Arbeitsgericht Berlin Urteil, 4. Apr. 2018 - 55 Ca 11729117

bei uns veröffentlicht am09.05.2023

Rechtsgebiete

Eingereicht durch

Rechtsanwalt Dirk Streifler - Partner

EnglischDeutsch

Gericht

Arbeitsgericht Berlin

Richter

Beteiligte Anwälte

Eingereicht durch

Rechtsanwalt Dirk Streifler - Partner


Wirtschaftsrecht / Existenzgründung / Insolvenzrecht / Gesellschaftsrecht / Strafrecht
EnglischDeutsch

Arbeitsgericht Berlin

Im Namen des Volkes

Urteil

 

In Sachen

 

A,

- Kläger -

 

Prozessbevollmächtigte/r:

BSP Sierbach Streifler & Partner Rechtsanwälte Partnerschaftsgesellschaft mbB, Oranienburger Str. 69, 10117 Berlin                          ·

 

gegen

 

B, vertreten durch d. Geschäftsführer C

- Beklagter -

 

Prozessbevollmächtigte/r:

Rechtsanwaltsbüro Röber & Hess, Trufanowstr. 8., 04105 Leipzig

 

hat das Arbeitsgericht  Berlin, 55. Kammer, auf die IT!ündliche Verhandlung vom 04.04.2018 durch den Richter am Arbeitsgericht Schmitt als Vorsitzender sowie den ehrenamtlichen Richter Herrn Müller und den ehrenamtlichen Richter Herrn Wenk

 

für Recht erkannt:

 

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu tragen.

3. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 17500,-- EUR festgesetzt.

 

Tatbestand

Zwischen den Parteien ist die Wirksamkeit einer Kündigung des zwischen ihnen bestehenden Arbeitsverhältnisses  im Streit.

Die Parteien haben mit Wirkung zum 29.05.2017 einen Arbeitsvertrag geschlossen.

Der Kläger wurde als „Head of User Desk" für eine monatliche Bruttovergütung in Höhe von 5.833,33 € beschäftigt (Blatt 7-11 der Akte). Der Arbeitsvertrag bestimmt eine Probezeit von 6 Monaten.

Das Handelsregister beim AG Charlottenburg von Berlin weist am 10.11.2017 unter der Nummer HRB 151605B folgendes aus (Blatt 22, 23 der Akte):

Ist ein Geschäftsführer bestellt, so vertritt er die Gesellschaft allein. Sind mehrere Geschäftsführer bestellt, wird die Gesellschaft gemeinschaftlich durch zwei Geschäftsführer oder durch einen Geschäftsführer in Gemeinschaft mit einem Prokuristen vertreten. Alleinvertretungsbefugnis kann erteilt werden."

In der Folge sind jeweils zwei Geschäftsführer und zwei Prokuristen namentlich ausgewiesen, unter anderem Herr C.

Die Beklagte kündigte das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 21.0R2017 zum 13.09.2017. Das Schreiben ist dem Kläger am 29.08.2017 ausgehändigt worden (Blatt. 61 der Akte).

Mit E-Mail vom 31.08.2017 wandte sich der Kläger wegen der ausgesprochenen Künigung an die Beklagte und bemängelte „einige Ungereimtheiten", ohne solche im Einzelnen zu bezeichnen (Blatt 46 der Akte). Mit einem zusätzlichen Schreiben an die Beklagte vom 04.09.2017 verwies der Kläger auf „mehrere Widersprüchlichkeiten" , die er ebenfalls nicht näher ausführte (Blatt 47 der Akte).

Mit der am 19.09.2017 beim Arbeitsgericht Berlin eingegangenen Klage greift der Kläger die Kündigung an. Er behauptet, die Beklagte beschäftige zusammen mit der Muttergesellschaft mehr als zehn Arbeitnehmer. Die Arbeitnehmer E und F würden regelmäßig mehr als die angegebenen 20 beziehungsweise 30 Stunden arbeiten. Zudem sei zusätzlich der Prokurist J mit zu berücksichtigen.

