Amtsgericht Wedding Urteil, 13. Dez. 2021 - 18 C 203/20

bei uns veröffentlicht am31.05.2023

Eingereicht durch

Rechtsanwalt Dirk Streifler - Partner

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Gericht

Amtsgericht Wedding

Richter

Beteiligte Anwälte

Eingereicht durch

Rechtsanwalt Dirk Streifler - Partner


Wirtschaftsrecht / Existenzgründung / Insolvenzrecht / Gesellschaftsrecht / Strafrecht
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AMTSGERICHT WEDDING

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL

 

In dem Rechtsstreit

 

A-GmbH & Co. KG, 

- Klägerin -

 

Prozessbevollmächtigter:

Rechtsanwalt Wolfgang Zarl, lmbergstraße 22, 5020 Salzburg, Österreich,

 

gegen

 

B-GmbH, 

- Beklagte -

 

Prozessbevollmächtigte:

Rechtsanwälte Streifler & Kollegen, Oranienburger Straße 69, 10117 Berlin, 

 

hat das Amtsgericht Wedding durch die Richterin am Amtsgericht  Normann-Scheerer  aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 01.11.2021

 

für Recht erkannt:

 

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 503,37 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 30.11.2019 Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung von 34 Europaletten aus dem Transportauftrag 0000000 am Bestimmungsort Bad Waldsee.

2. Die Beklagte wird weiter verurteilt, an die Klägerin vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 124,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 6.3.2020 zu zahlen.

3. Von den Kosten des Rechtsstreits haben die Klägerin 33 % und die Beklagte 67 % zu tragen.

4.  Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Beklagte beauftragte die Klägerin, eine Spediteurin, mit Transportauftrag vom 1.10.2019 (Auf­tragsnummer 0000000) mit der  Beförderung von Gütern von Hamburg nach Bad Waldsee be­auftragt. Es handelte sich um 34 Europaletten Handelsware. Hierfür stellte die Klägerin der Be­klagten ein Entgelt von 1094,80 € in Rechnung.

Der Transportauftrag wurde  über das Vermittlungsportal Timocom angebahnt. Auf dieser Platt­ form hatte die Beklagte ein Frachtangebot für einen Transport von Hamburg nach Bad Waldsee zu einem Preis von 900 € eingestellt (BI. 44 d.A.). Zum vorgegebenen Punkt „Lademitteltausch" wurde keine Angabe gemacht. In der Folge kam es zu einem Telefonat zwischen den Parteien, in dem die Details des Frachtauftrags besprochen wurden.  Im Nachgang zu dem Telefonat übersandte der Mitarbeiter der Klägerin, Herr C, dem Mitarbeiter der Beklagten, Herr D, am 1.10.2019 um 9.00 Uhr eine E-Mail mit folgendem Inhalt {BI. 143 d.A.):

„Hallo, anbei erhalten Sie die von Ihnen geforderten Unterlagen. Ldg. 20 Hamburg nach 88 Bad Waldsee Pal-Tausch (Paletten können, wie vereinbart in 88 Baienfurt zu unserer Entlastung angeliefert werden)

Preis: 920 €

Fahrzeug: Tautliner (Plane) Kennzeichen: ...

Für etwaige Fragen stehe ich gerne zur Verfügung und verbleibe mit der Bitte um Auftrag".

Sodann  übersandte  der  Herr D per E-Mail vom 1.10.2019, 9.09 Uhr, an Herrn C den Transportauftrag  36189848.  Hierin war unter den Adressfeldern  in Fettdruck der Hinweis „Achtung!  Paletten  abgeben  zur  Verfügung  E  Hamburg  im  Auftrag   B-GmbH  Berlin! AVIS   vor  Anlieferung   F-GmbH,   G-Straße,   Tel. ( ...)"  enthalten. Auf der zweiten Seite war der Transportpreis von netto 920 € genannt, darunter hieß es ,,incl.  Maut  und  Papiere  sowie  Vergütung  in  Höhe  von  68,00  €  für  etwaige  Übernahme  des  Tausch-  und Rückführungsrisikos  für  34  Europaletten."  (vgl. BI. 28/29 d.A.).

