Wohnungsumwandlung: Kündigungsbeschränkung nur für Eigenbedarfs- und Verwertungskündigungen

bei uns veröffentlicht am27.05.2009

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Rechtsanwalt

für Familien- und Erbrecht

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Zusammenfassung des Autors
Rechtsanwalt für Mietrecht und Wohnungseigentumsrecht (WEG) - BSP Bierbach, Streifler & Partner PartGmbB
Ist an vermieteten Wohnräumen nach der Vermietung Wohnungseigentum begründet und das Wohnungseigentum veräußert worden, kann der Käufer eine Eigenbedarfskündigung erst nach Ablauf von mindestens drei Jahren aussprechen. Diese Sperrfrist des § 577a BGB kann durch Rechtsverordnung auf bis zu 10 Jahre ausgedehnt werden. Sie gilt jedoch nicht, wenn die Kündigung erfolgt, weil die Wohnung für eine Betreuungsperson benötigt wird, die nicht dem Haushalt des Vermieters angehört.

Diese Klarstellung traf jetzt der Bundesgerichtshof (BGH) im Fall einer Frau, die eine vermietete Nachbarwohnung gekauft hatte. Vier Jahre später kündigte sie dem Mieter. Sie berief sich darauf, dass sie die Wohnung zur Unterbringung einer Betreuungs- und Pflegeperson - eines Au-pair-Mädchens - für ihre beiden minderjährigen Kinder und ihre in ihrem Haushalt lebende Schwiegermutter benötige.

Nach Ansicht der Richter sei die Kündigung wirksam. Sie sei nicht durch die vor Ort bestehende 10-jährige Sperrfrist ausgeschlossen. Diese betreffe nämlich nur sog. Eigenbedarfskündigungen. Das Au-pair-Mädchen sei aber nicht Angehörige des Haushalts der Vermieterin. Es gehe daher gar nicht um eine Eigenbedarfskündigung. Vielmehr liege ein sonstiges berechtigtes Interesse vor, dass die Kündigung rechtfertige. Hierfür würden die Sperrfristen des § 577a BGB nicht gelten. Mit dieser Vorschrift habe der Gesetzgeber den Mieter besonders davor schützen wollen, dass umgewandelte Eigentumswohnungen häufig zur Befriedigung eigenen Wohnbedarfs erworben werde. Dieses gesetzgeberische Ziel lasse sich nicht ohne Weiteres auf andere Kündigungsgründe übertragen. Dass ein Vermieter ein berechtigtes Interesse an einer Kündigung habe, weil er die Wohnung - wie hier - zur Unterbringung einer Hausangestellten benötige, sei nicht in demselben Maß wahrscheinlich wie ein Eigenbedarf des Erwerbers nach Umwandlung in Wohnungseigentum. Daher bestehe auch nicht dieselbe Gefahr einer Verdrängung des Mieters. Die Beschränkung des Anwendungsbereichs des § 577a BGB durch den Gesetzgeber auf die Fälle der Eigenbedarfs- und der Verwertungskündigung sei daher zu respektieren (BGH, VIII ZR 127/08).

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Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 577a Kündigungsbeschränkung bei Wohnungsumwandlung


(1) Ist an vermieteten Wohnräumen nach der Überlassung an den Mieter Wohnungseigentum begründet und das Wohnungseigentum veräußert worden, so kann sich ein Erwerber auf berechtigte Interessen im Sinne des § 573 Abs. 2 Nr. 2 oder 3 erst nach Ablauf vo

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Bundesgerichtshof Urteil, 11. März 2009 - VIII ZR 127/08

bei uns veröffentlicht am 11.03.2009

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL VIII ZR 127/08 Verkündet am: 11. März 2009 Vorusso, Justizhauptsekretärin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BG

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(1) Ist an vermieteten Wohnräumen nach der Überlassung an den Mieter Wohnungseigentum begründet und das Wohnungseigentum veräußert worden, so kann sich ein Erwerber auf berechtigte Interessen im Sinne des § 573 Abs. 2 Nr. 2 oder 3 erst nach Ablauf von drei Jahren seit der Veräußerung berufen.

