Amtsgericht Wedding Urteil, 6. Okt. 2021 - 15a C 261/20

bei uns veröffentlicht am11.07.2023

Eingereicht durch

Rechtsanwalt Dirk Streifler - Partner

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Gericht

Amtsgericht Wedding

Richter

Beteiligte Anwälte

Eingereicht durch

Rechtsanwalt Dirk Streifler - Partner


Wirtschaftsrecht / Existenzgründung / Insolvenzrecht / Gesellschaftsrecht / Strafrecht
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AMTSGERICHT WEDDING

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL

 

 

In dem Rechtsstreit

 

A, als Insolvenzverwalter über das Vermögen der C-GmbH, 

- Kläger -

 

Prozessbevollmächtigte:

Rechtsanwälte Wolf, Bartholomäusstraße 26, 90489 Nürnberg, 

 

gegen

 

C-GmbH, vertreten durch d. vertreten durch d. Geschäftsführer D,

- Beklagte -

 

Prozessbevollmächtigte:

Rechtsanwälte Streifler & Kollegen, Oranienburger Straße 69, 10117 Berlin, 

 

hat das Amtsgericht Wedding durch die Richterin am Amtsgericht Dr. Könemann aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 15.09.2021 für Recht erkannt:

 

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 788,97 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 01.12.2019 sowie eine Verzugskostenpau­ schale über 40,00 € zu zahlen, Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung von 53 Eu­ ropaletten aus dem Transportauftrag 361390605 am Bestimmungsort Buchholz.

2. Von den Kosten des Rechtsstreits haben der Kläger 32 % und die Beklagte 68 % zu tra­gen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Parteien können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die jeweils andere Seite vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

 

Tatbestand

Der Kläger ist Insolvenzverwalter über das Vermögen der C-GmbH. Diese und die Beklagte sind im Transportgeschäft tätig und machen wechselseitige Ansprüche aus Frachtgeschäften geltend.

Die Beklagte beauftragte die C-GmbH mit Transportauftrag vom 10.10.2019 mit der Beförderung von Gütern und Ablieferung an Empfänger innerhalb von Deutschland.

Den Transportaufträgen der Beklagten waren dabei jeweils ihre Allgemeinen Geschäftsbedingungen beigefügt, die unter anderem die nachfolgende Regelung enthalten:

11. Aufrechnung

Die C-GmbH ist berechtigt mit Gegenansprüchen die Aufrechnung zu erklären. Die C-GmbH ist weiter berechtigt Zurückbehaltungsrechte, insbesondere am Werklohn geltend zu machen.

a) Der Auftragnehmer ist, soweit nichts anderes vereinbart wurde, verpflichtet, an der Ladestelle mit dem Transportgut übernommene Lademittel (Euro, Gibo, Düsseldorfer etc.) Zug um Zug gegen eigene Lademittel gleicher Art und Güte zu tauschen oder solche Lademitte/ binnen 14 Tagen frachtfrei zur Ladestelle zurückzuführen. Der dem Auftragnehmer dadurch entstehende Aufwand ist durch den vereinbarten Teil der Frachtvergütung mit agegolten. Gibt der Auftragnehmer eigene Lademittel an der Ladestelle ab, so gilt dies als Sachdarlehen gegenüber der C-GmbH. Nimmt der Auftragnehmer an der Entladestelle Lademittel in Empfang, so gilt dies als Rückführung des Darlehens oder - wenn noch kein Darlehen zugunsten des Auftragnehmers bestand - als Gewährung eines neuen Darlehens zugunsten der C-GmbH. Der Auftragnehmer ist verpflichtet, an der Entladestelle Leergut in Empfang zu nehmen und für die Rückführung gewährter Sachdarlehen zu sorgen. Als Fälligkeitszeitpunkt i.S.d. § 608 Abs. 1 BGB gilt die 14-Tage-Frist gemäß Satz 1.

b Die C-GmbH trifft Vereinbarungen mit ihrem Kunden, durch die der Auftragnehmer berechtigt ist, vom Empfänger die Mitwirkung am Lademitteltausch zu verlangen. Ist ein Tausch nicht möglich oder wird dieser verweigert, so hat sich der Unternehmer dies dem Empfänger schriftlich bestätigen zu lassen und sich wegen weiterer Weisungen unverzüglich mit der C-GmbH in Verbindung zu setzen.

c) Werden die Lademitte/ auf Wunsch des Auftragnehmers nicht zur Ladestelle zurückgeführt, sondern zu einem anderen von der C-GmbH benannten Partner, fallen Aufwandskosten in Höhe von 25,00 Euro für jede Sendung an. Werden die Lademittel zum Lager der C-GmbH in Berlin angeliefert, fallen Kosten in Höhe von 2,00 Euro je Flachpalette und 10,00 Euro je Gitterboxpalette an.

