflichtig sei. Das LSG hat die Revision im Tenor seines Urteils zugelassen, in den Entscheidungsgründen jedoch ausgeführt, dass die Revision nicht zuzulassen sei, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs 2 SGG nicht vorlägen.
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Mit ihrer Revision rügt (nur) die Klägerin zu 1. eine Verletzung von § 7 Abs 1 und § 7a SGB IV. Die Klägerin zu 2. habe bei ihr eine freiberufliche Tätigkeit ausgeübt. Die für eine selbstständige Tätigkeit sprechenden Indizien überwögen bei Weitem. Die Klägerin zu 2. habe die im "Auftragsvertrag" beschriebene und tatsächlich auch so praktizierte Tätigkeit bei voller Entscheidungsfreiheit über die Verwertung ihrer Arbeitskraft in eigenen Räumlichkeiten ohne Kontrolle ausgeübt. Sie habe die Tätigkeit als telefonische Gesprächspartnerin nicht in Person ausführen müssen und für dritte Arbeitgeber tätig sein dürfen. Weder habe sie - die Klägerin zu 1. - bestimmte Mindestzeiten der Anwesenheit verlangt noch eine Mindestanzahl getätigter Anrufe. Die Klägerin zu 2. habe auch ein eigenes Unternehmerrisiko getragen, weil sie mit ihrer Wohnung und Telefonanlage eigene Betriebsmittel eingesetzt habe und über die Anzahl der entgegengenommenen Anrufe und deren Länge den Umfang ihres persönlichen Einkommens bestimmt habe. Unternehmerische Verantwortung zeige sich auch darin, dass sie mittels einer zweiten, von ihr beworbenen Rufnummer eigene Kunden bedient habe. Die Klägerin zu 1. meint darüber hinaus, hinsichtlich der von ihm zu beantwortenden Fragen nach dem Bestehen von Versicherungsfreiheit wegen geringfügiger Beschäftigung/selbstständiger Tätigkeit habe das LSG Beweislosigkeit nicht annehmen dürfen. Die vorgelegten Unterlagen legten es zumindest nahe, dass die Klägerin zu 2. in ihrer Tätigkeit für die Klägerin zu 1. durchschnittlich nur 270 Euro monatlich verdient habe und deshalb wegen Geringfügigkeit versicherungsfrei gewesen sei.
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Mit Beschluss vom 29.11.2011 hat das LSG die Entscheidungsgründe des angefochtenen Berufungsurteils dahin berichtigt, dass es heißen muss: "Die Revision wird gemäß § 160 Abs 2 Nr 1 SGG zugelassen."
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Die Klägerin zu 1. beantragt sinngemäß,
das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 25. August 2011 sowie den Bescheid der Beklagten vom 31. März 2011 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 17. September 2008 zurückzuweisen.
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Die Beklagte beantragt,
die Revision der Klägerin zu 1. zurückzuweisen.
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Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Die Klägerin zu 1. setze sich mit der Argumentation des LSG nicht hinreichend auseinander. Im Übrigen habe das LSG festgestellt, dass sie - die Beklagte - alle Ermittlungsmöglichkeiten ausgeschöpft und die Beweislastregeln rechtsfehlerfrei angewandt habe. Die Berichtigung sei unwirksam, weil der Berichtigungsbeschluss vom 29.11.2011 nicht auf der Urschrift des Urteils und den Ausfertigungen vermerkt worden sei.
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Auch die Beigeladene zu 3. hält das angefochtene Urteil für zutreffend; sie stellt jedoch keinen Antrag. Die Beigeladenen zu 1. und 2. äußern sich im Revisionsverfahren nicht.
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Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 165 S 1, § 153 Abs 1, § 124 Abs 2 SGG).
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Revision der Klägerin zu 1. ist begründet.
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1. Die gegen das Berufungsurteil eingelegte Revision ist - entgegen der von der Beklagten vertretenen Auffassung - statthaft, weil sie in der Entscheidung des LSG zugelassen worden ist (§ 160 Abs 1 SGG).
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Zwar hat das LSG die Revision im Tenor des Berufungsurteils zugelassen, während in den Entscheidungsgründen - hiermit widersprechend - ausgeführt wird "Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs 2 SGG nicht vorliegen." Bei Abweichungen zwischen Urteilstenor und Entscheidungsgründen erweist sich jedoch die Aussage im Urteilstenor als maßgebend; denn die Entscheidungsgründe dienen der Auslegung des Urteilstenors, nicht aber dessen Änderung (vgl BGH NJW 1997, 3447, 3448, mit Nachweisen aus der zivilgerichtlichen Rechtsprechung und Literatur; auch BGH NJW 2003, 140, 141; ferner Clausing in Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Stand der Einzelkommentierung März 2008, § 118 RdNr 4). Das muss jedenfalls dann gelten, wenn der Urteilstenor eindeutig ist und sich ein weiteres Indiz für die Absicht der Revisionszulassung - wie hier - aus der Rechtsmittelbelehrung als eines nach § 136 Abs 1 Nr 7 SGG notwendigen Bestandteils des Urteils ergibt(vgl - bei Divergenzfällen mit in sich widersprüchlichen Entscheidungsgründen und einer Teilübereinstimmung von Entscheidungsgründen mit der Urteilsformel - BGH NJW 1997, 3447, 3448, und BGH NJW 2003, 140, 141). Im Hinblick hierauf muss der Senat die von der Beklagten aufgeworfene Frage nicht beantworten, ob das - von ihr angenommene - Fehlen eines Vermerks des Berichtigungsbeschlusses vom 29.11.2011 auf dem Urteil und den Ausführungen die Wirksamkeit des Berichtigungsbeschlusses und damit des Eintritts der Berichtigung der Entscheidungsgründe hindert oder nicht (im letztgenannten Sinne jedenfalls BVerwG NJW 1975, 1795, 1796).
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2. In der Sache hat das LSG das der Anfechtungsklage der Klägerin zu 1. stattgebende Urteil des SG auf die Berufung der Beklagten hin zu Unrecht aufgehoben und - auf Klage - den während des Berufungsverfahrens an die Klägerin zu 1. gerichteten Bescheid der Beklagten vom 31.3.2011 bestätigt. Der die Klägerin zu 1. betreffende ursprüngliche Bescheid der Beklagten vom 14.10.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.9.2003 und ihres "abändernden" Bescheides vom 31.3.2011 sind rechtswidrig. Das Berufungsgericht hat rechtsfehlerhaft entschieden, die Beklagte habe darin zutreffend festgestellt, dass die Klägerin zu 2. in der Zeit vom 25.10.2000 bis 31.12.2005 in ihrer für die Klägerin zu 1. ausgeübten Tätigkeit als "telefonische Gesprächspartnerin" (Telefonistin) wegen einer Beschäftigung in den Zweigen der Sozialversicherung und in der Arbeitslosenversicherung versicherungspflichtig war.
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a) Gegenstand des Revisionsverfahrens ist auch der während des Berufungsverfahrens von der Beklagten erlassene, an die Klägerin zu 1. gerichtete Bescheid vom 31.3.2011. Dieser hat die bis dahin angefochtenen Bescheide über die darin vorgenommene (unzulässige) Elementenfeststellung des Bestehens einer Beschäftigung hinaus in ihrem Verfügungssatz um die notwendigen Feststellungen zum Vorliegen von Versicherungspflicht (und des Zeitraums, für den Versicherungspflicht besteht) ergänzt. Darin liegt eine insgesamt erneuernde Feststellung mit der Folge, dass der Verwaltungsakt vom 31.3.2011 den wegen der Feststellungen eines (unselbstständigen) Tatbestandselements unvollständigen ersten Verwaltungsakt iS von § 96 Abs 1 SGG(iVm § 153 Abs 1 SGG) ersetzt (vgl zur Notwendigkeit und Möglichkeit der Ergänzung sowie zur verfahrensrechtlichen Bewertung im Kontext des § 96 SGG bereits BSG Urteil vom 28.9.2011 - B 12 R 17/09 R - Juris RdNr 13).
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Im Revisionsverfahren nicht zu entscheiden ist demgegenüber, ob für die Klägerin zu 2. für den Fall, dass für sie in ihrer Tätigkeit als "telefonische Gesprächspartnerin" eine Versicherungspflicht wegen Beschäftigung bei der Klägerin zu 1. nicht festzustellen ist, jedenfalls eine Versicherungspflicht als selbstständig Tätige in der gesetzlichen Rentenversicherung nach einem der Tatbestände des § 2 S 1 SGB VI in Betracht kommt. In dem auf die Feststellung der Sozialversicherungspflicht Beschäftigter gerichteten Anfrageverfahren nach § 7a SGB IV sollte (und darf) allein geklärt werden, ob die Klägerin zu 2. bei der Klägerin zu 1. wegen Beschäftigung iS von § 7 Abs 1 SGB IV versicherungspflichtig war; eine Feststellung des (Nicht)Bestehens von Versicherungspflicht in der Rentenversicherung der Selbstständigen, die eine Prüfung der (weiteren) Voraussetzungen der § 2 S 1, § 5 Abs 2 S 1 Nr 2 SGB VI erfordert, ist deshalb vom Streitgegenstand des vorliegenden gerichtlichen Verfahrens nicht umfasst(vgl schon BSG Urteil vom 28.9.2011 - B 12 R 17/09 R - Juris RdNr 14).
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b) Das LSG ist auf der Grundlage einer Gesamtwürdigung aller Umstände des hier zu beurteilenden Einzelfalls (vgl § 7a Abs 2 SGB IV) - ausgehend von den von ihm für den Senat bindend festgestellten (vgl § 163 SGG) Tatsachen - zu einem unzutreffenden Ergebnis gelangt. Die Beklagte hat in ihren an die Klägerin zu 1. gerichteten Bescheiden in dem von der Klägerin zu 2. eingeleiteten Anfrageverfahren, in dessen Rahmen sie über die Frage der Sozialversicherungspflicht wegen Beschäftigung bei der Klägerin zu 1. auch - wie hier - nach Beendigung der zu beurteilenden Tätigkeit entscheiden darf (vgl BSG SozR 4-2400 § 7a Nr 3 RdNr 32) rechtsfehlerhaft angenommen, dass die Klägerin zu 2. in ihrer für die Klägerin zu 1. ausgeübten Tätigkeit als "telefonische Gesprächspartnerin" wegen Beschäftigung der Versicherungspflicht unterlag. Der Senat kann somit offen lassen, ob einer Annahme von Versicherungspflicht wegen Beschäftigung in der Zeit vom 25.10.2000 bis 31.12.2005 möglicherweise auch die Regelungen über die geringfügige Beschäftigung (vgl § 8 Abs 1 SGB IV) in den einzelnen Zweigen der Sozialversicherung und in der Arbeitslosenversicherung entgegenstehen oder die Versicherungspflicht in einem Zweig der Sozialversicherung aus anderen Gründen ausgeschlossen ist. Nicht zu beantworten ist daher auch die im Revisionsverfahren zwischen den Beteiligten umstrittene Frage, ob die Beklagte und das LSG hinsichtlich der Voraussetzungen der (Zeit- und/oder Entgelt)Geringfügigkeit Beweislosigkeit und in Anwendung des Grundsatzes objektiver Beweislast Versicherungspflicht der Klägerin zu 2. annehmen durften.
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aa) In den Jahren 2000 bis 2005, um die es hier geht, unterlagen Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt waren, in der Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung (vgl § 5 Abs 1 Nr 1 SGB V, § 20 Abs 1 S 2 Nr 1 SGB XI, § 1 S 1 Nr 1 SGB VI und § 25 Abs 1 S 1 SGB III) der Versicherungspflicht (und Beitragspflicht). Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer (abhängigen) Beschäftigung war § 7 Abs 1 SGB IV in seiner bis heute unverändert geltenden Fassung. Danach ist Beschäftigung die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis (§ 7 Abs 1 S 1 SGB IV). Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Diese Weisungsgebundenheit kann eingeschränkt und zur "funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" verfeinert sein. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig ist, richtet sich ausgehend von den genannten Umständen nach dem Gesamtbild der Tätigkeit und hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (stRspr; vgl zum Ganzen zB zuletzt BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 17 RdNr 15 und BSG SozR 4-2400 § 28e Nr 4 RdNr 17; ferner BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 6 RdNr 14 mwN; BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 19 S 69 f, Nr 13 S 31 f und Nr 4 S 13, jeweils mwN; BSGE 78, 34, 36 = SozR 3-2940 § 2 Nr 5 S 26 f mwN; zur Verfassungsmäßigkeit der Abgrenzung zwischen abhängiger Beschäftigung und selbstständiger Tätigkeit vgl BVerfG SozR 3-2400 § 7 Nr 11). Die jeweilige Zuordnung einer Tätigkeit nach deren Gesamtbild zum rechtlichen Typus der Beschäftigung bzw selbstständigen Tätigkeit setzt dabei voraus, dass alle nach Lage des Einzelfalls als Indizien in Betracht kommenden Umstände festgestellt, in ihrer Tragweite zutreffend erkannt und gewichtet, in die Gesamtschau mit diesem Gewicht eingestellt und nachvollziehbar, dh den Gesetzen der Logik entsprechend und widerspruchsfrei, gegeneinander abgewogen werden (BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 15 Leitsatz und RdNr 25 ff).
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bb) Im vorliegenden Rechtstreit ist das Berufungsgericht aufgrund der genannten Rechtsprechung in seiner Gesamtwürdigung in revisionsrechtlich zu beanstandender Weise zu dem Ergebnis gelangt, dass die Klägerin zu 2. in ihrer für die Klägerin zu 1. ausgeübten Tätigkeit als "telefonische Gesprächspartnerin" bei dieser beschäftigt war. Das LSG hat zwar - ausgehend von (insoweit jedenfalls) zutreffenden allgemeinen rechtlichen Erwägungen - begründet, dass und warum die für eine Beschäftigung sprechenden Umstände überwiegen. Es hat sich vor allem darauf gestützt, dass die Klägerin zu 2. im streitigen Zeitraum in die Arbeitsorganisation (des Gewerbes) der Klägerin zu 1. eingegliedert und weisungsunterworfen gewesen sei; ein für Selbstständigkeit sprechendes Unternehmerrisiko der Klägerin zu 2. hat es demgegenüber verneint. Diese Würdigung des Sachverhalts, insbesondere die Zuordnung der Tätigkeit nach ihrem Gesamtbild zum rechtlichen Typus der Beschäftigung durch das Berufungsgericht, ist aber zu beanstanden. Die von der Beklagten mit zulässigen Verfahrensrügen nicht angegriffenen Feststellungen des LSG zum Inhalt des (schriftlichen) "Auftragsvertrags" und die - hiermit übereinstimmende - (tatsächliche) Umsetzung des Vertrags gebieten - in dem hier (ausschließlich) zu beurteilenden konkreten Fall einer "telefonischen Gesprächspartnerin" - vielmehr die Annahme, dass die Klägerin zu 2. bei der Klägerin zu 1. nicht als Beschäftigte tätig war.
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cc) Rechtlicher Ausgangspunkt für die Würdigung des Gesamtbildes der Tätigkeit der Klägerin zu 2. ist zunächst, dass der "Auftragsvertrag" nach seinem Gepräge eine Rahmenvereinbarung darstellt, die zwar eine auf Dauer angelegte Geschäftsverbindung eröffnen, dabei jedoch nur (im Voraus) bestimmte Einzelheiten künftig noch abzuschließender Verträge festlegen sollte (vgl zur Struktur von Rahmenverträgen etwa BGH NJW-RR 1992, 977, 978 mwN). Werden aber "unter dem Dach" eines Rahmenvertrags einzelne, gesonderte, (nur) kurze Vertragsverhältnisse begründet, sind jeweils nur diese einzelnen "Einsatzaufträge" am Maßstab der von der Rechtsprechung für die Abgrenzung zwischen selbstständiger Tätigkeit und Beschäftigung entwickelten Grundsätze zu bewerten (vgl schon BSG Urteil vom 28.5.2008 - B 12 KR 13/07 R - Juris RdNr 24 ff; ferner BSG Urteil vom 28.9.2011 - B 12 R 17/09 R - Juris RdNr 17). Einer solchen Beurteilung zu unterziehen sind hier daher jeweils nur die Phasen der "Aktivierung" der Klägerin zu 2. durch (Frei)Schalten im Telekommunikationssystem der Klägerin zu 1. (sog Routingzeit), die die Möglichkeit eröffnete, unter Entgegennahme ankommender Telefonverbindungen mit Dritten Gesprächsinhalte auszutauschen. Zu berücksichtigen ist im Rahmen der Ausgangsüberlegungen ferner, dass Personen, die in dem hier in Rede stehenden Tätigkeitsfeld im weiteren Sinne Sprachkommunikationsleistungen erbringen, grundsätzlich sowohl als Beschäftigte als auch aufgrund freier Dienstverhältnisse tätig sein können (vgl etwa zur Möglichkeit der Führung von Bildschirmdialogen sexuellen Inhalts in Form von Frage- und Antwortspielen im Rahmen einer Beschäftigung BSGE 87, 53 = SozR 3-2400 § 7 Nr 15). Davon, dass die Aufgaben der Klägerin zu 2. alternativ durchaus auch im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses erledigt werden konnten, gingen auch die Klägerinnen aus (vgl § 5 des "Auftragsvertrags").
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dd) Zutreffend wendet die Klägerin zu 1. ein, dass auch das zwischen ihr und der Klägerin zu 2. bestehende (Rahmen)Vertragsverhältnis - und dessen (tatsächliche) Umsetzung - eine Zuordnung der Tätigkeit als "telefonische Gesprächspartnerin" zum Typus der Beschäftigung nicht gestattet. Wäre also nicht (nur) der jeweilige "Einsatzauftrag", sondern darüber hinaus das Dauerrechtsverhältnis zu bewerten, müsste berücksichtigt werden, dass für die Klägerin zu 2. arbeitnehmertypische Leistungspflichten nicht begründet wurden. Wie das LSG festgestellt hat, verlangte die Klägerin zu 1. von der Klägerin zu 2. weder bestimmte Mindestzeiten der Anwesenheit noch eine Mindestanzahl tatsächlich getätigter Anrufe. Die Klägerin zu 2. konnte ihre Bereitschaftszeiten vielmehr selbst bestimmen und sie sowohl hinsichtlich der zeitlichen Verteilung und Lage sowie hinsichtlich des Umfangs nach ihren eigenen Vorstellungen ausrichten; es stand ihr außerdem frei, sich im Telekommunikationssystem auf "vordere" oder "hintere" Plätze schalten zu lassen (vgl § 8 des "Auftragsvertrags"). Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts sprach die Klägerin zu 1. schließlich keine Sanktionen aus, wenn die Klägerin zu 2. weniger Zeit anmeldete oder angemeldete Bereitschaftszeiten nicht einhalten konnte. Im Hinblick hierauf ist jedenfalls eine im Einzelnen vereinbarte, zeitlich fixierte Arbeitspflicht der Klägerin zu 2. "unter dem Dach" des Rahmenvertrags nicht anzunehmen. Letztere konnte vielmehr stets aufs Neue ihre Entschließungsfreiheit betätigen, einen weiteren "Einsatzauftrag" anzunehmen oder nicht.
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Den Vereinbarungen im Rahmenvertrag ist Indizwirkung gegen eine Beschäftigung auch deshalb beizulegen, weil die Klägerin zu 2. nach den Feststellungen des Berufungsgerichts Überstundenvergütung, Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall und Urlaubsgeld nicht erhielt, ihr die - selbstständige - Rechnungsstellung oblag, sie die Sprachkommunikation nicht in Person vornehmen musste, sondern sich Erfüllungsgehilfen bedienen oder als Subunternehmer auftreten durfte (vgl § 4 des "Auftragsvertrags"), und einem Vertragsstrafenreglement unterlag, wenn sie Vertragspflichten verletzte (vgl § 8 des "Auftragsvertrags"). Obwohl diese rahmenvertraglichen Abreden - für sich allein betrachtet - keine starken Indizien gegen das Vorliegen einer Beschäftigung sind, ist ihnen indessen in ihrer Gesamtheit (doch) zu entnehmen, dass das wirtschaftliche Ergebnis der Gestaltung ihrer Tätigkeit für die Klägerin zu 1. die Klägerin zu 2. nach dem Rahmenvertrag unmittelbar selbst treffen sollte.
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Die Beklagte hat bis in das Berufungsverfahren hinein vorgetragen, den dargestellten rahmenvertraglichen "Optionen" dürfe deshalb keine indizielle Wirkung gegen eine Beschäftigung entnommen werden, weil der Rahmenvertrag gerade unter der "Prämisse" gestanden habe, dass eine Beschäftigung nicht gewollt sei. Die Beklagte sieht hierin einen Zirkelschluss der Klägerin zu 1. und weist darauf hin, dass es bei einer Beurteilung der Tätigkeit als Beschäftigung nach deren tatsächlicher Gestaltung auf die vertraglichen Vereinbarungen nicht ankommen könne. Dieser Auffassung kann nicht gefolgt werden (vgl schon BSG Urteil vom 28.5.2008 - B 12 KR 13/07 R - Juris RdNr 21). Zum einen gehören auch die getroffenen Vereinbarungen als rechtlich relevante Umstände zu den tatsächlichen Verhältnissen, nach denen sich das Gesamtbild der Tätigkeit bestimmt (vgl BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 7 RdNr 17 mwN). Zum anderen liegt die von der Beklagten aufgestellte Voraussetzung, dass die Tätigkeit der Klägerin zu 2. im Hinblick auf die tatsächliche Praxis der Rechtsbeziehung als Beschäftigung zu werten ist, hier - wie gerade erörtert wird - nicht vor.
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ee) Entgegen der vom Berufungsgericht vertretenen Auffassung war die Klägerin zu 2. bei der Durchführung der - gesondert zu beurteilenden - "Einsatzaufträge" auf der Grundlage des Rahmenvertrags nicht wie eine Beschäftigte in eine von der Klägerin zu 1. vorgegebene betriebliche Ordnung eingegliedert. Eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation (des Gewerbes) der Klägerin zu 1. zeigt sich nicht schon allein darin, dass sich die Klägerin zu 2. in das Telekommunikationssystem der Klägerin zu 1. einwählen musste, um "aktiviert" zu sein. Anders als das LSG meint, reicht es für die Annahme einer Eingliederung in den "Betrieb" der Klägerin zu 1. nicht aus, dass diese mit ihrem Gewerbe erst die Möglichkeit (an)bot, "telefonisch Gespräche mit Frauen zu führen", und die Klägerin zu 2. das zur Verfügung gestellte Telekommunikationssystem (be)nutzte. Die bloße Nutzung eines von anderen vorgehaltenen/betriebenen Systems bzw Netzes (Logistik) durch einen "Systempartner" oder Diensteanbieter ohne Vorliegen weiterer, für eine Einbindung in die organisatorische Einheit des "Systemgebers" oder Netzbetreibers sprechender Umstände zwingt nicht (von vornherein) zu der Annahme, es liege eine arbeitnehmertypische Eingliederung in eine von anderen vorgegebene betriebliche Ordnung vor, in der die "Systempartner" oder Diensteanbieter fremdbestimmte Arbeit leisteten (vgl etwa zu Handelsvertretern, die sich ein Handelsvertreternetz zunutze machen: BSG SozR 4-2600 § 2 Nr 8, 13 und 15; zu Franchise-Nehmern, die sich eine Vertriebskette in einem Franchise-System zunutze machen: BSG SozR 4-2600 § 2 Nr 12; zu Piloten, die sich ein Charterflug-Netz zunutze machen: BSG Urteil vom 28.5.2008 - B 12 KR 13/07 R - Juris; zu hauswirtschaftlichen Familienbetreuern, die sich die Dienste einer privaten Pflege-Agentur zunutze machen: BSG Urteil vom 28.9.2011 - B 12 R 17/09 R - Juris).
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Umstände von Gewicht, die jenseits der (bloßen) Nutzung des Telekommunikationssystems der Klägerin zu 1. für eine Eingliederung der Klägerin zu 2. in deren "Betrieb" sprechen könnten, liegen nicht vor. Das LSG hat vielmehr festgestellt, dass sich die Klägerin zu 2. bei der Durchführung ihrer "Einsatzaufträge" zu Hause und nicht in Betriebsräumen der Klägerin zu 1. aufhielt; sie benutzte jedenfalls teilweise - in der Gestalt ihrer eigenen Telefonanlage - eigene Geräte. Entgegen der von der Beklagten vertretenen Auffassung hat das BSG für einen solchen Fall nicht bereits "deutlich gemacht", dass eine Eingliederung in die betriebliche Ordnung des Netzbetreibers (gleichwohl und allgemein) anzunehmen sei; das BSG hat diese Frage vielmehr bisher unentschieden gelassen (vgl BSGE 87, 53, 56 = SozR 3-2400 § 7 Nr 15 S 46). Zutreffend weist die Klägerin zu 1. im Übrigen darauf hin, dass die Klägerin zu 2. mit der Zuteilung einer zweiten (individuellen) Rufnummer zwar noch auf das Telekommunikationssystem der Klägerin zu 1., jedoch nicht mehr auf ihr "Verteilersystem" angewiesen war; denn es war nunmehr die Klägerin zu 2. (selbst), die den anrufenden Kunden gegenüber auftrat.
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Soweit die Klägerin zu 1. gegen die Annahme einer Eingliederung der Klägerin zu 2. in ihren "Betrieb" anführt, dass es einen verbindlichen Terminplan über deren Einsatzzeiten nicht gegeben habe und somit eine ständige Dienstbereitschaft von dieser nicht erwartet worden sei, ist ihr Ansatz allerdings unzutreffend. Denn für die Beurteilung, ob die Klägerin zu 2. in eine von anderer Seite vorgegebene Arbeitsorganisation eingegliedert war, muss auf die Verhältnisse abgestellt werden, die nach Annahme des jeweiligen "Einsatzauftrags" im Hinblick (allein) hierauf bestanden (vgl BSG Urteil vom 28.9.2011 - B 12 R 17/09 R - Juris RdNr 22).
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ff) Die Klägerin zu 2. unterlag nach Annahme des jeweiligen "Einsatzauftrags" auch nicht - wie LSG und Beklagte meinen - einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht der Klägerin zu 1.
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Das Berufungsgericht räumt selbst ein, dass die Klägerin zu 2. keine Weisungen erhielt, wie sie im Einzelnen ihren "Leistungsauftrag, telefonische Gesprächspartnerin" zu sein, zu erbringen gehabt habe, geht jedoch davon aus, dass (bereits) die "vertragliche Aufgabenstellung", nämlich "die Wünsche der Anrufenden weitmöglichst mittels eines telefonischen Gesprächs zu erfüllen", für die Annahme persönlicher Weisungsunterworfenheit ausreiche. Allein daraus aber, dass gewisse "Eckpunkte" wie etwa der "grobe" Inhalt der Tätigkeit von der Klägerin zu 1. vorgegeben waren und insoweit eine "geminderte Autonomie" bestand, kann nicht auf eine Weisungsgebundenheit im geforderten Sinne geschlossen werden (vgl bereits - mit Hinweisen auf die ältere Rechtsprechung - BSG Urteil vom 28.9.2011 - B 12 R 17/09 R - Juris RdNr 19, und Urteil vom 28.5.2008 - B 12 KR 13/07 R - Juris RdNr 23). Nach Entgegennahme bzw Herstellung ankommender Telefonverbindungen richtete sich die Tätigkeit der Klägerin zu 2. (allgemein) an den Bedürfnissen und Wünschen der anrufenden Kunden aus. Wie die Gesprächsinhalte im Einzelnen ausgestaltet waren und wie lange die Telefongespräche dauerten, bestimmte sich nach den jeweiligen individuellen Erfordernissen; dies verlangte von der Klägerin zu 2. eine Flexibilität bzw die Fähigkeit zu entsprechender Reaktion beim Austausch von Gesprächsinhalten und beließ ihr einen großen Entscheidungsbereich (zu den Voraussetzungen von Weisungsgebundenheit/Weisungsfreiheit, dh Arbeitnehmereigenschaft/Selbstständigkeit bei Tätigkeiten in einem Nachtclub aus steuerrechtlicher Sicht vgl FG München EFG 2011, 56, 57 ff).
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Entgegen der vom LSG vertretenen Auffassung war die Klägerin zu 2. auch nicht wegen der Aufzeichnung ihrer aktiven Sprechzeiten im Telekommunikationssystem der Klägerin zu 1. weisungsabhängig. Woraus das Berufungsgericht schließt, dass die Ermittlung des Zeiteinsatzes der Klägerin zu 2. für gebührenpflichtige Telefonate der (auch inhaltlichen) Kontrolle ihrer Leistungserbringung diente, nachdem es zuvor festgestellt hat, dass diese (lediglich) für die Errechnung der Vergütung Bedeutung hatte, begründet es nicht. Nach den Feststellungen des LSG zum Inhalt des "Auftragsvertrags" stand der Klägerin zu 1. jedenfalls vertraglich keine (Rechts)Macht zur Kontrolle mit dem Ziel zu, die Klägerin zu 2. zur Optimierung ihrer Dienstleistungen anzuhalten; diese konnte Häufigkeit, Inhalt und Dauer ihrer "Einsatzaufträge" nach der Rahmenvereinbarung vielmehr selbst bestimmen.
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gg) Zu Unrecht geht das Berufungsgericht schließlich davon aus, die Klägerin zu 2. habe (überhaupt) kein eigenes, für Selbstständigkeit sprechendes Unternehmerrisiko getragen. Zutreffend hat es allerdings daraufhin hingewiesen, dass nach den vom BSG entwickelten Grundsätzen (vgl etwa BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 13 S 36 mwN; BSG SozVers 2001, 329, 332; zuletzt BSG Urteil vom 28.9.2011 - B 12 R 17/09 R - Juris RdNr 25 und Urteil vom 28.5.2008 - B 12 KR 13/07 R - Juris RdNr 27) maßgebendes Kriterium für ein solches Risiko ist, ob eigenes Kapital oder die eigene Arbeitskraft auch mit der Gefahr des Verlustes eingesetzt wird, der Erfolg des Einsatzes der sächlichen oder persönlichen Mittel also ungewiss ist. Allerdings ist ein unternehmerisches Risiko nur dann Hinweis auf eine selbstständige Tätigkeit, wenn diesem Risiko auch größere Freiheiten in der Gestaltung und der Bestimmung des Umfangs beim Einsatz der eigenen Arbeitskraft gegenüberstehen (so schon BSG SozR 2200 § 1227 Nr 17 S 37; BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 13 S 36, mwN; zuletzt BSG Urteil vom 28.9.2011 - B 12 R 17/09 R - Juris RdNr 25 und Urteil vom 28.5.2008 - B 12 KR 13/07 R - Juris RdNr 27). Aus den Feststellungen des LSG ergibt sich, dass die Klägerin zu 2. - wie das für Dienstleistungen im Bereich der Individual- bzw Sprachkommunikation typisch ist - im Wesentlichen ihre Arbeitskraft eingesetzt und dieses im vorgenannten Sinne mit einem Verlustrisiko getan hat.
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Die Annahme eines gewissen Unternehmerrisikos ist gerechtfertigt, weil die Klägerin zu 2. im Zusammenhang mit der Verwertung ihrer Arbeitskraft bei der Durchführung der "Einsatzaufträge" das Risiko des Ausfalls ihres Verdienstes trug. Nach den Feststellungen des LSG zum Inhalt der vertraglichen Vereinbarungen (vgl § 3 des "Auftragsvertrags") - und deren (tatsächlicher) Umsetzung - erhielt die Klägerin zu 2. ihre Vergütung nicht dafür, dass sie sich nach "Aktivierung" (wie innerhalb einer festen Arbeitszeit) bereithielt, sondern nur für den auf gebührenpflichtige Telefonate innerhalb der sog Routingzeit entfallenden Zeiteinsatz. Führte sie keine oder weniger Telefonate, etwa weil gebührenpflichtige Anrufe ausblieben oder sie im Telekommunikationssystem auf "hintere" Plätze geschaltet war, erzielte sie keine oder weniger Vergütung; insoweit musste sie auch befürchten, dass sie zeitweise überhaupt nichts verdiente. Der Erfolg des Einsatzes ihrer Arbeitskraft nach einer "Aktivierung" war also ungewiss.
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Dieser Belastung mit dem Ausfallrisiko stand auf der anderen Seite bei der Gestaltung und der Bestimmung des Umfangs des Einsatzes der eigenen Arbeitskraft eine größere Freiheit gegenüber; die Klägerin zu 2. konnte den Einsatz ihrer Arbeitskraft nach Annahme eines "Einsatzauftrags" in einer für Arbeitnehmer untypischen Weise sehr weitreichend selbst steuern. Zutreffend weist die Klägerin zu 1. in diesem Zusammenhang darauf hin, dass die Klägerin 2. durch eine entsprechende Ausgestaltung der Gesprächsinhalte auf die Dauer der gebührenpflichtigen Telefonate und die Anzahl der Anrufe und anrufenden Kunden Einfluss nehmen und so - durch besondere Anstrengungen - ihre Verdienstchancen erhöhen konnte. Letztlich stellt auch die Zuteilung einer zweiten (individuellen) Rufnummer im Telekommunikationssystem der Klägerin zu 1. nichts anderes als eine Reaktion darauf dar, dass bei (bestimmten) anrufenden Kunden infolge für sie attraktiver Gesprächsinhalte bei früheren Telefonverbindungen ein Bedürfnis nach unmittelbarer Kontaktaufnahme mit der Klägerin zu 2. sowie danach entstanden war, nicht (mehr) an eine andere, vom Betroffenen nicht favorisierte "Gesprächspartnerin" vermittelt zu werden. Mit der Heranbildung eines eigenen Kundenstammes nutzte die Klägerin zu 2. die bei den Gesprächseinsätzen bestehenden Optionen und steigerte ihre Verdienstchancen (noch) weiter. Diese Freiheit bei der Gestaltung und der Bestimmung des Umfangs des Einsatzes der eigenen Arbeitskraft ist nicht - wie das Berufungsgericht meint - deshalb ohne Bedeutung, weil diese und die Möglichkeit zur Erhöhung der Gewinnchancen nur "im Rahmen des Gewerbes der Klägerin zu 1." bestanden und die Klägerin zu 2. damit "keine eigenen Betriebsmittel erhalten" hat. Wie bereits erörtert (dazu oben 2 b ee)), schließt allein die (bloße) Nutzung eines von anderen vorgehaltenen/betriebenen Systems/Netzes (Logistik) selbstständige Tätigkeit (bei Verbindung zu diesem System/Netz) nicht von vornherein aus.
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Zu dem Risiko des Verdienstausfalls, das über dasjenige bei umsatzorientierter Entlohnung in Arbeitsverhältnissen hinausging, trat allerdings nicht deshalb ein Kapitalrisiko der Klägerin zu 2. hinzu, weil sie ihre Tätigkeit als "telefonische Gesprächspartnerin" aus der eigenen Wohnung heraus und über die eigene Telefonanlage ausübte. Zutreffend führt das LSG insoweit aus, dass sie hiermit eigene (sächliche) Betriebsmittel nicht einsetzte, weil eine eigene Wohnung und eine eigene Telefonanlage (vor allem) der allgemeinen Lebensführung dienen und auch von Arbeitnehmern auf eigene Kosten vorgehalten werden. Ein für Arbeitnehmer untypisches (wenn auch geringes) Kapitalrisiko ging die Klägerin zu 2. jedoch ein, als sie die zweite, im Telekommunikationssystem der Klägerin zu 1. ausschließlich für sie eingerichtete Telefonnummer in von ihr bezahlten Zeitungsanzeigen selbst bewarb. Soweit das Berufungsgericht ein hierin liegendes Kapitalrisiko mit der Begründung verneint, die Klägerin zu 2. habe ihre Vergütung gleichwohl mit den anrufenden Kunden nicht unmittelbar selbst aushandeln können, berücksichtigt dies zwei Umstände nicht: dass - erstens - im vorliegenden Rechtsstreit nicht die Rechtsbeziehung der Klägerin zu 2. zu ihren Kunden einer sozialversicherungsrechtlichen Bewertung zu unterziehen ist und dass - zweitens - sich die Höhe der Vergütung allgemein und damit auch des gegen die Klägerin zu 1. gerichteten Vergütungsanspruchs der Klägerin zu 2. bei einheitlichen Gebührensätzen (allein) über die Dauer der Telefonate und deren Anzahl (und gerade nicht über variable, etwa leistungsbezogene Entgelte) bestimmte.
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hh) Der Annahme einer selbstständigen Tätigkeit der Klägerin zu 2. steht schließlich nicht entgegen, dass die Klägerinnen die Form des freien Mitarbeitervertrags "in Umgehung gesetzlicher Schutzvorschriften" vereinbart hatten (vgl § 5 des "Auftragsvertrags"). Hieraus ergibt sich - trotz der missverständlichen Wortwahl - der Sache nach lediglich, dass die Vertragspartner ihre Rechte und Pflichten als "Auftraggeberin" und "Auftragnehmerin" - was rechtlich zulässig ist (dazu oben 2 b cc)) - den Bindungen eines (alternativ auch möglichen) Arbeitsverhältnisses gerade nicht unterwerfen wollten; dagegen kann daraus nicht gefolgert werden, dass nach dem Willen der Vertragspartner zwar ein Arbeitsverhältnis bestehen sollte, dies aber ohne die gerade für ein solches Rechtsverhältnis geltenden gesetzlichen und ggf tariflichen Bindungen und Mindestbedingungen (vgl auch § 32 SGB I).
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Keine Bedeutung für die hier vorgenommene sozialversicherungsrechtliche Beurteilung hat auch, dass der abgeschlossene "Auftragsvertrag" - wie die Klägerinnen damals meinten - im Hinblick auf Rechtsprechung des BGH (vgl BGH NJW 1998, 2895) wegen der Vermittlung und Vermarktung bestimmter Gesprächsinhalte (Telefonsexdienstleistungen) möglicherweise sittenwidrig und nichtig war (vgl allgemein zur Anwendung der Grundsätze zum faktischen Arbeitsverhältnis bei nichtigen Dienstverträgen Selbstständiger BSGE 87, 53, 60 f = SozR 3-2400 § 7 Nr 15 S 50 f). Der BGH hat die von den Klägerinnen zitierte Rechtsprechung im Hinblick auf das am 1.1.2002 in Kraft getretene Gesetz zur Regelung der Rechtsverhältnisse der Prostituierten vom 20.12.2001 (BGBl I 3983) ohnehin mittlerweile aufgegeben (vgl BGH NJW 2008, 140, 141; im Übrigen schon BGH NJW 2002, 361).
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3. Nach alledem war die Klägerin zu 2. in ihrer für die Klägerin zu 1. vom 25.10.2000 bis 31.12.2005 ausgeübten Tätigkeit als "telefonische Gesprächspartnerin" nicht iS von § 7 Abs 1 SGB IV bei dieser beschäftigt, sondern aufgrund eines freien Dienstverhältnisses selbstständig tätig. Das Gesamtbild der Tätigkeit der Klägerin zu 2. im vorliegenden Fall entspricht damit dem in der Rechtsprechungspraxis des BGH vorherrschenden Verständnis, wonach (auch) sog (Mehrwert)Diensteanbieter ihren Kunden gegenüber aufgrund eines mit diesen bestehenden eigenen Vertrags (vgl zu den Rechtsverhältnissen grundlegend BGH NJW 2002, 361) regelmäßig als selbstständige Unternehmer - und nicht als Mitarbeiter im Unternehmen des Netzbetreibers - auftreten (vgl etwa zu Telefonsex-Diensteanbietern als Telefonsex-Unternehmern expliziert BGH NJW 2002, 361).
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Der Ausgang des vorliegenden Rechtsstreits bedeutet allerdings nicht, dass Leistungen der Sprachkommunikation auf dem hier in Rede stehenden Tätigkeitsfeld, wie sie die Klägerin zu 2. erbrachte, im sozialversicherungsrechtlichen Sinne stets als selbstständige Tätigkeit anzusehen wären. Maßgebend für die Beurteilung sind jeweils die Umstände des Einzelfalls auf der Grundlage der für das BSG bindenden (vgl § 163 SGG) Feststellungen der Tatsacheninstanzen. Diese können bei veränderter Sachlage zu anderen Ergebnissen, das heißt auch zur Annahme von Beschäftigung gelangen.
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4. Die Kostenentscheidung beruht hinsichtlich des Revisionsverfahrens auf § 197a Abs 1 S 1 Halbs 3 SGG iVm § 154 Abs 1 VwGO, § 162 Abs 3 VwGO, hinsichtlich des Berufungsverfahrens auf § 193 SGG.
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5. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 197a Abs 1 S 1 Halbs 1 SGG iVm § 63 Abs 2, § 52 Abs 2, § 47 Abs 1 GKG; insoweit war der Auffangstreitwert festzusetzen.
Tenor
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Auf die Revisionen der Beklagten und der Beigeladenen zu 4. wird das Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom 10. November 2010 geändert.
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Das Urteil des Sozialgerichts Leipzig vom 14. November 2006 wird insgesamt aufgehoben und die Klage abgewiesen.
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Außergerichtliche Kosten sind in allen Rechtszügen nicht zu erstatten.
Tatbestand
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Die Beteiligten streiten (noch) darüber, ob der Kläger in seiner in einem Unternehmen seiner Mutter (Beigeladene zu 3.) verrichteten Tätigkeit in der Zeit ab 24.6.2001 der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung (RV), der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV), der sozialen Pflegeversicherung (sPV) und im Recht der Arbeitsförderung unterlag.
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Die Beigeladene zu 3. betrieb über mehrere Jahre ein Ladengeschäft, in dem Lebensmittel und Getränke verkauft wurden und in dem der Kläger seit 1986 arbeitete. Am 6.2.1999 wurde in den Räumlichkeiten eine Weinprobierstube eröffnet. Am 23.6.2001 kam es zu einem Brand in dem Lebensmittelladen, der daraufhin geschlossen wurde. Seitdem betreibt die Beigeladene zu 3. ihr Unternehmen als Weinhandlung (Wert des Weinbestandes ca 15 000 bis 20 000 Euro) mit angeschlossener Gaststätte in einem Gebäude, das im Eigentum ihres Bruders und ihres Ehemanns steht. Nach den Feststellungen des LSG wurden die Kosten der Gaststätteneinrichtung (ca 250 000 bis 300 000 DM) größtenteils von den Eltern des Klägers getragen. In dem Unternehmen obliegen der Beigeladenen zu 3. im Wesentlichen die Zubereitung der Speisen und die rechnerische Kontrolle der buchmäßigen Abrechnung. Entsprechend dem früheren Übergang des Unternehmens vom Vater der Beigeladenen zu 3. auf diese im Jahr 1980 soll das Unternehmen zu einem nicht näher feststehenden Termin auf den Kläger übergehen.
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Der 1966 geborene Kläger ist gelernter Wasser- und Gasinstallateur. Gemäß den Regelungen eines schriftlichen Arbeitsvertrag vom 1.6.1991, der an die Stelle eines vorangegangenen schriftlichen Arbeitsvertrags trat, wurde der Kläger im Unternehmen der Beigeladenen zu 3. als "Stellvertreter" eingestellt und war berechtigt, Waren zu bestellen und zu kaufen, sowie bei Abwesenheit der Beigeladenen zu 3. zuständig für Personalfragen. Ferner ist im Arbeitsvertrag ua bestimmt, dass der Kläger als Vollzeitkraft eingestellt wird, er alle ihm übertragenen Arbeiten gewissenhaft und sorgfältig auszuführen hat, Nebenbeschäftigungen nur mit Zustimmung des Arbeitgebers zulässig sind, die Lage der Arbeitszeit vom Arbeitgeber festgesetzt wird und die Tarifverträge für den Einzelhandel in Sachsen gelten sollen. Es wurde ein monatliches Bruttogehalt von 1904 DM, ab 1.1.1993 von 2762 DM vereinbart. Entgegen dieser Orientierung am Tarifniveau wurde das Gehalt des Klägers faktisch von der Entwicklung der Löhne abgekoppelt und lag im Jahr 2010 bei ca 1500 Euro brutto monatlich. Hintergrund dafür war nach den Feststellungen des LSG die Rücksichtnahme des Klägers auf die Belastungen des Familienunternehmens durch eine hohe Miete, die ihrerseits ihre Ursache in den hohen Sanierungskosten für das im Familienbesitz stehende betriebliche Gebäude hatte. Der Kläger war zunächst im Getränkeladen tätig. Seit 24.6.2001 ist er für die Weinbestellung und -annahme, die Prüfung der Lieferantenrechnungen, die Präsentation der Weine, die Preiskalkulation, die Gestaltung der Wein- und Speisekarten sowie die Bedienung und Betreuung der Gäste zuständig. Nach den Feststellungen des LSG beglich der Kläger 2005 bzw 2006 einmalig eine Weinrechnung in Höhe von 5000 Euro aus eigenen Mitteln.
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Auf den Antrag des Klägers zur sozialversicherungsrechtlichen Beurteilung seines Status stellte die Beklagte als Einzugsstelle durch Bescheid vom 28.7.2004 und Widerspruchsbescheid vom 10.6.2005 fest, dass er in seiner Tätigkeit für die Beigeladene zu 3. ab 1.1.1991 der Versicherungspflicht in der GKV, sPV, RV und Arbeitslosenversicherung unterliege. Das SG hat die Beklagte unter Aufhebung ihrer Bescheide verpflichtet festzustellen, dass der Kläger ab 1.1.1991 eine selbstständige Tätigkeit und keine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung ausgeübt habe (Urteil vom 14.11.2006). Auf die Berufung der Beklagten hat das LSG das Urteil des SG sowie die Bescheide der Beklagten geändert und festgestellt, dass der Kläger ab 24.6.2001 nicht der Versicherungspflicht in der GKV, sPV, RV und Arbeitslosenversicherung unterlegen habe; im Übrigen hat es die Berufung der Beklagten zurückgewiesen sowie die Klage abgewiesen: Insbesondere die Regelungen im Arbeitsvertrag vom 1.6.1991 über Gehalt, Arbeitszeit, Geltung von Tarifverträgen, Festlegung von Arbeitsaufgaben und Funktionen im Betrieb, ferner die Verbuchung der Personalausgaben als Betriebsausgaben, Abführung von Lohnsteuer und Sozialversicherungsbeiträgen und die Gehaltszahlung auf ein privates Konto des Klägers sprächen jedenfalls bis 23.6.2001 für eine (abhängige) Beschäftigung. Die Beigeladene zu 3. habe an der Rechtsform eines Einzelunternehmens festgehalten, dessen alleinige Inhaberin sie auch weiterhin sei. Daher habe ausschließlich die Beigeladene zu 3. die Rechtsmacht, an den rechtlichen Verhältnissen des Unternehmens Änderungen vorzunehmen oder den Kläger von seinen Aufgaben wieder zu entbinden. Dagegen könne ab 24.06.2001 eine Unternehmerstellung des Klägers festgestellt werden, da tags zuvor ein "grundlegender Strukturwandel" im Familienunternehmen seinen Abschluss gefunden habe. Zwar sei nach wie vor die Beigeladene zu 3. alleinige Inhaberin des Unternehmens. Der Kläger habe aber seither rein faktisch eine Handhabe, der Beigeladenen zu 3. im Falle eines Dissenses seinen Willen hinsichtlich der Unternehmensführung aufzuzwingen und über die Geschicke des Unternehmens zu walten wie über ein eigenes. Ein "gewisses Unternehmerrisiko" sei in Gestalt des Gehaltsverzichts auszumachen. Die auch in der Zeit ab 24.6.2001 beibehaltenen äußeren Umstände (festes monatliches Gehalt, Verbuchung der Personalausgaben als Betriebsausgabe, Entrichtung von Lohnsteuer und Sozialversicherungsbeiträgen, Überweisung des Gehalts auf ein privates Konto) seien dem Kläger "nicht vorzuwerfen". Immerhin habe er am 19.4.2004 die Beklagte um Überprüfung der sozialversicherungsrechtlichen Beurteilung seiner Tätigkeit gebeten und damit seine Zweifel an der Richtigkeit der Fortführung der bisherigen Praxis zum Ausdruck gebracht (Urteil vom 10.11.2010).
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Dagegen wenden sich die beklagte Krankenkasse als Einzugsstelle und der Rentenversicherungsträger (Beigeladene zu 4.) mit ihren Revisionen. Die Beklagte rügt eine Verletzung von § 7 Abs 1 SGB IV, § 5 Abs 1 Nr 1 SGB V, § 20 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB XI, § 1 Nr 1 SGB VI, § 25 Abs 1 SGB III, die Beigeladene zu 4. sinngemäß eine Verletzung von § 28h SGB IV. Zurecht habe das LSG für den Zeitraum vom 1.1.1991 bis 23.6.2001 festgestellt, dass der Kläger im Unternehmen der Beigeladenen zu 3. abhängig beschäftigt gewesen sei. Für die Zeit ab 24.6.2001 könne nichts anderes gelten. Eine rechtlich wirksame Unternehmensübergabe habe nicht stattgefunden. Für den Kläger habe die fremdbestimmte betriebliche Ordnung im Sinne einer Beschäftigung fortbestanden, auch wenn er sich innerhalb des vorgegebenen Rahmens habe frei bewegen dürfen. Auch an der Rechtsmacht der Beigeladenen zu 3. habe sich nichts geändert. Ein relevantes Unternehmerrisiko sei beim Kläger nicht festzustellen. Vielmehr habe er ein festes monatliches Grundgehalt bezogen, das unabhängig von der Erreichung der unternehmerischen Ziele gewährt worden sei. Der Kläger trage auch kein eigenes Haftungsrisiko, dieses liege vielmehr allein bei der Beigeladenen zu 3.
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Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom 10. November 2010 zu ändern, das Urteil des Sozialgerichts Leipzig vom 14. November 2006 insgesamt aufzuheben und die Klage abzuweisen.
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Die Beigeladene zu 4. schließt sich dem Antrag der Beklagten mit der Maßgabe an, dass sich ihre Revision nur auf die Feststellung der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung richtet.
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Der Kläger hat sich zu den Revisionen nicht geäußert.
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Die Beigeladene zu 1. hat sich der Revisionsbegründung der Beigeladenen zu 4., die Beigeladene zu 2. den Revisionsbegründungen der Beklagten und der Beigeladenen zu 4. angeschlossen. Die Beigeladene zu 3. hat sich nicht geäußert.
Entscheidungsgründe
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Die Revision der Beklagten, die sich auf die Feststellung des Nichtbestehens von Versicherungspflicht des Klägers wegen Beschäftigung in allen Zweigen der Sozialversicherung in der Zeit ab 24.6.2001 bezieht, ist zulässig und begründet. Gleiches gilt für die ebenfalls auf diese Zeit und die Feststellung des Nichtbestehens von Versicherungspflicht in der gesetzlichen RV beschränkte Revision der Beigeladenen zu 4. Die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind insoweit rechtmäßig. Daher ist das Urteil des LSG in diesem - dem Begehren des Klägers bislang entsprechenden - Umfang aufzuheben und das Urteil des SG ist auch insoweit unter Abweisung der Klage aufzuheben.
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1. Zu Unrecht hat das LSG eine Versicherungspflicht des Klägers wegen Beschäftigung in allen Zweigen der Sozialversicherung in seiner Tätigkeit für die Beigeladene zu 3. in der noch streitigen Zeit ab 24.6.2001 verneint und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des SG insoweit zurückgewiesen.
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Das LSG ist in seinem Urteil zwar zutreffend von den in der Rechtsprechung des BSG zum Vorliegen von zu Versicherungspflicht führender Beschäftigung aufgestellten Grundsätzen ausgegangen (hierzu a). Es hat dabei jedoch die Bedeutung der tatsächlichen Umstände gegenüber den für die Tätigkeit des Klägers im Unternehmen maßgebenden vertraglichen Vereinbarungen, welche hier nur die Annahme von Beschäftigung rechtfertigen können, verkannt (hierzu b). Der Status des Klägers als Selbstständiger lässt sich nicht mit dem LSG unter Hinweis darauf bejahen, dass bestimmte Umstände und Indizien des Einzelfalls gesamtschauend dafür sprächen (hierzu c).
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a) Im streitigen Zeitraum ab 24.6.2001 unterlagen Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind, der Versicherungspflicht in der Kranken-, Renten- und Pflegeversicherung sowie im Recht der Arbeitsförderung (vgl § 24 Abs 1, § 25 Abs 1 SGB III idF des Gesetzes vom 24.3.1997, BGBl I 594; § 5 Abs 1 Nr 1 SGB V idF des Gesetzes vom 20.12.1988, BGBl I 2477; § 1 S 1 Nr 1 SGB VI idF des Gesetzes vom 18.12.1989, BGBl I 2261, BGBl 1990 I 1337; § 20 S 1, 2 Nr 1 SGB XI idF des Gesetzes vom 26.5.1994, BGBl I 1014). Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer (abhängigen) Beschäftigung ist § 7 Abs 1 SGB IV in seiner bis heute unverändert geltenden Fassung. Danach ist Beschäftigung "die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis" (§ 7 Abs 1 S 1 SGB IV). Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Diese Weisungsgebundenheit kann - vornehmlich bei Diensten höherer Art - eingeschränkt und zur "funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" verfeinert sein. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig ist, richtet sich ausgehend von den genannten Umständen nach dem Gesamtbild der Arbeitsleistung und hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (stRspr; vgl zum Ganzen zB zuletzt BSG Urteil vom 29.8.2012 - B 12 KR 25/10 R - BSGE 111, 257 = SozR 4-2400 § 7 Nr 17, RdNr 15 mwN; BSG SozR 4-2400 § 28e Nr 4 RdNr 17; BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 6 RdNr 14 mwN; siehe insbesondere auch BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 19 S 69 f, Nr 13 S 31 f und Nr 4 S 13, jeweils mwN; BSGE 78, 34, 36 = SozR 3-2940 § 2 Nr 5 S 26 f mwN; zur Verfassungsmäßigkeit der Abgrenzung zwischen abhängiger Beschäftigung und selbstständiger Tätigkeit vgl BVerfG SozR 3-2400 § 7 Nr 11).
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Ob eine wertende Zuordnung zum Typus der abhängigen Beschäftigung gerechtfertigt ist, ergibt sich aus dem Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es im Rahmen des rechtlich Zulässigen tatsächlich vollzogen worden ist. Ausgangspunkt ist daher zunächst das Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es sich aus den von ihnen getroffenen Vereinbarungen ergibt oder sich aus ihrer gelebten Beziehung erschließen lässt. Eine im Widerspruch zu ursprünglich getroffenen Vereinbarungen stehende tatsächliche Beziehung und die hieraus gezogene Schlussfolgerung auf die tatsächlich gewollte Natur der Rechtsbeziehung geht der nur formellen Vereinbarung vor, soweit eine - formlose - Abbedingung rechtlich möglich ist. Umgekehrt gilt, dass die Nichtausübung eines Rechts unbeachtlich ist, solange diese Rechtsposition nicht wirksam abbedungen ist. Zu den tatsächlichen Verhältnissen in diesem Sinne gehört daher unabhängig von ihrer Ausübung auch die einem Beteiligten zustehende Rechtsmacht. In diesem Sinne gilt, dass die tatsächlichen Verhältnisse den Ausschlag geben, wenn sie von Vereinbarungen abweichen. Maßgebend ist die Rechtsbeziehung so wie sie praktiziert wird und die praktizierte Beziehung so wie sie rechtlich zulässig ist (vgl BSG Urteil vom 29.8.2012 - B 12 KR 25/10 R - BSGE 111, 257 = SozR 4-2400 § 7 Nr 17, RdNr 16 mwN).
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b) Die dargestellten Grundsätze sind - trotz der in Fällen der vorliegenden Art jeweils mit in Rechnung zu stellenden engen familiären Bindungen - auch im vorliegenden Fall anzuwenden und gelten unter Berücksichtigung der jüngeren Rechtsprechung des Senats fort, denn der Kläger war im streitigen Zeitraum nicht in seinem eigenen Unternehmen, sondern in einem fremden Unternehmen tätig.
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aa) Alleinige Unternehmensinhaberin bzw Trägerin des Unternehmens war die Beigeladene zu 3., die nach den den Senat bindenden Tatsachenfeststellungen des LSG (vgl § 163 SGG) das Unternehmen durchgehend und damit auch die im streitigen Zeitraum betriebene Weinhandlung mit Gaststätte als Einzelunternehmen führte. Lediglich sie war damit auch nur unmittelbar begünstigtes Rechtssubjekt für die sich aus dem Auftreten des Unternehmens im Geschäftsverkehr ergebenden Ansprüche und Rechte; umgekehrt war ebenso nur die Beigeladene zu 3. den Verpflichtungen hinsichtlich der aus dem Geschäftsbetrieb resultierenden Lasten ausgesetzt, indem sie für die über das Unternehmen eingegangenen Verbindlichkeiten als natürliche Person mit ihrem ganzen Vermögen haftete. Damit muss - auch unter dem Blickwinkel des Sozialversicherungsrechts - ohne besondere dokumentierte bzw von den Tatsacheninstanzen festgestellte Umstände die Annahme einer sich auf seinen Status als Erwerbstätiger auswirkenden Beteiligung des Klägers an der Führung des Einzelunternehmens ausscheiden. Für die Trägerschaft eines Unternehmens durch eine (natürliche) Einzelperson kann insoweit im Kern nichts anderes gelten als in den Fällen, in denen eine juristische Person des Privatrechts Unternehmensträger ist. In den letztgenannten Fällen erkennt die höchstrichterliche Rechtsprechung aber auch seit jeher dann, wenn der im Unternehmen Tätige Gesellschaftsanteile an einer Kapitalgesellschaft - sei es auch eine Familiengesellschaft - hält, den Status als Selbstständiger nur an, wenn damit zugleich eine entsprechende Einflussmöglichkeit auf den Inhalt von Gesellschafterbeschlüssen verbunden ist; etwa durch ein seinem Gesellschaftsanteil entsprechendes Stimmgewicht oder in Form einer Sperrminorität, und der Betroffene damit rechtlich über die Möglichkeit verfügt, ihm nicht genehme Weisungen hinsichtlich seiner Tätigkeit abzuwehren (vgl hierzu allgemein bereits zB BSGE 38, 53, 57 f = SozR 4600 § 56 Nr 1 S 5; BSGE 42, 1, 3 = SozR 2200 § 723 Nr 1 S 3 mwN; zuletzt BSG Urteil vom 29.8.2012 - B 12 KR 25/10 R - BSGE 111, 257 = SozR 4-2400 § 7 Nr 17, RdNr 25 mwN).
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bb) Ausgangspunkt der Prüfung, ob die Tätigkeit des Klägers im Rahmen einer Beschäftigung oder selbstständig ausgeübt wurde, ist vor diesem Hintergrund vorliegend primär der zwischen ihm und der Beigeladenen zu 3. geschlossene, ausdrücklich so bezeichnete schriftliche "Arbeitsvertrag" vom 1.6.1991, der deren Rechtsverhältnis zueinander auch noch in dem im Revisionsverfahren streitigen Zeitraum ab 24.6.2001 ausschließlich bestimmte. Dieser Vertrag hatte sowohl nach der Bezeichnung als auch nach seinem vom LSG festgestellten Inhalt - ua festes monatliches Gehalt, Einstellung als Vollzeitkraft, Zustimmungserfordernis des Arbeitgebers zu etwaigen Nebentätigkeiten, Festlegung der Arbeitszeiten durch den Arbeitgeber - mit seinen typischen Arbeitnehmerrechten und -pflichten ein "Arbeitsverhältnis" iS von § 7 Abs 1 S 1 SGB IV zum Gegenstand. Damit aber kann das in dieser Norm besonders hervorgehobene Merkmal für das Vorliegen einer zur Versicherungspflicht des Klägers führenden Beschäftigung nicht in Abrede gestellt werden. Im Hinblick darauf, dass die Unternehmensträgerschaft bei der Mutter des Klägers (Beigeladene zu 3.) als Einzelunternehmerin lag, verfügte der Kläger auch nicht über eine rechtliche Handhabe, die ihm einen (mit)beherrschenden Einfluss auf die Unternehmensleitung sicherte. Zudem fehlen jegliche Hinweise darauf, dass die geschäftlichen Beziehungen zwischen dem Kläger und der Beigeladenen zu 3. wenigstens im Innenverhältnis als gesellschaftsrechtlich bedeutsame und hier zu beachtende Vereinbarung aufgefasst werden könnten. Weder hat der Kläger zwischen beiden das Bestehen einer - rechtlich wirksamen - sog Innengesellschaft (vgl dazu und zu deren Voraussetzungen schon BSGE 40, 161, 163 = SozR 2200 § 1266 Nr 3 S 17 mwN
, BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 7 RdNr 22 f mwN behauptet, noch hat das LSG insoweit den Senat bindende positive Feststellungen (vgl § 163 SGG) getroffen. Unabhängig davon kann nicht angenommen werden, dass dem Kläger auf der Grundlage der Feststellungen des Berufungsgerichts darüber hinaus nennenswerte Rechtsmacht eingeräumt war, die es ihm (im Innenverhältnis) ermöglicht hätte bzw ermöglichen würde, die Geschäfte des Unternehmens gegen den Willen der Beigeladenen zu 3. zu betreiben.)
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Der Kläger erbrachte seine Dienste für die Beigeladene zu 3. auch nach weiteren Feststellungen des LSG im Rahmen einer (abhängigen) Beschäftigung iS von § 7 Abs 1 S 1 SGB IV. Der Kläger war ihr - seiner Arbeitgeberin - gegenüber weisungsunterworfen und in die von ihr vorgegebene Arbeitsorganisation ihres Unternehmens eingebunden. Nach der zutreffenden Bewertung des LSG hatte nämlich (allein) die Beigeladene zu 3. die Rechtsmacht (zu deren Bedeutung vgl BSG Urteil vom 29.8.2012 - B 12 KR 25/10 R - BSGE 111, 257 = SozR 4-2400 § 7 Nr 17, RdNr 31 f, ferner sogleich und unten 1. c ee), an den rechtlichen Verhältnissen des Unternehmens Änderungen vorzunehmen oder den Kläger von seinen Aufgaben wieder zu entbinden.
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cc) An dem Ausgangspunkt ändert die verwandtschaftliche Beziehung zwischen dem Kläger und der Beigeladenen zu 3. grundsätzlich nichts. Eine (abhängige) Beschäftigung wird nämlich nicht dadurch ausgeschlossen, dass jemand für ein Familienmitglied tätig ist (vgl schon zu so genannten "Meistersöhnen" BSGE 3, 30, 39). Zu prüfen ist allerdings insbesondere, ob der Angehörige in einem Familienunternehmen als Beschäftigter, als Mitunternehmer oder Mitgesellschafter eines Angehörigen oder ob seine Tätigkeit lediglich als familienhafte Mithilfe anzusehen ist (vgl BSGE 74, 275, 276 = SozR 3-2500 § 5 Nr 17 S 57). Die Abgrenzung hängt von den gesamten Umständen des Einzelfalles ab (BSG SozR 3-2200 § 548 Nr 37 S 127; BSGE 74, 275, 278 = SozR 3-2500 § 5 Nr 17 S 60). Die Beurteilung einer Erwerbstätigkeit, die im Unternehmen eines Familienangehörigen ausgeübt wird, der als natürliche Person Unternehmensinhaber bzw Träger des Unternehmens und mit seinem ganzen Vermögen dessen Haftungsobjekt ist, unterscheidet sich insoweit rechtlich gesehen nicht wesentlich von der Beurteilung einer Erwerbstätigkeit in einer Familiengesellschaft, zB in der Rechtsform einer GmbH, deren Kapital in Form von Gesellschaftsanteilen von Familienangehörigen gehalten wird. Die Rechtsprechung des BSG hat in der Vergangenheit allerdings abweichend von diesen Grundsätzen bei Tätigkeiten für eine Gesellschaft eine Selbstständigkeit des Betroffenen für möglich gehalten, wenn seine Tätigkeit durch eine besondere Rücksichtnahme aufgrund familiärer Bindungen geprägt war, auch wenn er nicht über eine Sperrminorität verfügte (vgl zum Ganzen ausführlich BSG Urteil vom 29.8.2012 - B 12 KR 25/10 R - BSGE 111, 257 = SozR 4-2400 § 7 Nr 17, RdNr 31 f). Soweit darüber hinausgehend der 11. Senat des BSG eine selbstständige Tätigkeit sogar im Fall des - nicht an der GmbH beteiligten und nicht zum Geschäftsführer bestellten - Sohnes eines Allein-Gesellschafter-Geschäftsführers für möglich erachtete (BSGE 66, 168 = SozR 3-2400 § 7 Nr 1), hat der Senat in seiner jüngsten Rechtsprechung allerdings offengelassen, ob der vom 11. Senat des BSG vertretenen Rechtsauffassung (ggf modifiziert bzw auf gänzlich atypische Sonderfälle beschränkt) bezogen auf das Versicherungs- und Beitragsrecht gefolgt werden kann (vgl BSG Urteil vom 29.8.2012 - B 12 KR 25/10 R - aaO, RdNr 32). Hierauf kommt es im vorliegenden Fall aber nicht an, da die vom LSG festgestellten Tatsachen dessen Schlussfolgerung, der Kläger sei aufgrund einer "faktischen Machtposition", der derjenigen eines (Mit-)Inhabers gleichkomme, selbstständig gewesen, nicht überzeugen können.
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c) Eine Selbstständigkeit des Klägers lässt sich schließlich nicht mit dem LSG unter Hinweis darauf begründen, dass - hinausgehend über die Darlegungen unter b) - sonstige Umstände und Indizien des Einzelfalls bei einer Gesamtschau für die Zeit ab 24.6.2001 gleichwohl für den von ihm beanspruchten Status sprächen.
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Für die - mangels Revisionseinlegung des Klägers gegen den klageabweisenden Teil des LSG-Urteils - nicht (mehr) im Streit befindliche Zeit vom 1.1.1991 bis 23.6.2001 hat das LSG die Tätigkeit des Klägers als (abhängige) Beschäftigung qualifiziert. Entgegen der Auffassung des LSG ist auch nach der inhaltlichen Neuausrichtung des von der Beigeladenen zu 3. betriebenen Unternehmens ab 24.6.2001 davon auszugehen, dass der Kläger weiterhin (abhängig) beschäftigt blieb.
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aa) Das LSG hat hierzu zunächst zutreffend festgestellt, dass sämtliche Merkmale der "äußeren Abwicklung" der Erwerbstätigkeit des Klägers (= Arbeitsvertrag vom 1.6.1991, festes monatliches Arbeitsentgelt, Verbuchung der Personalkosten als Betriebsausgaben, Entrichtung von Lohnsteuer und Sozialversicherungsbeiträgen, Überweisung des Entgelts auf ein privates Konto des Klägers) unverändert blieben. Die in diesem Zusammenhang geäußerte Auffassung, die fehlende Veränderung könne dem Kläger nicht "vorgeworfen" werden, weil er am 19.4.2004 um die Überprüfung seines sozialversicherungsrechtlichen Status gebeten habe, rechtfertigt nicht schon die Schlussfolgerung, der Kläger sei selbst von einer Änderung zum 24.6.2001 ausgegangen: Zum Einen erfolgte der Antrag ohnehin erst ca drei Jahre nach der inhaltlichen Neuausrichtung des Unternehmens, zum Anderen stellte der Kläger selbst nicht nur die Zeit ab 24.6.2001, sondern den gesamten Tätigkeitszeitraum ab 1.1.1991 zur Überprüfung durch die Einzugsstelle.
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bb) Die maßgebenden rechtlichen Rahmenbedingungen blieben auch ab 24.6.2001 unverändert. Der der Tätigkeit des Klägers zugrundeliegende Arbeitsvertrag vom 1.6.1991 wurde nicht geändert. Die Beigeladene zu 3. war nach wie vor Alleininhaberin bzw alleinige Trägerin des von ihr in der Form des Einzelunternehmens betriebenen Unternehmens.
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cc) Der Kläger war auch ab dem 24.6.2001 nicht an dem Unternehmen, zB als Mitunternehmer, gleichberechtigter Partner neben der Beigeladenen zu 3. oder gar rechtlich allein maßgebender Unternehmensträger, beteiligt. Die einmalige Übernahme einer Weinrechnung in Höhe von 5000 Euro zu einem nicht konkret festgestellten Zeitpunkt im Jahr 2005 oder 2006 durch den Kläger rechtfertigt weder die Annahme, dass der Kläger hierdurch einen solchen Status erlangte, noch kann darin ein relevantes "Kapitalrisiko" des Klägers gesehen werden. Zwar hat das LSG keine näheren Feststellungen im Zusammenhang mit der Kostenübernahme getroffen. So ist ungeklärt, ob der Kläger der Beigeladenen zu 3. den Betrag darlehensweise überließ oder ihr den Betrag übereignete. Angesichts der verhältnismäßig geringen Höhe kommt allerdings auch in Betracht, dass es sich hierbei um eine Gefälligkeit des Klägers gehandelt haben könnte, die uU dadurch motiviert war, dass er eines Tages - der Familientradition folgend - das Unternehmen übernehmen würde. Die Höhe der übernommenen Kosten ist jedenfalls auf der Grundlage der Feststellungen des LSG im Verhältnis zu den Einrichtungskosten der Weinhandlung mit Gaststätte und zum Wert des Warenbestandes des Unternehmens als geringfügig anzusehen.
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Soweit das LSG die einmalige Kostenübernahme als sehr geringes "Kapitalrisiko" des Klägers bewertet hat, ist nicht ersichtlich, worauf sich dieses Risiko beziehen sollte: Bei dem von der Beigeladenen zu 3. betriebenen Unternehmen handelt es sich um ein Einzelunternehmen, nicht um eine eigenständige juristische Person des Privatrechts, zB eine Kapitalgesellschaft. Ein Risiko wäre allenfalls gegeben, wenn der Kläger der Beigeladenen zu 3. den Betrag darlehensweise zur Verfügung gestellt hätte. Angesichts der verhältnismäßig geringen Höhe wäre aber auch das entsprechende Kreditausfallrisiko gering gewesen.
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Die Kostenübernahme führte auch nicht zu einer "Mitunternehmerschaft" des Klägers an dem Unternehmen der Beigeladenen zu 3. Vielmehr hielt die Beigeladene zu 3. nach den Feststellungen des LSG durchgängig am Betrieb des Unternehmens als inhabergeführtes Einzelunternehmen fest. Demzufolge trug - wie bereits ausgeführt - ausschließlich die Beigeladene zu 3. als Inhaberin des Einzelunternehmens bzw Trägerin des Unternehmens ein Haftungsrisiko für dessen Verbindlichkeiten. Sie allein haftete mit ihrem gesamten Vermögen für Verbindlichkeiten ihres Unternehmens. Demgegenüber traf den Kläger keinerlei Haftungsrisiko.
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dd) Zu Unrecht hat das LSG angenommen, die fehlende regelmäßige Anpassung des Gehalts des Klägers spreche für dessen Selbstständigkeit im streitigen Zeitraum. Insoweit berücksichtigt das Berufungsgericht bereits nicht hinreichend, dass seine tatsächlichen Feststellungen nicht den Schluss zulassen, der Kläger habe insoweit bereits rechtswirksam auf einen entsprechenden Vergütungsanspruch verzichtet. Mangels eines ausdrücklichen Verzichts stünde einer Geltendmachung eines Anspruchs unter Durchsetzung der entsprechenden arbeitsvertraglichen Regelungen über die regelmäßige Gehaltsanpassung allenfalls dessen Durchsetzbarkeit durch die möglicherweise geltend gemachte Verjährung entgegen. Insoweit trat jedoch auch keine Änderung der Verhältnisse zum 24.6.2001 ein. Vielmehr wurde das Entgelt des Klägers nach den Feststellungen des LSG "vor Jahren" von der Entwicklung der Löhne und Gehälter "abgekoppelt". Einen unmittelbaren Bezug zu der inhaltlichen Ausrichtung des Unternehmens zum 24.6.2001 hat es demgegenüber nicht festgestellt. Soweit das LSG die Nichtanpassung der Arbeitsvergütung als "Gehaltsverzicht" bewertet hat und darin ein gewisses "Unternehmerrisiko" des Klägers sieht, ist wiederum nicht ohne Weiteres ersichtlich, worauf sich dieses Risiko beziehen sollte. Zwar könnte man annehmen, sein Risiko habe darin bestanden, bereits im Vorgriff auf den späteren Übergang des Unternehmens auf die regelmäßige Anpassung seines Entgelts verzichtet zu haben, ohne eine hinsichtlich des Unternehmensübergangs gefestigte Rechtsposition erreicht zu haben. Einem derart angenommenen Risiko steht allerdings entgegen, dass der Kläger durchgehend eine feste Arbeitsvergütung bezog, deren Höhe einerseits deutlich über eine bloße Anerkennung oder ein Taschengeld hinausging und andererseits nicht vom wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens abhängig war. Darüber hinaus trug der Kläger - wie bereits dargelegt - kein rechtlich bedeutsames und auf der Grundlage der Feststellungen des LSG durch entsprechende äußere Umstände dokumentiertes Haftungsrisiko für Verbindlichkeiten des Unternehmens der Beigeladenen zu 3.
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ee) Entgegen der Auffassung des LSG rechtfertigt schließlich eine vermeintliche "faktische Machtposition" des Klägers nicht die Annahme seiner Selbstständigkeit.
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Auch geschuldete Dienste höherer Art werden im Rahmen einer (abhängigen) Beschäftigung geleistet, wenn sie - wie hier - fremdbestimmt bleiben, weil sie in einer von anderer Seite vorgegebenen Ordnung des Betriebes aufgehen (stRspr seit BSGE 16, 289, 294 = SozR Nr 30 zu § 165 RVO und BSGE 21, 57, 58 f = SozR Nr 2 zu § 2 AVG; in jüngerer Zeit zB BSG Urteil vom 29.8.2012 - B 12 KR 25/10 R - BSGE 111, 257 = SozR 4-2400 § 7 Nr 17, RdNr 23 mwN). Wie weit die Lockerung des Weisungsrechts in der Vorstellung des Gesetzgebers gehen kann, ohne dass deswegen die Stellung als Beschäftigter im Rechtssinne entfällt, zeigen beispielhaft die gesetzlichen Regelungen zum Nichtbestehen von Versicherungspflicht bei den Vorstandsmitgliedern einer Aktiengesellschaft in der gesetzlichen RV und im Recht der Arbeitsförderung (§ 1 S 4 SGB VI sowie § 27 Abs 1 Nr 5 SGB III). Diese Personen sind insoweit sozialversicherungsrechtlich den für Beschäftigte geltenden Regelungen unterworfen, auch wenn sie die Gesellschaft in eigener Verantwortung zu leiten haben und gegenüber der Belegschaft des Unternehmens Arbeitgeberfunktionen wahrnehmen (stRspr BSGE 65, 113, 116 f = SozR 2200 § 1248 Nr 48 S 125; SozR 3-2400 § 7 Nr 18 S 66 f; BSGE 100, 62 = SozR 4-2600 § 1 Nr 3, RdNr 16; BSGE 107, 185 = SozR 4-2600 § 1 Nr 6, RdNr 14). Allein weitreichende Entscheidungsbefugnisse eines "leitenden Angestellten", der in funktionsgerecht dienender Teilhabe am Arbeitsprozess einem verfeinerten Weisungsrecht unterliegt, machen diesen nicht schon zu einem Selbstständigen. Ähnlich verhält es sich hier. Der Kläger war nämlich trotz seiner betrieblichen Befugnisse ununterbrochen in das Unternehmen der Beigeladenen zu 3. organisatorisch eingebunden. Nach den Regelungen des Arbeitsvertrags war er zwar berechtigt, Waren zu bestellen und zu kaufen. Ausdrücklich war er aber nicht umfassend mit gleichen Rechten wie die Beigeladene zu 3. ausgestattet, sondern nur als deren "Stellvertreter" eingesetzt und für Personalfragen nicht durchgehend, sondern nur ausnahmsweise - bei Abwesenheit der Beigeladenen zu 3. - zuständig. Die vom LSG gleichwohl angenommene "Machtposition" des Klägers leitet sich damit lediglich daraus ab, dass er auf die Unternehmenstätigkeit und deren Ausrichtung maßgeblichen Einfluss ausüben konnte, was sich letztlich in der im Sommer 2001 vollzogenen inhaltlichen Neuausrichtung des Unternehmens von einem Lebensmittel- und Getränkeverkauf hin zu einer Weinhandlung mit Gaststätte dokumentierte. Das LSG hat allerdings gleichwohl ausdrücklich festgestellt, dass die Beigeladene zu 3. - trotz Änderung der Geschäftsausrichtung weg von einem Lebensmittel- und Getränkeladen hin zu einer Weinhandlung mit Probierstube und Küchenbetrieb - durchgehend an dem von Beginn an bestehenden und über die Jahre hinweg auch so weitergeführten Form als Einzelunternehmen festhielt. Demzufolge hatte - nach der zutreffenden Bewertung durch das LSG - allein die Beigeladene zu 3. als Unternehmensinhaberin bzw Trägerin des Unternehmens die Rechtsmacht, Änderungen an den rechtlichen Verhältnissen des Unternehmens vorzunehmen oder den Kläger von seinen Aufgaben zu entbinden. Daran änderte sich auch erkennbar nichts nach der inhaltlichen Neuausrichtung des Unternehmens zum 24.6.2001; denn die Beigeladene zu 3. hatte es nach wie vor in der Hand, etwa im Fall eines Zerwürfnisses den Kläger zu entlassen und an seiner Stelle eine andere Arbeitskraft mit entsprechendem Fachwissen einzustellen, ohne dass der Kläger die Rechtsmacht besaß, dem mit Erfolgsaussicht entgegenzutreten (zur vorrangigen Bedeutung formell bestehender Rechtsmacht gegenüber dem Gesichtspunkt ihrer tatsächlichen Nichtausübung vgl bereits BSG Urteil vom 29.8.2012 - B 12 KR 25/10 R - BSGE 111, 257 = SozR 4-2400 § 7 Nr 17, RdNr 32). Anhaltspunkte dafür, dass allein der Kläger über ein derart hohes Fachwissen verfügte, dass nur er in der Lage war, die konkrete Tätigkeit zu verrichten, hat das LSG nicht festgestellt und sind sonst nicht ersichtlich. Auch kann insoweit nicht eingewandt werden, dass eine fremde Arbeitskraft mit entsprechendem Fachwissen möglicherweise nicht bereit gewesen wäre, zu denselben Konditionen tätig zu werden; insoweit handelt es sich lediglich um wirtschaftliche Überlegungen, die am grundsätzlichen Bestehen einer entsprechenden rechtlichen Möglichkeit nichts ändern. Darüber hinaus bezog sich die vom LSG angenommene "Machtposition" des Klägers allein auf die Geschäftstätigkeit des Unternehmens der Beigeladenen zu 3. Nur insoweit hatte der Kläger aufgrund seines geltend gemachten Fachwissens eine herausgehobene Bedeutung für den wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens. Eine wirtschaftlich beherrschende Stellung durch den Kläger war demgegenüber nicht gegeben. Nach der Rechtsprechung des BSG können derartige Einflussmöglichkeiten zwar beachtenswert sein, soweit sie einem Geschäftsführer einer GmbH selbst gegenüber der Gesellschaft zur Verfügung stehen (zu einem - im Ergebnis nicht ausreichenden - der Gesellschaft gewährten Darlehen vgl BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 4 S 17 f). Wie dargestellt, betreibt die Beigeladene zu 3. das Unternehmen indessen nach wie vor als Einzelunternehmerin bzw alleinige Trägerin. Hinweise auf eine Mitunternehmerschaft bzw eine nennenswerte Kapitalbeteiligung des Klägers an dem Unternehmen verbunden mit einem damit korrespondierenden wesentlichen Einfluss auf dessen Bestand und Geschäftsbetrieb liegen nicht vor.