Es liege ein Gesamtbetrieb zwischen der Beklagten und der G-AG vor. Der Kläger habe regelmäßig auch in den Räumen der Muttergesellschaft  in der Schweiz arbeiten müssen. Er habe unmittelbar von den dortigen leitenden Organen Weisungen erhalten. Er habe sogar eine weitere Kündigung von der Muttergesellschaft datierend auf den 21.08.2017  erhalten.

Die Kündigung sei von dazu nicht berechtigten Personen ausgesprochen und daher zurückgewiesen worden. Der Kläger habe bereits am Tag nach Zugang der Küdigung deren Unwirksamkeit mündlich gegenüber der Beklagten geltend gemacht.

Wegen der Einzelheiten und des weiteren Vorbringens wird auf die Klag (Blatt 4-6 der Akte) sowie die Schriftsätze vom 29.12.2017 (Blatt 36-37 der Akte) und vom 31.01'.2018 (Blatt 48, 49 der Akte) nebst Anlagen verwiesen.

Der Kläger beantragt,

1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis des Klägers durch die schriftliche Kündigung der Beklagten vom 21.'08.2017, zugegangen am 29.08.2017, zum 13.09.2017 nicht aufgelöst worden ist,.

2. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis auch nicht durch andere Beendigungstatbestände endet, sondern zu unveränderten Bedingungen  über den Beendigungszeitpunkt fortbesteht                                            ·

3. hilfsweise für den Fall des Obsiegens mit dem Feststellungantrag zu 1 die Beklagte zu verurteilen, den Kläger zu den im Arbeitsvertrag vom 29.06.2017 geregelten Arbeitsbedingungen als „Head of User Service" zu einem Bruttogehalt in Höhe von 5.833,33 € bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung über den Feststellungsantrag zu 1 weiter zu beschäftigen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie behauptet, die Kündigung sei vom damals alleinvertretungsberechtigen Geschäftsführer C ausgesprochen worden. Eine Zurückweisung der Kündigung sein. § 174 BGB sei auch nicht erfolgt, insbesondere sei nie beanstandet worden, dass Herr C alleinvertretungsberechtigt sei. Die gemeinsame Vertretungsbefugnis sei erst nach Änderung der Zeichnungsbefugnisse Oktober 2017 in Kraft getreten.

Die Beklagte beschäftige zudem nicht mehr als neun Arbeitnehmer. Herr H sei bereits am 01.03.2017 wieder aus den Diensten der Beklagten ausgeschieden.

Wegen der Einzelheiten und des weiteren Vorbringens wird auf die Schriftsätze vom 18.12.2017 (Blatt 27-29 der Akte) und vom 15.01.2018 (Blatt 43, 45 der Akte) nebst Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe

I.

Die Klage ist insgesamt zulässig.

Die Zulässigkeit des Feststellungantrags zu 1 folgt unmittelbar aus §§ 4, 5, 7 KSchG. Der mit dem Antrag zu 2 gestellte allgemeine Fortbestehensantrag ist zulässig gem. § 256 ZPO.

Der Beschäftigungsantrag zu 3 ist zulässig gern. § 253 Abs. 2 ZPO und bestimmt genug.

II.

Die Klage ist nicht begründet. Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist durch die Kündigung der Beklagten vom 21.08.2017 zum 13.09.2017 aufgelöst worden.

1. 

Der Kläger hat rechtzeitig am  § 4 KSchG Klage gegen die ihm am 29.08.2017 zugegangene_ Kündigung vom 21.08.2017 erhoben. Die gesetzliche Dreiwochenfrist wurde mit der am 19.09.2017 per Telefax beim Arbeitsgericht Berlin eingegangenen Klage gewahrt.

2.