Dem Transportauftrag  der Beklagten waren  ihre Allgemeinen Geschäftsbedingungen  beigefügt, die unter anderem die nachfolgenden Regelungen enthalten:

„11. Aufrechnung

Die B-GmbH ist berechtigt mit Gegenansprüchen die Aufrechnung zu erklären. Die B-GmbH ist weiter berechtigt Zurückbehaltungsrechte, insbesondere am Werklohn geltend zu machen.

12. [...]

13.   Vorrang der AGB vor ADSp

Soweit die vorliegenden allgemeinen Geschäftsbedingungen von den Allgemeinen Deutschen Speditionsbedingungen (ADSp) abweichen, sind sie diesen gegenüber vorrangig."

Ferner findet sich in der Fußzeile jeder Seite des Transportauftrags der Satz: „Wir  arbeiten  aus ­ schließlich  auf  der  Grundlage  der  ADSp,  vorbehaltlich  abweichender  Regelungen unserer AGB  gemäß  den  Folgeseiten  dieses  Transportauftrages  („.)".

Wegen der weiteren Einzelheiten des Transportauftrags wird auf die als Anlage B1 in der Akte befindlichen Ablichtungen (BI. 28-32 d. A.) verwiesen.

Die Klägerin führte den Transport ohne Widerspruch gegen den ihr übersandten Transportauftrag bzw. die dort enthaltenen AGB durch.  Im Rahmen dieses Transportauftrags  nahm sie in Hamburg 34 Europaletten auf, ohne diese an der Ladestelle gegen eigene Lademittel zu tauschen. An der Entladestelle  in Bad Waldsee gab die Klägerin das Transportgut  nebst 34 Europaletten ab und nahm im Tausch 34 Paletten auf. Diese hat sie der Beklagten nicht zurückgegeben.

Mit Rechnung vom  15.10.2019 machte die  Klägerin  die Zahlung eines  Betrages  in Höhe von 1094,80 € geltend (BI. 13 d. A.). Die Beklagte stellte ihrerseits mit Datum vom 27.11.2019 der Klägerin einen Betrag von 503,37 € in Rechnung für 34 Europaletten a 12 Euro und eine Bearbeitungsgebühr von 15,00 € jeweils zuzüglich Mehrwertsteuer  (BI. 47 d.A.). Diesen Betrag brachte sie bei der Begleichung der Rechnung der Klägerin in Abzug, so dass aus der Rechnung noch 503,37 € nicht beglichen sind.

Die Beklagte hat mit Schriftsatz vom 31.7.2020 erneut die Aufrechnung mit dem behaupteten Anspruch aus der Rechnung vom 25.11.2019 erklärt und hilfsweise ein Zurückbehaltungsrecht aufgrund von nicht vertragsgemäß durchgeführter Palettenrückführung im Umfang von 34 Europaletten geltend gemacht.

Die Klägerin behauptet, dass in weder in dem genannten Telefonat noch danach eine Vereinbarung über einen Palettentausch getroffen worden ist. Der schriftliche Transportauftrag weiche in diesem wesentlichen Punkt von der mündlich getroffenen Vereinbarung ab, so dass dessen Inhalt nicht nach den Grundsätzen des Schweigens auf ein kaufmännisches Bestätigungsschreibens Gegenstand des Vertrags geworden ist. Ein Palettentausch sei also nicht individualvertraglich vereinbart worden. Eine Verpflichtung zum Palettentausch ergebe sich auch nicht aus den AGB der Beklagten. Die Klägerin ist daher der Ansicht, dass ihr ein Anspruch auf Entrichtung einer Fracht in Höhe von insgesamt noch 503,37 € zustehe. Jedenfalls stehe einer Aufrechnung das Aufrechnungsverbot der Ziffer 19 ADSp entgegen. Dieses beziehe sich auch auf ein Zurückbehaltungsrecht.

