Sterbegeld: Keine Leistungen für gleichgeschlechtlichen Lebenspartner
Ein mit einem Beamten in Lebenspartnerschaft lebender Mann hat keinen Anspruch auf Sterbe- und Witwergeld.
Diese Entscheidung traf das Verwaltungsgericht (VG) Koblenz im Fall eines Beamten, dessen Ehe im Jahr 2003 geschieden wurde. Ein Jahr später hatte er mit dem Kläger eine eingetragene Lebenspartnerschaft begründet. Nach dem Tod des Beamten beantragte der Kläger sowohl Sterbe- als auch ein Witwergeld. Die Oberfinanzdirektion Rheinland-Pfalz lehnte die Anträge ab.
Der Widerspruch des Klägers blieb erfolglos. Die daraufhin erhobene Klage wies das VG ab. Der Kläger habe keinen Anspruch auf die beantragten Leistungen. Die beamten- und europarechtlichen Regelungen sähen für den vorliegenden Fall keine Gewährung von Witwer- oder Sterbegeld vor. Dies stelle auch keinen Verstoß gegen den grundgesetzlichen Gleichheitsgrundsatz dar. Es sei sachlich gerechtfertigt, eine eingetragene Lebenspartnerschaft gleichgeschlechtlicher Personen nicht mit der Ehe von Mann und Frau, die nach dem Grundgesetz unter dem besonderen Schutz der staatlichen Ordnung stehe, gleichzustellen. Hierin liege keine Diskriminierung der sexuellen Orientierung homosexueller Partnerschaften. Vielmehr knüpfe die getroffene Unterscheidung an den Umstand an, dass die Ehe die Vorstufe der für das Fortbestehen der menschlichen Gemeinschaft unerlässlichen Familie sei. Von daher sei die Ungleichbehandlung gerechtfertigt (VG Koblenz, 6 K 871/05.KO).
Artikel zu passenden Rechtsgebieten
(1) Wer einen Menschen rechtswidrig mit Gewalt oder durch Drohung mit einem empfindlichen Übel zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung nötigt und dadurch dem Vermögen des Genötigten oder eines anderen Nachteil zufügt, um sich oder einen Dritten zu Unrecht zu bereichern, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
(2) Rechtswidrig ist die Tat, wenn die Anwendung der Gewalt oder die Androhung des Übels zu dem angestrebten Zweck als verwerflich anzusehen ist.
(3) Der Versuch ist strafbar.
(4) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter gewerbsmäßig oder als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten Begehung einer Erpressung verbunden hat.
Wird die Erpressung durch Gewalt gegen eine Person oder unter Anwendung von Drohungen mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben begangen, so ist der Täter gleich einem Räuber zu bestrafen.
(1) Auf Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren ist zu erkennen, wenn
- 1.
der Täter oder ein anderer Beteiligter am Raub - a)
eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug bei sich führt, - b)
sonst ein Werkzeug oder Mittel bei sich führt, um den Widerstand einer anderen Person durch Gewalt oder Drohung mit Gewalt zu verhindern oder zu überwinden, - c)
eine andere Person durch die Tat in die Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung bringt oder
- 2.
der Täter den Raub als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Raub oder Diebstahl verbunden hat, unter Mitwirkung eines anderen Bandenmitglieds begeht.
(2) Auf Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter oder ein anderer Beteiligter am Raub
- 1.
bei der Tat eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug verwendet, - 2.
in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 eine Waffe bei sich führt oder - 3.
eine andere Person - a)
bei der Tat körperlich schwer mißhandelt oder - b)
durch die Tat in die Gefahr des Todes bringt.
(3) In minder schweren Fällen der Absätze 1 und 2 ist die Strafe Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren.
(1) Wer die Körperverletzung
- 1.
durch Beibringung von Gift oder anderen gesundheitsschädlichen Stoffen, - 2.
mittels einer Waffe oder eines anderen gefährlichen Werkzeugs, - 3.
mittels eines hinterlistigen Überfalls, - 4.
mit einem anderen Beteiligten gemeinschaftlich oder - 5.
mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung
(2) Der Versuch ist strafbar.
Ohne Schuld handelt, wer bei Begehung der Tat wegen einer krankhaften seelischen Störung, wegen einer tiefgreifenden Bewußtseinsstörung oder wegen einer Intelligenzminderung oder einer schweren anderen seelischen Störung unfähig ist, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln.
(1) Wer einen Menschen rechtswidrig mit Gewalt oder durch Drohung mit einem empfindlichen Übel zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung nötigt und dadurch dem Vermögen des Genötigten oder eines anderen Nachteil zufügt, um sich oder einen Dritten zu Unrecht zu bereichern, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
(2) Rechtswidrig ist die Tat, wenn die Anwendung der Gewalt oder die Androhung des Übels zu dem angestrebten Zweck als verwerflich anzusehen ist.
(3) Der Versuch ist strafbar.
(4) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter gewerbsmäßig oder als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten Begehung einer Erpressung verbunden hat.
Wird die Erpressung durch Gewalt gegen eine Person oder unter Anwendung von Drohungen mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben begangen, so ist der Täter gleich einem Räuber zu bestrafen.