Erfolgt weder der vereinbarte Tausch noch die Rückführung der Lademittel in der vereinbarten Frist, stellt die  C-GmbH die ihr für die Neubeschaffung und Rückführung der Lademittel entstehenden Aufwand pauschal wie folgt in Rechnung:

12,00 Euro je Europalette 6,50 Euro je Düsseldorfer 12,00 Euro je Industriepalette 80,00 Euro je Gitterbox

15,00 Euro zuzüglich Porto / Papiere.

Da der Aufwand für die Lademittelrückführung im Rahmen des Geschäftsbetriebs der C-GmbH erbracht wird, verstehen sich die vorgenannten Beträge zuzüglich Mehrwertsteuer. Dem Auftragnehmer bleibt der Nachweis gestattet, dass der Empfänger beim Lademitte/tausch nicht mitgewirkt hat und er sich um Einholung von Weisungen der C-GmbH bemüht hat. Gelingt dieser Nachweis, so entfällt die Verpflichtung zur Zahlung einer Aufwandsentschädigung. Dem Auftragnehmer bleibt ferner der Nachweis gestattet, dass der tatsächliche Aufwand zur Wiederbeschaffung und Rückführung von Ersatzpaletten wesentlich niedriger als die vereinbarte Pauschale ist. Der Aufwendungsersatzanspruch der  C-GmbH gegen den Auftragnehmer wird in diesem Fall entsprechend gekürzt.

Soweit die vorliegenden allgemeinen Geschäftsbedingungen von den Al/gemeinen Deut ­ schen Speditionsbedingungen (ADSp) abweichen, sind sie diesen gegenüber vorrangig.

Ferner findet sich in der Fußzeile jeder Seite des Transportauftrags der Satz: „Wir arbeiten aus­ schließlich auf der Grundlage der ADSp, vorbehaltlich abweichender Regelungen unserer AGB gemäß den Folgeseiten dieses Transportauftrages (...)".

Wegen der weiteren Einzelheiten des Transportauftrags wird auf die als Anlage K1 in der Akte befindlichen Ablichtungen (BI. 6-8 d. A.) verwiesen.

Die B-GmbH nahm im Rahmen dieses Transportauftrags Europaletten auf, ohne diese an der Ladestelle gegen eigene Lademittel zu tauschen oder solche Lademittel an die Ladestelle zurückzuführen.

Mit Rechnung vom 16.10.2019 machte die B-GmbH die Zahlung eines Betrages in Höhe von 833,00 Euro geltend. Wegen der Einzelheiten der Rechnung wird auf die als Anlage K2 in der Akte befindliche Ablichtung (BI. 9 d. A.) verwiesen. Die Beklagte stellte ihrerseits mit Datum vom 25.11.2019 der B-GmbH einen Betrag von 788,97 € in Rechnung für 54 Europaletten a 12 Euro, eine Bearbeitungsgebühr von 15,00 € sowie die auf beides entfallende Mehrwertsteuer. Wegen der Einzelheiten der Rechnung wird auf die als Anlage K2 in der Akte befindliche Ablichtung (BI. 10 d. A.) verwiesen. Diesen Betrag brachte sie bei der Begleichung der Rechnung der B-GmbH in Abzug, so dass aus der Rechnung noch 788,97 € nicht beglichen sind.

Die Beklagte hat mit Schriftsatz vom 02.12.2020 die Aufrechnung mit dem behaupteten Anspruch aus der Rechnung vom 25.11.2019 erklärt und geltend gemacht, aufgrund von nicht vertragsgemäß durchgeführter Palettenrückführung im Umfang von 54 Europaletten von ihrem Zurückbehaltungsrecht Gebrauch zu machen.