Tenor
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Auf die Revision der Beigeladenen zu 2. wird das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 22. September 2010 aufgehoben, soweit es die Feststellung der Rentenversicherungspflicht des Klägers in seiner Tätigkeit bei der Beigeladenen zu 1. vom 30. April 1996 bis 30. November 1999 betrifft.
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In diesem Umfang wird die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Oldenburg vom 26. November 2008 zurückgewiesen.
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Die Beklagte hat dem Kläger ein Viertel der notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klage- und Berufungsverfahrens zu erstatten. Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
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Die Beteiligten streiten (noch) darüber, ob der Kläger in der Zeit vom 30.4.1996 bis 30.11.1999 als Beschäftigter in der gesetzlichen Rentenversicherung (RV) versicherungspflichtig war.
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Der am 1961 geborene Kläger arbeitete aufgrund eines Anstellungsvertrags vom 11.2.1986 zunächst als Schlosser und nach Ablegen der Meisterprüfung noch im selben Jahr als Betriebsleiter bei der Beigeladenen zu 1., einer GmbH mit dem Unternehmensgegenstand "Rührwerksbau". Alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer war bis zu seinem Tod am 11.5.2001 der Vater des Klägers. Die Geschäftsanteile erbte dessen Ehefrau; der Kläger wurde mit Dienstvertrag vom 31.8.2001 zum Geschäftsführer bestellt. Bereits am 30.4.1996 hatte der Vater des Klägers "gemäß § 48 Abs 2 GmbHG" folgende Niederschrift verfasst:
"… Aus gesundheitlichen Gründen werden meine Kinder S. und M. die Leitung des Unternehmens übernehmen. Mein Sohn wird aufgrund seiner beruflichen Fähigkeiten den technischen und gewerblichen Teil des Unternehmens übernehmen, meine Tochter den kaufmännischen Teil, aufgrund ihrer Ausbildung beim Steuerberater. Die entsprechenden Vollmachten werden beiden Kindern umgehend erteilt. Ab sofort nehmen die Kinder am betrieblichen Erfolg mit einer Gewinntantieme teil und sind vom Selbstkontrahierungsverbot befreit. Auf das Weisungsrecht meinerseits verzichte ich. Arbeits- und Urlaubszeit kann nach Lage der Gesellschaft frei bestimmt und gestaltet werden."
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Der Kläger war bis 30.11.1999 Mitglied der beklagten Krankenkasse, seit 1.1.1996 aufgrund freiwilliger Versicherung. Nachdem eine neu gewählte Krankenkasse festgestellt hatte, dass der Kläger in seiner Tätigkeit für die Beigeladene zu 1. für spätere Zeiträume nicht versicherungspflichtig in der RV und nach dem Recht der Arbeitsförderung gewesen sei, beantragte der Kläger mit Schreiben vom 14.9.2005 eine entsprechende Beurteilung auch für den (nun streitigen) Zeitraum 30.4.1996 bis 30.11.1999 durch die Beklagte als Einzugsstelle. Diese stellte mit Bescheid vom 23.9.2005 und Widerspruchsbescheid vom 20.4.2006 fest, dass der Kläger in diesem Zeitraum bei der Beigeladenen zu 1. beschäftigt gewesen sei und der Versicherungspflicht in der RV und Arbeitslosenversicherung unterlegen habe. Das SG hat die auf Feststellung des Nichtbestehens von Versicherungspflicht in der RV und Arbeitslosenversicherung gerichtete Klage abgewiesen (Urteil vom 26.11.2008).
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Auf die Berufung des Klägers hat das LSG unter Aufhebung des Urteils des SG und der Bescheide der Beklagten festgestellt, dass der Kläger im Rahmen seiner Tätigkeit bei der Beigeladenen zu 1. im streitigen Zeitraum nicht der Versicherungspflicht in der RV und Arbeitslosenversicherung unterlegen habe (Urteil vom 22.9.2010): Für eine Beschäftigung sprächen ua die fehlende Geschäftsführer- und Gesellschafterstellung des Klägers, die Vereinbarungen des Anstellungsvertrags und die begrenzte Befugnis des Klägers, die Geschicke "der Firma" rechtsverbindlich zu gestalten. Demgegenüber sprächen die tatsächlichen Verhältnisse gegen eine Beschäftigung. So habe sein Vater dem Kläger mit der Niederschrift vom 30.4.1996 unter Verzicht auf sein Weisungsrecht die Unternehmensleitung übertragen. Dadurch habe der Kläger zusammen mit seiner Schwester nach eigenem Gutdünken frei "schalten und walten" können. Durch Übernahme einer Bürgschaft über 100 000 DM habe er ein wirtschaftliches Risiko getragen und sei am Gewinn der Firma beteiligt gewesen. Er habe die alleinigen Branchenkenntnisse in dem von ihm geleiteten Teilbereich der Geschäfte gehabt, sei vom Selbstkontrahierungsverbot befreit gewesen und habe Kundengespräche geführt, Angebote eingeholt sowie Kalkulationen erstellt, ohne sich im Einzelnen mit seinem Vater abzusprechen. Diesen tatsächlichen Verhältnissen komme bei der rechtlichen Beurteilung Vorrang gegenüber den vertraglichen Regelungen zu.
- 5
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Mit der allein vom ihm eingelegten Revision rügt der Rentenversicherungsträger (Beigeladene zu 2.) eine Divergenz zur Rechtsprechung des BSG seit dem Jahr 2006 (BSG Urteil vom 25.1.2006 - B 12 KR 30/04 R - USK 2006-8 = Die Beiträge, Beilage 2006, 149; BSG Urteil vom 24.1.2007 - B 12 KR 31/06 R - SozR 4-2400 § 7 Nr 7), da das LSG sinngemäß den Rechtssatz aufgestellt habe, "dass eine im Widerspruch zu getroffenen Vereinbarungen stehende tatsächliche Beziehung und die sich hieraus ergebende Schlussfolgerung auf die tatsächlich gewollte Natur der Rechtsbeziehung der formellen Vereinbarung unabhängig von der rechtlichen Möglichkeit einer formlosen Abbedingung vorgehen bzw. auch dann, wenn eine formlose Abbedingung rechtlich nicht möglich ist". Das LSG habe nicht ausreichend berücksichtigt, dass der Kläger am Stammkapital der zu 1. beigeladenen GmbH nicht beteiligt gewesen sei und bezogen auf die Gesellschaft keinerlei "Rechtsmacht" besessen habe. Diese Rechtsmacht habe trotz des Verzichts auf ein Weisungsrecht bei dessen Vater, dem Allein-Gesellschafter-Geschäftsführer der Beigeladenen zu 1., gelegen. Zudem habe der Kläger die Beigeladene zu 1. nicht wie ein Alleininhaber, sondern nur zusammen mit seiner Schwester geleitet.
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Die Beigeladene zu 2. beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 22. September 2010 aufzuheben, soweit dieses unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Oldenburg vom 26. November 2008 sowie des Bescheides der Beklagten vom 23. September 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. April 2006 festgestellt hat, der Kläger habe in seiner Tätigkeit bei der Beigeladenen zu 1. vom 30. April 1996 bis 30. November 1999 nicht der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung unterlegen,
ferner, insoweit die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Oldenburg vom 26. November 2008 zurückzuweisen.
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Der Kläger beantragt,
die Revision der Beigeladenen zu 2. zurückzuweisen.
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Er verteidigt das angegriffene Urteil. Insbesondere sei mit der Niederschrift vom 30.4.1996 bereits die Bevollmächtigung beider Kinder durch ihren Vater erfolgt, der zugleich auf sein Weisungsrecht sowohl als Geschäftsführer wie auch als Gesellschafter verzichtet habe. Darauf, dass die Unternehmensleitung gemeinsam mit der - im Übrigen als nicht rentenversicherungspflichtig eingestuften - Schwester erfolgte, komme es nicht an.
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Die Beklagte und die zu 3. beigeladene Bundesagentur für Arbeit schließen sich der Rechtsansicht der Beigeladenen zu 2. an, die Beigeladene zu 3. ohne einen Antrag zu stellen.
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Die Beigeladene zu 1. äußert sich nicht.
Entscheidungsgründe
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Die auf die angefochtene Feststellung von Versicherungspflicht des Klägers in der gesetzlichen RV im Zeitraum 30.4.1996 bis 30.11.1999 beschränkte Revision der Beigeladenen zu 2. ist zulässig und begründet. Bescheid und Widerspruchsbescheid der Beklagten sind bezogen darauf rechtmäßig. Daher ist das Urteil des LSG in diesem Umfang aufzuheben und die Berufung des Klägers insoweit zurückzuweisen.
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1. Obwohl die Beigeladene zu 2. in der Revisionsbegründung entgegen § 164 Abs 2 S 3 SGG keine Rechtsnorm ausdrücklich bezeichnet hat, die sie durch das Urteil des LSG als verletzt ansieht, ist die Revision noch zulässig. Denn es reicht aus, wenn sich aus dem Inhalt der Darlegungen des Revisionsklägers ergibt, dass er sich mit den Gründen der angefochtenen Entscheidung rechtlich auseinandergesetzt hat und inwieweit er bei der Auslegung der angewandten Rechtsvorschriften anderer Auffassung ist (vgl BSG SozR 3-5555 § 15 Nr 1 S 2 mwN; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl 2012, § 164 RdNr 9c, 11 mwN). Vorliegend lässt das Revisionsvorbringen noch hinreichend deutlich erkennen, dass die Beigeladene zu 2. die Auffassung des LSG angreift, bei der Abgrenzung von Beschäftigung und selbstständiger Tätigkeit komme den tatsächlichen Verhältnissen generell Vorrang gegenüber den gesellschafts- und arbeitsvertraglichen Regelungen zu, und dass sie dadurch § 7 Abs 1 SGB IV als verletzt ansieht.
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2. Die Revision der Beigeladenen zu 2. ist auch begründet.
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Zu Unrecht hat das LSG hier die Versicherungspflicht des Klägers in der gesetzlichen RV verneint und die Bescheide der Beklagten sowie das SG-Urteil insoweit aufgehoben. Dabei ist das LSG zunächst zutreffend von den in der Rechtsprechung des BSG zum Tatbestand der Beschäftigung aufgestellten Rechtssätzen ausgegangen; es hat jedoch die jüngere Rechtsprechung zum Vorrang der tatsächlichen Verhältnisse gegenüber den vertraglichen Vereinbarungen nicht hinreichend berücksichtigt (hierzu a). Wiederum zutreffend hat das LSG eine Tätigkeit in einem fremden Betrieb vorausgesetzt und den "Anstellungsvertrag" des Klägers zum Ausgangspunkt der weiteren Prüfung und seiner Tatsachenfeststellungen gemacht (hierzu b). Im Ergebnis keinen Bestand haben indes die hierauf aufbauende rechtliche Würdigung des LSG sowie seine davon ausgehende Bewertung des Gesamtbildes der Erwerbstätigkeit (hierzu c). Dabei steht der Einordnung der Tätigkeit des Klägers für die Beigeladene zu 1. als (abhängige) Beschäftigung die Rechtsprechung des BSG zur Tätigkeit in Familiengesellschaften nicht entgegen (hierzu d).
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a) In den Jahren 1996 bis 1999, die hier in Streit stehen, unterlagen Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt waren, in der RV der Versicherungspflicht (vgl § 1 S 1 Nr 1 SGB VI; ab 1.1.1998 idF durch Gesetz vom 24.3.1997, BGBl I 594). Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer (abhängigen) Beschäftigung ist § 7 Abs 1 SGB IV in seiner bis heute unverändert geltenden Fassung. Danach ist Beschäftigung die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis (§ 7 Abs 1 S 1 SGB IV). Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Diese Weisungsgebundenheit kann - vornehmlich bei Diensten höherer Art - eingeschränkt und zur "funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" verfeinert sein. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig ist, richtet sich ausgehend von den genannten Umständen nach dem Gesamtbild der Arbeitsleistung und hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (stRspr; vgl zum Ganzen zB zuletzt BSG SozR 4-2400 § 28e Nr 4 RdNr 17; BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 6 RdNr 14 mwN; siehe insbesondere auch BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 19 S 69 f, Nr 13 S 31 f und Nr 4 S 13, jeweils mwN; BSGE 78, 34, 36 = SozR 3-2940 § 2 Nr 5 S 26 f mwN; zur Verfassungsmäßigkeit der Abgrenzung zwischen abhängiger Beschäftigung und selbstständiger Tätigkeit vgl BVerfG SozR 3-2400 § 7 Nr 11).
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Zutreffend weist die Beigeladene zu 2. in ihrer Revisionsbegründung darauf hin, dass zur Feststellung des Gesamtbilds den tatsächlichen Verhältnissen nicht voraussetzungslos ein Vorrang gegenüber den vertraglichen Abreden zukommt. Zwar hat der Senat noch im Urteil vom 22.6.2005 (BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 5 RdNr 7) ausgeführt, dass beim Abweichen der Vereinbarungen von den tatsächlichen Verhältnissen letztere den Ausschlag geben. Jedoch hat er diese Aussage in Zusammenfassung älterer Entscheidungen nachfolgend präzisiert (insbesondere BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 7 RdNr 17; ebenso Urteil vom 25.1.2006 - B 12 KR 30/04 R - USK 2006-8 = Die Beiträge, Beilage 2006, 149, und Urteil vom 28.5.2008 - B 12 KR 13/07 R - Die Beiträge, Beilage 2008, 333, 341 f): Danach sind die das Gesamtbild bestimmenden tatsächlichen Verhältnisse die rechtlich relevanten Umstände, die im Einzelfall eine wertende Zuordnung zum Typus der abhängigen Beschäftigung erlauben. Ob eine Beschäftigung vorliegt, ergibt sich aus dem Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es im Rahmen des rechtlich Zulässigen tatsächlich vollzogen worden ist. Ausgangspunkt ist daher zunächst das Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es sich aus den von ihnen getroffenen Vereinbarungen ergibt oder sich aus ihrer gelebten Beziehung erschließen lässt. Eine im Widerspruch zu ursprünglich getroffenen Vereinbarungen stehende tatsächliche Beziehung und die hieraus gezogene Schlussfolgerung auf die tatsächlich gewollte Natur der Rechtsbeziehung geht der nur formellen Vereinbarung vor, soweit eine - formlose - Abbedingung rechtlich möglich ist. Umgekehrt gilt, dass die Nichtausübung eines Rechts unbeachtlich ist, solange diese Rechtsposition nicht wirksam abbedungen ist. Zu den tatsächlichen Verhältnissen in diesem Sinne gehört daher unabhängig von ihrer Ausübung auch die einem Beteiligten zustehende Rechtsmacht. In diesem Sinne gilt, dass die tatsächlichen Verhältnisse den Ausschlag geben, wenn sie von Vereinbarungen abweichen. Maßgeblich ist die Rechtsbeziehung so wie sie praktiziert wird und die praktizierte Beziehung so wie sie rechtlich zulässig ist. Hieran hat der Senat seither festgehalten (vgl BSG Urteil vom 11.3.2009 - B 12 KR 21/07 R - USK 2009-25; BSG Urteil vom 28.9.2011 - B 12 R 17/09 R - USK 2011-25).
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Der vorliegende Fall bietet keinen Anlass, von dieser Rechtsprechung abzurücken: Die tatsächlichen Verhältnisse weichen hier zwar von den Regelungen des zwischen dem Kläger und der Beigeladenen zu 1. geschlossenen Anstellungsvertrags ab, jedoch führt dies mit Blick auf die Frage des Vorliegens einer Beschäftigung oder selbstständigen Tätigkeit zu keinem anderen Ergebnis (hierzu unten c). Daher kommt es auch nicht darauf an, dass das LSG keine Feststellungen dazu getroffen hat, unter welchen Voraussetzungen die Bestimmungen des Anstellungsvertrags überhaupt abdingbar waren.
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b) Die dargestellten Grundsätze sind auch im vorliegenden Fall anzuwenden, denn der Kläger war im streitigen Zeitraum nicht in seinem eigenen, sondern in einem fremden Betrieb tätig. Die alleinige Betriebs- bzw Unternehmensinhaberin war die Beigeladene zu 1., die als GmbH juristische Person mit eigener Rechtspersönlichkeit ist und deshalb unabhängig von den als Gesellschafter dahinterstehenden juristischen oder natürlichen Personen (hierzu vgl nur BSGE 95, 275 = SozR 4-2600 § 2 Nr 7, RdNr 21 mwN)und deren verwandtschaftlichen oder wirtschaftlichen Beziehungen betrachtet werden muss.
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Ausgangspunkt der Prüfung, ob die Tätigkeit des Klägers für die Beigeladene zu 1. im Rahmen einer Beschäftigung oder selbstständig ausgeübt wurde, ist der "Anstellungsvertrag" vom 11.2.1986, der deren Vertragsverhältnis zunächst ausschließlich bestimmte. Dieser Vertrag hatte sowohl nach der Bezeichnung als auch nach seinem vom LSG - lückenhaft - festgestellten Inhalt - regelmäßiges Entgelt, feste wöchentliche Arbeitszeit, Urlaubsansprüche nach dem Bundesurlaubsgesetz und Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall - ein Arbeitsverhältnis zum Gegenstand. Nach abgelegter Meisterprüfung wurde der Kläger sodann als Betriebsleiter eingesetzt; hiermit evtl verbundene rechtlich relevante Änderungen des schriftlichen "Anstellungsvertrags" hat das LSG aber ebenso wenig festgestellt, wie es Feststellungen zur Frage dafür einzuhaltender möglicher Formerfordernisse bei Vertragsänderungen getroffen hat.
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Eine weitere Änderung der Stellung des Klägers erfolgte aufgrund der als Gesellschafterbeschluss (§ 48 GmbHG) auszulegenden Niederschrift seines Vaters vom 30.4.1996 mit der Übertragung der "Leitung" des technischen und gewerblichen Bereichs der GmbH an ihn. Dieser Beschluss enthielt gleichzeitig eine Befreiung des Klägers vom Selbstkontrahierungsverbot und einen Verzicht seines Vater - des Allein-Gesellschafter-Geschäftsführers der Beigeladenen zu 1. - auf ein Weisungsrecht gegenüber dem Kläger. Zudem wurde dem Kläger eine Gewinntantieme zugesagt und das Recht eingeräumt, über seine eigene Arbeits- und Urlaubszeit "nach Lage der Gesellschaft" frei zu bestimmen. Den insoweit nicht mit Revisionsrügen angegriffenen und daher für den Senat bindenden (§ 163 SGG) Feststellungen des LSG ist zu entnehmen, dass dies auch der betrieblichen Praxis entsprach. So führte der Kläger fortan die Kundengespräche, holte Angebote ein und stellte Kalkulationen auf, ohne im Einzelnen Rücksprache mit seinem Vater zu nehmen. Der Kläger war Ansprechpartner für Kunden und für Mitarbeiter. Zumindest einen Mitarbeiter stellte er ein, wenn auch der Arbeitsvertrag auf Seiten der Beigeladenen zu 1. vom Vater des Klägers unterschrieben wurde. Der Vater hatte sich - obwohl täglich im Betrieb anwesend - nach den Feststellungen des LSG "nicht mehr eingemischt" und nahm auch auf die Einstellung von Personal keinen Einfluss mehr.
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Offenbleiben kann vorliegend, ob die in der Niederschrift des Gesellschafterbeschlusses vom 30.4.1996 erwähnten Vollmachten für den Kläger zu diesem Zeitpunkt oder später tatsächlich erteilt wurden und ob die Beigeladene zu 2. insoweit eine zulässige Sachrüge erhoben hat. Denn auch für den Fall, dass dem Kläger die zur Leitung des technischen und gewerblichen Teils der Beigeladenen zu 1. erforderlichen Vollmachten erteilt wurden, tragen die vom LSG festgestellten Umstände nicht dessen rechtlichen Schluss, dass sich mit der Niederschrift vom 30.4.1996 der Charakter der vertraglichen Vereinbarungen zwischen dem Kläger und der Beigeladenen zu 1. dahingehend wandelte, dass der Kläger nunmehr selbstständig tätig sein sollte.
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c) Der Kläger erbrachte seine Dienste für die Beigeladene zu 1. auch in der Zeit vom 30.4.1996 bis 30.11.1999 im Rahmen einer (abhängigen) Beschäftigung.
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Eine Selbstständigkeit des Klägers in seiner Tätigkeit für die Beigeladene zu 1. - etwa in Form eines freien Dienstverhältnisses - ergibt sich nicht daraus, dass der Vater des Klägers in seiner Funktion als Alleingesellschafter der Beigeladenen zu 1. durch Gesellschafterbeschluss vom 30.4.1996 auf "das Weisungsrecht" gegenüber dem Kläger verzichtete und diesem das Recht einräumte, seine Arbeits- und Urlaubszeit "nach Lage der Gesellschaft" frei zu bestimmen. Zwar unterlag der Kläger dadurch nicht mehr umfassend einem Weisungsrecht seines Arbeitgebers - handelnd durch den weiterhin allein als Geschäftsführer und Gesellschafter der GmbH im Handelsregister eingetragenen Vater - hinsichtlich Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung seiner Tätigkeit. Jedoch werden gerade höhere Dienste dennoch im Rahmen einer abhängigen Beschäftigung geleistet, wenn sie - wie hier - fremdbestimmt bleiben, weil sie in einer von anderer Seite vorgegebenen Ordnung des Betriebes aufgehen (stRspr seit BSGE 16, 289, 294 = SozR Nr 30 zu § 165 RVO und BSGE 21, 57, 58 f = SozR Nr 2 zu § 2 AVG; in jüngerer Zeit zB BSG SozR 3-2940 § 3 Nr 2 S 9 mwN; BSGE 66, 168 = SozR 3-2400 § 7 Nr 1 und SozR 3-2400 § 7 Nr 20 S 80; vgl - zum Fehlen einer Eingliederung einer hauswirtschaftlichen Familienbetreuerin - BSG Urteil vom 28.9.2011 - B 12 R 17/09 R - USK 2011-125, Juris RdNr 22; vgl zum Begriff des "Betriebes" BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 13 S 33 ff). Wie weit die Lockerung des Weisungsrechts in der Vorstellung des Gesetzgebers gehen kann, ohne dass deswegen die Stellung als Beschäftigter entfällt, zeigen beispielhaft die gesetzlichen Sonderregelungen zur Versicherungsfreiheit von Vorstandsmitgliedern einer Aktiengesellschaft in der RV und Arbeitslosenversicherung (§ 1 S 4 SGB VI sowie § 27 Abs 1 Nr 5 SGB III), die regelmäßig abhängig beschäftigt sind, auch wenn sie die Gesellschaft in eigener Verantwortung zu leiten haben und gegenüber der Belegschaft Arbeitgeberfunktionen wahrnehmen (stRspr BSGE 65, 113, 116 f = SozR 2200 § 1248 Nr 48 S 125; SozR 3-2400 § 7 Nr 18 S 66 f; BSGE 100, 62 = SozR 4-2600 § 1 Nr 3, RdNr 16; BSGE 107, 185 = SozR 4-2600 § 1 Nr 6, RdNr 14). Allein weit reichende Entscheidungsbefugnisse eines "leitenden Angestellten", der in funktionsgerecht dienender Teilhabe am Arbeitsprozess einem verfeinerten Weisungsrecht unterliegt, machen diesen nämlich nicht schon zu einem Selbstständigen, selbst wenn andere Betriebsangehörige den Betroffenen bisweilen als "Chef" betrachten mögen (wie das LSG im vorliegenden Fall anhand der Aussage des Zeugen R. festgestellt hat).
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Eine solche noch dem Typus der Beschäftigung zuzuordnende Eingliederung in eine vorgegebene Ordnung des Betriebes bestand bei dem Kläger auch nach dem 30.4.1996. Durch den Gesellschafterbeschluss erlangte er die Stellung eines Angestellten, der nach den Feststellungen des LSG auch in der betrieblichen Praxis den technischen und gewerblichen Teil der Beigeladenen zu 1. mit "entsprechenden Vollmachten" eigenverantwortlich zu leiten hatte. Dennoch blieb der Kläger weiterhin in die durch die Beigeladene zu 1. bzw ihren gesellschaftsrechtlich maßgebenden Geschäftsführer (= Vater des Klägers) vorgegebene Organisation eingebunden, da seine Leitungsmacht nur auf einen bestimmten Unternehmensteil beschränkt war, während die Leitung des kaufmännischen Teils der Beigeladenen zu 1. ausschließlich seiner Schwester oblag. Die Vollmacht, diese Entscheidung zur konkreten Ausgestaltung der betrieblichen Organisation auf der Leitungsebene zu ändern, besaß der Kläger nicht. Selbst innerhalb des ihm zugewiesenen Zuständigkeitsbereichs war seine Vertretungsbefugnis rechtlich zwingend auf den Umfang einer rechtsgeschäftlichen Handlungsvollmacht iS von § 54 Handelsgesetzbuch (HGB) begrenzt, die sich zwar auf sämtliche Geschäfte erstreckt, die in einem Geschäftsbetrieb üblich sind, die jedoch nicht auf eine unmittelbare Vertretung der Gesellschaft, sondern lediglich auf ein (rechtlich nachgeordnetes) Handeln in Vollmacht des Geschäftsführers gerichtet war(BGH Urteil vom 20.10.2008 - II ZR 107/07 - NJW 2009, 293, 294 mwN). Schon von Gesetzes wegen (§ 54 Abs 2 HGB) waren jedenfalls die Veräußerung oder Belastung von Grundstücken, die Eingehung von Wechselverbindlichkeiten, die Aufnahme von Darlehen und die Prozessführung von der Bevollmächtigung ausgenommen. Die anderenfalls notwendige besondere Erteilung der Vollmacht auch für diese Befugnisse hat das LSG nicht festgestellt. Darüber hinaus unterlag der Kläger selbst in dem ihm danach zugewiesenen eingeschränkten Vollmachtsrahmen zwingend der Kontrolle des GmbH-Geschäftsführers (vgl zu dessen Stellung allgemein zB Zöllner/Noack in Baumbach/Hueck, GmbH-Gesetz, 19. Aufl 2010, § 35 RdNr 76 mwN). Soweit der Vater des Klägers in seiner Funktion als Alleingeschäftsführer der Beigeladenen zu 1. diese Kontrolle tatsächlich nicht oder nur sehr eingeschränkt ausübte, etwa weil - wie das LSG herausstellt - er sich darauf verließ, dass der Kläger die einzelnen Aufträge ordnungsgemäß einholte und durchführte, ist dies für die hier vorzunehmende Abgrenzung ebenso unbeachtlich, wie ein auch die zur Ausübung dieser Kontrolle notwendigen Weisungen umfassender Verzicht auf das Weisungsrecht, denn insoweit wären die Grenzen des rechtlich Zulässigen überschritten (hierzu bereits oben a). Im Übrigen deutet sogar die Feststellung des LSG, der Zeuge R. sei "von dem Kläger eingestellt worden", den Arbeitsvertrag habe jedoch der Vater unterschrieben, darauf hin, dass die dem Kläger erteilten Vollmachten auch in der betrieblichen Praxis nicht umfassend, sondern begrenzt waren.
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Der Kläger hatte auch weder rechtlich noch tatsächlich die Möglichkeit, wie ein beherrschender oder zumindest mit einer Sperrminorität ausgestatteter Gesellschafter-Geschäftsführer ihm nicht genehme Weisungen jederzeit abzuwenden (vgl hierzu allgemein zB BSGE 66, 69 = SozR 4100 § 104 Nr 19; SozR 3-2400 § 7 Nr 4 S 13 f; aus jüngerer Zeit BSG <12. Senat> SozR 4-2400 § 7 Nr 7 RdNr 28 und<11a. Senat> SozR 4-2400 § 7 Nr 8 RdNr 15, jeweils mwN). Hierzu fehlte es bereits an einer Beteiligung des Klägers am Stammkapital der Beigeladenen zu 1. Gleichzeitig blieb seine Position innerhalb des Unternehmens ohnehin deutlich hinter der organschaftlich begründeten Stellung eines Geschäftsführers - als solcher wurde er trotz der vorgenommenen Änderungen (weiterhin) nicht bestellt, sondern erst nach dem Tod des Vaters Ende August 2001 - zurück. Bereits aufgrund einer solchen Unterordnung unter den Geschäftsführer ist regelmäßig von einer Beschäftigung auszugehen (BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 17 S 57; BSG Urteil vom 23.6.1994 - 12 RK 72/92 - USK 9448 S 253).
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Eine Vergleichbarkeit des Klägers mit einem beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführer ergibt sich auch nicht unter dem Gesichtspunkt tatsächlicher wirtschaftlicher Einflussmöglichkeiten. Zwar sind nach der Rechtsprechung des BSG auch solche Einflussmöglichkeiten zu beachten, soweit sie einem Geschäftsführer selbst gegenüber der Gesellschaft zur Verfügung stehen (zu einem - im Ergebnis nicht ausreichenden - der Gesellschaft gewährten Darlehen: BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 4 S 17 f), doch bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass die am 5.2.1994 für die Beigeladene zu 1. übernommene Bürgschaft des Klägers über 100 000 DM ihm eine solche Einflussnahme ermöglichte. Aus diesem Grunde war der durch den Gesellschafterbeschluss vom 30.4.1996 erfolgte, in seinem Umfang ohnehin begrenzte Verzicht auf das Weisungsrecht nicht nur rechtlich, sondern auch tatsächlich im Konfliktfall jederzeit widerrufbar, ohne dass der Kläger dieses hätte verhindern können.
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Für eine fortbestehende Eingliederung in eine vorgegebene betriebliche Ordnung trotz des - wie aufgezeigt - begrenzten Verzichts auf ein Weisungsrecht spricht auch die im Gesellschafterbeschluss vom 30.4.1996 festgelegte Bindung der vom Kläger im Übrigen frei selbst zu bestimmenden Arbeits- und Urlaubszeit an die "Lage der Gesellschaft" (in diesem Sinne zur Bindung der Urlaubsplanung an die Bedürfnisse der Geschäftsführung BSG SozR 3-2200 § 723 Nr 4 S 17). Dass der Kläger im Rahmen der ihm erteilten begrenzten Vollmachten vom Selbstkontrahierungsverbot befreit war, spricht - wie das BSG bezogen auf Geschäftsführer einer kleineren GmbH bereits entschieden hat (BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 1, RdNr 11 und Nr 8 RdNr 17)- nicht zwingend für das Vorliegen einer selbstständigen Tätigkeit.
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Ebenso hat das BSG bereits entschieden, dass die Gewährung einer Tantieme als solche nicht genügt, um eine Beschäftigung auszuschließen (vgl BSG Urteil vom 10.5.2007 - B 7a AL 8/06 R - USK 2007-53). Bedeutung für die Abgrenzung von Beschäftigung und selbstständiger Tätigkeit kommt Tantiemen nur als (ein) Anknüpfungspunkt für ein mögliches wirtschaftliches Eigeninteresse des für ein Unternehmen Tätigen zu, das im Rahmen der Gesamtwürdigung Gewicht gewinnen kann, jedoch nicht allein entscheidend ist (vgl BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 4 S 18 mwN). Vor dem Hintergrund, dass die Gewährung einer Tantieme an Arbeitnehmer nicht ungewöhnlich ist (vgl zB BSG SozR 2100 § 17 Nr 3; BSG Urteil vom 28.4.1982 - 12 RK 12/80 - Die Beiträge 1982, 382 = USK 8244), ist deren Gewicht für die hier im Vordergrund stehende Abgrenzung der Beschäftigung in einem Arbeitsverhältnis gegenüber einem selbstständigen Dienstverhältnis eher gering. Wie die Gewichtung beispielsweise bei einer Tätigkeit in einem Einzelunternehmen zu beurteilen ist, wenn die Tätigkeit im fremden oder im (auch) eigenen Betrieb in Frage steht, braucht hier nicht entschieden zu werden. Eine Tätigkeit im (auch) eigenen Betrieb scheidet hier bereits aufgrund der Rechtsform der Beigeladenen zu 1., einer GmbH, an deren Stammkapital der Kläger nicht beteiligt war, aus (vgl oben unter b). Daher ist es auch unschädlich, dass das LSG die konkrete Höhe der Tantieme und Anlass, zu sicherndes Risiko sowie Fortbestand der Bürgschaft während des streitigen Zeitraums nicht festgestellt hat und somit das Ausmaß des wirtschaftlichen Eigeninteresses des Klägers am Erfolg der Beigeladenen zu 1. nicht einmal genau feststeht.
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Soweit das LSG im Hinblick auf die Bürgschaft über ein wirtschaftliches Eigeninteresse hinaus auch ein "typisches Unternehmerrisiko" des Klägers angenommen und als Indiz für eine Selbstständigkeit gewertet hat, erfasst es die Bedeutung dieses Merkmals im vorliegenden Kontext nicht zutreffend. So kann eine Bürgschaft wie die des Klägers für die Beigeladene zu 1., bei der er die hier streitige Tätigkeit ausübt, in erster Linie für die Abgrenzung einer Beschäftigung gegenüber einer durch "Mitunternehmerschaft" begründeten Tätigkeit im (auch) eigenen Betrieb von Bedeutung sein. Für die vorliegend vorzunehmende Zuordnung einer Tätigkeit in einem - wie oben dargelegt zweifellos - fremden Betrieb ist ihre Bedeutung jedoch gering. Denn diese Bürgschaft begründete kein mit der Tätigkeit - sei es als Beschäftigter oder selbstständiger Dienstverpflichteter - des Klägers bei der Beigeladenen zu 1. verbundenes Risiko. Es handelt sich nämlich nicht um einen mit den geschuldeten Diensten verbundenen Aufwand, weil die Bürgschaft für die Erfüllung der diesbezüglichen Pflichten nicht erforderlich war. Die Gründe für ihre Bestellung sind vielmehr außerhalb der Beschäftigung bzw des Dienstverhältnisses zu suchen (vgl hierzu allgemein Segebrecht in jurisPK-SGB IV, 2. Aufl 2011, § 7 RdNr 153). Bezogen auf seine Tätigkeit hatte der Kläger gerade kein Unternehmerrisiko zu tragen; denn als Gegenleistung für seine Tätigkeit stand ihm nach den Feststellungen des LSG auch nach dem 30.4.1996 unabhängig vom wirtschaftlichen Ergebnis der Beigeladenen zu 1. ein Anspruch auf "die Zahlung eines regelmäßigen Entgeltes" zu, wie dies für Beschäftigte typisch ist. Bezogen auf die geschuldeten Dienste hatte der Kläger - wie jeder andere Beschäftigte auch - allein das Risiko des Entgeltausfalls in der Insolvenz des Arbeitgebers zu tragen.
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d) Die Annahme von Selbstständigkeit des Klägers in seiner Tätigkeit für die Beigeladene zu 1. kann schließlich auch nicht mit Erfolg auf die Rechtsprechung des BSG zur Versicherungspflicht von in Familiengesellschaften verrichteten Tätigkeiten gestützt werden.
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Das BSG hat in der Vergangenheit in seiner Rechtsprechung - überwiegend zu Leistungsansprüchen des Arbeitsförderungs- und Unfallversicherungsrechts - auch für den Fall, dass der Geschäftsführer einer Gesellschaft nicht zumindest über eine Sperrminorität verfügte, eine selbstständige Tätigkeit des Betroffenen für möglich erachtet, wenn dessen Tätigwerden innerhalb einer Gesellschaft durch eine besondere Rücksichtnahme aufgrund familiärer Bindungen geprägt war (BSG Urteil vom 29.10.1986 - 7 RAr 43/85 - USK 86145; BSG Urteil vom 8.12.1987 - 7 RAr 25/86 - USK 87170; BSG Urteil vom 14.12.1999 - B 2 U 48/98 R - USK 9975; BSG SozR 2100 § 7 Nr 7 S 6; BSG Urteil vom 28.1.1992 - 11 RAr 133/90 - USK 9201; BSG Urteil vom 11.2.1993 - 7 RAr 48/92 - USK 9347; im konkreten Fall abgelehnt: BSG Urteil vom 10.5.2007 - B 7a AL 8/06 R - USK 2007-53; umgekehrt allerdings
: BSG SozR 3-4100 § 104 Nr 8 S 37) . Ohne Geschäftsführerstellung hat der 12. Senat eine - nach den allgemeinen Grundsätzen eigentlich ausgeschlossene - selbstständige Tätigkeit für den Fall als gegeben erachtet, dass der in einer GmbH Tätige neben seinem Ehegatten alleiniger oder gleichberechtigter Gesellschafter der GmbH ist (BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 17). Dabei hat der Senat jedoch nicht auf eine familiäre Verbundenheit, sondern maßgebend auf die mit der Gesellschafterstellung verbundene Rechtsmacht abgestellt (BSG, aaO, S 58, 60). Weitergehend hatte allerdings der 3. Senat bereits 1971 die Selbstständigkeit eines nicht zum (ggf weiteren) Geschäftsführer bestellten Minderheitsgesellschafters angenommen, weil dieser in der betrieblichen Praxis der mit ihm verheirateten Geschäftsführerin und Mehrheitsgesellschafterin vollständig gleichgestellt gewesen sei sowie sich faktisch als zweiter Geschäftsführer betätigt und neben der hauptamtlichen Geschäftsführerin die GmbH nach außen vertreten habe (BSG SozR Nr 68 zu § 165 RVO; vgl auch BSG Urteil vom 23.6.1994 - 12 RK 72/92 - USK 9448). Noch darüber hinausgehend hat der 11. Senat des BSG eine selbstständige Tätigkeit sogar im Fall des - nicht an der GmbH beteiligten und nicht zum Geschäftsführer bestellten - Sohnes eines Allein-Gesellschafter-Geschäftsführers für möglich gehalten (BSGE 66, 168 = SozR 3-2400 § 7 Nr 1; in Abgrenzung zur familienhaften Mithilfe vgl aber BSG SozR Nr 22 zu § 165 RVO). Dabei ist der 11. Senat davon ausgegangen, dass für einen Fremdgeschäftsführer einer Familiengesellschaft, der mit den Gesellschaftern familiär verbunden ist, eine Ausnahme von der Beschäftigtenstellung in Betracht komme, wenn er faktisch wie ein Alleininhaber die Geschäfte der Gesellschaft nach eigenem Gutdünken führen konnte und geführt hat, ohne dass ihn der oder die Gesellschafter daran hinderten (BSG Urteil vom 8.12.1987 - 7 RAr 25/86 - USK 87170). Diese Ausnahme solle - so der 11. Senat - auch gelten, wenn der Alleingesellschafter zugleich Alleingeschäftsführer ist und die Tätigkeit der faktischen Leitung des Betriebes formal auf der Ebene unter dem Geschäftsführer ausgeübt werde. Indessen lasse eine bloß "probeweise" Leitung des Betriebs durch den als Unternehmensnachfolger uU vorgesehenen Sohn eine (abhängige) Beschäftigung nicht entfallen. Wollten die Eltern, dass der Sohn den Betrieb in der bisherigen Art fortführe, und erlaube es ihre Mitarbeit im Betrieb verbunden mit ihrer Rechtsstellung als Gesellschafter und Geschäftsführer, diesen Willen durchzusetzen, so habe für den Sohn die fremdbestimmte betriebliche Ordnung im Sinne einer Beschäftigung fortbestanden, auch wenn er sich innerhalb des durch die bisherige Betriebsführung vorgegebenen Rahmens frei bewegen durfte (BSGE 66, 168, 170 ff = SozR 3-2400 § 7 Nr 1 S 4 f; zu einer solchen Konstellation vgl auch LSG Baden-Württemberg Urteil vom 18.5.2010 - L 11 KR 1423/08).
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Der Senat kann vorliegend offenlassen, ob der vom 11. Senat des BSG formulierten Rechtsauffassung (ggf modifiziert bzw auf gänzlich atypische Sonderfälle beschränkt) bezogen auf das Versicherungs- und Beitragsrecht gefolgt werden kann oder ob - wofür Einiges spricht - der aus gesetzlichen und vertraglichen Vorgaben entspringenden Rechtsmacht als Teil der tatsächlichen Verhältnisse, auf die auch der 11. Senat ausdrücklich hingewiesen hat, größere Bedeutung beizumessen ist. Für Letzteres spricht, dass entscheidender Gesichtspunkt für die Annahme einer selbstständigen Tätigkeit anstelle einer formal vorliegenden (abhängigen) Beschäftigung auch im Zusammenhang mit Familiengesellschaften die Möglichkeit ist, unliebsame Weisungen des Arbeitgebers bzw Dienstberechtigten abzuwenden. Dies mag aufgrund familiärer Rücksichtnahme solange der Fall sein, wie das Einvernehmen der Familienmitglieder gewahrt bleibt. Im Falle eines familiären Zerwürfnisses zwischen den Beteiligten käme jedoch allein die den einzelnen Familienmitgliedern zustehende Rechtsmacht zum Tragen, sodass auch nach den gelebten tatsächlichen Verhältnissen eine Weisungsunterworfenheit bestünde (kritisch aus diesem Grunde auch Segebrecht in jurisPK-SGB IV, aaO, § 7 RdNr 124). Eine solche "SchönwetterSelbstständigkeit" ist mit Blick auf das Erfordernis der Vorhersehbarkeit sozialversicherungs- und beitragsrechtlicher Tatbestände schwerlich hinnehmbar. So hat das BSG in der Vergangenheit wiederholt darauf hingewiesen, dass es im Interesse aller Beteiligten, der Versicherten und der Versicherungsträger, liegt, die Frage der Versicherungspflicht und der Versicherungsfreiheit schon zu Beginn der Tätigkeit zu klären, weil diese nicht nur für die Entrichtung der Beiträge, sondern auch für die Leistungspflichten des Sozialleistungsträgers und die Leistungsansprüche des Betroffenen von entscheidender Bedeutung sein kann (vgl SozR Nr 6 zu § 168 RVO; SozR 2200 § 1228 Nr 1 S 2; SozR 2200 § 205 Nr 41 S 103; zuletzt Urteil des Senats vom 27.7.2011 - B 12 R 15/09 R - SozR 4-2600 § 5 Nr 6 RdNr 16).
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Auf die dargestellte Frage kommt es vorliegend nicht an, da die vom LSG festgestellten Tatsachen dessen Schlussfolgerung, der Kläger habe seit April 1996 die Geschäfte der Beigeladenen zu 1. "nach eigenem Gutdünken führen und frei schalten und walten" können (vgl dazu BSG <11. Senat> BSGE 66, 168, 171 = SozR 3-2400 § 7 Nr 1 S 4), nicht tragen. So hat das LSG seine Schlussfolgerung bereits selbst dahin eingeschränkt, dass der Kläger die Beigeladene zu 1. "mit seiner Schwester allein" geführt habe (Seite 15 des Urteils) bzw nur zusammen mit ihr habe führen können. In diesem Zusammenhang ist auch unerheblich, dass das LSG keine Feststellungen zum Umfang des Einvernehmens zwischen dem Kläger und seiner Schwester getroffen hat. Denn auch bei großzügiger Auslegung des Gesellschafterbeschlusses vom 30.4.1996 war die Leitungsmacht des Klägers ausschließlich auf "den technischen und gewerblichen Teil des Unternehmens" beschränkt. Nur die darauf bezogenen "entsprechenden Vollmachten" wurden erteilt oder sollten noch erteilt werden. Die Leitung der Beigeladenen zu 1. insgesamt war dem Kläger damit nicht übertragen worden. Auf Grundlage der Feststellungen des LSG kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass der Kläger seine Schwester und den - wenn auch zunehmend nur noch der Form halber - weiterhin an der Unternehmensleitung mitwirkenden Vater derart dominiert hätte, dass nach den tatsächlichen Verhältnissen eine Gesamtleitung der Beigeladenen zu 1. allein durch den Kläger vorgelegen hätte. Vielmehr hat auch das LSG alleinige Branchenkenntnisse des Klägers nicht in allumfassender Weise, sondern nur in dem von ihm geleiteten Teilbereich der Geschäfte festgestellt. Die Leitung des kaufmännischen Teils des Unternehmens hatte der Vater des Klägers gerade mit Rücksicht auf deren durch eine Ausbildung bei einem Steuerberater erworbenen Kenntnisse der Schwester des Klägers übertragen. Zudem verfügte der Vater des Klägers über langjährige Erfahrung in der Leitung des Gesamtunternehmens, die er als Allein-Gesellschafter-Geschäftsführer bereits zu einem Zeitpunkt innehatte, bevor der Kläger die Meisterprüfung ablegte und zum Betriebsleiter bestellt wurde. Zugleich spricht der Umstand, dass der Kläger und seine Schwester trotz Übertragung bereichsbezogener Leitungsfunktionen und eines Verzichts des Vaters auf "das Weisungsrecht" nicht zu Geschäftsführern berufen wurden, dafür, dass sich der Allein-Gesellschafter-Geschäftsführer eine Kontrolle und Letztentscheidungsbefugnis zumindest bezüglich grundlegender unternehmerischer Entscheidungen vorbehalten wollte. Nicht zuletzt spricht auch der Umstand, dass die Beigeladene zu 1. im Erbgang an die Mutter und nicht den Kläger und seine Schwester fiel, dafür, dass ihr Vater das Unternehmen trotz seiner fortschreitenden Krankheit jedenfalls während des hier zu beurteilenden Zeitraums noch nicht vollständig an seine Kinder übergeben hatte.
Tenor
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Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 22. September 2010 aufgehoben.
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Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg zurückverwiesen.
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Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf 18 877,06 Euro festgesetzt.
Tatbestand
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Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beigeladene zu 1. als Familienhelferin der Versicherungspflicht in der Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung unterlag und ob das klagende Land Berlin für sie Gesamtsozialversicherungsbeiträge zu entrichten hat.
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Die Beigeladene zu 1. ist Diplompädagogin und Diplompsychologin. Sie war von Juli 1995 bis 31.12.1999 als Familienhelferin für den Kläger als Träger der öffentlichen Jugendhilfe tätig, indem sie jugendhilferechtlich leistungsberechtigte Familien regelmäßig in deren Wohnung aufsuchte und diese dort vor Ort unterstützte; ab 1.1.2000 setzte die Beigeladene zu 1. die Tätigkeit für den Kläger als (abhängig) Beschäftigte eines freien Jugendhilfeträgers fort. Der Kläger legte für die von ihm bis 31.12.1999 als selbstständig angesehene Tätigkeit der Beigeladenen zu 1. - wie in ähnlichen anderen Fällen auch - einen "Helfervorgang" mit ihren persönlichen Daten auf einem "Personenblatt" mit Nachweisen ihrer bisherigen Ausbildung und Tätigkeiten, Lebenslauf und Führungszeugnis an. Zu der Tätigkeit der Beigeladene zu 1. kam es jeweils nach der Bewilligung von Leistungen nach §§ 27, 31 SGB VIII an die Familien durch den Kläger. Diese Leistungsbewilligung erfolgte auf der Grundlage eines durch einen beim Kläger beschäftigten Sozialarbeiter erstellten Hilfeplans, der den Einsatz einer Familienhelferin vorsah und Aufgaben und Ziele der Hilfen umschrieb. Der Bewilligungsbescheid regelte die Übernahme der Kosten für den Familienhelfereinsatz in einem bestimmten Zeitraum mit einer festgelegten Wochenstundenzahl, benannte die Beigeladene zu 1. als ausführende Person und enthielt den Hinweis, dass seitens des Klägers mit dieser direkt abgerechnet werde. Die Beigeladene zu 1. erhielt Durchschriften der Bescheide und wurde in Anschreiben des Klägers zugleich darüber informiert, dass das "Familienhelfergeld" 26,40 DM je Stunde betrage; wörtlich heißt es in den Anschreiben: "Wir weisen darauf hin, dass die Familienhelfertätigkeit nicht im Rahmen von Rechtsbeziehungen zum Land Berlin ausgeübt wird, insbesondere zum Land Berlin kein Arbeitsverhältnis, freies Dienstvertrags- oder Werkvertragsverhältnis begründet wird". Die Beigeladene zu 1. war berechtigt, die Übernahme einer Betreuung abzulehnen. Für die Abrechnung hatte die Beigeladene zu 1. dem Kläger monatliche Stundenaufstellungen vorzulegen, die von ihr und den betreuten Familien zu unterzeichnen waren. Der Kläger gewährte der Beigeladenen zu 1. neben der beschriebenen Vergütung "Urlaubsabgeltung" sowie laufende monatliche Zuschüsse zu ihrer freiwilligen Krankenversicherung in Höhe von "6,6 %". Die Beigeladene zu 1. arbeitete pro Betreuungsfall maximal 14 Stunden wöchentlich neben einer Weiterbildung zur Verhaltenstherapeutin; teilweise betreute sie gleichzeitig zwei oder mehrere Familien. Darüber, ob die Hilfebedürftigkeit iS des Jugendhilferechts fortbestand, informierte sie den Kläger in Gesprächen und erstellte Berichte über ihre Tätigkeit.
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Im Mai 1999 beantragte die Beigeladene zu 1. bei der beklagten Krankenkasse als Einzugsstelle die Prüfung, ob sie in ihrer Tätigkeit als Familienhelferin der Sozialversicherungspflicht unterliege. Die Beklagte stellte daraufhin - nach einem vorangegangenen anderen Rechtsstreit - gegenüber dem Kläger fest, dass die Beigeladene zu 1. in ihrer Tätigkeit als Familienhelferin vom 1.12.1995 bis 31.12.1999 der Versicherungspflicht in der Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung unterlegen habe, und forderte vom Kläger Gesamtsozialversicherungsbeiträge in Höhe von 18 877,06 Euro (Bescheid vom 27.12.2004; Widerspruchsbescheid vom 14.3.2005).
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Das SG hat die Bescheide der Beklagten aufgehoben (Urteil vom 24.1.2007). Die dagegen eingelegte Berufung der Beklagten hat das LSG zurückgewiesen: Zwar sprächen für eine Beschäftigung der Beigeladenen zu 1. im streitigen Zeitraum das fehlende Unternehmerrisiko, das stundenweise gezahlte, in Bezug auf seine Höhe vom Kläger vorgegebene Honorar, die Gewährung eines Zuschusses zur Krankenversicherung und die Abgeltung von Urlaub; es überwögen jedoch - bei gleichzeitigem Vorliegen einiger "neutraler" Gesichtspunkte - die für eine selbstständige Tätigkeit sprechenden Merkmale. Diese Merkmale seien der Inhalt der getroffenen vertraglichen Vereinbarungen, die zeitliche Beanspruchung der Beigeladenen zu 1. durch die Tätigkeit und ihre fehlende Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Klägers. So sei die Beigeladene zu 1. nur bei der erstmaligen Übernahme eines Einsatzes sowie bei eventuellen Gesprächen über den Stand der Hilfe in Kontakt mit den Mitarbeitern des Klägers getreten. Auch habe sie im Wesentlichen Ort, Zeit und inhaltliche Ausgestaltung ihrer Arbeitsleistung unabhängig von Vorgaben des Klägers bestimmen können, wie bereits "aus der Natur der Tätigkeit als Familienhelferin" folge. Dass dem Kläger als Träger der öffentlichen Jugendhilfe gemäß § 79 Abs 1 SGB VIII die Gesamtverantwortung für die von ihm zu erbringenden Leistungen nach dem SGB VIII oblegen habe, lasse keine Rückschlüsse auf eine Tätigkeit der von ihm eingesetzten Personen als Arbeitnehmer zu (Urteil vom 22.9.2010).
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Mit ihrer Revision rügt die Beklagte die Verletzung der § 5 Abs 1 Nr 1 SGB V, § 1 S 1 Nr 1 SGB VI, § 20 Abs 1 S 2 Nr 1 SGB XI und § 25 Abs 1 S 1 SGB III sowie sinngemäß eine Verletzung von § 7 Abs 1 SGB IV. Die Gesamtschau aller Umstände ergebe hier, dass die Beigeladene zu 1. in ihrer Tätigkeit für den Kläger beschäftigt und damit versicherungspflichtig gewesen sei. Dafür sprächen neben der Gewährung von Zuschüssen zur Krankenversicherung, der Abgeltung von Urlaub und einem fehlenden Unternehmerrisiko vor allem die Eingliederung der Beigeladenen zu 1. in die Arbeitsorganisation des Klägers, die aus der Wahrnehmung der ihm obliegenden gesetzlichen Aufgaben im Bereich des Jugendhilferechts, insbesondere seiner Verantwortung nach § 79 Abs 1 SGB VIII und nach § 36 Abs 2 SGB VIII, folge. Zum Ausschluss von Haftungsrisiken habe er die Tätigkeit sowie die Aus- und Fortbildung der von ihm eingesetzten Familienhelfer weitgehend selbst zu kontrollieren. Die gesetzlich vorgeschriebene Verknüpfung von Kontakt- und Berichtspflichten ermögliche eine ständige, die freie Gestaltung der Tätigkeit einschränkende Überwachung der Familienhelfer durch den zuständigen Sozialarbeiter. Das Weisungsrecht des Klägers dokumentiere sich in erstellten und fortgeschriebenen Hilfeplänen, in Rücksprachen sowie in den Berichtspflichten der Beigeladenen zu 1.
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Die Beklagte beantragt,
die Urteile des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 22. September 2010 und des Sozialgerichts Berlin vom 24. Januar 2007 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
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Der Kläger beantragt,
die Revision der Beklagten zurückzuweisen.
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Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Zuschüsse zur Krankenversicherung seien bis zum Ende des Jahres 2003 freien Mitarbeitern, die den Status arbeitnehmerähnlicher Personen gehabt hätten und als sozial schutzbedürftig angesehen worden seien, ohne rechtliche Verpflichtung als freiwillige Leistung gezahlt worden. Aus dem primär auf den Hilfeempfänger bezogenen und für die öffentlich-rechtliche Bewilligung erforderlichen Hilfeplanverfahren könne ein für eine Beschäftigung sprechendes Weisungsrecht nicht hergeleitet werden.
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Die Beigeladene zu 1. äußert sich nicht.
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Der zu 3. beigeladene Rentenversicherungsträger beantragt,
die Urteile des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 22. September 2010 und des Sozialgerichts Berlin vom 24. Januar 2007 hinsichtlich der Versicherungspflicht der Beigeladenen zu 1. in der gesetzlichen Rentenversicherung und der Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung aufzuheben und die Klage insoweit abzuweisen.
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Er schließt sich der Rechtsauffassung der Beklagten an. Ergänzend führt er aus, der Träger der öffentlichen Jugendhilfe sei verpflichtet, aufgrund seiner Gesamtverantwortung gemäß § 79 SGB VIII und in Erfüllung seines Schutzauftrags gemäß § 8a SGB VIII sicherzustellen, dass der jeweilige Vertragspartner die nach dem SGB VIII und nachgeordneten Regelungen bestehenden Pflichten und Qualitätsanforderungen bei der Leistungserbringung erfülle. Jedenfalls für Leistungen der Jugendhilfe nach § 31 SGB VIII erfordere die ordnungsgemäße Aufgabenerfüllung eine derart enge Anbindung der eingesetzten Mitarbeiter, dass diese in die betrieblichen Abläufe eingegliedert sein müssten. Deshalb könnten diese Tätigkeiten der Familienhilfe - wie sie auch durch die Beigeladene zu 1. erfolgt seien - nur im Rahmen einer abhängigen Beschäftigung ausgeübt werden.
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Die zu 2. beigeladene Pflegekasse und die zu 4. beigeladene Bundesagentur für Arbeit stellen keinen Antrag. Sie schließen sich im Wesentlichen der Auffassung der Beklagten an.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Revision der beklagten Krankenkasse ist im Sinne der Aufhebung des angefochtenen Urteils und der Zurückverweisung an das LSG zur erneuten Verhandlung und Entscheidung begründet (vgl § 170 Abs 2 S 2 SGG).
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Das Urteil, mit dem das LSG die Berufung der Beklagten gegen das der Klage stattgebende Urteil des SG zurückgewiesen hat, hält der revisionsrechtlichen Überprüfung nicht Stand. Das LSG hat seine Entscheidung darauf gestützt, dass die angefochtenen Bescheide der Beklagten rechtswidrig seien, weil die Beigeladene zu 1. in ihrer Tätigkeit als Familienhelferin nicht als Beschäftigte sozialversicherungspflichtig gewesen sei und der Kläger für sie deshalb keine Sozialversicherungsbeiträge zu entrichten habe. Die - aus einer unzureichenden Würdigung des Gesamtbildes der Tätigkeit der Beigeladenen zu 1. gewonnene - Beurteilung des LSG, dass die Beigeladene zu 1. selbstständig tätig war, erweist sich als rechtsfehlerhaft. Ob die Beklagte deren Versicherungspflicht als Beschäftigte zu Recht festgestellt und die Beiträge in zutreffender Höhe festgesetzt hat, kann der Senat allerdings nicht selbst entscheiden, weil es dazu an erforderlichen weiteren Feststellungen durch das LSG fehlt. Dies führt zur Zurückverweisung der Sache an die Vorinstanz zur erneuten Verhandlung und Entscheidung.
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1. Allerdings hat das LSG für sein Urteil einen zutreffenden rechtlichen Ausgangspunkt gewählt und dazu im Kern zutreffend die in der höchstrichterlichen Rechtsprechung für die Abgrenzung zwischen - Versicherungspflicht begründender - Beschäftigung und selbstständiger Tätigkeit entwickelten Grundsätze herangezogen.
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In den Jahren 1995 bis 1999, um die es hier geht, unterlagen Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt waren, in der Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung der Versicherungs- bzw Beitragspflicht (vgl § 5 Abs 1 Nr 1 SGB V, § 20 Abs 1 S 2 Nr 1 SGB XI, § 1 S 1 Nr 1 SGB VI, § 168 Abs 1 Arbeitsförderungsgesetz bzw § 25 Abs 1 S 1 SGB III, jeweils in den seinerzeit maßgebenden Gesetzesfassungen). Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer (abhängigen) Beschäftigung war § 7 Abs 1 SGB IV in seiner bis heute unverändert geltenden Fassung. Danach ist Beschäftigung die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis (§ 7 Abs 1 S 1 SGB IV). Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Diese Weisungsgebundenheit kann eingeschränkt und zur "funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" verfeinert sein. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig ist, richtet sich ausgehend von den genannten Umständen nach dem Gesamtbild der Arbeitsleistung und hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (stRspr; vgl zum Ganzen zB zuletzt BSG Urteil vom 28.9.2011 - B 12 R 17/09 R, USK 2011-125, Juris RdNr 16 mwN; vgl auch BSG SozR 4-2400 § 28e Nr 4 RdNr 17; BSG Urteil vom 28.5.2008 -B 12 KR 13/07 R - USK 2008-45; BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 6 RdNr 14 mwN; BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 19 S 69 f, Nr 13 S 31 f; jeweils mwN; BSGE 78, 34, 36 = SozR 3-2940 § 2 Nr 5 S 26 f mwN; zur Verfassungsmäßigkeit der Abgrenzung zwischen abhängiger Beschäftigung und selbstständiger Tätigkeit vgl BVerfG SozR 3-2400 § 7 Nr 11).Das kann bei manchen Tätigkeiten - zB in Bereichen, in denen persönliche Zuwendung Gegenstand zu erbringender Dienste ist - dazu führen, dass sie nach den jeweiligen Umständen sowohl als Beschäftigung als auch im Rahmen eines freien Dienstverhältnisses ausgeübt werden können (zuletzt BSG Urteil vom 28.9.2011 - B 12 R 17/09 R, USK 2011-125, Juris RdNr 17
; BSG SozR 4-2600 § 2 Nr 14 RdNr 11 mwN .)
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2. Das LSG hat unter zutreffender Berücksichtigung der im SGB VIII geregelten Familienhilfe (dazu unter a) diese Grundsätze angewandt (dazu unter b). Es hat jedoch nicht alle für und gegen eine Beschäftigung bzw selbstständige Tätigkeit sprechenden Umstände aufgeklärt, in ihrer indiziellen Wirkung erkannt und ihnen daher nicht das Gewicht und den Stellenwert beimessen können, der diesen Umständen im Rahmen der Gesamtabwägung der für die Abgrenzung heranzuziehenden Tätigkeitsmerkmale zukommen muss (dazu unter c).
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a) Entgegen der Ansicht der Beklagten ist dem LSG allerdings darin zuzustimmen, dass nicht schon aus der einen Jugendhilfeträger treffenden Gesamtverantwortung für die Erbringung von Familienhilfe nach dem SGB VIII zu entnehmen ist, die Tätigkeit einer Familienhelferin - wie von der Beigeladenen zu 1. ausgeübt - könne (rechtmäßig) nur in einem Beschäftigungsverhältnis ausgeübt werden.
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Den Regelungen des SGB VIII, insbesondere § 79 Abs 1 SGB VIII, aber auch § 31 und § 36 SGB VIII sowie § 8a SGB VIII, kann kein für eine Beschäftigung sprechendes, eine persönliche Abhängigkeit iS von § 7 Abs 1 SGB IV begründendes Weisungsrecht des Klägers gegenüber der Beigeladenen zu 1. entnommen werden. Entscheidend ist insoweit, dass das SGB VIII schon von seinem Regelungsansatz her keine Aussagen über den arbeits- und sozialversicherungsrechtlichen Status von Familienhelfern treffen will und trifft, sondern allein die - dann im Einzelnen näher ausgestaltete - staatliche Verantwortung für die Aufgaben der Jugendhilfe im Verhältnis zu den Leistungsberechtigten im Blick hat (vgl im hier bedeutsamen Zusammenhang § 27 Abs 1 Nr 2 und Nr 4 SGB I, § 2 Abs 1 und Abs 2 Nr 2 und Nr 4 iVm §§ 16 ff, 27 ff SGB VIII). Selbst die Regelungen des SGB VIII über die Leistungserbringung enthalten keine Vorgaben über den sozialversicherungsrechtlichen Status von Mitarbeitern (vgl dagegen zB §§ 72, 72a SGB VIII zu den persönlichen und fachlichen Anforderungen an Mitarbeiter bei Trägern der öffentlichen Jugendhilfe). Zwar tragen nach § 79 Abs 1 SGB VIII die Träger der öffentlichen Jugendhilfe für die Erfüllung der Aufgaben nach dem SGB VIII die Gesamtverantwortung einschließlich der Planungsverantwortung. Hieraus folgt jedoch keine für eine Beschäftigung typische Weisungsbefugnis eines öffentlichen Jugendhilfeträgers gegenüber einem für ihn zur Aufgabenerfüllung Tätigen. Eine Weisungsbefugnis setzt vielmehr eine entsprechende rechtliche Verankerung, ggf durch vertragliche Vereinbarung, im Verhältnis zu dem Dritten voraus, der zur Erfüllung der Aufgaben der Jugendhilfe herangezogen wird. Zwar hat das BAG in seinem Urteil vom 6.5.1998 (5 AZR 347/97 - BAGE 88, 327 = AP Nr 94 zu § 611 BGB Abhängigkeit) die Weisungsabhängigkeit einer Familienhelferin (§ 31 SGB VIII) und deren Eingliederung in den Betrieb des Jugendhilfeträgers angenommen und das Weisungsrecht der den Träger der öffentlichen Jugendhilfe gemäß § 79 Abs 1 SGB VIII treffenden Gesamtverantwortung entnommen. Das BAG ist jedoch in seiner späteren Rechtsprechung (Urteil vom 25.5.2005 - 5 AZR 347/04 -, BAGE 115, 1 = AP Nr 117 zu § 611 BGB Abhängigkeit
) hiervon abgerückt. Es stellt nunmehr entscheidend darauf ab, dass aus § 79 Abs 1 SGB VIII und der jedermann treffenden Pflicht, öffentlich-rechtlichen Anordnungen der Aufsichtsbehörde im Jugendhilferecht nachzukommen, keine arbeitsrechtliche Weisungsgebundenheit der zur Erfüllung jugendhilferechtlicher Aufgaben eingesetzten Erwerbstätigen gegenüber dem Jugendhilfeträger abgeleitet werden kann. Dieser überzeugenden jüngeren Rechtsprechung schließt sich der Senat auch für die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung an. Nichts anderes gilt für den den Hilfeplan betreffenden § 36 SGB VIII, weil diese Vorschrift ebenfalls keine Aussage zu dem arbeits- und sozialversicherungsrechtlichen Status einer Erwerbstätigkeit zur Erfüllung jugendhilferechtlicher Aufgaben und zur Umsetzung eines Hilfeplans trifft.
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Die Regelung des § 8a SGB VIII konnte entgegen der Auffassung der Beklagten hier bereits deshalb keine persönliche Abhängigkeit der Beigeladenen zu 1. begründen, weil sie erst mit Wirkung zum 1.10.2005 (durch Art 1 Nr 4 des Gesetzes zur Weiterentwicklung der Kinder- und Jugendhilfe vom 8.9.2005, BGBl I 2729) in das SGB VIII eingefügt wurde und damit im hier streitigen Zeitraum bis Ende 1999 noch nicht galt. Hinsichtlich der von der Beigeladenen zu 3. benannten Vorschriften des Berliner Landesrechts kann offenbleiben, ob ihnen entsprechende Weisungsrechte zu entnehmen waren, weil diese ebenfalls erst nach 1999 in Kraft traten.
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Ob - wie die Beklagte und die Beigeladenen zu 3. und 4. meinen - die Familienhilfe nach dem SGB VIII "sachgerecht" nur durch Beschäftigte, nicht aber durch Selbstständige erbracht werden kann (vgl hierzu zB Stähr in Hauck/Noftz, SGB VIII, K § 31, RdNr 16 ff, Stand Einzelkommentierung 5/2004), kann hier dahinstehen. Selbst wenn dies der Fall sein sollte, kann hieraus jedenfalls nicht ohne Weiteres darauf geschlossen werden, dass auch der Kläger dieser Einschätzung folgen und sie in seiner Praxis bei der Erfüllung jugendhilferechtlicher Leistungsansprüche umsetzen wollte und dies entsprechend getan hat.
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b) Das LSG hat die unter 1. beschriebenen Grundsätze zur Abgrenzung einer selbstständigen Tätigkeit von einer (abhängigen) Beschäftigung zutreffend zum rechtlichen Ausgangspunkt seiner Erwägungen genommen. Zutreffend ist das Berufungsgericht auch davon ausgegangen, dass eine Bewertung jeweils der einzelnen vom Kläger vergebenen Aufträge am Maßstab der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze zu erfolgen hat; maßgebend sind danach die Verhältnisse nach Annahme - also bei Durchführung - des einzelnen Auftrags (vgl BSG Urteil vom 28.9.2011 - B 12 R 17/09 R - USK 2011-125, Juris RdNr 17; BSG Urteil vom 28.5.2008 - B 12 KR 13/07 R - USK 2008-45, Juris RdNr 24 ff).
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Das LSG hat ausgehend von der Rechtsprechung des Senats zutreffend einige Merkmale der Tätigkeit der Beigeladenen zu 1. als Indizien für deren (abhängige) Beschäftigung gewertet, andere Umstände als Indizien für das Vorliegen einer selbstständigen Tätigkeit angesehen und dann eine Gesamtbetrachtung der Indizien vorgenommen. Es hat vor allem das fehlende Unternehmerrisiko (vgl dazu zB zuletzt BSG Urteil vom 28.9.2011 - B 12 R 17/09 R - USK 2011-125, Juris RdNr 25 mwN), das stundenweise gezahlte, vom Kläger der Höhe nach vorgegebene Honorar, die Gewährung eines Zuschusses zur Krankenversicherung sowie die Abgeltung von Urlaub als für eine Beschäftigung der Beigeladenen zu 1. sprechende Umstände gewertet und diesen Umständen einige von ihm als "neutral" eingestufte bzw für eine selbstständige Tätigkeit sprechende Gesichtspunkte (Inhalt der getroffenen vertraglichen Vereinbarungen - bei als "befremdlich" erscheinendem Hinweis, dass "keinerlei Rechtsbeziehungen" zwischen Kläger und Beigeladener zu 1. bestünden -, zeitliche Beanspruchung der Beigeladenen zu 1. durch die Tätigkeit, fehlende Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Klägers) gegenübergestellt. Als maßgebend für das Fehlen einer abhängigen Beschäftigung hat es das Fehlen der Ausübung eines "ins Einzelne gehenden Weisungsrechts" angesehen, gleichwohl aber andererseits die "weitgehende Freiheit von arbeitsbezogenen Weisungen" - ähnlich der Sachlage bei Diensten höherer Art - (wiederum) nicht als Beleg für Selbstständigkeit eingestuft. Die Beigeladene zu 1. sei nicht in einer Art und Weise in den Betrieb des Klägers eingegliedert gewesen, die auf eine Beschäftigung hindeute, weil sie nur bei der erstmaligen Übernahme eines Einsatzes sowie bei eventuellen Gesprächen über den Stand der Hilfe in Kontakt mit den Mitarbeitern des Klägers getreten sei. Die Beigeladene zu 1. habe auch im Wesentlichen Ort, Zeit und inhaltliche Ausgestaltung ihrer Arbeitsleistung unabhängig von Vorgaben des Klägers bestimmen können, wie bereits "aus der Natur der Tätigkeit als Familienhelferin" folge. Es hat weiter zugrunde gelegt, dass dem in den schriftlichen Vereinbarungen dokumentierten Willen, keine Beschäftigung zu wollen, dann keine indizielle Bedeutung zukommt, wenn die tatsächlichen Verhältnisse von diesen Vereinbarungen rechtlich relevant abweichen, und dass dann maßgebend ist, wie die Rechtsbeziehung tatsächlich praktiziert wurde.
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c) Das Urteil des LSG kann allerdings trotz seines zutreffend gewählten rechtlichen Ansatzes keinen Bestand haben, weil seine Abwägung der für und gegen eine Beschäftigung bzw selbstständige Tätigkeit sprechenden Umstände rechtliche Defizite aufweist und deshalb der revisionsrechtlichen Überprüfung nicht Stand hält. Wesentliche Umstände, aus denen das LSG auf eine selbstständige Tätigkeit geschlossen hat, sind in ihren Hintergründen und ihrer Tragweite nicht hinreichend aufgeklärt worden, sodass eine nur unzureichende, sich in wesentlichen Punkten nur an der "Oberfläche" bewegende Gesamtwürdigung vorliegt, die die Annahme, die Beigeladene zu 1. sei als Familienhelferin für den Kläger im streitigen Zeitraum selbstständig tätig gewesen, nicht schlüssig und nachvollziehbar trägt.
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Die Zuordnung des konkreten Lebenssachverhalts zum rechtlichen Typus der (abhängigen) Beschäftigung als "nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis" iS von § 7 Abs 1 S 1 SGB IV nach dem Gesamtbild der Arbeitsleistung erfordert - wie oben unter 1. beschrieben - eine Gewichtung und Abwägung aller als Indizien für und gegen eine Beschäftigung bzw selbstständige Tätigkeit sprechenden Merkmale der Tätigkeit im Einzelfall. Bei Vorliegen gegenläufiger, dh für die Bejahung und die Verneinung eines gesetzlichen Tatbestandsmerkmals sprechender tatsächlicher Umstände oder Indizien hat das Gericht insoweit eine wertende Zuordnung aller Umstände im Sinne einer Gesamtabwägung vorzunehmen. Diese Abwägung darf allerdings nicht (rein) schematisch oder schablonenhaft erfolgen, etwa in der Weise, dass beliebige Indizien jeweils zahlenmäßig einander gegenübergestellt werden, sondern es ist in Rechnung zu stellen, dass manchen Umständen wertungsmäßig größeres Gewicht zukommen kann als anderen, als weniger bedeutsam einzuschätzenden Indizien. Eine rechtmäßige Gesamtabwägung setzt deshalb - der Struktur und Methodik jeder Abwägungsentscheidung (innerhalb und außerhalb des Rechts) entsprechend - voraus, dass alle nach Lage des Einzelfalls wesentlichen Indizien festgestellt, in ihrer Tragweite zutreffend erkannt und gewichtet, in die Gesamtschau mit diesem Gewicht eingestellt und in dieser Gesamtschau nachvollziehbar, dh den Gesetzen der Logik entsprechend und widerspruchsfrei, gegeneinander abgewogen werden (vgl zu Abwägungsvorgängen im Sozialrecht, etwa bei der Ursachenbewertung nach der Theorie der wesentlichen Bedingung im Recht der gesetzlichen Unfallversicherung, zB BSGE 61, 127, 129 f = SozR 2200 § 548 Nr 84 S 235 f; BSGE 96, 196 = SozR 4-2700 § 8 Nr 17, RdNr 15 ff mwN; zu verschiedenen Formen der Abwägung allgemein - in unterschiedlichen Rechtsgebieten und Zusammenhängen - siehe die Beiträge von Koch und Ossenbühl in: Erbguth/Oebbecke/Rengeling/Schulte, Abwägung im Recht, Symposium zur Emeritierung von Werner Hoppe, 1996, S 9 ff, 25 ff; Röhl/Röhl, Allgemeine Rechtslehre, 3. Aufl 2008, § 82
, S 651 ff; zur Abwägung widerstreitender Belange im Planungsrecht zB BVerwGE 45, 309, 314 ff; BVerwGE 64, 270, 271 ff).
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Um diesen Anforderungen im vorliegenden Zusammenhang zu genügen, muss zunächst den für die Abgrenzung von Beschäftigung und Selbstständigkeit in Betracht kommenden Merkmalen der Tätigkeit nachgegangen und vorab das Vorliegen bzw Nichtvorliegen dieser Merkmale - verfahrensrechtlich beanstandungsfrei auf der Grundlage des Amtsermittlungsprinzips (§ 103 SGG) - festgestellt werden. Für die Prüfung, welche dieser festgestellten Merkmale bei einer Gesamtbetrachtung überwiegen, sind sodann alle entscheidungserheblichen Merkmale zu berücksichtigen und in ihrer Bedeutung zu gewichten sowie nachvollziehbar gegeneinander abzuwägen. Dem haben die Vorinstanzen bislang nicht hinreichend entsprochen.
