Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Urteil, 22. Sept. 2015 - 10 B 14.2242

bei uns veröffentlicht am22.09.2015

Gericht

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof

Gründe

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof

Aktenzeichen: 10 B 14.2242

Im Namen des Volkes

Urteil

vom 22. September 2015

(VG Würzburg, Entscheidung vom 14. März 2013, Az.: W 5 K 12.382)

10. Senat

Sachgebietsschlüssel: 512

Hauptpunkte:

Fortsetzungsfeststellungsklage;

Statthaftigkeit;

Klagebefugnis;

berechtigtes Interesse;

Wiederholungsgefahr;

Klagefrist;

versammlungsrechtliche Beschränkungen;

sachliche Zuständigkeit;

Auslegung;

teleologische Reduktion;

Beachtlichkeit einer Verletzung von Vorschriften über die sachliche Zuständigkeit;

Offensichtlichkeit der Nichtbeeinflussung der Entscheidung;

Verletzung in eigenen Rechten

Rechtsquellen:

Leitsätze:

In der Verwaltungsstreitsache

...

gegen

..., vertreten durch den Oberbürgermeister,

- Beklagte -

beteiligt: ..., als Vertreter des öffentlichen Interesses,

wegen versammlungsrechtlicher Beschränkungen;

hier: Berufung der Kläger gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts Würzburg vom 14. März 2013,

erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 10. Senat,

durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgerichtshof Senftl, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Martini, die Richterin am Verwaltungsgerichtshof Zimmerer aufgrund mündlicher Verhandlung vom 21. September 2015 am 22. September 2015 folgendes Urteil:

I.

Unter teilweiser Abänderung des Urteils des Bayerischen Verwaltungsgerichts Würzburg vom 14. März 2013 wird festgestellt, dass auch die Beschränkungen in Nr. 1.13, soweit darin als Kundgebungsmittel nur 1 Pavillon (3 m x 3 m) zugelassen worden ist, und in Nr. 1.19 des Bescheids der Beklagten vom 10. April 2012 rechtswidrig waren.

II.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

III.

Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

IV.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Mit ihrer Berufung verfolgen die Kläger ihre in erster Instanz erfolglose Klage gegen versammlungsrechtliche Beschränkungen weiter, mit denen ihnen untersagt worden ist, im Rahmen der von ihnen angemeldeten Versammlung mehr als einen Pavillon aufzustellen und am Versammlungsort zu nächtigen.

Vom 19. März 2012 bis zum 2. April 2012 fand auf dem Platz am Vierröhrenbrunnen im Stadtgebiet der Beklagten ein vom Kläger zu 1 als Versammlung angemeldeter Hungerstreik zum Thema Asylpolitik statt. Die Teilnehmer des Hungerstreiks nächtigten in einem Pavillon mit einer Grundfläche von etwa 3 m x 6 m, der später um einen Pavillon mit einer Grundfläche von etwa 3 m x 3 m als Vorzelt erweitert wurde. Außerdem stellten im Verlauf des Hungerstreiks Sympathisanten neben der Versammlungsfläche weitere Zelte auf. Darüber hinaus errichtete das Bayerische Rote Kreuz am 29. März 2012 im Hinblick auf eine Notsituation der hungerstreikenden Teilnehmer ein Zelt mit einer Grundfläche von 5 m x 6 m mit Heizung und Feldbetten auf der Versammlungsfläche, das am 5. April 2012 durch ein von anderer Seite zur Verfügung gestelltes vergleichbares Zelt ersetzt wurde.

Mit einem Formular der Beklagten für die Anzeige einer öffentlichen Versammlung oder eines Aufzugs vom 27. März 2012 zeigte der Kläger zu 1 erneut einen Hungerstreik zum Thema Asylpolitik an, der im Anschluss an den bisherigen Hungerstreik vom 2. April 2012 bis zum 16. April 2012 am Vierröhrenbrunnen im Stadtgebiet der Beklagten rund um die Uhr stattfinden sollte. Die Zahl der erwarteten Teilnehmer wurde mit 10 bis 20 Personen angegeben.

Mit Bescheid vom 2. April 2012 verfügte die Beklagte zunächst für die Zeit vom 3. April 2012 bis zum 16. April 2012 eine Reihe von versammlungsrechtlichen Beschränkungen.