(1) Auf Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren ist zu erkennen, wenn
- 1.
der Täter oder ein anderer Beteiligter am Raub - a)
eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug bei sich führt, - b)
sonst ein Werkzeug oder Mittel bei sich führt, um den Widerstand einer anderen Person durch Gewalt oder Drohung mit Gewalt zu verhindern oder zu überwinden, - c)
eine andere Person durch die Tat in die Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung bringt oder
- 2.
der Täter den Raub als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Raub oder Diebstahl verbunden hat, unter Mitwirkung eines anderen Bandenmitglieds begeht.
(2) Auf Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter oder ein anderer Beteiligter am Raub
- 1.
bei der Tat eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug verwendet, - 2.
in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 eine Waffe bei sich führt oder - 3.
eine andere Person - a)
bei der Tat körperlich schwer mißhandelt oder - b)
durch die Tat in die Gefahr des Todes bringt.
(3) In minder schweren Fällen der Absätze 1 und 2 ist die Strafe Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren.
(1) Wer die Körperverletzung
- 1.
durch Beibringung von Gift oder anderen gesundheitsschädlichen Stoffen, - 2.
mittels einer Waffe oder eines anderen gefährlichen Werkzeugs, - 3.
mittels eines hinterlistigen Überfalls, - 4.
mit einem anderen Beteiligten gemeinschaftlich oder - 5.
mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung
(2) Der Versuch ist strafbar.
(1) Verletzt dieselbe Handlung mehrere Strafgesetze oder dasselbe Strafgesetz mehrmals, so wird nur auf eine Strafe erkannt.
(2) Sind mehrere Strafgesetze verletzt, so wird die Strafe nach dem Gesetz bestimmt, das die schwerste Strafe androht. Sie darf nicht milder sein, als die anderen anwendbaren Gesetze es zulassen.
(3) Geldstrafe kann das Gericht unter den Voraussetzungen des § 41 neben Freiheitsstrafe gesondert verhängen.
(4) Auf Nebenstrafen, Nebenfolgen und Maßnahmen (§ 11 Absatz 1 Nummer 8) muss oder kann erkannt werden, wenn eines der anwendbaren Gesetze dies vorschreibt oder zulässt.
Ohne Schuld handelt, wer bei Begehung der Tat wegen einer krankhaften seelischen Störung, wegen einer tiefgreifenden Bewußtseinsstörung oder wegen einer Intelligenzminderung oder einer schweren anderen seelischen Störung unfähig ist, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln.
BUNDESGERICHTSHOF
Gründe:
- 1
- Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchter Nötigung in drei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zehn Monaten verurteilt und seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Hiergegen richtet sich seine auf die Sachbeschwerde gestützte Revision. Das Rechtsmittel hat Erfolg.
- 2
- Nach den Feststellungen des Landgerichts leidet der Angeklagte unter einer paranoiden Psychose mit ausgeprägtem Wahnsystem. Er hatte sich anfangs in einem Liebeswahn zu einer - entweder wirklich existierenden oder auch nur imaginären - Frau B. befunden. Später fühlte er sich zur Tatzeit von dieser Person und deren Gehilfen verfolgt, "bestrahlt und abgehört". "Um der Verfolgung durch Frau B. und deren Schergen zu entkommen, entschloss sich der Angeklagte Ende Januar 2010" dazu, in die Justizvollzugsanstalt "umzuziehen, da ihm dies als der einzig sichere Ort erschien". Er begab sich am 28. Januar 2010 zur Mittagszeit in die Räume der Sparkasse G. und wandte sich an eine Angestellte mit den Worten: "Dies ist ein Überfall. Geben Sie mir 20.000 Euro." Er wurde daraufhin aber von anderen Mitarbeitern aus den Geschäftsräumen hinaus gedrängt. Der Angeklagte setzte sein Vorhaben in einer Filiale der Deutschen Bank in gleicher Weise fort, wobei er seine Forderung noch damit unterstrich, dass er eine Hand in der Jackentasche ausstreckte , um den Eindruck entstehen zu lassen, er sei bewaffnet. Hier wurde er mit dem Hinweis darauf, dass die Bankmitarbeiter keinen Zugriff auf größere Bargeldbestände hätten, zum Verlassen des Gebäudes veranlasst. Er unternahm danach einen dritten Anlauf bei der SEB-Bank, wo er mit denselben Worten einen "Überfall" behauptete und das Vorhandensein einer Waffe simulierte. Kurze Zeit darauf wurde er in den Bankräumen von der herbeigerufenen Polizei festgenommen, worauf es ihm zumindest in erster Linie angekommen war.
- 3
- Das Landgericht hat angenommen, dass es sich um Nötigungsversuche des Angeklagten gehandelt habe. Dabei habe sicher eine "erhebliche Beeinträchtigung seiner Einsichts- und Steuerungsfähigkeit" vorgelegen, "aber nicht eine gänzliche Aufhebung seiner Schuldfähigkeit." Unmittelbarer Beweggrund sei der Wunsch gewesen, verhaftet zu werden und danach in die Justizvollzugsanstalt "umzuziehen". Dabei sei er "kontrolliert und planerisch" vorgegangen. Es sei nicht auszuschließen, dass er vor dem Hintergrund vorhandener Schulden im Falle einer Herausgabe von Bargeld dieses angenommen hätte, was aber nicht sein vorrangiges Ziel gewesen sei.