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So hätte zunächst genauer ermittelt und gewürdigt werden müssen, unter welchen rechtlichen Vorgaben Familienhelfer im Land Berlin in der streitigen Zeit bis Ende 1999 überhaupt tätig wurden und wie das Rechtsverhältnis der Beigeladenen zu 1., die gegen eine stundenweise, vom Kläger festgesetzte Vergütung arbeitete, in diesem Zusammenhang nach der im Land Berlin üblichen Praxis einzuordnen ist. Nach dem Akteninhalt und dem Vorbringen der Beteiligten könnten gewichtige Anhaltspunkte bestehen, die deutlicher als vom LSG angenommen für eine Beschäftigung und gegen eine Selbstständigkeit der Beigeladenen zu 1. sprechen und im Rahmen der Gesamtschau überwiegen könnten. Das LSG durfte es nicht dabei belassen, dass Vorgaben über die Ausgestaltung der tatsächlichen oder rechtlichen Beziehungen zwischen der Beigeladenen zu 1. und dem Kläger "nicht zu finden" seien und dass die Feststellung, es bestünden "keinerlei Rechtsbeziehungen" zwischen dem Kläger und der Beigeladenen zu 1., "befremdlich" erscheine, und nicht schon darauf seine Abwägung aufbauen. Dies rechtfertigt es, ein relevantes Abwägungsdefizit zu bejahen. Obwohl der vom LSG festgestellte Inhalt der vorhandenen Unterlagen den Schluss zulässt, dass Selbstständigkeit gewollt war, könnte den weiteren Umständen der Erwerbstätigkeit der Beigeladenen zu 1. gleichwohl zu entnehmen sein, dass diese abweichend hiervon als Beschäftigte tätig werden sollte und tatsächlich auch in dieser Weise tätig wurde. So sollte - wie bereits beschrieben - auf der einen Seite der einzelne Einsatz als Familienhelferin und dessen Durchführung allein mittelbar im Bewilligungsbescheid des Jugendamtes gegenüber der leistungsberechtigten Familie seine Grundlage haben und sollten sogar "keinerlei Rechtsbeziehungen zum Land Berlin" begründet und Arbeitnehmerrechte (insbesondere auf Abführung von Sozialversicherungsbeiträgen) nicht gewährt werden. Im Gegensatz dazu steht die Gewährung typischer Arbeitnehmerleistungen des Klägers an die Beigeladene zu 1. ("Urlaubsabgeltung", was gedanklich einen eingeräumten Urlaubsanspruch voraussetzt; laufende gewährte Zuschüsse zur freiwilligen Krankenversicherung in Höhe von "6,6 %"). Allerdings wäre insoweit ebenso zu berücksichtigen, dass ein Anspruch auf Urlaubsabgeltung auch arbeitnehmerähnlichen Personen zustehen kann, was der Senat in der Vergangenheit als Indiz für Selbstständigkeit angesehen hat (vgl BSG Urteil vom 12.2.2004 - B 12 KR 26/02 R - USK 2004-25, Juris RdNr 25). Zu den Einzelheiten der praktischen Gestaltung der Erwerbstätigkeit der Beigeladenen zu 1. fehlen die erforderlichen Feststellungen.
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Nicht geprüft und ermittelt hat das LSG auch, ob aufgrund zusätzlicher Absprachen zwischen dem Kläger und der Beigeladenen zu 1. - zB in einer ggf mündlichen Rahmenvereinbarung über Einsätze als Familienhelferin, deren Umsetzung sich in den jeweils einzelnen Aufträgen vollzog (vgl zu einer solchen Rahmenvereinbarung zB BSG Urteil vom 28.5.2008 - B 12 KR 13/07 R - USK 2008-45, Juris RdNr 18, 22), oder in zusätzlichen ggf mündlichen Abreden zu den einzelnen Einsätzen selbst - weitere Rechte und Pflichten bestanden, die für eine Beschäftigung der Beigeladenen zu 1. sprechen.
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Hinzu kommen im vorliegenden Fall Hinweise auf ein gänzlich fehlendes rechtlich relevantes Unternehmerrisiko der Beigeladenen zu 1. Nach den vom BSG entwickelten Grundsätzen (BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 13 S 36, mwN; BSG SozVers 2001, 329, 332; zuletzt BSG Urteil vom 28.9.2011 - B 12 R 17/09 R - Juris RdNr 25) ist maßgebendes Kriterium für ein solches Risiko, ob eigenes Kapital oder die eigene Arbeitskraft auch mit der Gefahr des Verlustes eingesetzt wird, der Erfolg des Einsatzes der sächlichen oder persönlichen Mittel also ungewiss ist. Allerdings ist ein unternehmerisches Risiko nur dann Hinweis auf eine selbstständige Tätigkeit, wenn diesem Risiko auch größere Freiheiten in der Gestaltung und der Bestimmung des Umfangs beim Einsatz der eigenen Arbeitskraft gegenüberstehen (so schon BSG SozR 2200 § 1227 Nr 17 S 37; BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 13 S 36, mwN; zuletzt BSG Urteil vom 28.9.2011, aaO). Unter diesem Blickwinkel könnten sich Zweifel an der Selbstständigkeit der Beigeladenen zu 1. ergeben, falls sich nach Ermittlungen herausstellen sollte, dass die Arbeitsstunden-Vergütung mit 26,40 DM brutto betragsmäßig im Bereich dessen lag, was einer Familienhelferin im Jugendhilfebereich mit der Qualifikation der Beigeladenen zu 1. als Angestellte tariflich oder einzelvertraglich als Vergütung zustand. Aufgeklärt werden müsste auch, ob die Beigeladene zu 1. in einer für Arbeitnehmer allerdings eher untypischen Weise ihre einzelnen Einsätze ohne Begründung und ohne Folgen für spätere Einsatzoptionen abbrechen konnte und vom Kläger ggf aus einem laufenden Einsatz gegen ihren Willen abgezogen und nach den Bedürfnissen einer fremden betrieblichen Organisation anderen Familien "zugeteilt" werden konnte (vgl zu diesen Gesichtspunkten BSG Urteil vom 28.9.2011 - B 12 R 17/09 R - Juris RdNr 27). Vor diesem Hintergrund bleibt bislang offen, ob überhaupt typische Risiken, aber auch höhere Chancen einer vermeintlichen Selbstständigkeit bestanden.
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Schließlich ergibt sich auch in Bezug auf weitere Abgrenzungsmerkmale Anlass zu einer näheren Betrachtung der Umstände, unter denen die Beigeladene zu 1. tätig wurde. Das LSG hat größere Entscheidungsspielräume der Beigeladenen zu 1., insbesondere eine im Wesentlichen Ort, Zeit und inhaltliche Ausgestaltung ihrer Arbeitsleistung unabhängig von Vorgaben des Klägers bestimmbare und von Kontrollen des Klägers weitgehend freie Arbeitsleistung, als letztlich entscheidend für die Selbstständigkeit angesehen. Insoweit fehlt es an einem Vergleich mit den Spielräumen, die einer in - ggf befristeten oder projektbezogenen - (Teilzeit-)Beschäftigung erwerbstätigen Familienhelferin für deren Tätigkeit eingeräumt waren. Da das LSG insoweit selbst davon ausgeht, bereits "aus der Natur der Tätigkeit als Familienhelferin" folgten größere Spielräume, kann ein für die Tätigkeit bestehender Spielraum, der in gleicher Weise für eine angestellte, Familien vor Ort betreuende Familienhelferin besteht, kein maßgebendes Kriterium für die Abgrenzung selbstständiger Tätigkeit von Beschäftigung sein. Vielmehr ist hierzu zu ermitteln, welche wesentlichen, gerade einer Selbstständigkeit das Gepräge gebenden Freiräume für die Tätigkeit der Beigeladenen zu 1. bestanden, die einer im öffentlichen Dienst oder bei einem freien Träger beschäftigten Familienhelferin (als solche war die Beigeladene zu 1. ab dem Jahr 2000 für den Kläger eingesetzt) im streitigen Zeitraum nicht zustanden. Insoweit bietet es sich an, auch der Frage nachzugehen, ob höchstpersönliche Leistungspflichten und/oder Vertretungsregelungen bestanden. Diese nach entsprechenden Ermittlungen vorzunehmende Vergleichsbetrachtung ist dann in die erforderliche Gesamtabwägung einzustellen.
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d) Dem Senat ist nach alledem wegen fehlender hinreichender Feststellungen des LSG keine eigene abschließende Entscheidung darüber möglich, ob die Beigeladene zu 1. bei einer rechtmäßigen, an bestimmte Voraussetzungen geknüpften Gesamtschau aller Umstände als Familienhelferin in der öffentlichen Jugendhilfe bei dem Kläger (abhängig) beschäftigt oder selbstständig tätig war. Deshalb hat das LSG die vorstehend unter c) beschriebenen, bislang fehlenden erforderlichen weiteren Feststellungen durch entsprechende Ermittlungen - ggf auch persönlicher Anhörung der Beigeladenen zu 1. - nachzuholen. Sodann muss das LSG eine darauf aufbauende neue Gesamtwürdigung unter Einbeziehung der oben dargelegten Vorgaben vornehmen und gewichtend und abwägend erneut in der Sache entscheiden.
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3. Das LSG wird auch über die Kosten des Rechtsstreits einschließlich der Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.
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4. Der Streitwert für das Revisionsverfahrens war gemäß § 197a Abs 1 S 1 SGG iVm § 63 Abs 2 S 1, § 52 Abs 1 und 3, § 47 Abs 1 GKG in Höhe des vom LSG für das Berufungsverfahren festgesetzten, der streitigen Beitragsforderung entsprechenden Betrages von 18 877,06 Euro festzusetzen.
Tenor
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Die Urteile des Hessischen Landessozialgerichts vom 22. November 2012 und des Sozialgerichts Kassel vom 9. Februar 2011 werden aufgehoben, soweit sie die Versicherungspflicht des Klägers zu 1. in der gesetzlichen Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung in der Zeit vom 1. Mai 2006 bis 17. August 2011 betreffen. Insoweit wird die Klage abgewiesen.
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Die Beklagte hat den Klägern 40 vH der notwendigen außergerichtlichen Kosten in allen Rechtszügen zu erstatten. Im Übrigen findet eine Kostenerstattung nicht statt.
Tatbestand
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Die Beteiligten streiten (noch) darüber, ob der Kläger zu 1. in seiner bei der Klägerin zu 2. ausgeübten Tätigkeit als Vertriebsleiter in der Zeit vom 1.5.2006 bis 17.8.2011 wegen Beschäftigung in der gesetzlichen Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung versicherungspflichtig ist.
- 2
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Der Kläger zu 1. ist ausgebildeter Diplomkaufmann. Er ist - neben seiner Tätigkeit bei der Klägerin zu 2. - Geschäftsführer und Gesellschafter von zwei weiteren Unternehmen (J.
GmbH und L. J. GmbH) und Kommanditist eines vierten Unternehmens (Ha CE L. J. GmbH & Co KG).
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Bei der Klägerin zu 2. handelt es sich um eine 1998 gegründete GmbH mit dem Unternehmensgegenstand Vertrieb von Lockenwicklern und Vogelnetzen, die sie von einem der anderen Unternehmen bezieht. Das Stammkapital beläuft sich auf 358 000 Euro. Alleinige Gesellschafterin sowie Geschäftsführerin war ab Oktober 2005 die Ehefrau des Klägers zu 1., eine gelernte Zahnarzthelferin und Bürokauffrau. Gemäß "Anstellungsvertrag" vom 30.4.2006 war der Kläger zu 1. ab 1.5.2006 Vertriebsleiter der Klägerin zu 2. für die Bereiche Netze und Lockenwickler. Seit dem 17.8.2011 ist auch der Kläger zu 1. deren Geschäftsführer und seit dem 13.3.2012 zudem Gesellschafter mit der Hälfte des Stammkapitals. Bereits am 12.4.2001 übernahm der Kläger zu 1. zugunsten der Klägerin zu 2. ua eine Bürgschaft in Höhe von 384 000 Euro, die 2005 auf 375 000 Euro reduziert wurde.
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Auf Antrag des Klägers zu 1. auf Feststellung des sozialversicherungsrechtlichen Status vom 10.3.2006 stellte die Beklagte mit Bescheiden vom 27.6.2007 gegenüber den Klägern fest, dass der Kläger zu 1. als Vertriebsleiter der Klägerin zu 2. seit Aufnahme dieser Tätigkeit dem Grunde nach sozialversicherungspflichtig beschäftigt sei. Die hiergegen erhobenen Widersprüche der Kläger wies die Beklagte durch Widerspruchsbescheide vom 21.1.2008 zurück.
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Nach Klageerhebung hat die Beklagte mit Bescheiden vom 14.12.2009 gegenüber beiden Klägern unter Änderung ihrer früheren Bescheide festgestellt, dass wegen der Vertriebsleitertätigkeit des Klägers zu 1. für die Klägerin zu 2. Versicherungspflicht in der gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung, in der sozialen Pflegeversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung bestehe. In der mündlichen Verhandlung über die verbundenen Klagen hat die Beklagte diese Bescheide wegen des Einkommens des Klägers zu 1. hinsichtlich dessen Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung aufgehoben. Das SG hat die Bescheide der Beklagten auch im Übrigen aufgehoben und festgestellt, dass es sich bei der Tätigkeit des Klägers zu 1. als Vertriebsleiter der Klägerin zu 2. um eine insgesamt sozialversicherungsfreie Tätigkeit handele (Urteil vom 9.2.2011).
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Das LSG hat die auf die Zeit bis zum 17.8.2011 beschränkte Berufung der Beklagten zurückgewiesen: Ausnahmsweise liege keine Beschäftigung vor, wenn es bei Familienunternehmen aufgrund der familienhaften Rücksichtnahme an der Ausübung eines Direktionsrechts des Arbeitgebers gegenüber dem vermeintlich Beschäftigten völlig mangele. Hiervon könne insbesondere bei demjenigen auszugehen sein, der - obwohl nicht maßgeblich am Unternehmenskapital beteiligt - aufgrund der verwandtschaftlichen Beziehungen faktisch wie ein Alleininhaber die Geschäfte des Unternehmens nach eigenem Gutdünken führen und frei schalten und walten könne. Dies sei beim Kläger zu 1. der Fall gewesen. Er sei auch nicht in einem fremden, sondern in seinem eigenen Betrieb tätig gewesen und habe dabei keinen Weisungen unterlegen. Seine Ehefrau sei lediglich aus wirtschaftlichen Erwägungen in die Stellung als Gesellschafterin und Geschäftsführerin der Klägerin zu 2. gerückt, ohne dass sie zu irgendeiner Zeit die Geschicke der Klägerin zu 2. beeinflusst oder gar bestimmt hätte. Sie habe sich vielmehr um die vier Kinder gekümmert und die Unternehmensleitung dem Kläger zu 1. überlassen. Dieser habe durch seine Ausbildung und seine einschlägige Berufserfahrung aufgrund seiner Tätigkeit für die anderen Unternehmen - im Gegensatz zu seiner Ehefrau - die erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten gehabt, um die Geschäfte führen zu können. Im Fall eines Konfliktes mit seiner Ehefrau hätte er aufgrund seiner maßgeblichen Stellung in den anderen Unternehmen die Kunden der Klägerin zu 2. abziehen können. Damit hätten dem Kläger zu 1. erhebliche wirtschaftliche Einflussmöglichkeiten zur Verfügung gestanden. Zudem hätte er maßgeblichen Einfluss auf die Klägerin zu 2. nehmen und ihm nicht genehme Weisungen abwenden können. Darüber hinaus habe der Kläger zu 1. gegenüber der Klägerin zu 2. eine Bürgschaft über einen Betrag in einer Höhe abgegeben, welche in etwa dem Stammkapital der Klägerin zu 2. entspreche (Urteil vom 22.11.2012).
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Mit ihrer Revision rügt die Beklagte eine Verletzung von § 7 Abs 1 SGB IV. Auch wenn der Kläger zu 1. - wie in den anderen Unternehmen - unstreitig auch in der Führung der Geschicke der Klägerin zu 2. vollkommen freie Hand gehabt habe und wie ein Alleininhaber habe frei schalten und walten können, habe das LSG gestützt auf die zum Leistungsrecht ergangene Rechtsprechung des 7. und 11. Senats des BSG (Hinweis ua BSGE 66, 168 = SozR 3-2400 § 7 Nr 1) zu Unrecht Selbstständigkeit angenommen. Entscheidendes Kriterium sei allein, ob der Betroffene rechtlich in der Lage sei, unliebsame Weisungen des Arbeitgebers bzw Dienstberechtigten abzuwenden (Hinweis auf BSGE 111, 257 = SozR 4-2400 § 7 Nr 17). Im Falle eines möglichen familiären Zerwürfnisses zwischen den Beteiligten komme allein die den einzelnen Familienmitgliedern zustehende Rechtsmacht zum Tragen, sodass auch nach den gelebten tatsächlichen Verhältnissen in einem solchen Fall eine Weisungsunterworfenheit bestehen könne. Eine "Schönwetter-Selbständigkeit" sei mit Blick auf das Erfordernis der Vorhersehbarkeit sozialversicherungs- und beitragsrechtlicher Tatbestände nicht hinnehmbar. Auch die Übernahme einer Bürgschaft in beträchtlicher Höhe vermöge an der Statusbeurteilung nichts zu ändern, da es im Wirtschaftsleben üblich sei, die Ehepartner eines Unternehmensinhabers ohne Rücksicht auf deren Stellung im Unternehmen zu Bürgschaften heranzuziehen.
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Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 22. November 2012 aufzuheben und unter Abänderung des Urteils des Sozialgerichts Kassel vom 9. Februar 2011 die Klage abzuweisen, soweit sie die Feststellung von Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung in der Zeit vom 1. Mai 2006 bis 17. August 2011 betrifft.
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Die Kläger beantragen,
die Revision der Beklagten zurückzuweisen.
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Sie verteidigen das angefochtene Urteil.
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Die Beigeladene teilt die Rechtsauffassung der Beklagten.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Revision der Beklagten ist begründet. Zu Unrecht hat das LSG die Berufung der Beklagten gegen das der Klage stattgebende Urteil des SG zurückgewiesen, soweit die Klage die Feststellung von Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung in der Zeit vom 1.5.2006 bis 17.8.2011 betrifft. Die Bescheide der Beklagten erweisen sich in diesem Umfang als rechtmäßig.
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1. Gegenstand des Revisionsverfahrens sind die Bescheide der Beklagten vom 27.6.2007 in Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 21.1.2008, abgeändert durch den nach § 96 SGG zum Gegenstand des Verfahrens gewordenen Bescheid vom 14.12.2009.
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Materiell betrifft der Rechtsstreit nur noch die Feststellung von Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung in der Zeit vom 1.5.2006 bis 17.8.2011. Die Beklagte hat im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem SG bzw vor dem Senat ihre Bescheide teilweise aufgehoben und ihre Berufung hinsichtlich des Zeitraums ab 17.8.2011 zurückgenommen.
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2. Das LSG hat das Vorliegen von Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung zu Unrecht verneint. Der Kläger zu 1. war in seiner Tätigkeit für die Klägerin zu 2. in der Zeit vom 1.5.2006 bis 17.8.2011 Beschäftigter, weshalb Versicherungspflicht bestand. Das LSG ist in seinem Urteil zwar zutreffend von den in der Rechtsprechung des BSG zum Vorliegen von zu Versicherungspflicht führender Beschäftigung aufgestellten Grundsätzen ausgegangen (hierzu a). Es hat dabei jedoch die für die Tätigkeit des Klägers zu 1. für die Klägerin zu 2. maßgebenden vertraglichen Vereinbarungen, welche hier nur die Annahme von Beschäftigung rechtfertigen können, nicht ausreichend beachtet (hierzu b). Besondere Umstände, die abweichend vom festgestellten Vertragsinhalt eine Beurteilung der Tätigkeit des Klägers zu 1. als selbstständig zuließen, liegen nicht vor. Insbesondere ist Selbstständigkeit des Klägers zu 1. auch nicht deshalb anzunehmen, weil er nach den Feststellungen des LSG faktisch "Kopf und Seele" des Unternehmens war und dieses nach eigenem Gutdünken leitete (hierzu c).
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a) Im streitigen Zeitraum unterlagen Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind, der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung (vgl § 1 S 1 Nr 1 SGB VI idF der Bekanntmachung vom 19.2.2002, BGBl I 754 bzw ab 1.1.2007 idF des Gesetzes vom 24.4.2006, BGBl I 926; § 24 Abs 1, § 25 Abs 1 S 1 SGB III idF des Gesetzes vom 24.3.1997, BGBl I 594). Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen von Beschäftigung ist § 7 Abs 1 SGB IV in seiner bis heute unverändert geltenden Fassung. Danach ist Beschäftigung "die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis" (§ 7 Abs 1 S 1 SGB IV). Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Diese Weisungsgebundenheit kann - vornehmlich bei Diensten höherer Art - eingeschränkt und zur "funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" verfeinert sein. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand beschäftigt oder selbstständig tätig ist, richtet sich ausgehend von den genannten Umständen nach dem Gesamtbild der Arbeitsleistung und hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (stRspr; vgl zum Ganzen zB BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 21 RdNr 13 mwN; BSGE 111, 257 = SozR 4-2400 § 7 Nr 17, RdNr 15 mwN; zur Verfassungsmäßigkeit der Abgrenzung zwischen Beschäftigung und selbstständiger Tätigkeit vgl BVerfG SozR 3-2400 § 7 Nr 11). Die Zuordnung einer Tätigkeit nach deren Gesamtbild zum rechtlichen Typus der Beschäftigung bzw der selbstständigen Tätigkeit setzt dabei voraus, dass alle nach Lage des Einzelfalls als Indizien in Betracht kommenden Umstände festgestellt, in ihrer Tragweite zutreffend erkannt und gewichtet, in die Gesamtschau mit diesem Gewicht eingestellt und nachvollziehbar, dh den Gesetzen der Logik entsprechend und widerspruchsfrei gegeneinander abgewogen werden (vgl insoweit insbesondere BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 15 LS und RdNr 25).
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b) Zur Abgrenzung von Beschäftigung und Selbstständigkeit ist in Fällen wie dem vorliegenden vom Inhalt der zwischen den Beteiligten getroffenen Vereinbarungen auszugehen. Dazu haben Verwaltung und Gerichte zunächst deren Inhalt konkret festzustellen (dazu aa). Liegen schriftliche Vereinbarungen vor, so ist neben deren Vereinbarkeit mit zwingendem Recht auch zu prüfen, ob mündliche oder konkludente Änderungen erfolgt sind (dazu bb). Diese sind ebenfalls nur maßgeblich, soweit sie rechtlich zulässig sind (vgl BSGE 111, 257 = SozR 4-2400 § 7 Nr 17, RdNr 16 mwN). Schließlich ist auch die Ernsthaftigkeit der dokumentierten Vereinbarungen zu prüfen und auszuschließen, dass es sich hierbei um einen "Etikettenschwindel" handelt, der uU als Scheingeschäft iS des § 117 BGB zur Nichtigkeit dieser Vereinbarungen und der Notwendigkeit führen kann, ggf den Inhalt eines hierdurch verdeckten Rechtsgeschäfts festzustellen(dazu cc). Erst auf Grundlage der so getroffenen Feststellungen über den (wahren) Inhalt der Vereinbarungen ist eine wertende Zuordnung des Rechtsverhältnisses zum Typus der Beschäftigung oder selbstständigen Tätigkeit vorzunehmen (hierzu dd) und in einem weiteren Schritt zu prüfen, ob besondere Umstände vorliegen, die eine hiervon abweichende Beurteilung notwendig machen.
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aa) Der Tätigkeit des Klägers zu 1. lag eine schriftliche, ausdrücklich als "Anstellungsvertrag" bezeichnete Vereinbarung vom 30.4.2006 zugrunde. Danach wurde der Kläger zu 1. zum 1.5.2006 als Vertriebsleiter für die Bereiche Netze und Lockenwickler - also unterhalb der Ebene eines Geschäftsführers und nur mit einem beschränkten Aufgabengebiet - von der Klägerin zu 2. angestellt. Hierfür erhielt er ein festes monatliches Gehalt von zunächst 6000 Euro bzw 8000 Euro ab dem 1.11.2006. Es wurden Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall für die Dauer von drei Monaten sowie ein Anspruch auf Jahresurlaub von 30 Arbeitstagen vereinbart. Der Anstellungsvertrag wurde auf unbestimmte Zeit geschlossen. Eine Kündigung war nur aus wichtigen Gründen möglich. Eine Beteiligung des Klägers zu 1. an anderen Unternehmen sowie die Mitgliedschaft in Organen fremder Gesellschaften waren anzeigepflichtig.
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bb) Ausdrückliche Änderungen des schriftlichen Anstellungsvertrags hat das LSG im noch streitigen Zeitraum nicht festgestellt. Erst danach änderte sich die Tätigkeit des Klägers zu 1. in rechtlich anzuerkennender Weise, indem er am 17.8.2011 als weiterer Geschäftsführer der Klägerin zu 2. ins Handelsregister eingetragen wurde und später die Hälfte der Gesellschaftsanteile an der Klägerin zu 2. erwarb. Dem hat die Beklagte durch eine teilweise Rücknahme der Berufung bereits Rechnung getragen.
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Darüber hinaus ergeben sich - unabhängig vom vereinbarten Schriftformerfordernis - auch keine Anhaltspunkte für eine rechtlich anzuerkennende konkludente Vertragsänderung. Dass der Kläger zu 1. nach den Feststellungen des LSG vollkommen freie Hand in der Führung der Geschicke der Klägerin zu 2. hatte, also faktisch wie deren Geschäftsführer aufgetreten ist und gehandelt hat, ändert an seiner vertraglichen Stellung schon deshalb nichts, weil nach § 6 Abs 3 S 2 Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbHG) die Bestellung der Geschäftsführer entweder im Gesellschaftsvertrag oder nach Maßgabe der Bestimmungen des dritten Abschnitts des GmbHG(ua im Fall der Führungslosigkeit, hierzu § 35 Abs 1 S 2 GmbHG) erfolgt und nach § 39 Abs 1 GmbHG jede Änderung in den Personen der Geschäftsführer sowie die Beendigung der Vertretungsbefugnis eines Geschäftsführers zur Eintragung in das Handelsregister anzumelden ist. Dies ist im noch streitigen Zeitraum nicht erfolgt.
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cc) Nach den Feststellungen des LSG wurden die vertraglichen Vereinbarungen zwischen den Klägern auch nicht nur zum Schein getroffen. Vielmehr erfolgte die Bestellung der Ehefrau des Klägers zu 1. zur Alleingesellschafter-Geschäftsführerin der Klägerin zu 2. nach diesen Feststellungen aus wirtschaftlichen Gründen und damit absichtlich. Somit ist davon auszugehen, dass auch die Anstellung des Klägers zu 1. unterhalb der Geschäftsführung von den Beteiligten ganz bewusst so gewollt war, sodass der erstrebte Rechtserfolg gerade die Gültigkeit des zugrunde liegenden Rechtsgeschäftes voraussetzte (vgl hierzu Ellenberger in Palandt, BGB, 73. Aufl 2014, § 117 RdNr 4 mwN).
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dd) Die vertraglichen Abreden zwischen den Klägern sind ausgehend von den vom LSG zu deren Inhalt getroffenen Feststellungen (siehe vorstehend aa bis cc) dem Typus der Beschäftigung zuzuordnen. In der ausdrücklich als "Anstellungsvertrag" bezeichneten Vereinbarung überwiegen die für einen Arbeitsvertrag typischen Elemente, wie zB die Regelungen über ein festes Entgelt, Lohnfortzahlung im Krankheitsfall und den Jahresurlaub. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass die vertragliche Stellung des Klägers zu 1. bei der Klägerin zu 2. noch unterhalb der Stellung eines Geschäftsführers und damit auf der Ebene eines leitenden Angestellten angesiedelt ist. Dagegen spricht nicht die Beschränkung der Kündigung auf wichtige Gründe, die uU auch im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses für beide Seiten vereinbart werden kann (vgl Weidenkaff in Palandt, BGB, 73. Aufl 2014, § 622 RdNr 9).
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c) Umstände, die abweichend vom festgestellten Vertragsinhalt eine Beurteilung der Tätigkeit des Klägers zu 1. als selbstständig zuließen, liegen nicht vor: Der Kläger zu 1. übte iS von § 7 Abs 1 S 2 SGB IV eine Tätigkeit nach Weisung aus und war in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers eingegliedert. Er war in einem fremden Unternehmen tätig (dazu aa). Ohne eine im Gesellschaftsrecht wurzelnde Rechtsmacht, die ihn in die Lage versetzte, ihm unangenehme Weisungen zu verhindern, schließen auch die von ihm ausgeübten weitreichenden Befugnisse die Annahme von Beschäftigung nicht von vornherein aus, auch wenn er "im Alltag" faktisch bei seiner Tätigkeit keinen Weisungen unterlag (dazu bb). Mangels einer solchen Rechtsmacht rechtfertigt zudem weder eine vermeintliche wirtschaftliche Abhängigkeit der Klägerin zu 2. vom Kläger zu 1. noch die Übernahme einer beträchtlichen Bürgschaft durch diesen ein anderes Ergebnis (dazu cc). Etwas anderes gilt schließlich auch nicht deshalb, weil der Kläger zu 1. "Kopf und Seele" des Unternehmens war und dieses nach eigenem "Gutdünken" führte (dazu dd).
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aa) Entgegen der Auffassung des LSG war der Kläger zu 1. im streitigen Zeitraum in einem fremden und nicht in seinem eigenen Betrieb tätig. Die alleinige Betriebs- bzw Unternehmensinhaberin war die Klägerin zu 2., die als GmbH juristische Person mit eigener Rechtspersönlichkeit ist und deshalb unabhängig von den als Gesellschafter dahinterstehenden juristischen oder natürlichen Personen (hierzu vgl nur BSGE 95, 275 = SozR 4-2600 § 2 Nr 7, RdNr 21 mwN) und deren verwandtschaftlichen oder wirtschaftlichen Beziehungen betrachtet werden muss (vgl BSGE 111, 257 = SozR 4-2400 § 7 Nr 17, RdNr 18).
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bb) Die vom Kläger zu 1. tatsächlich wahrgenommenen weitreichenden Befugnisse führen genauso wenig zur Annahme von Selbstständigkeit, wie die Feststellung des LSG, dass er in seiner Tätigkeit "im Alltag" keinen tatsächlichen Weisungen oder einer Überwachung durch die Geschäftsführerin der Klägerin zu 2. unterlegen habe. Aus der nur faktischen Nichtwahrnehmung eines Weisungs-, Aufsichts- oder Überwachungsrechts kann schon nicht auf einen rechtswirksamen Verzicht auf dieses Recht geschlossen werden (vgl BSG Urteil vom 29.8.2012 - B 12 R 14/10 R - USK 2012-182, Juris RdNr 25; BSGE 111, 257 = SozR 4-2400 § 7 Nr 17, RdNr 23). Gleichzeitig machen weitreichende Entscheidungsbefugnisse eines "leitenden Angestellten", der in funktionsgerecht dienender Teilhabe am Arbeitsprozess einem verfeinerten Weisungsrecht unterliegt, diesen nicht zu einem Selbstständigen, selbst wenn diese Umstände auf besonderer Rücksichtnahme innerhalb eines Familienunternehmens beruhen (vgl BSGE 111, 257 = SozR 4-2400 § 7 Nr 17, RdNr 23 und 30 ff mwN).
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Entscheidend ist insoweit, dass der Kläger zu 1. im streitigen Zeitraum nicht als Gesellschafter an der Klägerin zu 2. beteiligt war. Damit fehlte es ihm von vornherein an einer im Gesellschaftsrecht wurzelnden Rechtsmacht (zu deren Bedeutung vgl BSGE 111, 257 = SozR 4-2400 § 7 Nr 17, RdNr 32), die ihn in die Lage versetzt hätte, eine Einflussnahme auf seine Tätigkeit, insbesondere durch ihm uU unangenehme Weisungen von Seiten der Geschäftsführung der Klägerin zu 2., zu verhindern. Zwar nimmt die höchstrichterliche Rechtsprechung regelmäßig Selbstständigkeit an, wenn der im Unternehmen Tätige Gesellschaftsanteile an einer Kapitalgesellschaft - sei es auch eine Familiengesellschaft - hält, damit zugleich eine entsprechende Einflussmöglichkeit auf den Inhalt von Gesellschafterbeschlüssen verbunden ist - etwa durch ein seinem Gesellschaftsanteil entsprechendes Stimmgewicht oder in Form einer Sperrminorität - und der Betroffene deshalb rechtlich über die Möglichkeit verfügt, ihm nicht genehme Weisungen hinsichtlich seiner Tätigkeit abzuwehren (vgl hierzu allgemein bereits zB BSGE 38, 53, 57 f = SozR 4600 § 56 Nr 1 S 5; BSGE 42, 1, 3 = SozR 2200 § 723 Nr 1 S 3 mwN; BSGE 111, 257 = SozR 4-2400 § 7 Nr 7, RdNr 25 mwN; zuletzt BSG Urteil vom 30.4.2013 - B 12 KR 19/11 R - SozR 4-2400 § 7 Nr 21 RdNr 16). Eine solche Konstellation liegt hier aber gerade nicht vor.
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cc) Mangels einer solchen im Gesellschaftsrecht wurzelnden Rechtsmacht rechtfertigt zudem weder eine vermeintliche wirtschaftliche Abhängigkeit der Klägerin zu 2. vom Kläger zu 1. noch die Übernahme einer beträchtlichen Bürgschaft durch diesen ein anderes Ergebnis. Dies hat der Senat in seiner jüngeren Rechtsprechung bereits herausgearbeitet (zur Bürgschaft vgl BSGE 111, 257 = SozR 4-2400 § 7 Nr 17, RdNr 26 mwN; zur "faktischen Machtposition" vgl BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 21 RdNr 28 f): Zwar können nach der Rechtsprechung des BSG auch wirtschaftliche Einflussmöglichkeiten beachtenswert sein, soweit sie - was hier nicht der Fall ist - dem Geschäftsführer einer GmbH selbst gegenüber der Gesellschaft zur Verfügung stehen (zu einem - im Ergebnis nicht ausreichenden - der Gesellschaft gewährten Darlehen vgl BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 4 S 17 f; vgl auch BSGE 111, 257 = SozR 4-2400 § 7 Nr 17, RdNr 26 mwN). Rechtlich - und vor allem hierauf kommt es an (vgl hierzu BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 21 RdNr 29) - hatte es aber allein die Ehefrau des Klägers zu 1. als Alleingesellschafterin und Geschäftsführerin in der Hand, im Falle eines Zerwürfnisses mit dem Kläger zu 1. auch unter Inkaufnahme wirtschaftlicher Nachteile beispielsweise den Unternehmenszweck der Klägerin zu 2. zu ändern, eine Neuausrichtung des Unternehmens vorzunehmen oder dieses gar zu liquidieren. Ebenso stand es ihr von Rechts wegen frei, den Kläger zu 1. von seinen Aufgaben zu entbinden, ihm zumindest aus wichtigen Gründen zu kündigen und ihn durch einen anderen Vertriebsleiter zu ersetzen. Dass die Ausübung dieser der Ehefrau des Klägers zu 1. zukommenden Rechte im Hinblick auf dessen Kundenbeziehungen und Fachwissen sowie auf die Bürgschaft möglicherweise höhere Betriebskosten oder gar wirtschaftliche Turbulenzen der Klägerin zu 2. ausgelöst hätte, ändert an der in letzter Konsequenz fehlenden Rechtsmacht des Klägers zu 1., solche Maßnahmen seiner Ehefrau abzuwenden, nichts. Bezüglich der Bewertung wirtschaftlicher Einflussmöglichkeiten ist zudem zu beachten, dass die Übernahme einer Bürgschaft nicht mit der Gewährung eines Darlehens (hierzu BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 4 S 17 f) zu vergleichen ist, denn bei letzterem hat es der Darlehensgeber durch die Kündigung des Darlehens in der Hand, unmittelbar auf die wirtschaftliche Situation des Darlehensnehmers Einfluss zu nehmen. Daran fehlt es bei der Übernahme einer Bürgschaft, da diese idR nur zur Absicherung weiterer Verbindlichkeiten dient und selbst im Fall ihrer Kündigung bzw Rücknahme allenfalls mittelbare Auswirkungen haben kann.
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dd) Eine Selbstständigkeit des Klägers zu 1. ist auch nicht deshalb anzunehmen, weil er nach den Feststellungen des LSG faktisch "Kopf und Seele" des Unternehmens war und dieses nach eigenem Gutdünken leitete.
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Die für das Leistungsrecht der Arbeitsförderung und das Recht der Unfallversicherung von den dafür zuständigen Senaten entwickelte sog "Kopf und Seele"-Rechtsprechung ist für die Beurteilung des sozialversicherungsrechtlichen Status nach § 7 Abs 1 SGB IV nicht heranzuziehen. Soweit der Senat in der Vergangenheit vereinzelt hierauf zurückgegriffen hat (BSG Urteil vom 23.6.1994 - 12 RK 72/92 - USK 9448), wird hieran nicht festgehalten. Nach dieser Rechtsprechung soll für einen Fremdgeschäftsführer einer Familiengesellschaft und ausnahmsweise auch für einen Angestellten unterhalb der Geschäftsführerebene, der mit den Gesellschaftern familiär verbunden ist, eine Ausnahme von der Beschäftigtenstellung in Betracht kommen, wenn er faktisch wie ein Alleininhaber die Geschäfte der Gesellschaft nach eigenem Gutdünken führen konnte und geführt hat, ohne dass ihn der oder die Gesellschafter daran hinderten (Nachweise bei BSGE 111, 257 = SozR 4-2400 § 7 Nr 17, RdNr 31).
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Eine solche Abhängigkeit der Statuszuordnung vom rein faktischen, nicht rechtlich gebundenen und daher jederzeit änderbaren Verhalten der Beteiligten ist mit dem Erfordernis der Vorhersehbarkeit sozialversicherungs- und beitragsrechtlicher Tatbestände nicht in Einklang zu bringen (vgl BSGE 111, 257 = SozR 4-2400 § 7 Nr 17, RdNr 32). Eine "Schönwetter-Selbstständigkeit", die sich ausschließlich daraus ableitet, dass dem Betroffenen in harmonischen Zeiten freie Hand gelassen wird, während im Fall eines Zerwürfnisses dessen Weisungsunterworfenheit zum Tragen käme, ist nicht anzuerkennen (BSG aaO). Zugleich verringert das Anknüpfen an die den Beteiligten von Gesetzes oder Vertrags wegen zukommende Rechtsmacht Manipulationsmöglichkeiten bezüglich der Generierung oder Negierung von Sozialversicherungspflicht. Andernfalls stünde es nämlich gerade bei kleinen (Familien-)Unternehmen im freien Belieben der Beteiligten, durch zweckgerichtete Angaben zur tatsächlichen Stellung des Betroffenen im Unternehmen Sozialversicherungspflicht zu begründen oder auszuschließen. Dass gerade bei Familienunternehmen die Feststellung der ggf zur Sozialversicherungspflicht führenden Umstände schwierig ist, hat der Gesetzgeber anerkannt (zusätzliche Meldepflicht bei einer verwandtschaftlichen Beziehung zum Arbeitgeber nach § 28a Abs 3 S 2 Nr 1 Buchst d) SGB IV; obligatorische Antragstellung durch die Einzugsstelle nach § 7a Abs 1 S 2 SGB IV). Schließlich vermeidet das Abstellen auf die dem Beteiligten zukommende Rechtsmacht anderenfalls zwingend auftretende Abgrenzungsschwierigkeiten zu leitenden Angestellten (dazu oben unter bb).
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Schließlich trägt diese Sicht der Freiheit der Beteiligten Rechnung, sowohl die rechtliche Verfassung eines Unternehmens als auch Tätigkeits- und Beschäftigungsverhältnisse autonom auszugestalten. Hierbei mögen sie von verschieden Motiven geleitet werden, wie zB dem häufig anzutreffenden Streben nach Steueroptimierung oder wie im vorliegenden Fall unternehmenspolitischen Notwendigkeiten. Gleich welche Motive der gewählten vertraglichen Ausgestaltung eines Unternehmens oder einer Tätigkeit zugrunde liegen, haben die Beteiligten doch stets die hieran geknüpften zwingenden sozialversicherungs- und beitragsrechtlichen Folgen hinzunehmen.
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An dieser Auslegung des auf das Deckungsverhältnis der Sozialversicherung bezogenen § 7 Abs 1 SGB IV(vgl nur Berchtold in Knickrehm/Kreikebohm/Waltermann, Kommentar zum Sozialrecht, 4. Aufl 2015, § 7 SGB IV RdNr 1)sieht sich der Senat durch die Rechtsprechung der für das Leistungsrecht der Arbeitsförderung und das Recht der Unfallversicherung zuständigen Senate nicht gehindert. Es entspricht ständiger Rechtsprechung des BSG, dass der Beschäftigungsbegriff kontextabhängig und bereichsspezifisch auszulegen ist (vgl bereits BSG GS Beschluss vom 11.12.1973 - GS 1/73 - BSGE 37, 10 = SozR Nr 62 zu § 1259 RVO, Juris RdNr 21 ff zum Begriff des "versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses") und insbesondere für das Leistungsverhältnis in der Arbeitslosenversicherung ein besonderer leistungsrechtlicher Begriff der Beschäftigung Verwendung findet (vgl § 1 Abs 3 SGB IV und BSG Urteil vom 28.9.1993 - 11 RAr 69/92 - BSGE 73, 126, 127 ff = SozR 3-4100 § 101 Nr 5 S 13 f mwN; aus Sicht des Versicherungs- und Beitragsrechts vgl BSG Urteil vom 4.6.2009 - B 12 KR 31/07 R - SozR 4-2400 § 7a Nr 3 RdNr 11; BSG Urteil vom 4.6.2009 - B 12 R 6/08 R - USK 2009-72, Juris RdNr 15). Einer Anfrage nach § 41 Abs 3 SGG bei anderen Senaten bedurfte es daher nicht.
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3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG. Es liegt ein Fall subjektiver Klagehäufung bei einem einheitlichen Streitgegenstand vor. Daher ist die Anwendung des Gerichtskostengesetzes und der VwGO bereits ausgeschlossen, wenn nur einer der Kläger - wie vorliegend der Kläger zu 1. - zu den in § 183 SGG genannten Personen gehört(vgl BSG SozR 4-1500 § 197a Nr 4 RdNr 11, so auch LSG Berlin-Brandenburg Beschluss vom 24.2.2014 - L 1 KR 271/13 - Juris RdNr 32 mwN).
Tenor
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Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 8. Mai 2014 wird zurückgewiesen.
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Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
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Die Beteiligten streiten über die Feststellung von Versicherungspflicht wegen (abhängiger) Beschäftigung.
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Die Beigeladene zu 1. - eine GmbH, deren Stammkapital die Klägerin zu 10 % und ihr Ehemann zu 90 % halten - betreibt seit Ende 1984 den Handel mit Tapeten, Farben, Glas und Bodenbelägen sowie deren Verarbeitung. Der Ehemann der Klägerin - ein Malermeister - hatte das Unternehmen zuvor als Einzelfirma geführt; er ist alleiniger Geschäftsführer der GmbH und führt dort den Malerbetrieb. Der notariell beglaubigte GmbH-Gesellschaftsvertrag vom 13.12.1984 enthält unter § 8 folgende Bestimmung:
"Solange nur die Gründer-Gesellschafter vorhanden sind, sind sämtliche Gesellschafterbeschlüsse einstimmig zu fassen. Erweitert sich die Zahl der Gesellschafter über diesen Kreis hinaus, so werden die Beschlüsse mit einfacher Mehrheit gefasst, soweit das Gesetz nicht zwingend eine höhere Mehrheit vorschreibt. Die Auflösung der Gesellschaft kann in jedem Falle nur einstimmig beschlossen werden."
- 3
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Die Klägerin - ursprünglich Finanzbeamtin und bereits vor Gründung der Beigeladenen zu 1. für das Einzelunternehmen ihres Ehemanns tätig - ist seit 12.12.1984 pflichtversichertes Mitglied der beklagten Krankenkasse. Die Klägerin ist bei der Beigeladenen zu 1. zuständig für den Verkauf im Ladengeschäft und erledigt dort - wie schon zuvor im Betrieb ihres Ehemannes - kaufmännische Tätigkeiten, erstellt die Lohnabrechnungen und bearbeitet die Buchhaltung sowie das Mahn- und Bestellwesen. Einen schriftlichen Arbeitsvertrag schlossen die Beigeladene zu 1. und die Klägerin, die eine feste auf ihr privates Konto überwiesene monatliche Vergütung erhält, nicht; im Falle ihrer Arbeitsunfähigkeit wird ihr Vergütung für die Dauer von sechs Wochen weitergezahlt; sie hat Anspruch auf bezahlten Urlaub. Die Klägerin gewährte der Beigeladenen zu 1. Darlehen in Höhe von insgesamt mehr als 60 000 Euro und nahm gemeinsam mit ihrem Ehemann ein Darlehen über 20 000 Euro zugunsten der Beigeladenen zu 1. auf.
- 4
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Mit Bescheid vom 28.3.1985 hatte die Rechtsvorgängerin der Beklagten gegenüber der Beigeladenen zu 1. festgestellt, dass die Klägerin weiterhin kranken- und rentenversicherungspflichtig sei, weil sie als kaufmännische Angestellte nur 10 % des Gesellschaftskapitals halte.
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Im November 2007 stellte die Klägerin bei der Beklagten einen Antrag auf Überprüfung ihres sozialversicherungsrechtlichen Status. Mit Bescheid vom 26.5.2010 und Widerspruchsbescheid vom 22.9.2010 lehnte die Beklagte die Aufhebung des Bescheides vom 28.3.1985 ab, weil er nicht rechtswidrig gewesen sei und die Voraussetzungen des § 44 SGB X daher nicht vorlägen.
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Das dagegen angerufene SG hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 20.2.2013). Das LSG hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen und - wie schon das SG - die Voraussetzungen für eine Rücknahme des Bescheides vom 28.3.1985 verneint: Das Erscheinungsbild der Tätigkeit der Klägerin für die Beigeladene zu 1. werde ganz wesentlich von Elementen geprägt, die für eine abhängige Beschäftigung typisch seien. Daran ändere sich nichts dadurch, dass Gesellschafterbeschlüsse in der GmbH nur einvernehmlich zu fassen seien. Das Weisungsrecht über die Angestellten sei Sache der laufenden Geschäftsführung, die allein dem Ehemann der Klägerin obliege und nicht der Gesellschafterversammlung. Die Übernahme von Darlehensverpflichtungen sei zwar nicht arbeitnehmertypisch, jedoch treffe die Klägerin daraus vorrangig ein bloßes Haftungs- bzw Ausfallrisiko und kein echtes Unternehmerrisiko (Urteil vom 8.5.2014).
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Mit ihrer Revision rügt die Klägerin eine Verletzung von § 44 SGB X iVm §§ 7, 28h SGB IV. Das LSG habe bei der Beurteilung ihrer Tätigkeit als abhängige Beschäftigung fehlerhaft die Fortgeltung eines vermeintlich zuvor bestehenden Anstellungsvertrages nach Gründung der Beigeladenen zu 1. unterstellt. Sie (die Klägerin) und ihr Ehemann hätten ein gleichberechtigtes Nebeneinanderstehen und eine gemeinsame Unternehmensführung vereinbart, indem sämtliche Gesellschafterbeschlüsse einstimmig zu fassen seien. Sie sei bereits aufgrund ihrer durchgehend vorhandenen Sperrminorität und wegen der besonderen Umstände (Ehegatten-GmbH, kein Arbeitsvertrag, gleichberechtigtes Miteinander und Einschluss der Übernahme persönlicher Haftung) im gesamten Streitzeitraum nicht versicherungspflichtig beschäftigt gewesen.
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Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 8. Mai 2014 und das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 20. Februar 2013 aufzuheben sowie
1.
die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 26. Mai 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. September 2010 zu verpflichten, den Bescheid vom 28. März 1985 zurückzunehmen und
2.
festzustellen, dass sie (die Klägerin) im Rahmen ihrer Tätigkeit bei der Beigeladenen zu 1. seit dem 12. Dezember 1984 nicht wegen Beschäftigung der Sozialversicherungspflicht unterlegen hat.
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Die Beklagte und die Beigeladene zu 2. beantragen,
die Revision der Klägerin zurückzuweisen.
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Sie sind der Auffassung, das Berufungsgericht habe zutreffend und in Übereinstimmung mit höchstrichterlicher Rechtsprechung angenommen, dass die Klägerin als mitarbeitende Minderheitsgesellschafterin der Beigeladenen zu 1. abhängig beschäftigt sei.
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Die Beigeladene zu 4. stellt keinen Antrag und äußert sich auch nicht zur Sache.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Revision der Klägerin ist unbegründet.
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Das LSG hat die Berufung gegen das die Klage abweisende erstinstanzliche Urteil revisionsrechtlich beanstandungsfrei zurückgewiesen.
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Die angefochtenen Bescheide der beklagten Krankenkasse (Bescheid vom 26.5.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.9.2010) sind rechtmäßig. Die Beklagte war nicht nach § 44 Abs 1 S 1 SGB X zu verpflichten, auf den Überprüfungsantrag der Klägerin von November 2007 hin den Bescheid vom 28.3.1985 zurückzunehmen und entgegen diesem Bescheid festzustellen, dass die Klägerin in ihrer Tätigkeit für die Beigeladene zu 1. in der Zeit vom 12.12.1984 bis 8.5.2014 (= Tag der mündlichen Verhandlung vor dem LSG) nicht der Versicherungspflicht in den Zweigen der Sozialversicherung unterlag.
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1. Die Voraussetzungen des § 44 Abs 1 S 1 SGB X sind in Bezug auf den Bescheid der Beklagten vom 28.3.1985 nicht erfüllt.
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a) Nach § 44 Abs 1 S 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass des Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind.
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Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Weder ist die Beklagte von einem "unrichtigen Sachverhalt" ausgegangen noch hat sie das "Recht unrichtig angewandt". Das LSG ist vielmehr ausgehend von den dafür einschlägigen Rechtsgrundlagen und Rechtsgrundsätzen (dazu im Folgenden b) sowie von den auf der Grundlage einer Gesamtwürdigung aller Umstände des hier zu beurteilenden Einzelfalls vom LSG festgestellten, für den Senat bindenden Tatsachen (vgl § 163 SGG; dazu im Folgenden c) ohne Rechtsfehler zu dem Ergebnis gelangt, dass die Klägerin auch nach der Gründung der Beigeladenen zu 1. aufgrund (abhängiger) Beschäftigung seit Ende 1984 versicherungspflichtig in den Zweigen der Sozialversicherung war.
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b) Ob bei Erlass eines Verwaltungsaktes iS von § 44 Abs 1 S 1 SGB X das Recht richtig bzw unrichtig angewandt worden ist, beurteilt sich nach dem zu jenem Zeitpunkt maßgebenden Recht. Bei Bekanntgabe des Bescheides vom 28.3.1985 unterlagen Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt waren, in der - hier wegen von der Beklagten angenommener Versicherungsfreiheit in der Arbeitslosenversicherung kraft Geringfügigkeit zunächst nur betroffenen - Kranken- und Rentenversicherung der Versicherungspflicht (vgl § 165 Abs 2 S 1 RVO, seit 1.1.1989 § 5 Abs 1 Nr 1 SGB V; § 1227 Abs 1 S 1 RVO, seit 1.1.1992 § 1 S 1 Nr 1 SGB VI in ihren jeweils geltenden Fassungen); seit Einführung der sozialen Pflegeversicherung zum 1.1.1995 unterliegen solche Personen auch der Versicherungspflicht in der sozialen Pflegeversicherung (§ 20 Abs 1 S 2 Nr 1 SGB XI idF des Pflege-Versicherungsgesetzes vom 26.5.1994, BGBl I 1014). Eine entsprechende Regelung zur Versicherungspflicht in der Arbeitslosenversicherung - maßgeblich für die spätere vollschichtige Tätigkeit der Klägerin - enthält § 25 Abs 1 SGB III. Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer Beschäftigung war und ist § 7 Abs 1 SGB IV(seit 1.1.1999 § 7 Abs 1 S 1 SGB IV, vgl Gesetz vom 20.12.1999, BGBl I 2000, 2). Danach ist Beschäftigung die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Nach § 7 Abs 1 S 2 SGB IV(idF des Gesetzes vom 20.12.1999, aaO) sind Anhaltspunkte für eine Beschäftigung eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers.
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Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats setzt Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Diese Weisungsgebundenheit kann eingeschränkt und zur "funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" verfeinert sein. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig ist, richtet sich ausgehend von den genannten Umständen nach dem Gesamtbild der Tätigkeit und hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (stRspr; vgl zum Ganzen zB zuletzt BSG Urteil vom 30.10.2013 - B 12 KR 17/11 R - Juris RdNr 23 mwN; BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 17 RdNr 15 und BSG SozR 4-2400 § 28e Nr 4 RdNr 17; ferner BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 6 RdNr 14 mwN; BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 19 S 69 f, Nr 13 S 31 f und Nr 4 S 13, jeweils mwN; BSGE 78, 34, 36 = SozR 3-2940 § 2 Nr 5 S 26 f mwN; zur Verfassungsmäßigkeit der Abgrenzung zwischen Beschäftigung und selbstständiger Tätigkeit vgl BVerfG SozR 3-2400 § 7 Nr 11). Die jeweilige Zuordnung einer Tätigkeit nach deren Gesamtbild zum rechtlichen Typus der Beschäftigung bzw selbstständigen Tätigkeit macht es erforderlich, dass alle nach Lage des Einzelfalls als Indizien in Betracht kommenden Umstände festgestellt, in ihrer Tragweite zutreffend erkannt und gewichtet, in die Gesamtschau mit diesem Gewicht eingestellt und nachvollziehbar, dh den Gesetzen der Logik entsprechend und widerspruchsfrei, gegeneinander abgewogen werden (BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 15 Leitsatz und RdNr 25 ff).
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Das LSG hat diese allgemeinen rechtlichen Maßstäbe im Ausgangspunkt zutreffend herangezogen, die insoweit maßgebenden Umstände des Falles berücksichtigt und im beschriebenen Sinne beanstandungsfrei begründet, dass die für eine (abhängige) Beschäftigung sprechenden Indizien hier überwiegen.
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c) Die Feststellungen des LSG zu den der Tätigkeit der Klägerin zugrundeliegenden vertraglichen Vereinbarungen (dazu aa), den Bestimmungen des Gesellschaftsvertrages (dazu bb) sowie zu der Gewährung von Darlehen (dazu cc) rechtfertigen - ohne dass dies revisionsrechtlich zu beanstanden ist - die Annahme des LSG, dass die Klägerin für die Beigeladene zu 1. als Beschäftigte versicherungspflichtig war. Eine andere Beurteilung ergibt sich auch nicht daraus, dass die Klägerin mit dem Geschäftsführer der Beigeladenen zu 1. verheiratet ist (dazu dd).
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aa) Das LSG hat anhand der zwischen den Beteiligten getroffenen und auch entsprechend umgesetzten vertraglichen Vereinbarungen die wesentlichen Merkmale eines Arbeitsverhältnisses iS von § 7 Abs 1 SGB IV zutreffend festgestellt, die auch so umgesetzt wurden.
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Ob eine wertende Zuordnung zum Typus der Beschäftigung gerechtfertigt ist, ergibt sich aus dem Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es im Rahmen des rechtlich Zulässigen tatsächlich vollzogen worden ist. Ausgangspunkt ist daher zunächst das Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es sich aus den von ihnen getroffenen Vereinbarungen ergibt oder sich aus ihrer gelebten Beziehung erschließen lässt. Eine im Widerspruch zu ursprünglich getroffenen Vereinbarungen stehende tatsächliche Beziehung und die hieraus gezogene Schlussfolgerung auf die tatsächlich gewollte Natur der Rechtsbeziehung geht der nur formellen Vereinbarung vor, soweit eine - formlose - Abbedingung rechtlich möglich ist. Umgekehrt gilt, dass die Nichtausübung eines Rechts unbeachtlich ist, solange diese Rechtsposition nicht wirksam abbedungen ist. In diesem Sinne gilt, dass die tatsächlichen Verhältnisse den Ausschlag geben, wenn sie von Vereinbarungen abweichen. Maßgebend ist die Rechtsbeziehung so wie sie praktiziert wird und die praktizierte Beziehung so wie sie rechtlich zulässig ist (vgl BSG Urteil vom 11.3.2009 - B 12 KR 21/07 R - USK 2009-25; BSG Urteil vom 28.9.2011 - B 12 R 17/09 R - USK 2011-125 = Juris RdNr 17; BSGE 111, 257 = SozR 4-2400 § 7 Nr 17, RdNr 16 mwN).
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Auf der Grundlage der von der Klägerin nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen und deshalb für den Senat bindenden Feststellungen des LSG (vgl § 163 SGG) durften die Vorinstanzen annehmen, dass die Klägerin im Betrieb der Beigeladenen zu 1. eine Stellung innehatte, wie derjenigen von Beschäftigten in einem Arbeitsverhältnis entspricht. So erhielt die Klägerin von der Beigeladenen zu 1. eine feste, vorab vereinbarte und monatlich ausgezahlte Vergütung. Diese wurde von der Beigeladenen zu 1. auf das (eigene) private Konto der Klägerin zu deren alleinigen Verfügbarkeit überwiesen. Die Klägerin hatte Anspruch auf eine arbeitnehmertypische Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall für sechs Wochen sowie auf bezahlten Urlaub. Dass kein schriftlicher Arbeitsvertrag existierte, ändert - wie vom LSG angenommen - nichts an der Wirksamkeit dieser ursprünglich zwischen der Klägerin und ihrem Ehemann als früheren Einzelunternehmer getroffenen und nach Gründung der Beigeladenen zu 1. fortgeführten Vereinbarungen sowie an deren Bedeutung im Rahmen der vorzunehmenden sozialversicherungsrechtlichen Beurteilung. Die Erwerbstätigkeit wurde auch von den Beteiligten des dem zugrun-deliegenden Rechtsverhältnisses in der Praxis fortlaufend sozialversicherungsrechtlich als Beschäftigungsverhältnis behandelt. Erst nach einer - mehr als zwei Jahrzehnte nach Erlass des die Versicherungspflicht feststellenden Bescheides vom 28.3.1985 - über lange Zeit hinweg derart unbeanstandet hingenommenen Handhabung, während derer die Klägerin den Status als in den Schutz der Sozialversicherung einbezogene Person und die damit verbundenen Beitragspflichten akzeptierte, zog sie diese Praxis im November 2007 in Zweifel.
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bb) Die Klägerin war auch unter Berücksichtigung ihrer Stellung als Gesellschafterin im Rahmen einer Beschäftigung iS von § 7 Abs 1 SGB IV für die Beigeladene zu 1. als (abhängig) Beschäftigte versicherungspflichtig erwerbstätig. Einem Beschäftigungsverhältnis zwischen der Klägerin und der in der Rechtsform einer GmbH handelnden Beigeladenen zu 1. stehen die zwischen der Klägerin und ihrem Ehemann getroffenen Bestimmungen des Gesellschaftsvertrages nicht entgegen. Die Klägerin war insbesondere trotz der ihr eingeräumten Sperrminorität im Gesellschaftsvertrag weisungsgebunden in den von ihr selbst personenverschiedenen unterhaltenen Betrieb der Beigeladenen zu 1. - einer juristischen Person des Privatrechts - eingegliedert.
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Die Klägerin war in dem hier streitigen Zeitraum am Stammkapital der Beigeladenen zu 1. in wirtschaftlich untergeordnetem Maße, nämlich überhaupt nur in einem Umfang von 10 % beteiligt. Wer aber Gesellschaftsanteile an einer Kapitalgesellschaft - sei es auch an einer Familiengesellschaft - hält, ist nach der ständigen Rechtsprechung des BSG nur dann selbstständig erwerbstätig, wenn damit zugleich eine entsprechende Einflussmöglichkeit auf den Inhalt von Gesellschafterbeschlüssen verbunden ist; das kann insbesondere in einem seinem Gesellschaftsanteil entsprechendes Stimmgewicht zum Ausdruck kommen oder ausnahmsweise auch in Form einer Sperrminorität, wenn der Betroffene damit rechtlich zugleich über die Möglichkeit verfügt, ihm nicht genehme Weisungen hinsichtlich seiner konkreten Tätigkeit abzuwehren (vgl hierzu allgemein bereits zB BSGE 38, 53, 57 f = SozR 4600 § 56 Nr 1 S 5; BSGE 42, 1, 3 = SozR 2200 § 723 Nr 1 S 3 mwN; BSGE 111, 257 = SozR 4-2400 § 7 Nr 17, RdNr 25 mwN; BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 21, RdNr 16). Ein solcher Fall liegt hier nicht vor.
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Die Klägerin und ihr Ehemann vereinbarten unter § 8 des Gesellschaftsvertrages vom 13.12.1984 zwar, dass - solange nur die Gründer-Gesellschafter vorhanden waren - "sämtliche Gesellschafterbeschlüsse einstimmig" zu fassen sind. Neben der Klägerin und ihrem Ehemann wurden keine weiteren Gesellschafter in die GmbH aufgenommen. Die Klägerin verfügte damit nur über eine Sperrminorität und konnte darauf bezogen maßgeblich Einfluss auf den Inhalt von Gesellschafterbeschlüssen nehmen. Allerdings reichte diese Rechtsstellung der Klägerin als Gesellschafterin nicht soweit, dass sie damit jegliche Einzelanweisung im Rahmen ihrer - vorliegend sozialversicherungsrechtlich allein zu beurteilenden - Erwerbstätigkeit für die Beigeladene zu 1. an sich jederzeit hätte verhindern können. Vielmehr blieb die Klägerin trotz der ihr auf der Ebene des Gesellschaftsvertrages hinsichtlich der Geschicke der GmbH eingeräumten Sperrminorität hinsichtlich der im Betrieb konkret ausgeübten Tätigkeiten (weiterhin) weisungsgebunden und war gleichwohl in den von ihr personenverschiedenen (fremden) Betrieb der Beigeladenen zu 1. eingegliedert. Die Klägerin hatte auf der Grundlage der Feststellungen des LSG arbeitnehmertypische Rechte inne und war über Jahre hinweg grundsätzlich in einen arbeits- und sozialversicherungsrechtlichen Pflichtenkreis eingebunden.
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Ein GmbH-Gesellschafter, der von der GmbH angestellt und nicht zum Geschäftsführer bestellt wurde, besitzt allein aufgrund seiner gesetzlichen Gesellschafterrechte in der Gesellschafterversammlung nicht regelmäßig zugleich auch die Rechtsmacht, seine Weisungsgebundenheit als Angestellter der Gesellschaft nach Belieben aufzuheben oder abzuschwächen. Die Rechtsmacht eines Gesellschafters mit Sperrminorität erschöpft sich in solchen Fällen vielmehr allein darin, Beschlüsse der Gesellschafterversammlung verhindern zu können (vgl dazu bereits BSG SozR 3-4100 § 168 Nr 22 S 64 f). Vorbehaltlich abweichender Bestimmungen im Gesellschaftsvertrag ist die Dienstaufsicht und das Weisungsrecht über die Angestellten der GmbH Sache der laufenden Geschäftsführung, nicht dagegen der Gesellschafterversammlung (vgl BSG Urteil vom 23.6.1994 - 12 RK 72/92 - Juris RdNr 15; BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 17 RdNr 15; BSG Urteil vom 25.1.2006 - B 12 KR 30/04 R - Juris RdNr 23).
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Entsprechendes gilt auch im vorliegenden Fall: Als alleiniger Geschäftsführer der Beigeladenen zu 1. war der Ehemann der Klägerin bestellt. Das LSG hat daher zutreffend angenommen, dass die Klägerin im Rahmen ihrer Erwerbstätigkeit für die Beigeladene zu 1. an die Weisungen des Geschäftsführers rechtlich gebunden war. Allein dieser führte die laufenden Geschäfte der GmbH, zu denen auch die Ausübung des Weisungsrechts gegenüber den Beschäftigten der Gesellschaft gehörte. Einschränkungen in Bezug auf dieses Weisungsrecht sieht der Gesellschaftsvertrag insoweit nicht vor, insbesondere hat sich die Gesellschafterversammlung keine Weisungsrechte gegenüber Beschäftigten vorbehalten. Auch soweit die Klägerin innerhalb der GmbH für den kaufmännischen und buchhalterischen Bereich verantwortlich war, wurde sie letztlich nur als Erfüllungsgehilfin des Geschäftsführers tätig; allein dieser ist kraft Gesetzes verpflichtet, für die ordnungsmäßige Buchführung der Gesellschaft zu sorgen (§ 41 Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung
, bis 31.10.2008 § 41 Abs 1 GmbHG; vgl dazu bereits BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 17 S 58).
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Die Klägerin war aufgrund ihrer gesellschaftsrechtlichen Stellung bei der Beigeladenen zu 1. im Übrigen auch nicht in der Lage, ihren Ehemann als Geschäftsführer gegen seinen Willen nach § 46 Nr 5 GmbHG abzuberufen und sich gegebenenfalls auf diesem Weg dessen Weisungen zu entziehen. Da Gesellschafterbeschlüsse nach § 8 des Gesellschaftsvertrages nur einstimmig gefasst werden konnten, hätte der Ehemann als Gesellschafter-Geschäftsführer seiner eigenen Abberufung zustimmen müssen. Selbst wenn man insoweit eine mittelbare Beeinflussung des Geschäftsführers durch die Klägerin in der Form in Erwägung ziehen wollte, dass sie als Mitgesellschafterin über die Möglichkeit verfügte, dem Geschäftsführer die - ebenfalls einstimmig zu erteilende - Entlastung nach § 46 Nr 5 GmbHG zu versagen(vgl dazu allgemein BSG Urteil vom 23.6.1994 - 12 RK 72/92 - Juris RdNr 18), würde dies an der rechtlich bestehenden persönlichen Abhängigkeit der Klägerin von der Beigeladenen zu 1. in Bezug auf ihren sozialversicherungsrechtlichen Status nichts ändern. Zwar wäre es denkbar, auf diesem Weg Einfluss auf den Geschäftsführer zu nehmen. Ohne Weiteres erfolgversprechend wäre dies indessen nicht, zumal nach einer nicht erteilten Entlastung zur Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegen den Geschäftsführer wiederum ein - nur mit dessen Mitwirkung zu treffender - einstimmiger Gesellschafterbeschluss nötig gewesen wäre. Auch handelt es sich insoweit nicht um ein rechtlich wirksames und durchsetzbares Instrument, um Weisungen des Geschäftsführers zu verhindern.
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cc) Das LSG hat zu Recht auch das Vorliegen einer selbstständigen Tätigkeit der Klägerin verneint, weil sie kein Unternehmerrisiko trug, das bei der Beurteilung des Gesamtbildes ihrer Tätigkeit für die Beigeladene zu 1. in ihrem Sinne entscheidend zu berücksichtigen gewesen wäre.
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Zwar ist es nach der Rechtsprechung des Senats (BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 13 S 36 mwN; BSG Urteil vom 25.1.2001 - B 12 KR 17/00 R - Juris RdNr 24; zuletzt BSG Urteil vom 28.9.2011 - B 12 R 17/09 R - Juris RdNr 25) maßgebendes Kriterium für ein solches Risiko, dass eigenes Kapital oder die eigene Arbeitskraft auch mit der Gefahr des Verlustes eingesetzt wird, der Erfolg des Einsatzes der sächlichen oder persönlichen Mittel also ungewiss ist. Ein unternehmerisches Risiko ist allerdings nur dann hinreichendes Indiz für eine selbstständige Tätigkeit, wenn diesem Risiko auch größere Freiheiten in der Gestaltung und der Bestimmung des Umfangs beim Einsatz der eigenen Arbeitskraft gegenüberstehen (so schon BSG SozR 2200 § 1227 Nr 17 S 37; BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 13 S 36 mwN; zuletzt BSG Urteil vom 28.9.2011, aaO). Das LSG hat unter diesem Blickwinkel zu Recht ein Unternehmerrisiko verneint.
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Die Darlehensgewährung der Klägerin begründet kein solches mit ihrer Tätigkeit für die Beigeladene zu 1. verbundenes Risiko. Die Klägerin übernahm damit vielmehr nur ein Haftungs- oder Ausfallrisiko, wie es mit jeder Darlehensgewährung verbunden ist. In Bezug auf die Tätigkeit der Klägerin für die Beigeladene zu 1. ergaben sich aus der Darlehensgewährung jedoch keine erkennbaren finanziellen Auswirkungen, vielmehr erhielt die Klägerin insoweit als Gegenleistung nach wie vor und weiterhin eine feste monatliche Vergütung. Im Übrigen ist es im Geschäftsleben auch nicht völlig unüblich, dass Arbeitnehmer (insbesondere in einer Familiengesellschaft) dem Unternehmen persönliche Darlehen gewähren oder zu dessen Gunsten sonstige finanzielle Verbindlichkeiten eingehen, insbesondere vor dem - bereits vom LSG angeführten - Hintergrund, dass Kreditinstitute bei Familienunternehmen typischerweise auch auf einer finanziellen Beteiligung bzw Mithaftung von Ehepartnern bzw anderen beteiligten Familienangehörigen bestehen.
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dd) Der Beurteilung der Tätigkeit der Klägerin als Beschäftigung iS von § 7 Abs 1 SGB IV steht schließlich auch nicht entgegen, dass sie mit dem alleinigen Geschäftsführer der Beigeladenen zu 1. verheiratet ist.
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Wie der Senat bereits entschieden hat, ist ein wichtiger Gesichtspunkt für die Annahme einer selbstständigen Tätigkeit anstelle einer (abhängigen) Beschäftigung auch im Zusammenhang mit Familiengesellschaften die Möglichkeit, unliebsame Weisungen des Arbeitgebers bzw Dienstberechtigten abzuwenden. Eine solche Möglichkeit mag rein faktisch unbeschadet einschlägiger rechtlicher Bindungen allein aufgrund gegenseitiger familiärer Rücksichtnahme solange bestehen, wie auch das Einvernehmen der beteiligten Familienmitglieder im Rahmen eines gedeihlichen Zusammenwirkens gewahrt ist. Im Falle eines familiären Zerwürfnisses zwischen den Beteiligten würde dieser Gesichtspunkt indessen versagen, weil in einem solchen Fall durchsetzbar doch wieder allein die den einzelnen Familienmitgliedern konkret zustehende Rechtsmacht zum Tragen käme, sodass dann auch nach den gelebten tatsächlichen Verhältnissen, die einen Rückgriff auf die der Erwerbstätigkeit zugrundeliegenden vertraglichen und gesetzlichen Grundlagen gebieten, wieder eine Weisungsunterworfenheit angenommen werden müsste. Eine bloße "Schönwetter-Selbstständigkeit" ist mit Blick auf das Erfordernis der Vorhersehbarkeit sozialversicherungs- und beitragsrechtlicher Tatbestände indessen schwerlich hinnehmbar und nicht anzuerkennen (grundlegend BSGE 111, 257 = SozR 4-2400 § 7 Nr 17; zuletzt BSG Urteil vom 29.7.2015 - B 12 KR 23/13 R - zur Veröffentlichung vorgesehen, vgl dazu Nr 4 des BSG-Terminberichts Nr 31/15 vom 30.7.2015).
Tenor
Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Sozialgerichts Detmold vom 25.10.2013 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
1
Tatbestand:
2Die Beteiligten streiten im Rahmen eines Statusfeststellungsverfahrens (§ 7a Sozialgesetzbuch Viertes Buch [SGB IV]) über die Versicherungspflicht des Klägers zu 1) als mitarbeitender Kommanditist bei der Klägerin zu 2) in der gesetzlichen Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung in dem Zeitraum vom 1.5.2010 bis zum 26.7.2011 sowie in der gesetzlichen Krankenversicherung, sozialen Pflegeversicherung, gesetzlichen Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung in dem Zeitraum vom 1.5.2010 bis zum 31.12.2010.
3Die Klägerin zu 2) (Amtsgericht [AG] Q, HRA 000) ist aus einem von dem am 00.00.1944 geborenen Großhandelskaufmann K gen. I L unter der Firma I L e. K. (AG Q, HRA 000) betriebenen Gewerbebetrieb hervorgegangen und durch notariell beurkundeten Vertrag vom 13.4.2010 mit seinem Sohn, dem am 00.00.1987 geborenen Kläger zu 1), rückwirkend zum 1.1.2010 errichtet worden. Der Gesellschaftsvertrag lautet auszugsweise:
4"§ 1 Firma; Sitz 1.1 Die Firma der Gesellschaft lautet: L KG
51.2 Sitz der Gesellschaft ist Q
6§ 2 Gegenstand des Unternehmens
72.1 Gegenstand des Unternehmens ist der Holzhandel und Parkettvertrieb. 2.2 Die Gesellschaft ist zu allen Geschäften und Maßnahmen berechtigt, die dem Gesellschaftszweck unmittelbar oder mittelbar zu dienen geeignet sind. Die Gesellschaft kann sich an gleichartigen oder ähnlichen Unternehmen beteiligen, deren Vertretung übernehmen und Zweigniederlassungen errichten.
8§ 3 Gesellschafter; Einlage
93.1 Der persönlich haftende Gesellschafter ist beteiligt mit einem festen Kapitalanteil von 10.000,00 EUR 3.2 Der Kommanditist ist beteiligt mit einem festen Kapitalanteil von 100,00 EUR 3.3 Der Komplementär erbringt seine Einlage dadurch, dass Herr I L sämtliche Aktiva und Passiva sowie alle sonstigen Vermögensgegenstände der Einzelfirma I L e. K. (Amtsgericht Q, HRA 000) gemäß der Bilanz des einzelkaufmännischen Unternehmens zum 31.12.2009 und mit Wirkung zum 31.12.2009, 24:00 Uhr/1.1.2010, 0:00 Uhr auf die Gesellschaft überträgt. Die Sacheinlage wird bis zu einem Wert von 10.000,00 Euro auf die Festeinlage angerechnet. Ein darüber hinausgehender Mehr- oder Minderbetrag ist dem Kapitalkonto II von Herrn I L gutzuschreiben. 3.4 Der Kommanditist erbringt seinen Kapitalanteil in bar. 3.5 Die in das Handelsregister einzutragenden Haftsummen der Kommanditisten entsprechen ihren festen Kapitalanteilen.
10§ 4 Gesellschafterkonten
114.1 Für jeden Gesellschafter wird ein Kapitalkonto I geführt, auf das der eingezahlte/eingebrachte Kapitalanteil des Gesellschafters zu buchen ist. Das Kapitalkonto I ist unverzinslich. 4.2 Daneben wird für jeden Gesellschafter ein Kapitalkonto II geführt. Darauf sind die festgestellten, aber nicht entnahmefähigen Gewinnanteile, etwaige auf ihn entfallende Verluste, von den Gesellschaftern beschlossene nicht entnahmefähige Rücklagen sowie von etwaigen eintretenden Gesellschaftern gezahlte Agios zu buchen. Das Kapitalkonto II ist unverzinslich.
124.3 Außerdem wird für jeden Gesellschafter ein Privatkonto geführt. Darauf werden die entnahmefähigen Gewinnanteile, Tätigkeitsvergütungen, Zinsen und der Zahlungsverkehr mit der Gesellschaft verbucht. Das Privatkonto ist im Soll und Haben mit 5 Prozentpunkten zu verzinsen. Die Zinsen gelten im Verhältnis der Gesellschafter zueinander als Aufwand und Ertrag.
13§ 5 Geschäftsführung; Vertretung
145.1 Zur Geschäftsführung und Vertretung ist der Komplementär berechtigt und verpflichtet. Er ist für Rechtsgeschäfte mit der Gesellschaft von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit. 5.2 Macht ein Kommanditist von seinem Widerspruchsrecht nach § 164 HGB Gebrauch, so entscheidet auf Antrag des Komplementärs die Gesellschafterversammlung durch Beschluss über die Vornahme der Handlung.
15§ 6 Vergütung des Komplementärs
166.1 Der Komplementär erhält als Gegenleistung für seine Geschäftsführung eine Vorabvergütung von monatlich 5.000,00 EUR, die zum Ende des jeweiligen Monats fällig ist. Diese Vergütung ist zu Beginn jedes Geschäftsjahres neu festzusetzen. Für die Höhe der Neufestsetzung sind folgende Kriterien maßgebend: - die Entwicklung der Lebenshaltungskosten; - die Entwicklung der Ertragslage der Gesellschaft; - die Entwicklung des Haftungsrisikos des Komplementärs (auch aufgrund veränderter Umsätze). 6.2 Außerdem erstattet die Gesellschaft dem Komplementär sämtliche Auslagen für die Geschäftsführung. 6.3 Die Vergütung des Komplementärs gilt im Verhältnis der Gesellschafter zueinander als Aufwand bzw. Ertrag.
17§ 7 Tätigkeit des Kommanditisten
187.1 Der Kommanditist ist über die Einlage seines Kapitalanteils hinaus verpflichtet, seine Arbeitsleistung einzubringen. Art und Umfang seiner Arbeitsleistung sowie die Vergütung ergeben sich aus dem gesondert abgeschlossenen Anstellungsvertrag vom 01. April 2010. 7.2 Die Vergütung des Kommanditisten gilt im Verhältnis der Gesellschafter zueinander als Aufwand bzw. Ertrag.