Die Klägerin beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an sie 503,37 € nebst Zinsen in Höhe von 9 Prozent­ punkten über dem Basiszinssatz seit dem 30.11.2019 sowie

2. die Beklagte weiter zu verurteilen, an sie 124,00 € als vorgerichtliche Rechtsan­ waltskosten nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszins­ satz seit Klagezustellung zu zahlen,

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte ist der Ansicht, dass die Parteien individualvertraglich den Tausch bzw. Rückführung der übernommenen Europaletten und - für den Fall der Nichterfüllung - einen Anspruch auf Aufwendungsersatz vereinbart hätten. Sie habe wegen der nicht zurückgeführten Paletten einen Gegenanspruch aus ihrer Rechnung vom 27.11.2019 in Höhe von 503,37 €. Jedenfalls könne sie bis zu einer Erfüllung der Ansprüche auf Rückführung der übernommenen Europaletten die Entrichtung der vereinbarten Fracht verweigern.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der von den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie den Inhalt der Sitzungsniederschriften verwiesen.

 

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist nur teilweise begründet.

I.

Die Klägerin hat einen Anspruch gegen die Beklagte auf Zahlung eines Betrages in Höhe von 503,37 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 30.11.2019, allerdings nur Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung von 34 Europaletten aus dem Transportauftrag  36189848 am Bestimmungsort  Bad Waldsee.

1. Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Entrichtung einer Fracht in Höhe von weiteren 503,37 € aus dem Frachtvertrag gemäß § 407 Abs. 2 HGB.

Einwendungen gegen die Entstehung dieses Anspruchs wurden von der Beklagten nicht vorgebracht.

2. Der Anspruch ist auch nicht gern. § 389 BGB durch Aufrechnung erloschen. Es kann dahinstehen, ob die Beklagte gegen den Kläger einen Anspruch auf Zahlung von 503,37 € hat, denn jedenfalls ist die Aufrechnung aufgrund der zwischen den Parteien vereinbarten Nr. 19 der Allgemeinen Deutschen Speditionsbedingungen  (ADSp) ausgeschlossen.

a) Indem die Beklagte sich in ihrem Transportauftrag darauf berief, vorbehaltlich abweichender Regelungen ihrer AGB ausschließlich auf Grundlage der ADSp zu arbeiten, machte sie diese zum Bestandteil ihrer eigenen Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB).

Die AGB  der  Beklagten  sind  Bestandteil  des zwischen  den  Parteien zustande  gekommenen Frachtvertrags geworden. Im kaufmännischen Geschäftsverkehr werden Allgemeinen Geschäftsbedingungen grundsätzlich nach allgemeinen  Regeln (§§ 145 ff. BGB) Vertragsbestandtei l. Notwendig  ist demgemäß  eine  ausdrückliche  oder  stillschweigende Willensübereinstimmung  der Vertragspartner zur Geltung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen.  Dazu ist erforderlich, dass der eine Teil zum Ausdruck bringt, neben dem individualvertraglich Vereinbarten sollten auch bestimmte Allgemeine Geschäftsbedingungen Vertragsinhalt werden, und der andere Teil damit einverstanden ist (BGH, Urteil vom 12.02.1992 - VIII ZR 84/91 -, BGHZ 117, 190-199). Diese Voraussetzungen  liegen  vor.  Die Allgemeinen  Geschäftsbedingungen  der  Beklagten waren  dem Transportauftrag der Beklagten beigefügt und es ist hierauf in der Fußzeile jeder Seite auch ausdrücklich  Bezug genommen worden. Die Klägerin ist auf der Grundlage dieser Transportaufträge für die Beklagte tätig geworden. Die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten sind damit durch die (konkludente) Annahme des Transportauftrags durch die Klägerin Vertragsbestandteil geworden.

b) Nr. 19 ADSp ist auch nicht etwa deshalb hier unanwendbar, weil in Nr. 13 der AGB der Beklagten der Vorrang der AGB vor den ADSp festgeschrieben wird. Denn Nr. 13 der AGB setzt voraus, dass die ADSp von den AGB abweichen. Das ist bezüglich der Aufrechnung nicht der Fall. Nr. 19 ADSp lautet: „Gegenüber  Ansprüchen  aus dem  Verkehrsvertrag und damit zusammenhängenden außervertraglichen Ansprüchen  ist eine Aufrechnung oder Zurückbehaltung nur zulässig,  wenn der  Gegenanspruch  fällig,  unbestritten,  entscheidungsreif  oder rechtskräftig festgestellt  ist." Nr. 11 der AGB lautet: „Die  B-GmbH ist berechtigt mit Gegenansprüchen  die Aufrechnung  zu erklären.  Die  B-GmbH ist  weiter berechtigt Zurückbehaltungsrechte, insbesondere am Werklohn geltend zu machen."