- 4
- Gegen die Beurteilung der Schuldfähigkeit des Angeklagten zur Tatzeit bestehen durchgreifende rechtliche Bedenken. Die Urteilsgründe lassen besorgen , dass das Landgericht die von ihm angenommene verminderte Einsichtsfä- higkeit nicht richtig bewertet hat. Eine infolge krankhafter seelischer Störung reduzierte Einsichtsfähigkeit ist zunächst ohne Belang (vgl. BGH NStZ-RR 2007, 73). Sie erlangt erst dann rechtliche Bedeutung, wenn sie tatsächlich das Fehlen der Unrechtseinsicht bei der Begehung der Tat zur Folge hat (vgl. Senat , Beschluss vom 21. November 2007 - 2 StR 548/07). In diesem Fall ist die Schuldfähigkeit sogar aufgehoben. Der Hinweis des Landgerichts auf die erheblich verminderte "Einsichts- und Steuerungsfähigkeit" des Angeklagten bei pauschaler Verneinung einer Aufhebung seiner "Schuldfähigkeit" lässt es möglich erscheinen, dass das Gericht nicht ausreichend zwischen den gesondert zu bewertenden Fähigkeiten zur Unrechtseinsicht einerseits und zur einsichtsgemäßen Steuerung andererseits unterschieden hat.
- 5
- Das Landgericht hat ferner nicht berücksichtigt, dass die Unrechtseinsicht des Angeklagten in Form seines Wissens um das Verbotensein der Handlungen (vgl. BGHSt 35, 347, 349) jedenfalls nicht defektfrei war. Zwar gehörte es zu seinem Plan, "Überfälle" zu begehen oder sie zumindest vorzutäuschen, um verhaftet zu werden; insofern war ihm das Verbotensein seines Handelns bewusst und sogar Bedingung der Verwirklichung seines Plans. Jedoch hat er sich infolge seines Wahnes einer konkreten Bedrohung für Leib oder Leben ausgesetzt gesehen, der er nur durch Herbeiführung seiner Festnahme entgehen zu können glaubte. Insoweit hat er sich wahnbedingt eine Notstandslage vorgestellt. Das hätte bereits unter dem Gesichtspunkt fehlender Einsicht in das Unrecht der Handlung näherer Erörterung bedurft. Darauf, dass der Angeklagte "kontrolliert" und planvoll gehandelt hat, kommt es insoweit nicht an. Maßgeblich ist vielmehr, ob er wahnbedingt in einem Erlaubnistatbestandsirrtum gehandelt oder einen Entschuldigungsgrund (§ 35 StGB) angenommen hat. Dazu sind auch genauere Feststellungen zur Qualität der von dem Angeklagten angenommenen Bedrohungslage und zu seinem Handlungsziel erforderlich.
- 6
- Der Rechtsfehler zwingt zur Aufhebung des Schuld- und Strafausspruches. Er ergreift zudem die Maßregelanordnung. Die Beurteilung von Unrechtseinsichts - und Steuerungsfähigkeit des Angeklagten zur Tatzeit bedarf insgesamt einer genaueren Bewertung, auf deren Grundlage der neue Tatrichter über eine mögliche Maßregelanordnung zu entscheiden haben wird.
Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Tat ergibt, daß von ihm infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird, zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist. Handelt es sich bei der begangenen rechtswidrigen Tat nicht um eine im Sinne von Satz 1 erhebliche Tat, so trifft das Gericht eine solche Anordnung nur, wenn besondere Umstände die Erwartung rechtfertigen, dass der Täter infolge seines Zustandes derartige erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird.
(1) Ist die Eintragung über eine Verurteilung im Register getilgt worden oder ist sie zu tilgen, so dürfen die Tat und die Verurteilung der betroffenen Person im Rechtsverkehr nicht mehr vorgehalten und nicht zu ihrem Nachteil verwertet werden.
(2) Aus der Tat oder der Verurteilung entstandene Rechte Dritter, gesetzliche Rechtsfolgen der Tat oder der Verurteilung und Entscheidungen von Gerichten oder Verwaltungsbehörden, die im Zusammenhang mit der Tat oder der Verurteilung ergangen sind, bleiben unberührt.
BUNDESGERICHTSHOF
2012
a) im Schuldspruch dahin geändert, dass die Angeklagten im Fall II. 2 der Urteilsgründe jeweils des besonders schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung schuldig sind;
b) mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, aa) soweit die Angeklagten und der Mitangeklagte Be. im Fall II. 1 der Urteilsgründe verurteilt worden sind, bb) in den Gesamtstrafenaussprüchen gegen die Angeklagten und den Mitangeklagten Be. , cc) im Maßregelausspruch gegen den Angeklagten S. und dd) im Maßregelausspruch gegen den Angeklagten B. hinsichtlich der Anordnung der Sperre für die Erteilung einer Fahrerlaubnis und des Ausspruchs über die Dauer des Vorwegvollzugs.