19§ 8 Gesellschafterversammlungen
208.1 Gesellschafterversammlungen werden durch den Komplementär einberufen und geleitet. Jährlich findet mindestens eine ordentliche Gesellschafterversammlung statt. ( ...) 8.4 Sind sämtliche Gesellschafter anwesend oder vertreten und mit der Beschlussfassung einverstanden, können Beschlüsse auch dann gefasst werden, wenn die für die Einberufung und Ankündigung geltenden gesetzlichen oder gesellschaftsvertraglichen Vorschriften nicht eingehalten worden sind. 8.5 Die Gesellschafterversammlung ist beschlussfähig, wenn sie ordnungsgemäß einberufen ist und der Komplementär und unabhängig davon mindestens 75 % der Kapitalanteile vertreten sind. ( ...)
21§ 9 Gesellschafterbeschlüsse
229.1 Die Beschlüsse der Gesellschafter werden in Versammlungen gefasst. Außerhalb von Versammlungen können sie, soweit nicht zwingendes Recht eine andere Form vorschreibt, in Textform oder telefonisch gefasst werden, wenn sich jeder Gesellschafter an der Abstimmung beteiligt und kein Gesellschafter dieser Art der Beschlussfassung widerspricht. Über die Beschlüsse ist unverzüglich ein Protokoll entsprechend Ziff. 8.6 zu erstellen und allen Gesellschaftern unverzüglich zuzusenden. 9.2 Ein Gesellschafter hat - sofern nicht der Gesellschaftsvertrag dies an anderer Stelle ausdrücklich vorsieht - nur dann kein Stimmrecht, wenn darüber Beschluss gefasst wird, ob er zu entlasten oder von einer Verbindlichkeit zu befreien ist oder ob die Gesellschaft gegen ihn einen Anspruch geltend machen soll. 9.3 Jede 100,00 EUR eines Kapitalanteils gewähren eine Stimme. 9.4 Gesellschafterbeschlüsse über die folgenden Maßnahmen bedürfen der Zustimmung der Mehrheit der bei Beschlussfassung anwesenden, stimmberechtigten Stimmen: 1. Außerordentliche Geschäftsführungsmaßnahmen, denen ein Kommanditist nach § 164 HGB widersprochen hat; 2. Feststellung des Jahresabschlusses und Beschluss über die Gewinnverwendung. 9.5 Gesellschafterbeschlüsse über die folgenden Maßnahmen bedürfen der Zustimmung einer Mehrheit von 75 % der bei Beschlussfassung anwesenden, stimmberechtigten Stimmen: 1. Änderungen des Gesellschaftsvertrages; 2. Aufnahme neuer, Aufgabe und wesentliche Änderung bestehender Produktions- und Geschäftszweige sowie wesentliche Änderungen der Unternehmensstrategie, der Produktionsverfahren, der Marketing-Strategie und des Vertriebssystems; 3. die Veräußerung des Unternehmens der Gesellschaft als Ganzes oder in Teilen; 4. Abschluss, Änderung und Kündigung von Unternehmensverträgen; 5. Kapitalerhöhungen; 6. alle Maßnahmen, bei denen der Gesellschaftsvertrag dies an anderer Stelle ausdrücklich vorsieht. 9.6 Die Fehlerhaftigkeit von Gesellschafterbeschlüssen kann nur innerhalb eines Monats durch Klageerhebung gegenüber der Gesellschaft geltend gemacht werden. Die Frist beginnt mit Zugang des Protokolls bei dem anfechtungswilligen Gesellschafter. Sie endet auf alle Fälle spätestens sechs Monate nach Beschlussfassung.
23§ 10 Beirat
24Die Gesellschafter können mit 75 % ihrer Stimmen beschließen, dass die Gesellschaft einen Beirat erhält, wie sich dieser zusammensetzt und welche Befugnisse er hat.
25§ 11 Ergebnisverteilung
2611.1 An Gewinn und Verlust sind die Gesellschafter im Verhältnis ihrer festen Kapitalanteile beteiligt. 11.2 Die Gewinnanteile des einzelnen Gesellschafters sind, solange und soweit dessen Kapitalkonto I den Betrag des festen Kapitalanteils nicht erreicht, dem Kapitalkonto I gutzuschreiben. Weitere Gewinnanteile sind, solange und soweit das Kapitalkonto II negativ ist, auf dieses zu buchen. Verbleibende Gewinnanteile werden dem Privatkonto gutgeschrieben. 11.3 Die Gesellschafter können auf Vorschlag des Komplementärs beschließen, dass und in welcher Höhe Gewinnanteile unabhängig von der Regelung in Ziff. 2 Satz 2 den Kapitalkonten II als Rücklagen zugeschrieben werden, wenn dies aus kaufmännischer Sicht erforderlich ist. Der Beschluss bedarf einer Mehrheit von 75 %.
27§ 12 Entnahmen
2812.1 Jeder Gesellschafter darf diejenigen Beträge entnehmen, die er benötigt, um die Einkommen- bzw. Körperschaftsteuer (einschließlich etwaiger Kirchensteuer und Solidaritätszuschlag) auf seine Gewinnanteile zu bezahlen. Die Höhe der Einkommensteuer wird durch Anwendung des Spitzensteuersatzes (einschließlich etwaiger Kirchensteuer und Solidaritätszuschlag) auf seinen Gewinnanteil ermittelt, unabhängig davon, ob Steuern in dieser Höhe anfallen oder nicht. 12.2 Weitere Entnahmen bedürfen der Zustimmung des Komplementärs.
29§ 13 Wettbewerbsverbot; Geheimhaltungspflicht
3013.1 Den Gesellschaftern ist es untersagt, sich außerhalb der Gesellschaft in deren durch Ziff. 2 sachlich und räumlich definiertem Geschäftszweig unmittelbar oder mittelbar wirtschaftlich zu betätigen. Dieses Verbot gilt auch für Beteiligungen jedweder Art an mit der Gesellschaft konkurrierenden Unternehmen und für sonstige unterstützende Tätigkeiten für solche Unternehmen. Es gilt bis zum Ablauf von zwei Jahren nach Ausscheiden des Gesellschafters aus der Gesellschaft. Ergänzend gelten - auch im Verhältnis zu den Kommanditisten - §§ 112, 113 HGB. 13.2 Die Gesellschafter sind verpflichtet, sämtliche Unterlagen, Datenträger und Informationen, die sie durch ihre Beteiligung an und ihre Tätigkeit für die Gesellschaft erhalten, streng vertraulich zu behandeln, Dritten gegenüber geheim zu halten und ausschließlich zum Zwecke der Tätigkeit für die Gesellschaft zu verwenden (Geheimhaltungspflicht). Dies gilt insbesondere auch für die Jahresabschlüsse der Gesellschaft sowie die darin enthaltenen Informationen. Die Geheimhaltungspflicht besteht unabhängig davon, ob die Unterlagen, Datenträger oder Informationen Betriebsgeheimnisse im rechtlichen Sinne sind. Sie besteht nach Ausscheiden aus der Gesellschaft fort und endet erst dann, wenn die betreffenden Informationen offenkundig geworden oder dem Gesellschafter von anderer Seite in befugter Weise zugänglich gemacht worden sind.
31( ...)
32§ 15 Ausschluss von Gesellschaftern
3315.1 Gesellschafter können aus wichtigem Grund aus der Gesellschaft ausgeschlossen werden. Ein wichtiger Grund liegt insbesondere vor, wenn 1. gegenüber dem Gesellschafter ein Grund vorliegt, der die anderen Gesellschafter zur Erhebung der Auflösungsklage berechtigen würde; 2. über das Vermögen des Gesellschafters ein gerichtliches Insolvenzverfahren eröffnet oder die Eröffnung eines solchen Verfahrens mangels Masse abgelehnt wird oder der Gesellschafter die Richtigkeit seines Vermögensverzeichnisses an Eides Statt zu versichern hat; 3. in den Gesellschaftsanteil die Zwangsvollstreckung betrieben und diese nicht innerhalb von drei Monaten, spätestens zur Verwertung des Gesellschaftsanteils, aufgehoben wird; 4. der Gesellschafter durch Rechtsnachfolge den Anteil erworben hat, ohne zu dem in Ziff. 14.2 bestimmten Gesellschafterkreis zu gehören; 5. der Gesellschafter gegen die Gesellschaft Auflösungsklage erhebt. 15.2 Der Ausschluss bedarf eines Gesellschafterbeschlusses mit einer Mehrheit von 75 %. Bei der Beschlussfassung steht dem betroffenen Gesellschafter kein Stimmrecht zu.
34( ...)
35§ 17 Geschäftsjahr; Dauer der Gesellschaft; Kündigung
3617.1 Geschäftsjahr ist das Kalenderjahr. Das erste Geschäftsjahr beginnt mit Beginn der Gesellschaft und endet am darauf folgenden 31.12. 17.2 Die Gesellschaft beginnt im Außenverhältnis mit Eintragung im Handelsregister. Im Innenverhältnis der Gesellschafter zueinander beginnt sie am 01.01.2010, spätestens mit Eintragung der Gesellschaft im Handelsregister. 17.3 Die Gesellschaft wird auf unbestimmte Zeit errichtet. Sie kann von jedem Gesellschafter mit einer Frist von einem Jahr zum Ende eines Geschäftsjahres gekündigt werden. Der Kündigende scheidet aus der Gesellschaft gegen Erhalt einer Abfindung nach Ziff. 16 aus.
37( ...)
38§ 19 Schlussbestimmungen
3919.1 Alle das Gesellschaftsverhältnis betreffenden Vereinbarungen zwischen Gesellschaft und Gesellschaftern bedürfen zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform, soweit nicht kraft Gesetzes notarielle Beurkundung vorgeschrieben ist. Dies gilt auch für einen etwaigen Verzicht auf das Schriftformerfordernis. 19.2 Sollten einzelne Bestimmungen dieses Vertrages unwirksam sein oder werden, wird hierdurch die Wirksamkeit der übrigen Bestimmungen nicht berührt. Anstelle der unwirksamen Bestimmung gilt diejenige wirksame Bestimmung als vereinbart, die dem Sinn und Zweck der unwirksamen Bestimmung am nächsten kommt. Im Falle von Lücken gilt diejenige Bestimmung als vereinbart, die dem entspricht, was nach Sinn und Zweck dieses Vertrages vereinbart worden wäre, hätte man die Angelegenheit von vornherein bedacht.
40( ...)"
41Der Kläger zu 1) absolvierte zunächst vom 1.8.2007 bis zum 31.1.2010 in der Fa. I L e. K. eine Ausbildung zum Groß- und Außenhandelskaufmann und arbeitete im Anschluss daran als kaufmännischer Angestellter dort. Seit dem 1.5.2010 ist er in der Unternehmensführung auf der Grundlage eines Vertrages vom 1.4.2010 tätig, der auszugsweise lautet:
42"§ 1 Aufgabenbereich
43Der Kommanditist vertritt neben dem persönlich haftenden Gesellschafter die Gesellschaft gerichtlich und außergerichtlich. Er führt die Geschäfte der Gesellschaft und hat die verantwortliche Leitung des gesamten Geschäftsbetriebes.
44Die Rechte und Pflichten des Kommanditisten ergeben sich, soweit dieser Vertrag nichts anderes bestimmt, aus dem Gesellschaftsvertrag der L KG und den Gesetzen, insbesondere dem HGB.
45§ 2 Vertragsdauer/Beendigung
46Dieser Vertrag beginnt am 01.05.2010 und wird auf unbestimmte Dauer geschlossen. Der Vertrag endet mit Ablauf des Quartals, in dem die Kommanditistenstellung endet. Hiervon unberührt bleibt das Recht zur Kündigung aus wichtigem Grund.
47§ 3 Vertretungsbefugnis
48Der Kommanditist ist neben dem alleinvertretungsberechtigten Komplementär ebenfalls alleinvertretungsberechtigt.
49§ 4 Arbeitszeit
50Der Kommanditist ist an bestimmte Arbeitszeiten nicht gebunden.
51§ 5 Bezüge
52Der Kommanditist erhält als Vergütung für seine Tätigkeit eine monatliche Vergütung in Höhe von Euro 5.000,00; diese Tätigkeitsvergütung ist zahlbar am Ende eines jeden Monats.
53§ 6 Dienstwagen
54Der Kommanditist dieses Vertrages erhält einen Firmenwagen, der auch zu privaten Zwecken benutzt werden darf. Die auf die private Nutzung entfallende Steuer trägt der Kommanditist.
55§ 7 Spesen und Auslagen
56Dem Kommanditisten werden Reisekosten und sonstige Aufwendungen, soweit diese im Interesse der Gesellschaft notwendig waren, gegen Einzelnachweise erstattet. Tages- und Übernachtungsgelder können nach Wahl von dem Kommanditisten auch im Rahmen der jeweils steuerlich zulässigen Sätze pauschal abgerechnet werden.
57Der Kommanditist darf die erste Klasse der Bahn, bei Flugreisen die Business Class benutzen.
58§ 8 Fortzahlung der Bezüge im Krankheitsfall
59Bei Arbeitsverhinderung des Geschäftsführers wegen Krankheit wird die Vergütung als Vorabgewinn weiter gezahlt.
60§ 9 Urlaub
61Dem Kommanditisten wird in Ansehung seiner Unternehmensnachfolgeposition ein Urlaub nach pflichtgemäßem Ermessen zugestanden.
62§ 10 Nebentätigkeit
63Der Kommanditist hat der Gesellschaft sein Wissen und Können und seine gesamte Arbeitskraft zur Verfügung zu stellen.
64§ 11 Beschlussbestimmung
65Sollte eine der Bestimmungen dieser Vereinbarung unwirksam sein oder werden, so wird die Wirksamkeit der übrigen Bestimmungen hiervon nicht berührt. Die Parteien verpflichten sich, die unwirksame Bestimmung durch eine Vereinbarung zu ersetzen, die der unwirksamen Bestimmung in Interessenlage und Bedeutung möglichst nahe kommt. Entsprechendes gilt für den Fall, dass die Regelungen dieses Vertrages eine von den Vertragsparteien nicht beabsichtigte Lücke aufweisen."
66Bis zum 30.4.2010 bestand für den Kläger zu 1) eine gesetzliche Krankenversicherung bei der Beigeladenen zu 1). Seitdem ist er bei der T privat krankenversichert.
67Am 11.5.2011 beantragte der Kläger zu 1) bei der Beklagten die Statusfeststellung. Im Feststellungsbogen gab er unter anderem an, 2010 die allgemeine Jahresarbeitsentgeltgrenze überschritten zu haben und sie voraussichtlich 2011 erneut zu überschreiten. Im Formular für mitarbeitende Angehörige teilte er ein regelmäßiges monatliches Arbeitsentgelt i.H.v. 6.000,00 Euro brutto sowie eine durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit von 60 Stunden an 6 Arbeitstagen mit. Auf die Frage: "Wird die Tätigkeit aufgrund einer mündlichen oder schriftlichen arbeitsvertraglichen Vereinbarung ausgeübt?" kreuzte er "ja" an. Er sei nicht wie eine Arbeitskraft in den Betrieb eingegliedert und nicht an Weisungen des Betriebsinhabers über die Ausführungen der Arbeit gebunden. Die Frage "Hätte ohne die Mitarbeit des Angehörigen eine andere Arbeitskraft eingestellt werden müssen?" verneinte er und fügte den Begriff "Unternehmensnachfolge" hinzu. Die Privatentnahme/Tätigkeitsvergütung werde regelmäßig auf sein Privatkonto überwiesen und entspreche nicht dem tariflichen oder ortsüblichen Lohn, wobei er als Grund "Gewinnverteilungsabrede" angab. Lohnsteuer werde auf diese nicht entrichtet, auch werde sie nicht als Betriebsausgabe verbucht. Er habe dem Betrieb weder Darlehen gewährt noch Bürgschaften oder sonstige Sicherheiten für diesen übernommen. Die Vermögenswerte des Betriebes stünden nicht in seinem (Mit-)Eigentum. Er sei schließlich auch nicht Verpächter, Vermieter oder Überlassender der Betriebsstätte.
68Mit Schreiben vom 30.6.2011 hörte die Beklagte daraufhin die Kläger zur beabsichtigten Feststellung des Vorliegens einer abhängigen Beschäftigung an. Daraufhin ließen die Kläger durch ihre Steuerberater vortragen, dass derzeit der Gesellschaftsvertrag unter Berücksichtigung der tatsächlichen Verhältnisse seit dem 1.5.2010 überarbeitet werde, um die gesellschaftsrechtliche Stellung des Klägers zu 1) als Unternehmensnachfolger in weisungsgebender Funktion noch deutlicher zum Ausdruck zu bringen. Im Übrigen sprächen bereits jetzt die tatsächlichen Verhältnisse gegen eine abhängige Beschäftigung. Eine Weisungsgebundenheit bestehe nicht. Der Kläger zu 1) sei nicht wie eine fremde Arbeitskraft in den Betrieb der Klägerin zu 2) eingegliedert.
69Mit Schreiben vom 28.7.2011 legten die Kläger einen Gesellschaftsvertrag vom 27.7.2011 vor, der in folgenden Punkten von dem vorherigen abweicht:
70"( ...)
71§ 3 Gesellschafter; Einlage
723.1 Der persönlich haftende Gesellschafter ist beteiligt mit einem festen Kapitalanteil von 10.000,00 EUR 3.2 Der Kommanditist ist beteiligt mit einem festen Kapitalanteil von 10.000,00 EUR 3.3 Der Komplementär hat seine Einlage dadurch erbracht, dass Herr I L sämtliche Aktiva und Passiva sowie alle sonstigen Vermögensgegenstände der Einzelfirma I L e. K. (Amtsgericht Q, HRA 000) gemäß der Bilanz des einzelkaufmännischen Unternehmens zum 31.12.2009 und mit Wirkung zum 31.12.2009, 24:00 Uhr/1.1.2010, 0.00 Uhr auf die Gesellschaft übertragen hat. Die Sacheinlage wurden bis zu einem Wert von 10.000,00 Euro auf die Festeinlage angerechnet. Ein darüber hinausgehender Mehr- oder Minderbetrag ist dem Kapitalkonto II von Herrn I L gutzuschreiben.
73( ...)
74§ 5 Geschäftsführung; Vertretung
755.1 Zur Geschäftsführung und Vertretung ist der Komplementär berechtigt und verpflichtet. Er ist alleinvertretungsberechtigt und für Rechtsgeschäfte mit der Gesellschaft von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit. Die Rechte und Pflichten des Kommanditisten zur Geschäftsführung und Vertretung ergeben sich aus § 7.1 dieses Vertrages; ihm wird Prokura erteilt.
76( ...)
77§ 6 Vergütung des Komplementärs
786.1 Der Komplementär erhält als Gegenleistung für seine Geschäftsführung eine Vorabvergütung auf den Gewinn von monatlich 5.000,00 EUR, die zum Ende des jeweiligen Monats fällig ist. Diese Vergütung ist zu Beginn jedes Geschäftsjahres neu festzusetzen. Für die Höhe der Neufestsetzung sind folgende Kriterien maßgebend: - die Entwicklung der Lebenshaltungskosten; - die Entwicklung der Ertragslage der Gesellschaft; - die Entwicklung des Haftungsrisikos des Komplementärs (auch aufgrund veränderter Umsätze). 6.2 Außerdem erstattet die Gesellschaft dem Komplementär sämtliche Auslagen für die Geschäftsführung.
796.3 (gestrichen)
80§ 7 Tätigkeit und Vergütung des Kommanditisten
817.1 Der Kommanditist ist über die Einlage seines Kapitalanteils hinaus verpflichtet, seine Arbeitsleistung einzubringen: Dabei führt er die Geschäfte der Gesellschaft gemäß § 5 dieses Vertrages und entgegen den Bestimmungen des § 164 S. 1 HGB selbständig neben dem Komplementär und übernimmt die verantwortliche Leitung des gesamten Geschäftsbetriebs. Dem Kommanditisten wird Prokura erteilt; er vertritt die Gesellschaft gerichtlich und außergerichtlich, soweit § 170 HGB dem nicht entgegensteht; ihm wird Alleinvertretungsberechtigung eingeräumt und er ist von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit. Der Kommanditist arbeitet weisungsfrei, bei der Gestaltung seiner Arbeitszeiten ist er frei. Der Anstellungsvertrag vom 01.04.2010 ist gegenstandlos. 7.2 Der Kommanditist erhält als Gegenleistung für seine Tätigkeit eine Vorabvergütung auf den Gewinn in Höhe von monatlich 5.000,- EUR, welche zum Ende des jeweiligen Monats fällig ist. Diese Vergütung ist zu Beginn jedes Geschäftsjahrs neu festzusetzen. Für die Höhe der Neufestsetzung sind folgende Kriterien maßgebend: - die Entwicklung der Lebenshaltungskosten; - die Entwicklung der Ertragslage der Gesellschaft.
82Außerdem erstattet die Gesellschaft dem Kommanditisten sämtliche Auslagen für die Geschäftsführung.
83( ...)
84§ 9 Gesellschafterbeschlüsse
85( ...)
869.5 Gesellschafterbeschlüsse über die folgenden Maßnahmen bedürfen der Zustimmung einer Mehrheit von 75 % der bei Beschlussfassung anwesenden, stimmberechtigten Stimmen: ( ...) 6. Aufnahme neuer Gesellschafter; 7. alle Maßnahmen, bei denen der Gesellschaftsvertrag dies an anderer Stelle ausdrücklich vorsieht.
87§ 11 Ergebnisverteilung
88( ...)
8911.2 Die Gesellschafter können auf Vorschlag eines Gesellschafters beschließen, ob und in welcher Höhe Gewinnanteile unabhängig von der Regelung in § 2 Satz 2 dieses Vertrages den Kapitalkonten II als Rücklagen zugeschrieben werden, wenn dies aus kaufmännischer Sicht erforderlich ist. Der Beschluss bedarf einer Mehrheit von 75 %.
9011.3 (gestrichen)
91§ 12 Entnahmen
92( ...)
9312.2 Weitere Entnahmen bedürfen der Zustimmung der Gesellschafterversammlung.
94§ 19 Schlussbestimmungen
95( ...)
9619.3 Die Änderungen dieses Vertrages gelten mit Ausnahme der für ihre Wirksamkeit zwingend in das Handelsregister einzutragenden Sachverhalte rückwirkend ab dem 01.05.2010.
97( ...)"
98Durch an den Kläger zu 1) und die "Fa. L e. K., vertreten durch den Komplementär" adressierte Bescheide vom 27.9.2011 stellte die Beklagte fest, dass die Tätigkeit des Klägers zu 1) als mitarbeitender Gesellschafter bei der Klägerin zu 2) seit dem 1.5.2010 im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt werde und somit Versicherungspflicht in allen Zweigen der Sozialversicherung bestehe. In der Gesamtwürdigung überwögen die Merkmale für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis. Der Kläger zu 1) verfüge aufgrund seines Anteiles am Stammkapital nicht über einen maßgebenden Einfluss auf die Geschicke der Gesellschaft. Beschlüsse der Klägerin zu 2) würden mit einfacher Mehrheit bzw. einer Mehrheit von 75 % gefasst. Der Komplementär habe sich den maßgeblichen Einfluss innerhalb der Gesellschaft vorbehalten. Eine Sperrminorität sei nicht gegeben. Der Kläger zu 1) sei zwar als Geschäftsführer eingestellt, verfüge jedoch nicht als Einziger über die zur Führung des Unternehmens notwendigen Branchenkenntnisse. Zudem sei ein Anstellungsvertrag geschlossen worden, den insbesondere eine feste monatliche Tätigkeitsvergütung kennzeichne. Demgegenüber bestehe eine Gestaltungsfreiheit hinsichtlich Zeit, Ort und Art der Tätigkeit sowie eine Gewinnbeteiligung, es bleibe aber eine Eingliederung in einen fremdbestimmten Betrieb prägend.
99Hiergegen legten die Kläger am 24.10.2011 Widerspruch ein. Die Bescheide seien bereits formell rechtswidrig. In dem Bescheid an den Kläger zu 1) habe die Beklagte darauf abgestellt, dass die Gesellschaftsvertragsänderung nur mit einer notariellen Bestätigung zu berücksichtigen sei. Diese Auffassung sei zum einen gesellschaftsvertragsrechtlich unzutreffend und hätte zum anderen Grund für eine erneute Anhörung gegeben. Im weiteren Bescheid an die Klägerin zu 2) sei übersehen worden, dass die Stellungnahme auf die Anhörung hin auch im Namen derselben erfolgt sei. Überdies sei der Bescheid an die Fa. I L e. K. adressiert worden. In materiell-rechtlicher Hinsicht habe die Beklagte fehlerhaft die Besonderheiten einer Familiengesellschaft nicht berücksichtigt. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) müsse ein Weisungsrecht nach Zeit, Dauer und Ort der Arbeitsausführung bestehen. Ein solches werde in Familiengesellschaften regelmäßig - wie hier - aus familiärer Rücksichtnahme nicht ausgeübt. Zwischen dem Kläger zu 1) und dem Komplementär der Klägerin zu 2) bestehe ein vollständiges Einvernehmen. Die ursprüngliche Verteilung der Geschäftsanteile habe allein den Hintergrund gehabt, dass im Falle eines Verlustes dieser steuerlich gegen die Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung des Komplementärs hätten gegengerechnet werden können. Keineswegs sei beabsichtigt gewesen, ein Weisungsrecht gegenüber dem Kläger zu 1) zu begründen. Der Komplementär habe sich vielmehr aufgrund des Erreichens des Renteneintrittsalters aus dem Unternehmen zurückziehen wollen. Die formaljuristisch bestehende Möglichkeit, auf der Grundlage des ursprünglichen Gesellschaftsvertrages Gesellschafterbeschlüsse gegen den Willen des Klägers zu 1) herbeizuführen, sei weder beabsichtigt noch praktiziert worden. Tatsächlich stehe ihm der Komplementär seit dem 1.5.2010 nur noch beratend zur Seite. Der Kläger zu 1) könne Verträge und Aufträge ohne Beschränkung und Abstimmung namens der Gesellschaft abschließen bzw. vergeben.
100Daraufhin half die Beklagte durch an die Kläger adressierte Bescheide vom 23.12.2011 dem Widerspruch teilweise ab, indem sie die Ausgangsbescheide mit Wirkung ab dem 27.7.2011 aufhob. Die Verhältnisse hätten sich nun so maßgeblich geändert, dass eine Eingliederung des Klägers zu 1) in die Arbeitsorganisation der Klägerin zu 2) nicht mehr vorliege.
101Den Widerspruch im Übrigen wies die Beklagte durch Widerspruchsbescheide vom 10.5.2012 als unbegründet zurück. Es hätten sich gegenüber den Ausgangsbescheiden keine neuen Erkenntnisse für den Zeitraum vom 1.5.2010 bis zum 26.7.2011 ergeben.
102Hiergegen haben die Kläger am 13.6.2012 Klage zum Sozialgericht (SG) Detmold erhoben.
103Sie haben zur Begründung ihr vorheriges Vorbringen vertieft und ergänzend im Wesentlichen ausgeführt, die Beklagte verkenne die höchstrichterliche Rechtsprechung zur Familiengesellschaft. Vor diesem Hintergrund sei der Einzelfall unzureichend und im Ergebnis falsch gewürdigt worden. Die Frage familiärer Besonderheiten besitze gerade dort Relevanz, wo ein Minderheitsgesellschafter in der Gesellschaft mitarbeite. Zwar habe der Kläger zu 1) nicht die alleinigen Branchenkenntnisse besessen, aufgrund des Rückzuges des Vaters aus dem Betrieb habe er diesen jedoch allein geführt. Die Beklagte habe zudem die Motivationslage nach wie vor nicht aufgeklärt. Das unternehmerische Risiko des Klägers zu 1) liege darin, dass die Entnahmen gesellschaftsrechtlich der Gefahr des Verlustes ausgesetzt seien. Das Indiz der Stimmenverteilung nach dem Wortlaut des ursprünglichen Gesellschaftsvertrages sei durch die tatsächlichen Verhältnisse widerlegt. Dieser sei überdies auszulegen, zumal ein Personengesellschaftsvertrag grundsätzlich formfrei sei und auch jederzeit formfrei geändert werden könne. Nach dem Rechtsgrundsatz "falsa demonstratio non nocet" genieße das tatsächlich Gewollte Vorrang vor dem schriftlich Niedergelegten. Es könne nicht ernsthaft davon ausgegangen werden, dass der Wortlaut des Gesellschaftsvertrages im Hinblick auf die Verteilung der Stimmenmehrheit dem zum damaligen Zeitpunkt tatsächlich Gewollten entsprochen habe. Vielmehr sei eine Stimmenmehrheit des Komplementärs und die Möglichkeit, den Kläger zu 1) zu überstimmen, tatsächlich gerade nicht gewollt gewesen. Dass die Verteilung der Stimmenanteile im Verhältnis 100:1 offensichtlich nicht dem Willen der Vertragsparteien entsprochen habe, zeige sich auch an der Änderung des Wortlautes und der Stimmenverteilung, nachdem die Kläger die Abweichung von Wortlaut und tatsächlich Gewolltem erkannt hatten. Zudem sei kein Ausgleich im Innenverhältnis nach der Vertragsanpassung erfolgt, was ebenfalls belege, dass nun das ursprünglich Gewollte schriftlich niedergelegt worden sei.
104Die Kläger haben schriftsätzlich sinngemäß beantragt,
105unter Abänderung der Bescheide vom 27.9.2011 in Gestalt der Änderungsbescheide vom 23.12.2011 in Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 10.5.2012 festzustellen, dass die Tätigkeit des Klägers zu 1) als mitarbeitender Kommanditist bei der Klägerin zu 2) in der Zeit vom 1.5.2010 bis zum 26.7.2011 im Rahmen einer selbständigen Tätigkeit ausgeübt wurde und keine Versicherungspflicht in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung besteht.
106Die Beklagte hat schriftsätzlich beantragt,
107die Klage abzuweisen.
108Sie hat Bezug genommen auf die Begründung ihrer Bescheide und Widerspruchsbescheide und ergänzend im Wesentlichen ausgeführt: Die Nichtausübung des Weisungsrechts durch den Komplementär sei unbeachtlich, solange die Rechtsposition nicht wirksam abbedungen worden sei. Dies gelte auch in Fällen enger Verwandtschaftsverhältnisse zwischen den Beteiligten. Es handele sich hier um einen in der betrieblichen Praxis nicht untypischen Entwicklungsprozess des Hineinwachsens eines jüngeren Familienangehörigen in die Unternehmensnachfolge.
109Durch Beschluss vom 8.11.2012 sind die Beigeladenen zu 1) bis 2) zum Verfahren beigeladen worden.
110Der Rechtsstreit ist mit den Beteiligten am 29.5.2013 erörtert worden. Sie haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
111Durch Urteil vom 25.10.2013 hat das SG ohne mündliche Verhandlung der Klage teilweise stattgegeben und die angefochtenen Bescheide insoweit abgeändert, als die Beklagte darin die Versicherungspflicht in der Kranken- und Pflegeversicherung vom 1.1.2011 bis zum 26.7.2011 festgestellt hatte. Für das Jahr 2011 bestehe wegen des Überschreitens der Jahresarbeitsentgeltgrenze Versicherungsfreiheit in diesen Zweigen der Sozialversicherung. Im Übrigen hat das SG die Klage unter Annahme einer abhängigen Beschäftigung abgewiesen. Der Anstellungsvertrag vom 1.4.2010 und der Gesellschaftsvertrag vom 13.4.2010 rechtfertigten diese in der Gesamtschau. Die vorhandene Rechtsmacht entfalle auch nicht dadurch, dass in "ruhigen Zeiten" von ihr aus familiärer Rücksichtnahme kein Gebrauch gemacht werde. Im Übrigen wird auf den Inhalt der Entscheidungsgründe Bezug genommen.
112Am 31.10.2013 ist das Urteil den Klägerbevollmächtigten zugestellt worden. Daraufhin haben die Kläger zunächst am 14.11.2013 einen Antrag auf Tatbestandsberichtigung gestellt und sodann am 29.11.2013 Berufung eingelegt. Das SG hat den Antrag durch Beschluss vom 15.12.2013 abgelehnt.
113Die Kläger tragen zur Begründung ihrer Berufung unter Vertiefung ihres vorherigen Vortrages vor: Die Rechtsauffassung der Beklagten und des SG beruhe - abgesehen von einer Verletzung der Amtsermittlungspflicht - auf einem zentralen Missverständnis. Nach den Vorgaben des Gesetzgebers und der Rechtsprechung komme es darauf an, ob der Kläger zu 1) weisungsfrei arbeiten könne oder nicht. Für diese tatsächliche Frage sei auf den Willen der Beteiligten abzustellen. Denn die Weisungsabhängigkeit könne sich ausschließlich aus den getroffenen vertraglichen Vereinbarungen ergeben. Insoweit folge das Sozialrecht dem Zivilrecht. Dort bestehe der Vorrang des von den Parteien wirklich Gewollten vor dem schriftlich Niedergelegten. Gewollt gewesen sei eine Kapitalmehrheit des Vaters des Klägers zu 1), nicht jedoch eine Stimmenmehrheit. Der Fehler beruhe auf der Verwendung eines Vertragsmusters, bei dessen Anpassung die Differenzierung übersehen worden sei. Aufgrund der von Anfang an gewollten Stimmenverteilung nach Kopfteilen entfalle die Annahme eines Weisungsrechtes. Dafür sprächen zudem die sonstigen Umstände. Die Entnahme von 5.000,00 Euro pro Monat stelle auch vor dem Hintergrund der Pflicht zur Einbringung seiner Arbeitsleistung kein festes Gehalt des Klägers zu 1) dar. Schließlich habe das BSG seine jahrzehntelange Rechtsprechung zur Familiengesellschaft noch nicht ausdrücklich aufgegeben. Die Rechtsprechung aus dem Jahre 2012 sei überdies 2010 noch nicht bekannt gewesen, die Beklagte müsse sich daher zumindest in einem solchen Altfall an der früheren Rechtsprechung festhalten lassen.
114Die Kläger beantragen,
115das Urteil des Sozialgerichts Detmold vom 25.10.2013 zu ändern und unter Aufhebung der Bescheide der Beklagten vom 27.9.2011 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 23.12.2011 in der Gestalt der Widerspruchbescheide vom 10.5.2012 festzustellen, dass für die Tätigkeit des Klägers zu 1) bei der Klägerin zu 2) als mitarbeitender Kommanditist im Zeitraum vom 1.5.2010 bis zum 31.12.2010 keine Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung, der sozialen Pflegeversicherung, der gesetzlichen Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung und im Zeitraum vom 1.1.2011 bis zum 26.7.2011 keine Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung bestanden hat.
116Die Beklagte beantragt,
117die Berufung zurückzuweisen.
118Die Beklagte tritt der Berufung entgegen und verteidigt das erstinstanzliche Urteil, soweit darin die Klage abgewiesen worden ist. Die neuere Rechtsprechung des BSG habe die Bedeutung der Rechtsmacht in Familiengesellschaften bestätigt und betreffe auch den Fall der Kläger.
119Die Beigeladenen zu 1) bis 2) sowie die durch Beschluss vom 3.6.2014 verfahrensbeteiligte Beigeladene zu 3) stellen keine Anträge.
120Der Rechtsstreit ist am 24.9.2014 mündlich verhandelt worden. Der Senat hat Beweis erhoben durch Vernehmung des Notars T und des Steuerberaters M.
121Die Beklagte hat den angefochtenen Bescheid im Verhandlungstermin im Umfang der ausdrücklichen Feststellung der abhängigen Beschäftigung aufgehoben.
122Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten, insbesondere die Sitzungsniederschriften, und der Verwaltungsakte der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.
123Entscheidungsgründe:
124Der Senat hat in Abwesenheit der Beigeladenen zu 1) bis 3) verhandeln und entscheiden können, da er sie mit den ordnungsgemäßen Terminsnachrichten auf diese Möglichkeit hingewiesen hat.
125I. Die Berufung der Kläger ist zulässig. Sie ist insbesondere gemäß §§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft sowie form- und fristgerecht erhoben worden (§§ 151 Abs. 1, 64 Abs. 2, Abs. 3 SGG). Die vollständige Entscheidung ist den Klägerbevollmächtigten am 31.10.2013 zugestellt worden. Die Berufungsschrift ist bei dem erkennenden Gericht am 29.11.2013 eingegangen.
126II. Die Berufung ist jedoch unbegründet.
127Streitgegenstand sind die Bescheide vom 27.9.2011 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 23.12.2011 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 10.5.2012 sowie des Urteils vom 25.10.2013, soweit es mangels (Anschluss-)Berufung der Beklagten in Rechtskraft erwachsen ist.
128Die gegen diese Bescheide in zulässiger Weise erhobene Anfechtungs- und die auf Feststellung des Nichtbestehens der Versicherungspflicht des Klägers zu 1) in der gesetzlichen Krankenversicherung, sozialen Pflegeversicherung, gesetzlichen Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung vom 1.5.2010 bis zum 31.12.2010 und zur gesetzlichen Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung vom 1.1.2011 bis zum 26.7.2011 gerichtete Klage hat in der Sache keinen Erfolg.
1291. Die angefochtenen Bescheide vom 27.9.2011 sind formell rechtmäßig.
130Es kann letztlich dahingestellt bleiben, ob der Bescheid vom 27.9.2011, gerichtet an "I L e.K." eine ordnungsgemäße Bekanntgabe im Sinne von § 39 Abs. 1 SGB X gegenüber der Klägerin zu 2) darstellt. Denn jedenfalls sind die nachfolgenden Bescheide, welche die nunmehr zur Entscheidung stehenden Regelungen beinhalten, unstreitig ordnungsgemäß bekannt gegeben worden.
131Ein Anhörungsmangel (§ 24 Abs. 1 SGB X) ist nicht ersichtlich. Auch wenn die Beklagte ausweislich der Begründung des Ausgangsbescheides verkannt hat, dass die Stellungnahme der Steuerberater im Anhörungsverfahren im Auftrag beider Kläger erfolgt ist, so hat sie sich inhaltlich damit auseinandergesetzt.
1322. Die streitgegenständlichen Bescheide sind auch materiell rechtmäßig und verletzen die Kläger nicht nach § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG in ihren Rechten. Denn die Beklagte hat zu Recht nach § 7a Abs. 1 Satz 1 SGB IV bezüglich der von dem Kläger zu 1) ausgeübten Beschäftigung als mitarbeitender Kommanditist der Klägerin zu 2) seine Versicherungspflicht zur gesetzlichen Krankenversicherung, sozialen Pflegeversicherung, gesetzlichen Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung vom 1.5.2010 bis zum 31.12.2010 und zur gesetzlichen Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung vom 1.1.2011 bis zum 26.7.2011 angenommen. Das SG hat die Klage insoweit zu Recht abgewiesen.
133Die Versicherungspflicht des Klägers zu 1) in der Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung ergibt sich aus § 5 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V), § 20 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Elftes Buch (SGB XI), § 1 Satz 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) und § 25 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III), da er in den Streitzeiträumen bei der Klägerin zu 2) gegen Arbeitsentgelt abhängig beschäftigt gewesen ist.
134Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung ist § 7 Abs. 1 SGB IV. Danach ist Beschäftigung die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und er dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Demgegenüber ist eine selbständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig ist, richtet sich ausgehend von den genannten Umständen nach dem Gesamtbild der Arbeitsleistung und hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (st. Rspr.; vgl. zum Ganzen z.B. BSG, Urteil v. 29.8.2012, B 12 R 14/10 R, USK 2012-82; BSG, Urteil v. 25.4.2012, B 12 KR 24/10 R, SozR 4-2400 § 7 Nr. 15; BSG, Urteil v. 11.3.2009, B 12 KR 21/07 R, USK 2009-25; BSG, Urteil v. 18.12.2001, B 12 KR 10/01 R, SozR 3-2400 § 7 Nr. 20; zur Verfassungsmäßigkeit dieser Abgrenzung: BVerfG, Beschluss vom 20.5.1996, 1 BvR 21/96, SozR 3-2400 § 7 Nr. 11).
135Bei der Feststellung des Gesamtbilds kommt dabei den tatsächlichen Verhältnissen nicht voraussetzungslos ein Vorrang gegenüber den vertraglichen Abreden zu (vgl. BSG, Urteil v. 29.8.2012, a.a.O., juris; ebenso Urteil v. 25.1.2006, B 12 KR 30/04 R, USK 2006-8; Urteil v. 28.5.2008, B 12 KR 13/07 R, Die Beiträge, Beilage 2008, 333, 341 f.): Nach den vom BSG entwickelten Grundsätzen sind die das Gesamtbild bestimmenden tatsächlichen Verhältnisse die rechtlich relevanten Umstände, die im Einzelfall eine wertende Zuordnung zum Typus der abhängigen Beschäftigung erlauben. Ob eine "Beschäftigung" vorliegt, ergibt sich aus dem Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es im Rahmen des rechtlich Zulässigen tatsächlich vollzogen worden ist. Ausgangspunkt ist daher zunächst das Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es sich aus den von ihnen getroffenen Vereinbarungen ergibt oder sich aus ihrer gelebten Beziehung erschließen lässt. Eine im Widerspruch zu ursprünglich getroffenen Vereinbarungen stehende tatsächliche Beziehung und die hieraus gezogene Schlussfolgerung auf die tatsächlich gewollte Natur der Rechtsbeziehung gehen der nur formellen Vereinbarung vor, soweit eine - formlose - Abbedingung rechtlich möglich ist. Umgekehrt gilt, dass die Nichtausübung eines Rechts unbeachtlich ist, solange diese Rechtsposition nicht wirksam abbedungen ist. Zu den tatsächlichen Verhältnissen in diesem Sinne gehört daher unabhängig von ihrer Ausübung auch die einem Beteiligten zustehende Rechtsmacht. In diesem Sinne gilt, dass die tatsächlichen Verhältnisse den Ausschlag geben, wenn sie von Vereinbarungen abweichen. Maßgeblich ist die Rechtsbeziehung so, wie sie praktiziert wird, und die praktizierte Beziehung so, wie sie rechtlich zulässig ist (BSG, Urteil v. 28.9.2011, B 12 R 17/09 R, juris; Senat, Urteil v. 29.6.2011, L 8 (16) R 55/08, juris).
136Nach diesen Grundsätzen ist auch zu beurteilen, ob der Geschäftsführer einer KG zu dieser in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis steht (BSG, Urteil v. 29.8.2012, a.a.O.). Der neben dem Komplementär mit der Geschäftsführung betraute Kommanditist einer KG ist dabei weder wegen seiner Organstellung noch deshalb von einer abhängigen Beschäftigung ausgeschlossen, weil er gegenüber Arbeitnehmern der KG Arbeitgeberfunktionen ausübt. Denn auch wer Arbeitgeberfunktionen ausübt, kann seinerseits bei einem Dritten persönlich abhängig beschäftigt sein. Maßgebend ist vor allem die Bindung des geschäftsführenden Kommanditisten an das willensbildende Organ, in der Regel die Gesamtheit der Gesellschafter (vgl. zum GmbH-Gesellschafter BSG, Urteil v. 6.3.2003, B 11 AL 25/02 R, SozR 4-2400 § 7 Nr. 1 m.w.N.). Insoweit ist von besonderer Bedeutung, ob ein geschäftsführender Kommanditist aufgrund seiner Gesellschafterstellung maßgeblichen Einfluss auf die Willensbildung der KG hat und damit Beschlüsse und Einzelweisungen an sich jederzeit verhindern kann (vgl. zum GmbH-Gesellschafter BSG, Urteil v. 8.8.1990, 11 RAr 77/89, SozR 3-2400 § 7 Nr. 4). Ist dies der Fall, ist ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis zu verneinen, weil der geschäftsführende Kommanditist mit Hilfe seiner Gesellschafterrechte die für das Beschäftigungsverhältnis typische Abhängigkeit vermeiden kann (vgl. zum GmbH-Gesellschafter BSG, Urteil v. 6.2.1992, 7 RAr 134/90, SozR 3-4100 § 104 Nr. 8). Darüber hinaus ist von Bedeutung, ob sein Einfluss auf die Willensbildung der KG aufgrund besonderer Einzelfallumstände unabhängig von seiner Gesellschafterstellung so erheblich ist, dass ihm gegenüber nicht genehme Beschlüsse und jede Weisung ausgeschlossen sind und er die Geschäfte nach eigenem Gutdünken führen, d.h. frei schalten und walten kann. Dann ist eine persönliche Abhängigkeit auch bei Diensten höherer Art zu verneinen, weil die Gesellschafter tatsächlich keinerlei Einfluss auf die Geschicke der Gesellschaft nehmen und sich der Geschäftsführer nur in die von ihm selbst gegebene Ordnung des Betriebes einfügt (BSG, Urteil v. 14.12.1999, B 2 U 48/98 R, USK 9975; BSG, Urteil vom 11.2.1993, 7 RAr 48/92, USK 9347; vgl. insgesamt: Senat, Urteil vom 17.10.2012, L 8 R 545/11, juris).
137Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze spricht unter Abwägung aller Umstände des Einzelfalls sowohl in vertraglicher als auch in tatsächlicher Hinsicht überwiegendes dafür, dass der Kläger zu 1) vom 1.5.2010 bis zum 27.7.2011 bei der Klägerin zu 2) im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses tätig gewesen ist.
138a) Ausgangspunkt der Prüfung ist der Vertrag vom 1.4.2010, der das Vertragsverhältnis zwischen den Klägern bestimmt. Hierbei handelt es sich der Sache nach um einen Anstellungsvertrag und nicht um eine gesellschaftsvertragliche Regelung.
139Für dieses Verständnis des Vertrages sprechen zunächst § 7.1 Satz 2 des Gesellschaftsvertrages vom 13.4.2010, wonach Art und Umfang der "Arbeitsleistung" des Klägers zu 1) sowie seine Vergütung sich "aus dem gesonderten abgeschlossenen Anstellungsvertrag vom 01. April 2010" ergeben sowie § 1 Abs. 2 des auf diese Weise in Bezug genommenen Vertrages vom 1.4.2010, wonach sich die Rechte und Pflichten des Klägers zu 1) aus dem Gesellschaftsvertrag ergeben, "soweit dieser Vertrag" - gemeint ist derjenige vom 1.4.2010 - nichts anderes bestimmt.
140Soweit § 1 Abs. 1 Satz 1 des Vertrages vom 1.4.2010 dem Kläger zu 1) die gerichtliche und außergerichtliche Vertretung der Gesellschaft neben dem persönlich haftenden Gesellschafter einräumt und ihm daher offenbar eine organschaftliche Stellung verschaffen soll, ist dies im Hinblick auf § 170 HGB, wonach der Kommanditist zur Vertretung der Gesellschaft nicht berechtigt ist, unwirksam.
141Soweit der Kläger zu 2) nach § 1 Abs. 1 Satz 2 des Vertrages vom 1.4.2010 die Geschäfte der Gesellschaft führt und die verantwortliche Leitung des gesamten Geschäftsbetriebes innehat, mag dies auf § 164 HGB hinzielen, wonach Kommanditisten von der Führung der Geschäfte der Gesellschaft ausgeschlossen sind. Unabhängig von der Frage der Wirksamkeit dieser Regelung spricht jedenfalls der Umstand, dass sie außerhalb des Gesellschaftsvertrages getroffen worden ist, dagegen, dass eine Ausweitung der gesellschaftsrechtlichen Befugnisse des Klägers zu 1) beabsichtigt war, sondern vielmehr die Begründung eines Anstellungsvertrages.
142Die weiteren Regelungen des Vertrages vom 1.4.2010 enthalten überwiegend arbeitsvertragstypische Elemente. Das gilt für die Vereinbarung fester Bezüge (§ 5), die nur für den Fall der Krankheit als Vorabgewinn gezahlt werden (§ 8), die Dienstwagenregelung (§ 6), den Anspruch auf Ersatz von Spesen und Auslagen (§ 7), die grundsätzliche Einräumung eines Urlaubsanspruchs (§ 9) und die Nebentätigkeitsregelung (§ 10). Die darin geregelte Verpflichtung des Klägers zu 1), der Klägerin zu 2) seine gesamte Arbeitskraft zur Verfügung zu stellen, relativiert im Übrigen § 4, wonach er an bestimmte Arbeitszeiten nicht gebunden ist. § 4 ist insoweit Ausfluss des Umstandes, dass der Kläger zu 1) Tätigkeiten höherer Art leistet, bei denen die Weisungsgebundenheit des Arbeitnehmers von vornherein eingeschränkt und zur dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess verfeinert ist (vgl. BSG, Urteil v. 18.12.2001, B 12 KR 10/01 R, SozR 3-2400 § 7 Nr. 20; Senat, Urteil v. 17.10.2012, L 8 R 545/11, juris). Auch bei leitenden Angestellten ist eine Vertrauensarbeitszeit keineswegs unüblich. Bei dem vom Kläger zu 1) im Feststellungsbogen angegebenen zeitlichen Umfang seiner Tätigkeit von 60 Stunden pro Woche bedarf es auch keiner näheren Weisungen zur Lage der Arbeitszeit mehr.
143b) Auf dieser vertraglichen Grundlage ist der Kläger zu 1) (auch) ab dem 1.5.2010 in einem fremden Betrieb, nämlich dem der Klägerin zu 2), tatsächlich tätig geworden. Während dieser Tätigkeit war er umfassend in den Betrieb und folglich in eine ihm vorgegebene Organisation eingegliedert. Der Kläger zu 1), der verpflichtet war, der Klägerin zu 2) seine gesamte Arbeitskraft zur Verfügung zu stellen, ist ausschließlich ausgehend von den Betriebsräumen der Klägerin zu 2) mit den dort vorgehaltenen Betriebsmitteln und unter Nutzung der betrieblichen Infrastruktur tätig geworden. Hierbei unterlag er einem Weisungsrecht der Klägerin zu 2) bezüglich Ort, Zeit sowie Art und Weise der Tätigkeit, da der Gesellschafterversammlung der Klägerin zu 2) die insoweit maßgebliche abstrakte Rechtsmacht zustand.
144aa) Nach § 9 Ziff. 9.3 des Gesellschaftsvertrages gewähren je 100 EUR eines Kapitalanteils eine Stimme. Gesellschafterbeschlüsse werden entweder - in den Fällen von § 9 Ziff. 9.4. - mit einfacher Mehrheit oder - in den Fällen von § 9 Ziff. 9.5. - mit einer Mehrheit von 75 % der Stimmen gefasst. Auf der Grundlage der in § 3 geregelten Kapitalanteile verfügten im Streitzeitraum der Kläger zu 1) mithin über eine Stimme, der Komplementär der Klägerin zu 2) über 100 Stimmen (entsprechend 99,01 %). Unabhängig von einfachen oder qualifizierten Mehrheitserfordernissen hatte der Komplementär der Klägerin zu 2) damit die Rechtsmacht, sämtliche Entscheidungen der Gesellschafterversammlung auch gegen den Willen des Klägers zu 1) zu bestimmen und dementsprechend diesem auch in seiner Eigenschaft als Mitarbeiter der Klägerin zu 2) nicht genehme Weisungen zu erteilen. Eine (umfassende) Sperrminorität, die es dem Kläger zu 1) ermöglicht hätte, ihm unliebsame Weisungen der Gesellschaft an sich zu verhindern, enthält der Gesellschaftsvertrag vom 13.4.2010 nicht.
145bb) Die Mehrheitsregelungen in § 9 des Gesellschaftsvertrages lassen sich nicht nach dem Grundsatz "falsa demonstratio non nocet" dahingehend auslegen, dass entweder die Gesellschafter abweichend vom Wortlaut gleiche Stimmrechte haben sollten oder dass sich die Mehrheit nach der Zahl der Gesellschafter richten sollte. Ein dahingehender wirklicher Wille der Gesellschafter bei Abschluss des Gesellschaftsvertrages (vgl. zu diesem Kriterium BGH, Urteil v. 7.12.2001, V ZR 65/01, NJW 2002, 1038 ff.; Urteil v. 13.8.1996, XI ZR 218/95, NJW-RR 1458; Reichold in jurisPK-BGB, 7. Aufl. 2014, § 133 Rdnr. 18; Singer in Staudinger, BGB, Neubearbeitung 2012, § 133 Rdnr. 13; jeweils m.w.N. auch zur älteren Rechtsprechung) lässt sich nicht feststellen.
146(1) Der Komplementär der Klägerin zu 2) hat zum tatsächlichen Ablauf des Vertragsschlusses unwidersprochen erklärt, der Vertragsentwurf stamme vom Steuerberater, dem Zeugen M. Auf diesen habe man sich verlassen. Der Vertragstext sei bei seiner Unterzeichnung durch den Notar, den Zeugen T, entsprechend allgemeinen Gepflogenheiten bei notariellen Beurkundungen verlesen worden. Er könne sich nicht daran erinnern, dass über die Mehrheitsregelungen in § 9 gesprochen worden sei. Diese Angaben stimmen mit denjenigen der Zeugen M und T überein. Insbesondere der Zeuge T hat ausgesagt, er habe bei einem Vorgespräch den Zeugen M über die divergierenden Kapitalbeteiligungen und Stimmrechte befragt. Der Zeuge M habe ihm die ertragssteuerrechtlichen Hintergründe der Kapitalanteile und die aus der Verteilung folgenden Verlustverrechnungsmöglichkeiten für den Komplementär der Klägerin zu 2) informiert. Man sei übereingekommen, die Stimmrechte nicht mit den Gesellschaftern zu problematisieren, weil es sich um eine Familiengesellschaft handele und die Frage unterschiedlicher Stimmverhältnisse dort nicht zum Tragen kommen werde. Jedenfalls in seiner Gegenwart sei die Frage der Stimmrechtsverteilung mit den Gesellschaftern zu keinem Zeitpunkt diskutiert worden. Der Zeuge M hat bekundet, er habe den Vertrag aus einer Formularsammlung abgeschrieben, die einen Gleichklang zwischen Kapital und Stimmrechten vorsehe. Er habe die Regelung wegen der familienrechtlichen Bindungen nicht für problematisch gehalten und sie auch weder mit dem Kläger zu 1) noch mit dem Komplementär der Klägerin zu 2) besprochen.
147(2) Der Senat hat keine Bedenken, den Angaben der Gesellschafter und den Bekundungen der Zeugen zu folgen. Sie stimmen in allen wesentlichen Punkten überein und schildern den Geschehensablauf in sich widerspruchsfrei. Insbesondere ist glaubhaft, dass es dem Zeugen M in erster Linie um eine den steuerlichen Interessen der Gesellschafter entgegenkommende Gestaltung des Gesellschaftsvertrages ging. Da er davon ausging, dass sich die vertragschließenden Parteien in vollem Umfang auf die Empfehlungen ihres Steuerberaters verlassen würden, hat auch der Zeuge T von einer abweichenden Beratung abgesehen.
148(3) Angesichts dessen lässt sich als wirklicher Wille der Gesellschafter nur feststellen, dass diese den von ihrem Steuerberater, dem Zeugen M, entworfenen Vertrag genauso wie vorgeschlagen schließen wollten, d.h. mit der vom gesetzlichen Leitbild der §§ 119 Abs. 2, 161 Abs. 2 HGB, wonach in der Gesellschafterversammlung im Zweifel die Mehrheit der Gesellschafter entscheidet, abweichenden Regelung der Mehrheit nach Kapitalanteilen. Für die Richtigkeit dieser Beurteilung spricht im Übrigen, dass auch im Gesellschaftsvertrag vom 27.7.2011 nicht etwa eine Verteilung der Stimmrechte nach Köpfen erfolgt ist, sondern stattdessen bei Fortbestand der Mehrheitsregelung nach Stimmrechten eine - bei Abschluss des Gesellschaftsvertrages vom 13.4.2010 aus steuerrechtlichen Gründen gerade noch nicht gewollte - Kapitalaufstockung auf Seiten des Klägers zu 1) stattgefunden hat. Da der wirkliche Wille und der im Vertrag niedergelegte Wille der Gesellschafter damit in vollem Umfang übereinstimmen, liegt kein Anwendungsfall des Grundsatzes "falsa demonstratio non nocet" vor. Ein Rechtsgrundsatz dahingehend, dass Vertragserklärungen abweichend von ihrem Wortlaut und dem wirklichen Willen der Parteien so auszulegen sind, wie sie von den vertragschließenden Parteien bei sachgerechter Beratung vernünftigerweise hypothetisch abgegeben worden wären, ist dem deutschen Recht dagegen fremd.
149(4) Dem tatsächlichen Anliegen der Kläger, die Rechtsfolgen ihrer aus steuerrechtlichen Gründen gewollten Vereinbarungen nicht auf dem Gebiet des Sozialrechts eintreten lassen zu wollen, ist kein Erfolg beschieden. Es unterliegt nicht ihrer Disposition, die Wirkungen des Vertragsverhältnisses nach Maßgabe ihrer Individualnützlichkeit auf bestimmte Rechtsgebiete zu beschränken (BSG, Urteil v. 24.1.2007, B 12 KR 31/06 R; LSG Berlin-Brandenburg, Urteil v. 25.10.2013, L 1 KR 165/11, jeweils zitiert nach juris).
150cc) Die getroffenen Mehrheitsregelungen sind vor dem 27.7.2011 nicht abbedungen worden. Hierzu hätte es im Hinblick auf das in § 19 Ziff. 19.1 geregelte qualifizierte Schriftformerfordernis einer mindestens privatschriftlichen Vereinbarung bedurft, wofür nichts ersichtlich oder vorgetragen ist. Eine Änderung der Mehrheitserfordernisse ergab sich erst durch die Kapitalerhöhung gemäß dem Gesellschaftsvertrag vom 27.7.2011, wodurch - wie von der Beklagten zutreffend angenommen - nur mit Wirkung für die Zukunft auch die Rechtsmacht innerhalb der Gesellschafterversammlung geändert worden ist.
151dd) Gegen eine umfassende Handlungsfreiheit des Klägers zu 1) spricht weiter der bereits dargelegte Umstand, dass nur der Komplementär der Klägerin zu 2) ihr vertretungsberechtigtes Organ sein kann. Auch die Befreiung des Klägers zu 1) von den Beschränkungen des § 181 BGB ändert hieran nichts, zumal dies gerade bei kleineren Gesellschaften nicht unüblich ist und erst recht nicht zwingend für Selbständigkeit spricht (vgl. BSG, Urteil v. 29.8.2012, a.a.O., m.w.N.).
152ee) Soweit der Komplementär der Klägerin zu 2) auf ausdrückliches Befragen seines Bevollmächtigten erklärt hat, er habe das ihm zustehende Weisungsrecht gegenüber dem Kläger zu 1) weder hätte haben noch ausüben wollen, führt dies zu keinem anderen Ergebnis. Der Bevollmächtigte der Kläger verkennt insoweit die Bedeutung der vereinbarten rechtlichen Rahmenbedingungen. Die gesellschaftsvertraglichen Regelungen können nicht durch den Willen, nicht von ihnen Gebrauch machen zu wollen, stillschweigend abbedungen werden (BSG, Urteil v. 29.8.2012, a.a.O.). Erst recht gilt dies, wenn von rechtlich zustehenden Gesellschafterrechten aus Gründen familiärer Rücksichtnahme solange kein Gebrauch gemacht wird, wie das Einvernehmen der Familienmitglieder gewahrt bleibt. Im Falle eines - bei Beginn des Vertragsverhältnisses, auf den es entscheidend ankommt, nie auszuschließenden - familiären Zerwürfnisses käme allein die den einzelnen Familienmitgliedern zustehende Rechtsmacht zum Tragen, sodass auch nach den tatsächlich gelebten Verhältnissen eine Weisungsunterworfenheit bestünde. Eine solche "Schönwetter-Selbständigkeit" ist mit Blick auf das Erfordernis der Vorhersehbarkeit sozialversicherungsrechtlicher Tatbestände schwerlich hinnehmbar (BSG, Urteil v. 29.8.2012, a.a.O.).
153ff) Es ist schließlich weder vorgetragen noch ersichtlich, dass der Kläger zu 1) über alleinige Branchenkenntnisse verfügt hätte. Auch die Anhörung durch den Senat hat dieses nicht ergeben. Der Kläger zu 1) hat vielmehr die wesentlich größere Erfahrung seines Vaters bestätigt, die dieser auch noch in den Betrieb einbringt.
154c) Wesentliche für Selbständigkeit sprechende Kriterien sind ebenfalls nicht zu erkennen.
155aa) Der Kläger zu 1) besaß keine eigene Betriebsstätte und trug zudem kein wesentliches Unternehmerrisiko. Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG (vgl. z.B. BSG, Urteil v. 28.5.2008, B 12 KR 13/07 R, USK 2008-45) ist maßgebliches Kriterium dafür, ob eigenes Kapital oder die eigene Arbeitskraft auch mit der Gefahr des Verlustes eingesetzt wird, der Erfolg des Einsatzes der sächlichen oder persönlichen Mittel also ungewiss ist. Eine solche Ungewissheit ist nicht festzustellen.
156Der Kläger zu 1) bezog im Streitzeitraum ein monatliches Festgehalt (zusätzlich - arbeitnehmertypisch - vermögenswirksame Leistungen i.H.v. 320,00 Euro (2010) und 80,00 Euro (2011) ohne entsprechende vertragliche Vereinbarung) und haftete lediglich mit seiner Kapitaleinlage von 100,00 Euro. Die vereinbarte Gewinn-/Verlustbeteiligung im Verhältnis der festen Kapitalanteile (§ 11 Ziffer 11.1 Gesellschaftsvertrag - beide Fassungen -) stellt kein relevantes Unternehmerrisiko dar, da sie nicht mit einer Steigerung der unternehmerischen Chancen verbunden ist. Es bestand unabhängig vom Unternehmenserfolg der Anspruch auf eine feste Vergütung von 5.000,00 Euro monatlich, sodass der Kläger zu 1) seine Arbeitskraft nicht mit unsicherer Aussicht einzusetzen brauchte.
157Der Kläger zu 1) hatte Anspruch auf Vergütung ohne Leistung in Urlaubszeiten, auch wenn diese nicht genauer festgelegt worden sind. Dass eine Regelung über die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall fehlt, kann nur als schwaches Indiz für eine abweichende Risikoverteilung und somit gewollte Selbständigkeit angesehen werden.
158Eine erfolgsbezogene Vergütung (z. B. in Form einer Tantieme oder Provision) ist im Vertrag vom 1.4.2010 weder vereinbart noch von der Klägerin zu 1) ausgeschüttet worden.
159Dass die Vergütung ab 2010 als Entnahme und nicht als Aufwand gebucht und hierauf keine Lohnsteuer abgeführt worden ist, fällt schließlich nicht wesentlich ins Gewicht.
160bb) Etwaigen unternehmerischen Risiken standen zudem keine erweiterten Gestaltungsmöglichkeiten hinsichtlich des Einsatzes der eigenen Arbeitskraft gegenüber. Der Kläger zu 1) durfte nicht für andere Auftraggeber tätig werden. § 10 des Vertrages vom 1.4.2010 weist zwar in der Überschrift den Begriff "Nebentätigkeit" auf, schließt eine solche nach dem Wortlaut jedoch aus, da der Kläger zu 1) danach der Klägerin zu 2) seine gesamte Arbeitskraft zur Verfügung zu stellen hat. Damit korrespondieren seine Angaben im Feststellungsbogen, wonach er seiner Arbeit an sechs Tagen pro Woche im Umfang von 60 Stunden nachgehe. Abgesehen davon konnte er seine Tätigkeit und Zeit nur in dem betrieblich vorgegebenen Rahmen frei gestalten.
161d) Weitere in die Gesamtabwägung einzustellende Gesichtspunkte sind weder vorgetragen noch ersichtlich. Es spricht überwiegendes dafür, dass der Kläger zu 1) mit einem beherrschenden Gesellschafter kraft tatsächlicher faktischer oder wirtschaftlicher Einflussmöglichkeit nicht verglichen werden kann.
162e) Die Voraussetzungen für eine Versicherungsfreiheit in der Kranken- und Pflegeversicherung - Überschreiten der jeweils maßgeblichen Jahresarbeitsentgeltgrenze - sind für den diesbezüglich nur noch streitigen Zeitraum nicht erfüllt (§ 6 Abs. 1 Nr. 1, 6 SGB V, § 20 Abs. 1 Satz 1 SGB XI). Auf die zutreffenden Ausführungen des SG wird Bezug genommen (§ 153 Abs. 2 SGG).
163f) Die Beklagte hat auch zu Recht die Versicherungspflicht ab dem 1.5.2010 festgestellt, da die Voraussetzungen für einen späteren Beginn gemäß § 7a Abs. 6 SGB IV nicht vorliegen. Die Antragstellung gemäß § 7a Abs. 1 SGB IV ist bereits nicht innerhalb eines Monats nach Aufnahme der Tätigkeit erfolgt.
164Bei dem Klageverfahren handelt es sich im Hinblick auf die Beteiligung des kostenprivilegierten Klägers zu 1) um ein insgesamt nach den §§ 183, 193 SGG kostenprivilegiertes Verfahren.
165Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Tenor
Auf die Berufungen der Klägerin und der Beigeladenen zu 1) wird das Urteil des Sozialgerichts Münster vom 27.3.2012 geändert. Unter entsprechender Teilaufhebung der Bescheide vom 1.3.2010 und 18.5.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.8.2010 wird festgestellt, dass die Klägerin für die Zeit vom 1.10.2009 bis zum 31.10.2009 nicht wegen einer Beschäftigung bei der Beigeladenen zu 1) der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung, der sozialen Pflegeversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung unterlegen hat. Im Übrigen werden die Berufungen zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsrechtszug nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
1
Tatbestand:
2Streitig ist im Rahmen eines Statusfeststellungsverfahrens, ob für die von der Klägerin bei der Beigeladenen zu 1) ausgeübte Tätigkeit als Hygieneauditorin Versicherungspflicht in der gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung, in der sozialen Pflegeversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung besteht.
3Die 1976 geborene Klägerin ist Diplom-Ökotrophologin. Seit dem 1.4.2007 ist sie als solche freiberuflich in der Ernährungswirtschaft sowie im Rahmen der Ernährungsberatung für eine hausärztliche Praxis in N und als Dozentin in der Erwachsenenbildung tätig. Bei der Beigeladenen zu 1) handelt es sich um ein Prüf-, Testier- und Zertifizierungsunternehmen, welches sich u.a. mit der Prüfung der Einhaltung von Hygienestandards der Lebensmittelbranche im Bereich der gesamten Nahrungsmittelkette, angefangen vom Tierfutter über die Tierhaltung bis zur Produktion und zum Verkauf in Lebensmittelmärkten beschäftigt. Im letztgenannten Bereich bietet die Beigeladene zu 1) ihren Endkunden u.a. in vertraglich vereinbarten Zeitabständen visuelle Hygienekontrollen einschließlich mikrobiologischer Probenentnahmen und Etikettierungskontrollen für Filialen selbständiger Einzelhändler oder Regiebetriebe entsprechender Einzelhandelsketten an. Sind die Voraussetzungen erfüllt, wird ein Hygienezertifikat vergeben. Die Hygienekontrollen werden dabei auf der Grundlage sog. "T-Checklisten" (nachfolgend: Checklisten) durchgeführt, die die Beigeladene zu 1) gemäß den Kundenwünschen, den Zertifizierungsvoraussetzungen und den gesetzlichen Vorgaben zusammenstellt. Nach Kontrolle und Probenentnahme wird ein Abschlussgespräch mit dem jeweiligen Verantwortlichen vor Ort geführt und ein (vorläufiger) (Mängel-)Bericht überlassen. Die gewonnenen Ergebnisse erfasst die Beigeladene zu 1) in einer Datenbank, zu welcher der Endkunde Zugriffsrechte erhält. Für die Ausführung der angebotenen Leistungen setzt die Beigeladene zu 1) sog. Auditoren ein, von denen sie acht im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses und 33 als sog. freie Mitarbeiter beschäftigt. Die letztgenannten Auditoren - unter ihnen die Klägerin - sind regional verteilt; für Nordrhein-Westfalen sind neun freie Mitarbeiter tätig.
4Die Klägerin schloss mit der Beigeladenen zu 1) am 1. bzw. 16.10.2009 eine Rahmenvereinbarung, in der es auszugsweise wie folgt heißt:
5"1. Vereinbarungsgegenstand
61.1 Der Auftragnehmer übernimmt mit Wirkung zum 1.10.2009 für den Auftragsgeber die Durchführung von Kontrolltätigkeiten gemäß Anlage 1.
71.2 Die einzelnen Spezifikationen der Aufgabenstellung gem. Punkt 1.1 nach Art, Ziel und Umfang ergeben sich aus den jeweiligen Einzelaufträgen.
81.3 Der Auftraggeber ist nicht verpflichtet, den Auftragnehmer gem. Punkt 1.1 zu beauftragen; gleichfalls ist der Auftragnehmer nicht verpflichtet, ihm vom Auftraggeber angetragene Aufgaben zu übernehmen.
91.4 Der Auftragnehmer hat das Recht, einzelne Aufträge ohne Angabe von Gründen abzulehnen.
102. Weisungsrecht
112.1 Der Auftragnehmer unterliegt bei der Durchführung der von ihm übernommenen Aufgaben gem. Punkt 1 keinen Weisungen des Auftraggebers. Er ist vielmehr hinsichtlich der Durchführung der Rahmenvereinbarung frei.
122.2. Nicht als Weisungen im vorstehenden Sinne gelten jedoch allgemein von dem Auftraggeber erlassene Regelungen, die auf dem Betriebsgelände für jeden Dritten (z.B. Sicherheitsanforderungen, Verkehrsregelungen, etc.) gelten sowie sonstige Vorgaben, die für die Durchführung der Tätigkeit dem Auftragnehmer in allgemeiner Form gegeben werden.
132.3 Im Gegenzug ist der Auftragnehmer nicht befugt, gegenüber Mitarbeitern des Auftraggebers irgendwelche Weisungen auszusprechen.
143. Durchführung der Rahmenvereinbarung
153.1. [ ]
163.2 Der Auftragnehmer hat bei einer evtl. Unterbeauftragung bzw. Einschaltung von Dritten mit Ausnahme evtl. eigener Arbeitskräfte die vorherige schriftliche Zustimmung des Auftraggebers einzuholen, die dieser nur aus wichtigem Grund verweigern darf.
173.3 Der Auftraggeber wird den Auftraggeber - sofern erforderlich - rechtzeitig über die für seine Tätigkeiten relevanten betrieblichen Gegebenheiten informieren, Hintergrundinformationen mitteilen und gegebenenfalls erforderliche Unterlagen übergeben.
183.4 Sofern zwischen den Parteien ein Terminplan/Fristen vereinbart wurde, kommt der Auftragnehmer bei Nichterfüllung einer fälligen Leistung ohne gesonderte Mahnung in Verzug.
193.5 Beabsichtigt der Auftragnehmer, einen Auftrag für den Auftraggeber gemäß Punkt 1.3 nicht zu übernehmen, so hat er dies dem Auftraggeber unverzüglich nach Auftragsübermittlung mündlich oder schriftlich mitzuteilen.
203.6 Der Auftragnehmer ist verpflichtet, sich auf dem vertragsgegenständlichen Gebiet fortzubilden und insofern im Rahmen der Durchführung der Vereinbarung den jeweils neuesten Stand der Entwicklung und Erkenntnisse zu berücksichtigen und einfließen zu lassen.
213.7 Der Auftragnehmer stellt sicher, dass er die nötigen Qualifikationen, Zulassung etc. für die ordnungsgemäße Durchführung der Kontrollen hat.
224. Erfüllungsort
23Der Auftragnehmer ist in der Bestimmung seines Arbeitsortes frei, sofern sich nicht aus der Besonderheit der übernommenen Tätigkeit etwas anderes notwendigerweise ergibt.
245. Arbeitszeit
255.1 Der Auftragnehmer unterliegt hinsichtlich seiner Arbeitszeit keinen Beschränkungen oder Auflagen des Auftraggebers. Der Auftraggeber erstellt für den Auftraggeber jeweils monatlich eine Liste der zu erfüllenden Aufträge. In der Einteilung seiner Zeit zur Erfüllung seiner Aufgaben ist der Auftragnehmer frei und vereinbart selbstständig die Termine. Sollte der jeweilige Zeitplan vom Auftragnehmer nicht eingehalten werden können, wird er den Auftraggeber hierüber rechtzeitig und unverzüglich unterrichten unter Angabe eines nächstmöglichen Nachholtermins.
265.2 Generell wird der Auftragnehmer dem Auftraggeber eine länger andauernde Verhinderung an der Ausübung seiner Tätigkeit jeweils schnellstmöglich anzeigen. [ ].
277. Honorar
287.1 Der Auftragnehmer erhält für die von ihm übernommene und erledigte Tätigkeit eine entsprechend vereinbarte Vergütung gemäß Anlage 1. Der Auftragnehmer wird die Aufstellung der geleisteten Tätigkeiten der Rechnung gemäß Punkt 8.1 als Anlage beifügen.
297.2. Die Regelung des § 616 BGB (Vergütungspflicht bei vorübergehender Dienstverhinderung) wird ausdrücklich ausgeschlossen.
308. Rechnungsstellung/Zahlung
318.1 Der Auftragnehmer wird dem Auftraggeber jeweils bis zum 25. eines Monats für den vorhergehenden Monat eine Rechnung übermitteln unter offenem Ausweis der gesetzlichen Umsatzsteuer.
328.2 Der entsprechende Rechnungsbetrag ist vom Auftraggeber innerhalb von 14 Tagen nach Rechnungseingang ohne Abzüge mit schuldbefreiender Wirkung auf ein vom Auftragnehmer noch zu benennendes Konto dort eingehend zu überweisen.
338.3 Mit der Zahlung der Vergütung und der eventuell zu erstattenden Reisekosten sowie sonstigen Aufwendungen sind die Leistungen des Auftragnehmers gemäß Punkt 1.1 abgegolten.
349. Reisekosten und sonstige Aufwendungen
35Die Erstattung von Reisekosten und sonstigen Auslagen ist in der Anlage 1 geregelt.
3610. Haftung
3710.1 Gewährleistungsansprüche des Auftraggebers beschränken sich zunächst auf Nachbesserung. Sollte dies nicht möglich sein, mindert sich das Honorar des Auftragnehmers entsprechend.
3810.2 Im Übrigen haftet der Auftragnehmer nach den gesetzlichen Bestimmungen nur bei Vorsatz und grober Fahrlässigkeit.
3911. Sozialversicherung/Steuern/Abgaben
4011.1 Nach Aussage des Auftragnehmers gegenüber dem Auftraggeber hat er den Status eines selbständigen Unternehmers und ist damit nicht sozialversicherungspflichtig. Der Auftragnehmer wird kurzfristig mit der BfA eine Klärung seines Status herbeiführen. Der Auftraggeber ist unverzüglich darüber zu unterrichten. Sollte ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis festgestellt werden, so hat der Auftraggeber in Abweichung von Punkt 16 im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten ein Recht zur sofortigen Kündigung dieser Rahmenvereinbarung. Der Auftragnehmer ermächtigt den Auftraggeber, das Ergebnis der Prüfung selbst bei der zuständigen Stelle zu erfragen und weitere sachdienliche Hinweise geben zu dürfen. Der Auftraggeber wird im Übrigen - soweit möglich - den Auftragnehmer im Rahmen der versicherungsrechtlichen Klärung unterstützen.
4111.2 Der Auftragnehmer verpflichtet sich, dem Auftraggeber Kenntnis von allen weiteren Beschäftigungen und Aufträgen zu verschaffen und ihm hierüber im Falle der Durchführung eines Prüfverfahrens durch die BfA Unterlagen und Belege zur Verfügung zu stellen. Änderungen der Verhältnisse des Auftragnehmers sind dem Auftraggeber unverzüglich und unaufgefordert schriftlich anzuzeigen. Verstößt der Auftraggeber gegen seine Verpflichtung gemäß Punkt 11.2 kann der Auftraggeber die Auftragnehmer-Anteile zur Sozialversicherung rückerstattet und künftig erstattet verlangen, falls die BfA nach der Vermutungswirkung des § 7 Abs. 4 SGB IV ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis feststellt. [ ]."
42Im Übrigen wird auf den Inhalt des Vertrags und seine Anlagen Bezug genommen.