(1a) Die Kündigungsbeschränkung nach Absatz 1 gilt entsprechend, wenn vermieteter Wohnraum nach der Überlassung an den Mieter

1.
an eine Personengesellschaft oder an mehrere Erwerber veräußert worden ist oder
2.
zu Gunsten einer Personengesellschaft oder mehrerer Erwerber mit einem Recht belastet worden ist, durch dessen Ausübung dem Mieter der vertragsgemäße Gebrauch entzogen wird.
Satz 1 ist nicht anzuwenden, wenn die Gesellschafter oder Erwerber derselben Familie oder demselben Haushalt angehören oder vor Überlassung des Wohnraums an den Mieter Wohnungseigentum begründet worden ist.

(2) Die Frist nach Absatz 1 oder nach Absatz 1a beträgt bis zu zehn Jahre, wenn die ausreichende Versorgung der Bevölkerung mit Mietwohnungen zu angemessenen Bedingungen in einer Gemeinde oder einem Teil einer Gemeinde besonders gefährdet ist und diese Gebiete nach Satz 2 bestimmt sind. Die Landesregierungen werden ermächtigt, diese Gebiete und die Frist nach Satz 1 durch Rechtsverordnung für die Dauer von jeweils höchstens zehn Jahren zu bestimmen.

(2a) Wird nach einer Veräußerung oder Belastung im Sinne des Absatzes 1a Wohnungseigentum begründet, so beginnt die Frist, innerhalb der eine Kündigung nach § 573 Absatz 2 Nummer 2 oder 3 ausgeschlossen ist, bereits mit der Veräußerung oder Belastung nach Absatz 1a.

(3) Eine zum Nachteil des Mieters abweichende Vereinbarung ist unwirksam.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VIII ZR 127/08 Verkündet am:
11. März 2009
Vorusso,
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Die Kündigungsbeschränkung des § 577a BGB bei Umwandlung von vermieteten
Wohnräumen in Wohnungseigentum gilt nur für Eigenbedarfs- oder Verwertungskündigungen
(§ 573 Abs. 2 Nr. 2 oder 3 BGB) und ist auf andere Kündigungsgründe im
Sinne von § 573 Abs. 1 Satz 1 BGB nicht analog anwendbar.
BGH, Urteil vom 11. März 2009 - VIII ZR 127/08 - LG München I
AG München
Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 11. März 2009 durch den Vorsitzenden Richter Ball, den Richter
Dr. Frellesen sowie die Richterinnen Hermanns, Dr. Milger und Dr. Hessel

für Recht erkannt:
Auf die Rechtsmittel der Beklagten werden das Urteil der 14. Zivilkammer des Landgerichts München I vom 23. April 2008 aufgehoben und das Urteil des Amtsgerichts München vom 23. März 2007 abgeändert. Die Klägerinnen werden als Gesamtschuldner verurteilt, die Wohnung J. Straße in M. , bestehend aus einem Zimmer, Küche, Dusche/WC und Kelleranteil, geräumt an die Beklagte herauszugeben. Den Klägerinnen wird eine Räumungsfrist bis zum 30. Juni 2009 eingeräumt. Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerinnen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Die Klägerinnen sind seit dem 1. August 1999 Mieterinnen einer Wohnung in M. . Der vormalige Eigentümer des Hauses wandelte am 19. April 2002 das Anwesen in Wohnungs- und Teileigentum um. Die von den Klägerin- nen gemietete Wohnung wurde am 25. Juli 2002 von der Beklagten erworben. Diese lebt mit ihrer Familie in der Nachbarwohnung, die ihrem Ehemann gehört.
2
Aufgrund einer Vereinbarung der Parteien vom 19. Januar 2003 wurde von der Zweizimmerwohnung der Klägerinnen ein Zimmer abgetrennt und baulich mit der Wohnung des Ehemanns der Beklagten verbunden. Die Klägerinnen erhielten dafür 10.000 €; außerdem wurde die Miete für die verbleibende Einzimmerwohnung auf 150 € monatlich gesenkt. Ab November 2005 wurde die Wohnung mit Zustimmung jedenfalls der Klägerin zu 1 zumindest auch von dem Au-pair-Mädchen L. G. der Beklagten genutzt, das bis dahin in der Wohnung der Familie der Beklagten gelebt hatte.
3
Mit Schreiben vom 31. Juli 2006 kündigte die Beklagte das Mietverhältnis mit den Klägerinnen zum 31. Januar 2007. Zur Begründung führte sie aus, dass sie für die Betreuung und Pflege ihrer beiden sechs und neun Jahre alten Kinder und ihrer ebenfalls in ihrem Haushalt lebenden 72 Jahre alten pflegebedürftigen Schwiegermutter eine Betreuungsperson, derzeit L. G. , benötige und für deren Unterbringung auf die Wohnung angewiesen sei.
4
Die Klägerinnen haben mit ihrer Klage zunächst die Feststellung begehrt, dass das Mietverhältnis über den 31. Januar 2007 hinaus fortbesteht. Nachdem die Beklagte Widerklage auf Räumung der Wohnung erhoben hatte, haben die Parteien den Rechtsstreit hinsichtlich der Klage übereinstimmend für erledigt erklärt. Das Amtsgericht hat die Widerklage abgewiesen. Die dagegen gerichtete Berufung der Beklagten ist erfolglos geblieben. Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Widerklageantrag weiter.