2. Die weiter gehenden Revisionen der Angeklagten werden verworfen. 3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Gründe:
- 1
- Das Landgericht hat den Angeklagten B. wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr in Tateinheit mit vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis und wegen schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu der Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren verurteilt und seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet. Gleichzeitig hat es bestimmt , dass ein Jahr und sechs Monate der Gesamtfreiheitsstrafe vor der Vollstreckung der Unterbringung zu vollziehen sind und dem Angeklagten vor Ablauf von zwölf Monaten keine neue Fahrerlaubnis erteilt werden darf. Gegen den Angeklagten S. hat das Landgericht wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr und wegen schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung die Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und drei Monaten verhängt, die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet und den Vorwegvollzug von einem Jahr, einem Monat und zwei Wochen der Gesamtfreiheitsstrafe vor der Vollstreckung der Unterbringung festgesetzt. Den nicht revidierenden Mitangeklagten Be. hat es wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr und wegen gefährlicher Körperverletzung zu der Gesamt- freiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten verurteilt und gleichfalls seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet. Mit ihren jeweils auf die Rüge der Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützten Revisionen wenden sich die Angeklagten B. und S. gegen ihre Verurteilungen.Die Rechtsmittel führen auch hinsichtlich des Mitangeklagten Be. zu einer Aufhebung der Schuldsprüche im Fall II. 1 der Urteilsgründe sowie der Gesamtstrafen und haben hinsichtlich der Maßregelanordnungen den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Erfolg. Im Übrigen erweisen sich die Revisionen als unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
- 2
- 1. Die Überprüfung des angefochtenen Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigungen hat keine Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten ergeben, soweit sie im Fall II. 2 der Urteilsgründe verurteilt worden sind. Mit der Schuldspruchänderung stellt der Senat klar, dass sich die Angeklagten durch die Raubtat jeweils eines besonders schweren Raubes schuldig gemacht haben. Die von der Strafkammer zutreffend angenommene Verwirklichung der Qualifikation des § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB ist in der Urteilsformel zum Ausdruck zu bringen (st. Rspr., vgl. BGH, Beschluss vom 3. September 2009 – 3 StR 297/09, NStZ 2010, 101 mwN).
- 3
- 2. Dagegen hält die Verurteilung der Angeklagten wegen vorsätzlichen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr im Fall II. 1 der Urteilsgründe einer rechtlichen Prüfung nicht stand. Die bisherigen Feststellungen ergeben nicht hinreichend, dass das Fahrverhalten des Angeklagten B. eine konkrete Gefährdung der in § 315b Abs. 1 StGB bezeichneten Individualrechtsgüter zur Folge hatte. Darüber hinaus sind bei dem Angeklagten S. die subjektiven Voraussetzungen eines von § 315b Abs. 1 StGB erfassten verkehrsfeindlichen Inneneingriffs nicht festgestellt.
- 4
- a) Nach den Feststellungen des Landgerichts ergriffen die Zeugen M. und G. – M. zu Fuß, G. in seinem Pkw – die Flucht vor den Angeklagten und dem Mitangeklagten Be. , die ihrer habhaft werden wollten , weil mit M. „etwas geklärt werden sollte“. Die Angeklagten und Be. bestiegen daraufhin einen Kleintransporter Fiat Scudo, um die Verfolgung von M. und G. aufzunehmen. Während der anschließenden Fahrt steuerte der Angeklagte B. das Fahrzeug, ohne – wie er wusste – im Besitz der erforderlichen Fahrerlaubnis zu sein.
- 5
- Als der davonfahrende G. in der Nähe der Straße den zu Fuß flüchtenden M. bemerkte, hielt er mit seinem Pkw an, um M. das Einsteigen zu ermöglichen. Diese Gelegenheit nutzte der Angeklagte B. , um an dem Pkw des G. vorbeizufahrenund sich mit dem Kleintransporter quer vor diesen zu stellen. Während Be. den Kleintransporter auf der Beifahrerseite verließ und gestikulierend auf das andere Fahrzeug zulief, legte G. den Rückwärtsgang ein und setzte die Flucht in entgegengesetzter Richtung fort. Dem Angeklagten S. , der, obwohl er Gelegenheit gehabt hätte, den stehenden Fiat Scudo zu verlassen, im Fahrzeug verblieben war, war ebenso wie dem wieder in den Kleintransporter eingestiegenen Be. bewusst, dass B. die Verfolgung der beiden Männer fortsetzen und versuchen werde, deren Fahrzeug an einer Weiterfahrt zu hindern. Der Angeklagte S. und der Mitangeklagte Be. nahmen zumindest billigend in Kauf, dass B. erneut versuchen könnte, den Pkw durch Querstellen des Fiat Scudo auszubremsen, oder ihn durch eine andere gefährliche, die Insassen und das Fahrzeug gefährdende Fahrweise zu stoppen. Mit einem solchen möglichen Vorgehen B. s war der Angeklagte S. nicht nur einverstanden, er hatte auch einInteresse daran, jedenfalls des M. habhaft zu werden.
- 6
- Noch bevor der Pkw des G. die Ortschaft D. erreichte, konnten die Angeklagten und Be. mit dem Fiat Scudo aufschließen. B. fuhr nun mit dem Kleintransporter auf den sich weiter in Bewegung befindlichen Pkw von hinten auf, um G. – allerdings erfolglos – zum Anhalten zubewegen. Der Anstoß war immerhin so stark, dass sich M. , der sich nicht angeschnallt hatte, mit den Händen am Armaturenbrett abstützen musste, um nicht gegen die Windschutzscheibe geschleudert zu werden. Beide Fahrzeuge fuhren dann durch die Ortschaft D. und weiter in Richtung P. , wobei zumindest auf der Landesstraße L 22 Geschwindigkeiten von 140 bis 150 km/h erreicht wurden. Auf der Straße zwischen den Ortschaften rammte der Angeklagte B. zumindest einmal den Pkw des G. im Bereich der Fahrertür, die dabei beschädigt wurde. Aus ungeklärter Ursache begann der Motor des Pkw des G. zu überhitzen, sodass die Leistung nachließ und G. nur noch in der Lage war, eine Geschwindigkeit von etwa 70 km/h zu erreichen. Aufgrund dessen war es dem Angeklagten B. möglich, den Pkw mit dem Kleintransporter zu überholen, sich in geringem Abstand vor diesen zu setzen und stark abzubremsen. Infolge dieses Manövers konnte G. ein Auffahren auf den Kleintransporter nicht verhindern. Nach dem Anstoß gelang es ihm, den deutlich abgebremsten Kleintransporter gleich wieder zu überholen und weiter in Richtung P. zu fahren. Im Bereich des Ortseingangs ließen die Angeklagten und Be. schließlich aus nicht geklärten Umständen von einer weiteren Verfolgung ab.