43Am 28.10.2009 stellte die Klägerin einen Antrag auf Feststellung des sozialversicherungsrechtlichen Status nach § 7a Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV). Sie übe für die Beigeladene zu 1) die Tätigkeit eines Auditors Lebensmittel/Hygiene aus. Sie führe selbständig sog. Hygiene-Audits (Hygienekontrollen) und Probennahmen (z.B. bei Fleischwaren) vor Ort im Lebensmitteleinzelhandel durch. Anhand einer Checkliste würden verschiedene Kriterien überprüft wie z.B. Personalhygiene, Ordnung und Sauberkeit der Räume und Kühlhäuser, Temperaturkontrolle der Produkte, Rohstoffe und Kühlgeräte und Kennzeichnungskontrollen (Überprüfung der Etiketten bzw. Preisschilder) an Lebensmitteln. Sie habe keine regelmäßigen Arbeits- oder Anwesenheitszeiten einzuhalten. Sie könne entscheiden, wann, wo und wie viel sie arbeite. Dies seien durchschnittlich 15 bis 20 Stunden pro Woche. Im Fall der Verhinderung müsse sie niemanden informieren. Sie könne die Aufträge ohne Grund jederzeit stornieren. Eine Vertretung müsse von ihr nicht gestellt werden. Die Aufträge erhalte sie per Mail bzw. über ein SAP-Programm. Bei den Kunden trete sie im Namen des Auftraggebers auf. Weisungen hinsichtlich der Ausführung der Tätigkeit würden nicht erteilt. Eine Zusammenarbeit mit anderen Mitarbeitern finde nicht statt. Es gebe aber telefonische Rücksprachen zum Erfahrungsaustausch. Übergaben, Kontrollen und Abnahmen ihrer Arbeit gebe es nicht. Für die Tätigkeit würden bestimmte Arbeitsmitteln benötigt, von denen die Beigeladene zu 1) ihr lediglich Styroporkartons und Kühlakkus zur Versendung der Proben, Stomacherbeutel, Rodacplatten und Frachtbriefe zur Verfügung stelle.
44Die Beklagte hörte sie mit Schreiben vom 7.1.2010 zum Erlass eines Bescheides an, mit welchem sie beabsichtigte, das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung bei der Beigeladenen zu 1) ab dem 1.10.2009 festzustellen. Für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis spreche, dass die Klägerin nach Auftragsannahme vorgeschriebene Arbeitstage und -zeiten einzuhalten habe. Sie werde bei den Kunden des Auftraggebers tätig und somit eingesetzt, um dessen vertragliche Verpflichtungen zu erfüllen. Sie sei dadurch in seine Arbeitsorganisation eingegliedert. Es würden Fahrtkosten erstattet. Zudem trete sie als Mitarbeiterin des Auftraggebers auf und habe entsprechende Arbeitskleidung tragen. Demgegenüber seien Merkmale für eine selbständige Tätigkeit nicht ersichtlich.
45Die Klägerin teilte daraufhin mit, dass die Beklagte den Sachverhalt teilweise falsch wiedergegeben habe. Arbeitstage und Arbeitszeiten würden ihr nicht vorgeschrieben. Das Tragen einer weißen Oberbekleidung sei in der Lebensmittelbranche durch den Gesetzgeber vorgeschrieben. Sie stelle für ihre Leistung ordnungsgemäß eine Rechnung an die Beigeladene zu 1), die die gesetzliche Mehrwertsteuer ausweise. Fahrtkosten seien bereits im Pauschalbetrag enthalten. Sie zahle Umsatz- und Einkommensteuer anstelle von Lohnsteuer. Sie führe Geschäftsbücher und habe eine eigene Buchhaltung.
46Die Beigeladene zu 1) teilte auf die Anhörung mit, dass ein unternehmerisches Risiko der Klägerin darin liege, keine weiteren Aufträge akquirieren zu können. Zudem hafte sie auf Schadensersatz. Sie habe keinen Anspruch auf Urlaub. Es bestehe keine Eingliederung in die Arbeitsorganisation. Die Arbeitszeit werde frei gestaltet.
47Mit Bescheid vom 1.3.2010 stellte die Beklagte fest, dass die Klägerin bei der Beigeladenen zu 1) seit dem 1.10.2009 im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses tätig sei. Die Versicherungspflicht dem Grunde nach beginne mit dem Tag der Aufnahme der Beschäftigung. Ein späterer Beginn der Versicherungspflicht nach § 7a Abs. 6 SGB IV komme nicht in Betracht, da die Klägerin ihm nicht zugestimmt habe.
48Am 22.3.2010 legte die Klägerin dagegen Widerspruch ein. Sie wiederholte und vertiefte ihr Vorbringen aus dem Anhörungsverfahren. Sie kontrolliere vorwiegend Edeka-Märkte. Es gebe dafür eine Checkliste mit ca. 200 Punkten, die in dem jeweiligen Einzelhandelsgeschäft überprüft werde. Sie ziehe zudem Proben in den Geschäften und überprüfe die Dokumente. Die Proben würden nach I in das Labor der Beigeladenen zu 1) verschickt, wo sie ausgewertet würden. Am Ende der Dokumentenprüfung und Probenentnahmen schreibe sie einen (vorläufigen) Bericht für das jeweilige Einzelhandelsgeschäft, welcher der Beigeladenen zu 1) in digitaler Form zur Verfügung gestellt werde. Von der Beigeladenen zu 1) werde ihr nur vorgegeben, wo die Kontrollen durchzuführen seien. Sie erhalte ein Pauschalhonorar, welches unabhängig davon sei, wie viel Zeit sie in einem Markt tatsächlich verbringe. Sie trete nicht als Mitarbeiterin der Beigeladenen zu 1) auf. Sie nutze ihren eigenen Pkw.
49Mit Datum vom 18.5.2010 änderte die Beklagte zunächst den Bescheid vom 1.3.2010 dahingehend ab, dass in der seit dem 1.10.2009 ausgeübten Beschäftigung bei der Beigeladenen zu 1) Versicherungspflicht in der gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung, in der sozialen Pflegeversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung bestehe. Mit Widerspruchsbescheid vom 20.8.2010 wies sie den Widerspruch der Klägerin als unbegründet zurück. Der Widerspruchsbescheid ging der Klägerin am 25.8.2010 zu.
50Dagegen hat die Klägerin am 27.9.2010 vor dem Sozialgericht (SG) Münster Klage erhoben, mit der sie ihr Begehren weiterverfolgt hat. Sie hat ihr Vorbringen aus dem Verwaltungs- und Widerspruchsverfahren wiederholt und vertieft. Zu berücksichtigen sei zudem, dass sie die Pauschalpreise einzeln mit dem Zeugen X ausgehandelt habe.
51Die Klägerin hat beantragt,
52die Beklagte unter Aufhebung der Bescheide vom 1.3.2010 und 18.5.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.8.2010 zu verurteilen festzustellen, dass ihre Tätigkeit bei der Beigeladenen selbständig ausgeübt wird.
53Die Beklagte hat beantragt,
54die Klage abzuweisen.
55Sie hat zunächst auf ihre Ausführungen im Widerspruchsbescheid verwiesen. Es sei von einer Eingliederung in die Arbeitsorganisation der Beigeladenen zu 1) auszugehen. Die Endkunden würden die Beigeladene zu 1) mit der Prüfung der Einhaltung der Hygienestandards beauftragen, welche diese weiterleite. Sofern die Klägerin diese Aufträge annehme, sei die Erledigung fristgebunden. Zwar stehe es ihr frei, Aufträge anzunehmen oder abzulehnen. Jedoch werde damit lediglich die Entschließungsfreiheit begründet, nach Ende einer Vertragsbeziehung eine neue zu begründen oder abzulehnen. Bestehende Freiheiten hinsichtlich der Terminierung der einzelnen Prüfungen würden dagegen nicht über die Freiheit einer abhängig Beschäftigten hinausgehen. Die Klägerin habe zudem unter Verwendung der durch die Beigeladene zu 1) zur Verfügung gestellten Arbeitsmittel Proben entnommen, die dann auf Kosten der Beigeladenen zu 1) in deren Labor untersucht würden. Sie habe die Leistungen zwar nicht persönlich erbringen müssen. Allerdings wäre beim Einsatz dritter Arbeitskräfte zunächst die schriftliche Zustimmung des Auftraggebers erforderlich gewesen, der diese erst nach Prüfung der fachspezifischen Eignung der Person erteile. Dies spreche eindeutig gegen eine Selbständigkeit der Klägerin, die als Selbständige die fachliche Eignung des von ihr eingesetzten Personals selbst prüfen müsste.
56Die Beigeladene zu 1) hat sich dem Antrag der Klägerin angeschlossen. Ihren bisherigen Vortrag vertiefend hat sie ausgeführt, dass die Klägerin ihre Aufträge per E-Mail bzw. über ein SAP-Programm erhalte. Der Zeitraum, der für die Aufträge angesetzt werde, werde vermerkt. Innerhalb dieses Zeitrahmens könne sie ihre Tätigkeit frei einteilen. Sie sei nicht in den Betriebsablauf eingegliedert. Sie plane die Routen für die von ihr übernommenen Aufträge selbst und könne die für sie optimale Gestaltung im Hinblick auf einen möglichst geringen Zeitaufwand und Fahrweg frei wählen. Sie trage auch ein unternehmerisches Risiko, denn bei mangelnden Aufträgen erziele sie kein Einkommen. Die Klägerin verfüge über eigene Büroräume und damit über eine eigene Betriebsstätte.
57Mit Beschluss vom 7.12.2010 hat das SG die Beigeladene zu 1) beigeladen und mit Urteil vom 27.3.2012 die Klage abgewiesen. Auf die Entscheidungsgründe wird Bezug genommen.
58Die Klägerin hat gegen das ihr am 13.4.2012 zugestellte Urteil am 9.5.2012 und die Beigeladene zu 1) hat gegen das ihr ebenfalls am 13.4.2012 zugestellte Urteil am 4.5.2012 Berufung eingelegt. Klägerin und Beigeladene zu 1) wiederholen ihr erstinstanzliches Vorbringen. Ergänzend tragen sie vor, dass das SG zu Unrecht den Willen der vertragsschließenden Parteien nicht in ausreichendem Maße berücksichtigt habe. Ferner schließe die auszuübende Tätigkeit aufgrund ihrer Art und Komplexität Weisungen der Beigeladenen zu 1) aus. Die Klägerin habe ein unternehmerisches Risiko. Sie habe einen Dienstwagen im Wert von 15.000 Euro, eine Kühlbox für ca. 50 Euro, mobile Drucker für etwa 300 Euro und Arbeitskleidung für 200 bis 300 Euro angeschafft. Hinzu kämen Verbrauchsutensilien sowie weitere Gegenstände, wie etwa ein Thermometer, das alleine etwa 200 bis 300 Euro koste. In ihrem Betriebsvermögen befänden sich zwei Laptops, wobei sie extra für die Tätigkeit bei der Beigeladenen zu 1) zwei mobile Drucker sowie einen Laptop angeschafft habe, auf dem sie eine spezielle Software habe installieren müssen. Ergänzend verweisen sie insbesondere auf ein Urteil des BSG v. 28.9.2011 (B 12 R 17/09 R, USK 2011-125).
59Die Klägerin und die Beigeladene zu 1) beantragen,
60das Urteil des Sozialgerichts Münster vom 27.3.2012 zu ändern und unter Aufhebung der Bescheide vom 1.3.2010 und 18.5.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.8.2010 festzustellen, dass für die Tätigkeit der Klägerin bei der Beigeladenen zu 1) ab dem 1.10.2009 keine Versicherungspflicht in der gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung, der sozialen Pflegeversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung besteht.
61Die Beklagte beantragt,
62die Berufung zurückzuweisen.
63Sie hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend.
64Mit Beschluss vom 14.11.2012 hat der Senat die Beigeladenen zu 2) bis 4) beigeladen. Auf Anforderung hat die Klägerin einige Einzelaufträge, Rechnungen, exemplarische Audit-Berichte und ihre Einkommenssteuerbescheide für die Jahre 2009 bis 2011 sowie die Beigeladene zu 1) ihren Integritäts- und Berufskodex eingereicht.
65Der Senat hat am 29.10.2013 ein Termin zur Erörterung des Sachverhaltes mit den Beteiligten durchgeführt, in diesem die Klägerin angehört und den präsenten Zeugen X, der als Divisionsmanager für den Außendienst der Beigeladenen zu 1) zuständig ist, uneidlich vernommen. Im Termin zur mündlichen Verhandlung und Beweisaufnahme am 5.3.2014 hat der Senat die Klägerin und den Vertreter der Beigeladenen zu 1) angehört sowie die Zeugen X und X1, den Disponenten der Beigeladenen zu 1), uneidlich vorgenommen. Auf die jeweiligen Sitzungsniederschriften wird Bezug genommen.
66Im Nachgang hat die Beigeladene zu 1) auf Nachfrage des Senats mitgeteilt, dass die angestellten Auditoren ausgehend von ihrem Wohnort in einem sog. Home Office regional im Umkreis von ca. 150 Kilometern (km) und auch überregional in Deutschland eingesetzt würden. Dies setze der zuständige Einsatzplaner (Disponent) anhand der Qualifikation und Auftragslage in Abstimmung mit dem disziplinarischen Vorgesetzten fest. Sie verfügten überwiegend über ein abgeschlossenes Studium, mehrjährige Berufserfahrung und müssten ihre Qualifikation über Seminare und Trainings erhalten. Ihnen würden Dienstfahrzeug (einschließlich der Verbrauchskosten), EDV (Hard-/Software), Mobilfunkgerät und Büromaterialien zur Verfügung gestellt. Exemplarische Anstellungsverträge hat die Beigeladene zu 1) vorgelegt. Die Planung der zu prüfenden Märkte erfolge durch die angestellten Auditoren wöchentlich, wobei dies in Absprache mit dem Disponenten erfolge. Ihnen werde die Route vorgeplant. Sie müssten die Wochenplanung abarbeiten. Alle Prüfaufträge hätten einen Endtermin, der bei der Wochenplanung zu berücksichtigen sei. Ad hoc-Aufträge könnten zu einer kurzfristigen Änderung der Wochenplanung führen. Die festangestellten Mitarbeiter seien verpflichtet, ihre Prüfberichte und Checklisten täglich in die EDV der Beigeladenen zu 1) hochzuladen. Die Disposition überprüfe, ob die Wochenplanung abgearbeitet werde. Die festangestellten Auditoren seien verpflichtet, die Beigeladene zu 1) zu kontaktieren, wenn ein Markt nicht entsprechend der Vorplanung besucht werden könne und einen täglichen Stundennachweis/Tagesbericht auszufüllen, der wöchentlich zum disziplinarischen Vorgesetzten gesandt werde. Die Audits fänden bei angestellten Mitarbeitern vorwiegend montags bis donnerstags statt. Freitags werde die Wochenplanung für die nächste Woche erstellt. Ein freier Auditor erhalte hingegen Angebote für Aufträge gemäß Rahmenvereinbarung und Qualifikation unter Berücksichtigung der gesetzlichen Vorgaben. Er könne diese ablehnen oder annehmen. Freien Mitarbeitern würden die Aufträge Anfang Januar eines jeden Jahres mitgeteilt und es stehe hinsichtlich der daraus gewählten Aufträge zur Durchführung ein Zeitraum von mehreren Monaten zur Verfügung. Eine Überprüfung bzgl. des Fortschritts der übernommenen Aufträge finde hinsichtlich der freien Mitarbeiter nicht statt. Es werde lediglich am Enddatum geprüft, ob durch den freien Mitarbeiter übernommene Aufträge noch offen seien. Der Disponent könne jedoch den Auftragsstand der freien Auditoren über das SAP-System abrufen. Folgender Status sei ersichtlich "angenommen, in Planung, abgelehnt, erledigt". Über das Hochladen der Prüfberichte nach Erledigung des Auftrages sei es für die Beigeladene zu 1) erkennbar, dass dieser Prüfauftrag durch den freien Mitarbeiter bereits erledigt worden sei.
67Im weiteren Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 23.4.2014 hat der Senat den Beigeladenen zu 1) angehört und Beweis erhoben durch uneidliche Vernehmung des Zeugen X und des präsenten Zeugen T, Teamleiter des Customer Services der Beigeladenen zu 1). Auf die Sitzungsniederschrift wird Bezug genommen.
68Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.
69Entscheidungsgründe:
70Der Senat hat in Abwesenheit der Beigeladenen zu 2) bis 4) verhandeln und entscheiden können, da er sie mit den ordnungsgemäßen Terminsnachrichten auf diese Möglichkeit hingewiesen hat.
71Die nach §§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässigen Berufungen der Klägerin und der Beigeladenen zu 1) gegen das Urteil des SG Münster vom 27.3.2012 sind hinsichtlich des bereits für den Monat Oktober 2009 festgestellten Beginns der Versicherungspflicht begründet, für die Zeit fortlaufend ab November 2009 allerdings unbegründet.
72Das SG hat die Klage dabei zunächst zu Recht für zulässig erachtet. Sie ist insbesondere fristgerecht durch die Klägerin eingelegt worden. Ihrer Prozessbevollmächtigten ist der Widerspruchsbescheid vom 20.8.2010 am 25.8.2010 zugegangen. Damit endete die Klagefrist grundsätzlich am 25.9.2010. Da es sich dabei jedoch um einen Sonnabend gehandelt hat, lief sie erst am ersten darauffolgenden Werktag und somit am 27.9.2010 ab. Damit ist die Frist von einem Monat durch Einreichung der Klage am 27.9.2010 gewahrt worden, §§ 87 Abs. 1, 2, 85 Abs. 3, 64 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 SGG.
73Für die Zeit ab November 2009 hat das SG die Klage zu Recht als unbegründet abgewiesen. Die streitgegenständlichen Bescheide vom 1.3.2010 und 18.5.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.8.2010 verletzen die Klägerin nur hinsichtlich der Feststellung der Versicherungspflicht im Oktober 2009 nach § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG in ihren Rechten. Im Übrigen sind die streitgegenständlichen Bescheide jedoch rechtmäßig. Die Beklagte hat insofern nach § 7a Abs. 1 SGB IV bezüglich der von der Klägerin ab November 2009 ausgeübten Beschäftigung als Hygiene-Auditorin bei der Beigeladenen zu 1) rechtmäßig die Versicherungspflicht in der gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung, in der sozialen Pflegeversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung angenommen. Die Versicherungspflicht ergibt sich in der Rentenversicherung aus § 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI), in der Kranken- und Pflegeversicherung aus § 5 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) bzw. § 20 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 in Verbindung mit Satz 1 Sozialgesetzbuch Elftes Buch (SGB XI) und nach dem Recht der Arbeitsförderung aus § 25 Abs. 1 Satz 1 SGB III, da die Klägerin bei der Beigeladenen zu 1) gegen Arbeitsentgelt abhängig beschäftigt ist.
74Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung ist § 7 Abs. 1 SGB IV. Danach ist Beschäftigung die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis.
75Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes (BSG) setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und er dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Demgegenüber ist eine selbständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig ist, richtet sich ausgehend von den genannten Umständen nach dem Gesamtbild der Arbeitsleistung und hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (st. Rspr.; vgl. zum Ganzen z.B. BSG, Urteil v. 29.8.2012, B 12 R 14/10 R, USK 2012-82; BSG, Urteil v. 25.4.2012, B 12 KR 24/10 R, SozR 4-2400 § 7 Nr. 15; BSG, Urteil v.11.3.2009, B 12 KR 21/07 R, USK 2009-25; BSG, Urteil v. 18.12.2001, B 12 KR 10/01 R, SozR 3-2400 § 7 Nr. 20; Senat, Beschluss vom 7.1.2011, L 8 R 864/10 B ER, NZS 2011, 906; Senat, Urteil v. 17.10.2012, L 8 R 545/11, juris; zur Verfassungsmäßigkeit dieser Abgrenzung: Bundesverfassungsgericht - BVerfG -, Beschluss v. 20.5.1996, 1 BvR 21/96, SozR 3-2400 § 7 Nr. 11).
76Bei der Feststellung des Gesamtbilds kommt dabei den tatsächlichen Verhältnissen nicht voraussetzungslos ein Vorrang gegenüber den vertraglichen Abreden zu (vgl. BSG, Urteil v. 29.8.2012, a.a.O., juris; ebenso Urteil v. 25.1.2006, B 12 KR 30/04 R, USK 2006-8; Urteil v. 28.5.2008, B 12 KR 13/07 R, Die Beiträge, Beilage 2008, 333, 341 f.): Nach den vom BSG entwickelten Grundsätzen sind die das Gesamtbild bestimmenden tatsächlichen Verhältnisse die rechtlich relevanten Umstände, die im Einzelfall eine wertende Zuordnung zum Typus der abhängigen Beschäftigung erlauben. Ob eine "Beschäftigung" vorliegt, ergibt sich aus dem Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es im Rahmen des rechtlich Zulässigen tatsächlich vollzogen worden ist. Ausgangspunkt ist daher zunächst das Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es sich aus den von ihnen getroffenen Vereinbarungen ergibt oder sich aus ihrer gelebten Beziehung erschließen lässt. Eine im Widerspruch zu ursprünglich getroffenen Vereinbarungen stehende tatsächliche Beziehung und die hieraus gezogene Schlussfolgerung auf die tatsächlich gewollte Natur der Rechtsbeziehung gehen der nur formellen Vereinbarung vor, soweit eine - formlose - Abbedingung rechtlich möglich ist. Umgekehrt gilt, dass die Nichtausübung eines Rechts unbeachtlich ist, solange diese Rechtsposition nicht wirksam abbedungen ist. Zu den tatsächlichen Verhältnissen in diesem Sinne gehört daher unabhängig von ihrer Ausübung auch die einem Beteiligten zustehende Rechtsmacht. In diesem Sinne gilt, dass die tatsächlichen Verhältnisse den Ausschlag geben, wenn sie von Vereinbarungen abweichen. Maßgeblich ist die Rechtsbeziehung so, wie sie praktiziert wird, und die praktizierte Beziehung so, wie sie rechtlich zulässig ist (BSG, Urteil v. 28.9.2011, a.a.O., juris; Senat, Urteil v. 29.6.2011, L 8 (16) R 55/08, juris).
77Ausgehend von diesen Grundsätzen ist das SG zu Recht zu dem Ergebnis gelangt, dass die Klägerin seit November 2009 fortlaufend bei der Beigeladenen zu 1) abhängig beschäftigt ist. Der Senat geht dabei nach der Beweisaufnahme für die Bewertung der vertraglichen wie der tatsächlichen Ausgestaltung der Tätigkeit der Klägerin bei der Beigeladenen zu 1) von den insoweit übereinstimmenden Angaben der Klägerin, der Beigeladenen zu 1) und den glaubhaften Bekundungen der glaubwürdigen Zeugen X, X1 und T sowie den von den Beteiligten eingereichten Unterlagen aus.
78Danach stellt sich das gelebte Vertragsverhältnis so dar, dass der Customer Service der Beigeladenen zu 1) nach den glaubhaften Bekundungen des Zeugen T zunächst mit dem Endkunden den Inhalt der jeweiligen Projekte aushandelt. Es werden dort u.a. die Zahl der Kontrollen, ihr Inhalt und die anzuwendenden Systeme festgelegt. Auf Grundlage der mit dem Endkunden getroffenen Vereinbarungen und der gesetzlichen Vorgaben erstellt der Customer Service die von den Auditoren abzuarbeitenden Checklisten. Die Aufträge werden dann unter Angabe der im Einzelfall zur Durchführung der Aufträge bei dem jeweiligen Auditor benötigten Qualifikationen an den zur Verteilung zuständigen Außendienst weitergeleitet.
79Im Außendienst sind u.a. der Zeuge X als Divisionmanager und damit disziplinarischer Vorgesetzter der Teamleiter, die wiederum ihrerseits disziplinarische Vorgesetzte der festangestellten Auditoren sind, und der Zeuge X1 als Disponent tätig und für die Verteilung zuständig. Die Auswahl des jeweils einzusetzenden Auditors erfolgt durch den Disponenten zum einen nach der erforderlichen Qualifikation und zum anderen nach der Ortsnähe des Auditors zum Prüfbetrieb, denn die Aufträge werden grundsätzlich nach Postleitzahlen vergeben. Dabei werden Aufträge zunächst an festangestellte Mitarbeiter verteilt. Danach werden die Aufträge den sog. freien Mitarbeitern per E-Mail angeboten. Zu Beginn eines Jahres bietet die Beigeladene zu 1) dabei üblicherweise Auftragspakete an, in denen sie die Prüfungen diverser Lebensmitteleinzelhandelsgeschäfte auflistet, für deren Bearbeitung jeweils mehrere Monate bzw. teilweise ein Zeitraum bis Ende November eines Jahres zur Verfügung stehen. Diese Form des Paketangebots erfolgt ausschließlich individuell. Darüber hinaus ergeben sich Angebote im laufenden Jahr, die sich ebenso an mehrere Auditoren wenden können und für die bei Annahme ebenfalls teils mehrere Wochen und teils mehrere Monate Bearbeitungsdauer gewährt werden. Die Klägerin hat teilweise Angebote der Beigeladenen zu 1) im Paket, einzelne Aufträge daraus sowie einzeln angebotene Aufträge nicht angenommen bzw. zurückgegeben.
80Die Beigeladene zu 1) unterhält ein Internetportal, zu welchem die einzelnen Auditoren einen geschützten Zugang erhalten. Einblick in Aufträge anderer Auditoren wird ihnen nicht gewährt; der Disponent der Beigeladenen zu 1) hat umfassenden Zugriff. Die Auditoren können dort die ihnen angebotenen Aufträge und den Auftragsstatus ersehen, der mit "angenommen", "in Planung", "abgelehnt" und "erledigt" bezeichnet wird. Sie fragen zudem die benötigten Zusatzinformationen ab und erhalten die durch den Customer Service erstellten Checklisten. Der Projektleiter bzw. Projektmanager im Customer Service ist zudem Ansprechpartner für die Auditoren bei Rückfragen. Diese fachliche Leitung ist für freie wie für festangestellte Auditoren identisch. Bei den Auditoren, die auf Grund einer Rahmenvereinbarung für die Beigeladene zu 1) tätig sind, wird zur Prüfung des Auftragsfortschritts nach Aussage des Zeugen X ein regelmäßiges Monitoring durchgeführt. Erscheint die Auftragserfüllung bis zum Endzeitpunkt nicht mehr realistisch, hält die Beigeladene zu 1) mit dem betroffenen Auditor Rücksprache.
81Vor Ort führt die Klägerin namens der Beigeladenen zu 1) unangemeldet die Kontrolle durch, wobei sie die zur Verfügung gestellte Checkliste abarbeitet. Sie fertigt einen vorläufigen Bericht, der mit dem Marktleiter besprochen wird. Diesen Bericht lädt sie in die Datenbank der Beigeladenen zu 1) hoch, welche ihr die dafür benötigte Software zur Verfügung stellt. Die entnommenen Proben leitet sie an das Labor der Beigeladenen zu 1) weiter, wo sie analysiert werden. Ihre Leistungen enden grundsätzlich zu diesem Zeitpunkt und werden von ihr sodann in Rechnung gestellt.
82In der Regel wird die Probenanalyse nach Eingabe der Ergebnisse durch die EDV der Beigeladenen zu 1) automatisch generiert und ggf. in den vorläufigen Bericht integriert. Die hochgeladenen Berichte der Auditoren durchlaufen einen sog. Technical Review nach dem Vier-Augen-Prinzip durch den Customer Service, der die Plausibilität des Audits überprüft. Im Anschluss an den beanstandungslosen Technical Review wird im Customer Service entschieden, ob dem Endkunden eine Zertifizierung erteilt wird. Diese wird dann ggf. mit dem Bericht an den Kunden geleitet. Werden hingegen Mängel des Berichtes festgestellt, kommt es zu einer Rücksprache. Diese wird zum Teil über den Teamleiter und zum Teil unmittelbar mit dem betroffenen Auditor selbst durchgeführt. Dabei hat der Zeuge T glaubhaft bekundet, dass er diesbezüglich im Prozedere keinen Unterschied zwischen festangestellten und sog. freien Auditoren macht. Nach den weiteren Erläuterungen des Zeugen T führt der Customer Service zudem Jahresgespräche mit den Endkunden. Dort kommt es vor, dass Bitten oder Beschwerden geäußert werden, die er sodann für die Einsatzplanung an den Zeugen X weitergibt. Es gibt im Customer Service jedoch kein System, mit dem Fehlerhäufungen einzelner Auditoren festgehalten werden. Sog. freie Auditoren erhalten nach den glaubhaften Angaben des Zeugen X zwar keine Leistungsbeurteilungen und es wird für sie auch keine dokumentierte Evaluation durchgeführt, allerdings werden Erfahrungswerte über die Zusammenarbeit mit ihnen gesammelt.
83Diese Grundlage in Verbindung mit den von den Beteiligten vorgelegten Unterlagen sind Ausgangspunkt der Prüfung zunächst die vertraglichen Grundlagen der zu prüfenden Rechtsbeziehung. Dabei ist die Klägerin zur Überzeugung des Senats im Rahmen eines Dauerschuldverhältnisses mit daraus erwachsenden Leistungspflichten ihrerseits für die Beigeladene zu 1) tätig geworden. Dieses Dauerschuldverhältnis haben die Klägerin und die Beigeladene zu 1) allerdings nicht bereits durch ihre Vereinbarung vom 1. bzw. 16.10.2009 begründet. Hierbei handelt es sich aus Sicht des Senats vielmehr um einen Rahmenvertrag. Ein solcher eröffnet eine auf Dauer angelegte Geschäftsverbindung, legt jedoch (im Voraus) nur bestimmte Einzelheiten künftig noch abzuschließender Verträge fest [BSG, Urteil v. 30.10.2013, B 12 KR 17/11 R, juris; Bundesgerichtshof (BGH), Urteil v. 30.4.1992, VII ZR 159/91, NJW-RR 1992, 977, 978]. Das ist vorliegend der Fall. Die Vertragsparteien haben sich nach dem Wortlaut der Vereinbarung in dieser gerade noch nicht auf eine Leistungspflicht der Klägerin und damit korrespondierend auf ein allgemeines Heranziehungsrecht der Beigeladenen zu 1) geeinigt. Nach Ziff. 1.3 der Vereinbarung war weder die Beigeladene zu 1) verpflichtet, die Klägerin zu beauftragen, noch die Klägerin verpflichtet, angetragene Aufträge anzunehmen. Dafür spricht auch, dass der jeweilige tatsächliche Vertragsgegenstand erst noch konkretisiert werden musste (vgl. LSG Baden-Württemberg, Urteil v. 14.2.2012, L 11 KR 3007/11, juris). Es standen nach dem Vertrag weder Dauer, Ort noch die konkrete Anzahl der "Einzelaufträge" fest, die abgewickelt werden sollten. Daher vereinbarten die Vertragsparteien in Ziff. 1.2 der Vereinbarung zudem, dass sich die einzelnen Spezifikationen der Aufgabenstellung nach Art, Ziel und Umfang aus den jeweiligen Einzelaufträgen ergeben werden.
84Werden jedoch "unter dem Dach" eines Rahmenvertrags einzelne, gesonderte, (nur) kurze Vertragsverhältnisse begründet, sind grundsätzlich jeweils nur diese einzelnen "Einsatzaufträge" am Maßstab der von der Rechtsprechung für die Abgrenzung zwischen selbstständiger Tätigkeit und Beschäftigung entwickelten Grundsätze zu bewerten (BSG, Urteil v. 28.5.2008, a.a.O.; BSG, Urteil v. 28.9.2011, a.a.O.; BSG, Urteil v. 30.10.2013, a.a.O.). Der Rahmenvertrag tritt daher - trotz der sich vorliegend daraus ergebenden Anhaltspunkte für eine selbstständige Tätigkeit (z.B. Weisungsfreiheit in inhaltlicher, zeitlicher und örtlicher Hinsicht, kein Anspruch auf Urlaubsgeld, Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall, Weihnachtsgratifikation, Firmenwagen und Überstundenvergütung, keine feste Arbeitszeit, kein festes monatliches Gehalt, Rechnungsstellung mit USt.) - in den Hintergrund und übt damit keinen maßgeblichen Einfluss mehr auf die Beurteilung der konkreten Beauftragung aus.
85Die vorliegend zu beurteilende Ausgestaltung von tatsächlicher Beauftragung und Durchführung dieser "Einzelaufträge" stellt sich allerdings nicht als "kurzes" Vertragsverhältnis im o.g. Sinne dar. Denn bei den durch die Beigeladene zu 1) erteilten Paketaufträgen und den üblicherweise vorgegebenen monatelangen Laufzeiten kann der Senat diese nur als sich "überschneidende" und damit jährliche Auftragsverhältnisse werten, die bei wertender Betrachtung zu einem einheitlichem Dauerschuldverhältnis zusammenzufassen sind. Dass sich darunter zusätzlich sog. Ad hoc-Aufträge befinden, die von der Klägerin kurzfristig abzuarbeiten sind, hindert diese Einschätzung nicht. Die bereits begründete dauerhafte Leistungspflicht der Klägerin wird dadurch lediglich überlagert, ist aber nicht anders zu beurteilen. Ebenso wenig kommt es darauf an, dass grundsätzlich Auftragslaufzeiten maximal bis Ende November eines jeden Jahres angesetzt werden. Nach übereinstimmender Auskunft der Klägerin und der Beigeladenen zu 1) sowie nach Einsicht in das Fahrtenbuch der Klägerin für das Jahr 2012 steht für den Senat fest, dass üblicherweise im Dezember eines Jahres die noch offenen Kontrollen abgearbeitet werden, so dass diesbezüglich keine Beauftragungslücke entsteht und eine durchgängige Leistung der Klägerin erfolgt. Da nach Angaben der Klägerin, denen die übrigen Beteiligten nicht entgegengetreten sind und an deren Richtigkeit keine Zweifel bestehen, die erste Beauftragung erst im November 2009 stattgefunden hat, besteht für den Oktober 2009 keine Versicherungspflicht.
86Im Rahmen des festgestellten Sachverhaltes und des o.g. Prüfungsmaßstabs zeigt die Bewertung und Gewichtung der relevanten Abgrenzungsmerkmale, dass das vertraglich vereinbarte und tatsächlich praktizierte Vertragsverhältnis im Wesentlichen dem eines abhängig Beschäftigten entspricht, wogegen Aspekte, die für eine selbständige Tätigkeit sprechen, nicht in einem im Rahmen der Gesamtabwägung überwiegendem Umfang vorhanden sind.
87Nach dem festgestellten Sachverhalt ist der Senat vielmehr davon überzeugt, dass die Klägerin in die betriebliche Organisation der Beigeladenen zu 1) eingegliedert ist und dabei deren Weisungsrecht unterliegt.
88Für die Beurteilung, ob jemand in einer von anderer Seite vorgegebenen Arbeitsorganisation eingegliedert ist, muss auf die Verhältnisse abgestellt werden, die nach Annahme des Vertragsverhältnisses im Hinblick hierauf bestanden (BSG, Urteil v. 12.2.2004, B 12 KR 26/02 R, juris; BSG, Urteil v. 28.5.2008, a.a.O.; BSG, Urteil v. 28.9.2011, a.a.O.). Die Klägerin ist zunächst in einen fremden Betrieb, nämlich in den der Beigeladenen zu 1) und folglich in eine ihr einseitig durch diese vorgegebene Organisation eingegliedert (vgl. BSG, Urteil v. 4.6.1998, B 12 KR 5/97 R, SozR 3-2400 § 7 Nr. 17 m.w.N.). Dagegen spricht zunächst nicht, dass sie nicht am Sitz der Beigeladenen zu 1) tätig ist, sondern maßgeblich bei deren Endkunden und in einem sog. Home-Office. Denn insoweit besteht kein Unterschied zu den unstreitig abhängig beschäftigten Auditoren der Beigeladenen zu 1).
89Der Klägerin ist allerdings zuzugeben, dass sie nicht wie die angestellten Auditoren einer mit dem Disponenten abgestimmten Wochen- und vorgegebenen Routenplanung unterliegt. Sie erhält auch keine schriftliche Leistungsbeurteilung und hat keinen sog. disziplinarischen Vorgesetzten. Ihr werden weder Dienstwagen, Dienstausweis bzw. Visitenkarten zur Verfügung gestellt noch das Home-Office ausgestattet und sie unterliegt auch nicht der Schulungspflicht wie festangestellte Auditoren.
90Diese Umstände stehen der Annahme einer Eingliederung der Klägerin in den Betrieb der Beigeladenen zu 1) jedoch nicht durchgreifend entgegen. Zunächst kann die Klägerin ihre Tätigkeit nur über die Beigeladene zu 1) ausüben, da diese über die dafür nötigen Zertifizierungen verfügt, sie aber nicht. Ihr allein wäre es daher nicht möglich, auf dem Markt erfolgreich entsprechende Leistungen anzubieten. Sie bedarf dafür zudem des Rückgriffs auf Kundenstamm, Know-how (Checklisten) und Infrastruktur (Labor) der Beigeladenen zu 1). Dies bestätigend hat die Klägerin vorgetragen, dass ihr das Material für die Probenentnahmen von der Beigeladenen zu 1) gestellt werden müsse, da diese ihr nicht zugänglich seien.
91Die Klägerin ist ferner in die elektronische Infrastruktur der Beigeladenen zu 1) eingebunden. Über das Internetportal der Beigeladenen zu 1), zu welchem ihr Zugriffsrechte erteilt wurden, muss sich die Klägerin zunächst die auszuführenden Checklisten herunterladen, die sie dann bei dem Endkunden der Beigeladenen zu 1) abarbeitet. Zudem lädt sie mit Hilfe der zur Verfügung gestellten Software ihre Berichte in die Datenbank der Beigeladenen zu 1) hoch.
92Dem kann nicht entgegengehalten werden, dass die Klägerin lediglich ein von der Beigeladenen zu 1) vorgehaltenes System ohne Vorliegen weiterer, für eine Einbindung in die organisatorische Einheit des "Systemgebers" sprechende Umstände, nutze (vgl. hierzu BSG, Urteil v. 30.10.2013, a.a.O., m.V.a BSG, SozR 4-2600 § 2 Nr. 15; Franchise-System: BSG, SozR 4-2600 § 2 Nr. 12; Charterflug-Netz: BSG, Urteil v. 28.5.2008, a.a.O.; Dienste einer privaten Pflege-Agentur: BSG, Urteil v. 28.9.2011, a.a.O.). Denn dieser Annahme steht die tatsächliche Ausgestaltung des zu beurteilenden Rechtsverhältnisses entgegen.
93Zunächst nutzt die Beigeladene zu 1) die von der Klägerin und die über sie erhaltenden Daten zur Auftragsüberwachung. Sie registriert in ihrer Datenbank die jedem Auditor angebotenen Aufträge und damit auch die der Klägerin. Der Status der Aufträge wird mit "angenommen", "in Planung", "abgelehnt" und "erledigt" gekennzeichnet. Aus den von der Klägerin hochgeladenen Auditberichten kann zudem teilweise Beginn und Ende des Audits vor Ort ersehen werden (vorgelegter Auditbericht vom 19.4.2010). Es erfolgt über diese Datenbank eine ständige und für die Beigeladene zu 1) verfolgbare Rückkopplung. Sie kann dort ersehen, ob und wie oft die Klägerin ihr angebotene Aufträge en bloc oder einzeln annimmt, sie ablehnt oder durch Hochladen ihrer Auditberichte Erledigung anzeigt. Der Klägerin gewährt die Beigeladene zu 1) einen geschützten Zugriff und stellt ihr die benötigte Software zur Verfügung. Diese Rückkopplung nutzt die Beigeladene zu 1) nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme gerade dazu, den Fortschritt der Auftragsabwicklung der sog. freien Auditoren und damit auch den der Klägerin zu überwachen. Der Zeuge X hat von einem sog. regelmäßigen Monitoring zur Prüfung des Auftragsfortschritts und Rücksprachen für den Fall gesprochen, dass eine rechtzeitige Auftragsabwicklung nicht mehr realistisch erscheint. Zudem werden Erfahrungswerte bezüglich der sog. freien Auditoren durchaus registriert, auch wenn dies nicht durch eine dokumentierte Evaluation erfolgt. Ergänzend hat der Zeuge T bekundet, dass im Rahmen der Jahresgespräche mit den Endkunden deren Wünsche oder Beschwerden über die Auditoren an den Zeugen X weitergeleitet werden. Daraus zeigt sich, dass auch die sog. freien Auditoren und damit auch die Klägerin Bestandteil eines umfangreichen Qualitätssicherungsmanagement der Beigeladenen zu 1) sind.
94Die Klägerin ist ferner in die Arbeitsabläufe der Beigeladenen zu 1) eingebunden und wird darin im Wege arbeitsteiligen Zusammenwirkens eingesetzt. Sie erhält die seitens des Customer Service der Beigeladenen zu 1) nach Maßgabe der Kundenwünsche, Zertifizierungsnotwendigkeiten und gesetzlichen Vorgaben erstellten Checklisten und führt diese vor Ort aus. Dabei fertigt sie lediglich einen vorläufigen Bericht, da in diesen die Analyse der entnommenen Proben noch nicht eingeflossen ist. Mit dem Hochladen dieser Berichtsversion ist grundsätzlich ihre (Teil-)Leistung erfüllt. Bei der Beigeladenen zu 1) werden anschließend die Probenentnahmen analysiert, dem Bericht zugeführt und sodann die Ergebnisse im Rahmen des Technical Review überprüft. Bei Mängeln erfolgt eine Rücksprache. Ferner stehen Qualifizierungsmaßnahmen der Beigeladenen zu 1) auch der Klägerin, mit Ausnahme des sog. Career Centers, (unentgeltlich) offen.
95Der Einwand, dass die Umstände der klägerischen Leistung als nicht für eine abhängige Beschäftigung sprechende Merkmale anzusehen seien, weil die Einbindung der Klägerin über das sich allein aus der Art der zu leistenden Tätigkeit ergebende Maß nicht hinausgegangen sei, kann gleichfalls nicht überzeugen. Dabei wird nicht berücksichtigt, dass eine tatsächlich bestehende Eingliederung in den Betrieb des Dienstherrn nicht deshalb in ihrer Bedeutung zurücktritt, weil sie (auch) in der Eigenart der zu erbringenden Leistung begründet ist (BSG, Urteil v. 11.3.2009, a.a.O., juris).
96Die Klägerin unterliegt daran anknüpfend einem Weisungsrecht der Beigeladenen zu 1) bezüglich Ort, Zeit sowie Art und Weise der Tätigkeit.
97Die Art der Tätigkeit bestimmt sich jeweils aus den von der Beigeladenen zu 1) zu den jeweiligen Prüfmärkten erstellten Checklisten und den fachlichen Weisungen der Projektmanager. Bei den durch den Customer Service erstellten Checklisten handelt es sich um Einzelweisungen an den jeweiligen Auditor. Da die Auftragsvergabe an die einzelnen Auditoren jedoch erst nach Checklistenerstellung und Auftragsweiterleitung erfolgt, ist im Zeitpunkt der Erstellung noch unbekannt, ob die Checklisten einem festangestellten oder einem sog. freien Auditor zur Verfügung gestellt werden, d.h. sie weisen in beiden Konstellationen eine identische Weisungsdichte auf. Da diese Checklisten zudem das genaue Prüfprogramm darstellen, welches die Beigeladene zu 1) mit ihrem Endkunden vereinbart hat, ist jeder Auditor und damit auch die Klägerin verpflichtet, sie genauestens abzuarbeiten. Gestaltungsfreiheiten obliegen ihr diesbezüglich gerade nicht. Entsprechendes ist auch nicht vorgetragen worden. Würde die Beigeladene zu 1) diese zulassen, wäre die von ihr auf die Klägerin ausgelagerte Leistung nicht mehr im Rahmen des dem Endkunden geschuldeten Gesamtergebnisses nutzbar. Vor dem Hintergrund des umfangreichen Prüfprogramms, welches die zusammengestellten Checklisten enthalten, können sie aus Sicht des Senats auch nicht mehr als lediglich den groben Inhalt der Tätigkeit vorgebende "Eckpunkte" qualifiziert werden, die zwar eine geminderte Autonomie hervorrufen, von denen aber gerade nicht auf eine Weisungsgebundenheit geschlossen werden kann (dazu: BSG, Urteil v. 28.9.2011, a.a.O.; BSG, Urteil v. 28.5.2008, a.a.O.; BSG, Urteil v. 30.10.2013, a.a.O.).
98Der Ort der auszuführenden Tätigkeit ergibt sich aus dem angenommenen Auftrag. Das gilt sowohl für die Klägerin als auch für die bei der Beigeladenen zu 1) festangestellten Auditoren. Zudem schränkt die Beigeladene zu 1) durch die regionale Aufteilung der freien Auditoren und die entsprechende Steuerung der Auftragsangebote nach Postleitzahlen den Ort der Tätigkeit ein.
99In zeitlicher Hinsicht mag die Weisungsdichte gegenüber der Klägerin geringer sein als diejenige gegenüber den festangestellten Auditoren der Beigeladenen zu 1). Insbesondere ist sie nicht einer stringenten Wochen- und Routenplanung durch die Beigeladene zu 1) unterworfen. Die Klägerin ist damit nur verpflichtet, die Aufträge binnen eines oftmals großzügig vorgegebenen Zeitfensters abzuarbeiten. Allerdings verfolgt die Beigeladene zu 1) den Fortschritt der Auftragsabarbeitung im Wege eines Monitorings und schreitet bei Gefährdung der Zeitvorgabe ein. Im Hinblick darauf gebietet die gelockerte Weisungsdichte (lediglich) im Bereich der Weisungsgebundenheit hinsichtlich der Arbeitszeit nicht die Beurteilung, die Klägerin sei selbstständig. Denn es ist unbedenklich möglich, innerhalb eines Unternehmens verschiedene Gruppen von abhängig Beschäftigten auch bei ähnlicher Tätigkeit unterschiedlich dichten Weisungen zu unterwerfen, ohne dass dies sozialversicherungsrechtlich statusrelevant wird.
100Die Klägerin beziffert zudem den Umfang ihrer Tätigkeit auf bis zu 20 Wochenstunden, was einer Teilzeittätigkeit entspricht. Es sind gerade auch in abhängigen Beschäftigungen häufig flexible Arbeitszeiten anzutreffen, da Arbeitgeber zunehmend durch flexible Arbeitszeitsysteme wie Gleitzeitsystem etc. den persönlichen Bedürfnissen ihrer Arbeitnehmer entgegenkommen, aber solche Systeme auch zu ihrem Vorteil nutzen, um zum Beispiel zum Teil schwankenden Arbeitsanfall abzufedern und teure Arbeitskraft effektiver einzusetzen (Senat, Urteil v. 20.7.2011, L 8 R 534/10, juris).
101Soweit die Klägerin einwendet, dass ihr bislang keine Weisungen erteilt worden seien, ergibt sich daraus nichts anderes. Denn der Gebrauch bestehender Rechtsmacht ist unbeachtlich, weil die versicherungsrechtliche Beurteilung sonst wesentlich davon abhinge, ob die Tätigkeit aus Sicht des Rechtsmachtinhabers beanstandungsfrei ausgeübt wurde (vgl. LSG NRW, Urteil v. 25.3.2010, L 16 (5) KR 190/08, juris; Senat, Urteil v. 12.2.2014, L 8 R 1108/12).
102Letztlich ist ein stark abgeschwächtes Weisungsrecht für die ausgeübte Tätigkeit ebenso wie z.B. bei der Wahrnehmung von Tätigkeiten für leitende Angestellte, die in einem Betrieb höhere Dienste leisten, geradezu charakteristisch. Dennoch werden auch Tätigkeiten für leitende Angestellte im Rahmen einer abhängigen Beschäftigung geleistet, wenn sie fremdbestimmt bleiben, weil sie in einer von anderer Seite vorgegebenen Ordnung des Betriebes aufgehen (st. Rspr. seit BSGE 16, 289, 294 = SozR Nr. 30 zu § 165 RVO und BSGE 21, 57, 58 f = SozR Nr. 2 zu § 2 AVG S. 4; in jüngerer Zeit z.B. BSG SozR 3-2940 § 3 Nr. 2 S. 9 m.w.N.; BSGE 66, 168 = SozR 3-2400 § 7 Nr. 1 und SozR 3-2400 § 7 Nr. 20 S. 80; vgl. - zum Fehlen einer Eingliederung einer hauswirtschaftlichen Familienbetreuerin - BSG, Urteil v. 28.9.2011, a.a.O., juris). Wie weit die Lockerung des Weisungsrechts in der Vorstellung des Gesetzgebers gehen kann, ohne dass deswegen die Stellung als Beschäftigter entfällt, zeigen beispielhaft die gesetzlichen Sonderregelungen zur Versicherungsfreiheit von Vorstandsmitgliedern einer Aktiengesellschaft in der Renten- und Arbeitslosenversicherung (§ 1 Satz 4 SGB VI sowie § 27 Abs. 1 Nr. 5 SGB III), die regelmäßig abhängig beschäftigt sind, auch wenn sie die Gesellschaft in eigener Verantwortung zu leiten haben und gegenüber der Belegschaft Arbeitgeberfunktionen wahrnehmen (st. Rspr. BSGE 65, 113, 116 f = SozR 2200 § 1248 Nr. 48 S. 125; SozR 3-2400 § 7 Nr. 18 S. 65; BSGE 100, 62 = SozR 4-2600 § 1 Nr. 3, Rdnr. 16; BSGE 107, 185 = SozR 4-2600 § 1 Nr. 6 Rdnr. 14). Allein weit reichende Entscheidungsbefugnisse eines "leitenden Angestellten", der in funktionsgerecht dienender Teilhabe am Arbeitsprozess einem gemilderten Weisungsrecht unterliegt, machen diesen nicht schon zu einem Selbstständigen (BSG, Urteil v. 18.12.2001, a.a.O.; Senat, Urteil v. 17.10.2012, a.a.O, juris). Nichts anderes kann im vorliegenden Fall gelten.
103Wesentliche Merkmale, die für eine selbstständige Tätigkeit sprechen, und im Rahmen der Gesamtabwägung dermaßen überwiegen, dass nicht von einer abhängigen Beschäftigung auszugehen ist, liegen nicht vor.
104Die Tätigkeit wird von allen Auditoren vor Ort beim Endkunden bzw. im Home-Office durchgeführt. Vor diesem Hintergrund ist der Tatsache, dass die Klägerin über eine eigene Betriebsstätte, nämlich ein Büro mit Lagermöglichkeiten für die entnommenen Proben, verfügt, kein maßgebliches Gewicht zuzubilligen. Auch die weiteren Indizien für eine selbständige Tätigkeit, nämlich die steuerliche Erfassung als Einkünfte aus selbstständiger Arbeit, die Rechnungsstellung mit Mehrwertsteuer und das Vorhalten einer Buchhaltung, weisen kein überwiegendes Gewicht in der Gesamtabwägung auf.
105Alsdann ist zur Überzeugung des Senats ein Unternehmerrisiko der Klägerin nicht in erheblichem Umfang festzustellen. Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG (vgl. u.a. BSG, Urteil v. 28.5.2008, a.a.O.) ist maßgebliches Kriterium hierfür, ob eigenes Kapital oder die eigene Arbeitskraft auch mit der Gefahr des Verlustes eingesetzt wird, der Erfolg des Einsatzes der tatsächlichen und persönlichen Mittel also ungewiss ist (Senat, Beschluss v. 9.1.2013, a.a.O., juris). Erforderlich ist ein Risiko, das über das Risiko hinausgeht, für den Arbeitseinsatz kein Entgelt zu erzielen (Segebrecht in: jurisPK-SGB IV, 2. Auflage, § 7 Rdnr. 117). Allerdings ist ein unternehmerisches Risiko nur dann Hinweis auf eine selbständige Tätigkeit, wenn diesem Risiko auch größere Freiheiten in der Gestaltung und der Bestimmung des Umfangs beim Einsatz der eigenen Arbeitskraft gegenüberstehen (vgl. BSG, Urteil v. 28.5.2008, B 12 KR 13/07 R, BSG, Urteil v. 28.9.2011, a.a.O.).
106Die Klägerin erhält eine pauschale Vergütung nach Rechnungsstellung. Über den praktizierten Abrechnungsmodus wird ein regelmäßiger Zahlungsfluss sichergestellt. Aufgrund der stetigen Auftragslage setzt die Klägerin ihre Arbeitskraft damit nicht mit der Gefahr des Verlustes ein. Das Risiko, dass die Beigeladene zu 1) nicht oder verspätet die Rechnungen begleicht, entspricht dem Risiko eines abhängigen Beschäftigten, dessen Arbeitgeber mit der Lohnzahlung in Verzug gerät.
107Das weitere Fehlen von Regelungen zu Ansprüchen auf Urlaubsentgelt bzw. Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall rechtfertigt für sich genommen nicht die Annahme eines unternehmerischen Risikos. Die Überbürdung sozialer Risiken abweichend von der das Arbeitsrecht prägenden Risikoverteilung ist nur dann ein gewichtiges Indiz für unternehmerisches Handeln, wenn damit auch tatsächliche Chancen einer Einkommenserzielung verbunden sind, also eine Erweiterung der unternehmerischen Möglichkeiten stattfindet (BSG, Urteil v. 11.3.2009, a.a.O.; Senat, Urteil v. 20.7.2011, L 8 R 534/10, jeweils juris). Hierfür ist im vorliegenden Fall jedoch nichts ersichtlich.
108Zwar hat die Klägerin eigenes Kapital aufgewandt. Sie hat zunächst Betriebsmittel angeschafft, die sie steuerlich als Betriebsausgaben geltend macht. Dazu gehören ein Pkw im Wert von 15.000,00 Euro sowie PC, Drucker, Arbeitskleidung sowie weitere benötigte Verbrauchsutensilien und Büromaterialien. Zudem hat sie sich ein Arbeitszimmer eingerichtet. Sie hat ferner in ihre Fortbildung insoweit investiert, als sie zur Teilnahme an den von der Beigeladenen zu 1) - im Übrigen kostenfrei - angebotenen Schulungen Fahrt- und Übernachtungskosten selbst tragen musste.
109Dem Einsatz des eigenen Fahrzeugs ist allerdings kein maßgebliches Gewicht beizumessen. Denn auch viele Arbeitnehmer nutzen zumindest den eigenen Pkw, um den Weg zur Arbeit anzutreten (vgl. Senat, Urteil v. 20.7.2011, L 8 R 532/10, juris; BSG, Urteil v. 22.6.2005, B 12 KR 28/03 R, SozR 4-2400 § 7 Nr. 5).
110Eine Steigerung der unternehmerischen Chancen kann die Klägerin im Rahmen dieser Investitionen ferner kaum generieren. Denn mangels eigener Zertifizierung ist sie zunächst auf die Aufträge der Beigeladenen zu 1) angewiesen und kann sich keinen eigenen Kundenstamm aufbauen. Die angebotenen Aufträge beschränken sich grundsätzlich auf ortsnahe Prüfobjekte, so dass eine Vergrößerung des Prüfradius nicht in Betracht kommt. Auftragspakete werden grundsätzlich nicht mehreren Auditoren gleichzeitig angeboten, sondern durch die Beigeladene zu 1) zugeteilt. Damit ist es der Klägerin auch nicht möglich, durch schnellen und geschickten Zugriff auf die gesamten Angebote ihren Verdienst zu steigern. Die Klägerin selbst hat die Frage des Senates, ob sie von sich aus freie Kapazitäten mitgeteilt habe, verneint.
111Verdienststeigerungen sind ihr damit nur in äußerst geringem Maße möglich, so z.B. mit einer verbrauchssparenden Routenplanung. Dabei zeigt eine Einsicht in das Fahrtenbuch der Klägerin für das Jahre 2012 allerdings exemplarisch, dass sie an vielen Tagen lediglich einen Markt, mehrfach zwei und selten drei Märkte an einem Tag geprüft hat, was die entsprechenden Gestaltungsmöglichkeiten als eher gering erscheinen lässt.
112In beschränktem Maße bieten sich unternehmerische Chancen über den Besuch von Schulungen, denn über den Erwerb zusätzlicher Qualifikationen kann die Klägerin sich weitere Auftragsgebiete erschließen. Allerdings haben auch abhängig beschäftigte Auditoren die Möglichkeit, durch Verbesserung ihrer Qualifikation Gehaltssteigerungen zu erzielen. Da sich die auf die Schulungen entfallenden Fahrt- und Unterbringungskosten zudem nach der vorgelegten BWA-Jahresübersicht der Jahre 2009 bis 2012 auf Beträge zwischen 0,00 Euro bis 220,99 Euro jährlich belaufen, fällt das Investitionsvolumen nicht so maßgeblich ins Gewicht, dass vor diesem Hintergrund zwingend von einer selbstständigen Tätigkeit auszugehen wäre.
113Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der vereinbarten Haftung auf Schadensersatz bei Schlechtleistung (BSG, Urteil v. 28.9.2011, a.a.O.). Die Haftung für Pflichtverletzungen ist für Arbeitnehmer nicht untypisch. So haftet der Arbeitnehmer nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes (BAG) im Rahmen eines dreistufigen Haftungsmodells nicht für leichte Fahrlässigkeit und anteilig für mittlere Fahrlässigkeit. Die volle Haftung muss er für grobe Fahrlässigkeit und Vorsatz übernehmen (BAG GS, Beschluss v. 27.9.1994, GS 1/89 (A), AP Nr. 103 zu § 611 BGB Haftung des Arbeitnehmers, BAG, Urteil v. 25.9.1997, 8 AZR 288/96, AP N r. 111 zu § 611 BGB Haftung des Arbeitnehmers; Griese in: Küttner, Personalbuch 2012, Arbeitnehmerhaftung, Rdnr. 12f.). Demgegenüber ist vorliegend die Haftung sogar noch eingeschränkt, da die Klägerin nur auf Schadenersatz für grobe Fahrlässigkeit und Vorsatz haften sollte.
114Eine andere Beurteilung folgt auch nicht daraus, dass die Klägerin zur Ablehnung und Rückgabe von Aufträgen an die Beigeladene zu 1) berechtigt ist und entsprechendes auch mehrfach getan hat. Die Ablehnung bzw. Rückgabe der Aufträge erfolgen nach Angaben der Klägerin zunächst, wenn sie die entsprechenden Berechtigungen und Erfahrungen für die durchzuführenden Prüfungen nicht hat. Ihre Ablehnung beruht damit nicht auf ihrem Status, sondern aufgrund der Tatsache, dass die Beigeladene zu 1) sie zur Erfüllung einer subjektiv unmöglichen Leistung auffordert. In einem solchen Fall steht auch einem abhängig Beschäftigten ein Ablehnungsrecht zu. Darüber hinaus hat die Klägerin von diesem Recht Gebrauch gemacht, wenn sie aus Überlastungsgründen nicht in der Lage gewesen ist, die angebotenen Aufträge anzunehmen bzw. bereits übernommene Aufträge fristgerecht durchzuführen. Überlastungsanzeigen kommen jedoch ebenfalls im Rahmen von abhängigen Beschäftigungen vor [vgl. Arbeitsgericht (ArbG) Köln, Urteil v. 17.2.2009, 14 Ca 5366/08, juris]. Sie sind daher kein zwingendes Indiz für die Annahme einer selbständigen Tätigkeit.
115Der Einwand, dass die Klägerin berechtigt gewesen ist, mit Zustimmung der Beigeladenen zu 1) einen Dritten zur Erfüllung der vertraglichen Verpflichtungen einzusetzen, spricht gleichfalls nicht für eine selbständige Tätigkeit. Tatsächlich hat sie die Arbeiten ausschließlich selbst erledigt. Die Möglichkeit, Arbeiten laufend durch eigenes Personal (also nicht höchstpersönlich) durchführen lassen zu können, ist zwar grundsätzlich ein Anhaltspunkt für eine selbständige Tätigkeit. Mit der Einstellung von Personal sind nämlich unabhängig von der Auftragslage laufende Ausgaben und die wirtschaftliche Verpflichtungen verbunden, die das Risiko in sich bergen, Kapital mit dem Risiko eines Verlustes einzusetzen und damit letztlich ein Unternehmerrisiko darstellen. Davon zu unterscheiden ist aber die bloß formale vertragliche Berechtigung, die Arbeiten auch durch andere durchführen zu lassen, wenn von dieser tatsächlich nie Gebrauch gemacht wird und die persönliche Leistungserbringung die Regel ist (BSG, Urteil v. 19.8.2003, B 2 U 38/02 R, SozR 4-2700 § 2 Nr. 1). Derartige formale Berechtigungen können, wenn sie tatsächlich nicht zum Tragen kommen, nicht als Indiz für eine selbständige Tätigkeit, sondern allenfalls als Ausdruck des Wunsches, dass eine selbständige Tätigkeit vorliegen soll, gewertet werden (vgl. insgesamt: Segebrecht in: a.a.O., § 7 Rdnr. 117).
116Weitere in die Gesamtabwägung einzustellende Gesichtspunkte sind weder vorgetragen noch ersichtlich. Angesichts des eindeutigen Überwiegens der Gesichtspunkte für eine abhängige Beschäftigung kommt dem in der Rahmenvereinbarung geäußerten Wunsch, eine selbständige Tätigkeit zu begründen, keine entscheidende Bedeutung zu.
117Die Beklagte hat die Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung, in der gesetzlichen Kranken- und sozialen Pflegeversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung zu Recht ab dem 1.11.2009 festgestellt. Die Voraussetzungen für einen späteren Beginn gemäß § 7a Abs. 6 SGB IV liegen bereits mangels Zustimmung der Klägerin nicht vor.
118Die Entscheidung über die Kosten beruht auf §§ 183, 193 SGG. Im Rahmen seines Ermessens hat der Senat von einer Kostenquotelung aufgrund der Geringfügigkeit des Obsiegens abgesehen.
119Gründe gemäß § 160 Abs. 2 SGG für die Zulassung der Revision liegen nicht vor. Die Entscheidung orientiert sich an der ständigen Rechtsprechung des BSG.
(1) Das Dienstverhältnis endigt mit dem Ablauf der Zeit, für die es eingegangen ist.
(2) Ist die Dauer des Dienstverhältnisses weder bestimmt noch aus der Beschaffenheit oder dem Zwecke der Dienste zu entnehmen, so kann jeder Teil das Dienstverhältnis nach Maßgabe der §§ 621 bis 623 kündigen.
(3) Für Arbeitsverträge, die auf bestimmte Zeit abgeschlossen werden, gilt das Teilzeit- und Befristungsgesetz.
(4) Ein Verbrauchervertrag über eine digitale Dienstleistung kann auch nach Maßgabe der §§ 327c, 327m und 327r Absatz 3 und 4 beendet werden.
(1) Beschäftigung ist die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers.
(1a) Eine Beschäftigung besteht auch in Zeiten der Freistellung von der Arbeitsleistung von mehr als einem Monat, wenn
- 1.
während der Freistellung Arbeitsentgelt aus einem Wertguthaben nach § 7b fällig ist und - 2.
das monatlich fällige Arbeitsentgelt in der Zeit der Freistellung nicht unangemessen von dem für die vorausgegangenen zwölf Kalendermonate abweicht, in denen Arbeitsentgelt bezogen wurde.
(1b) Die Möglichkeit eines Arbeitnehmers zur Vereinbarung flexibler Arbeitszeiten gilt nicht als eine die Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber begründende Tatsache im Sinne des § 1 Absatz 2 Satz 1 des Kündigungsschutzgesetzes.
(2) Als Beschäftigung gilt auch der Erwerb beruflicher Kenntnisse, Fertigkeiten oder Erfahrungen im Rahmen betrieblicher Berufsbildung.
(3) Eine Beschäftigung gegen Arbeitsentgelt gilt als fortbestehend, solange das Beschäftigungsverhältnis ohne Anspruch auf Arbeitsentgelt fortdauert, jedoch nicht länger als einen Monat. Eine Beschäftigung gilt auch als fortbestehend, wenn Arbeitsentgelt aus einem der Deutschen Rentenversicherung Bund übertragenen Wertguthaben bezogen wird. Satz 1 gilt nicht, wenn Krankengeld, Krankentagegeld, Verletztengeld, Versorgungskrankengeld, Übergangsgeld, Pflegeunterstützungsgeld oder Mutterschaftsgeld oder nach gesetzlichen Vorschriften Erziehungsgeld oder Elterngeld bezogen oder Elternzeit in Anspruch genommen oder Wehrdienst oder Zivildienst geleistet wird. Satz 1 gilt auch nicht für die Freistellung nach § 3 des Pflegezeitgesetzes.
(4) Beschäftigt ein Arbeitgeber einen Ausländer ohne die nach § 284 Absatz 1 des Dritten Buches erforderliche Genehmigung oder ohne die nach § 4a Absatz 5 des Aufenthaltsgesetzes erforderliche Berechtigung zur Erwerbstätigkeit, wird vermutet, dass ein Beschäftigungsverhältnis gegen Arbeitsentgelt für den Zeitraum von drei Monaten bestanden hat.
Tenor
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1. Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts München vom 24. Januar 2012 - 6 Sa 411/11 - wird zurückgewiesen.
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2. Die Beklagte hat die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen.
Tatbestand
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Die Parteien streiten darüber, ob die Klägerin als Cutterin Arbeitnehmerin der beklagten Rundfunkanstalt und als solche im Umfang von 68 vH einer Vollzeitkraft zu beschäftigen ist.
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Die Klägerin ist seit dem Jahr 2001 bei der Beklagten als Cutterin im Bereich Bearbeitung/Editing der Hauptabteilung Produktionsbetrieb Fernsehen beschäftigt. Sie erhielt für ihre Tätigkeit jeweils eine Tagesgage.
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Die Beklagte hält für die bei ihr regelmäßig anfallenden Bildschneidearbeiten entsprechende Dienste von Cuttern vor, die in Schneideräumen der Beklagten eingesetzt werden und auf deren Tätigkeit Autoren, Reporter usw. zurückgreifen können. Zu diesem Zweck erstellt die Beklagte Dienstpläne, durch die entsprechende Arbeitskapazitäten zu bestimmten Zeiten (Schichten) gewährleistet sind. Für die durch fest angestellte Cutter nicht gedeckten Zeiten fragt die Beklagte telefonisch die Bereitschaft zur Übernahme der freien Schichten in einem Kreis von Cuttern ab, die von der Beklagten als freie Mitarbeiter angesehen werden. Zu diesem Kreis gehört auch die Klägerin. Die Klägerin kann die ihr regelmäßig angebotenen Einsätze ablehnen und machte von der Ablehnungsmöglichkeit gelegentlich, wenn auch nicht häufig, Gebrauch.
- 4
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Die Klägerin arbeitet in den Räumen der Beklagten mit den jeweils für den zu erstellenden Bildbeitrag Verantwortlichen und technischen Mitarbeitern zusammen. Sie benutzt dabei die am Arbeitsort in den Räumen der Beklagten installierten technischen Vorrichtungen.
- 5
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Der Umfang der Beschäftigung der Klägerin in den Jahren 2002 bis 2009 ist unter den Parteien streitig. Im Jahr 2009 war die Klägerin erkrankt und wegen einer Rehabilitations- und Physiotherapiemaßnahme nicht uneingeschränkt verfügbar. Die Beklagte leistete für diese Zeiten keine Entgeltfortzahlung. Seit 2010 ist die Klägerin wieder als Cutterin für die Beklagte tätig.
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Mit ihrer Klage hat die Klägerin geltend gemacht, sie sei Arbeitnehmerin der Beklagten und müsse auch in Zukunft als solche beschäftigt werden. Sie sei 2002 an 186 Tagen, 2003 an 199 Tagen, 2004 an 207 Tagen, 2005 an 57 Tagen, 2006 an 104 Tagen, 2007 an 188 Tagen und 2008 an 231 Tagen tätig gewesen. 2009 sei sie krankheitsbedingt kaum eingesetzt worden. Aus diesen Beschäftigungszeiten - ausgenommen das Jahr 2009, das wegen der langen Erkrankung ihrer Ansicht nach nicht einzubeziehen ist - ergebe sich eine durchschnittliche Beschäftigung als Cutterin an 167,5 Tagen im Jahr. Sie sei wie die fest angestellten Cutter in den Dienstplänen der Beklagten aufgeführt worden und habe ihre Arbeitsleistung zu den vorgegebenen Zeiten erbracht. Die Dienstpläne habe der/die jeweils zuständige Personaldisponent/-in einseitig vorgegeben. Sie habe von den Arbeitseinsätzen telefonisch oder durch Einsicht in den aushängenden Dienstplan Kenntnis genommen. Teilweise sei ihr eine Produktionsmeldung auch ins Fach gelegt worden. Wegen der oft kurzfristigen Arbeitseinteilung sei eine ständige Einsatzbereitschaft von ihr erwartet worden. Im Rahmen ihrer Einsätze habe sie nicht nur Anweisungen des Fachvorgesetzten, sondern auch inhaltliche Vorgaben der bei der Beklagten beschäftigten Redakteure und Autoren erhalten und befolgen müssen.
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Die Klägerin hat beantragt
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1.
festzustellen, dass zwischen den Parteien seit November 2001 ein Arbeitsverhältnis besteht,
2.
für den Fall, dass das Arbeitsgericht das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses feststellt,
die Beklagte zu verurteilen, die Klägerin in Form eines Arbeitsverhältnisses als Cutterin in ihren Betrieben in München in einem Volumen von 90 vH einer Vollzeitkraft zu beschäftigen und tätig werden zu lassen, hilfsweise in dem vom Gericht festgestellten Volumen.
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Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie ist der Ansicht, zwischen den Parteien bestehe kein Arbeits-, sondern ein freies Dienstverhältnis. Die Klägerin übe programmgestaltende Tätigkeit aus. Indem sie Filmmaterial für die Ausstrahlung der Sendungen passend zusammenschneide, vollziehe sie einen schöpferischen Akt. Sie beeinflusse den Inhalt und den Aussagegehalt der Sendungen, indem sie entscheide, welches Material für die Sendung verwendet werde. Das Beschäftigungsvolumen der Klägerin habe erheblichen Schwankungen unterlegen; so sei sie 2002 an 181 Tagen, 2003 an 184 Tagen, 2004 an 179 Tagen, 2005 an 47 Tagen, 2006 an 77 Tagen, 2007 an 181 Tagen, 2008 an 203 Tagen und 2009 an 20 Tagen beschäftigt gewesen. Seit Anfang 2009 sei der Beschäftigungsbedarf für freie Mitarbeiter deutlich zurückgegangen, weswegen die Klägerin in deutlich geringerem Umfang als in den Vorjahren eingesetzt worden sei. Hinsichtlich der durchschnittlichen Arbeitszeit sei auf die Einsätze in den Jahren 2002 bis 2010 abzustellen. Die freien Mitarbeiter, also auch die Klägerin, hätten die Möglichkeit gehabt, die telefonisch angefragten Termine abzulehnen. Demnach habe keine Weisungsgebundenheit hinsichtlich der Arbeitszeit bestanden. Demgegenüber komme der örtlichen Weisungsgebundenheit nur geringe Aussagekraft zu. Jedenfalls könne sich die Klägerin nach Treu und Glauben nicht auf das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses berufen. Sie habe die bisherigen Bedingungen so lange akzeptiert, dass sie nun nicht plötzlich mit der gegenteiligen Auffassung hervortreten könne. Wenn allerdings doch ein Arbeitsverhältnis bestehe, dann handele es sich um ein Abrufarbeitsverhältnis nach § 12 TzBfG und die Beklagte müsse die Klägerin lediglich zehn Stunden wöchentlich einsetzen(§ 12 Abs. 1 Satz 3 TzBfG).
- 9
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Das Arbeitsgericht hat über die Praxis der Heranziehung der Klägerin im Rahmen der Dienstplangestaltung Beweis erhoben und hinsichtlich des Antrags zu 1. nach Klageantrag erkannt, im Übrigen die Beklagte zur Beschäftigung der Klägerin im Umfang von 68 vH einer Vollzeitkraft verurteilt und die weiter gehende Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die allein von der Beklagten eingelegte Berufung zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf vollständige Klageabweisung weiter.
Entscheidungsgründe
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Die Revision hat keinen Erfolg. Die Vorinstanzen haben im Ergebnis richtig entschieden.
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A. Die Klage ist im noch zur Überprüfung durch den Senat stehenden Umfang begründet. Die Klägerin ist Arbeitnehmerin der Beklagten (zu I). Sie hat das Recht auf Feststellung des Arbeitnehmerstatus nicht verwirkt (zu II). Die Beklagte ist verpflichtet, die Klägerin als Cutterin im Umfang von 68 vH eines Vollzeitarbeitsverhältnisses zu beschäftigen (zu III).
- 12
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I. Die Klägerin ist mit der Beklagten durch einen unbefristeten Arbeitsvertrag, gerichtet auf die Leistung von Diensten als Cutterin, verbunden.
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1. Die Klägerin stand der Beklagten seit dem Jahr 2001 dauerhaft zur Leistung von Diensten als Cutterin zur Verfügung. Die Parteien haben den dem Leistungsaustausch zugrunde liegenden Vertrag nicht durch Abgabe ausdrücklicher übereinstimmender Willenserklärungen abgeschlossen. Ein Vertrag kann jedoch durch übereinstimmendes schlüssiges Verhalten (Realofferte und deren konkludente Annahme) zustande kommen (vgl. BGH 22. März 2012 - VII ZR 102/11 - Rn. 11, BGHZ 193, 10). So liegt es hier. Die Parteien haben über einen Zeitraum von mehreren Jahren einvernehmlich Dienstleistung und Vergütung ausgetauscht. Die Klägerin war nach Anforderung der Beklagten als Cutterin tätig und die Beklagte hat ihr dafür Vergütung gezahlt und weitere vertragliche Leistungen erbracht. Zwischen den Parteien bestand damit ein Dienstvertrag iSd. § 611 BGB(vgl. zum Dienstvertrag als Grundtyp des Arbeitsvertrags: MüKoBGB/Müller-Glöge 6. Aufl. § 611 Rn. 1 ff.; BeckOK BGB/Fuchs § 611 Rn. 1 ff. mwN). Davon geht auch die Beklagte aus. Allerdings handelte es sich nicht, wie die Beklagte meint, um einen freien Dienstvertrag, sondern um einen Arbeitsvertrag. Die entsprechende Würdigung des Landesarbeitsgerichts ist im Ergebnis nicht zu beanstanden.
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2. Das Landesarbeitsgericht ist zutreffend von den rechtlichen Grundsätzen ausgegangen, die das Bundesarbeitsgericht zur Abgrenzung eines Arbeitsverhältnisses von dem Rechtsverhältnis eines freien Dienstnehmers aufgestellt hat.
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a) Hiernach unterscheiden sich beide durch den Grad der persönlichen Abhängigkeit, in der sich der zur Dienstleistung Verpflichtete befindet. Arbeitnehmer ist, wer aufgrund eines privatrechtlichen Vertrags im Dienste eines anderen zur Leistung weisungsgebundener, fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet ist. Das Weisungsrecht kann Inhalt, Durchführung, Zeit, Dauer und Ort der Tätigkeit betreffen. Arbeitnehmer ist derjenige Mitarbeiter, der nicht im Wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann (vgl. § 84 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 HGB). Dabei sind alle Umstände des Einzelfalls in Betracht zu ziehen und in ihrer Gesamtheit zu würdigen. Der jeweilige Vertragstyp ergibt sich aus dem wirklichen Geschäftsinhalt. Die zwingenden gesetzlichen Regelungen für Arbeitsverhältnisse können nicht dadurch abbedungen werden, dass die Parteien ihrem Arbeitsverhältnis eine andere Bezeichnung geben. Der objektive Geschäftsinhalt ist den ausdrücklich getroffenen Vereinbarungen und der praktischen Durchführung des Vertrags zu entnehmen. Widersprechen sich Vereinbarung und tatsächliche Durchführung, ist letztere maßgebend (st. Rspr., vgl. zuletzt BAG 29. August 2012 - 10 AZR 499/11 - Rn. 14, 15).
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b) Diese Grundsätze sind auch im Bereich Funk und Fernsehen anzuwenden (BAG 20. Mai 2009 - 5 AZR 31/08 - Rn. 20 mwN), wobei der verfassungsrechtliche Schutz der Rundfunkfreiheit nach Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG zu beachten ist. Allgemein müssen die Gerichte Grundrechte interpretationsleitend berücksichtigen, damit deren wertsetzender Gehalt auch auf der Rechtsanwendungsebene gewahrt bleibt (vgl. BVerfG 15. Januar 1958 - 1 BvR 400/51 - zu II 1 der Gründe, BVerfGE 7, 198). Das verlangt im Hinblick auf Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG in der Regel eine fallbezogene Abwägung zwischen der Bedeutung der Rundfunkfreiheit auf der einen und dem Rang der von den Normen des Arbeitsrechts geschützten Rechtsgüter auf der anderen Seite(grundlegend BVerfG 13. Januar 1982 - 1 BvR 848/77 ua. - zu C II und III der Gründe, BVerfGE 59, 231; 18. Februar 2000 - 1 BvR 491/93 ua. - zu II 2 b bb der Gründe). Die Rundfunkfreiheit erstreckt sich auf das Recht der Rundfunkanstalten, dem Gebot der Vielfalt der zu vermittelnden Programminhalte auch bei der Auswahl, Einstellung und Beschäftigung derjenigen Mitarbeiter Rechnung zu tragen, die bei der Gestaltung der Programme mitwirken sollen (BVerfG 18. Februar 2000 - 1 BvR 491/93 ua. - zu II 2 b aa der Gründe). Es ist von Verfassungs wegen nicht ausgeschlossen, auch im Rundfunkbereich von den für das Arbeitsrecht allgemein entwickelten Merkmalen abhängiger Arbeit auszugehen (BVerfG 18. Februar 2000 - 1 BvR 491/93 ua. -; 22. August 2000 - 1 BvR 2121/94 - zu 2 der Gründe). Allerdings muss das durch Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG geschützte Recht der Rundfunkanstalten, frei von fremder Einflussnahme über die Auswahl, Einstellung und Beschäftigung programmgestaltender Mitarbeiter zu bestimmen, angemessen berücksichtigt werden. Eine Beeinträchtigung kommt nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts in Betracht, wenn die verfügbaren Vertragsgestaltungen - wie Teilzeitbeschäftigungs- oder Befristungsabreden - zur Sicherung der Aktualität und Flexibilität der Berichterstattung in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht nicht in gleicher Weise geeignet sind wie die Beschäftigung in freier Mitarbeit (vgl. BVerfG 18. Februar 2000 - 1 BvR 491/93 ua. - zu II 2 c bb der Gründe).