Das Kündigungsschutzgesetz  findet  auf  das Arbeitsverhältnis  der  Parteien  keine Anwendung. Die Beklagte beschäftigt regelmäßig nicht mehr als zehn vollbeschäftigte Arbeitnehmer ausschließlich der zu ihrer Berufsausbildung beschäftigten (§ 23 Abs. 1 · Satz 3 KSchG). Zudem hat das Arbeitsverhältnis. der Parteien zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung noch keine sechs Monate bestanden (§ 1 Abs. 1 KSchG).

2.1.

a.

Unstreitig waren zum Kündigungszeitpunkt  im Unternehmen einschließlich des Klägers elf  Arbeitnehmer  beschäftigt,  davon  acht  Arbeitnehmer  mit  mehr  als  30 Wochenstunden. Die Stundenanteile der drei weiteren drei Arbeitnehmerinnen ist zwischen den Parteien streitig. Nach dem Vortrag der Beklagten ergeben unter deren Wochenstundenzahlen unter Berücksichtigung ihrer jeweiligen Zeitanteile eine regelmäßige Anzahl vollbeschäftigter Arbeitnehmer im Sinne der gesetzlichen Vorschrift insgesamt 9,7 Arbeitnehmer, während der Kläger auf einen Umfang von mehr als 10 Arbeitnehmer  kommt (§ 23 Abs. 1 Satz 4 KSchG). Indes ist der insoweit institutionellen Leitung ausgeübt wird. Die Annahme eines Gemeinschaftsbetriebs setzt einen einheitlichen betriebsbezogenen Leitungsapparat voraus (vergleiche BAG, Urteil vom 16. Februar 2006, 8 AZR 211/05, Randnummer 18 mit weiteren Nachweisen, NZA 2006, 592-597). Hierzu fehlt es an jedwedem Vortrag des Klägers von Substanz.

2.2.

Die Betriebsgröße kann in diesem Zusammenhang aber auch dahinstehen, denn selbst wenn mm zugunsten des Klägers einen Gemeinschaftsbetrieb unterstellt, fände das Kündigungsschutzgesetz wegen der vom Kläger nicht erfüllten sechsmonatigen Wartezeit keine Anwendung (§ 1 Abs. 1 KSchG). Zum Kündigungszeitpunkt bestand das Arbeitsverhältnis genau drei Monate.

3.

Für arbeitgeberseitige (ordentliche) Kündigungen außerhalb des Geltungsbereiches des Kündigungsschutzgesetzes gilt im Grundsatz das Recht der Kündigungsfreiheit. Dies bedeutet, dass es jedenfalls in aller Regel für eine ordentliche Arbeitgeberkündigung keines irgendwie gearteten - verständigen, sinnvollen oder sachlichen - Grundes bedarf (ständige Rechtsprechung seit BAG, Urteil vom 12..12.1957, 2 AZR 5,74/55, ArbuR 1959, 58). ·

4.

Die Kündigung ist auch· nicht gern. §§ 138, 242 BGB unwirksam.

Wo die Bestimmungen des  Kündigungsschutzgesetzes nicht greifen,  sind die Arbeitnehmer  durch die zivilrechtlichen Generalklauseln (§§ 138, 242 BGB) vor einer sitten oder treuwidrigen Ausübung des Kündigungsrechts des Arbeitgebers geschützt (BVerfG vom 27.01.1998,  1 Bvl 15/87, NZA 1998, 470-474 mit weiteren Nachweisen). Der durch diese Generalklauseln vermittelte Schutz darf jedoch nicht dazu führen, dass dem Kleinunternehmer praktisch die im Kündigungsschutzgesetz vorgegebenen Maßstäbe der Sozialwidrigkeit auferlegt werden (BVerfG vom 27.01.1998, am angegebenen Ort; BAG, Urteil vom 23.09.1976, 2' AZR 309/75, NJW 1977, 123-126).

Die Treu- und Sittenwidrigkeit der Kündigung hat grundsätzlich der Arbeitnehmer darzulegen und zu beweisen. Der Kläger hat insoweit nichts vorgetragen.

5.

Die Kündigung ist schließlich auch nicht gern. § 174 BGB unwirksam. Es fehlt an einer unverzüglichen, die Kündigung zurückweisenden  Erklärung des Klägers. Auch insoweit ist dieser einen substantiierten Sachvortrag schuldig geblieben.