- 7
- b) Ein vollendeter gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr gemäß § 315b Abs. 1 StGB liegt erst dann vor, wenn durch eine der in § 315b Abs. 1 Nr. 1 bis 3 StGB genannten Tathandlungen eine Beeinträchtigung der Sicherheit des Straßenverkehrs herbeigeführt worden ist und sich diese abstrakte Gefahrenlage zu einer konkreten Gefährdung von Leib oder Leben eines anderen Menschen oder fremder Sachen von bedeutendem Wert verdichtet hat (vgl. BGH, Urteil vom 4. Dezember 2002 – 4 StR 103/02, BGHSt 48, 119, 122; Ernemann in Satzger/Schmitt/Widmaier, StGB, § 315b Rn. 5, 17). Eine solche über die abstrakte Beeinträchtigung der Sicherheit des Straßenverkehrs hinausgehende konkrete Gefährdung wird von den bisherigen Urteilsfeststellungen nicht hinreichend belegt. Die Strafkammer hat zwar festgestellt, dass der nicht angeschnallte Beifahrer M. sich infolge des Anstoßes von hinten mit den Händen am Armaturenbrett abstützen musste, um nicht gegen die Windschutzscheibe geschleudert zu werden. Diese Feststellung steht jedoch in einem nicht ohne weiteres auflösbaren Widerspruch zu der Wertung des Landgerichts im Rahmen der rechtlichen Würdigung, wonach der Angeklagte B. das Fahrzeug des G. „zumindest einmal leicht von hinten“ gerammt habe. Nähere Feststellungen zu den Geschwindigkeiten der Fahrzeuge im Zeitpunkt der verschiedenen Kollisionen und der jeweiligen Intensität der Anstöße zwischen den beteiligten Fahrzeugen (vgl. BGH, Beschluss vom 25. April 2012 – 4 StR 667/11, NStZ 2012, 700, 701) hat die Strafkammer nicht getroffen. Auch das Schadensbild, das aus den durch Bezugnahme nach § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO zum Bestandteil der Urteilsgründe gewordenen Lichtbildern vom Fahrzeug des Zeugen G. ersichtlich ist, erlaubt keinen sicheren Schluss auf eine konkrete Leibesgefahr. Schließlich ist den Urteilsausführungen ein drohender, die Wertgrenze von 750 € (vgl. BGH, Beschluss vom 28. September 2010 – 4 StR 245/10, NStZ 2011, 215) erreichender Sachschaden ebenfalls nicht zu entnehmen, weil sich das Landgericht zum Wert des für den Gefahrenerfolg allein maßgeblichen Fahrzeugs des Zeugen G. – etwa zu Modell, Baujahr, Laufleistung oder Zustand – nicht verhält (vgl. BGH, Beschluss vom 25. Januar 2012 – 4 StR 507/11, NZV 2012, 393).
- 8
- c) Die Strafbarkeit nach § 315b Abs. 1 StGB bei Verkehrsvorgängen im fließenden Verkehr (verkehrsfeindlicher Inneneingriff) setzt nach der Rechtsprechung des Senats voraus, dass zu dem bewusst zweckwidrigen Einsatz des Fahrzeugs in verkehrsfeindlicher Einstellung hinzukommt, dass das Fahrzeug mit mindestens bedingtem Schädigungsvorsatz – etwa als Waffe oder Schadenswerkzeug – missbraucht wird. Erst dann liegt eine – über den Tatbestand des § 315c StGB hinausgehende und davon abzugrenzende – verkehrs- atypische „Pervertierung“ eines Verkehrsvorgangs zu einem gefährlichen „Eingriff“ in den Straßenverkehr im Sinne des § 315bAbs. 1 StGB vor (vgl. BGH, Urteil vom 20. Februar 2003 – 4 StR 228/02, BGHSt 48, 233, 237; Beschluss vom 9. Februar 2010 – 4 StR 556/09, NStZ 2010, 391, 392; vom 22. November 2011 – 4 StR 522/11, DAR 2012, 390). Da sich die subjektiven Vorstellungen des Angeklagten S. nach den Feststellungen auf die billigende Inkaufnahme von für das verfolgte Fahrzeug und dessen Insassen gefährlichen Fahrmanövern des Angeklagten B. beschränkte, er mithin nur mit Gefährdungsvorsatz handelte, scheidet eine Strafbarkeit des Angeklagten S. nach § 315b StGB auf der Grundlage der bisherigen Urteilsfeststellungen aus.