Der Kläger ist der Ansicht, dass ihr ein Anspruch auf Entrichtung einer Fracht in Höhe von insgesamt noch 788,97 Euro zustehe. Ein Aufrechungsrecht oder Zurückbehaltungsrecht der Beklagten bestehe nicht und könne sich insbesondere nicht aus den AGB der Beklagten ergeben. Die Palettentausch-Regelungen in Ziffer 12 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten seien unwirksam, weil die B-GmbH hierdurch unangemessen benachteiligt werde. Der Aufrechnung stehe das Aufrechnungsverbot der Ziffer 19 ADSp entgegen. Damit gehe einher, dass sich das Verbot zur Aushebelung des Aufrechnungsverbots auch auf ein Zurückbehaltungsrechte beziehe.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 788,97 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 01.12.2019 sowie eine Verzugs­ kostenpauschale über 40,00 € zu zahlen,

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte ist der Ansicht, dass die Parteien durch die Regelungen in Ziffer 12 ihrer Allgemeinen Geschäftsbedingungen einen wirksamen Anspruch auf Tausch bzw. Rückführung der übernommenen Europaletten und einen Anspruch auf Aufwendungsersatz vereinbart hätten. Sie könne deshalb bis zu einer Erfüllung der Ansprüche auf Rückführung der übernommenen Europaletten die Entrichtung der vereinbarten Fracht verweigern  und habe aus der Rechnung vom 25.11.2019 noch einen Anspruch auf Aufwendungsersatz in Höhe von 788,97 Euro.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der von den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie den Inhalt der Sitzungsniederschrift verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist nur teilweise begründet.

I.

Der Kläger hat einen Anspruch gegen die Beklagte auf Zahlung eines Betrages in Höhe von 788,97 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 01.12.2019 sowie eine Verzugskostenpauschal e über 40,00 €, allerdings nur Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung von 53 Europaletten aus dem Transportauftrag 361390605 am Bestimmungsort Buchholz.

1. Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Entrichtung einer Fracht in Höhe von 788,97 Euro aus dem Frachtvertrag gemäß § 407 Abs. 2 HGB.

Einwendungen gegen die Entstehung dieses Anspruchs wurden von der Beklagten nicht vorgebracht.

2. Der Anspruch ist auch nicht gern. § 389 BGB durch Aufrechnung erloschen. Es kann dahinstehen, ob die Beklagte gegen den Kläger einen Anspruch auf Zahlung von 788,97 € hat, denn jedenfalls ist die Aufrechnung aufgrund der zwischen den Parteien vereinbarten Ziffer 19 der Allgemei­ nen Deutschen Speditionsbedingungen (ADSp) ausgeschlossen.

a) Indem die Beklagte sich in ihrem Transportauftrag darauf berief, vorbehaltlich abweichender Regelungen ihrer AGB ausschließlich auf Grundlage der ADSp zu arbeiten, machte sie diese zum Bestandteil ihrer eigenen Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB).

Die AGB der Beklagten sind Bestandteil der zwischen den Parteien zustande gekommenen Frachtverträge geworden. Im kaufmännischen Geschäftsverkehr werden Allgemeinen Geschäftsbedingungen grundsätzlich nach allgemeinen Regeln (§§ 145 ff. BGB) Vertragsbestandtei l. Notwendig ist demgemäß eine ausdrückliche oder stillschweigende Willensübereinstimmung  der Vertragspartner zur Geltung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen. Dazu ist erforderlich, dass der eine Teil zum Ausdruck bringt, neben dem individualvertraglich Vereinbarten sollten auch beistimmte Allgemeine Geschäftsbedingungen Vertragsinhalt werden, und der andere Teil damit einverstanden ist (BGH, Urteil vom 12.02.1992 - VIII ZR 84/91 -, BGHZ 117, 190-199). Diese Voraussetzungen liegen vor. Die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten waren dem Transportauftag der Beklagten beigefügt. Auf die Allgemeinen Geschäftsbedingungen wird in den Transportaufträgen der Beklagten auch ausdrücklich Bezug genommen. Die Klägerin ist auf der Grundlage dieser Transportaufträge für die Beklagte tätig geworden. Die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten sind damit durch die (konkludente) Annahme des Transportauftrags durch die Klägerin Vertragsbestandteil geworden.

b)   Ziffer 19 ADSp ist auch nicht etwa deshalb hier unanwendbar, weil in Ziffer 13 der AGB der Be­ klagten der Vorrangs der AGB vor den ADSpr festgeschrieben wird. Denn Ziffer 13 der AGB setzt voraus, dass die ADSp von den AGB abweichen. Das ist bezüglich der Aufrechnung nicht der Fall. Ziffer 19 ADSp lautet: Gegenüber Ansprüchen aus dem Verkehrsvertrag und damit zusammenhängenden außervertraglichen Ansprüchen ist eine Aufrechnung oder Zurückbehaltung nur zulässig, wenn der Gegenanspruch fällig, unbestritten, entscheidungsreif oder rechtskräftig festgestellt ist. Art. 11 der AGB lautet: Die C-GmbH ist berechtigt mit Gegenansprüchen die Aufrechnung zu erklären. Die  C-GmbH ist weiter berechtigt Zurückbehaltungsrechte, insbesondere am Werklohn geltend zu machen.