Entscheidungsgründe:

5
Die Revision hat Erfolg.

I.

6
Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt :
7
Das Mietverhältnis sei wegen der Sperrfrist des § 577a BGB nicht beendet. Jedenfalls sei § 577a BGB auf die vorliegende Fallgestaltung analog anwendbar , wobei auf den in der Kündigung dargelegten Lebenssachverhalt (Bedarf für die Betreuungsperson L. G. ) abzustellen sei.
8
Dass § 577a BGB nur auf § 573 Abs. 2 Nr. 2 und 3 BGB verweise, schließe eine analoge Anwendbarkeit der Vorschrift auf vergleichbare Fälle nicht aus. § 577a BGB verfolge den Zweck, die Mieter gegen die Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen besonders zu schützen. Den in § 577a Abs. 1 BGB ausdrücklich genannten Kündigungstatbeständen sei gemeinsam, dass diese Kündigungen nicht wegen Verschuldens des Mieters ausgesprochen würden. Dem lasse sich die Wertung des Gesetzgebers entnehmen, dass der vertragstreue Mieter keine Nachteile durch die Begründung von Wohnungseigentum erleiden solle. § 573 Abs. 1 BGB umfasse völlig unterschiedliche Kündigungstatbestände. Da es nur schwer möglich sei, die Kasuistik zu diesem allgemeinen Kündigungstatbestand in § 577a Abs. 1 BGB einzubauen, sei es verständlich, dass sich der Gesetzgeber auf die im Gesetz eindeutig geregelten Kündigungstatbestände des § 573 Abs. 2 Nr. 2 und 3 BGB beschränkt habe, ohne dass dem ein Analogieverbot entnommen werden könne.
9
Unter dem Gesichtspunkt des "a maiore ad minus" sei vielmehr im vorliegenden Fall eine analoge Anwendung des § 577a Abs. 1 BGB angezeigt.
Wenn das als Betreuungsperson tätige Au-pair-Mädchen noch - wie bis zum Herbst 2005 - in der Wohnung der Beklagten wohnte, wäre sie möglicherweise Haushaltsangehörige, für die Eigenbedarf im Sinne des § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB geltend gemacht werden könnte, mit der Folge, dass § 577a BGB unmittelbar anwendbar wäre. Die Interessenlage im vorliegenden Fall sei nahezu identisch; der Unterschied bestehe nur darin, dass die Klägerinnen dem Au-pair-Mädchen bereits zuvor die Nutzung eines Zimmers in ihrer Wohnung gestattet hätten. Die räumliche Trennung zur Wohnung der Beklagten im selben Stockwerk sei jedoch denkbar geringfügig. Es wäre schlichtweg unverständlich, wenn die etwas geringere räumliche Verankerung des Au-pair-Mädchens in dem Anwesen zur Wohnung der Beklagten im Ergebnis im Hinblick auf § 577a Abs. 1 BGB zu einer für die Beklagten günstigeren Rechtsposition führen könnte.
10
Den Klägerinnen sei es auch nicht unter dem Gesichtspunkt des § 242 BGB verwehrt, sich auf die Sperrfristregelung des § 577a BGB zu berufen. Der Kündigungsschutz der Mieter hänge nicht von der Nutzung der von ihnen angemieteten Wohnung ab. Zudem könne sich die Lebensplanung des Mieters - wie im vorliegenden Fall auch vorgetragen - wieder ändern und eine persönliche Nutzung der Wohnung erforderlich machen.

II.