Nach einem Kooperationsgespräch am 10. April 2012 setzte sie mit weiterem Bescheid vom 10. April 2012 für die Zeit vom 12. April 2012 bis zum 16. April 2012 erneut Beschränkungen fest.

In Nr. 1.1 des Bescheids wurden der Kläger zu 1 zum verantwortlichen Leiter und die Klägerin zu 2 zur stellvertretenden Leiterin der Versammlung bestellt.

Nr. 1.6 des Bescheids sah vor: „Für die o.g. Versammlung wird der Wilhelm-Schwinn-Platz als Versammlungsort festgelegt.“

Nr. 1.11 des Bescheids lautete: „Eine ausreichende Zahl von Ordnern, mindestens 1 je angefangene 20 Teilnehmer, ist einzusetzen. Diese müssen vom Versammlungsleiter vor Beginn der Versammlung in Anwesenheit der Polizei über ihre Rechte und Pflichten belehrt worden sein und angehalten werden, gegen Störer in angemessener Weise einzuschreiten.“

In Nr. 1.13 des Bescheids wurde bestimmt: „Als Kundgebungsmittel sind zugelassen:

- Plakate

- Bilder

- 1 Pavillon (ca. 3 x 3 m)

Kundgebungsmittel dürfen in ihrem Inhalt nicht gegen die Strafgesetze, die Rechtsordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung verstoßen.“

Nach Nr. 1.18 war das Aufstellen von Zelten untersagt.

Nr. 1.19 des Bescheids lautete: „Das Nächtigen auf öffentlichen Flächen ist untersagt.“

Zur Begründung führte die Beklagte aus, sie sei nach Art. 24 Abs. 2 Satz 1 BayVersG und Art. 3 Abs. 1 BayVwVfG örtlich und sachlich zuständig. Die Ausübung des der Beklagten nach Art. 15 Abs. 1 BayVersG eingeräumten Ermessens habe zu den angeordneten Beschränkungen geführt, um jede unmittelbare Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung auszuschließen. Der Begriff der öffentlichen Sicherheit umfasse den Schutz wichtiger Rechtsgüter wie Leben, Gesundheit, Ehre, Freiheit, Vermögen, Rechtsordnung und Einrichtungen des Staates und sonstiger Träger von Hoheitsgewalt. Gemäß § 4 Abs. 1 Nr. 2 der Satzung über die Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung der Beklagten (Sicherheitssatzung) sei Zelten und Nächtigen auf öffentlichen Straßen, Wegen und Plätzen und in öffentlichen Grün- und Erholungsanlagen im Gebiet der Beklagten untersagt. Die Sicherheitssatzung sei Bestandteil der Rechtsordnung. Sowohl der angemeldete als auch der durch Nr. 1.6 des Bescheids festgesetzte Versammlungsort sei ein öffentlicher Platz. Das Aufstellen von Zelten, die nur der Beherbergung und dem Witterungsschutz der Teilnehmer dienten, sei nicht von der Versammlungsfreiheit umfasst. Das Vorzelt, ein Pavillon mit einer Grundfläche von etwa 3 m x 3 m, in dem die Meinungskundgabe und Diskussionen stattfänden, werde ausdrücklich als Kundgebungsmittel zugelassen. Es sei nicht Aufgabe des Versammlungsrechts, den Versammlungsteilnehmern eine möglichst komfortable Unterbringung am Versammlungsort zu ermöglichen und schlechte Witterungsbedingungen abzufedern. Selbst wenn das Übernachten von der Versammlungsfreiheit umfasst sei, müsse diese nunmehr hinter die Sicherheitssatzung zurücktreten, weil die Versammlungsfreiheit insoweit bereits 24 Tage lang ausgeübt worden sei. In konsequenter Anwendung von § 4 Abs. 1 Nr. 2 Sicherheitssatzung sei das Nächtigen auf öffentlicher Fläche ebenfalls zu untersagen gewesen. Die Übernachtung sei für die Meinungskundgabe weder wesensnotwendig noch sei sie bislang zu diesem Zweck eingesetzt worden.

Am 11. April 2012 beantragten die Kläger die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer noch zu erhebenden Klage gegen Nr. 1.6, gegen Nr. 1.13, soweit als Kundgebungsmittel nur ein Pavillon zugelassen war, gegen Nr. 1.18 und gegen Nr. 1.19 des Bescheids vom 10. April 2012. Diesen Antrag lehnte das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 11. April 2012 mit der Maßgabe ab, dass als Versammlungsort der untere Marktplatz festgelegt werde.