5.1

Das E-Mailschreiben vom 31.08.2017 und der Brief vom 04.09.2017 stellen keine Zurückweisung gemäß § 174 BGB dar. In beiden Schreiben fehlt jeglicher Hinweis auf eine vermeintlich fehlende Vertretungsbefugnis. Aus den Formulierungen „einige Ungereimtheiten" beziehungsweise „mehrere Widersprüchlichkeiten" ist für den Empfänger beider Schrittsätze nicht im Ansatz erkennbar, dass hiermit eine Zurückweisung der Kündigung mangels Vollmacht gemeint sein soll. 

5.2

Der Vortrag des Klägers ist zudem nicht schlüssig. Mit Schriftsatz vom 18.12.2017 lässt er vortragen, er habe am Tag nach dem Erhalt der Kündigung gegenüber dem Geschäftsführer der Beklagten gerügt, die Kündigung sei wegen fehlender Vertretungsbefugnis unwirksam. Abgesehen davon, dass aus diesem Vortrag nicht erkennbar  ist, gegenüber welchem  Geschäftsführer  der Beklagten dise Erklärung bei welcher  Gelegenheit und zu welchem Zeitpunkt abgegeben worden sein soll, ist auch nicht ersichtlich, was der Kläger genau gerügt haben will, zumal das Kündigungsschreiben jedenfalls von einem der beiden Geschäftsführer C unstreitig unterzeichnet worden ist.

Die Zeit der Erklärung konkretisiert der Kläger sodann mit Schriftsatz vom 01.02.2018 dahingehend, dass er in einem Gespräch am 30.08.2017 um 11:00 Uhr die fehlende Vertretungsbefugni s gerügt habe, nunmehr aber nicht gegenüber einem Geschäftsführer der Beklagten, sondern gegenüber D der  Muttergesellschaft. Mit welcher Erklärung diese Rüge sinngemäß abgegeben worden sein soll, wird ·erneut nicht näher dargetan, D ist aber unstreitig auch kein Vertreter der Beklagten, so dass eine unterstellte Rückweisungserklärung diesem gegenüber in Bezug auf die Beklagte ins Leere geht, denn sie hätte weder die Beklagte noch deren gesetzliche Vertreter erreicht.

Schließlich ist es nicht plausibel, wenn der Kläger einerseits behauptet, im Gespräch vom 30.08.2017 die fehlende Vertretungsmacht des Unterzeichners der Kündigung gerügt zu haben, andererseits sich in den Schreiben vom 31.08.2017 und 04.09.2017 derart nebulös ausdrückt, dass für den Adressaten nicht ersichtlich ist, was der Kläger konkret rügen will. Auch eine Bezugnahme auf das behauptete Gespräch vom 30.08.2017 erfolgte in den Schreiben jeweils nicht

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 12a, 46 Abs. 2 ArbGG in Verbindung mit § 91 ZPO. Als Unterliegender des Verfahrens hat der Kläger dessen Kosten zu tragen.

Der Streitwert wird gern. §§ 42 Abs. 3 GKG festgesetzt. Er entspricht ausgehend von einem monatlichen Bruttoverdienst in Höhe von 5.833,33 € einem Vierteljahresverdienst des Klägers. Der allgemeine Fortbestehensantrag zu 2 hat mangels Vorliegens weiterer Beendigungstatbestände keinen eigenen Wert. Der Weiterbeschäftigungsantrag zu 3 bleibt wertmäßig ebenfalls außer Ansatz, da er nur hilfsweise für. den Fall des Obsiegens gestellt und demgemäß nicht darüber entschieden wurde.

 

 

 

 

Urteilsbesprechung zu Arbeitsgericht Berlin Urteil, 4. Apr. 2018 - 55 Ca 11729117

Urteilsbesprechungen zu Arbeitsgericht Berlin Urteil, 4. Apr. 2018 - 55 Ca 11729117