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c) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist als „programmgestaltend“ der Kreis derjenigen Rundfunkmitarbeiter anzusehen, „die an Hörfunk- und Fernsehsendungen inhaltlich gestaltend mitwirken. Das gilt namentlich, wenn sie typischerweise ihre eigene Auffassung zu politischen, wirtschaftlichen, künstlerischen oder anderen Sachfragen, ihre Fachkenntnisse und Informationen, ihre individuelle künstlerische Befähigung und Aussagekraft in die Sendung einbringen, wie dies bei Regisseuren, Moderatoren, Kommentatoren, Wissenschaftlern und Künstlern der Fall ist.“ Nicht zu den programmgestaltenden Mitarbeitern gehören das betriebstechnische und das Verwaltungspersonal sowie diejenigen, die zwar bei der Verwirklichung des Programms mitwirken, aber keinen inhaltlichen Einfluss darauf haben (BVerfG 13. Januar 1982 - 1 BvR 848/77 ua. - zu C II 1 b der Gründe, BVerfGE 59, 231; BAG 19. Januar 2000 - 5 AZR 644/98 - zu B III 2 a der Gründe, BAGE 93, 218).
- 18
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d) Auch bei programmgestaltenden Mitarbeitern kann entgegen der ausdrücklich getroffenen Vereinbarung ein Arbeitsverhältnis vorliegen, wenn sie weitgehenden inhaltlichen Weisungen unterliegen, ihnen also nur ein geringes Maß an Gestaltungsfreiheit, Eigeninitiative und Selbstständigkeit verbleibt, und der Sender innerhalb eines zeitlichen Rahmens über ihre Arbeitsleistung verfügen kann. Letzteres ist dann der Fall, wenn ständige Dienstbereitschaft erwartet wird oder wenn der Mitarbeiter in nicht unerheblichem Umfang auch ohne entsprechende Vereinbarung durch Dienstpläne herangezogen wird, ihm also die Arbeiten letztlich zugewiesen werden (BAG 20. Mai 2009 - 5 AZR 31/08 - Rn. 22 mwN).
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e) Bei nicht programmgestaltenden Mitarbeitern von Rundfunkanstalten ist die Arbeitnehmereigenschaft anhand der allgemeinen Kriterien zu prüfen. Auch sie können je nach Lage des Falls freie Mitarbeiter sein. Das Bundesarbeitsgericht hat verschiedentlich ausgeführt, nicht programmgestaltende Tätigkeit in Rundfunkanstalten lasse sich regelmäßig nur in Arbeitsverhältnissen ausführen (BAG 30. November 1994 - 5 AZR 704/93 - zu B II 3 der Gründe mwN, BAGE 78, 343). Soweit darin die Aufstellung einer verbindlichen rechtlichen Regel zu sehen wäre, hält der Senat daran nicht fest. In Wahrheit handelte es sich bei jener Aussage nicht um einen Rechtssatz in dem Sinne, dass mit dem Fehlen der programmgestaltenden Qualität eines Rundfunkmitarbeiters zugleich dessen Status als Arbeitnehmer feststünde und es entbehrlich wäre, die Arbeitnehmereigenschaft von nicht programmgestaltenden Mitarbeitern anhand der allgemeinen Kriterien zu überprüfen. Vielmehr ist die genannte Aussage lediglich als Hinweis auf einen Erfahrungswert zu verstehen: So werden nicht programmgestaltende Mitarbeiter häufiger die Kriterien eines Arbeitnehmers erfüllen, als es bei programmgestaltenden Mitarbeitern zu erwarten ist.
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f) An der Unterscheidung zwischen programmgestaltender und nicht programmgestaltender Tätigkeit in diesem Sinne hält der Senat fest. Die Unterscheidung ist deswegen von Bedeutung, weil bestimmte Gegebenheiten je nachdem, ob es sich um programmgestaltende Mitarbeiter handelt oder nicht, unterschiedlichen Aussagewert im Hinblick auf den Arbeitnehmerstatus haben können. Die rechtliche Differenzierung findet ihre Grundlage in erheblichen tatsächlichen Unterschieden der Arbeit in einer Rundfunkanstalt. So wird die zeitliche und räumliche Einbindung bei programmgestaltenden Mitarbeitern oft nicht ohne Weiteres als Hinweis auf eine Leistung in persönlicher Abhängigkeit gewertet werden können. Es ist zB ein Unterschied, ob ein Mitarbeiter als Nachrichtentechniker in einem Tonarchiv zu festgelegten Zeiten ihm vorgeschriebene archivarische Leistungen zu erbringen hat oder ob er sich zu bestimmten Zeiten in einem Studio einzufinden und dort humoristische Beiträge individuell extemporierend zu gestalten hat, die für das Programm derart prägend sind, dass in der öffentlichen Wahrnehmung der Sender mit der Stimme des Sprechers nachgerade identifiziert wird (vgl. dazu BAG 8. November 2006 - 5 AZR 706/05 - BAGE 120, 104).
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3. Gemessen an diesen Grundsätzen ist die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, dass die Parteien in einem Arbeitsverhältnis zueinander stehen, revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Das Landesarbeitsgericht hat die maßgeblichen rechtlichen Gesichtspunkte widerspruchsfrei und vollständig berücksichtigt. Es hat überdies die erforderliche Gesamtwürdigung der in Betracht kommenden Tatsachen vorgenommen.
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a) Die Klägerin ist nicht programmgestaltende Mitarbeiterin der Beklagten. Ihr Einfluss auf den Inhalt der ausgestrahlten Beiträge ist gering. Sie kann weder die Themen bestimmen noch das zu bearbeitende Bild- und Tonmaterial. Beides wird vorgegeben. Aus dem Bild- und Tonmaterial muss eine Auswahl getroffen werden, die aber im Wesentlichen durch das Thema, die vorgegebene Länge des Beitrags und die Vorstellung des jeweiligen Redakteurs oder Autors von der zu übermittelnden „Botschaft“ geprägt ist, nicht aber von inhaltlichen Vorstellungen oder vom Formwillen der Klägerin. Dass und in welcher Form die Klägerin auch nur einen der von ihr bearbeiteten Beiträge maßgeblich nach eigenen ästhetischen oder inhaltlichen Konzepten gestaltet hätte, hat das Landesarbeitsgericht nicht festgestellt. Wenn auch die Tätigkeit einer Cutterin künstlerische Fähigkeiten voraussetzt, so ist sie doch nicht allein um deswillen zwangsläufig programmgestaltend (vgl. zur Geigerin in einem Orchester: BVerfG 13. Januar 1982 - 1 BvR 848/77 ua. - zu C IV der Gründe, BVerfGE 59, 231). Abgesehen davon ist nicht ersichtlich, welche schnittkünstlerische Handschrift die Klägerin den von ihr bearbeiteten Beiträgen gegeben haben sollte, wie sich diese besondere Note von anderen Gestaltungsmöglichkeiten unterschied und inwiefern sie als formale oder inhaltliche Programmaussage gewirkt haben könnte. Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht in diesem Zusammenhang auch darauf hingewiesen, dass die Klägerin keine Möglichkeit hatte, etwa die Aussage eines Films zu verändern, indem sie die vom Filmautor gewünschten Passagen gegen andere austauschte, sei es aus ästhetischen, sei es aus inhaltlichen Gründen. Dass bei anderen Filmformaten, etwa Spielfilmen oder ambitionierten Dokumentarfilmen, die Schnittmeisterin uU eine andere, nämlich bestimmende Rolle spielen kann, ist für den Streitfall nicht entscheidend. Es ist nicht erkennbar, dass die Klägerin an solchen Vorhaben gearbeitet hätte.
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b) Da die Klägerin nicht programmgestaltende Mitarbeiterin der Beklagten ist, ist ihre Arbeitnehmereigenschaft anhand der allgemeinen Kriterien zu ermitteln. Deren Anwendung führt zum Ergebnis, dass die Klägerin zur Beklagten im Arbeitsverhältnis steht.
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aa) Die Klägerin ist fachlich weisungsgebunden. Sie hat den Schnitt so vorzunehmen, wie es den Vorstellungen des jeweiligen Autors oder Redakteurs entspricht. Soweit technische Fragen in Betracht kommen, mag die Klägerin auch eigene Vorstellungen in die Realisierung einbringen. Dass sie auf die Gestaltung der betreffenden Beiträge einen inhaltlich oder formal maßgeblichen Einfluss ausübt oder ausüben könnte, ist - wie ausgeführt - nicht ersichtlich.
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bb) Die Klägerin ist bei ihrer Tätigkeit örtlich gebunden. Wenn sie Dienst verrichtet, hat das ausschließlich an dem von der Beklagten dafür vorgesehenen Ort zu geschehen. Diese räumliche Gebundenheit beruht auf einer - zwar stillschweigenden, aber nicht zwingend vorgegebenen - Entscheidung der Beklagten, den Schnitt in eigenen Räumen vornehmen zu lassen. Externe Schnittstudios werden auf dem Markt zur Miete angeboten. Es besteht für Rundfunkanstalten keine Notwendigkeit, Schnittarbeiten im Hause erledigen zu lassen. Geschieht es dennoch, so ist die räumliche Einbindung auch Ausdruck des engen, von der Beklagten gestalteten Arbeitszusammenhangs, dem die Klägerin bei Ausübung ihrer Arbeit unterworfen ist.
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cc) Die Klägerin ist auch ansonsten in die Arbeitsorganisation bei der Beklagten eingebunden. Sie verrichtet ihre Tätigkeit nicht allein, sondern hat sowohl mit Redakteuren und Autoren als auch mit technischen Mitarbeitern der Beklagten zusammenzuwirken. Dies geschieht unter Inanspruchnahme der von der Beklagten zur Verfügung gestellten und nach ihren Vorstellungen eingerichteten technischen Einrichtungen und gemäß den von ihr aufgestellten arbeitsorganisatorischen Vorgaben. Auch diese Einbindung ist Ausdruck des Willens der Beklagten, die Schnittarbeit in den von ihr gestalteten Arbeitszusammenhang einzupassen und sie damit zu lenken und zu beherrschen.
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dd) Die zeitliche Weisungsgebundenheit der Klägerin ist insoweit strikt, als sie nur im Rahmen der von der Beklagten für alle Cutterinnen und Cutter vorgeschriebenen Schichtpläne arbeiten kann. Die Anfangs- und Endzeiten ihrer Schichten und die Reihenfolge der Arbeiten an den Tagen, an denen sie Dienst tut, liegen fest und die Klägerin muss sich daran halten. Insoweit gibt die Klägerin ihre Zeitsouveränität auf und fügt sich in den von der Beklagten vorgegebenen Arbeitsrhythmus ein. Sie hat keine Möglichkeit, die Schicht nach Bedarf etwas früher oder später anzutreten, als es in den Dienstplänen vorgesehen ist. Sie kann ebenso wenig die Reihenfolge der Arbeiten selbst bestimmen oder die Arbeit nach eigenen zeitlichen Bedürfnissen unterbrechen, verschieben usw. Sie muss sich vielmehr in das festgelegte Zeitraster einfügen. Indes bestand für die Klägerin insoweit ein für Arbeitsverhältnisse hohes Maß an Ungebundenheit in zeitlicher Hinsicht, als sie grundsätzlich die Übernahme von Diensten ablehnen konnte, dies offenbar mitunter auch getan hat und jedenfalls gelegentlich nicht ohne Weiteres für die Beklagte erreichbar war. Auch diesen Umstand hat aber das Landesarbeitsgericht in seine Gesamtbetrachtung einbezogen und bewertet. Zu Recht hat es gemeint, dass die Möglichkeit der Klägerin die Übernahme von Diensten abzulehnen, hier nicht die Bejahung der Arbeitnehmereigenschaft hindert. Die Einbindung in einseitig bestimmte Dienstpläne ist weder notwendige noch hinreichende Bedingung für die Arbeitnehmereigenschaft. Vielmehr sind die Besonderheiten der jeweiligen Handhabung zu beachten. Im Streitfall hat die Klägerin zwar gelegentlich, keineswegs aber regelhaft von ihrem Ablehnungsrecht Gebrauch gemacht; es wurde nicht etwa „von Fall zu Fall“ jeweils neu entschieden, sondern die Beklagte ging grundsätzlich davon aus, dass die angebotenen Schichten übernommen wurden. Das zeigt sich ua. daran, dass die Klägerin Dienste kurzfristig schriftlich zugewiesen erhielt, ohne dass die Beklagte noch eine besondere Bestätigung eingeholt hätte. Weiter hat das Landesarbeitsgericht zu Recht berücksichtigt, dass die Beklagte auch von fest angestellten Cuttern nicht bedingungslose Befolgung jeder Diensteinteilung erwartete, sondern - zB bei persönlichen Animositäten zwischen Cutter und Redakteur oder Autor - auf die Wünsche der Cutter Rücksicht nahm. Dies zeigt, dass kein statusrelevanter fundamentaler Unterschied zwischen der zeitlichen Einbindung der festen und der „freien“ Cutter bei der Beklagten besteht, sondern dass es sich um Schattierungen und fließende Übergänge handelt. Vor allem aber ist zu berücksichtigen, dass die Klägerin ohnehin nicht im Umfang einer Vollzeitkraft eingesetzt wird. Schließlich kann die Beklagte auch von fest angestellten Teilzeitbeschäftigten nur in begrenztem Rahmen erwarten, dass sie auf Abruf ohne Weiteres zur Verfügung stehen (§ 12 Abs. 2 TzBfG).
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ee) Jedenfalls ist es nicht zu beanstanden, dass das Landesarbeitsgericht in der Gesamtbetrachtung die auf den Arbeitnehmerstatus deutenden Umstände als deutlich vorherrschend angesehen und dem freilich nicht zu leugnenden Maß zeitlicher Unabhängigkeit der Klägerin in dem festgestellten Zusammenhang keine entscheidende Bedeutung zugemessen hat.
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4. Soweit die Revision geltend macht, hinsichtlich des Beginns des Arbeitsverhältnisses im Jahr 2001 sei kein Feststellungsinteresse gegeben, kann sie keinen Erfolg haben. Die Feststellung des Beginns des Arbeitsverhältnisses kann für etwaige hieran anknüpfende Ansprüche der Klägerin Bedeutung gewinnen. Damit ist ein Feststellungsinteresse gegeben.
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II. Die Klägerin handelt nicht missbräuchlich, indem sie sich auf das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses beruft.
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1. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (vgl. BAG 8. November 2006 - 5 AZR 706/05 - Rn. 21, BAGE 120, 104; 4. Dezember 2002 - 5 AZR 556/01 - zu II 4 a der Gründe, BAGE 104, 86) kann sich ein Beschäftigter gegenüber seinem Vertragspartner nicht darauf berufen, zu ihm in einem Arbeitsverhältnis zu stehen, wenn dies unter dem Gesichtspunkt des widersprüchlichen Verhaltens rechtsmissbräuchlich geschähe. Wer durch seine Erklärung oder durch sein Verhalten bewusst oder unbewusst eine Sach- oder Rechtslage geschaffen hat, auf die sich der andere Teil verlassen durfte und verlassen hat, darf den anderen Teil in seinem Vertrauen nicht enttäuschen. Es würde gegen Treu und Glauben verstoßen und das Vertrauen im Rechtsverkehr untergraben, wenn es erlaubt wäre, sich nach Belieben mit seinen früheren Erklärungen und seinem früheren Verhalten in Widerspruch zu setzen. Das widersprüchliche Verhalten ist rechtsmissbräuchlich, wenn für den anderen Teil ein schützenswerter Vertrauenstatbestand geschaffen worden ist oder wenn andere besondere Umstände die Rechtsausübung als treuwidrig erscheinen lassen.
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2. Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, treuwidriges Verhalten der Klägerin liege nicht vor, ist nach diesen Maßgaben nicht zu beanstanden. Die Klägerin hat sich nicht widersprüchlich verhalten. Sie hat lediglich die Beschäftigung so angenommen, wie sie von der Beklagten geboten wurde. Daraus konnte die Beklagte nicht schlussfolgern, der Klägerin wäre es unangenehm als fest angestellte Cutterin zu arbeiten oder sie wünsche das nicht. Aus den Einsatzzeiten der Klägerin war ersichtlich, dass sie nicht für andere Auftraggeber tätig war. Umstände, die auf ein besonderes Interesse der Klägerin am Status einer freien Mitarbeiterin schließen ließen, sind nicht erkennbar. Ein Vertrauenstatbestand ist nicht geschaffen worden. Auf die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Köln vom 14. Mai 2003 (- 7 Sa 863/02 -) kann sich die Beklagte in diesem Zusammenhang schon deshalb nicht berufen, weil diese Entscheidung sich nicht zur Frage der treuwidrigen Berufung auf die Arbeitnehmereigenschaft äußerte, sondern bereits ein Arbeitsverhältnis für nicht gegeben hielt.
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III. Die Klage ist auch mit dem Beschäftigungsantrag begründet. Das Landesarbeitsgericht hat - wie schon das Arbeitsgericht - angenommen, die Arbeitszeit sei mit 68 vH einer Vollzeitkraft vereinbart worden. Es hat deshalb die Beklagte in diesem Umfang zur Beschäftigung der Klägerin verurteilt. Das ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
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1. Haben die Parteien - wie im Streitfall - einen Arbeitsvertrag nicht durch den Austausch ausdrücklicher Willenserklärungen, sondern durch Realofferte und deren Annahme geschlossen, kann für die Bestimmung der regelmäßigen vertraglichen Arbeitszeit auf das gelebte Rechtsverhältnis als Ausdruck des wirklichen Parteiwillens abgestellt werden (BAG 26. September 2012 - 10 AZR 336/11 - Rn. 14; 25. April 2007 - 5 AZR 504/06 - Rn. 12 ff.). Dabei entspricht, wenn der Beurteilung eine mehrjährig übereinstimmend und ohne entgegenstehende Bekundungen geübte Vertragspraxis zugrunde liegt, die vom Landesarbeitsgericht angewandte Referenzmethode am ehesten dem durch tatsächliche Befolgung geäußerten Parteiwillen. Sie vermeidet die Überbetonung von auf Zufälligkeiten beruhenden Ausschlägen nach oben und unten.
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2. Auch der vom Landesarbeitsgericht gewählte Referenzzeitraum der Jahre von 2002 bis 2008, in denen die Parteien ohne erkennbare Sondereinflüsse regelmäßig zusammengearbeitet haben, ist nicht zu beanstanden. Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht das Jahr der Klageerhebung (2010) und das Jahr 2009 außer Acht gelassen, in dem die Klägerin wegen einer Krankheit weitgehend arbeitsunfähig war. Aus der Nichtbeschäftigung in längeren Krankheitszeiten kann kein Rückschluss auf den die Dauer der regelmäßigen Arbeitszeit betreffenden Parteiwillen gezogen werden.
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3. Die auch rechnerisch richtige Ermittlung der regelmäßigen Arbeitszeit wird von der Beklagten im Übrigen nur insoweit angegriffen, als sie auf dem Standpunkt steht, sie sei nach § 12 Abs. 1 Satz 3 TzBfG nur zur Beschäftigung im Umfang von zehn Wochenstunden verpflichtet. Das ist jedoch schon deshalb nicht richtig, weil die Parteien eine höhere Arbeitszeit vereinbart haben. Es kommt nicht darauf an, ob die Beklagte nach den konkludenten vertraglichen Abreden die Arbeitsleistung - anders als sie selbst geltend macht - abrufen, also deren Lage einseitig bestimmen darf.
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B. Die Kosten der Revision fallen der Beklagten nach § 97 Abs. 1 ZPO zur Last.
-
Mikosch
Mestwerdt
Schmitz-Scholemann
Simon
Trümner
Betriebstätte ist jede feste Geschäftseinrichtung oder Anlage, die der Tätigkeit eines Unternehmens dient. Als Betriebstätten sind insbesondere anzusehen:
- 1.
die Stätte der Geschäftsleitung, - 2.
Zweigniederlassungen, - 3.
Geschäftsstellen, - 4.
Fabrikations- oder Werkstätten, - 5.
Warenlager, - 6.
Ein- oder Verkaufsstellen, - 7.
Bergwerke, Steinbrüche oder andere stehende, örtlich fortschreitende oder schwimmende Stätten der Gewinnung von Bodenschätzen, - 8.
Bauausführungen oder Montagen, auch örtlich fortschreitende oder schwimmende, wenn - a)
die einzelne Bauausführung oder Montage oder - b)
eine von mehreren zeitlich nebeneinander bestehenden Bauausführungen oder Montagen oder - c)
mehrere ohne Unterbrechung aufeinander folgende Bauausführungen oder Montagen
länger als sechs Monate dauern.
Tenor
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Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 10. Juni 2009 wird zurückgewiesen.
-
Die Beklagte hat der Klägerin deren außergerichtliche Kosten auch für das Revisionsverfahren zu erstatten.
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Im Übrigen sind Kosten nicht zu erstatten.
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Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf 6500 Euro festgesetzt.
Tatbestand
- 1
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Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beigeladene zu 1. in der von ihr für einen privaten "Pflegedienst" ausgeübten Tätigkeit als hauswirtschaftliche Familienbetreuerin der Versicherungspflicht in der Sozialversicherung und in der Arbeitslosenversicherung unterlag.
- 2
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Die Klägerin gehört zu einer Unternehmensgruppe, die im Bereich der ambulanten "Pflege und Betreuung" bundesweit tätig ist. Ihr Unternehmensziel ist darauf gerichtet, zumeist älteren und gesundheitlich eingeschränkten Personen ("Pflegebedürftigen"; im Folgenden: Betreuten) einen ua bis zu 24 Stunden täglich dauernden, umfassenden Service durch einen hauswirtschaftlichen Familienbetreuer bzw eine hauswirtschaftliche Familienbetreuerin ("Pflegepartner") anzubieten. Nach Unterweisung in einer von der Unternehmensgruppe betriebenen Aus- und Weiterbildungseinrichtung, die von den Pflegepartnern teilweise selbst bezahlt werden muss, und nach Herstellung eines Kontakts zu den Betreuten durch eine bei der Klägerin angestellte examinierte Krankenschwester führen die Pflegepartner im Rahmen eines regelmäßig 14-tägigen Einsatzes den Haushalt der Betreuten im heimischen Umfeld und übernehmen ggf weitere Dienstleistungen - auch im Sinne von "Gesellschaft" und "Unterhaltung" - nach den jeweiligen Bedürfnissen des Betreuten. Die Pflegepartner erbrachten in den Jahren 2001 und 2002 keine Leistungen der sozialen Pflegeversicherung. Auch war die Klägerin seinerzeit keine durch Versorgungsvertrag zugelassene ambulante Pflegeeinrichtung.
- 3
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Die Beigeladene zu 1., die nach ihrer - wie vorbeschrieben durchgeführten - Unterweisung ein Gewerbe "Hauswirtschaftliche Betreuung" angemeldet hatte, übte vom 18.1.2001 bis 1.7.2002 mit Unterbrechungen allein für die Rechtsvorgängerin der Klägerin (im Folgenden vereinfachend: Klägerin) eine Tätigkeit als hauswirtschaftliche Familienbetreuerin aus. Später - nach ihrer Lösung von der Klägerin - arbeitete sie parallel für mehrere andere private Pflegedienste. Während zwischen der Klägerin und den Betreuten ein schriftlicher Pflege- und Betreuungsvertrag abgeschlossen wurde, erfolgten die "Einsatzaufträge" der Klägerin an die Beigeladene zu 1. lediglich fernmündlich von Mal zu Mal. Die Beigeladene zu 1. erteilte hierüber schriftliche Auftragsbestätigungen. Weitergehende schriftliche Verträge über die einzelnen Einsätze bestanden nicht, ebenso wenig existierte eine schriftliche Rahmenvereinbarung. Eine Verpflichtung der Klägerin, "Einsatzaufträge" zu erteilen, bestand nicht. Ebenso konnte die Beigeladene zu 1. ihr angebotene Einsätze ohne Begründung und ohne Folgen für spätere Einsatzoptionen ablehnen oder abbrechen oder verlängern. Aus einem laufenden Einsatz konnte sie von der Klägerin nicht abgezogen und einem anderen Kunden zugeteilt werden. Die Beigeladene zu 1. kalkulierte den Aufwand für sich selbst - gemessen an den an ihre Tätigkeit gestellten Anforderungen - ggf neu, verhandelte mit der Klägerin über die Vergütung und stellte dieser stets nach Abschluss ihrer Einsätze Rechnungen auf der Grundlage der - entsprechend vorher vereinbarten - pauschalierten Vergütung in Form von Tagessätzen (150 bis 170 DM bzw 87 Euro) aus. Während des Einsatzes dokumentierte die Beigeladene zu 1. die von ihr erbrachten Leistungen ("Pflegenachweis, Leistungsnachweis"). Eine vertragliche Verpflichtung zur Führung solcher Dokumentationen bestand im Verhältnis zur Klägerin nicht. Die examinierte Kraft ("Leitung des Pflegedienstes", "Einsatzleitung") kontrollierte diese Dokumentationen nicht. Eine Aufnahme der Beigeladenen zu 1. in einen von der Klägerin aufgestellten, alle Pflegepartner umfassenden Einsatzplan erfolgte nicht. Im Verhinderungsfall durfte sie - in Absprache mit der Klägerin - eine entsprechend qualifizierte Vertretung einsetzen. Für den Fall der "Kundeninsolvenz" hatten Klägerin und Beigeladene zu 1. einen Selbstbehalt Letzterer von 200 Euro je Rechnung ("Gewährleistungssumme") vereinbart, ebenso, dass bei Honorarkürzungen wegen Schlechtleistung diese von der Klägerin als Abzüge von der Vergütung an die Beigeladene zu 1. weitergegeben werden durften. Die Beigeladene zu 1. erzielte in den Jahren 2001 und 2002 Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von 19 706 DM bzw 6686 Euro.
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Im November 2000 beantragte die Beigeladene zu 1. bei der Rechtsvorgängerin des beklagten Rentenversicherungsträgers (Deutsche Rentenversicherung Bund) ua die "Feststellung des sozialversicherungsrechtlichen Status". Mit zwei Bescheiden vom 10.2.2003 stellte die Beklagte gegenüber der Klägerin und der Beigeladenen zu 1. fest, dass die Beigeladene zu 1. ihre Tätigkeit als hauswirtschaftliche Pflegerin und Betreuerin im Rahmen eines abhängigen und damit dem Grunde nach sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt habe. Beide legten hiergegen Widerspruch mit der Begründung ein, dass die Beigeladene zu 1. für die Klägerin selbstständig tätig gewesen sei. Mit Widerspruchsbescheiden vom 17.12.2004 wies die Beklagte die Widersprüche zurück.
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Mit Urteil vom 4.6.2007 hat das SG der von der Klägerin erhobenen Klage stattgegeben und den sie betreffenden Bescheid in der Gestalt des Widerspruchsbescheides aufgehoben sowie festgestellt, dass die Beigeladene zu 1. "im Zeitraum ihrer Tätigkeit für die Klägerin nicht in einem Beschäftigungsverhältnis zu dieser gestanden hat". Während der mündlichen Verhandlung im Berufungsverfahren hat die Beklagte die genannten Bescheide mit Bescheid vom 10.6.2009 "ergänzt" und festgestellt, dass die Beigeladene zu 1. "in der Zeit zwischen dem 18.1.2001 bis zum 1.7.2002 mit Unterbrechungen in den Zeiten ihrer Beschäftigung für die Klägerin versicherungspflichtig zu allen Zweigen der gesetzlichen Sozialversicherung war" und "Beginn der Versicherungspflicht … der 18.1.2001 ist".
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Auf die Berufung der Beklagten hat das LSG - nach umfangreichen Ermittlungen - mit Urteil vom 10.6.2009 das Urteil des SG geändert. Über die im erstinstanzlichen Verfahren angefochtenen Bescheide hinaus hat es auch den "ergänzenden" Bescheid vom 10.6.2009 aufgehoben. Das LSG hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen und festgestellt, dass die Beigeladene zu 1. in ihrer Tätigkeit für die Klägerin als hauswirtschaftliche Familienbetreuerin in den im Tenor näher bezeichneten Zeiträumen "nicht als Arbeitnehmerin versicherungspflichtig zur gesetzlichen Renten-, Krankenversicherung, zur sozialen Pflegeversicherung sowie zur Arbeitslosenversicherung war". Es hat seine zurückweisende Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet: Die Beigeladene zu 1. habe in der streitigen Zeit nach dem Gesamtbild ihrer Tätigkeit in keinem die Versicherungspflicht begründenden Beschäftigungsverhältnis zur Klägerin gestanden. Die mündlichen Abreden zwischen der Klägerin und der Beigeladenen zu 1. sprächen als starke Indizien für das Vorliegen einer selbstständigen Tätigkeit. Die vereinbarten Einzelheiten machten den Willen der Beteiligten deutlich, eine selbstständige Tätigkeit der Beigeladenen zu 1. zu begründen. Die - gewollte - sozialversicherungsrechtliche Selbstständigkeit sei auch tatsächlich umgesetzt worden. So habe die Beigeladene zu 1. angebotene Einsätze ablehnen können, über die Höhe des Vergütungsanspruchs verhandelt und nach Abschluss des Einsatzes wie ein Unternehmer Rechnungen geschrieben. Der Klägerin habe - auch über die von ihr eingesetzte examinierte Kraft - keine Weisungsbefugnis zugestanden. Eine ständige Dienstbereitschaft der Beigeladenen zu 1. sei nicht erwartet gewesen; diese habe ihre Dienstleistungen auch nicht in den Betriebsräumen der Klägerin erbracht. Die Beigeladene zu 1. habe schließlich ein Unternehmerrisiko getragen, etwa weil sie bei "Kundeninsolvenz" weniger Vergütung erhalten und Ausbildung und Fortbildungen selbst bezahlt habe. Dass gewisse "Eckpunkte" des jeweiligen Auftrags von der Klägerin und von den Betreuten vorgegeben gewesen seien, stehe der Annahme von Selbstständigkeit indes nicht entgegen, ebenso wenig, dass die Beigeladene zu 1. Pflegedokumentationen geführt habe. Im konkreten, hier allein zu entscheidenden Fall seien diese von der Klägerin bzw der für sie tätigen examinierten Kraft lediglich zur Kenntnis genommen worden. Auch könne aus der Begründung aufeinanderfolgender, relativ kurzer Vertragsverhältnisse nicht auf das Vorliegen von Beschäftigung geschlossen werden. In diesem Sinne habe die Beigeladene zu 1. nur stets aufs Neue ihre Entschließungsfreiheit betätigt, eine weitere Vertragsbeziehung begründen zu wollen.
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Die Beklagte wendet sich hiergegen mit der vom LSG zugelassenen Revision und rügt sinngemäß eine Verletzung von § 7 Abs 1 SGB IV: Nach dem Gesamtbild sprächen die Kriterien überwiegend für das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung. Die Beigeladene zu 1. sei in die Arbeitsorganisation der Klägerin eingeordnet, weisungsgebunden und ohne Unternehmerrisiko tätig gewesen. Die Führung der Pflegedokumentationen, zu der die Beigeladene zu 1. aufgrund des mit den Betreuten abgeschlossenen Pflege- und Betreuungsvertrags mittelbar verpflichtet gewesen sei, und das Prozedere beim Wechsel der Pflegepartner zeigten, dass die Beigeladene zu 1. Teil in der Kette der den jeweiligen Betreuten zur Verfügung gestellten Pflegepartner und damit in die Arbeitsorganisation der Klägerin eingegliedert gewesen sei. Das ergebe sich auch aus deren Teilnahme am Gruppenversicherungsvertrag der Klägerin für die Berufshaftpflichtversicherung. Weil sie ihre Aufträge ausschließlich durch Vermittlung der Klägerin erhalten und sich die Betreuungstätigkeit nach den Wünschen der Betreuten gerichtet habe, sei die Beigeladene zu 1. auch - im Verhältnis zu diesen - weisungsgebunden gewesen. Ein Unternehmerrisiko der Beigeladenen zu 1. habe schließlich nicht bestanden. Dieses folge weder aus dem Umstand, dass die Beigeladene zu 1. Aufträge habe ablehnen dürfen, noch daraus, dass von der Klägerin eine "Gewährleistungssumme" für den Fall der "Kundeninsolvenz" habe einbehalten werden dürfen.
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Die Beklagte beantragt,
die Urteile des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 10. Juni 2009 und des Sozialgerichts Duisburg vom 4. Juni 2007 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
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Die Klägerin beantragt,
die Revision der Beklagten zurückzuweisen.
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Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Aus dem Vertragsverhältnis zwischen ihr und der Beigeladenen zu 1. lasse sich eine Weisungs- und/oder Kontrollbefugnis nicht herleiten. Pflegedokumentationen seien ein Arbeitsmittel der professionellen Pflege und ließen keinen Rückschluss auf den Status der sie Führenden zu. Ebenso wenig spreche die Teilnahme an einem Gruppenversicherungsvertrag für eine abhängige Beschäftigung.
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Die Beigeladenen stellen keine Anträge und äußern sich auch nicht in der Sache.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Revision des beklagten Rentenversicherungsträgers (Deutsche Rentenversicherung Bund) ist unbegründet. Zutreffend hat das LSG zunächst - auf Klage - auch den während des Berufungsverfahrens erlassenen "ergänzenden" Bescheid der Beklagten vom 10.6.2009 aufgehoben. Ohne dass dies revisionsrechtlich zu beanstanden ist, hat es sodann die Berufung der Beklagten gegen das der Klage stattgebende Urteil des SG mit den im Tenor genannten, auf die Zeiten der einzelnen Betreuungseinsätze vorgenommenen Einschränkungen zurückgewiesen und das erstinstanzliche Urteil insoweit geändert. Der ursprüngliche Bescheid der Beklagten vom 10.2.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.12.2004 und ihres "ergänzenden" Bescheids vom 10.6.2009 ist rechtswidrig. Wie das LSG ohne Rechtsfehler entschieden hat, hat sie darin unzutreffend festgestellt, dass die Beigeladene zu 1. in den streitigen Zeiträumen in ihrer für den privaten "Pflegedienst" der Rechtsvorgängerin der Klägerin (im Folgenden vereinfachend: Klägerin) ausgeübten Tätigkeit als hauswirtschaftliche Pflegerin und Betreuerin wegen einer Beschäftigung in den Zweigen der Sozialversicherung und in der Arbeitslosenversicherung versicherungspflichtig war.
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1. Im Revisionsverfahren zu überprüfen ist vom Senat auch der während der mündlichen Verhandlung im Berufungsverfahren von der Beklagten erlassene Bescheid vom 10.6.2009. Dieser hat die bis dahin angefochtenen Bescheide über die darin vorgenommene (unzulässige) Elementenfeststellung des Bestehens einer Beschäftigung hinaus in ihrem Verfügungssatz um die notwendigen (vgl BSGE 103, 17 = SozR 4-2400 § 7a Nr 2, Leitsatz und RdNr 11 ff; BSG Urteil vom 4.6.2009 - B 12 R 6/08 R - Juris RdNr 13 ff) Feststellungen zum Vorliegen von Versicherungspflicht und ihres Beginns "ergänzt". Wird in einem solchen Fall ein wegen der Feststellung eines (unselbstständigen) Tatbestandselements unvollständiger Verwaltungsakt durch einen weiteren Verwaltungsakt um das fehlende (andere) Element zu einer vollständigen Feststellung ergänzt - und damit auch erst einer inhaltlichen, materiell-rechtlichen Überprüfung durch das bereits angerufene Gericht zugänglich gemacht -, so liegt darin eine insgesamt erneuernde Feststellung mit der Folge, dass der zweite Verwaltungsakt den ersten iS von § 96 Abs 1 SGG(iVm § 153 Abs 1 SGG) ersetzt.
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Im Revisionsverfahren nicht zu entscheiden ist demgegenüber, ob die Beigeladene zu 1. für den Fall, dass für sie in ihrer Tätigkeit als hauswirtschaftliche Familienbetreuerin eine Versicherungspflicht wegen Beschäftigung bei der Klägerin nicht festzustellen ist, bei den jeweils von ihr Betreuten versicherungspflichtig beschäftigt war. Ebenso ist hier nicht zu überprüfen, ob die Beigeladene zu 1. - was bei Annahme einer selbstständigen Tätigkeit in Betracht kommt - jedenfalls der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung nach einem der Tatbestände des § 2 Satz 1 SGB VI unterlag. Zutreffend hat das LSG insoweit ausgeführt, dass in dem auf die Feststellung der Sozialversicherungspflicht Beschäftigter gerichteten Anfrageverfahren nach § 7a SGB IV allein geklärt werden sollte, ob die Beigeladene zu 1. bei der Klägerin wegen Beschäftigung iS von § 7 Abs 1 SGB IV versicherungspflichtig war, und dass eine Feststellung des (Nicht-)Bestehens von Versicherungspflicht in der Rentenversicherung der Selbstständigen, die eine Prüfung der Voraussetzungen der § 2 Satz 1, § 5 Abs 2 Satz 1 Nr 2 SGB VI erfordert, deshalb vom Streitgegenstand des gerichtlichen Verfahrens nicht umfasst ist.
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2. Die Beklagte ist in ihren Bescheiden in dem von der Beigeladenen zu 1. eingeleiteten Anfrageverfahren, in dessen Rahmen sie über die Frage der Sozialversicherungspflicht wegen Beschäftigung bei der Klägerin auch - wie hier - nach Beendigung der zu beurteilenden Tätigkeit entscheiden darf (vgl BSG SozR 4-2400 § 7a Nr 3 RdNr 32), auf der Grundlage einer Gesamtwürdigung aller tatsächlichen Umstände des hier zu beurteilenden Einzelfalls (vgl § 7a Abs 2 SGB IV) - ausgehend von den vom LSG für den Senat bindend festgestellten (vgl § 163 SGG) Tatsachen -rechtsfehlerhaft zu dem Ergebnis gelangt, dass die Beigeladene zu 1. in ihrer für die Klägerin ausgeübten Tätigkeit als hauswirtschaftliche Familienbetreuerin wegen Beschäftigung der Versicherungspflicht unterlag. Der Senat kann somit offenlassen, ob einer Annahme von Versicherungspflicht wegen Beschäftigung in den streitigen Zeiträumen auch die Regelungen über die geringfügige Beschäftigung (vgl § 8 Abs 1 SGB IV) in den einzelnen Zweigen der Sozialversicherung und in der Arbeitslosenversicherung entgegenstehen und ob die Beklagte - bei Bestehen von Versicherungspflicht wegen Beschäftigung - über den Zeitpunkt ihres Eintritts zutreffend entschieden hat.
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a) In den Jahren 2001 und 2002, um die es hier geht, unterlagen Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt waren, in der Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung (vgl § 5 Abs 1 Nr 1 SGB V, § 20 Abs 1 Satz 2 Nr 1 SGB XI, § 1 Satz 1 Nr 1 SGB VI und § 25 Abs 1 Satz 1 SGB III)der Versicherungspflicht (und Beitragspflicht). Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer (abhängigen) Beschäftigung war § 7 Abs 1 SGB IV in seiner bis heute unverändert geltenden Fassung. Danach ist Beschäftigung die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis (§ 7 Abs 1 Satz 1 SGB IV). Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Diese Weisungsgebundenheit kann eingeschränkt und zur "funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" verfeinert sein. Bei untergeordneten und einfacheren Arbeiten ist eher eine Eingliederung in eine fremde Arbeitsorganisation anzunehmen (vgl zur Beurteilung von Familienhelfern im Arbeitsrecht BAGE 88, 327, 335 = AP Nr 94 zu § 611 BGB Abhängigkeit). Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig ist, richtet sich ausgehend von den genannten Umständen nach dem Gesamtbild der Arbeitsleistung und hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (stRspr; vgl zum Ganzen zB zuletzt BSG Urteil vom 27.7.2011 - B 12 KR 10/09 R, RdNr 17, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen; BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 6 RdNr 14 mwN; BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 19 S 69 f, Nr 13 S 31 f und Nr 4 S 13, jeweils mwN; BSGE 78, 34, 36 = SozR 3-2940 § 2 Nr 5 S 26 f mwN; zur Verfassungsmäßigkeit der Abgrenzung zwischen abhängiger Beschäftigung und selbstständiger Tätigkeit vgl BVerfG SozR 3-2400 § 7 Nr 11).
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b) Im vorliegenden Rechtsstreit ist das LSG - für die hier (allein) zu beurteilende Fallkonstellation - auf Grund der genannten Rechtsprechung in seiner Gesamtwürdigung, ohne dass dies vom Senat zu beanstanden wäre, zu dem Ergebnis gelangt, dass die Beigeladene zu 1. in ihrer Tätigkeit als hauswirtschaftliche Familienbetreuerin bei der Klägerin nicht beschäftigt war. Die vom Berufungsgericht hierbei in seinem Ausgangspunkt zu Grunde gelegten rechtlichen Grundsätze sind zutreffend. So ist das LSG bei seiner Würdigung des Gesamtbildes der Tätigkeit zu Recht (vgl BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 7 RdNr 16 f; BSG Urteil vom 28.5.2008 - B 12 KR 13/07 R - Juris RdNr 15 f; BSG Urteil vom 25.1.2006 - B 12 KR 30/04 R - Juris RdNr 22) davon ausgegangen, dass dem in den - hier allein mündlich getroffenen - Abreden dokumentierten Willen der Beteiligten, keine Beschäftigung zu wollen, nur dann keine - indizielle - Bedeutung zukommt, wenn die tatsächlichen Verhältnisse von diesen Vereinbarungen rechtlich relevant abwichen, und dann maßgebend ist, wie die Rechtsbeziehung (tatsächlich) praktiziert wurde. Als rechtlichen Ausgangspunkt zutreffend erfasst hat das LSG auch, dass aus dem Umstand, dass - ohne (mündliche oder schriftliche) Rahmenvereinbarung - jeweils einzelne, gesonderte, (nur) kurze Vertragsverhältnisse von in der Regel 14 Tagen mit Diensten "rund um die Uhr" begründet wurden, zwingende Schlüsse weder in der einen - Beschäftigung - noch in der anderen Richtung - selbstständige Tätigkeit - gezogen werden können, sondern stets eine Bewertung der einzelnen "Einsatzaufträge" am Maßstab der von der Rechtsprechung für die Abgrenzung zwischen selbstständiger Tätigkeit und Beschäftigung entwickelten Grundsätze zu erfolgen hat (vgl schon BSG Urteil vom 28.5.2008 - B 12 KR 13/07 R - Juris RdNr 24 ff). Als Ausgangsüberlegung richtig ist schließlich, dass eine Tätigkeit wie die eines hauswirtschaftlichen Familienbetreuers bzw einer hauswirtschaftlichen Familienbetreuerin grundsätzlich sowohl als Beschäftigung als auch im Rahmen eines freien Dienstverhältnisses ausgeübt werden kann (vgl zur Möglichkeit der Ausübung einer Tätigkeit als Hauskrankenpflegerin auch im Rahmen abhängiger Beschäftigung aus der Zeit vor Einführung der Pflegeversicherung LSG Berlin, Urteil vom 26.11.1986 - L 9 Kr 8/85 - Breith 1987, 345; ferner zur Möglichkeit der Ausübung einer Tätigkeit als Tagesmutter als Beschäftigte und Selbstständige Urteil des Senats vom 25.5.2011 - B 12 R 13/09 R - Juris RdNr 11, mwN, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen). Sowohl die Befristung der Arbeitseinsätze der Beigeladenen zu 1. als auch ihr Einsatz "rund um die Uhr" lassen dabei nicht schon den Schluss zu, dass ein (rechtlich zulässiger) Einsatz von vornherein überhaupt nur im Rahmen einer frei ausgestalteten selbstständigen Tätigkeit in Betracht kam. Zwar waren (und sind) kurzzeitige Beschäftigungen bei demselben Arbeitgeber nur begrenzt zulässig (vgl § 14 Teilzeit- und Befristungsgesetz vom 21.12.2000, BGBl I 1966), aber immerhin nicht generell ausgeschlossen. Auch unter dem Blickwinkel des Arbeitszeitrechts bestanden (und bestehen) für Beschäftigungen auf diesem Gebiet keine engen Vorgaben hinsichtlich der maximalen täglichen und wöchentlichen Arbeitszeit (vgl § 18 Abs 1 Nr 3 Arbeitszeitgesetz vom 6.6.1994, BGBl I 1170: keine Geltung des Gesetzes für "Arbeitnehmer, die in häuslicher Gemeinschaft mit den ihnen anvertrauten Personen zusammenleben und sie eigenverantwortlich erziehen, pflegen oder betreuen").
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c) Die von der Beklagten mit zulässigen Verfahrensrügen nicht angegriffenen, auf der Grundlage umfangreicher Ermittlungen getroffenen detaillierten Feststellungen des LSG zu den im vorliegenden Fall zwischen der Klägerin und der Beigeladenen zu 1. getroffenen Vereinbarungen und deren - hiermit übereinstimmender - (tatsächlicher) Umsetzung rechtfertigen dessen Annahme, die Beigeladene zu 1. sei in ihrer Tätigkeit als hauswirtschaftliche Familienbetreuerin bei dieser nicht beschäftigt gewesen. Das Berufungsgericht hat ausgehend von zutreffenden (allgemeinen) rechtlichen Erwägungen begründet, dass und warum hiernach starke Indizien für das Vorliegen einer selbstständigen Tätigkeit sprechen. Insoweit ist nicht zu beanstanden, dass das LSG für das hier (allein) zu beurteilende Verhältnis zwischen der Klägerin und der Beigeladenen zu 1. ein Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung der Tätigkeit umfassendes Weisungsrecht der Klägerin sowie eine Eingliederung in deren "Betrieb" verneint, demgegenüber aber ein Unternehmerrisiko der Beigeladenen zu 1. angenommen hat. Ebenso ist es beanstandungsfrei, dass das LSG diesen Befund - unter Einbeziehung weiterer, für eine selbstständige Tätigkeit sprechender Umstände - bei der Gesamtwürdigung seiner Statusbewertung maßgebend zugrunde gelegt und der Abhängigkeit der Beigeladenen zu 1. von (allgemeinen) Vorgaben der Klägerin, der Vergütung in Form (pauschaler) Tagessätze sowie der Führung einer Pflegedokumentation durch die Beigeladene zu 1. hierbei keine entscheidende Bedeutung beigemessen hat.
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aa) Entgegen der von der Beklagten vertretenen Auffassung unterlag die Beigeladene zu 1. bei der Durchführung ihrer einzelnen "Einsatzaufträge" keinem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht der Klägerin. Sie unterlag auch keinem solchen der von ihr Betreuten. Unter Berücksichtigung der im Zusammenhang mit der rechtlichen Beurteilung von Lehrtätigkeiten entwickelten Rechtsprechung des BSG (vgl BSG Urteil vom 12.2.2004 - B 12 KR 26/02 R - Juris RdNr 29, mwN) hat das Berufungsgericht den Umständen hier rechtsfehlerfrei keine entscheidende Bedeutung beigemessen, dass gewisse "Eckpunkte" des jeweiligen "Einsatzauftrags" wie Beginn und Ende des Einsatzes und "grober" Inhalt der Tätigkeit von der Klägerin vorgegeben waren und sich die Betreuungstätigkeit (allgemein) nach den Bedürfnissen und Wünschen der Betreuten oder ihrer Angehörigen auszurichten hatte. Wie die Betreuung im Einzelnen ausgestaltet ist, richtet sich nach den individuellen Erfordernissen, die sowohl inhaltlich als auch in zeitlicher Hinsicht die zu erbringenden Leistungen bestimmen. Das gilt für Tätigkeiten hauswirtschaftlicher Art wie für Pflegetätigkeiten (im weiteren Sinne) gleichermaßen. Der hierbei - gerade auch im Hinblick auf die zeitliche Dimension des "Einsatzauftrags" (14-Tage-Einsatz, 24-Stunden-Service) - geforderten Fähigkeit des Pflegepartners zur Reaktion auf die - sich ggf ständig verändernde - aktuelle Betreuungs- und/oder Pflegesituation steht zwangsläufig eine Flexibilität im Handeln gegenüber, die diesem gerade wegen der Individualität und Einzigartigkeit dieser Situation prinzipiell einen großen Entscheidungsbereich belässt. Hiervon ausgehend und nach den Feststellungen des LSG im vorliegenden Fall unterlag die Beigeladene zu 1. keiner arbeitnehmertypischen Leistungspflicht, weil sich für sie bei ihrer Tätigkeit für einen Arbeitnehmer uncharakteristische Handlungsspielräume ergaben (vgl insoweit - im Arbeitsrecht - zum Gesichtspunkt einer möglichen Einflussnahme des Betroffenen auf Art und zeitliche Lage der konkreten Tätigkeit in einer Betreuungssituation BAG AP Nr 45 zu § 611 BGB Abhängigkeit, Leitsatz 1 und Bl 413 ff). Allein aus der im Hinblick auf die genannten (allgemeinen) Vorgaben der Klägerin und der Betreuten bestehenden "Minderung" der "Autonomie" der Pflegepartner bei der Durchführung der einzelnen Einsätze kann daher nicht auf eine Weisungsgebundenheit im geforderten Sinne und damit eine persönliche Abhängigkeit der Beigeladenen zu 1. von der Klägerin und/oder der Betreuten geschlossen werden (zur Übertragung der für die Beurteilung von Lehrtätigkeiten aufgestellten Grundsätze auf als sog Freelancer tätige Flugzeugführer vgl BSG Urteil vom 28.5.2008 - B 12 KR 13/07 R - Juris RdNr 23). Ob die Vertragsbeziehungen zwischen der Klägerin, den Betreuten und der Beigeladenen zu 1. - wie die Beklagte unter Hinweis auf ein Urteil des LSG Sachsen-Anhalt vom 18.6.2008 (L 1 RA 257/05 - Juris RdNr 60 f) meint - einem Leiharbeitsverhältnis ähnelten mit der Besonderheit, dass hier das "Weisungsrecht" wie dort auf die Betreuten "delegiert" war, ist vor diesem Hintergrund ohne Bedeutung.
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Die Beigeladene zu 1. war auch nicht - gleichwohl - wegen der von ihr in der Gestalt von "Pflegeberichten", "Pflegeprotokollen" und "Checklisten für die Pflegepartner zur Durchführung einer Ablösung" geführten Pflegedokumentationen von der Klägerin weisungsabhängig. Die Beklagte behauptet dieses auch selbst nicht, sondern stützt sich auf diesen Umstand (nur) für ihre Annahme, die Beigeladene zu 1. sei in eine von der Klägerin vorgegebene Ordnung eingegliedert gewesen. Das LSG hat in dem hier (allein) zu entscheidenden Fall festgestellt, dass sich die bei der Klägerin angestellte examinierte Krankenschwester in die Tätigkeit der Beigeladenen zu 1. tatsächlich nicht eingemischt, insbesondere deren Arbeitsergebnisse - etwa beim Wechsel von Pflegepartnern - nicht anhand der Pflegedokumentationen kontrolliert hat, und hieraus den Schluss gezogen, dass der Klägerin über diese Kraft keine Weisungsbefugnis zustand. Diese Schlussfolgerung ist nicht zu beanstanden, zumal - wie das Berufungsgericht ebenfalls festgestellt hat - der Klägerin keine Rechtsmacht zur Kontrolle zustand, weil im Verhältnis zu ihr eine (vertragliche) Verpflichtung der Beigeladenen zu 1. zur Dokumentation nicht bestand und diese jedenfalls nach dem mit den Betreuten abgeschlossenen Pflege- und Betreuungsvertrag (dort Punkt 1.6) nur als "Pflege"- bzw "Leistungsnachweis" (der Klägerin) gegenüber den Betreuten dienen sollte. Eine - von der Beklagten angenommene - auf Grund "mittelbarer" Verpflichtung der Beigeladenen zu 1. hierzu dieser gegenüber bestehende Weisungsbefugnis der Klägerin etwa dahingehend, dass und wie sie ihre Dienstleistung optimieren könne, lässt sich daraus nicht entnehmen.
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Schließlich greift das Vorbringen der Beklagten auch insoweit nicht durch, als sie sich für die Annahme eines Weisungsrechts der Klägerin darauf stützt, dass diese die Beigeladene zu 1. in einer speziellen Bildungsmaßnahme geschult und so auf ihre Tätigkeit als hauswirtschaftliche Familienbetreuerin vorbereitet, dieser dann die Aufträge vermittelt und (allein) mit den Betreuten "Erstverhandlungen" über den Umfang der Betreuungsleistungen geführt habe. Warum sich hieraus - bezogen auf die Verhältnisse, die nach Annahme eines "Einsatzauftrags" bestehen - ein für eine persönliche Abhängigkeit der Beigeladenen zu 1. sprechendes Weisungsrecht der Klägerin ergeben soll, erläutert die Beklagte nicht. Demgegenüber fallen als relevant auf eine (weitgehend) autonome Durchführung der einzelnen Einsätze hindeutende Umstände ins Gewicht, dass die Beigeladene zu 1. nach den Feststellungen des Berufungsgerichts im vorliegenden Fall übernommene Aufträge (vorzeitig) abbrechen oder verlängern und sie nach Übernahme eines bestimmten Auftrags (und vor dessen Beendigung) von der Klägerin nicht gegen ihren Willen "umgesetzt", also zur Annahme eines anderen Auftrags veranlasst werden konnte.
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bb) Die Beigeladene zu 1. war auch nicht wie eine Beschäftigte in den "Betrieb" der Klägerin eingegliedert. Ebenso fehlte eine entsprechende arbeitnehmertypische Eingliederung in eine von den Betreuten vorgegebene betriebliche Ordnung. Soweit das LSG diese Annahme damit begründet hat, dass von der Beigeladenen zu 1. mangels Aufnahme der Pflegepartner in einen bei der Klägerin geführten Dienstplan keine ständige Dienstbereitschaft erwartet worden sei und diese - im Gegenteil - die Übernahme von "Einsatzaufträgen" eher an eigenen Bedürfnissen ausgerichtet hat, ist sein Prüfungsansatz indessen unzutreffend. Denn auch für die Beurteilung, ob die Beigeladene zu 1. in eine von anderer Seite vorgegebene Arbeitsorganisation eingegliedert war, muss auf die Verhältnisse abgestellt werden, die nach Annahme des jeweiligen "Einsatzauftrags" im Hinblick (allein) hierauf bestanden. Im Übrigen lässt die Würdigung des Sachverhalts durch das Berufungsgericht jedoch Rechtsfehler nicht erkennen. Zu Recht hat das LSG auf der Grundlage seiner Feststellungen entschieden, dass die Beigeladene zu 1. in den "Betrieb" der Klägerin nicht eingegliedert war (vgl zum Begriff des "Betriebes" BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 13 S 33 ff). Zutreffend hat das Berufungsgericht weiter die Einbindung der Beigeladenen zu 1. in den Haushalt des jeweils Betreuten (mit den dort zur Verfügung gestellten sächlichen Mitteln) nicht als funktionsgerechte Einordnung in eine von dieser Seite vorgegebene Ordnung betrachtet, in der fremdbestimmte Arbeit geleistet werden kann (vgl - zur Möglichkeit des Fehlens einer Eingliederung von Dozenten in den Lehr-/Bildungsbetrieb einer Volkshochschule - BSG Urteil vom 12.2.2004 - B 12 KR 26/02 R - Juris RdNr 18 ff; ferner - zum Fehlen einer Eingliederung von als sog Freelancer tätigen Flugzeugführern in den Betrieb eines Luftfahrtunternehmens - BSG Urteil vom 28.5.2008 - B 12 KR 13/07 R - Juris RdNr 24 ff).
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Das Revisionsvorbringen der Beklagten greift demgegenüber nicht durch. Entgegen der von ihr vertretenen Auffassung folgt aus dem - vom LSG festgestellten - Ablauf beim Wechsel der Pflegepartner und der Organisation der Folgepflege sowie der hierauf bezogenen Funktion der Pflegedokumentationen (Checkliste) nicht schon, dass die Beigeladene zu 1. wegen ihrer Eigenschaft als "ein Teil in der Kette der den jeweiligen Kunden zur Verfügung gestellten Pflegepersonen" in die Arbeitsorganisation der Klägerin eingegliedert war. Dass jemand zu einem "Pool" von Einsatzkräften gehört, die zur Erfüllung anderen Personen obliegender Verpflichtungen gegenüber Dritten bereitstehen, besagt über deren Eingliederung in den "Betrieb" der insoweit Verpflichteten nichts (vgl - zum Status in einem "Personalpool" zusammengefasster, als sog Freelancer tätiger Flugzeugführer als Selbstständige - BSG Urteil vom 28.5.2008 - B 12 KR 13/07 R - Juris). Ebenso wenig kann für eine Eingliederung in den "Betrieb" der Klägerin daraus etwas hergeleitet werden, dass ihr und das Auftreten der Beigeladenen zu 1. im Rechtsverkehr von den Betreuten so wahrgenommen wurden, als sei die Beigeladene zu 1. nicht (ihrerseits) Unternehmerin, sondern befinde sich in einem Anstellungsverhältnis zur Klägerin.
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Entgegen der von der Beklagten vertretenen Auffassung spricht für eine entsprechende Eingliederung schließlich nicht, dass die Klägerin für die Pflegepartner zur Absicherung in einer Berufshaftpflichtversicherung einen Gruppenversicherungsvertrag angeboten hat. Zutreffend hat die Klägerin in diesem Zusammenhang nämlich darauf hingewiesen, dass Angebote zur Teilnahme an einer Gruppenversicherung allgemein auch Selbstständigen (etwa Rechtsanwälten) gemacht werden, ohne dass eine Teilnahme hieran für eine Eingliederung in den "Betrieb" des Anbieters als Indiz wirkt.
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cc) Nicht zu beanstanden ist des Weiteren, dass das LSG ein für Selbstständigkeit sprechendes Unternehmerrisiko der Beigeladenen zu 1. angenommen hat. Zutreffend hat es darauf hingewiesen, dass nach den vom BSG entwickelten Grundsätzen (vgl etwa BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 13 S 36, mwN; BSG SozVers 2001, 329, 332; zuletzt BSG Urteil vom 28.5.2008 - B 12 KR 13/07 R - Juris RdNr 27) maßgebendes Kriterium für ein solches Risiko ist, ob eigenes Kapital oder die eigene Arbeitskraft auch mit der Gefahr des Verlustes eingesetzt wird, der Erfolg des Einsatzes der sächlichen oder persönlichen Mittel also ungewiss ist. Allerdings ist ein unternehmerisches Risiko nur dann Hinweis auf eine selbstständige Tätigkeit, wenn diesem Risiko auch größere Freiheiten in der Gestaltung und der Bestimmung des Umfangs beim Einsatz der eigenen Arbeitskraft gegenüberstehen (so schon BSG SozR 2200 § 1227 Nr 17 S 37; BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 13 S 36, mwN; zuletzt BSG Urteil vom 28.5.2008 - B 12 KR 13/07 R - Juris RdNr 27). Aus den Feststellungen des Berufungsgerichts ergibt sich, dass die Beigeladene zu 1. - wie das für Dienstleistungen in der Hauswirtschaft typisch ist - im Wesentlichen ihre Arbeitskraft und weniger Kapital eingesetzt und dieses im vorgenannten Sinne mit einem Verlustrisiko getan hat.
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Richtig ist allerdings, dass - so die Beklagte unter Hinweis auf ein Urteil des LSG Baden-Württemberg vom 8.8.2006 (L 11 R 2987/05) - aus dem (allgemeinen) Risiko, außerhalb der Erledigung der einzelnen Aufträge zeitweise die eigene Arbeitskraft ggf nicht verwerten zu können, kein Unternehmerrisiko wegen der einzelnen Einsätze folgt (vgl hierzu BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 13 S 36 f). Die Annahme eines Unternehmerrisikos ist indessen gerechtfertigt, weil die Beigeladene zu 1. im Zusammenhang mit der Verwertung ihrer Arbeitskraft das Risiko des Ausfalls ihres Verdienstes bei "Kundeninsolvenz" in der Gestalt eines Selbstbehalts ("Gewährleistungssumme") trug. Die vom LSG im gleichen Zusammenhang genannte Vereinbarung über Abzüge für Schlechtleistungen stellt demgegenüber kein Indiz für ein Unternehmerrisiko dar, weil eine solche "Haftung" für Schlechtleistungen, wenn auch eingeschränkt, Arbeitnehmer gleichermaßen trifft (vgl BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 13 S 36). Zu dem Risiko des Verdienstausfalls bei "Kundeninsolvenz" tritt - wenn auch in geringerem Umfang - ein Kapitalrisiko hinzu, weil sich der Einsatz von Reisekosten bei (vorzeitigem) Abbruch des "Einsatzauftrags", etwa bei Versterben von Kunden oder deren Verlegung ins Krankenhaus oder Heim nicht lohnen konnte. Auch amortisierten sich in einem solchen Fall die von der Beigeladenen zu 1. aufgewandten Ausbildungs- und Fortbildungskosten nicht.
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Der Belastung der Beigeladenen zu 1. mit diesen Risiken stand auf der anderen Seite, was - wie dargestellt - erforderlich ist, bei der Gestaltung und der Bestimmung des Umfangs des einzelnen Einsatzes eine größere Freiheit und Flexibilität gegenüber. Die Beigeladene zu 1. war nämlich nicht wie ein klassischer Arbeitnehmer gehalten, Arbeitsanweisungen zur Vermeidung vertragsrechtlicher Sanktionen und/oder von Schadensersatzansprüchen Folge zu leisten, sondern konnte den Einsatz ihrer Arbeitskraft entsprechend ihren Bedürfnissen sehr weitreichend selbst steuern. So konnte sie nach den nicht mit Revisionsgründen angegriffenen Feststellungen des LSG in einer für Arbeitnehmer untypischen Weise die ihr von der Klägerin angebotenen Einsätze ohne Begründung und ohne Folgen für spätere Einsatzoptionen abbrechen oder verlängern; sie konnte auch nicht von der Klägerin aus einem laufenden Einsatz gegen ihren Willen abgezogen und nach den Bedürfnissen einer fremden betrieblichen Organisation anderen Kunden zugeteilt werden.
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Wie das LSG zutreffend ausgeführt hat, ist ein Unternehmerrisiko hier auch nicht deshalb zu verneinen, weil die Beigeladene zu 1. für ihre Einsätze vereinbarungsgemäß und tatsächlich pauschal - nach Tagessätzen - vergütet wurde. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts kalkulierte die Beigeladene zu 1. ihren Aufwand ggf neu und hat diese Kalkulation in die Verhandlungen mit der Klägerin um die Höhe des Vergütungsanspruchs eingebracht. Damit hing in dem hier zu beurteilenden Fall der Beigeladenen zu 1. die Höhe ihres Verdienstes in der Form höherer Tagessätze weitestgehend vom Umfang und der Intensität des Einsatzes ihrer Arbeitskraft bei dem jeweiligen Auftrag ab. Sie konnte durch die Gestaltung der "Einsatzaufträge" die wirtschaftliche Verwertung ihrer Arbeitskraft in hohem Maße selbst steuern und andererseits durch besondere Anstrengungen ihre Verdienstchancen erhöhen bzw einen Mehrverdienst erzielen.
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3. Nach alledem ist die Beigeladene zu 1. in den streitigen Zeiträumen in ihrer für den privaten "Pflegedienst" der Klägerin ausgeübten Tätigkeit als hauswirtschaftliche Familienbetreuerin nicht als versicherungspflichtig Beschäftigte iS von § 7 Abs 1 Satz 1 SGB IV anzusehen. Denn für den hier (allein) zu beurteilenden Sachverhalt ist das LSG ohne Rechtsfehler zu dem Ergebnis gelangt, dass die Beigeladene zu 1. selbstständig tätig war. Dahinter kann zurücktreten, dass die Klägerin - und nicht die Beigeladene zu 1. - Kundenwerbung betrieb und "Einsatzaufträge" aquirierte, weil sie jene damit lediglich an die Beigeladene zu 1. vermittelte und in diesem Zusammenhang für diese den Kontakt zu den Betreuten herstellte.
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Der Ausgang des vorliegenden Rechtsstreits bedeutet indessen nicht, dass eine Tätigkeit, wie sie die Beigeladene zu 1. im hauswirtschaftlichen und "pflegenahen" Bereich ausgeübt hat, stets als selbstständige Tätigkeit anzusehen wäre. Maßgebend für die Beurteilung sind vielmehr die Umstände des Einzelfalls auf der Grundlage der für das BSG bindenden Feststellungen der Tatsacheninstanzen. Diese Feststellungen sind bindend, wenn sie - wie hier - nicht mit durchgreifenden Revisionsgründen, insbesondere mit Verfahrensrügen angegriffen werden (vgl § 163 SGG). Von daher ist es durchaus möglich, dass andere LSG in ihren Entscheidungen zu Tätigkeiten ähnlicher Art, wie sie von der Beigeladenen zu 1. verrichtet wurden, auf der Grundlage der in ihren Verfahren festgestellten tatsächlichen entscheidungserheblichen Umstände zu anderen Ergebnissen gelangen.
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4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Halbs 3 SGG iVm § 154 Abs 2 VwGO. Die Beigeladenen haben sich am Verfahren nicht beteiligt. Ihre außergerichtlichen Kosten sind daher nicht erstattungsfähig (§ 162 Abs 3 VwGO).
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Der Streitwert für das Revisionsverfahren ist nach § 197a Abs 1 Satz 1 Halbs 1 SGG iVm § 63 Abs 2 Satz 1, § 52 Abs 1 und 3, § 47 Abs 1 GKG in Höhe des vom LSG schon für das Berufungsverfahren angenommenen Streitwerts festzusetzen.
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Münster vom 25.7.2012 wird zurückgewiesen. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen zu tragen, mit Ausnahme der Kosten der Beigeladenen, die ihre Kosten selbst tragen. Die Revision wird nicht zugelassen. Der Streitwert wird für beide Rechtszüge auf 15.500,00 EUR festgesetzt.
1
Tatbestand:
2Die Beteiligten streiten im Rahmen eines Statusfeststellungsverfahrens (§ 7a Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Viertes Buch [SGB IV]) über die Versicherungspflicht des Beigeladenen zu 1) in der gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung, der sozialen Pflegeversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung wegen einer für die Rechtsvorgängerin der Klägerin in der Zeit vom 3.9.2007 bis zum 30.10.2008 erbrachten Tätigkeit als Transportfahrer.
3Bei der Rechtsvorgängerin der Klägerin, der T GmbH, handelte es sich um ein Unternehmen, das als Teil der "T-Unternehmensgruppe" Speditionsdienstleistungen mit eigenen und angemieteten Tank-, Silo- und Planenzügen anbot. Die Unternehmensgruppe verfügt über Standorte in S (Stammsitz), L, C (Salzlandkreis, Sachsen-Anhalt) und - allerdings erst seit 2012 - in H (Landkreis U, Brandenburg). Im Streitzeitraum waren am Standort S in der Abteilung Planenzüge 100 bis 110 Fahrer beschäftigt.
4Am 9.10.2006 nahm der Beigeladene zu 1) nach vorheriger Anmeldung eines Gewerbes mit der Bezeichnung "Dienstleistungen aller Art, überwiegend Fahrdienstleistungen" eine Tätigkeit als Transportfahrer auf. In der Annahme, er erbringe diese Dienstleistungen im Rahmen einer selbständigen Tätigkeit, beantragte er am 10.10.2006 bei der Beigeladenen zu 3) die Gewährung eines Gründungszuschusses gemäß § 57 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) in der ab dem 1.8.2006 geltenden Fassung (a.F.). Zur Erläuterung seiner Geschäftsidee erklärte er diesem Leistungsträger gegenüber, er wolle auf eigene Rechnung in der Transportbranche Lastkraftwagen (Lkw) fahren. Seine Kunden suche er selbst. Ziel sei die Anschaffung eines eigenen Lkw über 7,5 t.
5Mit Bescheid vom 26.10.2006 bewilligte die Beigeladene zu 3) dem Beigeladenen zu 1) für den Zeitraum vom 9.10.2006 bis zum 8.7.2007 einen Gründungszuschuss zur Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit gemäß § 57 SGB III a.F. in Höhe von monatlich 1.488,00 EUR. Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt des Bescheides Bezug genommen.
6Im Zeitraum vom 3.9.2007 bis zum 14.11.2008 führte der Beigeladene zu 1) für die Rechtsvorgängerin der Klägerin Transportaufträge aus. Von dieser wurde er den ausschließlich mündlich getroffenen Absprachen zufolge insbesondere nach Auftreten krankheits- oder urlaubsbedingter Personalvakanzen beauftragt, mit Fahrzeugen ihrer Unternehmensgruppe bzw. - im Zeitraum vom 10.3.2008 bis zum 9.5.2008 - mit von ihr angemieteten Fahrzeugen Transportaufträge nach Maßgabe der von ihrem Disponenten festgelegten Tourenplanung durchzuführen. Eigene Fahrzeuge setzte der Beigeladene zu 1) bei Ausführung der Transportaufträge nicht ein.
7Die mündliche Beauftragung erfolgte regelmäßig für die Dauer von jeweils etwa ein bis drei Wochen. Für die Tätigkeit erhielt der Beigeladene zu 1) einen Stundenlohn in Höhe von 13,00 EUR. Die Gewährung von Erholungsurlaub oder Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall war nicht vereinbart.
8Auf dieser Grundlage wurde der Beigeladene zu 1) an folgenden Tagen für die Rechtsvorgängerin der Klägerin tätig.
9Rechnungsdatum - Tätigkeitszeitraum gemäß Rechnung - Stundenumfang gemäß Rechnung - Rechnungsbetrag (netto) in Euro
109.9.2007 - 3.9.2007 bis 7.9.2007 - 63 - 819,00 16.9.2007 - 10.9.2007 bis 14.9.2007 - 57,5 - 747,50 23.9.2007 - 17.9.2007 bis 21.9.2007 - 69 - 897,00 30.9.2007 - 23.9.2007 bis 28.9.2007 - 74 - 962,00 7.10.2007 - 1.10.2007 bis 5.10.2007 - 47,25 - 614,25 14.10.2007 - 8.10.2007 bis 12.10.2007 - 61 - 793,00 28.10.2007 - 21.10.2007 bis 27.10.2007 - 69 - 897,00 4.11.2007 - 29.10.2007 bis 2.11.2007 - 44 - 572,00 25.11.2007 - 18.10.2007 bis 24.10.2007 - 74,25 - 967,25 8.12.2007 - 2.12.2007 bis 7.12.2007 - 66,75 - 1032,62 16.12.2007 - 9.12.2007 bis 14.12.2007 - 61,5 - 799,50 22.12.2007 - 16.12.2007 bis 21.12.2007 - 57,75 - 750,75 13.1.2008 - 4.1.2008 bis 11.1.2008 - 56,75 - 737,75 3.2.2008 - 28.1.2008 bis 1.2.2008 - 71,25 - 926,25 10.2.2008 - 4.2.200 bis 8.2.2008 - 56,25 - 731,25 19.2.2008 - 11.2.2008 bis 15.2.2008 - 54,75 - 711,75 2.3.2008 - 24.2.2008 bis 29.2.2008 - 68,75 - 893,75 16.3.2008 - 10.3.2008 bis 14.3.2008 - 65 - 845,00 24.3.2008 - 16.3.2008 bis 20.3.2008 - 54,5 - 708,50 30.3.2008 - 25.3.2008 bis 28.3.2008 - 53,25 - 692,25 5.4.2008 - 31.3.2008 bis 4.4.2008 - 72,75 - 945,75 12.4.2008 - 7.4.2008 bis 11.4.2008 - 74 - 962,00 20.4.2008 - 14.4.2008 bis 18.4.2008 - 62 806,00 27.4.2008 - 20.4.2008 bis 26.4.2008 - 75,75 - 984,75 4.5.2008 - 28.4.2008 bis 2.5.2008 - 50,75 - 659,75 11.5.2008 - 5.5.2008 bis 9.5.2008 - 63 - 819,00 1.6.2008 - 26.5.2008 bis 30.5.2008 - 67,25 - 874,25 7.6.2008 - 1.6.2008 bis 6.6.2008 - 64,25 - 880,75 16.6.2008 - 9.6.2008 bis 15.6.2008 - 70,5 - 916,50 21.6.2008 - 16.6.2008 bis 20.6.2008 - 70,25 - 913,25 29.6.2008 - 23.6.2008 bis 27.6.2008 - 59 - 767,00 5.7.2008 - 30.6.2008 bis 3.7.2008 - 66,25 - 861,25 13.7.2008 - 7.7.2008 bis 11.7.2008 - 62,75 - 815,75 19.7.2008 - 14.7.2008 bis 18.7.2008 - 78,25 - 1017,25 27.7.2008 - 21.7.2008 bis 25.7.2008 - 60 - 780,00 3.8.2008 - 28.7.2008 bis 1.8.2008 - 61 - 793,00 10.8.2008 - 3.8.2008 bis 8.8.2008 - 68,5 - 890,50 31.8.2008 - 25.8.2008 bis 29.8.2008 - 65 - 845,00 7.9.2008 - 1.9.2008 bis 5.9.2008 - 57,25 - 744,25 13.9.2008 - 8.9.2008 bis 12.9.2008 - 68,75 - 893,75 21.9.2008 - 15.9.2008 bis 19.9.2008 - 69,25 - 903,50 28.9.2008 - 22.9.2008 bis 26.9.2008 - 64,75 - 841,75 6.10.2008 - 29.9.2008 bis 2.10.2008 - 58,25 - 760,50 12.10.2008 - 5.10.2008 bis 10.10.2008 - 60,25 - 783,25 19.10.2008 - 13.10.2008 bis 17.10.2008 - 55 - 715,00 26.10.2008 - 20.10.2008 bis 24.10.2008 - 68,5 - 890,50 2.11.2008 - 27.10.2008 bis 30.10.2008 - 55,5 - 721,50 9.11.2008 - 3.11.2008 bis 7.11.2008 - 66,5 - 864,50 17.11.2008 - 10.11.2008 bis 14.11.2008 - 64,75 - 841,75
11Wegen der weiteren Einzelheiten der Abrechnungsmodalitäten wird auf den Inhalt der beigezogenen Rechnungen des Beigeladenen zu 1) Bezug genommen.
12Mit bei der Beklagten am 19.6.2008 eingegangenem Formularantrag beantragte der Beigeladene zu 1) die Klärung seines sozialversicherungsrechtlichen Status mit dem Ziel der Feststellung, dass ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis nicht vorliege. Er erklärte, neben zwei weiteren Auftraggebern für die Rechtsvorgängerin der Klägerin Transportdienstleistungen zu erbringen. Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt des Formularantrages Bezug genommen.
13Der seitens der Beklagten mit Schreiben vom 29.10.2008 in Aussicht gestellten Feststellung eines seit Oktober 2006 bestehenden abhängigen Beschäftigungsverhältnisses des Beigeladenen zu 1) hielt die Rechtsvorgängerin der Klägerin entgegen, es seien bei der Abgrenzung zwischen selbständiger Tätigkeit und abhängiger Beschäftigung auch die Regelungen für Frachtführer gemäß §§ 407 ff. Handelsgesetzbuch (HGB) heranzuziehen, auch wenn das Bundessozialgericht (BSG) mit Urteil vom 22.6.2005 Zweifel geäußert habe, dass die gesetzgeberische Wertung des § 407 HGB auf die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung übertragbar sei. Nach der dieser Norm innewohnenden Wertungsentscheidung des Gesetzgebers sei der Beigeladene zu 1)als selbständig Tätiger anzusehen. Dessen unternehmerische Freiheit entfalte sich in seiner Entscheidungsbefugnis, frei darüber zu befinden, welche Aufträge er annehme oder ablehne. Des Weiteren trage er das unternehmerische Risiko, zeitweilig keine Fahraufträge zu erhalten und sich bei negativ veränderter Auftragslage nach neuen Kunden umschauen zu müssen. Erkranke er oder sei er aus anderen Gründen an der Ausübung seiner Dienstleistung gehindert, erziele er keine Einnahmen und müsse für personellen Ersatz sorgen. Schließlich müsse er in erheblichem Umfang Mautgebühren, Fahrzeugmieten, Aufwendungen für Kraftstoffe und etwaige Aushilfslöhne vorfinanzieren. Er müsse für die Nutzung der ihm zur Verfügung gestellten Arbeitsmittel Mietzahlungen leisten und trage ein erhebliches Insolvenzrisiko gegenüber seinen Auftraggebern.