Dagegen erhoben die Kläger Beschwerde, soweit die Anordnung der aufschiebenden Wirkung bezüglich Nr. 1.13, Nr. 1.18 und Nr. 1.19 des Bescheids vom 10. April 2012 abgelehnt worden war. Der Verwaltungsgerichtshof ordnete daraufhin in Abänderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts die aufschiebende Wirkung der noch zu erhebenden Klage hinsichtlich der Nr. 1.13 des Bescheids vom 10. April 2012 bezüglich der Beschränkung auf einen Pavillon und der Nr. 1.19 dieses Bescheids nach Maßgabe der Gründe seines Beschlusses an. Im Übrigen wies er die Beschwerde zurück. Aus den Gründen ergibt sich, dass der Verwaltungsgerichtshof die Aufstellung eines zweiten, gegebenenfalls auch geschlossenen Pavillons für die konkreten Versammlungszwecke und die beabsichtigte kollektive Aussage als ausreichend und ein zeitweiliges Ausruhen und Schlafen der Demonstrationsteilnehmer, nicht aber ein dauerhaftes Kampieren im Sinne eines Ersatzobdachs für die Gemeinschaftsunterkunft als von der Versammlungsfreiheit geschützt ansah.

Mit Änderungsbescheid vom 12. April 2012 änderte die Beklagte den Bescheid vom 10. April 2012 dahingehend, dass unter anderem nach Nr. 1.13 des Bescheids vom 10. April 2012 nunmehr zwei Pavillons zu je 3 m x 3 m als Kundgebungsmittel zugelassen wurden und nach Nr. 1.19 dieses Bescheids das dauerhafte Nächtigen als Ersatz für die Unterbringung in der Gemeinschaftsunterkunft nicht gestattet wurde, wobei hiervon nicht das Einlegen von Ruhepausen zur Sicherung der effektiven Kundgabe des Anliegens der Versammlungsteilnehmer erfasst sein sollte. Zur Begründung führte die Beklagte aus, die Ergänzung sei im Interesse der Rechtsklarheit notwendig, um den Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs in der Angelegenheit Niederschlag finden zu lassen.

Gegen den Bescheid vom 10. April 2012 in seiner ursprünglichen Fassung erhoben die Kläger am 10. Mai 2012 Klage mit dem Antrag festzustellen, dass Nr. 1.6 des Bescheids, Nr. 1.11 des Bescheids, soweit die Ordner in Anwesenheit der Polizei belehrt werden mussten, Nr. 1.13, soweit als Kundgebungsmittel nur ein Pavillon mit einer Grundfläche von etwa 3 m x 3 m zugelassen war, und Nr. 1.19 des Bescheids rechtswidrig waren.

Nachdem das Verwaltungsgericht den Klägern mit Beschluss vom 9. Januar 2013 Prozesskostenhilfe bewilligt hatte, soweit die Feststellung der Rechtswidrigkeit von Nr. 1.6, 1.13 und 1.19 des Bescheids vom 10. April 2012 beantragt war, nahmen die Kläger die Klage hinsichtlich der Nr. 1.11 des Bescheids zurück. Insoweit wurde das Verfahren daraufhin durch Beschluss 28. Februar 2012 abgetrennt und unter dem Aktenzeichen W 5 K 13.141 eingestellt.

Mit Urteil vom 14. März 2013, das den Klägern am 2. April 2013 zugestellt wurde, stellte das Verwaltungsgericht fest, dass Nr. 1.6 des Bescheids der Beklagten vom 10. April 2012 rechtswidrig war und wies die Klage im Übrigen ab.