Nr. 11 der AGB ist insofern unklar, also nicht deutlich wird, ob die Beklagte auch zu einer Aufrechnung mit streitigen Forderungen berechtigt sein soll. Gern. § 305c Abs. 2 BGB geht dies zu Lasten des Verwenders, so dass die Klausel so auszulegen ist, dass damit nur absoluten Aufrechnungsverboten entgegengetreten wird, aber nicht der Beschränkung Nr. 19 ADSp.

c) Vorliegend bestreitet die Klägerin, dass der Beklagten ein Gegenanspruch zusteht, weshalb es sich um eine bestrittene Forderung handelt und das Aufrechnungsverbot  nach Nr. 19 ADSp greift.

3. Der Anspruch der Klägerin auf Entrichtung der Fracht besteht allerdings nur Zug-um-Zug gegen Übergabe und Übereignung von insgesamt 34 Europaletten an ihrem Bestimmungsort Bad Waldsee (§§ 273 Abs. 1, 274 Abs. 1 BGB).

Die Beklagte hat gegen die Klägerin wegen der unstreitig nicht erfolgten Rückführung von 34 Europaletten im Rahmen der Durchführung des streitgegenständlichen Auftrags  ein Zurückbehatungsrecht nach § 273 BGB.

Die Klägerin war  verpflichtet,  die an der  Ladestelle mit dem Transportgut  übernommene Euro­ paletten an die Beklagte zurückzuführen. Dies ist individualvertraglich zwischen den Parteien ver­ einbart worden.  Unstreitig ist zwischen den Parteien telefonisch  ein Transportvertrag geschlossen  worden.  Wie  sich  aus  der  E-Mail des  Mitarbeiters  der  Klägerin, Herrn C,  vom 1.10.2019, 9.00 Uhr (BI. 143 d.A.) ergibt, in welcher dieser den wesentlichen Inhalt des Vertragsschlusses festgehalten  hat, ist auch über einen Palettentausch ("Pal-Tausch") gesprochen worden. Der Inhalt der Abrede wurde von ihm dadurch konkretisiert, dass er schrieb: „Paletten können, wie vereinbart in 88 Baienfurt zu unserer Entlastung angeliefert werden". Hieraus ergibt sich zum einen, dass der Mitarbeiter der Klägerin von einer Vereinbarung hinsichtlich der Ablieferung der Paletten ausging  ("wie vereinbart"). Aus dem weiteren Wortlaut, dass die Klägerin die Paletten „zu unserer Entlastung" in Baienfurt, also in der Nähe der Entladestelle in Bad Waldsee, zurückgeben  konnte,  ergibt sich,  dass die  Klägerin selbst von  einer Verpflichtung  ihrerseits zur Rückgabe der Paletten ausging, da eine Entlastung nur bei einer übernommenen Verpflichtung erforderlich ist. Diese Festlegung ist daher so auszulegen, dass die Parteien von einer grundsätzlichen Verpflichtung  zum  Lademitteltausch  ausgingen  und der Klägerin gestattet wurde,  diese auch dadurch zu erfüllen, dass sie die Paletten (statt an der Ladestelle, also in Hamburg) in der Nähe der Entladestelle abgibt. Diese Festlegung wäre vollständig sinnlos, wenn, wie von der Klägerin behauptet, ein Palettentausch nicht vereinbart gewesen sein sollte. In dieser E-Mail, in der neben dem genannten Palettentausch auch der Preis für die Fracht von 920 € sowie weitere Details genannt waren, bat der Mitarbeiter der Klägerin abschließend um die Übersendung des Auftrags („...und verbleibe  mit der Bitte um Auftrag"). Als Antwort auf diese E-Mail übersandte der Mitarbeiter der Beklagten, Herr D, der Klägerin den schriftlichen „Transportauftrag" (BI. 28 ff

d. A.).