Ziffer 11 der AGB ist insofern unklar, also nicht deutlich wird, ob die Beklagte auch zu einer Auf­ rechnung mit streitigen Forderungen berechtigt sein soll. Gern. § 305c Abs. 2 BGB geht dies zu Lasten des Verwenders, so dass die Klausel zu auszulegen ist, dass damit nur absoluten Auf­ rechnungsverboten entgegengetreten wird, aber nicht der Beschränkung nach Ziffer 19 ADSp.

c) Vorliegend bestreitet der Kläger, dass der Beklagten der Gegenanspruch zusteht, weshalb es sich um eine bestrittene Forderung handelt und das Aufrechnungsverbot nach Ziffer 19 ADSp greift.

3. Der Anspruch der Klägerin auf Entrichtung der Fracht besteht allerdings nur Zug-um-Zug ge­ gen Übergabe und Übereignung von insgesamt 53 Europaletten an ihrem Bestimmungsort (§§ 273 Abs. 1, 274 Abs. 1 BGB).

Die Beklagte hat gegen die Klägerin aus Ziffer 12 ihrer AGB einen Anspruch auf Übergabe und Übereignung von insgesamt 239 Europaletten an ihrem jewei ligen Bestimmungsort.

a) Nach Ziffer 12 Buchst. a) der AGB der Beklagten bestand für die Klägerin die Verpflichtung, an der Ladestelle mit dem Transportgut übernommene Lademittel Zug-um-Zug gegen eigene Lade­ mittel gleicher Art und Güte zu tauschen oder solche Lademittel binnen 14 Tagen frachtfrei zur Ladestelle zurückzuführen.

b) Die Regelung in Ziffer 12 der AGB, bei der es sich um die Vereinbarung eines „Paletten­ tauschs" handelt, ist nicht gern. § 305c Abs. 1 BGB unwirksam, weil sie nach den Umständen, insbesondere nach dem äußeren Erscheinungsbild des Vertrags, so ungewöhnlich wäre, dass die Gegenseite mit ihr nicht zu rechnen brauchte. Denn solche Verpflichtungen zu einem „Palet­ tentausch" in den Allgemeinen Geschäftsbedi ngungen des Absenders sind dem Frachtrecht grundsätzlich nicht fremd (LG Düsseldorf, Urteil vom 06.08.2018 - 22 S 103/17 -, juris; Koller, 10. Aufl. 2020, HGB § 407 Rn. 59a).

c) Die B-GmbH wird durch die Verpflichtung in Ziffer 12 der AGB auch nicht unange­ messen benachteiligt (§ 307 Abs. 1, Abs. 2 BGB).

Entgegen der Ansicht des Klägers ist die Vereinbarung eines „Palettentausch" in Allgemeinen Ge­ schäftsbedingungen nicht grundsätzlich als unangemessene Benachteiligung des Frachtführers anzusehen; entscheidend ist vielmehr die Ausgestaltung der Klausel im Einzelfall (AG Wedding, Urteil vom 18.02.2021 - 13 C 361/20; Koller, 10. Aufl. 2020, HGB § 407 Rn. 59a).

Ausgehend hiervon benachteiligt die Regelung in Ziffer 12 der AGB der Beklagten den Frachtfüh­ rer nicht unangemessen i. S. d. § 307 Abs. 1, Abs. 2 BGB. Die Klausel schränkt das Risiko des Frachtführers zunächst dergestalt ein, dass er nicht unbedingt für die Rückführung der Lademittel haftet, sondern, falls ein Tausch nicht möglich ist oder der Empfänger seine Mitwirkung am Lade­ mitteltausch verweigert, der Frachtführer sich dies zwar vom Empfänger bestätigen lassen muss, nicht aber für solche Fehlbestande haftet. Damit ist ausgeschlossen, dass der Frachtführer auch für solche Fehlbestände haftet, die er nicht zu vertreten hat, weil der Empfänger den Austausch von Lademitteln verweigert. Soweit die Klägerseite argumentiert, dass es in der Praxis völlig ausgeschlossen sei, dass der Absender bzw. der Empfänger bei unterschiedlichen Auffas­ sungen z.B. über die Qualität der Paletten dies schriftlich bestätige, ist dieser Vortrag unsubstan­ tiiert. Die Klausel erfordert nicht, dass der Empfänger Aussagen über die Qualität bestätigt - was im Streitfall sicher nicht zu erwarten ist -, sondern lediglich, dass bestätigt wird, dass der Tausch nicht möglich ist oder verweigert wird. Es ist nicht ersichtlich, warum sich der Empfänger auf eine solche Bestätigung nicht einlassen sollte.