- 9
- d) Die Aufhebung der Schuldsprüche im Fall II. 1 der Urteilsgründe, die bei dem Angeklagten B. auch die an sich rechtsfehlerfreie Verurteilung wegen tateinheitlich begangenen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis umfasst , ist gemäß § 357 Satz 1 StPO auf den nicht revidierenden, durch die materiell -rechtlichen Aufhebungsgründe in gleicher Weise betroffenen Mitangeklagten Be. zu erstrecken. Der neu zur Entscheidung berufene Tatrichter wird bei dem Angeklagten S. und dem Mitangeklagten Be. die tatbestandlichen Voraussetzungen der Mittäterschaft eingehender als bisher geschehen zu prüfen und gegebenenfalls nähere Feststellungen zu deren Tatbeteiligung zu treffen haben.
- 10
- Die Aufhebung der Schuldsprüche und der zugehörigen Einzelstrafen entzieht den Gesamtstrafenaussprüchen gegen die Angeklagten und den Mitangeklagten Be. die Grundlage.
- 11
- 3. Die Unterbringung des Angeklagten S. in einer Entziehungsanstalt gemäß § 64 StGB begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
- 12
- Das Landgericht hat die Gefahr künftiger hangbedingter erheblicher Straftaten des Angeklagten S. bejaht und dies allein damit begründet, dass auch bei früheren – ausweislich der Urteilsgründe bereits getilgten – Verurteilungen Alkohol und Drogen jeweils eine nicht unbedeutende Rolle gespielt hätten. In der Heranziehung im Bundeszentralregister getilgter Verurteilungen zur Beurteilung der Gefährlichkeitsprognose liegt ein Verstoß gegen das auch bei der Anordnung von Maßregeln der Besserung und Sicherung geltende gesetzliche Verwertungsverbot des § 51 Abs. 1 BZRG, der auf Sachrüge hin zu berücksichtigen ist (vgl. BGH, Beschlüsse vom 28. August 2012 – 3 StR 309/12, BGHSt 57, 300, 302 f.; vom 21. August 2012 – 4 StR 247/12, NStZ-RR 2013, 84). Nach dieser Vorschrift dürfen aus Taten, die Gegenstand getilgter Verurteilungen sind, keine nachteiligen Schlüsse auf die Persönlichkeit eines Angeklagten gezogen werden (vgl. BGH, Beschluss vom 4. Februar 2010 – 3 StR 8/10, BGHR BZRG § 51 Verwertungsverbot 11).
- 13
- Des Weiteren hat sich das Landgericht nicht von der nach § 64 Satz 2 StGB erforderlichen konkreten Erfolgsaussicht der Behandlung in der Unterbringung überzeugen können, sondern diese lediglich „zu Gunsten“ des Angeklagten S. unterstellt. Dabei hat die Strafkammer verkannt, dass es sich bei der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt nach § 64 StGB um eine den Angeklagten beschwerende Maßregel handelt (vgl. BGH, Beschluss vom 13. Juni 1991 – 4 StR 105/91, BGHSt 38, 4, 7), deren tatbestandliche Voraus- setzungen bei einer Anordnung sicher feststehen müssen (vgl. BGH, Urteil vom 24. Juni 2003 – 1 StR 25/03, insoweit in NStZ 2004, 111 nicht abgedruckt; Beschluss vom 1. März 2001 – 4 StR 36/01, NStZ-RR 2001, 295). Für eine Anwendung des Zweifelssatzes ist insoweit kein Raum.
- 14
- 4. Bei dem Angeklagten B. hat die Aufhebung des Schuldspruchs im Fall II. 1 der Urteilsgründe die Aufhebung des an diese Verurteilung anknüpfenden Maßregelausspruchs nach § 69a StGB zur Folge. Die Anordnung des Vorwegvollzugs eines Teils der Gesamtfreiheitsstrafe vor der Unterbringung kann schon wegen der Aufhebung der Gesamtstrafe keinen Bestand haben, ohne dass es noch auf den Widerspruch im schriftlichen Urteil hinsichtlich der Dauer des Vorwegvollzugs und das vollständige Fehlen einer nachvollziehbaren Begründung für deren Festsetzung ankommt. Der neue Tatrichter wird die voraussichtlich erforderliche Dauer der Behandlung in der Unterbringung festzustellen (vgl. Fischer, StGB, 60. Aufl., § 67 Rn. 11b mwN) und hiervon ausgehend erneut über den Vorwegvollzug nach § 67 Abs. 2 StGB zu befinden haben.
Bender Quentin
(1) Die frühere Tat darf abweichend von § 51 Abs. 1 nur berücksichtigt werden, wenn
- 1.
die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder eines ihrer Länder eine Ausnahme zwingend gebietet, - 2.
in einem erneuten Strafverfahren ein Gutachten über die Voraussetzungen der §§ 20, 21, 63, 64, 66, 66a oder 66b des Strafgesetzbuchs zu erstatten ist, falls die Umstände der früheren Tat für die Beurteilung der Schuldfähigkeit oder Gefährlichkeit der betroffenen Person von Bedeutung sind, - 3.
die Wiederaufnahme des früheren Verfahrens beantragt wird, - 4.
die betroffene Person die Zulassung zu einem Beruf oder einem Gewerbe, die Einstellung in den öffentlichen Dienst oder die Erteilung einer Waffenbesitzkarte, eines Munitionserwerbscheins, Waffenscheins, Jagdscheins oder einer Erlaubnis nach § 27 des Sprengstoffgesetzes beantragt, falls die Zulassung, Einstellung oder Erteilung der Erlaubnis sonst zu einer erheblichen Gefährdung der Allgemeinheit führen würde; das gleiche gilt, wenn die betroffene Person die Aufhebung einer die Ausübung eines Berufes oder Gewerbes untersagenden Entscheidung beantragt oder - 5.
dies in gesetzlichen Bestimmungen unter Bezugnahme auf diese Vorschrift vorgesehen ist.