Soweit es die Klage abwies, führte das Verwaltungsgericht zur Begründung im Wesentlichen aus, die Klage sei als Fortsetzungsfeststellungsklage zulässig, weil die Beklagte die angegriffenen Beschränkungen nach wie vor für rechtmäßig halte und die Kläger daher bei zukünftigen Versammlungsanmeldungen erneut mit solchen Beschränkungen rechnen müssten. Die Beklagte habe ohne Rechtsverstoß nur einen Pavillon als Kundgebungsmittel zugelassen und das Aufstellen von Zelten nach Art. 15 Abs. 1 BayVersG untersagt. Grundsätzlich seien Pavillons, insbesondere wenn sie wie der zweite Pavillon lediglich als Aufenthaltsraum vorgesehen seien, versammlungsrechtlich nicht geschützt. Es habe hier auch kein Ausnahmefall vorgelegen. Insbesondere habe durch das Aufstellen der Pavillons keine kollektive Aussage getroffen werden sollen. Die Pavillons hätten vielmehr dem Zweck gedient, möglichst gute Rahmenbedingungen für die Versammlung zu schaffen, und damit ausschließlich eine logistische Funktion erfüllt. Auch unter dem Blickwinkel der Wiederaufnahme des Hungerstreiks sei die Verwendung eines geschlossenen Pavillons nicht gerechtfertigt gewesen. Aus der Versammlungsfreiheit könne kein Recht auf beliebig günstige Rahmenbedingungen hergeleitet werden. Schließlich sei auch die Untersagung des Nächtigens rechtmäßig. Zwar seien auch länger dauernde Versammlungen von der Versammlungsfreiheit geschützt. Dies gelte jedoch nicht für das dabei auftretende Bedürfnis der Versammlungsteilnehmer, am Versammlungsort zu schlafen.

Auf Antrag der Kläger hat der Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 13. Oktober 2014 die Berufung hinsichtlich der Beschränkung in Nr. 1.13 des Bescheids der Beklagten vom 10. April 2012, soweit dort nur ein Pavillon als Kundgebungsmittel zugelassen war, wegen grundsätzlicher Bedeutung und bezüglich der Beschränkung in Nr. 1.19 des Bescheids wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils zugelassen.

Zur Begründung ihrer Berufung tragen die Kläger vor, das Verwaltungsgericht verkenne die Reichweite der Versammlungsfreiheit. Die von ihnen gewählte Versammlungsform der Dauermahnwache, die den Zustand des Abwartens auf die Asylentscheidung habe widerspiegeln sollen, genieße uneingeschränkt den Schutz der Versammlungsfreiheit. Dies gelte insbesondere für die zeltähnlichen Pavillons, die den Zustand eines „unbehausten“ Kampierens, dem Asylbewerber täglich ausgesetzt seien, zum Ausdruck brächten. Gegenstände, die essentieller Bestandteil der demonstrativen Aussage seien, seien unstreitig von der Versammlungsfreiheit geschützt. Eine Dauermahnwache könne darüber hinaus nur mit einem gewissen Witterungsschutz, wie ihn die Pavillons böten, durchgeführt werden. Auch das Verbot des Nächtigens sei rechtswidrig. Es sei bereits zu unbestimmt. Aber auch wenn man dies anders beurteile, sei Nr. 1.19 des Bescheids vom 10. April 2012 rechtswidrig. Die Teilnehmer einer Dauermahnwache könnten nicht ununterbrochen wach bleiben und müssten daher die Möglichkeit haben, sich vor Ort auszuruhen und einen kurzen nächtlichen Erholungsschlaf zu halten. Schlafmangel führe dazu, dass die Mahnwache vorzeitig abgebrochen werden müsse.

Die Kläger beantragen,

unter teilweiser Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Würzburg vom 14. März 2013 festzustellen, dass auch die Beschränkungen Nr. 1.13 (auf nur einen Pavillon) und Nr. 1.19 (Nächtigungsverbot) im Bescheid der Beklagten vom 10. April 2012 rechtswidrig waren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie ist der Ansicht, Pavillons, die geschlossen und abgetrennt vom eigentlichen Versammlungsgeschehen der privaten Unterbringung der Versammlungsteilnehmer dienten, seien vom Grundrecht der Versammlungsfreiheit nicht umfasst. Das nächtliche Schlafen am Versammlungsort sei weder Kundgebungsmittel noch Ausdruck der Meinungsäußerung der Versammlungsteilnehmer gewesen. Es sei den Versammlungsteilnehmern zuzumuten, zum Schlafen den Versammlungsort zu verlassen. Die Versammlung werde dadurch nicht unterbrochen.

Der Vertreter des öffentlichen Interesses stellt keinen eigenen Antrag.