Dieser „Transportauftrag"  stellt ein kaufmännisches Bestätigungsschreiben  dar, dem die Beklag­ te nicht widersprochen  hat und dessen Inhalt damit zum Vertragsinhalt geworden ist. Im Handels­ verkehr gilt der Grundsatz, dass der Empfänger eines kaufmännischen Bestätigungsschreibens diesem unverzüglich widersprechen  muss, wenn er den Inhalt des Schreibens nicht gegen sich gelten lassen will. Widerspricht er nicht, wird der Vertrag  mit dem aus dem Bestätigungsschreiben ersichtlichen Inhalt rechtsverbindlich, es sei denn, dass der Bestätigende das Verhandlungsergebnis bewusst unrichtig wiedergegeben hat oder das Bestätigungsschreiben inhaltlich so weit vom Verhandlungsergebnis abweicht, dass der Absender vernünftigerweise nicht mit dem Einverständnis des Empfängers rechnen konnte. Durch sein Schweigen wird der Vertrag nach Maßgabe  des  Bestätigungsschreibens   geändert  oder ergänzt; war  noch  kein Vertrag  geschlossen, kommt er mit dem aus der Bestätigung ersichtlichen Inhalt zustande (Palandt/Ellenberger,  BGB, 80. Aufl., § 147 Rn. 8). Hier bestätigte die Beklagte in dem „Transportauftrag" die vorab getroffenen Vereinbarungen.  Diese wurden zudem hinsichtlich weiterer Details ergänzt. Die Klägerin hat dem nicht widersprochen, sondern den Transport - wie vereinbart - durchgeführt.  Die Klägerin hat auch nicht dargelegt, dass die Beklagte das Verhandlungsergebnis bewusst unrichtig wiedergegeben hat oder der Inhalt des Bestätigungsschreibens  soweit vom Verhandlungsergebnis abweicht, dass mit einem Einverständnis des Empfängers nicht gerechnet werden konnte. Das Gegenteil ist der Fall: Das von dem Mitarbeiter der Klägerin, Herrn C, per E-Mail mitgeteilte Verhandlungsergebnis, also der Preis für die Fracht, die Frachtstrecke, aber auch die Vereinbarung hinsichtlich der Rückgabe der Paletten in Baienfurt, wurde eins zu eins in den Transportauftrag übernommen.  Konkretisiert wurde die Vereinbarung über die Rückgabe der Paletten durch den Passus „Achtung!  Paletten  abgeben  zur  Verfügung E, Hamburg im Auftrag B-GmbH! AVIS  vor Anlieferung  F-GmbH, G-Straße Tel. (...)" . Dies steht aber weder im Widerspruch zu dem in der E-Mail wiedergegebenen Verhandlungsergebnis noch weicht diese Festlegung in erheblicher Weise davon ab. Diese Festlegung ist eine individuelle Abrede, die nur auf diesen konkreten Vertrag bezogen ist. Das Verhandlungsergebnis wurde weiter konkretisiert durch die Festlegung auf der zweiten Seite unter dem Transportpreis ,,incl.  Maut und Papiere  sowie Vergütung in Höhe  von 68,00 € für et waige Übernahme des  Tausch- und Rückführungsrisikos  für 34 Europaletten" . Zwar ist hier erstmalig eine Vergütung für eine Übernahme des Tausch- und Rückführungsrisiko genannt worden, allerdings handelt es sich nicht um eine wesentliche Änderung des Vertrages,  sondern nur um die Benennung  eines Anteils des Transportpreises, der auf die Übernahme dieses Risikos entfallen sollte. Soweit die Klägerin der Ansicht  ist, durch die Verwendung der Wörter „etwaige Übernahme" sei klar, dass eine Vereinbarung  nicht zustande gekommen sei, kann dem nicht gefolgt werden. Vielmehr ergibt sich in der Zusammenschau der E-Mail und der Festlegung auf S. 1 des Transportauftrags eindeutig eine solche Vereinbarung.  Diese wird durch die Formulierung aus S.2 nicht wieder hinfällig.