(2) Abweichend von § 51 Absatz 1 darf eine frühere Tat ferner
- 1.
in einem Verfahren, das die Erteilung oder Entziehung einer Fahrerlaubnis zum Gegenstand hat, - 2.
zur Ergreifung von Maßnahmen nach dem Fahreignungs-Bewertungssystem nach § 4 Absatz 5 des Straßenverkehrsgesetzes
(1) Ist die Eintragung über eine Verurteilung im Register getilgt worden oder ist sie zu tilgen, so dürfen die Tat und die Verurteilung der betroffenen Person im Rechtsverkehr nicht mehr vorgehalten und nicht zu ihrem Nachteil verwertet werden.
(2) Aus der Tat oder der Verurteilung entstandene Rechte Dritter, gesetzliche Rechtsfolgen der Tat oder der Verurteilung und Entscheidungen von Gerichten oder Verwaltungsbehörden, die im Zusammenhang mit der Tat oder der Verurteilung ergangen sind, bleiben unberührt.
BUNDESGERICHTSHOF
Gründe:
- 1
- Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Mordes in Tateinheit mit unerlaubtem Führen einer halbautomatischen Kurzwaffe und wegen schweren Raubes zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe als Gesamtstrafe verurteilt und seine Unterbringung in der Sicherungsverwahrung angeordnet. Das Rechtsmittel hat hinsichtlich des Maßregelausspruchs Erfolg. Im Übrigen ist es aus den in der Zuschrift des Generalbundesanwalts angeführten Gründen offensichtlich unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).
- 2
- Die auf § 66 Abs. 3 Satz 2 StGB gestützte Anordnung der Sicherungsverwahrung hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
- 3
- 1. Das Landgericht hat seine Beurteilung der Gefährlichkeit des Angeklagten auf ein Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. R. gestützt, der bei dem Angeklagten ein "unerhörtes" Risiko für erneute Gewalttätigkeiten gesehen hat. Der Sachverständige hat zur Überprüfung seiner Risikoprognose das Testverfahren HCR-20 (Historical-Clinical-Risk) angewendet und dabei im Zusammenhang mit der Bestimmung der Ausprägung der Variablen H 1 (Frühe Gewaltanwendung) und H 2 (Geringes Alter bei der ersten Gewalttat) auf einen Raubüberfall aus einer inzwischen getilgten Verurteilung zurückgegriffen. Darin liegt ein Verstoß gegen das auch bei der Anordnung von Maßregeln der Besserung und Sicherung geltende Verwertungsverbot des § 51 Abs. 1 BZRG (BGH, Beschluss vom 27. Juni 2002 - 4 StR 162/02, NStZ-RR 2002, 332; Beschluss vom 4. Oktober 2000 - 2 StR 352/00, StV 2002, 479), weil die Berücksichtigung der früheren Tat zu einer für den Angeklagten ungünstigeren Bewertung der benannten Variablen geführt hat.
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- 2. Entgegen der Auffassung des Landgerichts kann die Verwertung des Raubüberfalls aus der getilgten Verurteilung nicht auf die Ausnahmeregelung des § 52 Abs. 1 Nr. 2 BZRG gestützt werden.
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- Nach dieser Vorschrift darf eine frühere Tat abweichend von § 51 Abs. 1 BZRG berücksichtigt werden, wenn in einem erneuten Strafverfahren ein Gutachten über den Geisteszustand des Betroffenen zu erstatten ist und die Umstände der früheren Tat für die Beurteilung seines Geisteszustands von Bedeutung sind. Dadurch soll vermieden werden, dass ein Sachverständiger, der ein Gutachten über den Geisteszustand des Betroffenen zu erstellen hat, zu falschen oder nicht belastbaren Aussagen gelangt, weil er bei der Persönlichkeitsanamnese auf bedeutsame Erkenntnisse verzichten muss, die nur aus den früheren Taten des Betroffenen und dem anschließenden Strafverfahren ge- wonnen werden können (vgl. BGH, Beschluss vom 22. Februar 1973 - 2 StR 609/72, NJW 1973, 815; BT-Drucks. VI/1550, S. 23; Götz/Tolzmann, BZRG, 4. Aufl. § 52 Rn. 8). § 52 Abs. 1 Nr. 2 BZRG hebt das Verwertungsverbot des § 51 Abs. 1 Nr. 1 BZRG daher nur für Erkenntnisse (einzelne Feststellungen, Gutachten, Befunde, etc.) aus der getilgten oder tilgungsreifen Verurteilung auf, deren Verwendung für eine tragfähige Beurteilung des Geisteszustandes des Betroffenen im konkreten Einzelfall erforderlich ist (Götz/Tolzmann, aaO; Hase, BZRG, § 52 Rn. 3). Auch die Reichweite der Verwertungserlaubnis ist an den Normzweck des § 52 Abs. 1 Nr. 2 BZRG gebunden. Eine zulässig bei der Beurteilung des Geisteszustands berücksichtigte frühere Tat darf daher - obgleich sie mit der Anhörung des Sachverständigen gerichtsbekannt geworden ist - nicht auch an anderer Stelle zum Nachteil des Angeklagten verwertet werden (vgl. BGH, Beschluss vom 9. Januar 1990 - 5 StR 568/89, BGHR BZRG § 51 Verwertungsverbot 2; Beschluss vom 22. Februar 1973 - 2 StR 609/72, NJW 1973, 815).