Er weist darauf hin, dass sich im Falle der hier vorliegenden Dauerversammlung im Hinblick auf Art. 24 Abs. 2 Satz 1 BayVersG die Frage der Zuständigkeitsverteilung zwischen den Kreisverwaltungsbehörden als Versammlungsbehörden und der Polizei stelle und dass seitens des Gesetzgebers beabsichtigt sei, die Zuständigkeitsregelungen im Versammlungsrecht klarstellend dahingehend zu fassen, dass die Kreisverwaltungsbehörden auch nach Beginn einer Versammlung zuständig blieben, die polizeiliche Zuständigkeit aber gleichrangig neben die der Kreisverwaltungsbehörden trete. Auch nach der bisherigen Regelung habe der Gesetzgeber die Zuständigkeit der Kreisverwaltungsbehörde nicht durch die Zuständigkeit der Polizei verdrängen wollen. Hinsichtlich der Verbote eines weiteren Pavillons und des Nächtigens werde von einer eigenen Stellungnahme abgesehen. Nach Aktenlage stelle sich die Frage, ob der zweite Pavillon als wesentliches Ausdrucksmittel für den Versammlungszweck gedient habe. Nach Ansicht des Verwaltungsgerichts sei seine logistische Bedeutung gegenüber der funktionalen und inhaltsbezogenen Bedeutung so stark in den Vordergrund getreten, dass ein versammlungsrechtlicher Schutz ausscheide.

Der Verwaltungsgerichtshof hat am 21. September 2015 über die Berufung mündlich verhandelt. Insoweit wird auf die Sitzungsniederschrift verwiesen.

Ergänzend wird auf die Gerichtsakten dieses Verfahrens und der Verfahren 10 B 14.2246, 10 BV 14.1214, 10 CS 12.767, 10 CS 12.848, 10 CS 12.1106 und 10 CS 12.1419 in beiden Instanzen und die beigezogenen Behördenakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung hat auch in der Sache Erfolg. Die Klage ist zulässig (I.) und begründet (II.).

I.

Die Klage, die auf die Feststellung gerichtet ist, dass die Beschränkungen in Nr. 1.13, soweit darin als Kundgebungsmittel nur ein Pavillon (3 m x 3 m) zugelassen worden ist, und in Nr. 1.19 des Bescheids der Beklagten vom 10. April 2012 rechtswidrig waren, ist zulässig. Sie ist als Fortsetzungsfeststellungsklage in entsprechender Anwendung von § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO statthaft (1.). Die Kläger sind auch in entsprechender Anwendung von § 42 Abs. 2 Alt. 1 VwGO klagebefugt (2.). Es liegt darüber hinaus das in entsprechender Anwendung von § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO erforderliche berechtigte Interesse an der begehrten Feststellung vor (3.). Schließlich sind auch die übrigen Sachurteilsvoraussetzungen erfüllt (4.).

1. Die Klage ist als Fortsetzungsfeststellungsklage in entsprechender Anwendung von § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO statthaft.

In den Fällen einer Anfechtungsklage nach § 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO hebt das Verwaltungsgericht nach § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO den angefochtenen Verwaltungsakt auf, soweit er rechtswidrig ist und den Kläger in seinen Rechten verletzt. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht nach § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO auf Antrag aus, dass der Verwaltungsakt rechtswidrig war, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat. Zwar betrifft diese Regelung nach ihrer Systematik nur Fälle, in denen sich ein Verwaltungsakt, gegen den Anfechtungsklage bereits erhoben worden ist, vor der Entscheidung des Verwaltungsgerichts erledigt hat. Jedoch ist § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO auch dann entsprechend anzuwenden, wenn ein noch nicht bestandskräftiger Verwaltungsakt sich vor der Erhebung der Anfechtungsklage erledigt hat (st. Rspr.; vgl. etwa BayVGH, U. v. 8.3.2010 - 10 B 09.1102, 10 B 0910 B 09.1837 - juris Rn. 22; B. v. 18.4.2013 - 10 B 11.1529 - juris Rn. 24; B. v. 20.3.2015 - 10 B 12.2280 - juris Rn. 24; BVerwG, U. v. 14.7.1999 - 6 C 7/98 - juris Rn. 20 m. w. N.; vgl. andererseits BVerwG, a. a. O., Rn. 22, wo die Frage aufgeworfen, aber offengelassen wird, ob in solchen Fällen nicht stattdessen eine Feststellungsklage nach § 43 Abs. 1 VwGO die statthafte Klageart darstellt; vgl. insoweit auch Gerhardt in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand: 28. Ergänzungslieferung 2015, § 113 Rn. 99; Wolff in Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Aufl. 2014, § 113 Rn. 262).