14Der Beigeladene zu 1) schloss sich dieser Argumentation an und meinte ebenfalls, ein unternehmerisches Risiko zu tragen, in dem er die finanziellen Konditionen jedes Auftrags separat aushandeln müsse. Er sei nie sicher, inwieweit er künftig einen Auftrag erhalte. Bleibe seine Auftragsakquise erfolglos, erwerbe er auch keinen Vergütungsanspruch. Dies gelte auch im Erkrankungsfall, in dem er andere Fahrer zu beauftragen habe, die er selbst vergüten müsse. Seine unternehmerische Entscheidungsfreiheit zeige sich auch darin, dass er seine Auftraggeber selbst auswähle. Auf Grundlage eines ihm unterbreiteten Angebotes entscheide er, ob er diesen annehme, wobei für ihn ungewiss bleibe, ob und wann der angenommene Auftrag auch tatsächlich bezahlte werde. Zwar verfüge das ihn beauftragende Speditionsunternehmen über bestimmte Weisungsrechte; diese folgten allerdings aus dem Auftrag, den der Spediteur seinerseits annehme.
15Mit - an die Rechtsvorgängerin der Klägerin und den Beigeladenen zu 1) adressierten - Bescheiden vom 27.1.2009 traf die Beklagte Feststellungen zum sozialversicherungsrechtlichen Status des Beigeladenen zu 1). Sie stellte fest, dass dessen Tätigkeit "als Frachtführer ( ) seit Oktober 2006 im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt" werde. Die Versicherungspflicht dem Grunde nach beginne mit dem Tag nach Aufnahme der Beschäftigung.
16Zur Begründung führte die Beklagte im Wesentlichen aus: Frachtführer im Sinne der §§ 407 ff. HGB übten ein selbständiges Gewerbe aus, wenn sie beim Transport ein eigenes Fahrzeug einsetzten und für die Durchführung ihres Gewerbes über eine Erlaubnis nach § 3 Güterkraftverkehrsgesetz oder über eine Gemeinschaftslizenz nach Art. 3 der VO (EWG) 881/92 verfügten. Dies gelte auch, wenn sie als Einzelperson für lediglich ein Unternehmen tätig seien und die Farben bzw. ein "Logo" des sie beauftragenden Unternehmens verwendeten. Voraussetzung sei allerdings, dass ihnen weder Dauer, noch Beginn und Ende der Arbeitszeit vorgeschrieben werde und sie über die - nicht lediglich theoretische - Möglichkeit verfügten, Transporte auch für weitere eigene Kunden auf eigene Rechnung durchzuführen.
17Von erheblicher sozialversicherungsrechtlicher Relevanz sei, ob der Auftragnehmer die zur Durchführung des Auftrages erforderlichen Mittel von seinem Auftraggeber erhalte. Da die Rechtsvorgängerin der Klägerin dem Beigeladenen zu 1), der auf ein eigenes Fahrzeug nicht zurückgreifen könne, die für die Durchführung der Transportaufträge unabdingbar erforderlichen Fahrzeuge bereitstelle, sei der Beigeladene zu 1) in deren betriebliche Organisation eingegliedert, zumal unternehmerische Chancen und Risiken des Beigeladenen zu 1) nicht erkennbar seien. Zeit sowie Art und Weise der Ausführung der Tätigkeit folgten aus dem Inhalt des übertragenen Auftrages, weshalb auch insoweit maßgebliche eigene Gestaltungsmöglichkeiten des Beigeladenen zu 1) nicht gegeben seien.
18Kein wesentliches Indiz zu Gunsten einer selbständigen Tätigkeit sei der Befugnis eines Transportfahrers beizumessen, bestimmte Aufträge abzulehnen, solange bei Annahme eines Auftrags eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers erfolge.
19Die Versicherungspflicht dem Grunde nach beginne mit der Aufnahme der Beschäftigung. Ein späterer Eintritt der Versicherungspflicht in Anwendung des § 7a Abs. 6 SGB IV komme nicht in Betracht, da der Antrag auf Klärung des sozialversicherungsrechtlichen Status nicht fristgerecht innerhalb eines Monats nach Aufnahme der Beschäftigung gestellt worden sei.
20Gegen diesen Bescheid erhob die Rechtsvorgängerin der Klägerin am 24.2.2009 Widerspruch. Die Beklagte verkenne, dass die Nutzung eines gemieteten Fahrzeugs nicht gegen die Tätigkeit als selbständiger Frachtführer im Sinne der §§ 407 ff. HGB spreche. Zu dessen Annahme reiche es, dass das Fahrzeug auf eigene Rechnung eingesetzt werde. Auch der Beigeladene zu 1) miete für die Durchführung eines Transportes jeweils ein auf sie zugelassenes oder von ihr angemietetes Fahrzeug an. Dass er keinen Anspruch auf Gewährung von Erholungsurlaub sowie auf Entgeltfortzahlung habe, spreche gleichfalls für die Annahme einer selbständigen Tätigkeit.
21Mit Widerspruchsbescheid vom 13.1.2010 wies die Beklagte den Widerspruch unter Vertiefung der Ausführungen ihres Ausgangsbescheides als unbegründet zurück.
22Mit der am 11.2.2010 zum Sozialgericht (SG) Münster erhobenen Klage hat die Rechtsvorgängerin der Klägerin ihr Begehren unter Vertiefung ihrer Ausführungen im Verwaltungs- und Widerspruchsverfahren weiterverfolgt. Ergänzend hat sie auf eine Entscheidung des Bayerischen Landessozialgericht (LSG) vom 29.3.2011 (L 8 AL 152/08) verwiesen, in der sie ihre Rechtsauffassung bestätigt gesehen hat.
23Die Klägerin hat beantragt,
24den Bescheid der Beklagten vom 27.1.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.1.2010 sowie den Bescheid vom 20.1.2012 aufzuheben.
25Die Beklagte hat beantragt,
26die Klage abzuweisen.
27Sie hat zur Begründung auf den Inhalt des angefochtenen Bescheides Bezug genommen. Der Entscheidung des Bayerischen LSG vom 29.3.2011 stünden diverse andere sozialgerichtliche Entscheidungen entgegen. Ihre Rechtsauffassung, nach welcher ein Kraftfahrer ohne eigenes Fahrzeug regelmäßig im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses tätig werde, werde zunehmend von der obergerichtlichen Rechtsprechung geteilt
28Während des anhängigen erstinstanzlichen Verfahrens hat die Beklagte nach ergänzenden Feststellungen mit - an die Rechtsvorgängerin der Klägerin und den Beigeladenen zu 1) adressierten - Bescheiden vom 20.1.2012 den Verwaltungsakt vom 27.1.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.1.2010 abgeändert und festgestellt, dass in der von dem Beigeladenen zu 1) vom 3.9.2007 bis zum 30.10.2008 ausgeübten Beschäftigung Versicherungspflicht in der gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung, der sozialen Pflegeversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung bestanden habe. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt des Bescheides Bezug genommen.
29Mit Urteil vom 25.7.2012 hat das SG die Klage abgewiesen. Auf die Entscheidungsgründe wird Bezug genommen.
30Gegen das ihr am 10.8.2012 zugestellte Urteil hat die Rechtsvorgängerin der Klägerin am 13.8.2012 Berufung eingelegt. Sie hat zur Begründung ihr erstinstanzliches Vorbringen wiederholt und ergänzend auf ein Rundschreiben der Spitzenverbände der Sozialversicherungsträger vom 5.7.2005 verwiesen, aus dem sich die Vermutung ergebe, dass Existenzgründer, die von der Bundesagentur für Arbeit einen Existenzgründungszuschuss nach § 421l SGB III a.F. erhielten, in der betreffenden Tätigkeit selbständig tätig seien. Für die Dauer des Bezugs des Zuschusses komme zwar eine Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung als versicherungspflichtiger Selbständiger nach § 2 Abs.1 Nr. 10 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) in Betracht; die Klägerin sei jedoch in diesem Fall nicht für die Beitragszahlung zuständig.
31Zudem habe die Beigeladene zu 3) im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem SG dargelegt, dass der Gewährung des Gründungszuschuss die Vorlage eines entsprechenden Businessplans vorausgegangen sei. Die Erstellung bzw. Vorlage eines solchen Planes sowie die anschließende behördliche Überprüfung der Nachhaltigkeit und Plausibilität des Gründungskonzepts spreche eindeutig für die Annahme einer selbständigen Tätigkeit.
32Die Klägerin beantragt,
33das Urteil des Sozialgerichts Münster vom 25.7.2012 zu ändern und unter Aufhebung des Bescheide der Beklagten vom 27.1.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.1.2010 und des Bescheides vom 20.1.2012 festzustellen, dass der Beigeladene zu 1) in dem Zeitraum vom 3.9.2007 bis zum 30.10.2008 wegen der für die Klägerin ausgeübten Tätigkeit nicht der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung, der sozialen Pflegeversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung unterlag.
34Die Beklagte beantragt,
35die Berufung zurückzuweisen.
36Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung und verweist zur Begründung auf den Inhalt der angefochtenen Bescheide.
37Mit Beschluss vom 20.8.2012 hat die Gesellschafterversammlung der vormaligen Klägerin einen Formwechsel gemäß §§ 190 bis 213, 226 bis 237 Umwandlungsgesetz (UmwG) zu Gunsten einer Kommanditgesellschaft mit der Firma T GmbH & Co. KG beschlossen. Wegen der Einzelheiten des am 5.9.2012 in das Handelsregister des Amtsgerichts T (HR A 000) eingetragenen Formwechsels wird auf den Inhalt des Gesellschaftsvertrages der nunmehrigen Klägerin vom 20.8.2012 Bezug genommen.
38Der Senat hat am 22.4.2015 die Sach- und Rechtslage mit den Beteiligten erörtert. Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt der Sitzungsniederschrift Bezug genommen.
39Im Termin zur mündlichen Verhandlung, zu dem trotz ordnungsgemäßer Terminsnachricht weder der Beigeladene zu 1) noch Vertreter der Beigeladenen zu 2), 4) und 5) erschienen sind, hat der Senat zur Ausgestaltung der Zusammenarbeit der Rechtsvorgängerin der Klägerin mit dem Beigeladenen zu 1) Beweis erhoben durch Vernehmung des Mitarbeiters der Klägerin, des Zeugen S. Wegen des Ergebnisses wird auf den Inhalt der Sitzungsniederschrift Bezug genommen.
40Der Senat hat zudem Einsicht genommen in den ab dem 1.5.2006 geltenden Lohntarifvertrag für die gewerblichen Arbeitnehmer in der Speditions-, Logistik- und Transportwirtschaft Nordrhein-Westfalen vom 4.9.2006 sowie den in dieser Branche ab dem 1.5.2008 geltenden Lohntarifvertrag vom 21.4.2009. Auf den Inhalt dieser Tarifverträge wird Bezug genommen.
41Wegen des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte und den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten und der Beigeladenen zu 3). Dieser ist Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
42Entscheidungsgründe:
43Der Senat konnte in Abwesenheit des Beigeladenen zu 1) sowie der Beigeladenen zu 2), 4) und 5) verhandeln und entscheiden, da er sie mit ordnungsgemäßen Terminsnachrichten auf diese Möglichkeit hingewiesen hat.
44I. Die am 13.8.2012 bei dem erkennenden Gericht ursprünglich von deren Rechtsvorgängerin eingelegte Berufung der Klägerin gegen das ihr am 10.8.2012 zugestellte Urteil des SG Münster ist zulässig, insbesondere gemäß §§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft und gemäß § 151 Abs. 1, Abs. 3, §§ 63, 64 Abs. 1, Abs. 2 SGG form- und fristgerecht eingelegt worden.
45Der Zulässigkeit der Berufung steht auch nicht der Wegfall der Beteiligtenfähigkeit (§§ 69 Nr. 1, 70 Nr. 1 SGG) der ursprünglich im Aktivrubrum geführten Klägerin, der T GmbH, entgegen, obgleich diese Gesellschaft in der ursprünglichen Rechtsform als GmbH nicht mehr existiert. Im Hinblick auf den nach Einlegung der Berufung am 20.8.2012 beschlossenen und am 5.9.2012 in das Handelsregister eingetragenen Formwechsel durch Umwandlung (§§ 190 bis 213, 226 bis 237 UmwG) zugunsten der nunmehrigen Klägerin bedurfte es lediglich der Berichtigung des Rubrums (vgl. hierzu auch Oberlandesgericht [OLG] Köln, Urteil v. 5.8.2003, 3 U 30/03; Sächsisches Oberverwaltungsgericht [OVG], Beschluss v. 26.8.2008, 3 B 7/08; vgl. auch BSG, Urteil v. 4.3.2004, B 3 KR 12/03 R, juris), die der Senat nach vorheriger Anhörung der Beteiligten vorgenommen hat.
46II. Die Berufung der Klägerin ist jedoch nicht begründet. Das SG hat die Klage gegen den Bescheid der Beklagten vom 27.1.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.1.2010 sowie gegen den Bescheid vom 20.1.2012 zu Recht abgewiesen. Diese Bescheide beschweren die Klägerin nicht im Sinne des § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG, weil sie nicht rechtswidrig sind. Die Beklagte hat im Rahmen des § 7a Abs. 1 SGB IV zutreffend festgestellt, dass der Beigeladene zu 1) in der vom 3.9.2007 bis zum 30.10.2008 für die Rechtsvorgängerin der Klägerin ausgeübten Tätigkeit der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung, der sozialen Pflegeversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung unterlag.
471. Gemäß § 7a Abs. 1 Satz 1 SGB IV können die Beteiligten schriftlich eine Entscheidung beantragen, ob eine Beschäftigung vorliegt, es sei denn, die Einzugsstelle oder ein anderer Versicherungsträger hatte im Zeitpunkt der Antragstellung bereits ein Verfahren zur Feststellung einer Beschäftigung eingeleitet.
48a) Auf dieser Grundlage hat die Beklagte zunächst ihre ursprüngliche unzulässige isolierte Feststellung, die Tätigkeit des Beigeladenen zu 1) für die Klägerin werde "im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses" (Bescheid v. 27.1.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides v. 13.1.2010) entsprechend der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG, Urteil v. 11.3.2009, B 12 R 11/07 R, SozR 4-2400 § 7a Nr. 2;Urteil v. 4.6.2009, B 12 R 6/08 R, USK 2009-72) in formell rechtmäßiger Weise dahingehend korrigiert, es bestehe Versicherungspflicht des Beigeladenen zu 1) in der Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung (Bescheid v. 20.1.2012, der gemäß § 96 SGG Verfahrensgegenstand geworden ist).
49b) An dieser Feststellung war die Beklagte nicht deshalb gehindert, weil ein anderer Versicherungsträger, namentlich die Beigeladene zu 3) mit dem Verfahren auf Bewilligung eines Gründungszuschusses nach § 57 SGB III, zum Zeitpunkt der Antragstellung bereits ein "Verfahren zur Feststellung einer Beschäftigung eingeleitet" hatte.
50aa) In konsequenter Fortführung der unter a) zitierten Rechtsprechung des BSG kann ein Verfahren "zur Feststellung einer Beschäftigung" nur ein solches sein, dass auf die Feststellung von Versicherungspflicht in den einzelnen Zweigen der Sozialversicherung aufgrund einer konkreten Auftragsbeziehung (vgl. dazu Pietrek in jurisPK-SGB IV, 2. Aufl. 2011, § 7a Rdnr. 28 ff.) gerichtet ist. Eine dahingehende Feststellung hat das Bewilligungsverfahren nach § 57 SGB III a.F. indessen nicht zum Gegenstand gehabt. Die Beigeladene zu 3) hat vielmehr über die Bewilligung einer Leistung (Gründungszuschuss) entschieden und in diesem Rahmen lediglich inzidenter die Frage geprüft, ob der Beigeladene zu 1) beabsichtigte, eine selbständige Tätigkeit aufzunehmen. Eine Beurteilung des versicherungsrechtlichen Status des Beigeladenen zu 3) in seiner Vertragsbeziehung zur Klägerin ist dagegen zu keinem Zeitpunkt angestrebt worden oder erfolgt.
51bb) Das Verfahren auf Bewilligung eines Gründungszuschusses nach § 57 SGB III a.F. (jetzt: § 93 SGB III) kann auch deshalb kein "Verfahren zur Feststellung einer Beschäftigung" im Sinne von § 7a Abs. 1 Satz 1 SGB IV sein, weil es nicht nur inhaltlich, sondern auch zeitlich einen anderen Prüfungsgegenstand hat. Der Gründungszuschuss setzt nach § 93 Abs. 1 SGB III lediglich die "Aufnahme" einer selbständigen Tätigkeit voraus. Dafür reicht es, dass erstmals eine unmittelbar auf berufsmäßigen Erwerb gerichtete und der Gewinnerzielung dienende Handlung mit Außenwirkung vorgenommen wurde (vgl. BSG, Urteil v. 1.6.2006, B 7a AL 34/05 R, SozR 4-4300 § 57 Nr. 1), z.B. die Anmietung von Gewerberäumen, die Einrichtung von Geschäftskonten und dergleichen (vgl. Kuhnke in jurisPK-SGB III, 2014, § 93 Rdnr. 16 m.w.N.). Das Eingehen konkreter Vertragsbeziehungen zu Auftraggebern - die allein Prüfungsgegenstand eines Verfahrens nach § 7a SGB IV sein können - ist demgegenüber noch nicht erforderlich, sondern regelmäßig erst geplant.
522. Die Feststellung der Beklagten, wonach der Beigeladene zu 1) in der Zeit vom 3.9.2007 bis zum 30.10.2008 wegen einer Beschäftigung bei der Rechtsvorgängerin der Klägerin der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung, in der sozialen Pflegeversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung unterlag, ist nicht zu beanstanden.
53Die Versicherungspflicht ergibt sich in der Rentenversicherung aus § 1 Satz 1 SGB VI, in der Kranken- und Pflegeversicherung aus§ 5 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) bzw. § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 in Verbindung mit Satz 1 Sozialgesetzbuch Elftes Buch (SGB XI) und nach dem Recht der Arbeitsförderung aus § 25 Abs. 1 Satz 1 SGB III, da der Beigeladene zu 1) bei der Rechtsvorgängerin der Klägerin im streitgegenständlichen Zeitraum gegen Arbeitsentgelt (§ 14 SGB IV) abhängig beschäftigt gewesen ist.
54Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung ist § 7 Abs. 1 SGB IV. Danach ist Beschäftigung die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis.
55a) Die Regelung des mit Wirkung zum 1.7.2009 durch Art. 1 Nr. 3 Buchst. b des Gesetzes zur Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 19.12.2007 (BGBl. I, 3024) aufgehobenen § 7 Abs. 4 Satz 1 SGB IV, wonach für Personen, die für eine selbständige Tätigkeit einen Zuschuss nach § 421l SGB III beantragen, widerlegbar vermutet wurde, dass sie in dieser Tätigkeit als Selbständige tätig sind, ist nicht anzuwenden. Gleiches gilt für § 7 Abs. 4 Satz 2 SGB IV, wonach für die Dauer des Bezuges dieses Zuschusses die Person als selbständig tätig gilt. Die Regelungen dienten der Verfahrensvereinfachung und sollten Existenzgründungen erleichtern; der Amtsermittlungsgrundsatz blieb davon jedoch unberührt (Bayerisches LSG, Urteil v. 29.3.2011, L 8 AL 152/08, juris; Senat, Urteil v. 12.3.2014, L 8 R 431/11, juris, Rdnr. 69).
56Einen in den Anwendungsbereich der Vermutungsregelung des § 7 Abs. 4 SGB IV fallenden Zuschuss nach § 421l SGB III hat der Beigeladene zu 1) weder beantragt, noch ist ihm ein solcher bewilligt worden. Der Beigeladene zu 1) hat ausweislich des Inhalts der vom Senat beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beigeladenen zu 3) einen Gründungszuschuss nach § 57 SGB III a.F. beantragt und erhalten. Für einen nach dieser Anspruchsgrundlage gewährten Gründungszuschuss gilt die Vermutungsregelung des § 7 Abs. 4 SGB IV a.F. nicht (vgl. hierzu auch Bayerisches LSG, Urteil v. 28.5.2013, L 5 R 863/12, juris, Rdnr. 48).
57Ohnehin kann sich die Klägerin auf die Vermutungsregelung des § 7 Abs. 4 Satz 1 SGB IV a.F. schon deshalb nicht berufen, da das auf die Bewilligung des Gründungszuschusses gerichtete Verwaltungsverfahren der Beigeladenen zu 3) mit Erlass ihres Bescheides vom 26.10.2006 seinen Abschluss gefunden hatte (vgl. § 8 SGB X). Entsprechendes gilt für die Regelung des § 7 Abs. 4 Satz 2 SGB IV a.F., weil der Beigeladene zu 1) im Zeitpunkt seiner am 3.9.2007 für die Rechtsvorgängerin der Klägerin aufgenommenen Tätigkeit einen Gründungszuschuss nicht bezog. Der Bewilligungsbescheid der Beigeladenen zu 3) hatte im Zeitpunkt der Ausübung der streitbefangenen Tätigkeit bereits seine Wirksamkeit infolge Zeitablaufs verloren (vgl. § 39 Abs. 2 SGB X). Die Bewilligung des Gründungszuschusses durch die Beigeladene zu 3) war nämlich ausweislich ihres Bescheides vom 26.10.2006 auf den Zeitraum bis zum 8.7.2007 befristet (§ 32 Abs. 2 Nr. 1 SGB X).
58b)Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und er dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Diese Weisungsgebundenheit kann - vornehmlich bei Diensten höherer Art - eingeschränkt und zur "funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" verfeinert sein. Demgegenüber ist eine selbständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig ist, richtet sich ausgehend von den genannten Umständen nach dem Gesamtbild der Arbeitsleistung und hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (BSG, Urteil v. 30.12.2013, B 12 KR 17/11 R, juris; Urteil v. 30.4.2013, B 12 KR 19/11 R, SozR 4-2400 § 7 Nr. 21; Urteil v. 29.8.2012, B 12 KR 25/10 R, SozR 4-2400 § 7 Nr. 17; Urteil v. 25.4.2012, B 12 KR 24/10 R, SozR 4-2400 § 7 Nr. 15; BSG, Urteil v. 11.3.2009, B 12 KR 21/07 R, USK 2009-25; BSG, Urteil v. 18.12.2001, B 12 KR 10/01 R, SozR 3-2400 § 7 Nr. 20; jeweils m.w.N.; zur Verfassungsmäßigkeit dieser Abgrenzung: BVerfG, Beschluss v. 20.5.1996, 1 BvR 21/96, SozR 3-2400 § 7 Nr. 11).
59Bei der Feststellung des Gesamtbilds kommt dabei den tatsächlichen Verhältnissen nicht voraussetzungslos ein Vorrang gegenüber den vertraglichen Abreden zu (vgl. BSG, Urteil v. 29.8.2012, a.a.O., juris; ebenso Urteil v. 25.1.2006, B 12 KR 30/04 R, USK 2006-8; Urteil v. 28.5.2008, B 12 KR 13/07 R, Die Beiträge, Beilage 2008, 333, 341 f.): Nach den vom BSG entwickelten Grundsätzen sind die das Gesamtbild bestimmenden tatsächlichen Verhältnisse die rechtlich relevanten Umstände, die im Einzelfall eine wertende Zuordnung zum Typus der abhängigen Beschäftigung erlauben. Ob eine "Beschäftigung" vorliegt, ergibt sich aus dem Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es im Rahmen des rechtlich Zulässigen tatsächlich vollzogen worden ist. Ausgangspunkt ist daher zunächst das Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es sich aus den von ihnen getroffenen Vereinbarungen ergibt oder sich aus ihrer gelebten Beziehung erschließen lässt. Eine im Widerspruch zu ursprünglich getroffenen Vereinbarungen stehende tatsächliche Beziehung und die hieraus gezogene Schlussfolgerung auf die tatsächlich gewollte Natur der Rechtsbeziehung gehen der nur formellen Vereinbarung vor, soweit eine - formlose - Abbedingung rechtlich möglich ist. Umgekehrt gilt, dass die Nichtausübung eines Rechts unbeachtlich ist, solange diese Rechtsposition nicht wirksam abbedungen ist. Zu den tatsächlichen Verhältnissen in diesem Sinne gehört daher unabhängig von ihrer Ausübung auch die einem Beteiligten zustehende Rechtsmacht. In diesem Sinne gilt, dass die tatsächlichen Verhältnisse den Ausschlag geben, wenn sie von Vereinbarungen abweichen. Maßgeblich ist die Rechtsbeziehung so, wie sie praktiziert wird, und die praktizierte Beziehung so, wie sie rechtlich zulässig ist (BSG, Urteil v. 28.9.2011, B 12 R 17/09 R, juris; Senat, Urteil v. 29.6.2011, L 8 (16) R 55/08, juris).
60Ausgehend von diesen Grundsätzen ist das SG zu Recht zu dem Ergebnis gelangt, dass der Beigeladene zu 1) vom 3.9.2007 bis zum 30.10.2008 bei der Rechtsvorgängerin der Klägerin im Sinne des § 7 SGB IV beschäftigt war.
61aa) Ausgangspunkt der sozialversicherungsrechtlichen Beurteilung sind zunächst die vertraglichen Grundlagen der zu prüfenden Rechtsbeziehung. Diese erlauben die Zuordnung der Vertragsbeziehungen zwischen der Rechtsvorgängerin der Klägerin und dem Beigeladenen zu 1) zum Typus einer Dauerrechtsbeziehung.
62(1) Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme und unter Würdigung des Vorbringens der Beteiligten im gesamten Verfahren steht zunächst fest, dass die Rechtsvorgängerin der Klägerin und der Beigeladene zu 1) keine schriftlichen Vereinbarungen über ihre Zusammenarbeit getroffen haben. Zum Inhalt der mündlichen Verabredungen haben die Beteiligten im Verwaltungsverfahren vorgetragen, der Beigeladene zu 3) erhalte einzelne Aufträge, die jeweils ausgehandelt würden. Im erstinstanzlichen Verfahren hat die Klägerin hierzu erläutert, es sei "teilweise zu Beauftragungen auch kürzer er Touren (Tagestouren) oder aber auch längerer Touren im internationalen Verkehr (Mehrtagestouren)" gekommen (Schriftsatz v. 29.11.2011). Teilweise abweichend davon hat der Zeuge S bei seiner Vernehmung durch den Senat bekundet, die Klägerin habe, wenn nicht genug angestellte Fahrer zur Verfügung gestanden hätten, bei "selbständigen Fahrern" nachgefragt, ob diese für bestimmte Zeiträume (eine Woche bis mehrere Wochen) als "Urlaubs- oder Krankheitsvertretung" verfügbar seien. Wenn die betreffenden Fahrer zugesagt hätten, hätten sie - ebenso wie fest angestellte Fahrer - ihre Aufträge per SMS bzw. - wie die Geschäftsführerin der Klägerin ergänzend erläutert hat - per Telematik erhalten. Dabei seien der Fahrauftrag ebenso zugewiesen worden wie der zu benutzende Lkw oder der Ort der Hinterlegung des Fahrzeugschlüssels. Aus der Auswertung der vom Beigeladenen zu 1) erstellten Rechnungen ergibt sich weiter, dass dieser in dem 61 Kalenderwochen umfassenden Zeitraum vom 3.9.2007 bis zum 30.10.2008 in 47 Kalenderwochen für die Rechtsvorgängerin der Klägerin tätig geworden ist und dabei pro Einsatzwoche durchschnittlich rund 65 von dieser als vergütungsfähig erachtete Arbeitsstunden geleistet hat. Das entspricht unter Berücksichtigung von Urlaubstagen und Fehlzeiten wegen Arbeitsunfähigkeit annähernd dem zeitlichen Einsatz eines Arbeitnehmers im Rahmen einer Vollzeitbeschäftigung.
63(2) Ausgehend hiervon ist die Beklagte zutreffend zu der Annahme gelangt, zwischen der Klägerin und dem Beigeladenen zu 1) habe ein Dauerrechtsverhältnis bestanden.
64Der Vortrag der Klägerin, der Beigeladene zu 3) sei lediglich im Rahmen einzelner Fahraufträge tätig geworden, ist schon aufgrund der Aussage des Zeugen S, wonach die "selbständigen" Fahrer jeweils für Zeiträume von ein bis zu mehreren Wochen engagiert würden und in diesem Rahmen Fahraufträge ebenso bekämen wie fest angestellte Fahrer, widerlegt. Die Geschäftsführerin der Klägerin ist dieser Aussage in der mündlichen Verhandlung auch nicht entgegengetreten.
65Aufgrund der Beweisaufnahme ist der Senat aber auch nicht davon überzeugt, dass zwischen der Rechtsvorgängerin der Klägerin und dem Beigeladenen zu 1) jeweils nur befristete Verträge, sei es auch im Rahmen sog. Kettenbefristungen, zustande gekommen sind. Schriftliche Vereinbarungen hierzu sind nicht geschlossen worden. Die vom Beigeladenen zu 1) vorgelegten Rechnungen belegen bei der bereits beschriebenen, eher für eine Dauerrechtsbeziehung sprechenden Auftragsdichte zudem die kontinuierliche Benutzung ein und desselben, durch Kraftfahrzeugkennzeichen identifizierbaren Lkws für längere Zeiträume, obwohl davon auszugehen ist, dass auch die Rechtsvorgängerin der Klägerin über eine Vielzahl eigener bzw. angemieteter Fahrzeuge verfügte. So hat der Beigeladene zu 3) beispielsweise das Fahrzeug mit dem Kennzeichen xxx in der Zeit vom 14.7.2008 bis zum 14.11.2008 (also über einen Zeitraum von vier Monaten) durchgängig geführt. Zumindest indiziell für eine Dauerrechtsbeziehung spricht zusätzlich der Umstand, dass in diesem Zeitraum die Rechnung Nr. 828 v. 10.8.2008 von der Rechtsvorgängerin der Klägerin um vier Stunden gekürzt worden ist mit der Begründung, "Heimfahrt in den Urlaub" werde nicht bezahlt.
66Da sich weder das Zustandekommen einzelner tourenbezogener Aufträge noch lediglich befristeter Verträge nachweisen lässt und weitere Erkenntnisquellen nicht zur Verfügung stehen, ist mit Blick auf das Ergebnis der Beweisaufnahme die Annahme der Beklagten, es liege ein Dauerrechtsverhältnis vor, nicht zu beanstanden (vgl. zur objektiven Beweislast insoweit auch Bundesarbeitsgericht [BAG], Urteil v. 12.10.1994, 7 AZR 745/93, AP Nr. 165 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag).
67bb) Die nach der Typisierung des Gesetzgebers für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis sprechenden Anhaltspunkte (vgl. § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB IV) liegen nach dem Gesamtergebnis der gerichtlichen Feststellungen vor. Der Beigeladene zu 1) unterlag bei Ausübung seiner Tätigkeit den Weisungen der Klägerin [nachfolgend unter (1)] und war in deren betriebliche Arbeitsorganisation eingegliedert [nachfolgend unter (2)].
68(1) Bei der Ausübung der Tätigkeit war der Beigeladene zu 1) einem umfassenden Weisungsrecht der Klägerin unterworfen. Diese Weisungen bezogen sich nicht nur auf (a) Frachtgut, Empfänger und Lieferfrist (§§ 407, 418, 423 HGB), sondern auch (b) auf den zu benutzenden Lkw, den Ort der Übergabe dieses Lkws, die Übernahme der Fahrzeugschlüssel, den Ort der Abgabe des Lkws nach Erledigung des Auftrags und die Verpflichtung zur Übermittlung von Tankbelegen.
69Dem kann die Klägerin nicht mit Erfolg entgegenhalten, dass die unter (a) genannten Weisungen auch einem selbständigen Frachtführer erteilt werden können. Auch Transportfahrer können nämlich - selbst bei einer für Frachtführer geltenden gesetzgeberischen Wertung als selbständige Gewerbetreibende bei weit reichenden Weisungsrechten sowohl des Spediteurs als auch des Absenders und des Empfängers des Frachtgutes - jedenfalls dann sozialversicherungsrechtlich als abhängig Beschäftigte einzuordnen sein, wenn sich die Rechtsbeziehungen der Vertragsparteien nicht auf die jeden Frachtführer treffenden gesetzlichen Bindungen beschränken, sondern wenn Vereinbarungen getroffen und praktiziert werden, die die Tätigkeit engeren Bindungen unterwerfen (BSG, Urteil v. 11.3.2009, B 12 KR 21/07 R, a.a.O.). So liegt es hier. Denn der dem Leitbild der §§ 407 ff. HGB nach selbständige Frachtführer unterliegt den unter (b) genannten Weisungen typischerweise nicht. Die Gesamtbetrachtung der Weisungsbefugnisse der Klägerin lässt indessen nennenswerte Entscheidungsspielräume des Beigeladenen zu 1) nicht mehr erkennen.
70Gegen diese Beurteilung spricht auch nicht das Argument der Klägerin, der Beigeladene zu 1) habe über die Annahme eines ihm angetragenen Transportangebotes frei entscheiden dürfen. Jenseits des Umstandes, dass sich derartige Ablehnungen von Angeboten der Rechtsvorgängerin der Klägerin angesichts des dokumentierten Umfangs der tatsächlichen Inanspruchnahme des Beigeladenen zu 1) erkennbar auf Ausnahmefälle beschränkt haben und für die Beziehung der Vertragsbeteiligten nicht prägend war, spricht das Recht zur Ablehnung von einzelnen Arbeitsangeboten bzw. -aufträgen nicht gegen die Annahme eines Arbeitsverhältnisses bzw. einer abhängigen Beschäftigung (vgl. EuGH, Vorabentscheidung v. 26.2.1992, C-357/89, Slg. 1992 I, 1027 ff.; BAG, Urteil v. 17.4.2013, 10 AZR 272/12, AP Nr. 125 zu § 611 BGB Abhängigkeit).
71(2) Der Beigeladene zu 1) war zudem in den für ihn fremden Betrieb der Rechtsvorgängerin der Klägerin als der Weisungsgeberin und demnach in die ihm einseitig durch sie vorgegebene Arbeitsorganisation eingegliedert (vgl. zu diesem Kriterium BSG, Urteil v. 4.6.1998, B 12 KR 5/97 R, SozR 3-2400 § 7 Nr. 17 m.w.N.).
72Er hat unter Inanspruchnahme eines von der Unternehmensgruppe der Klägerin gehaltenen Fahrzeugs Transportaufträge nach Maßgabe der von ihr festgelegten Tourenpläne ausgeführt und hierbei an der Erfüllung ihrer speditionsvertraglichen Pflichten gegenüber ihren jeweiligen Auftraggebern mitgewirkt. Hierbei sind ihm die zu erledigenden Transportaufträge durch die Disponenten der Klägerin detailliert vorgegeben worden. Seine Eingliederung in die betriebliche Organisation der Klägerin wird auch dadurch offenbar, dass er (zumindest auch dann) gezielt beauftragt wurde, wenn es zu krankheits- oder urlaubsbedingten Personalengpässen bei den festangestellten Kräften kam. Dieser betriebliche Hintergrund der Zusammenarbeit zwischen ihm und der Rechtsvorgängerin der Klägerin lässt zur Überzeugung des Senats ohne Weiteres den Schluss zu, dass er Teil des Personaltableaus der Klägerin war, auf das diese zur Erfüllung ihrer Verpflichtungen aus den Speditionsaufträgen zurückgriff. Seine Integration in die betriebliche Organisation der Rechtsvorgängerin der Klägerin manifestiert sich auch durch die von dem Zeugen S glaubhaft beschriebene Übung, wonach er das ihm zugewiesene Fahrzeug nach Beendigung eines Auftrags zu einem bestimmten Platz zu bringen hatte, damit dieses von dem nächsten Fahrer übernommen werden konnte. Auch dies zeigt, dass er arbeitsteilig in die personelle Gesamtstruktur der Rechtsvorgängerin der Klägerin eingebunden war.
73Schließlich zeigen die beigezogenen Rechnungen des Beigeladenen zu 1), dass dieser einer genauen Kontrolle seiner Tätigkeit in zeitlicher Hinsicht unterlag, die ebenfalls für eine Eingliederung in die betriebliche Organisation der Klägerin spricht. Neben der bereits erwähnten gekürzten Rechnung v. 10.8.2008 spricht hierfür auch der aktenkundige "Arbeitszeitennachweis für die 12. KW", der eine detaillierte Dokumentation der Arbeits- und Fahrzeiten, der Stehzeiten einschließlich des Grundes sowie der Pausenzeiten enthält.
74cc) Für eine selbständige Tätigkeit des Beigeladenen zu 1) sprechende Merkmale sind nicht in einem Maße vorzufinden, dass diese im Rahmen der gebotenen Gesamtabwägung aller für die Abgrenzung zwischen abhängiger Beschäftigung und selbständiger Tätigkeit relevanten Tatsachen die für eine abhängige Beschäftigung sprechenden Indizien maßgeblich zurückdrängen würden.
75(1) Dass der Beigeladene zu 1) über eine eigene, unabhängig von dem Betrieb der Klägerin bzw. ihrer Rechtsvorgängerin bestehende Betriebsstätte, verfügen konnte, wird weder von den Beteiligten des Statusfeststellungsverfahrens behauptet, noch ist dies ersichtlich. Über wesentliche eigene Betriebsmittel, insbesondere über einen auf ihn zugelassenen Lkw, verfügte er ebenfalls nicht.
76(2) Den Beigeladenen zu 1) traf auch kein für eine selbständige Tätigkeit sprechendes, maßgebliches Unternehmerrisiko. Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG (vgl. z.B. BSG, Urteil v. 28.5.2008, B 12 KR 13/07 R, USK 2008-45) ist maßgebliches Kriterium dafür, ob eigenes Kapital oder die eigene Arbeitskraft auch mit der Gefahr des Verlustes eingesetzt wird, der Erfolg des Einsatzes der sächlichen oder persönlichen Mittel also ungewiss ist, wobei die Belastung mit Risiken im Zusammenhang mit der Verwertung der Arbeitskraft nur dann für Selbständigkeit spricht, wenn ihr eine größere Freiheit bei der Gestaltung und der Bestimmung des Umfangs des Einsatzes der eigenen Arbeitskraft gegenüber steht (vgl. z.B. BSG, Urteil v. 11.3.2009, B 12 KR 21/07 R, a.a.O., BSG, Urteil v. 25.1.2001, B 12 KR 17/00 R; BSG, Urteil v. 4.6.1998, B 12 KR 5/97 R; jeweils juris).
77Der Beigeladene zu 1) hat zur Ausübung der streitbefangenen Tätigkeit jedoch weder Kapital noch Arbeit mit der - ein unternehmerisches Risiko begründenden - Gefahr des Verlustes eingesetzt.
78(a) Der Beigeladene zu 1) setzte zur Erfüllung der streitbefangenen Transportaufträge weder ein eigenes Transportfahrzeug, noch sonstige Betriebsmittel ein. Er hat vielmehr durch den Verzicht auf die Anschaffung eines eigenen Speditionsfahrzeugs ein solches Risiko gerade vermieden. Das für die Ausführung der Transportaufträge erforderliche Fahrzeug ist ihm vielmehr von der Rechtsvorgängerin der Klägerin gestellt worden. Soweit die Klägerin behauptet hat, der Beigeladene zu 1) habe wegen der Bereitstellung der Fahrzeuge Mietzahlungen leisten müssen, hat sich dieser Vortrag - worauf bereits das SG zutreffend hingewiesen hat - im gerichtlichen Verfahren nicht bestätigt.
79(b) Zudem wurde der Beigeladene zu 1) nach einem festen Stundenlohn vergütet, sodass der Einsatz seiner Arbeitskraft unabhängig vom wirtschaftlichen Erfolg seiner Tätigkeit für die Klägerin vergütet wurde. Der vereinbarte Stundenlohn von (lediglich) 13,00 EUR lässt nennenswerte eigene unternehmerische Gestaltungsräume zugunsten des Beigeladenen zu 1) auch nicht zu.
80Soweit die Klägerin geltend macht, der Beigeladene zu 1) sei einem Risiko der Insolvenz seines Auftraggebers ausgesetzt, trifft ein solches Risiko auch eine Vielzahl von Beschäftigten, die gleichfalls der Gefahr ausgesetzt sind, im Falle einer Zahlungsunfähigkeit ihres Arbeitgebers einen aus der Bereitstellung der Arbeitsleistung erworbenen Vergütungsanspruch nicht realisieren zu können.
81(c) Soweit die Klägerin eine selbständige Tätigkeit des Beigeladenen zu 1) schließlich damit zu begründen versucht, es seien weder Ansprüche auf Inanspruchnahme von Erholungsurlaub noch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall begründet worden, rechtfertigt dieser Umstand nicht die Annahme eines unternehmerischen Risikos in einem von der Rechtsprechung geklärten Sinne. Die Überbürdung sozialer Risiken abweichend von der das Arbeitsrecht prägenden Risikoverteilung ist nur dann ein gewichtiges Indiz für unternehmerisches Handeln, wenn damit auch tatsächliche Chancen einer Einkommenserzielung verbunden sind, also eine Erweiterung der unternehmerischen Möglichkeiten stattfindet (BSG, Urteil v. 11.3.2009, a.a.O.), wofür im vorliegenden Fall jedoch nichts ersichtlich ist.
82(3) Der Beigeladene zu 1) verfügte hinsichtlich der Arbeitszeit und der Ausgestaltung der Tätigkeit für die Rechtsvorgängerin der Klägerin auch nicht über nennenswerte unternehmertypische Freiheiten. Er war nach dem Ergebnis der Feststellungen im gerichtlichen Verfahren aus den vorstehend dargelegten Gründen nicht wie ein selbständiger Frachtführer im Wesentlichen frei, seine Tätigkeit zu gestalten und seine Arbeitszeit zu bestimmen. Vielmehr war er während der Dauer der Zusammenarbeit mit der Rechtsvorgängerin der Klägerin umfassend in deren Betriebsorganisation eingebunden und von der Bereitstellung der für die Transportaufträge erforderlichen Betriebsmittel durch die Klägerin abhängig. Letztere gab zudem durch ihre Disponenten dem Beigeladenen zu 1) die Tourenplanung und das zu verwendenden Fahrzeugs verbindlich vor.
83(4) Die vor Aufnahme der Tätigkeit des Beigeladenen zu 1) für die Rechtsvorgängerin der erfolgte Gewerbeanmeldung mit den Tätigkeiten "Dienstleistungen aller Art, überwiegend Fahrdienstleistung" spricht gleichfalls nicht entscheidend für eine selbständige Tätigkeit, da die formale Anmeldung eines Gewerbes für die Beurteilung der tatsächlichen Ausgestaltung der zu beurteilenden Tätigkeit ohne jede Aussagekraft ist. Der sozialversicherungsrechtliche Status eines Betriebsinhabers in einer konkreten Rechtsbeziehung zu seinem Auftraggeber wird seitens der Gewerbeaufsicht nicht geprüft.
84dd) In der Gesamtabwägung sprechen gewichtige Aspekte für eine Eingliederung des Beigeladenen zu 1) in die betriebliche Organisation der Rechtsvorgängerin der Klägerin und eine Weisungsgebundenheit des Beigeladenen zu 1). Demgegenüber sind für eine selbständige Tätigkeit sprechende Merkmale in einem allenfalls marginalen Umfang gegeben. In der gebotenen Gesamtabwägung überwiegen zur Überzeugung des Senats die für eine abhängige Beschäftigung des Beigeladenen zu 1) sprechenden Merkmale eindeutig.
853. Die Beklagte hat den Eintritt der Versicherungspflicht zutreffend beginnend mit dem 3.9.2007, dem Tag der Aufnahme der Beschäftigung, festgestellt.
86Ein späterer Beginn der Versicherungspflicht in Anwendung des § 7a Abs. 6 SGB IV kommt nicht in Betracht, da der Antrag auf Statusfeststellung nach § 7a Abs. 1 SGB IV vom 19.6.2008 nicht innerhalb eines Monats nach Aufnahme der Tätigkeit für die Klägerin (3.9.2007) gestellt worden ist.
87Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung.
88Gründe, gemäß § 160 Abs. 2 SGG die Revision zuzulassen, sind nicht gegeben. Die Entscheidung orientiert sich an der ständigen Rechtsprechung des BSG.
89Die Festsetzung des Streitwertes richtet sich nach § 197a Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 SGG i.V.m. §§ 52 Abs. 1, 3, 63 Abs. 2 Satz 1 Gerichtskostengesetz und damit nach der sich aus dem Antrag der Klägerin für sie ergebenden (wirtschaftlichen) Bedeutung der Angelegenheit nach Ermessen des Gerichts. Bei einem Statusfeststellungsverfahren liegt das wirtschaftliche Interesse des potentiellen Arbeitgebers in der Vermeidung einer Beitragslast (vgl. Senat, Beschluss v. 14.5.2012, L 8 R 158/12 B, zitiert nach juris). Maßgebend für die Festsetzung des Streitwerts im Statusfeststellungsverfahren ist damit die mögliche Höhe des Gesamtsozialversicherungsbeitrags. Heranzuziehen ist das gesamte mögliche Arbeitsentgelt im Sinne von § 14 SGB IV, begrenzt auf die Höhe der jeweiligen Beitragsbemessungsgrenze. Der maßgebliche Zeitraum richtet sich bei längerfristigen Arbeitsbeziehungen in der Regel nach deren absehbarer Dauer, begrenzt auf einen Zeitraum von drei Jahren.
90Die von der Rechtsvorgängerin der Klägerin dem Beigeladenen zu 1) im Zeitraum vom 3.9.2007 bis zum 30.10.2008 geleisteten Zahlungen summieren sich auf 38.717,25 EUR. Ausgehend von diesem Betrag ergibt sich eine etwaige Beitragsbelastung der Klägerin von 15.486,90 EUR. Den auf den nächsten vollen hundert Euro gerundeten Betrag hat der Senat nach Anhörung der Beteiligten als Streitwert festgesetzt.
Tenor
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Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 10. Juni 2009 wird zurückgewiesen.
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Die Beklagte hat der Klägerin deren außergerichtliche Kosten auch für das Revisionsverfahren zu erstatten.
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Im Übrigen sind Kosten nicht zu erstatten.
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Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf 6500 Euro festgesetzt.
Tatbestand
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Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beigeladene zu 1. in der von ihr für einen privaten "Pflegedienst" ausgeübten Tätigkeit als hauswirtschaftliche Familienbetreuerin der Versicherungspflicht in der Sozialversicherung und in der Arbeitslosenversicherung unterlag.
- 2
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Die Klägerin gehört zu einer Unternehmensgruppe, die im Bereich der ambulanten "Pflege und Betreuung" bundesweit tätig ist. Ihr Unternehmensziel ist darauf gerichtet, zumeist älteren und gesundheitlich eingeschränkten Personen ("Pflegebedürftigen"; im Folgenden: Betreuten) einen ua bis zu 24 Stunden täglich dauernden, umfassenden Service durch einen hauswirtschaftlichen Familienbetreuer bzw eine hauswirtschaftliche Familienbetreuerin ("Pflegepartner") anzubieten. Nach Unterweisung in einer von der Unternehmensgruppe betriebenen Aus- und Weiterbildungseinrichtung, die von den Pflegepartnern teilweise selbst bezahlt werden muss, und nach Herstellung eines Kontakts zu den Betreuten durch eine bei der Klägerin angestellte examinierte Krankenschwester führen die Pflegepartner im Rahmen eines regelmäßig 14-tägigen Einsatzes den Haushalt der Betreuten im heimischen Umfeld und übernehmen ggf weitere Dienstleistungen - auch im Sinne von "Gesellschaft" und "Unterhaltung" - nach den jeweiligen Bedürfnissen des Betreuten. Die Pflegepartner erbrachten in den Jahren 2001 und 2002 keine Leistungen der sozialen Pflegeversicherung. Auch war die Klägerin seinerzeit keine durch Versorgungsvertrag zugelassene ambulante Pflegeeinrichtung.
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Die Beigeladene zu 1., die nach ihrer - wie vorbeschrieben durchgeführten - Unterweisung ein Gewerbe "Hauswirtschaftliche Betreuung" angemeldet hatte, übte vom 18.1.2001 bis 1.7.2002 mit Unterbrechungen allein für die Rechtsvorgängerin der Klägerin (im Folgenden vereinfachend: Klägerin) eine Tätigkeit als hauswirtschaftliche Familienbetreuerin aus. Später - nach ihrer Lösung von der Klägerin - arbeitete sie parallel für mehrere andere private Pflegedienste. Während zwischen der Klägerin und den Betreuten ein schriftlicher Pflege- und Betreuungsvertrag abgeschlossen wurde, erfolgten die "Einsatzaufträge" der Klägerin an die Beigeladene zu 1. lediglich fernmündlich von Mal zu Mal. Die Beigeladene zu 1. erteilte hierüber schriftliche Auftragsbestätigungen. Weitergehende schriftliche Verträge über die einzelnen Einsätze bestanden nicht, ebenso wenig existierte eine schriftliche Rahmenvereinbarung. Eine Verpflichtung der Klägerin, "Einsatzaufträge" zu erteilen, bestand nicht. Ebenso konnte die Beigeladene zu 1. ihr angebotene Einsätze ohne Begründung und ohne Folgen für spätere Einsatzoptionen ablehnen oder abbrechen oder verlängern. Aus einem laufenden Einsatz konnte sie von der Klägerin nicht abgezogen und einem anderen Kunden zugeteilt werden. Die Beigeladene zu 1. kalkulierte den Aufwand für sich selbst - gemessen an den an ihre Tätigkeit gestellten Anforderungen - ggf neu, verhandelte mit der Klägerin über die Vergütung und stellte dieser stets nach Abschluss ihrer Einsätze Rechnungen auf der Grundlage der - entsprechend vorher vereinbarten - pauschalierten Vergütung in Form von Tagessätzen (150 bis 170 DM bzw 87 Euro) aus. Während des Einsatzes dokumentierte die Beigeladene zu 1. die von ihr erbrachten Leistungen ("Pflegenachweis, Leistungsnachweis"). Eine vertragliche Verpflichtung zur Führung solcher Dokumentationen bestand im Verhältnis zur Klägerin nicht. Die examinierte Kraft ("Leitung des Pflegedienstes", "Einsatzleitung") kontrollierte diese Dokumentationen nicht. Eine Aufnahme der Beigeladenen zu 1. in einen von der Klägerin aufgestellten, alle Pflegepartner umfassenden Einsatzplan erfolgte nicht. Im Verhinderungsfall durfte sie - in Absprache mit der Klägerin - eine entsprechend qualifizierte Vertretung einsetzen. Für den Fall der "Kundeninsolvenz" hatten Klägerin und Beigeladene zu 1. einen Selbstbehalt Letzterer von 200 Euro je Rechnung ("Gewährleistungssumme") vereinbart, ebenso, dass bei Honorarkürzungen wegen Schlechtleistung diese von der Klägerin als Abzüge von der Vergütung an die Beigeladene zu 1. weitergegeben werden durften. Die Beigeladene zu 1. erzielte in den Jahren 2001 und 2002 Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von 19 706 DM bzw 6686 Euro.
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Im November 2000 beantragte die Beigeladene zu 1. bei der Rechtsvorgängerin des beklagten Rentenversicherungsträgers (Deutsche Rentenversicherung Bund) ua die "Feststellung des sozialversicherungsrechtlichen Status". Mit zwei Bescheiden vom 10.2.2003 stellte die Beklagte gegenüber der Klägerin und der Beigeladenen zu 1. fest, dass die Beigeladene zu 1. ihre Tätigkeit als hauswirtschaftliche Pflegerin und Betreuerin im Rahmen eines abhängigen und damit dem Grunde nach sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt habe. Beide legten hiergegen Widerspruch mit der Begründung ein, dass die Beigeladene zu 1. für die Klägerin selbstständig tätig gewesen sei. Mit Widerspruchsbescheiden vom 17.12.2004 wies die Beklagte die Widersprüche zurück.
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Mit Urteil vom 4.6.2007 hat das SG der von der Klägerin erhobenen Klage stattgegeben und den sie betreffenden Bescheid in der Gestalt des Widerspruchsbescheides aufgehoben sowie festgestellt, dass die Beigeladene zu 1. "im Zeitraum ihrer Tätigkeit für die Klägerin nicht in einem Beschäftigungsverhältnis zu dieser gestanden hat". Während der mündlichen Verhandlung im Berufungsverfahren hat die Beklagte die genannten Bescheide mit Bescheid vom 10.6.2009 "ergänzt" und festgestellt, dass die Beigeladene zu 1. "in der Zeit zwischen dem 18.1.2001 bis zum 1.7.2002 mit Unterbrechungen in den Zeiten ihrer Beschäftigung für die Klägerin versicherungspflichtig zu allen Zweigen der gesetzlichen Sozialversicherung war" und "Beginn der Versicherungspflicht … der 18.1.2001 ist".
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Auf die Berufung der Beklagten hat das LSG - nach umfangreichen Ermittlungen - mit Urteil vom 10.6.2009 das Urteil des SG geändert. Über die im erstinstanzlichen Verfahren angefochtenen Bescheide hinaus hat es auch den "ergänzenden" Bescheid vom 10.6.2009 aufgehoben. Das LSG hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen und festgestellt, dass die Beigeladene zu 1. in ihrer Tätigkeit für die Klägerin als hauswirtschaftliche Familienbetreuerin in den im Tenor näher bezeichneten Zeiträumen "nicht als Arbeitnehmerin versicherungspflichtig zur gesetzlichen Renten-, Krankenversicherung, zur sozialen Pflegeversicherung sowie zur Arbeitslosenversicherung war". Es hat seine zurückweisende Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet: Die Beigeladene zu 1. habe in der streitigen Zeit nach dem Gesamtbild ihrer Tätigkeit in keinem die Versicherungspflicht begründenden Beschäftigungsverhältnis zur Klägerin gestanden. Die mündlichen Abreden zwischen der Klägerin und der Beigeladenen zu 1. sprächen als starke Indizien für das Vorliegen einer selbstständigen Tätigkeit. Die vereinbarten Einzelheiten machten den Willen der Beteiligten deutlich, eine selbstständige Tätigkeit der Beigeladenen zu 1. zu begründen. Die - gewollte - sozialversicherungsrechtliche Selbstständigkeit sei auch tatsächlich umgesetzt worden. So habe die Beigeladene zu 1. angebotene Einsätze ablehnen können, über die Höhe des Vergütungsanspruchs verhandelt und nach Abschluss des Einsatzes wie ein Unternehmer Rechnungen geschrieben. Der Klägerin habe - auch über die von ihr eingesetzte examinierte Kraft - keine Weisungsbefugnis zugestanden. Eine ständige Dienstbereitschaft der Beigeladenen zu 1. sei nicht erwartet gewesen; diese habe ihre Dienstleistungen auch nicht in den Betriebsräumen der Klägerin erbracht. Die Beigeladene zu 1. habe schließlich ein Unternehmerrisiko getragen, etwa weil sie bei "Kundeninsolvenz" weniger Vergütung erhalten und Ausbildung und Fortbildungen selbst bezahlt habe. Dass gewisse "Eckpunkte" des jeweiligen Auftrags von der Klägerin und von den Betreuten vorgegeben gewesen seien, stehe der Annahme von Selbstständigkeit indes nicht entgegen, ebenso wenig, dass die Beigeladene zu 1. Pflegedokumentationen geführt habe. Im konkreten, hier allein zu entscheidenden Fall seien diese von der Klägerin bzw der für sie tätigen examinierten Kraft lediglich zur Kenntnis genommen worden. Auch könne aus der Begründung aufeinanderfolgender, relativ kurzer Vertragsverhältnisse nicht auf das Vorliegen von Beschäftigung geschlossen werden. In diesem Sinne habe die Beigeladene zu 1. nur stets aufs Neue ihre Entschließungsfreiheit betätigt, eine weitere Vertragsbeziehung begründen zu wollen.
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Die Beklagte wendet sich hiergegen mit der vom LSG zugelassenen Revision und rügt sinngemäß eine Verletzung von § 7 Abs 1 SGB IV: Nach dem Gesamtbild sprächen die Kriterien überwiegend für das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung. Die Beigeladene zu 1. sei in die Arbeitsorganisation der Klägerin eingeordnet, weisungsgebunden und ohne Unternehmerrisiko tätig gewesen. Die Führung der Pflegedokumentationen, zu der die Beigeladene zu 1. aufgrund des mit den Betreuten abgeschlossenen Pflege- und Betreuungsvertrags mittelbar verpflichtet gewesen sei, und das Prozedere beim Wechsel der Pflegepartner zeigten, dass die Beigeladene zu 1. Teil in der Kette der den jeweiligen Betreuten zur Verfügung gestellten Pflegepartner und damit in die Arbeitsorganisation der Klägerin eingegliedert gewesen sei. Das ergebe sich auch aus deren Teilnahme am Gruppenversicherungsvertrag der Klägerin für die Berufshaftpflichtversicherung. Weil sie ihre Aufträge ausschließlich durch Vermittlung der Klägerin erhalten und sich die Betreuungstätigkeit nach den Wünschen der Betreuten gerichtet habe, sei die Beigeladene zu 1. auch - im Verhältnis zu diesen - weisungsgebunden gewesen. Ein Unternehmerrisiko der Beigeladenen zu 1. habe schließlich nicht bestanden. Dieses folge weder aus dem Umstand, dass die Beigeladene zu 1. Aufträge habe ablehnen dürfen, noch daraus, dass von der Klägerin eine "Gewährleistungssumme" für den Fall der "Kundeninsolvenz" habe einbehalten werden dürfen.
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Die Beklagte beantragt,
die Urteile des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 10. Juni 2009 und des Sozialgerichts Duisburg vom 4. Juni 2007 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
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Die Klägerin beantragt,
die Revision der Beklagten zurückzuweisen.
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Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Aus dem Vertragsverhältnis zwischen ihr und der Beigeladenen zu 1. lasse sich eine Weisungs- und/oder Kontrollbefugnis nicht herleiten. Pflegedokumentationen seien ein Arbeitsmittel der professionellen Pflege und ließen keinen Rückschluss auf den Status der sie Führenden zu. Ebenso wenig spreche die Teilnahme an einem Gruppenversicherungsvertrag für eine abhängige Beschäftigung.
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Die Beigeladenen stellen keine Anträge und äußern sich auch nicht in der Sache.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Revision des beklagten Rentenversicherungsträgers (Deutsche Rentenversicherung Bund) ist unbegründet. Zutreffend hat das LSG zunächst - auf Klage - auch den während des Berufungsverfahrens erlassenen "ergänzenden" Bescheid der Beklagten vom 10.6.2009 aufgehoben. Ohne dass dies revisionsrechtlich zu beanstanden ist, hat es sodann die Berufung der Beklagten gegen das der Klage stattgebende Urteil des SG mit den im Tenor genannten, auf die Zeiten der einzelnen Betreuungseinsätze vorgenommenen Einschränkungen zurückgewiesen und das erstinstanzliche Urteil insoweit geändert. Der ursprüngliche Bescheid der Beklagten vom 10.2.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.12.2004 und ihres "ergänzenden" Bescheids vom 10.6.2009 ist rechtswidrig. Wie das LSG ohne Rechtsfehler entschieden hat, hat sie darin unzutreffend festgestellt, dass die Beigeladene zu 1. in den streitigen Zeiträumen in ihrer für den privaten "Pflegedienst" der Rechtsvorgängerin der Klägerin (im Folgenden vereinfachend: Klägerin) ausgeübten Tätigkeit als hauswirtschaftliche Pflegerin und Betreuerin wegen einer Beschäftigung in den Zweigen der Sozialversicherung und in der Arbeitslosenversicherung versicherungspflichtig war.
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1. Im Revisionsverfahren zu überprüfen ist vom Senat auch der während der mündlichen Verhandlung im Berufungsverfahren von der Beklagten erlassene Bescheid vom 10.6.2009. Dieser hat die bis dahin angefochtenen Bescheide über die darin vorgenommene (unzulässige) Elementenfeststellung des Bestehens einer Beschäftigung hinaus in ihrem Verfügungssatz um die notwendigen (vgl BSGE 103, 17 = SozR 4-2400 § 7a Nr 2, Leitsatz und RdNr 11 ff; BSG Urteil vom 4.6.2009 - B 12 R 6/08 R - Juris RdNr 13 ff) Feststellungen zum Vorliegen von Versicherungspflicht und ihres Beginns "ergänzt". Wird in einem solchen Fall ein wegen der Feststellung eines (unselbstständigen) Tatbestandselements unvollständiger Verwaltungsakt durch einen weiteren Verwaltungsakt um das fehlende (andere) Element zu einer vollständigen Feststellung ergänzt - und damit auch erst einer inhaltlichen, materiell-rechtlichen Überprüfung durch das bereits angerufene Gericht zugänglich gemacht -, so liegt darin eine insgesamt erneuernde Feststellung mit der Folge, dass der zweite Verwaltungsakt den ersten iS von § 96 Abs 1 SGG(iVm § 153 Abs 1 SGG) ersetzt.
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Im Revisionsverfahren nicht zu entscheiden ist demgegenüber, ob die Beigeladene zu 1. für den Fall, dass für sie in ihrer Tätigkeit als hauswirtschaftliche Familienbetreuerin eine Versicherungspflicht wegen Beschäftigung bei der Klägerin nicht festzustellen ist, bei den jeweils von ihr Betreuten versicherungspflichtig beschäftigt war. Ebenso ist hier nicht zu überprüfen, ob die Beigeladene zu 1. - was bei Annahme einer selbstständigen Tätigkeit in Betracht kommt - jedenfalls der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung nach einem der Tatbestände des § 2 Satz 1 SGB VI unterlag. Zutreffend hat das LSG insoweit ausgeführt, dass in dem auf die Feststellung der Sozialversicherungspflicht Beschäftigter gerichteten Anfrageverfahren nach § 7a SGB IV allein geklärt werden sollte, ob die Beigeladene zu 1. bei der Klägerin wegen Beschäftigung iS von § 7 Abs 1 SGB IV versicherungspflichtig war, und dass eine Feststellung des (Nicht-)Bestehens von Versicherungspflicht in der Rentenversicherung der Selbstständigen, die eine Prüfung der Voraussetzungen der § 2 Satz 1, § 5 Abs 2 Satz 1 Nr 2 SGB VI erfordert, deshalb vom Streitgegenstand des gerichtlichen Verfahrens nicht umfasst ist.
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2. Die Beklagte ist in ihren Bescheiden in dem von der Beigeladenen zu 1. eingeleiteten Anfrageverfahren, in dessen Rahmen sie über die Frage der Sozialversicherungspflicht wegen Beschäftigung bei der Klägerin auch - wie hier - nach Beendigung der zu beurteilenden Tätigkeit entscheiden darf (vgl BSG SozR 4-2400 § 7a Nr 3 RdNr 32), auf der Grundlage einer Gesamtwürdigung aller tatsächlichen Umstände des hier zu beurteilenden Einzelfalls (vgl § 7a Abs 2 SGB IV) - ausgehend von den vom LSG für den Senat bindend festgestellten (vgl § 163 SGG) Tatsachen -rechtsfehlerhaft zu dem Ergebnis gelangt, dass die Beigeladene zu 1. in ihrer für die Klägerin ausgeübten Tätigkeit als hauswirtschaftliche Familienbetreuerin wegen Beschäftigung der Versicherungspflicht unterlag. Der Senat kann somit offenlassen, ob einer Annahme von Versicherungspflicht wegen Beschäftigung in den streitigen Zeiträumen auch die Regelungen über die geringfügige Beschäftigung (vgl § 8 Abs 1 SGB IV) in den einzelnen Zweigen der Sozialversicherung und in der Arbeitslosenversicherung entgegenstehen und ob die Beklagte - bei Bestehen von Versicherungspflicht wegen Beschäftigung - über den Zeitpunkt ihres Eintritts zutreffend entschieden hat.
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a) In den Jahren 2001 und 2002, um die es hier geht, unterlagen Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt waren, in der Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung (vgl § 5 Abs 1 Nr 1 SGB V, § 20 Abs 1 Satz 2 Nr 1 SGB XI, § 1 Satz 1 Nr 1 SGB VI und § 25 Abs 1 Satz 1 SGB III)der Versicherungspflicht (und Beitragspflicht). Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer (abhängigen) Beschäftigung war § 7 Abs 1 SGB IV in seiner bis heute unverändert geltenden Fassung. Danach ist Beschäftigung die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis (§ 7 Abs 1 Satz 1 SGB IV). Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Diese Weisungsgebundenheit kann eingeschränkt und zur "funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" verfeinert sein. Bei untergeordneten und einfacheren Arbeiten ist eher eine Eingliederung in eine fremde Arbeitsorganisation anzunehmen (vgl zur Beurteilung von Familienhelfern im Arbeitsrecht BAGE 88, 327, 335 = AP Nr 94 zu § 611 BGB Abhängigkeit). Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig ist, richtet sich ausgehend von den genannten Umständen nach dem Gesamtbild der Arbeitsleistung und hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (stRspr; vgl zum Ganzen zB zuletzt BSG Urteil vom 27.7.2011 - B 12 KR 10/09 R, RdNr 17, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen; BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 6 RdNr 14 mwN; BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 19 S 69 f, Nr 13 S 31 f und Nr 4 S 13, jeweils mwN; BSGE 78, 34, 36 = SozR 3-2940 § 2 Nr 5 S 26 f mwN; zur Verfassungsmäßigkeit der Abgrenzung zwischen abhängiger Beschäftigung und selbstständiger Tätigkeit vgl BVerfG SozR 3-2400 § 7 Nr 11).
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b) Im vorliegenden Rechtsstreit ist das LSG - für die hier (allein) zu beurteilende Fallkonstellation - auf Grund der genannten Rechtsprechung in seiner Gesamtwürdigung, ohne dass dies vom Senat zu beanstanden wäre, zu dem Ergebnis gelangt, dass die Beigeladene zu 1. in ihrer Tätigkeit als hauswirtschaftliche Familienbetreuerin bei der Klägerin nicht beschäftigt war. Die vom Berufungsgericht hierbei in seinem Ausgangspunkt zu Grunde gelegten rechtlichen Grundsätze sind zutreffend. So ist das LSG bei seiner Würdigung des Gesamtbildes der Tätigkeit zu Recht (vgl BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 7 RdNr 16 f; BSG Urteil vom 28.5.2008 - B 12 KR 13/07 R - Juris RdNr 15 f; BSG Urteil vom 25.1.2006 - B 12 KR 30/04 R - Juris RdNr 22) davon ausgegangen, dass dem in den - hier allein mündlich getroffenen - Abreden dokumentierten Willen der Beteiligten, keine Beschäftigung zu wollen, nur dann keine - indizielle - Bedeutung zukommt, wenn die tatsächlichen Verhältnisse von diesen Vereinbarungen rechtlich relevant abwichen, und dann maßgebend ist, wie die Rechtsbeziehung (tatsächlich) praktiziert wurde. Als rechtlichen Ausgangspunkt zutreffend erfasst hat das LSG auch, dass aus dem Umstand, dass - ohne (mündliche oder schriftliche) Rahmenvereinbarung - jeweils einzelne, gesonderte, (nur) kurze Vertragsverhältnisse von in der Regel 14 Tagen mit Diensten "rund um die Uhr" begründet wurden, zwingende Schlüsse weder in der einen - Beschäftigung - noch in der anderen Richtung - selbstständige Tätigkeit - gezogen werden können, sondern stets eine Bewertung der einzelnen "Einsatzaufträge" am Maßstab der von der Rechtsprechung für die Abgrenzung zwischen selbstständiger Tätigkeit und Beschäftigung entwickelten Grundsätze zu erfolgen hat (vgl schon BSG Urteil vom 28.5.2008 - B 12 KR 13/07 R - Juris RdNr 24 ff). Als Ausgangsüberlegung richtig ist schließlich, dass eine Tätigkeit wie die eines hauswirtschaftlichen Familienbetreuers bzw einer hauswirtschaftlichen Familienbetreuerin grundsätzlich sowohl als Beschäftigung als auch im Rahmen eines freien Dienstverhältnisses ausgeübt werden kann (vgl zur Möglichkeit der Ausübung einer Tätigkeit als Hauskrankenpflegerin auch im Rahmen abhängiger Beschäftigung aus der Zeit vor Einführung der Pflegeversicherung LSG Berlin, Urteil vom 26.11.1986 - L 9 Kr 8/85 - Breith 1987, 345; ferner zur Möglichkeit der Ausübung einer Tätigkeit als Tagesmutter als Beschäftigte und Selbstständige Urteil des Senats vom 25.5.2011 - B 12 R 13/09 R - Juris RdNr 11, mwN, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen). Sowohl die Befristung der Arbeitseinsätze der Beigeladenen zu 1. als auch ihr Einsatz "rund um die Uhr" lassen dabei nicht schon den Schluss zu, dass ein (rechtlich zulässiger) Einsatz von vornherein überhaupt nur im Rahmen einer frei ausgestalteten selbstständigen Tätigkeit in Betracht kam. Zwar waren (und sind) kurzzeitige Beschäftigungen bei demselben Arbeitgeber nur begrenzt zulässig (vgl § 14 Teilzeit- und Befristungsgesetz vom 21.12.2000, BGBl I 1966), aber immerhin nicht generell ausgeschlossen. Auch unter dem Blickwinkel des Arbeitszeitrechts bestanden (und bestehen) für Beschäftigungen auf diesem Gebiet keine engen Vorgaben hinsichtlich der maximalen täglichen und wöchentlichen Arbeitszeit (vgl § 18 Abs 1 Nr 3 Arbeitszeitgesetz vom 6.6.1994, BGBl I 1170: keine Geltung des Gesetzes für "Arbeitnehmer, die in häuslicher Gemeinschaft mit den ihnen anvertrauten Personen zusammenleben und sie eigenverantwortlich erziehen, pflegen oder betreuen").
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c) Die von der Beklagten mit zulässigen Verfahrensrügen nicht angegriffenen, auf der Grundlage umfangreicher Ermittlungen getroffenen detaillierten Feststellungen des LSG zu den im vorliegenden Fall zwischen der Klägerin und der Beigeladenen zu 1. getroffenen Vereinbarungen und deren - hiermit übereinstimmender - (tatsächlicher) Umsetzung rechtfertigen dessen Annahme, die Beigeladene zu 1. sei in ihrer Tätigkeit als hauswirtschaftliche Familienbetreuerin bei dieser nicht beschäftigt gewesen. Das Berufungsgericht hat ausgehend von zutreffenden (allgemeinen) rechtlichen Erwägungen begründet, dass und warum hiernach starke Indizien für das Vorliegen einer selbstständigen Tätigkeit sprechen. Insoweit ist nicht zu beanstanden, dass das LSG für das hier (allein) zu beurteilende Verhältnis zwischen der Klägerin und der Beigeladenen zu 1. ein Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung der Tätigkeit umfassendes Weisungsrecht der Klägerin sowie eine Eingliederung in deren "Betrieb" verneint, demgegenüber aber ein Unternehmerrisiko der Beigeladenen zu 1. angenommen hat. Ebenso ist es beanstandungsfrei, dass das LSG diesen Befund - unter Einbeziehung weiterer, für eine selbstständige Tätigkeit sprechender Umstände - bei der Gesamtwürdigung seiner Statusbewertung maßgebend zugrunde gelegt und der Abhängigkeit der Beigeladenen zu 1. von (allgemeinen) Vorgaben der Klägerin, der Vergütung in Form (pauschaler) Tagessätze sowie der Führung einer Pflegedokumentation durch die Beigeladene zu 1. hierbei keine entscheidende Bedeutung beigemessen hat.
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aa) Entgegen der von der Beklagten vertretenen Auffassung unterlag die Beigeladene zu 1. bei der Durchführung ihrer einzelnen "Einsatzaufträge" keinem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht der Klägerin. Sie unterlag auch keinem solchen der von ihr Betreuten. Unter Berücksichtigung der im Zusammenhang mit der rechtlichen Beurteilung von Lehrtätigkeiten entwickelten Rechtsprechung des BSG (vgl BSG Urteil vom 12.2.2004 - B 12 KR 26/02 R - Juris RdNr 29, mwN) hat das Berufungsgericht den Umständen hier rechtsfehlerfrei keine entscheidende Bedeutung beigemessen, dass gewisse "Eckpunkte" des jeweiligen "Einsatzauftrags" wie Beginn und Ende des Einsatzes und "grober" Inhalt der Tätigkeit von der Klägerin vorgegeben waren und sich die Betreuungstätigkeit (allgemein) nach den Bedürfnissen und Wünschen der Betreuten oder ihrer Angehörigen auszurichten hatte. Wie die Betreuung im Einzelnen ausgestaltet ist, richtet sich nach den individuellen Erfordernissen, die sowohl inhaltlich als auch in zeitlicher Hinsicht die zu erbringenden Leistungen bestimmen. Das gilt für Tätigkeiten hauswirtschaftlicher Art wie für Pflegetätigkeiten (im weiteren Sinne) gleichermaßen. Der hierbei - gerade auch im Hinblick auf die zeitliche Dimension des "Einsatzauftrags" (14-Tage-Einsatz, 24-Stunden-Service) - geforderten Fähigkeit des Pflegepartners zur Reaktion auf die - sich ggf ständig verändernde - aktuelle Betreuungs- und/oder Pflegesituation steht zwangsläufig eine Flexibilität im Handeln gegenüber, die diesem gerade wegen der Individualität und Einzigartigkeit dieser Situation prinzipiell einen großen Entscheidungsbereich belässt. Hiervon ausgehend und nach den Feststellungen des LSG im vorliegenden Fall unterlag die Beigeladene zu 1. keiner arbeitnehmertypischen Leistungspflicht, weil sich für sie bei ihrer Tätigkeit für einen Arbeitnehmer uncharakteristische Handlungsspielräume ergaben (vgl insoweit - im Arbeitsrecht - zum Gesichtspunkt einer möglichen Einflussnahme des Betroffenen auf Art und zeitliche Lage der konkreten Tätigkeit in einer Betreuungssituation BAG AP Nr 45 zu § 611 BGB Abhängigkeit, Leitsatz 1 und Bl 413 ff). Allein aus der im Hinblick auf die genannten (allgemeinen) Vorgaben der Klägerin und der Betreuten bestehenden "Minderung" der "Autonomie" der Pflegepartner bei der Durchführung der einzelnen Einsätze kann daher nicht auf eine Weisungsgebundenheit im geforderten Sinne und damit eine persönliche Abhängigkeit der Beigeladenen zu 1. von der Klägerin und/oder der Betreuten geschlossen werden (zur Übertragung der für die Beurteilung von Lehrtätigkeiten aufgestellten Grundsätze auf als sog Freelancer tätige Flugzeugführer vgl BSG Urteil vom 28.5.2008 - B 12 KR 13/07 R - Juris RdNr 23). Ob die Vertragsbeziehungen zwischen der Klägerin, den Betreuten und der Beigeladenen zu 1. - wie die Beklagte unter Hinweis auf ein Urteil des LSG Sachsen-Anhalt vom 18.6.2008 (L 1 RA 257/05 - Juris RdNr 60 f) meint - einem Leiharbeitsverhältnis ähnelten mit der Besonderheit, dass hier das "Weisungsrecht" wie dort auf die Betreuten "delegiert" war, ist vor diesem Hintergrund ohne Bedeutung.
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Die Beigeladene zu 1. war auch nicht - gleichwohl - wegen der von ihr in der Gestalt von "Pflegeberichten", "Pflegeprotokollen" und "Checklisten für die Pflegepartner zur Durchführung einer Ablösung" geführten Pflegedokumentationen von der Klägerin weisungsabhängig. Die Beklagte behauptet dieses auch selbst nicht, sondern stützt sich auf diesen Umstand (nur) für ihre Annahme, die Beigeladene zu 1. sei in eine von der Klägerin vorgegebene Ordnung eingegliedert gewesen. Das LSG hat in dem hier (allein) zu entscheidenden Fall festgestellt, dass sich die bei der Klägerin angestellte examinierte Krankenschwester in die Tätigkeit der Beigeladenen zu 1. tatsächlich nicht eingemischt, insbesondere deren Arbeitsergebnisse - etwa beim Wechsel von Pflegepartnern - nicht anhand der Pflegedokumentationen kontrolliert hat, und hieraus den Schluss gezogen, dass der Klägerin über diese Kraft keine Weisungsbefugnis zustand. Diese Schlussfolgerung ist nicht zu beanstanden, zumal - wie das Berufungsgericht ebenfalls festgestellt hat - der Klägerin keine Rechtsmacht zur Kontrolle zustand, weil im Verhältnis zu ihr eine (vertragliche) Verpflichtung der Beigeladenen zu 1. zur Dokumentation nicht bestand und diese jedenfalls nach dem mit den Betreuten abgeschlossenen Pflege- und Betreuungsvertrag (dort Punkt 1.6) nur als "Pflege"- bzw "Leistungsnachweis" (der Klägerin) gegenüber den Betreuten dienen sollte. Eine - von der Beklagten angenommene - auf Grund "mittelbarer" Verpflichtung der Beigeladenen zu 1. hierzu dieser gegenüber bestehende Weisungsbefugnis der Klägerin etwa dahingehend, dass und wie sie ihre Dienstleistung optimieren könne, lässt sich daraus nicht entnehmen.