Auch die Tatsache, dass der Frachtführer kein gesondert ausgewiesenes Entgelt enthält, son­ dern der Ausgleich für das Tauschrisiko durch die Frachtvergütung abgegolten sein soll, führt im Ergebnis nicht zu einer unangemessenen Benachteiligung. Es ist auch nicht Aufgabe der Gerich­te im Wege einer Preiskontrolle im Einzelfall zu überprüfen, ob die Übernahme eines Tauschrisi­kos ausreichend bei der Preisgestaltung der Fracht berücksichtigt worden ist. Im Ergebnis muss es daher genügen, dass der Frachtführer - wie hier - darauf hingewiesen wird, dass die Vergü­tung für die vereinbarte Lademittelrückführung bereits in der Fracht enthalten ist; es liegt dann an ihm, zu entscheiden, ob er seinen zusätzlichen Aufwand hinreichend vergütet sieht (LG Düssel­ dorf, Urteil vom 06.08.2018 - 22 S 103/17 -, juris; Koller, 10. Aufl. 2020, HGB § 407 Rn. 59a; Knorre/Demuth/Schmid, Handbuch des Transportrechts, 2. Aufl. 2015, Rn. 864).

d) Die Klägerin hat im Rahmen der Transportaufträge insgesamt 53 Europaletten aufgenommen, ohne diese an der Ladestelle gegen eigene Lademittel zu tauschen oder solche Lademittel an die Ladestelle zurückzuführen, denn der Transportauftrag erstreckte sich auf insgesamt 53 Paletten. Soweit die Beklagte sich auf 54 Europaletten nicht zurückgeführte Paletten bezieht, ist dieser Vor­ trag mangels Substantiierung nicht beachtlich, denn es wurde trotz gerichtlichen Hinweises nichts dazu vorgetragen, dass mehr als die vereinbarten Paletten aufgenommen wurden.

Es kann dahinstehen, ob das Aufrechnungsverbot der Ziffern 19 ADSp sich, wie der Kläger meint, auch auf Zurückbehaltungsrechte erstreckt. Denn jedenfalls wäre dies durch die insofern eindeu­ tige Regelung von Ziffer 11 der AGB, wonach die Beklagte zur Geltendmachung von Zurückbehal­ tungsrechten berechtigt ist, gern. Ziffer 13 der AGB verdrängt.

4. Der Klägerin war auf ihren Antrag in der mündlichen Verhandlung vom 15.09.2021 keine Erklä­ rungsfrist auf den Schriftsatz der Beklagten vom 13.09.2021 zu gewähren, weil dieser kein neues entscheidurigserhebliches Vorbringen enthielt (§ 283 ZPO).

II.

Der Anspruch auf Verzugszinsen und Verzugskostenpauschale beruht auf §§ 286 Abs. 1, Abs.2 Nr. 3, 288 Abs. 2, Abs. 5 ZPO. Das Zurückbehaltungsrecht schließt den Verzug nicht aus, da es nicht vor oder bei Eintritt der Verzugsvoraussetzungen ausgeübt wurde (vgl. Palandt/ Grüneberg, 80. Aufl. 2021, § 286 Rn. 11).

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO. Vorliegend waren wegen der erklärten Aufrechnung sowohl die Klageforderung als auch das Zurückbehaltungsrecht streitig. In einem solchen Fall ist nach der vom Gericht vertretenen Auffassung die Kostenentscheidung auf Grund­ lage eines fiktiven Gebührenstreitwerts zu treffen, der sich aus der Klageforderung und dem wirt­ schaftlichen Wert des Zurückbehaltungsrechts  zusammensetzt, wobei bei dem Zurückbehal­ tungsrecht angesichts dessen, dass hierüber keine rechtskräftige oder vollstreckbare Entschei­dung ergeht, ein 50%iger Abschlag zu machen ist (vgl. (BeckOK ZPO/Jaspersen, 41. Ed.1.7.2021, ZPO § 92 Rn. 29). Demnach unterliegt die Klägerseite bei einem fiktiven Gebühren­ (streitwert vqn 1.183,46 € mit 378,42 € (53 Paletten a 12 € zzgl. MWst= 756,84 €; hiervon hälftiger Abschlag), woraus sich ihre Kostentragungsquote von 32 % ergibt.

IV.

Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf 708 Nr. 11, 711 ZPO.

 

Dr. Könemann

Richterin am Amtsgericht

Urteilsbesprechung zu Amtsgericht Wedding Urteil, 6. Okt. 2021 - 15a C 261/20

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