Soweit  die  Klägerin  der  Auffassung  ist, eine Vergütung  von 68,00 € für  die  Übernahme des Tausch- und Rückführungsrisikos  sei unangemessen  niedrig, ist dies vom Gericht nicht zu überprüfen. Es handelt sich um eine individualvertragliche Vereinbarung.  Wäre die Klägerin hiermit nicht einverstanden gewesen,  hätte sie dem als „Transportauftrag"  bezeichneten Bestätigungsschreiben widersprechen  können und die Durchführung des Auftrags ablehnen können. Die Beklagte  konnte frei entscheiden,  ob sie mit der  Benennung  des auf das Tausch-  und Rückführungsrisikos  entfallenden  Betrag  ihren zusätzlichen  Aufwand  hierfür  hinreichend  vergütet  sah oder nicht.

d) Das Zurückbehaltungsrecht  der Beklagten  ergibt sich daraus, dass die Klägerin im Rahmen des Transportauftrags  insgesamt 34 Europaletten  aufgenommen  hat, ohne diese an der Ladestelle gegen eigene  Lademittel zu tauschen  oder solche Lademittel an die Ladestelle zurückzuführen, denn der Transportauftrag erstreckte sich auf insgesamt 34 Paletten. Es kann dabei dahinstehen, ob das Aufrechnungsverbot  der Nr. 19 ADSp sich, wie der Kläger meint, auch auf Zurückbehaltungsrechte  erstreckt.  Denn jedenfalls  wäre dies durch die insofern eindeutige Regelung von Nr. 11 der AGB, wonach die Beklagte zur Geltendmachung von Zurückbehaltungsrechten berechtigt ist, gern. Nr.13 der AGB verdrängt.

II.

Der Anspruch auf Verzugszinsen sowie auf Zahlung der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten beruht auf §§ 286 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 3, 288 Abs. 2, Abs. 5 ZPO. Das Zurückbehaltungsrecht schließt den Verzug  nicht aus, da es nicht vor oder bei Eintritt der Verzugsvoraussetzungen aus­ geübt wurde  (vgl. Palandt/ Grüneberg, 80. Aufl. 2021, § 286 Rn. 11). Entgegen der Ansicht der Beklagten ist die Forderung spätestens 45 Tage nach Durchführung des Transportauftrags auch fällig geworden. Die Klausel auf S. 2 des Transportauftrags „Frachtzahlung  erfolgt mit rein quit tiertem Lieferschein,  Frachtbrief, Palettenschein nach 45 Tagen ohne Skonto" beinhaltet keine abweichende Regelung. Diese - nicht individualvertraglich ausgehandelte Klausel - ist nicht verständlich und damit unklar. Es bleibt offen, was ein „Palettenschein" sein soll, wer diesen ausstellt und wem er wann vorgelegt werden sollte. Gemäß § 305c Abs. 2 BGB geht diese Unklarheit zu Lasten der Beklagten als Verwenderin. Es bleibt daher bei der - auch in der auf S. 2 unter diesem Text befindlichen Umrandung genannten - Fälligkeit nach 45 Tagen.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO. Vorliegend waren wegen der erklärten Aufrechnung sowohl die Klageforderung als auch das Zurückbehaltungsrecht streitig. In einem solchen Fall ist nach der vom Gericht vertretenen Auffassung die Kostenentscheidung auf Grundlage eines fiktiven Gebührenstreitwerts zu treffen, der sich aus der Klageforderung und dem wirtschaftlichen Wert des Zurückbehaltungsrechts zusammensetzt, wobei bei dem Zurückbehaltungsrecht angesichts dessen, dass hierüber keine rechtskräftige oder vollstreckbare Entscheidung ergeht, ein 50%-iger Abschlag zu machen ist (vgl.  (BeckOK ZPO/Jaspersen, 41. Ed., 1.7.2021, ZPO § 92 Rn. 29). Demnach unterliegt die Klägerseite bei einem fiktiven Gebühren­ streitwert von 755,06 € mit 251,69 € (34 Paletten a 12 € zzgl. MWst= 503,37 €; hiervon hälftiger Abschlag), woraus sich ihre Kostentragungsquote von 33 % ergibt.

IV.  

Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf 708 Nr. 11, 713 ZPO.

 

Normann-Scheerer

Richterin am Amtsgericht

Urteilsbesprechung zu Amtsgericht Wedding Urteil, 13. Dez. 2021 - 18 C 203/20

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