Eine Feststellungsklage ist daher in entsprechender Anwendung von § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO als Fortsetzungsfeststellungsklage statthaft, wenn sie auf die Feststellung der Rechtswidrigkeit eines nicht bestandskräftigen Verwaltungsakts gerichtet ist, der sich vor Erhebung einer Anfechtungsklage erledigt hat. Dies ist hier der Fall.

a) Die Klage ist auf die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Beschränkungen in Nr. 1.13, soweit darin als Kundgebungsmittel nur ein Pavillon (3 m x 3 m) zugelassen worden war, und in Nr. 1.19 des Bescheids vom 10. April 2012 gerichtet, nach der das Nächtigen auf öffentlichen Plätzen untersagt worden war. Beide Beschränkungen stellten jeweils Verwaltungsakte dar. Denn es handelte sich dabei, wie Art. 35 Satz 1 BayVwVfG dies voraussetzt, um Entscheidungen, die die Beklagte zur Regelung eines Einzelfalls, nämlich zur Regelung der vom Kläger zu 1 angezeigten Versammlung für den Zeitraum vom 12. April 2012 bis zum 16. April 2012, auf dem Gebiet des Versammlungsrechts und damit des öffentlichen Rechts getroffen hat und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet waren, weil sie für den Kläger zu 1 als Veranstalter und Versammlungsleiter und die Klägerin zu 2 als stellvertretende Versammlungsleiterin verbindlich festlegen sollten, dass weder mehr als ein Pavillon errichtet noch am Versammlungsort genächtigt werden durfte.

b) Die angegriffenen Beschränkungen in Nr. 1.13 und Nr. 1.19 des Bescheids vom 10. April 2012 haben sich auch vor Erhebung einer Anfechtungsklage erledigt. Zum einen hat die Beklagte mit Änderungsbescheid vom 12. April 2012 diese Regelungen dahingehend geändert, dass für den Zeitraum vom 12. April 2012 bis zum 16. April 2012 nunmehr statt eines Pavillons zwei Pavillons zugelassen wurden und nur noch das dauerhafte Nächtigen als Ersatz für die Unterbringung in der Gemeinschaftsunterkunft untersagt war, wobei von dem Nächtigungsverbot das Einlegen von Ruhepausen zur Sicherung der effektiven Kundgabe des Anliegens der Versammlungsteilnehmer ausgenommen war. Zum anderen haben sich Nr. 1.13 und 1.19 des Bescheids vom 10. April 2012 jedenfalls mit dem Verstreichen des Zeitraums vom 12. April 2012 bis zum 16. April 2012, für den der Bescheid vom 10. April 2012 gelten sollte, durch Zeitablauf erledigt und sind dadurch nach Art. 43 Abs. 2 BayVwVfG unwirksam geworden. Weder bis zum Erlass des Änderungsbescheids vom 12. April 2012 noch bis zum Ablauf des Geltungszeitraums des Bescheids vom 10. April 2012 am 16. April 2012 hatten die Kläger jedoch gegen diesen Bescheid Anfechtungsklage erhoben.

c) Schließlich waren die streitgegenständlichen Beschränkungen in Nr. 1.13 und Nr. 1.19 des Bescheids vom 10. April 2012 zum Zeitpunkt ihrer Erledigung auch nicht bestandskräftig geworden. Denn die Klagefrist nach § 74 Abs. 1 Satz 2 VwGO, nach dem die Klage innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des Bescheids vom 10. April 2012 und damit bis zum 10. Mai 2012 zu erheben gewesen wäre, war weder bei Erlass des Änderungsbescheids am 12. April 2012 noch bei Ablauf der Geltungsdauer des Bescheids vom 10. April 2012 am 16. April 2012 abgelaufen.