11
Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Entgegen der Auffassung des Landgerichts ist die Berufung der Beklagten auf ein berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses im Sinne von § 573 Abs. 1 Satz 1 BGB nicht durch § 577a BGB ausgeschlossen.
12
Das Berufungsgericht geht auf der Grundlage der in der Berufungsinstanz nicht angegriffenen amtsgerichtlichen Feststellungen davon aus, dass das Au-pair-Mädchen L. G. jedenfalls ab Herbst 2005 nicht mehr Angehörige des Haushalts der Beklagten im Sinne von § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB war, die Kündigung seitens der Beklagten ihre Grundlage also nur in § 573 Abs. 1 Satz 1 BGB haben kann. Eine ausschließlich auf § 573 Abs. 1 Satz 1 BGB gestützte Kündigung wird von der zehnjährigen Kündigungsbeschränkung des § 577a Abs. 1 und 2 BGB in Verbindung mit der Verordnung der Bayerischen Staatsregierung über die Gebiete mit gefährdeter Wohnungsversorgung (Wohnungsgebieteverordnung - WoGeV) vom 24. Juli 2001 (BayGVBl. S. 368) nicht erfasst.
13
1. Nach seinem Wortlaut schließt § 577a BGB, wenn an den vermieteten Wohnräumen - wie hier - nach der Überlassung an den Mieter Wohnungseigentum begründet und das Wohnungseigentum veräußert worden ist, für den Erwerber nur die Berufung auf berechtigte Interessen im Sinne des § 573 Abs. 2 Nr. 2 oder 3 BGB (Eigenbedarfs- und Verwertungsinteresse) für die Dauer von drei bzw. zehn Jahren aus.
14
2. Mit der Kündigungssperrfrist für Eigenbedarfskündigungen wollte der Gesetzgeber den Mieter besonders davor schützen, dass umgewandelte Eigentumswohnungen häufig zur Befriedigung eigenen Wohnbedarfs erworben werden , der durch die Kündigungsschutzbestimmungen erstrebte Bestandsschutz für den Mieter dadurch also besonders gefährdet ist (BT-Drs. 11/6374, S. 5). Gerade die erhöhte Gefahr einer Eigenbedarfskündigung nach Umwandlung des vermieteten Wohnraums in eine Eigentumswohnung und Veräußerung an einen neuen Eigentümer stellt nach der Auffassung des Gesetzgebers auch die Rechtfertigung für die mit der (verlängerten) Kündigungssperrfrist verbundene Beschränkung der verfassungsrechtlich geschützten Eigentümerbefugnisse (Art. 14 GG) sowohl des Veräußerers als auch des Erwerbers dar (BTDrs. 11/6374, S. 5 f.).
15
In Ergänzung dazu ist die Sperrfrist für Verwertungskündigungen eingeführt worden, um zu verhindern, dass infolge der (verlängerten) Sperrfrist für Eigenbedarfskündigungen der Kündigungsgrund des § 573 Abs. 2 Nr. 3 BGB (§ 564b Abs. 2 Nr. 3 BGB a.F.), der dem Vermieter eine angemessene wirtschaftliche Verwertung sichern soll, an Bedeutung gewinnt, weil durch die Sperrfrist für Eigenbedarfskündigungen der wirtschaftliche Wert der Wohnung sinkt. Der Mieter sollte deshalb gegen Kündigungen wegen Veräußerungsabsichten des Erwerbers denselben Schutz erhalten wie gegen Kündigungen wegen Eigenbedarfs (BT-Drs. 11/6374, S. 7). An dieser Schutzrichtung hat sich durch die Zusammenführung der Sperrfristregelungen in § 577a BGB durch das Mietrechtsreformgesetz nichts geändert (vgl. BT-Drs. 14/4553, S. 72 f.).
16
3. Eine analoge Anwendung der Vorschrift auf andere Kündigungsgründe im Sinne von § 573 Abs. 1 Satz 1 BGB scheidet aus, weil insoweit keine planwidrige Gesetzeslücke besteht. Auch unabhängig von Kündigungen wegen schuldhafter Pflichtverletzungen durch den Mieter umfasst § 573 Abs. 1 Satz 1 BGB eine Vielzahl möglicher Kündigungstatbestände, die - nach der Auffassung des Gesetzgebers - nicht dieselbe naheliegende Gefahr einer Verdrängung des Mieters nach Umwandlung in Wohnungseigentum bergen wie die Eigenbedarfsund die Verwertungskündigung. Dass ein Vermieter deshalb ein berechtigtes Interesse an der Kündigung hat, weil er die Wohnung für seinen Betrieb oder - wie hier - für Angestellte seines Haushalts benötigt, die ungeachtet ihrer auf den Haushalt des Vermieters bezogenen Tätigkeit in der Wohnung einen eigenen Haushalt führen wollen und sollen, ist nicht in demselben Maße wahrscheinlich wie eine Kündigung wegen Eigenbedarfs, auch wenn die genannten Kündigungsgründe im Hinblick auf die Interessen von Mieter und Vermieter mit Eigenbedarf vergleichbar zu sein scheinen.
17
Der Senat ist deshalb mit der ganz herrschenden Meinung (MünchKommBGB /Häublein, 5. Aufl., § 577a Rdnr. 9; Staudinger/Rolfs, BGB (2006), § 577a Rdnr. 25 f.; Soergel/Heintzmann, BGB, 13. Aufl., § 577a Rdnr. 2; Franke in: Fischer-Dieskau/Pergande/Schwender, Wohnungsbaurecht (Stand November 2008), § 577a Anm. 5.1; Sternel, Mietrecht, 3. Aufl., IV 146; Lammel, Wohnraummietrecht , 3. Aufl., § 577a Rdnr. 12; Herrlein in: Herrlein/Kandelhard, Mietrecht , 3. Aufl., § 577a Rdnr. 5; AnwK-BGB/Hinz, § 577a Rdnr. 15) der Auffassung , dass eine Erweiterung der Sperrfristregelung des § 577a BGB auf Kündigungen nach § 573 Abs. 1 Satz 1 BGB - wie die hier zu beurteilende - nicht in Betracht kommt. Allein, dass § 573 Abs. 2 BGB den Absatz 1 der Vorschrift durch Regelbeispiele konkretisiert, rechtfertigt nicht die Annahme, dass § 577a BGB, der seinem Wortlaut nach nur für die Regelbeispiele des § 573 Abs. 2 Nr. 2 und 3 BGB gilt, auch in (anderen) Fällen des § 573 Abs. 1 Satz 1 BGB Anwendung finden muss, in denen die Kündigung nicht auf einer schuldhaften Pflichtverletzung des Mieters beruht, sondern - im weiteren Sinne - zum Zwecke einer Eigennutzung der Wohnung durch den Vermieter ausgesprochen wird (aA Schmidt-Futterer/Blank, Mietrecht, 9. Aufl., § 577a Rdnr. 18; vgl. auch Barthelmess , Wohraumkündigungsschutzgesetz, Miethöhegesetz, 5. Aufl., § 564b BGB Rdnr. 84). Vielmehr ist die Entscheidung des Gesetzgebers zu respektieren , der den Anwendungsbereich von § 577a BGB auf die Eigenbedarfs- und die Verwertungskündigung beschränkt hat (MünchKommBGB/Häublein, aaO).