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Schließlich greift das Vorbringen der Beklagten auch insoweit nicht durch, als sie sich für die Annahme eines Weisungsrechts der Klägerin darauf stützt, dass diese die Beigeladene zu 1. in einer speziellen Bildungsmaßnahme geschult und so auf ihre Tätigkeit als hauswirtschaftliche Familienbetreuerin vorbereitet, dieser dann die Aufträge vermittelt und (allein) mit den Betreuten "Erstverhandlungen" über den Umfang der Betreuungsleistungen geführt habe. Warum sich hieraus - bezogen auf die Verhältnisse, die nach Annahme eines "Einsatzauftrags" bestehen - ein für eine persönliche Abhängigkeit der Beigeladenen zu 1. sprechendes Weisungsrecht der Klägerin ergeben soll, erläutert die Beklagte nicht. Demgegenüber fallen als relevant auf eine (weitgehend) autonome Durchführung der einzelnen Einsätze hindeutende Umstände ins Gewicht, dass die Beigeladene zu 1. nach den Feststellungen des Berufungsgerichts im vorliegenden Fall übernommene Aufträge (vorzeitig) abbrechen oder verlängern und sie nach Übernahme eines bestimmten Auftrags (und vor dessen Beendigung) von der Klägerin nicht gegen ihren Willen "umgesetzt", also zur Annahme eines anderen Auftrags veranlasst werden konnte.
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bb) Die Beigeladene zu 1. war auch nicht wie eine Beschäftigte in den "Betrieb" der Klägerin eingegliedert. Ebenso fehlte eine entsprechende arbeitnehmertypische Eingliederung in eine von den Betreuten vorgegebene betriebliche Ordnung. Soweit das LSG diese Annahme damit begründet hat, dass von der Beigeladenen zu 1. mangels Aufnahme der Pflegepartner in einen bei der Klägerin geführten Dienstplan keine ständige Dienstbereitschaft erwartet worden sei und diese - im Gegenteil - die Übernahme von "Einsatzaufträgen" eher an eigenen Bedürfnissen ausgerichtet hat, ist sein Prüfungsansatz indessen unzutreffend. Denn auch für die Beurteilung, ob die Beigeladene zu 1. in eine von anderer Seite vorgegebene Arbeitsorganisation eingegliedert war, muss auf die Verhältnisse abgestellt werden, die nach Annahme des jeweiligen "Einsatzauftrags" im Hinblick (allein) hierauf bestanden. Im Übrigen lässt die Würdigung des Sachverhalts durch das Berufungsgericht jedoch Rechtsfehler nicht erkennen. Zu Recht hat das LSG auf der Grundlage seiner Feststellungen entschieden, dass die Beigeladene zu 1. in den "Betrieb" der Klägerin nicht eingegliedert war (vgl zum Begriff des "Betriebes" BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 13 S 33 ff). Zutreffend hat das Berufungsgericht weiter die Einbindung der Beigeladenen zu 1. in den Haushalt des jeweils Betreuten (mit den dort zur Verfügung gestellten sächlichen Mitteln) nicht als funktionsgerechte Einordnung in eine von dieser Seite vorgegebene Ordnung betrachtet, in der fremdbestimmte Arbeit geleistet werden kann (vgl - zur Möglichkeit des Fehlens einer Eingliederung von Dozenten in den Lehr-/Bildungsbetrieb einer Volkshochschule - BSG Urteil vom 12.2.2004 - B 12 KR 26/02 R - Juris RdNr 18 ff; ferner - zum Fehlen einer Eingliederung von als sog Freelancer tätigen Flugzeugführern in den Betrieb eines Luftfahrtunternehmens - BSG Urteil vom 28.5.2008 - B 12 KR 13/07 R - Juris RdNr 24 ff).
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Das Revisionsvorbringen der Beklagten greift demgegenüber nicht durch. Entgegen der von ihr vertretenen Auffassung folgt aus dem - vom LSG festgestellten - Ablauf beim Wechsel der Pflegepartner und der Organisation der Folgepflege sowie der hierauf bezogenen Funktion der Pflegedokumentationen (Checkliste) nicht schon, dass die Beigeladene zu 1. wegen ihrer Eigenschaft als "ein Teil in der Kette der den jeweiligen Kunden zur Verfügung gestellten Pflegepersonen" in die Arbeitsorganisation der Klägerin eingegliedert war. Dass jemand zu einem "Pool" von Einsatzkräften gehört, die zur Erfüllung anderen Personen obliegender Verpflichtungen gegenüber Dritten bereitstehen, besagt über deren Eingliederung in den "Betrieb" der insoweit Verpflichteten nichts (vgl - zum Status in einem "Personalpool" zusammengefasster, als sog Freelancer tätiger Flugzeugführer als Selbstständige - BSG Urteil vom 28.5.2008 - B 12 KR 13/07 R - Juris). Ebenso wenig kann für eine Eingliederung in den "Betrieb" der Klägerin daraus etwas hergeleitet werden, dass ihr und das Auftreten der Beigeladenen zu 1. im Rechtsverkehr von den Betreuten so wahrgenommen wurden, als sei die Beigeladene zu 1. nicht (ihrerseits) Unternehmerin, sondern befinde sich in einem Anstellungsverhältnis zur Klägerin.
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Entgegen der von der Beklagten vertretenen Auffassung spricht für eine entsprechende Eingliederung schließlich nicht, dass die Klägerin für die Pflegepartner zur Absicherung in einer Berufshaftpflichtversicherung einen Gruppenversicherungsvertrag angeboten hat. Zutreffend hat die Klägerin in diesem Zusammenhang nämlich darauf hingewiesen, dass Angebote zur Teilnahme an einer Gruppenversicherung allgemein auch Selbstständigen (etwa Rechtsanwälten) gemacht werden, ohne dass eine Teilnahme hieran für eine Eingliederung in den "Betrieb" des Anbieters als Indiz wirkt.
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cc) Nicht zu beanstanden ist des Weiteren, dass das LSG ein für Selbstständigkeit sprechendes Unternehmerrisiko der Beigeladenen zu 1. angenommen hat. Zutreffend hat es darauf hingewiesen, dass nach den vom BSG entwickelten Grundsätzen (vgl etwa BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 13 S 36, mwN; BSG SozVers 2001, 329, 332; zuletzt BSG Urteil vom 28.5.2008 - B 12 KR 13/07 R - Juris RdNr 27) maßgebendes Kriterium für ein solches Risiko ist, ob eigenes Kapital oder die eigene Arbeitskraft auch mit der Gefahr des Verlustes eingesetzt wird, der Erfolg des Einsatzes der sächlichen oder persönlichen Mittel also ungewiss ist. Allerdings ist ein unternehmerisches Risiko nur dann Hinweis auf eine selbstständige Tätigkeit, wenn diesem Risiko auch größere Freiheiten in der Gestaltung und der Bestimmung des Umfangs beim Einsatz der eigenen Arbeitskraft gegenüberstehen (so schon BSG SozR 2200 § 1227 Nr 17 S 37; BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 13 S 36, mwN; zuletzt BSG Urteil vom 28.5.2008 - B 12 KR 13/07 R - Juris RdNr 27). Aus den Feststellungen des Berufungsgerichts ergibt sich, dass die Beigeladene zu 1. - wie das für Dienstleistungen in der Hauswirtschaft typisch ist - im Wesentlichen ihre Arbeitskraft und weniger Kapital eingesetzt und dieses im vorgenannten Sinne mit einem Verlustrisiko getan hat.
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Richtig ist allerdings, dass - so die Beklagte unter Hinweis auf ein Urteil des LSG Baden-Württemberg vom 8.8.2006 (L 11 R 2987/05) - aus dem (allgemeinen) Risiko, außerhalb der Erledigung der einzelnen Aufträge zeitweise die eigene Arbeitskraft ggf nicht verwerten zu können, kein Unternehmerrisiko wegen der einzelnen Einsätze folgt (vgl hierzu BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 13 S 36 f). Die Annahme eines Unternehmerrisikos ist indessen gerechtfertigt, weil die Beigeladene zu 1. im Zusammenhang mit der Verwertung ihrer Arbeitskraft das Risiko des Ausfalls ihres Verdienstes bei "Kundeninsolvenz" in der Gestalt eines Selbstbehalts ("Gewährleistungssumme") trug. Die vom LSG im gleichen Zusammenhang genannte Vereinbarung über Abzüge für Schlechtleistungen stellt demgegenüber kein Indiz für ein Unternehmerrisiko dar, weil eine solche "Haftung" für Schlechtleistungen, wenn auch eingeschränkt, Arbeitnehmer gleichermaßen trifft (vgl BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 13 S 36). Zu dem Risiko des Verdienstausfalls bei "Kundeninsolvenz" tritt - wenn auch in geringerem Umfang - ein Kapitalrisiko hinzu, weil sich der Einsatz von Reisekosten bei (vorzeitigem) Abbruch des "Einsatzauftrags", etwa bei Versterben von Kunden oder deren Verlegung ins Krankenhaus oder Heim nicht lohnen konnte. Auch amortisierten sich in einem solchen Fall die von der Beigeladenen zu 1. aufgewandten Ausbildungs- und Fortbildungskosten nicht.
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Der Belastung der Beigeladenen zu 1. mit diesen Risiken stand auf der anderen Seite, was - wie dargestellt - erforderlich ist, bei der Gestaltung und der Bestimmung des Umfangs des einzelnen Einsatzes eine größere Freiheit und Flexibilität gegenüber. Die Beigeladene zu 1. war nämlich nicht wie ein klassischer Arbeitnehmer gehalten, Arbeitsanweisungen zur Vermeidung vertragsrechtlicher Sanktionen und/oder von Schadensersatzansprüchen Folge zu leisten, sondern konnte den Einsatz ihrer Arbeitskraft entsprechend ihren Bedürfnissen sehr weitreichend selbst steuern. So konnte sie nach den nicht mit Revisionsgründen angegriffenen Feststellungen des LSG in einer für Arbeitnehmer untypischen Weise die ihr von der Klägerin angebotenen Einsätze ohne Begründung und ohne Folgen für spätere Einsatzoptionen abbrechen oder verlängern; sie konnte auch nicht von der Klägerin aus einem laufenden Einsatz gegen ihren Willen abgezogen und nach den Bedürfnissen einer fremden betrieblichen Organisation anderen Kunden zugeteilt werden.
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Wie das LSG zutreffend ausgeführt hat, ist ein Unternehmerrisiko hier auch nicht deshalb zu verneinen, weil die Beigeladene zu 1. für ihre Einsätze vereinbarungsgemäß und tatsächlich pauschal - nach Tagessätzen - vergütet wurde. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts kalkulierte die Beigeladene zu 1. ihren Aufwand ggf neu und hat diese Kalkulation in die Verhandlungen mit der Klägerin um die Höhe des Vergütungsanspruchs eingebracht. Damit hing in dem hier zu beurteilenden Fall der Beigeladenen zu 1. die Höhe ihres Verdienstes in der Form höherer Tagessätze weitestgehend vom Umfang und der Intensität des Einsatzes ihrer Arbeitskraft bei dem jeweiligen Auftrag ab. Sie konnte durch die Gestaltung der "Einsatzaufträge" die wirtschaftliche Verwertung ihrer Arbeitskraft in hohem Maße selbst steuern und andererseits durch besondere Anstrengungen ihre Verdienstchancen erhöhen bzw einen Mehrverdienst erzielen.
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3. Nach alledem ist die Beigeladene zu 1. in den streitigen Zeiträumen in ihrer für den privaten "Pflegedienst" der Klägerin ausgeübten Tätigkeit als hauswirtschaftliche Familienbetreuerin nicht als versicherungspflichtig Beschäftigte iS von § 7 Abs 1 Satz 1 SGB IV anzusehen. Denn für den hier (allein) zu beurteilenden Sachverhalt ist das LSG ohne Rechtsfehler zu dem Ergebnis gelangt, dass die Beigeladene zu 1. selbstständig tätig war. Dahinter kann zurücktreten, dass die Klägerin - und nicht die Beigeladene zu 1. - Kundenwerbung betrieb und "Einsatzaufträge" aquirierte, weil sie jene damit lediglich an die Beigeladene zu 1. vermittelte und in diesem Zusammenhang für diese den Kontakt zu den Betreuten herstellte.
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Der Ausgang des vorliegenden Rechtsstreits bedeutet indessen nicht, dass eine Tätigkeit, wie sie die Beigeladene zu 1. im hauswirtschaftlichen und "pflegenahen" Bereich ausgeübt hat, stets als selbstständige Tätigkeit anzusehen wäre. Maßgebend für die Beurteilung sind vielmehr die Umstände des Einzelfalls auf der Grundlage der für das BSG bindenden Feststellungen der Tatsacheninstanzen. Diese Feststellungen sind bindend, wenn sie - wie hier - nicht mit durchgreifenden Revisionsgründen, insbesondere mit Verfahrensrügen angegriffen werden (vgl § 163 SGG). Von daher ist es durchaus möglich, dass andere LSG in ihren Entscheidungen zu Tätigkeiten ähnlicher Art, wie sie von der Beigeladenen zu 1. verrichtet wurden, auf der Grundlage der in ihren Verfahren festgestellten tatsächlichen entscheidungserheblichen Umstände zu anderen Ergebnissen gelangen.
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4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Halbs 3 SGG iVm § 154 Abs 2 VwGO. Die Beigeladenen haben sich am Verfahren nicht beteiligt. Ihre außergerichtlichen Kosten sind daher nicht erstattungsfähig (§ 162 Abs 3 VwGO).
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Der Streitwert für das Revisionsverfahren ist nach § 197a Abs 1 Satz 1 Halbs 1 SGG iVm § 63 Abs 2 Satz 1, § 52 Abs 1 und 3, § 47 Abs 1 GKG in Höhe des vom LSG schon für das Berufungsverfahren angenommenen Streitwerts festzusetzen.
Tenor
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Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 23. Mai 2013 wird zurückgewiesen.
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Die Beklagte hat der Klägerin und dem Beigeladenen zu 1. die außergerichtlichen Kosten im Revisionsverfahren zu erstatten. Im Übrigen sind Kosten des Revisionsverfahrens nicht zu erstatten.
Tatbestand
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Die Beteiligten streiten darüber, ob der Beigeladene zu 1. in seiner Tätigkeit für die Klägerin im Bereich "Merchandising/Rackjobbing" wegen Beschäftigung in den Zweigen der Sozialversicherung versicherungspflichtig war.
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Der 1976 geborene Beigeladene zu 1. war bis 30.9.2004 als Student in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) und in der sozialen Pflegeversicherung (sPV) versichert. Seit 1.10.2003 war er auf der Basis eines am 25.9.2003 zwischen ihm und der Rechtsvorgängerin der Klägerin (A. GmbH, künftig einheitlich Klägerin) geschlossenen "Projektvertrages" im Bereich "Merchandising/Rackjobbing" tätig. Durch den Vertrag wurde er "beauftragt", Leistungen in Bezug auf die "Auftragsnummer A 95/002, Projekt D., Dispo und Service bei M." - einer Elektronik-Verbrauchermarktkette - zu erbringen. Nach dem Projektvertrag war der Beigeladene zu 1. in der Wahl des Zeitpunkts zur Leistungserbringung generell frei und vereinbarte selbst den Tag und Zeitpunkt seines Besuchs mit den zuständigen Mitarbeitern des Handels. Im Einzelnen galt nach dem Vertrag weiter ua Folgendes: Der Beigeladene zu 1. konnte die vertraglich geschuldete Leistung auch durch Dritte erbringen lassen. Bei Verhinderung (wie Überlastung, Krankheit oder Urlaub) hatte er selbst für eine Vertretung zu sorgen. Der Beigeladene zu 1. erhielt einen pauschalen Besuchspreis in Höhe von 15 Euro pro Markt, inklusive Fahrtkosten sowie pro Besuch und nachgewiesener Bestellung ab dem 36. bestellten Produkt eine Stückprämie von 0,40 Euro. Die Abrechnung erfolgte monatlich unter Ausweisung von Mehrwertsteuer und Angabe der Umsatzsteuernummer des Beigeladenen zu 1. Die Vereinbarung war jederzeit mit einer Frist von 14 Tagen ordentlich kündbar. Der Beigeladene zu 1. durfte auch für andere, ähnlich geartete Auftraggeber tätig werden. Er haftete für Schäden, die aus der verzögerten Erledigung resultierten, es sei denn, er hatte die Verzögerung oder Verhinderung nicht zu vertreten; in vollem Umfang haftete er auch für das Verschulden seiner Erfüllungsgehilfen (Mitarbeiter, beauftragte Personen, Unternehmen).
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In Ausführung des Projektvertrages besuchte der Beigeladene zu 1. regelmäßig bestimmte Verbrauchermärkte, um dort Original Handy-Zubehör adäquat zu platzieren. Dazu gehörten ua die Sorge um die Aktualität der Ware, Bestellung und Retourenabwicklung, Personalschulung über Neuerungen sowie Verhandlungen mit den Markt-Abteilungsleitern über Durchführung, Art und Menge der Bestellungen. Gegenüber der Klägerin erstellte er fortlaufend Rechnungen und einen Bericht bei Abschluss der Tätigkeit. Er verfügte an eigenen Arbeitsmitteln ua über einen PKW und einen Laptop sowie eine Büroeinrichtung und Internetanschluss. Vom 1.6. bis 31.12.2004 war der Beigeladene zu 1. neben seiner Tätigkeit für die Klägerin für ein weiteres Unternehmen als "Assistant Trainer (Promotion, Abverkauf)" tätig. Insoweit stellte der beklagte Rentenversicherungsträger auf seinen Antrag hin fest, dass er diese Tätigkeit als Selbstständiger ausübe.
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Der Beigeladene zu 1. beantragte im Januar 2005 bei der Beklagten die Feststellung des sozialversicherungsrechtlichen Status bezüglich seiner Tätigkeit für die Klägerin. Die Beklagte stellte durch Bescheid vom 31.8.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.7.2006 und durch weitere Bescheide gegenüber der Klägerin fest, dass er die Tätigkeit in der Zeit vom 1.10.2003 bis 24.5.2005 im Rahmen einer Beschäftigung ausübe bzw in allen Zweigen der Sozialversicherung versicherungspflichtig sei.
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Das von der Klägerin dagegen angerufene SG hat die Bescheide aufgehoben und festgestellt, dass der Beigeladene zu 1. im streitigen Zeitraum nicht sozialversicherungspflichtig tätig gewesen sei (Urteil vom 10.2.2011). Im Berufungsverfahren hat die Beklagte durch Bescheide vom 2.2.2010 und 11.3.2010 festgestellt, dass der Beigeladene zu 1. in der Zeit vom 1.10.2003 bis 30.9.2004 wegen der Tätigkeit für die Klägerin nicht in der GKV und in der sPV versicherungspflichtig war und ein entsprechendes - angenommenes - Teilanerkenntnis abgegeben. Das LSG hat die darüber hinausgehende Berufung der Beklagten zurückgewiesen: Im Rahmen der vorzunehmenden Gesamtwürdigung überwögen bei dem Beigeladenen zu 1. die für eine selbstständige Tätigkeit sprechenden Umstände. Der Projektvertrag enthalte überwiegend Regelungen, die dafür sprächen. Nach den Umständen und Ermittlungen fehlten Anhaltspunkte dafür, dass die Vereinbarung eines Auftragsverhältnisses auf selbstständiger Basis nur formal vereinbart worden sei. Es habe sich nicht um bloße untergeordnete Regalauffülltätigkeiten gehandelt, sondern um einen um gestalterische Elementen erweiterten Aufgabenkreis. Die Rahmenbedingungen (Warenwirtschaftsturnus; konkrete Verbrauchermärkte) seien nicht Ausfluss eines einseitigen Direktionsrechts der Klägerin gewesen. Der Beigeladene zu 1. sei zudem auch für andere Auftraggeber tätig und berechtigt gewesen, Erfüllungsgehilfen einzusetzen. Betriebliche Sachzwänge, Mitteilungspflichten, die Möglichkeit einer Qualitätskontrolle durch die Klägerin sowie die Verpflichtung, Interessenkollisionen beim Einsatz Dritter bzw bei weiteren Aufträgen zu vermeiden, relativierten sich dadurch, dass auch klassische Selbstständige ähnlichen Pflichten unterlägen. Insgesamt sei der Beigeladene zu 1. als für mehrere Auftraggeber tätiger "Solo-Selbstständiger" anzusehen (Urteil vom 23.5.2013).
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Mit ihrer Revision rügt die Beklagte eine Verletzung von § 7 Abs 1 SGB IV. Zu Unrecht habe das LSG im Rahmen der Gesamtwürdigung den für die Tätigkeit maßgeblichen Bestimmungen des Projektvertrages, die nur dem Wortlaut nach auf eine selbstständige Tätigkeit zielten, uneingeschränkt Vorrang gewährt. Die tatsächlichen Umstände bei der Durchführung der einzelnen Aufträge, die für eine weitgehende Weisungsabhängigkeit und Eingliederung des Beigeladenen zu 1. in den Betrieb der Klägerin sprächen, habe das LSG nur nachrangig berücksichtigt. Die Feststellungen zur Tätigkeit umschrieben letztlich nur die typische Tätigkeit eines "kaufmännischen Angestellten". Die Ansicht des LSG habe zur Folge, dass nahezu jede Tätigkeit, die eine qualifizierte Berufsausbildung voraussetze, als nicht abhängige Beschäftigung ausgeübt werden könnte. Der Beigeladene zu 1. sei aber in den Arbeitsprozess der Klägerin eingegliedert gewesen, indem er nach Annahme eines Einzelauftrags der Klägerin zu deren Vertragspartnern gefahren sei, um dort die ihm zugewiesenen Aufgaben nach den Vorgaben der Klägerin auszuführen. Hinweise auf ein rechtlich relevantes Unternehmerrisiko bestünden nicht. Die vertragliche Einräumung einer Delegationsbefugnis - von der kein Gebrauch gemacht worden sei - stelle allein kein entscheidendes Kriterium für eine selbstständige Tätigkeit dar. Feststellungen des LSG entsprächen teilweise nicht den Tatsachen, soweit es die Gewährung von Kilometergeld und Fahrkosten für den Besuch weiter entfernter Märkte anbelange. Eine Entlohnung mittels Besuchspauschale und Stückprämie spreche nicht indiziell für eine selbstständige Tätigkeit. Umständen wie Rechnungsstellung, Kündigungsmöglichkeit, oder die Möglichkeit einer Tätigkeit für weitere Auftraggeber komme ebenfalls keine indizielle Wirkung im Hinblick auf Selbstständigkeit zu.
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Die Beklagte beantragt,
die Urteile des Hessischen Landessozialgerichts vom 23. Mai 2013 sowie des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 10. Februar 2011 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
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Die Klägerin und der Beigeladene zu 1. beantragen,
die Revision der Beklagten zurückzuweisen.
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Beide verteidigen das angefochtene Urteil.
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Die übrigen Beigeladenen stellen keine Anträge, die Beigeladenen zu 2., 3. und 6. schließen sich der von der Beklagten vertretenen Rechtsauffassung an.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Revision des beklagten Rentenversicherungsträgers ist unbegründet.
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Revisionsrechtlich beanstandungsfrei haben die Vorinstanzen entschieden, dass die Beklagte in den angefochtenen Bescheiden zu Unrecht die Sozialversicherungspflicht des Beigeladenen zu 1. aufgrund einer Beschäftigung bei der klagenden GmbH als Arbeitgeberin feststellte.
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1. Gegenstand des Rechtsstreits sind - nach Annahme des Teilanerkenntnisses der Beklagten im Termin zur mündlichen Verhandlung beim LSG durch die Klägerin - der Bescheid der Beklagten vom 31.8.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.7.2006, beide wiederum geändert durch die Bescheide vom 2.2.2010 und 11.3.2010, soweit darin die Beklagte die Versicherungspflicht des Beigeladenen zu 1. in seiner Tätigkeit im Bereich "Merchandising/Rackjobbing" für die Klägerin aufgrund Beschäftigung in der Zeit vom 1.10.2003 bis 30.9.2004 in der gesetzlichen Rentenversicherung und im Recht der Arbeitsförderung und danach vom 1.10.2004 bis 24.5.2005 in allen Zweigen der Sozialversicherung feststellte. Der Bescheid vom 2.2.2010 hat die bis dahin angefochtenen Bescheide über die darin vorgenommene (unzulässige) Elementenfeststellung des Bestehens einer Beschäftigung hinaus in ihrem Verfügungssatz um die notwendigen Feststellungen zum Vorliegen von Versicherungspflicht (und des Zeitraums, für den Versicherungspflicht besteht) ergänzt. Darin liegt eine insgesamt erneuernde Feststellung mit der Folge, dass der Verwaltungsakt vom 2.2.2010 den wegen der Feststellungen eines (unselbstständigen) Tatbestandselements unvollständigen ersten Verwaltungsakt iS von § 96 Abs 1 SGG(iVm § 153 Abs 1 SGG) ersetzt hat (vgl zur Notwendigkeit und Möglichkeit der Ergänzung sowie zur verfahrensrechtlichen Bewertung im Kontext des § 96 SGG bereits BSG Urteil vom 28.9.2011 - B 12 R 17/09 R - Juris RdNr 13). Zu Recht hat das LSG auch den ausschließlich gegenüber der Klägerin ergangenen Bescheid vom 11.3.2010 als Gegenstand des Revisionsverfahrens angesehen, weil er ausdrücklich als "Bescheid" den früheren Bescheid vom 2.2.2010 änderte, auch wenn dies nur wegen einer teilweisen offensichtlichen Unrichtigkeit erfolgte. Soweit das LSG darüber hinaus - von den Beteiligten unbeanstandet gelassen - entschieden hat, dass eine Versicherungspflicht des Beigeladenen zu 1. in der gesetzlichen Rentenversicherung nach § 2 Abs 1 Nr 9 SGB VI nicht bestehe, ist allerdings darauf hinzuweisen, dass hierüber in dem vom Beigeladenen zu 1. eingeleiteten Statusfeststellungsverfahren nach § 7a SGB IV nicht zu entscheiden war(vgl allgemein BSG Urteil vom 30.10.2013 - B 12 KR 17/11 R - Juris RdNr 21 mwN; vgl auch BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 20 RdNr 7).
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2. Das LSG ist auf der Grundlage einer Gesamtwürdigung aller Umstände des hier zu beurteilenden Einzelfalls (vgl § 7a Abs 2 SGB IV) - ausgehend von den von ihm für den Senat bindend festgestellten (vgl § 163 SGG) Tatsachen - ohne Rechtsfehler zu dem Ergebnis gelangt, dass der Beigeladene zu 1. in seiner für die Klägerin ausgeübten Tätigkeit nicht wegen Beschäftigung versicherungspflichtig in den Zweigen der Sozialversicherung war.
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a) In den Jahren 2003 bis 2005, um die es hier geht, unterlagen Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt waren, in der Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung (vgl § 5 Abs 1 Nr 1 SGB V, § 20 Abs 1 S 2 Nr 1 SGB XI, § 1 S 1 Nr 1 SGB VI und § 25 Abs 1 S 1 SGB III) der Versicherungspflicht (und Beitragspflicht). Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer Beschäftigung war § 7 Abs 1 SGB IV in seiner bis heute unverändert geltenden Fassung. Danach ist Beschäftigung die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis (§ 7 Abs 1 S 1 SGB IV). Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Diese Weisungsgebundenheit kann eingeschränkt und zur "funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" verfeinert sein. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand beschäftigt oder selbstständig tätig ist, richtet sich ausgehend von den genannten Umständen nach dem Gesamtbild der Tätigkeit und hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (stRspr; vgl zum Ganzen zB zuletzt BSG Urteil vom 30.10.2013 - B 12 KR 17/11 R - Juris RdNr 23 mwN; BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 17 RdNr 15 und BSG SozR 4-2400 § 28e Nr 4 RdNr 17; ferner BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 6 RdNr 14 mwN; BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 19 S 69 f, Nr 13 S 31 f und Nr 4 S 13, jeweils mwN; BSGE 78, 34, 36 = SozR 3-2940 § 2 Nr 5 S 26 f mwN; zur Verfassungsmäßigkeit der Abgrenzung zwischen Beschäftigung und selbstständiger Tätigkeit vgl BVerfG SozR 3-2400 § 7 Nr 11). Die jeweilige Zuordnung einer Tätigkeit nach deren Gesamtbild zum rechtlichen Typus der Beschäftigung bzw selbstständigen Tätigkeit setzt dabei voraus, dass alle nach Lage des Einzelfalls als Indizien in Betracht kommenden Umstände festgestellt, in ihrer Tragweite zutreffend erkannt und gewichtet, in die Gesamtschau mit diesem Gewicht eingestellt und nachvollziehbar, dh den Gesetzen der Logik entsprechend und widerspruchsfrei, gegeneinander abgewogen werden (BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 15 Leitsatz und RdNr 25 ff).
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b) Das LSG hat diese allgemeinen rechtlichen Maßstäbe im Ausgangspunkt zutreffend herangezogen und begründet, dass und warum die für eine Beschäftigung sprechenden Umstände hier nicht überwiegen, sondern die Abwägung insgesamt zu einer selbstständigen Tätigkeit des Beigeladenen zu 1. führt. Die zentralen Feststellungen des LSG zum Inhalt des Projektvertrages (dazu aa), die von der Beklagten nicht mit durchgreifenden Verfahrensrügen angegriffen wurden, sowie die hierzu nicht in Widerspruch stehende tatsächliche Umsetzung des Vertrages (dazu bb) rechtfertigen in dem hier (ausschließlich) zu beurteilenden Fall die Annahme des LSG, dass der Beigeladene zu 1. bei der Klägerin nicht als Beschäftigter versicherungspflichtig war. Anders als Ausführungen der Beklagten und auch des LSG andeuten, geht es vorliegend allerdings nicht darum, eine "allgemeine" sozialversicherungsrechtliche Beurteilung für ein bestimmtes neues Berufsbild im Rahmen von "Merchandising/Rackjobbing" vorzunehmen (dazu cc). Schließlich ist auch ein Unternehmerrisiko beim Beigeladenen zu 1. anzunehmen (dazu dd).
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aa) Rechtlicher Ausgangspunkt für die Würdigung des Gesamtbildes der Tätigkeit des Beigeladenen zu 1. ist zunächst die zwischen Klägerin und Beigeladenen zu 1. bestehende Vertragslage. Hierzu hat das LSG - ohne dass dies zu beanstanden wäre - angenommen, dass der für die vorliegende Tätigkeit maßgebende Projektvertrag nach seinem Gepräge überwiegend Regelungen enthält, die für eine selbstständige Tätigkeit kennzeichnend sind. So war der Beigeladene zu 1. in zeitlicher Hinsicht weitgehend frei, war berechtigt, die Leistungen durch Dritte erbringen zu lassen und hatte bei seiner Verhinderung für eine Vertretung zu sorgen. Als Entlohnung erhielt er eine Kombination aus Besuchspauschale und erfolgsabhängiger Stückprämie, und durfte auch - was teilweise tatsächlich erfolgte - noch für weitere ähnliche Auftraggeber tätig werden. Zwar hat das LSG auch festgestellt, dass die Klägerin über einen Adressenbestand von rund 75 "Lieferanten" verfügte, mit denen häufig sogenannte "Rahmenverträge" bestanden. Die Existenz eines zwischen Klägerin und Beigeladenem zu 1. bestehenden Rahmenvertrages hat das LSG hingegen nicht festgestellt.
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bb) Dem angefochtenen Urteil können auch (gerade noch) hinreichende Feststellungen zur tatsächlichen Umsetzung der Vertragslage entnommen werden. Das LSG hat - insbesondere gestützt auf gerichtliche Anhörungen des Beigeladenen zu 1. im Klage- und Berufungsverfahren - festgestellt, dass Anhaltspunkte dafür fehlten, dass die vertraglichen Regelungen nur formal vereinbart worden waren und dass hinsichtlich der Erwerbstätigkeit tatsächlich etwas ganz anderes praktiziert wurde. Nach den vertraglichen Vereinbarungen und ihrer tatsächlichen Umsetzung sind damit keine gewichtigen Umstände ersichtlich, die gesamtschauend den Ausschlag für eine Beschäftigung im Sinne von § 7 Abs 1 S 2 SGB IV geben könnten.
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(1) Der Beigeladene zu 1. war nach den Feststellungen des LSG weitgehend weisungsfrei in dem Sinne, dass die zeitlichen und örtlichen Rahmenbedingungen gerade nicht Ausfluss eines Direktionsrechts - wie im Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer - waren.
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(2) Der Beigeladene zu 1. war - unbeschadet des Umstandes, dass er Dienstleistungen im Rahmen eines von der Klägerin mitgetragenen Gesamtvermarktungskonzepts erbrachte - nicht in einem relevanten Maß in die Arbeitsorganisation der Klägerin eingegliedert, was sich ua in seiner vertraglichen Pflicht zeigt, im Falle seiner Verhinderung selbst für eine Vertretung zu sorgen. Er hatte nur auf betriebliche Sachzwänge der Klägerin und deren Kunden Rücksicht zu nehmen und unterlag insoweit lediglich Mitteilungspflichten und Qualitätskontrollen (zum Charakter von - eine Selbstständigkeit nicht ausschließenden - Dokumentationspflichten vgl BSG Urteil vom 28.9.2011 - B 12 R 17/09 R - Juris RdNr 20). Dem standen weitreichende Freiheiten des Beigeladenen zu 1. beim "Ob und Wie" der Erbringung der Tätigkeit mit eigenen gestalterischen Elementen gegenüber, die etwa über diejenigen eines klassischen Regalauffüllers hinausgingen. Das LSG hat insoweit zB auf Seite 15/16 seines Urteils dargelegt, dass dem Beigeladenen zu 1. - ähnlich wie anderen Vertragspartnern der Klägerin - die Entscheidung über die Präsentation der Produkte oblag, dass er Layout-Prüfungen durchzuführen und ggf Neugestaltungen der Regalaufstellung festzulegen hatte. Seine Tätigkeit habe gestalterische und auf Steigerung des Warenabsatzes ausgerichtete Elemente enthalten. Diese Tätigkeit habe sich im Rahmen eines Konzepts vollzogen, dass der Tatsache Rechnung getragen habe, dass Hersteller von Unterhaltungselektronik und IT-Produkten zunehmend dazu übergegangen seien, die Präsentation ihrer Waren nicht mehr den Betreibern von Märkten und Warenhäusern selbst zu überlassen, sondern sie - die Hersteller - es selbst in der Hand hätten, welche Verkaufs- bzw Regalflächen ihnen zur Verfügung gestellt würden. Hierzu bedienten sie sich insoweit spezieller Dienstleister (hier der Klägerin), um ihre Waren zeitnah und umsatzorientiert zu positionieren und möglichst werbewirksam zu präsentieren. In dieses Gesamtkonzept sei dann auch der Beigeladene zu 1. in der beschriebenen Weise eingebunden gewesen.
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(3) Der Umstand, dass der Beigeladene zu 1. vertraglich berechtigt war, Dritte in die Auftragserledigung einzubeziehen, durfte vom LSG als Indiz für seine selbstständige Tätigkeit gewertet werden, auch wenn davon seitens des Beigeladenen zu 1. tatsächlich kein Gebrauch gemacht wurde.
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(a) Wie der Senat bereits entschieden hat, ist für das Vorliegen einer Beschäftigung entscheidend, dass die Tätigkeit in der Regel in eigener Person erbracht wird. Arbeitnehmer haben ihre Arbeitsleistung in der Regel höchstpersönlich zu erbringen und dürfen sich hierbei nicht Dritter als Erfüllungsgehilfen bedienen (vgl BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 19; hierzu auch BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 15 RdNr 30). Dementsprechend stellt nach der Rechtsprechung des BAG die Pflicht, die Leistung grundsätzlich persönlich zu erbringen, ein typisches Merkmal für ein Arbeitsverhältnis dar. Da nach § 613 S 1 BGB der zur Dienstleistung Verpflichtete die Dienste jedoch nur "im Zweifel" in Person zu leisten hat, kann der zur Leistung Verpflichtete dagegen berechtigt sein, die Leistung durch Dritte erbringen zu lassen. Ein ihm auf diese Weise zustehender eigener Gestaltungsspielraum spricht gegen die Annahme eines Arbeitsverhältnisses (vgl BAGE 87, 129, 137 f = AP Nr 90 zu § 611 BGB Abhängigkeit). Allerdings führt das bloße Bestehen der Möglichkeit der Einschaltung Dritter in die Leistungserbringung nicht automatisch zur Annahme (unternehmerischer) Selbstständigkeit. Die Möglichkeit, Dritte zur Leistungserbringung einsetzen zu dürfen, stellt vielmehr nur eines von mehreren im Rahmen der Gesamtwürdigung zu berücksichtigenden Anzeichen dar, das gegen die Annahme eines Arbeitsverhältnisses spricht (vgl BSG Urteil vom 17.12.2014 - B 12 R 13/13 R - zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen; BSG Urteil vom 11.3.2009 - B 12 KR 21/07 R - Juris RdNr 17; BAGE 98, 146, 150 = AP Nr 6 zu § 611 Arbeitnehmerähnlichkeit). Vor diesem Hintergrund hat das LSG rechtsfehlerfrei angenommen, dass die Möglichkeit der Einschaltung Dritter ein Indiz für das Vorliegen einer selbstständigen Tätigkeit des Beigeladenen zu 1. ist.
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(b) Die von der Beklagten in diesem Zusammenhang erhobene Verfahrensrüge greift nicht durch. Ausdrücklich rügt die Beklagte - ohne Benennung einer konkreten Verfahrensvorschrift - eine "Verletzung der Grundsätze der freien Beweiswürdigung" durch einen vermeintlichen Rückgriff des LSG auf Erkenntnisse in einem anderen Verfahren. Eine Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör rügt die Beklagte aber ebenso wenig wie etwa einen Verstoß des LSG gegen Denkgesetze. Darüber hinaus ist nach der Revisionsbegründung nichts Hinreichendes dafür ersichtlich, dass das angefochtene Urteil auf dem behaupteten Verfahrensmangel beruhen kann (vgl hierzu allgemein Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 6. Aufl 2011, S 467, Kap IX, RdNr 330; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl 2014, § 160 RdNr 23 jeweils mwN), dass sich also im Rahmen einer Gesamtabwägung aller maßgebenden Indizien das Ergebnis zum Nachteil der Klägerin verschiebt. Die Beklagte bezieht ihre Rüge ausdrücklich nur auf die Feststellungen des LSG zur "Ernsthaftigkeit" der Vertragsregelung bezüglich der Auftragserledigung durch Dritte. Tatsächlich beziehen sich die Ausführungen des LSG zu dem Parallelverfahren auch nur auf den Aspekt der "Ernsthaftigkeit dieser Regelung". Die zugrundliegende Feststellung des Vorliegens einer entsprechenden vertraglichen Regelung über die Möglichkeit der Einschaltung Dritter und die Feststellung ihrer Nichtumsetzung in der Praxis sind hiervon jedoch in keiner Weise betroffen. Vielmehr handelt es sich bei der Frage der vom LSG problematisierten "Ernsthaftigkeit" der Regelung um eine hypothetische Einwendung gegen die zugrundeliegenden Feststellungen zum Vertragsinhalt. Mithin hätte es - jedenfalls bei einem Hinwegdenken der aus dem Parallelverfahren gewonnenen Erkenntnisse - der Beklagten oblegen, darzutun, dass die Vertragsbestimmung nur "formal" bzw zum Schein (vgl § 117 Abs 1 BGB) getroffen wurde, um den vom LSG bejahten indiziellen Charakter der Vertragsbestimmung nachhaltig zu erschüttern. Dem wird das Revisionsvorbringen jedoch nicht gerecht: Die Beklagte führt zum einen lediglich ihre abweichende rechtliche Auffassung an, wonach es sich bei der Vertragsregelung um eine Vertretungsregelung handele. Zum anderen argumentiert sie spekulativ in der Weise, dass sie ausführt, der Beigeladene zu 1. hätte einer Hilfskraft "vermutlich" seine gesamte Vergütung überlassen müssen. Das alles reicht insbesondere nicht aus, um einen entscheidungserheblichen - dh mit Auswirkung auf einen der Beklagten günstigen Urteilstenor - Verstoß gegen die Grundsätze der freien richterlichen Beweiswürdigung im Sinne von § 128 Abs 1 SGG bejahen zu können(vgl zu den sich insoweit stellenden Anforderungen allgemein Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, aaO, § 128 RdNr 4 ff mit umfangreichen Nachweisen).
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(4) Es ist auch nicht ersichtlich und wird von der Beklagten nicht formell gerügt, dass das LSG bestimmte im Fall des Beigeladenen zu 1. bedeutsame, als Indizien in Betracht kommende Umstände unzureichend ermittelt oder in ihrer Tragweite in die nötige Gesamtabwägung dazu, ob (abhängige) Beschäftigung oder selbstständige Tätigkeit vorliegt, nicht eingestellt hätte.
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cc) Die in der Revisionsbegründung der Beklagten aus dem angefochtenen Urteil hergeleitete pauschale Einschätzung, die rechtliche Beurteilung des LSG habe zur Folge, dass nahezu jede Tätigkeit, die eine qualifizierte Berufsausbildung voraussetze, nicht in (abhängiger) Beschäftigung ausgeübt werde, erscheint bei alledem nicht gerechtfertigt. Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits ist ausschließlich eine konkrete, durch bestimmte Sachverhaltsgegebenheiten und ein spezifisches vertragliches Regelwerk geprägte Tätigkeit des Beigeladenen zu 1., deren rechtliche Einordnung der Senat nach den Maßstäben des Revisionsrechts zu überprüfen hat. Auch die Annahme der Beklagten, die Tätigkeit des Beigeladenen zu 1. sei letztlich derjenigen eines kaufmännischen Angestellten vergleichbar, trägt im Ergebnis revisionsrechtlich nicht. Die Beklagte weist insoweit zwar zu Recht auf die - nach wie vor aktuelle - Rechtsprechung des BSG hin, wonach auch Dienste höherer Art im Rahmen einer Beschäftigung geleistet werden können, wenn sie fremdbestimmt bleiben, weil sie in einer von anderer Seite vorgegebenen Ordnung des Betriebes aufgehen (stRspr seit BSGE 16, 289, 294 = SozR Nr 30 zu § 165 RVO und BSGE 21, 57, 58 f = SozR Nr 2 zu § 2 AVG; in jüngerer Zeit zB BSG Urteil vom 30.4.2013 - B 12 KR 19/11 R - SozR 4-2400 § 7 Nr 21 RdNr 29 mwN). Die Tätigkeit des Beigeladenen zu 1. ist jedoch - wie unter 2 b) bb) dargelegt - nach den Feststellungen des LSG gerade durch eine weitgehende Weisungsfreiheit und ein überwiegendes Nichteingebundensein in die Arbeitsorganisation der Klägerin geprägt. Wenn die Beklagte der nach den Umständen des Falles gewonnenen Überzeugung der Vorinstanzen zu den bestimmenden Elementen der Tätigkeit des Beigeladenen zu 1. nicht folgen wollte bzw will, hätte sie insoweit im Revisionsverfahren näher zu spezifizierende Verfahrensrügen anbringen bzw bereits in den Tatsacheninstanzen ggf Beweisanträge dazu stellen müssen. Die Beklagte hat aber zB auch keinen konkreten Ermittlungsbedarf dazu aufgezeigt, dass es sich bei den konkreten vom Beigeladenen zu 1. erledigten Arbeiten um genau solche gehandelt habe, die zuvor bzw gleichzeitig ebenso durch andere Personen in abhängiger Beschäftigung ausgeübt wurden (vgl zur insoweit notwendigen Unterscheidbarkeit beider Erwerbsformen zB BSG Urteil vom 25.4.2012 - B 12 KR 14/10 R - Juris RdNr 26).
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dd) Auch das Vorbringen der Beklagten, es lägen keine Anhaltspunkte für ein rechtlich relevantes Unternehmerrisiko des Beigeladenen zu 1. vor, führt schließlich nicht zum Erfolg der Revision.
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Nach den vom 12. Senat des BSG entwickelten Grundsätzen (vgl etwa BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 13 S 36 mwN; BSG SozVers 2001, 329, 332; zuletzt BSG Urteil vom 28.9.2011 - B 12 R 17/09 R - Juris RdNr 25 und Urteil vom 28.5.2008 - B 12 KR 13/07 R - Juris RdNr 27) ist maßgebendes Kriterium für ein solches Risiko, ob eigenes Kapital oder die eigene Arbeitskraft auch mit der Gefahr des Verlustes eingesetzt wird, dh, ob der Erfolg des Einsatzes der sächlichen oder persönlichen Mittel also ungewiss ist. Ein unternehmerisches Risiko ist allerdings nur dann Hinweis auf eine selbstständige Tätigkeit, wenn diesem Risiko auch größere Freiheiten in der Gestaltung und der Bestimmung des Umfangs beim Einsatz der eigenen Arbeitskraft gegenüberstehen (so schon BSG SozR 2200 § 1227 Nr 17 S 37; BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 13 S 36, mwN; zuletzt BSG Urteil vom 28.9.2011 - B 12 R 17/09 R - Juris RdNr 25 und Urteil vom 28.5.2008 - B 12 KR 13/07 R - Juris RdNr 27). Die Feststellungen des LSG machen die Annahme eines in diesem Sinne verstandenen Unternehmerrisikos revisionsgerichtlich nachvollziehbar, weil der Beigeladene zu 1. im Zusammenhang mit der Verwertung seiner Arbeitskraft bei der Durchführung des Projektvertrages das Risiko des Ausfalls seines Verdienstes trug. Nach dem vom LSG festgestellten Inhalt der vertraglichen Vereinbarungen erhielt er nämlich eine pauschale Vergütung sowie zusätzliche umsatz- und damit erfolgsabhängige Stückprämien dafür, dass er Verbrauchermärkte aufsuchte. Der Erfolg des Einsatzes seiner Arbeitskraft war somit insbesondere aufgrund der erfolgsbezogenen Vergütungsteile im Einzelnen durchaus ungewiss. Der Belastung mit dem Ausfallrisiko standen hinsichtlich der Gestaltung und der Bestimmung des Umfangs des Einsatzes der eigenen Arbeitskraft auch größere Freiheiten und Erwerbschancen gegenüber wie sie im Regelfall in einem Arbeitsverhältnis nicht gleichermaßen anzutreffen sind. Der Beigeladene zu 1. konnte den Einsatz seiner Arbeitskraft in einer für Arbeitnehmer untypischen Weise sehr weitreichend selbst steuern, indem er zB durch die Art und Weise der Arbeitsausführung die Dauer seiner Besuche in den Märkten bestimmen konnte und in der Lage war, durch die ihm obliegende Präsentation der Produkte deren Absatz zu beeinflussen und so seine Verdienstchancen zu erhöhen.
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3. Nach alledem unterlag der Beigeladene zu 1. in seiner Tätigkeit für die Klägerin in der Zeit vom 1.10.2003 bis 24.5.2005 nicht der Versicherungspflicht aufgrund Beschäftigung.
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Münster vom 25.7.2012 wird zurückgewiesen. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen zu tragen, mit Ausnahme der Kosten der Beigeladenen, die ihre Kosten selbst tragen. Die Revision wird nicht zugelassen. Der Streitwert wird für beide Rechtszüge auf 15.500,00 EUR festgesetzt.
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Tatbestand:
2Die Beteiligten streiten im Rahmen eines Statusfeststellungsverfahrens (§ 7a Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Viertes Buch [SGB IV]) über die Versicherungspflicht des Beigeladenen zu 1) in der gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung, der sozialen Pflegeversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung wegen einer für die Rechtsvorgängerin der Klägerin in der Zeit vom 3.9.2007 bis zum 30.10.2008 erbrachten Tätigkeit als Transportfahrer.
3Bei der Rechtsvorgängerin der Klägerin, der T GmbH, handelte es sich um ein Unternehmen, das als Teil der "T-Unternehmensgruppe" Speditionsdienstleistungen mit eigenen und angemieteten Tank-, Silo- und Planenzügen anbot. Die Unternehmensgruppe verfügt über Standorte in S (Stammsitz), L, C (Salzlandkreis, Sachsen-Anhalt) und - allerdings erst seit 2012 - in H (Landkreis U, Brandenburg). Im Streitzeitraum waren am Standort S in der Abteilung Planenzüge 100 bis 110 Fahrer beschäftigt.
4Am 9.10.2006 nahm der Beigeladene zu 1) nach vorheriger Anmeldung eines Gewerbes mit der Bezeichnung "Dienstleistungen aller Art, überwiegend Fahrdienstleistungen" eine Tätigkeit als Transportfahrer auf. In der Annahme, er erbringe diese Dienstleistungen im Rahmen einer selbständigen Tätigkeit, beantragte er am 10.10.2006 bei der Beigeladenen zu 3) die Gewährung eines Gründungszuschusses gemäß § 57 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) in der ab dem 1.8.2006 geltenden Fassung (a.F.). Zur Erläuterung seiner Geschäftsidee erklärte er diesem Leistungsträger gegenüber, er wolle auf eigene Rechnung in der Transportbranche Lastkraftwagen (Lkw) fahren. Seine Kunden suche er selbst. Ziel sei die Anschaffung eines eigenen Lkw über 7,5 t.
5Mit Bescheid vom 26.10.2006 bewilligte die Beigeladene zu 3) dem Beigeladenen zu 1) für den Zeitraum vom 9.10.2006 bis zum 8.7.2007 einen Gründungszuschuss zur Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit gemäß § 57 SGB III a.F. in Höhe von monatlich 1.488,00 EUR. Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt des Bescheides Bezug genommen.
6Im Zeitraum vom 3.9.2007 bis zum 14.11.2008 führte der Beigeladene zu 1) für die Rechtsvorgängerin der Klägerin Transportaufträge aus. Von dieser wurde er den ausschließlich mündlich getroffenen Absprachen zufolge insbesondere nach Auftreten krankheits- oder urlaubsbedingter Personalvakanzen beauftragt, mit Fahrzeugen ihrer Unternehmensgruppe bzw. - im Zeitraum vom 10.3.2008 bis zum 9.5.2008 - mit von ihr angemieteten Fahrzeugen Transportaufträge nach Maßgabe der von ihrem Disponenten festgelegten Tourenplanung durchzuführen. Eigene Fahrzeuge setzte der Beigeladene zu 1) bei Ausführung der Transportaufträge nicht ein.
7Die mündliche Beauftragung erfolgte regelmäßig für die Dauer von jeweils etwa ein bis drei Wochen. Für die Tätigkeit erhielt der Beigeladene zu 1) einen Stundenlohn in Höhe von 13,00 EUR. Die Gewährung von Erholungsurlaub oder Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall war nicht vereinbart.
8Auf dieser Grundlage wurde der Beigeladene zu 1) an folgenden Tagen für die Rechtsvorgängerin der Klägerin tätig.
9Rechnungsdatum - Tätigkeitszeitraum gemäß Rechnung - Stundenumfang gemäß Rechnung - Rechnungsbetrag (netto) in Euro
109.9.2007 - 3.9.2007 bis 7.9.2007 - 63 - 819,00 16.9.2007 - 10.9.2007 bis 14.9.2007 - 57,5 - 747,50 23.9.2007 - 17.9.2007 bis 21.9.2007 - 69 - 897,00 30.9.2007 - 23.9.2007 bis 28.9.2007 - 74 - 962,00 7.10.2007 - 1.10.2007 bis 5.10.2007 - 47,25 - 614,25 14.10.2007 - 8.10.2007 bis 12.10.2007 - 61 - 793,00 28.10.2007 - 21.10.2007 bis 27.10.2007 - 69 - 897,00 4.11.2007 - 29.10.2007 bis 2.11.2007 - 44 - 572,00 25.11.2007 - 18.10.2007 bis 24.10.2007 - 74,25 - 967,25 8.12.2007 - 2.12.2007 bis 7.12.2007 - 66,75 - 1032,62 16.12.2007 - 9.12.2007 bis 14.12.2007 - 61,5 - 799,50 22.12.2007 - 16.12.2007 bis 21.12.2007 - 57,75 - 750,75 13.1.2008 - 4.1.2008 bis 11.1.2008 - 56,75 - 737,75 3.2.2008 - 28.1.2008 bis 1.2.2008 - 71,25 - 926,25 10.2.2008 - 4.2.200 bis 8.2.2008 - 56,25 - 731,25 19.2.2008 - 11.2.2008 bis 15.2.2008 - 54,75 - 711,75 2.3.2008 - 24.2.2008 bis 29.2.2008 - 68,75 - 893,75 16.3.2008 - 10.3.2008 bis 14.3.2008 - 65 - 845,00 24.3.2008 - 16.3.2008 bis 20.3.2008 - 54,5 - 708,50 30.3.2008 - 25.3.2008 bis 28.3.2008 - 53,25 - 692,25 5.4.2008 - 31.3.2008 bis 4.4.2008 - 72,75 - 945,75 12.4.2008 - 7.4.2008 bis 11.4.2008 - 74 - 962,00 20.4.2008 - 14.4.2008 bis 18.4.2008 - 62 806,00 27.4.2008 - 20.4.2008 bis 26.4.2008 - 75,75 - 984,75 4.5.2008 - 28.4.2008 bis 2.5.2008 - 50,75 - 659,75 11.5.2008 - 5.5.2008 bis 9.5.2008 - 63 - 819,00 1.6.2008 - 26.5.2008 bis 30.5.2008 - 67,25 - 874,25 7.6.2008 - 1.6.2008 bis 6.6.2008 - 64,25 - 880,75 16.6.2008 - 9.6.2008 bis 15.6.2008 - 70,5 - 916,50 21.6.2008 - 16.6.2008 bis 20.6.2008 - 70,25 - 913,25 29.6.2008 - 23.6.2008 bis 27.6.2008 - 59 - 767,00 5.7.2008 - 30.6.2008 bis 3.7.2008 - 66,25 - 861,25 13.7.2008 - 7.7.2008 bis 11.7.2008 - 62,75 - 815,75 19.7.2008 - 14.7.2008 bis 18.7.2008 - 78,25 - 1017,25 27.7.2008 - 21.7.2008 bis 25.7.2008 - 60 - 780,00 3.8.2008 - 28.7.2008 bis 1.8.2008 - 61 - 793,00 10.8.2008 - 3.8.2008 bis 8.8.2008 - 68,5 - 890,50 31.8.2008 - 25.8.2008 bis 29.8.2008 - 65 - 845,00 7.9.2008 - 1.9.2008 bis 5.9.2008 - 57,25 - 744,25 13.9.2008 - 8.9.2008 bis 12.9.2008 - 68,75 - 893,75 21.9.2008 - 15.9.2008 bis 19.9.2008 - 69,25 - 903,50 28.9.2008 - 22.9.2008 bis 26.9.2008 - 64,75 - 841,75 6.10.2008 - 29.9.2008 bis 2.10.2008 - 58,25 - 760,50 12.10.2008 - 5.10.2008 bis 10.10.2008 - 60,25 - 783,25 19.10.2008 - 13.10.2008 bis 17.10.2008 - 55 - 715,00 26.10.2008 - 20.10.2008 bis 24.10.2008 - 68,5 - 890,50 2.11.2008 - 27.10.2008 bis 30.10.2008 - 55,5 - 721,50 9.11.2008 - 3.11.2008 bis 7.11.2008 - 66,5 - 864,50 17.11.2008 - 10.11.2008 bis 14.11.2008 - 64,75 - 841,75
11Wegen der weiteren Einzelheiten der Abrechnungsmodalitäten wird auf den Inhalt der beigezogenen Rechnungen des Beigeladenen zu 1) Bezug genommen.
12Mit bei der Beklagten am 19.6.2008 eingegangenem Formularantrag beantragte der Beigeladene zu 1) die Klärung seines sozialversicherungsrechtlichen Status mit dem Ziel der Feststellung, dass ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis nicht vorliege. Er erklärte, neben zwei weiteren Auftraggebern für die Rechtsvorgängerin der Klägerin Transportdienstleistungen zu erbringen. Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt des Formularantrages Bezug genommen.
13Der seitens der Beklagten mit Schreiben vom 29.10.2008 in Aussicht gestellten Feststellung eines seit Oktober 2006 bestehenden abhängigen Beschäftigungsverhältnisses des Beigeladenen zu 1) hielt die Rechtsvorgängerin der Klägerin entgegen, es seien bei der Abgrenzung zwischen selbständiger Tätigkeit und abhängiger Beschäftigung auch die Regelungen für Frachtführer gemäß §§ 407 ff. Handelsgesetzbuch (HGB) heranzuziehen, auch wenn das Bundessozialgericht (BSG) mit Urteil vom 22.6.2005 Zweifel geäußert habe, dass die gesetzgeberische Wertung des § 407 HGB auf die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung übertragbar sei. Nach der dieser Norm innewohnenden Wertungsentscheidung des Gesetzgebers sei der Beigeladene zu 1)als selbständig Tätiger anzusehen. Dessen unternehmerische Freiheit entfalte sich in seiner Entscheidungsbefugnis, frei darüber zu befinden, welche Aufträge er annehme oder ablehne. Des Weiteren trage er das unternehmerische Risiko, zeitweilig keine Fahraufträge zu erhalten und sich bei negativ veränderter Auftragslage nach neuen Kunden umschauen zu müssen. Erkranke er oder sei er aus anderen Gründen an der Ausübung seiner Dienstleistung gehindert, erziele er keine Einnahmen und müsse für personellen Ersatz sorgen. Schließlich müsse er in erheblichem Umfang Mautgebühren, Fahrzeugmieten, Aufwendungen für Kraftstoffe und etwaige Aushilfslöhne vorfinanzieren. Er müsse für die Nutzung der ihm zur Verfügung gestellten Arbeitsmittel Mietzahlungen leisten und trage ein erhebliches Insolvenzrisiko gegenüber seinen Auftraggebern.
14Der Beigeladene zu 1) schloss sich dieser Argumentation an und meinte ebenfalls, ein unternehmerisches Risiko zu tragen, in dem er die finanziellen Konditionen jedes Auftrags separat aushandeln müsse. Er sei nie sicher, inwieweit er künftig einen Auftrag erhalte. Bleibe seine Auftragsakquise erfolglos, erwerbe er auch keinen Vergütungsanspruch. Dies gelte auch im Erkrankungsfall, in dem er andere Fahrer zu beauftragen habe, die er selbst vergüten müsse. Seine unternehmerische Entscheidungsfreiheit zeige sich auch darin, dass er seine Auftraggeber selbst auswähle. Auf Grundlage eines ihm unterbreiteten Angebotes entscheide er, ob er diesen annehme, wobei für ihn ungewiss bleibe, ob und wann der angenommene Auftrag auch tatsächlich bezahlte werde. Zwar verfüge das ihn beauftragende Speditionsunternehmen über bestimmte Weisungsrechte; diese folgten allerdings aus dem Auftrag, den der Spediteur seinerseits annehme.
15Mit - an die Rechtsvorgängerin der Klägerin und den Beigeladenen zu 1) adressierten - Bescheiden vom 27.1.2009 traf die Beklagte Feststellungen zum sozialversicherungsrechtlichen Status des Beigeladenen zu 1). Sie stellte fest, dass dessen Tätigkeit "als Frachtführer ( ) seit Oktober 2006 im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt" werde. Die Versicherungspflicht dem Grunde nach beginne mit dem Tag nach Aufnahme der Beschäftigung.
16Zur Begründung führte die Beklagte im Wesentlichen aus: Frachtführer im Sinne der §§ 407 ff. HGB übten ein selbständiges Gewerbe aus, wenn sie beim Transport ein eigenes Fahrzeug einsetzten und für die Durchführung ihres Gewerbes über eine Erlaubnis nach § 3 Güterkraftverkehrsgesetz oder über eine Gemeinschaftslizenz nach Art. 3 der VO (EWG) 881/92 verfügten. Dies gelte auch, wenn sie als Einzelperson für lediglich ein Unternehmen tätig seien und die Farben bzw. ein "Logo" des sie beauftragenden Unternehmens verwendeten. Voraussetzung sei allerdings, dass ihnen weder Dauer, noch Beginn und Ende der Arbeitszeit vorgeschrieben werde und sie über die - nicht lediglich theoretische - Möglichkeit verfügten, Transporte auch für weitere eigene Kunden auf eigene Rechnung durchzuführen.
17Von erheblicher sozialversicherungsrechtlicher Relevanz sei, ob der Auftragnehmer die zur Durchführung des Auftrages erforderlichen Mittel von seinem Auftraggeber erhalte. Da die Rechtsvorgängerin der Klägerin dem Beigeladenen zu 1), der auf ein eigenes Fahrzeug nicht zurückgreifen könne, die für die Durchführung der Transportaufträge unabdingbar erforderlichen Fahrzeuge bereitstelle, sei der Beigeladene zu 1) in deren betriebliche Organisation eingegliedert, zumal unternehmerische Chancen und Risiken des Beigeladenen zu 1) nicht erkennbar seien. Zeit sowie Art und Weise der Ausführung der Tätigkeit folgten aus dem Inhalt des übertragenen Auftrages, weshalb auch insoweit maßgebliche eigene Gestaltungsmöglichkeiten des Beigeladenen zu 1) nicht gegeben seien.
18Kein wesentliches Indiz zu Gunsten einer selbständigen Tätigkeit sei der Befugnis eines Transportfahrers beizumessen, bestimmte Aufträge abzulehnen, solange bei Annahme eines Auftrags eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers erfolge.
19Die Versicherungspflicht dem Grunde nach beginne mit der Aufnahme der Beschäftigung. Ein späterer Eintritt der Versicherungspflicht in Anwendung des § 7a Abs. 6 SGB IV komme nicht in Betracht, da der Antrag auf Klärung des sozialversicherungsrechtlichen Status nicht fristgerecht innerhalb eines Monats nach Aufnahme der Beschäftigung gestellt worden sei.
20Gegen diesen Bescheid erhob die Rechtsvorgängerin der Klägerin am 24.2.2009 Widerspruch. Die Beklagte verkenne, dass die Nutzung eines gemieteten Fahrzeugs nicht gegen die Tätigkeit als selbständiger Frachtführer im Sinne der §§ 407 ff. HGB spreche. Zu dessen Annahme reiche es, dass das Fahrzeug auf eigene Rechnung eingesetzt werde. Auch der Beigeladene zu 1) miete für die Durchführung eines Transportes jeweils ein auf sie zugelassenes oder von ihr angemietetes Fahrzeug an. Dass er keinen Anspruch auf Gewährung von Erholungsurlaub sowie auf Entgeltfortzahlung habe, spreche gleichfalls für die Annahme einer selbständigen Tätigkeit.
21Mit Widerspruchsbescheid vom 13.1.2010 wies die Beklagte den Widerspruch unter Vertiefung der Ausführungen ihres Ausgangsbescheides als unbegründet zurück.
22Mit der am 11.2.2010 zum Sozialgericht (SG) Münster erhobenen Klage hat die Rechtsvorgängerin der Klägerin ihr Begehren unter Vertiefung ihrer Ausführungen im Verwaltungs- und Widerspruchsverfahren weiterverfolgt. Ergänzend hat sie auf eine Entscheidung des Bayerischen Landessozialgericht (LSG) vom 29.3.2011 (L 8 AL 152/08) verwiesen, in der sie ihre Rechtsauffassung bestätigt gesehen hat.
23Die Klägerin hat beantragt,
24den Bescheid der Beklagten vom 27.1.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.1.2010 sowie den Bescheid vom 20.1.2012 aufzuheben.
25Die Beklagte hat beantragt,
26die Klage abzuweisen.
27Sie hat zur Begründung auf den Inhalt des angefochtenen Bescheides Bezug genommen. Der Entscheidung des Bayerischen LSG vom 29.3.2011 stünden diverse andere sozialgerichtliche Entscheidungen entgegen. Ihre Rechtsauffassung, nach welcher ein Kraftfahrer ohne eigenes Fahrzeug regelmäßig im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses tätig werde, werde zunehmend von der obergerichtlichen Rechtsprechung geteilt
28Während des anhängigen erstinstanzlichen Verfahrens hat die Beklagte nach ergänzenden Feststellungen mit - an die Rechtsvorgängerin der Klägerin und den Beigeladenen zu 1) adressierten - Bescheiden vom 20.1.2012 den Verwaltungsakt vom 27.1.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.1.2010 abgeändert und festgestellt, dass in der von dem Beigeladenen zu 1) vom 3.9.2007 bis zum 30.10.2008 ausgeübten Beschäftigung Versicherungspflicht in der gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung, der sozialen Pflegeversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung bestanden habe. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt des Bescheides Bezug genommen.
29Mit Urteil vom 25.7.2012 hat das SG die Klage abgewiesen. Auf die Entscheidungsgründe wird Bezug genommen.
30Gegen das ihr am 10.8.2012 zugestellte Urteil hat die Rechtsvorgängerin der Klägerin am 13.8.2012 Berufung eingelegt. Sie hat zur Begründung ihr erstinstanzliches Vorbringen wiederholt und ergänzend auf ein Rundschreiben der Spitzenverbände der Sozialversicherungsträger vom 5.7.2005 verwiesen, aus dem sich die Vermutung ergebe, dass Existenzgründer, die von der Bundesagentur für Arbeit einen Existenzgründungszuschuss nach § 421l SGB III a.F. erhielten, in der betreffenden Tätigkeit selbständig tätig seien. Für die Dauer des Bezugs des Zuschusses komme zwar eine Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung als versicherungspflichtiger Selbständiger nach § 2 Abs.1 Nr. 10 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) in Betracht; die Klägerin sei jedoch in diesem Fall nicht für die Beitragszahlung zuständig.
31Zudem habe die Beigeladene zu 3) im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem SG dargelegt, dass der Gewährung des Gründungszuschuss die Vorlage eines entsprechenden Businessplans vorausgegangen sei. Die Erstellung bzw. Vorlage eines solchen Planes sowie die anschließende behördliche Überprüfung der Nachhaltigkeit und Plausibilität des Gründungskonzepts spreche eindeutig für die Annahme einer selbständigen Tätigkeit.
32Die Klägerin beantragt,
33das Urteil des Sozialgerichts Münster vom 25.7.2012 zu ändern und unter Aufhebung des Bescheide der Beklagten vom 27.1.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.1.2010 und des Bescheides vom 20.1.2012 festzustellen, dass der Beigeladene zu 1) in dem Zeitraum vom 3.9.2007 bis zum 30.10.2008 wegen der für die Klägerin ausgeübten Tätigkeit nicht der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung, der sozialen Pflegeversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung unterlag.
34Die Beklagte beantragt,
35die Berufung zurückzuweisen.
36Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung und verweist zur Begründung auf den Inhalt der angefochtenen Bescheide.
37Mit Beschluss vom 20.8.2012 hat die Gesellschafterversammlung der vormaligen Klägerin einen Formwechsel gemäß §§ 190 bis 213, 226 bis 237 Umwandlungsgesetz (UmwG) zu Gunsten einer Kommanditgesellschaft mit der Firma T GmbH & Co. KG beschlossen. Wegen der Einzelheiten des am 5.9.2012 in das Handelsregister des Amtsgerichts T (HR A 000) eingetragenen Formwechsels wird auf den Inhalt des Gesellschaftsvertrages der nunmehrigen Klägerin vom 20.8.2012 Bezug genommen.
38Der Senat hat am 22.4.2015 die Sach- und Rechtslage mit den Beteiligten erörtert. Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt der Sitzungsniederschrift Bezug genommen.
39Im Termin zur mündlichen Verhandlung, zu dem trotz ordnungsgemäßer Terminsnachricht weder der Beigeladene zu 1) noch Vertreter der Beigeladenen zu 2), 4) und 5) erschienen sind, hat der Senat zur Ausgestaltung der Zusammenarbeit der Rechtsvorgängerin der Klägerin mit dem Beigeladenen zu 1) Beweis erhoben durch Vernehmung des Mitarbeiters der Klägerin, des Zeugen S. Wegen des Ergebnisses wird auf den Inhalt der Sitzungsniederschrift Bezug genommen.
40Der Senat hat zudem Einsicht genommen in den ab dem 1.5.2006 geltenden Lohntarifvertrag für die gewerblichen Arbeitnehmer in der Speditions-, Logistik- und Transportwirtschaft Nordrhein-Westfalen vom 4.9.2006 sowie den in dieser Branche ab dem 1.5.2008 geltenden Lohntarifvertrag vom 21.4.2009. Auf den Inhalt dieser Tarifverträge wird Bezug genommen.
41Wegen des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte und den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten und der Beigeladenen zu 3). Dieser ist Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
42Entscheidungsgründe:
43Der Senat konnte in Abwesenheit des Beigeladenen zu 1) sowie der Beigeladenen zu 2), 4) und 5) verhandeln und entscheiden, da er sie mit ordnungsgemäßen Terminsnachrichten auf diese Möglichkeit hingewiesen hat.
44I. Die am 13.8.2012 bei dem erkennenden Gericht ursprünglich von deren Rechtsvorgängerin eingelegte Berufung der Klägerin gegen das ihr am 10.8.2012 zugestellte Urteil des SG Münster ist zulässig, insbesondere gemäß §§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft und gemäß § 151 Abs. 1, Abs. 3, §§ 63, 64 Abs. 1, Abs. 2 SGG form- und fristgerecht eingelegt worden.
45Der Zulässigkeit der Berufung steht auch nicht der Wegfall der Beteiligtenfähigkeit (§§ 69 Nr. 1, 70 Nr. 1 SGG) der ursprünglich im Aktivrubrum geführten Klägerin, der T GmbH, entgegen, obgleich diese Gesellschaft in der ursprünglichen Rechtsform als GmbH nicht mehr existiert. Im Hinblick auf den nach Einlegung der Berufung am 20.8.2012 beschlossenen und am 5.9.2012 in das Handelsregister eingetragenen Formwechsel durch Umwandlung (§§ 190 bis 213, 226 bis 237 UmwG) zugunsten der nunmehrigen Klägerin bedurfte es lediglich der Berichtigung des Rubrums (vgl. hierzu auch Oberlandesgericht [OLG] Köln, Urteil v. 5.8.2003, 3 U 30/03; Sächsisches Oberverwaltungsgericht [OVG], Beschluss v. 26.8.2008, 3 B 7/08; vgl. auch BSG, Urteil v. 4.3.2004, B 3 KR 12/03 R, juris), die der Senat nach vorheriger Anhörung der Beteiligten vorgenommen hat.
46II. Die Berufung der Klägerin ist jedoch nicht begründet. Das SG hat die Klage gegen den Bescheid der Beklagten vom 27.1.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.1.2010 sowie gegen den Bescheid vom 20.1.2012 zu Recht abgewiesen. Diese Bescheide beschweren die Klägerin nicht im Sinne des § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG, weil sie nicht rechtswidrig sind. Die Beklagte hat im Rahmen des § 7a Abs. 1 SGB IV zutreffend festgestellt, dass der Beigeladene zu 1) in der vom 3.9.2007 bis zum 30.10.2008 für die Rechtsvorgängerin der Klägerin ausgeübten Tätigkeit der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung, der sozialen Pflegeversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung unterlag.
471. Gemäß § 7a Abs. 1 Satz 1 SGB IV können die Beteiligten schriftlich eine Entscheidung beantragen, ob eine Beschäftigung vorliegt, es sei denn, die Einzugsstelle oder ein anderer Versicherungsträger hatte im Zeitpunkt der Antragstellung bereits ein Verfahren zur Feststellung einer Beschäftigung eingeleitet.
48a) Auf dieser Grundlage hat die Beklagte zunächst ihre ursprüngliche unzulässige isolierte Feststellung, die Tätigkeit des Beigeladenen zu 1) für die Klägerin werde "im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses" (Bescheid v. 27.1.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides v. 13.1.2010) entsprechend der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG, Urteil v. 11.3.2009, B 12 R 11/07 R, SozR 4-2400 § 7a Nr. 2;Urteil v. 4.6.2009, B 12 R 6/08 R, USK 2009-72) in formell rechtmäßiger Weise dahingehend korrigiert, es bestehe Versicherungspflicht des Beigeladenen zu 1) in der Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung (Bescheid v. 20.1.2012, der gemäß § 96 SGG Verfahrensgegenstand geworden ist).
49b) An dieser Feststellung war die Beklagte nicht deshalb gehindert, weil ein anderer Versicherungsträger, namentlich die Beigeladene zu 3) mit dem Verfahren auf Bewilligung eines Gründungszuschusses nach § 57 SGB III, zum Zeitpunkt der Antragstellung bereits ein "Verfahren zur Feststellung einer Beschäftigung eingeleitet" hatte.
50aa) In konsequenter Fortführung der unter a) zitierten Rechtsprechung des BSG kann ein Verfahren "zur Feststellung einer Beschäftigung" nur ein solches sein, dass auf die Feststellung von Versicherungspflicht in den einzelnen Zweigen der Sozialversicherung aufgrund einer konkreten Auftragsbeziehung (vgl. dazu Pietrek in jurisPK-SGB IV, 2. Aufl. 2011, § 7a Rdnr. 28 ff.) gerichtet ist. Eine dahingehende Feststellung hat das Bewilligungsverfahren nach § 57 SGB III a.F. indessen nicht zum Gegenstand gehabt. Die Beigeladene zu 3) hat vielmehr über die Bewilligung einer Leistung (Gründungszuschuss) entschieden und in diesem Rahmen lediglich inzidenter die Frage geprüft, ob der Beigeladene zu 1) beabsichtigte, eine selbständige Tätigkeit aufzunehmen. Eine Beurteilung des versicherungsrechtlichen Status des Beigeladenen zu 3) in seiner Vertragsbeziehung zur Klägerin ist dagegen zu keinem Zeitpunkt angestrebt worden oder erfolgt.
51bb) Das Verfahren auf Bewilligung eines Gründungszuschusses nach § 57 SGB III a.F. (jetzt: § 93 SGB III) kann auch deshalb kein "Verfahren zur Feststellung einer Beschäftigung" im Sinne von § 7a Abs. 1 Satz 1 SGB IV sein, weil es nicht nur inhaltlich, sondern auch zeitlich einen anderen Prüfungsgegenstand hat. Der Gründungszuschuss setzt nach § 93 Abs. 1 SGB III lediglich die "Aufnahme" einer selbständigen Tätigkeit voraus. Dafür reicht es, dass erstmals eine unmittelbar auf berufsmäßigen Erwerb gerichtete und der Gewinnerzielung dienende Handlung mit Außenwirkung vorgenommen wurde (vgl. BSG, Urteil v. 1.6.2006, B 7a AL 34/05 R, SozR 4-4300 § 57 Nr. 1), z.B. die Anmietung von Gewerberäumen, die Einrichtung von Geschäftskonten und dergleichen (vgl. Kuhnke in jurisPK-SGB III, 2014, § 93 Rdnr. 16 m.w.N.). Das Eingehen konkreter Vertragsbeziehungen zu Auftraggebern - die allein Prüfungsgegenstand eines Verfahrens nach § 7a SGB IV sein können - ist demgegenüber noch nicht erforderlich, sondern regelmäßig erst geplant.
522. Die Feststellung der Beklagten, wonach der Beigeladene zu 1) in der Zeit vom 3.9.2007 bis zum 30.10.2008 wegen einer Beschäftigung bei der Rechtsvorgängerin der Klägerin der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung, in der sozialen Pflegeversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung unterlag, ist nicht zu beanstanden.
53Die Versicherungspflicht ergibt sich in der Rentenversicherung aus § 1 Satz 1 SGB VI, in der Kranken- und Pflegeversicherung aus§ 5 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) bzw. § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 in Verbindung mit Satz 1 Sozialgesetzbuch Elftes Buch (SGB XI) und nach dem Recht der Arbeitsförderung aus § 25 Abs. 1 Satz 1 SGB III, da der Beigeladene zu 1) bei der Rechtsvorgängerin der Klägerin im streitgegenständlichen Zeitraum gegen Arbeitsentgelt (§ 14 SGB IV) abhängig beschäftigt gewesen ist.
54Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung ist § 7 Abs. 1 SGB IV. Danach ist Beschäftigung die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis.
55a) Die Regelung des mit Wirkung zum 1.7.2009 durch Art. 1 Nr. 3 Buchst. b des Gesetzes zur Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 19.12.2007 (BGBl. I, 3024) aufgehobenen § 7 Abs. 4 Satz 1 SGB IV, wonach für Personen, die für eine selbständige Tätigkeit einen Zuschuss nach § 421l SGB III beantragen, widerlegbar vermutet wurde, dass sie in dieser Tätigkeit als Selbständige tätig sind, ist nicht anzuwenden. Gleiches gilt für § 7 Abs. 4 Satz 2 SGB IV, wonach für die Dauer des Bezuges dieses Zuschusses die Person als selbständig tätig gilt. Die Regelungen dienten der Verfahrensvereinfachung und sollten Existenzgründungen erleichtern; der Amtsermittlungsgrundsa