2. Die Kläger sind auch in entsprechender Anwendung von § 42 Abs. 2 Alt. 1 VwGO klagebefugt.

Nach dieser Regelung, die in den Fällen der Fortsetzungsfeststellungsklage entsprechend anwendbar ist (vgl. BayVGH, U. v. 8.3.2010 - 10 B 09.1102, 10 B 0910 B 09.1837 - juris Rn. 23; U. v. 20.3.2015 - 10 B 12.2280 - juris Rn. 31; Wolff in Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Aufl. 2014, § 113 Rn. 286), weil die an die Stelle der Anfechtungsklage tretende Fortsetzungsfeststellungsklage einen zum Zeitpunkt der Erledigung des betreffenden Verwaltungsakts bereits vorhandenen Zulässigkeitsmangel nicht zu heilen vermag (vgl. BVerwG, U. v. 23.3.1982 - 1 C 157/79 - juris Rn. 23; Sodan in Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Aufl. 2014, § 42 Rn. 375, wo § 42 Abs. 2 VwGO allerdings unmittelbar herangezogen wird), ist die Klage nur zulässig, wenn der Kläger geltend macht, durch den Verwaltungsakt in seinen Rechten verletzt zu sein. Dafür genügt es, dass die behauptete Rechtsverletzung möglich erscheint. Dies ist bereits dann anzunehmen, wenn eine Verletzung eigener subjektiver Rechte des Klägers nicht offensichtlich und eindeutig nach jeder Betrachtungsweise ausgeschlossen ist (st. Rspr.; vgl. etwa BVerwG, U. v. 23.3.1982 - 1 C 157/79 - juris Rn. 23; U. v. 10.7.2001 - 1 C 35/00 - juris Rn. 15 jeweils m. w. N.). Danach sind die Kläger aber klagebefugt. Denn es erscheint zumindest möglich, dass sie durch die streitgegenständlichen Beschränkungen in Nr. 1.13 und Nr. 1.19 des Bescheids vom 10. April 2012 in ihrem Recht verletzt sind, sich friedlich und ohne Waffen zu versammeln.

a) Für die Klägerin zu 2 als deutsche Staatsangehörige ist dieses Recht in Art. 8 Abs. 1 GG verankert, nach dem alle Deutschen das Recht haben, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln. Für den Kläger zu 1, der iranischer Staatsangehöriger ist, folgt es aus seiner allgemeinen Handlungsfreiheit nach Art. 2 Abs. 1 GG sowie aus Art. 11 Abs. 1 Halbsatz 1 Alt. 1 EMRK (vgl. Zeitler, Grundriss des Versammlungsrechts, 2015, S. 27; einschränkend in Bezug auf Art. 2 Abs. 1 GG vgl. Depenheuer in Maunz/Dürig, GG, Stand: 74 Ergänzungslieferung Mai 2015, Art. 8 Rn. 109), nach dem jeder das Recht hat, sich frei und friedlich mit anderen zu versammeln. Darüber hinaus ist dieses Recht beiden Klägern einfachgesetzlich durch Art. 1 BayVersG gewährleistet. Denn danach hat jedermann das Recht, sich friedlich und ohne Waffen öffentlich mit anderen zu versammeln.

b) Eine Verletzung der Kläger in ihrem Recht, sich zu versammeln, durch die streitgegenständlichen Beschränkungen in Nr. 1.13 und Nr. 1.19 des Bescheids vom 10. April 2012 ist auch nicht nach jeder Betrachtungsweise ausgeschlossen. Denn bei der vom Kläger zu 1 angezeigten Veranstaltung, für die diese Regelungen ab dem 12. April 2012 Vorgaben gemacht haben, handelte es sich um eine Versammlung im Sinne von Art. 8 Abs. 1 GG und Art. 1 BayVersG.

Versammlungen im Sinne von Art. 8 Abs. 1 GG sind örtliche Zusammenkünfte mehrerer Personen zur gemeinschaftlichen, auf die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung gerichteten Erörterung oder Kundgebung (vgl. BVerfG, B. v. 24.10.2001 - 1 BvR 1190/90, 1 BvR 2173/93, 1 BvR 433/96 - juris Rn. 41; BVerwG, U. v. 16.5.2007 - 6 C 23/06 - juris Rn. 15). Enthält eine Veranstaltung sowohl Elemente, die auf die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung gerichtet sind, als auch solche, die diesem Zweck nicht zuzurechnen sind, so ist entscheidend, ob die Veranstaltung ihrem Gesamtgepräge nach eine Versammlung im Sinne von Art. 8 Abs. 1 GG darstellt. Bleiben insoweit Zweifel, so bewirkt der hohe Rang der Versammlungsfreiheit, dass die Veranstaltung wie eine Versammlung behandelt wird (vgl. BVerfG, B. v. 12.7.2001 - 1 BvQ 28/01, 1 BvQ 30/01 - juris Rn. 29; BVerwG, U. v. 16.5.2007 - 6 C 23/06 - juris Rn. 16). Weitgehend übereinstimmend mit diesen Grundsätzen definiert Art. 2 Abs. 1 BayVersG Versammlungen im Sinne des Bayerischen Versammlungsgesetzes als Zusammenkünfte von mindestens zwei Personen zur gemeinschaftlichen, überwiegend auf die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung gerichteten Erörterung oder Kundgebung.