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- Letzteres ist hier geschehen. Im Testverfahren HCR-20 bezeichnen die Variablen H1 und H2 eigenständig zu gewichtende Prädiktoren, die sich auf die Anamnese beziehen (vgl. Nedopil, Prognosen in der Forensischen Psychiatrie, S. 110). Die ermittelten Punktwerte fließen unmittelbar in das Gesamtergebnis ein, aus dem sich die Gefährlichkeitsprognose ableitet. Die Bewertung dieser Variablen dient daher nicht dem Zweck, den Geisteszustand des Betroffenen aufzuklären. Da das Testergebnis über die Vernehmung des Sachverständigen in die Risikobeurteilung des Landgerichts eingegangen ist, kann der Senat trotz den Ausführungen auf Seite 107 des Urteils nicht mit Sicherheit ausschließen, dass die Maßregelanordnung auf diesem Rechtsfehler beruht, zumal das Schwurgewicht dem Sachverständigen die Verfahrensakten und das Bewährungsheft zu der getilgten Vorstrafe "im Hinblick auf die Regelung des § 52 Abs. 1 Nr. 2 BZRG" zur Verfügung gestellt (UA 107) und es im Urteil nicht zu erkennen gegeben hat, ob es selbst die Gefährlichkeitsprognose auch auf die getilgte Vorstrafe stützt.
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- Der Senat braucht nicht zu entscheiden, ob § 52 Abs. 1 Nr. 2 BZRG bei der Beurteilung der Gefährlichkeitsprognose nach § 66 Abs. 1 Nr. 4 StGB auch dann Anwendung findet, wenn der nach § 246a Satz 1 StPO zu vernehmende Sachverständige die getilgte Vorstrafe bei der Frage berücksichtigt hat, ob der Betroffene an einer prognoserelevanten psychischen Erkrankung leidet oder eine entsprechende Persönlichkeitsstörung aufweist. Für die Erörterung von Persönlichkeitsmerkmalen, die einen Hang begründen können, hat der Senat diese Möglichkeit in Erwägung gezogen (BGH, Beschluss vom 8. März 2005 - 4 StR 569/04, NStZ 2005, 397, 398; enger: Beschluss vom 24. Juni 2010 - 3 StR 69/10).
(1) Die frühere Tat darf abweichend von § 51 Abs. 1 nur berücksichtigt werden, wenn
- 1.
die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder eines ihrer Länder eine Ausnahme zwingend gebietet, - 2.
in einem erneuten Strafverfahren ein Gutachten über die Voraussetzungen der §§ 20, 21, 63, 64, 66, 66a oder 66b des Strafgesetzbuchs zu erstatten ist, falls die Umstände der früheren Tat für die Beurteilung der Schuldfähigkeit oder Gefährlichkeit der betroffenen Person von Bedeutung sind, - 3.
die Wiederaufnahme des früheren Verfahrens beantragt wird, - 4.
die betroffene Person die Zulassung zu einem Beruf oder einem Gewerbe, die Einstellung in den öffentlichen Dienst oder die Erteilung einer Waffenbesitzkarte, eines Munitionserwerbscheins, Waffenscheins, Jagdscheins oder einer Erlaubnis nach § 27 des Sprengstoffgesetzes beantragt, falls die Zulassung, Einstellung oder Erteilung der Erlaubnis sonst zu einer erheblichen Gefährdung der Allgemeinheit führen würde; das gleiche gilt, wenn die betroffene Person die Aufhebung einer die Ausübung eines Berufes oder Gewerbes untersagenden Entscheidung beantragt oder - 5.
dies in gesetzlichen Bestimmungen unter Bezugnahme auf diese Vorschrift vorgesehen ist.
(2) Abweichend von § 51 Absatz 1 darf eine frühere Tat ferner
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in einem Verfahren, das die Erteilung oder Entziehung einer Fahrerlaubnis zum Gegenstand hat, - 2.
zur Ergreifung von Maßnahmen nach dem Fahreignungs-Bewertungssystem nach § 4 Absatz 5 des Straßenverkehrsgesetzes
Eine Maßregel der Besserung und Sicherung darf nicht angeordnet werden, wenn sie zur Bedeutung der vom Täter begangenen und zu erwartenden Taten sowie zu dem Grad der von ihm ausgehenden Gefahr außer Verhältnis steht.
(1) Ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt an, so setzt es zugleich deren Vollstreckung zur Bewährung aus, wenn besondere Umstände die Erwartung rechtfertigen, daß der Zweck der Maßregel auch dadurch erreicht werden kann. Die Aussetzung unterbleibt, wenn der Täter noch Freiheitsstrafe zu verbüßen hat, die gleichzeitig mit der Maßregel verhängt und nicht zur Bewährung ausgesetzt wird.
(2) Mit der Aussetzung tritt Führungsaufsicht ein.