III.

18
Das Berufungsurteil kann deshalb keinen Bestand haben und ist aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Der Senat kann in der Sache selbst entscheiden, weil es weiterer tatrichterlicher Feststellungen nicht bedarf und die Sache zur Endentscheidung reif ist (§ 563 Abs. 3 ZPO). Nach den von den Klägerinnen in der Berufungsinstanz nicht mehr angegriffenen tatbestandlichen Feststellungen des Amtsgerichts, auf die das Berufungsgericht Bezug genommen hat, hat die Beklagte ein berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses mit den Klägerinnen im Sinne von § 573 Abs. 1 Satz 1 BGB, weil sie die Wohnung benötigt, um den Wohnbedarf einer Betreuungsperson, die für ihre Kinder und ihre Schwiegermutter eingestellt werden musste, im selben Haus zu decken , ohne dass die Betreuungsperson im Sinne von § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB Angehörige ihres eigenen Haushalts ist. Die Kündigung der Beklagten vom 31. Juli 2006 ist mithin wirksam und das Mietverhältnis der Parteien beendet. Die Beklagte kann deshalb von den Klägerinnen gemäß § 546 Abs. 1 BGB die Rückgabe der Wohnung verlangen, so dass der Widerklage stattzugeben ist. Ball Dr. Frellesen Hermanns Dr. Milger Dr. Hessel
Vorinstanzen:
AG München, Entscheidung vom 23.03.2007 - 473 C 36952/06 -
LG München I, Entscheidung vom 23.04.2008 - 14 S 7911/07 -