Legt man dies zugrunde, so stellte sich die vom Kläger zu 1 angezeigte Veranstaltung nach ihrem Gesamtgepräge aber als Versammlung im Sinne von Art. 8 Abs. 1 GG und Art. 1 BayVersG dar. Denn sie war überwiegend auf die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung gerichtet.

aa) Zweck der Veranstaltung, die als Versammlung in Form eines ab 4. April 2012 ausgesetzten Hungerstreiks zum Thema Asylpolitik angezeigt worden war, war es, die Öffentlichkeit auf die Situation von Asylbewerbern in Deutschland aufmerksam zu machen und dadurch auf eine Verbesserung dieser Situation hinzuwirken. Dabei ging es, wie der Forderungskatalog der Hungerstreikenden zeigt, der sich bei den Behördenakten befindet, zum einen darum, die Asylverfahren der Teilnehmer am Hungerstreik zu beschleunigen und deren Anerkennung als Asylberechtigte sowie die Möglichkeit des Nachzugs ihrer Familien zu erreichen. Zum anderen wurde eine Verbesserung der Situation aller Asylbewerber angestrebt. Insbesondere wurde von der Politik die Abschaffung der Unterbringung von Asylbewerbern in Gemeinschaftsunterkünften, der Residenzpflicht und der Zuteilung von Essenspaketen, eine drastische Verkürzung der Dauer der Antragsbearbeitung durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, die Einführung eines Anspruchs aller Asylbewerber auf Teilnahme an professionellen Deutschkursen und die Möglichkeit gefordert, den Lebensunterhalt durch eigene Arbeit zu sichern.

bb) War damit die vom Kläger zu 1 angezeigte Veranstaltung aber auf die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung gerichtet, so steht ihrer Einordnung als Versammlung im Sinne von Art. 8 Abs. 1 GG und Art. 1 BayVersG nicht entgegen, dass in ihrem Rahmen auch Pavillons errichtet worden waren und beibehalten werden sollten, die es den Teilnehmern ermöglichten, sich - nicht nur im Falle der Wiederaufnahme des ausgesetzten Hungerstreiks - auszuruhen, zu schlafen, Zuflucht vor ungünstigen Witterungsbedingungen zu suchen oder sonst den Aufenthalt am Veranstaltungsort zu erleichtern. Denn ungeachtet dessen stand im Vordergrund der Veranstaltung die beabsichtigte Einflussnahme auf die öffentliche Meinung. Dies gilt nach Überzeugung des Verwaltungsgerichtshofs unabhängig davon, ob, wie die Kläger in der mündlichen Verhandlung dargelegt haben, insbesondere durch das Aufstellen der Pavillons auf die prekäre Situation der Asylbewerber in der Gemeinschaftsunterkunft, in der es an einer Privatsphäre mangele, aufmerksam gemacht werden sollte. Denn auch die Anwesenheit der Teilnehmer am Versammlungsort rund um die Uhr über mehrere Tage hinweg, die ohne die Möglichkeit, sich zum Schutz vor ungünstigen Witterungsbedingungen und zum Ausruhen und Schlafen in die vorgesehenen Pavillons begeben zu können, nicht gewährleistet gewesen wäre, war geeignet, dem auf die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung gerichteten Anliegen der Veranstaltung Nachdruck zu verleihen.

cc) Schließlich steht der Einordnung der vom Kläger zu 1 angezeigten Veranstaltung in Form eines Hungerstreiks als Versammlung im Sinne von Art. 8 Abs. 1 GG und Art. 1 BayVersG auch nicht entgegen, dass mit ihr auch die Anerkennung der Veranstaltungsteilnehmer als Asylberechtigte herbeigeführt werden sollte. Zwar schützt die Versammlungsfreiheit nur die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung, nicht aber die zwangsweise oder sonstige selbsthilfeähnliche Durchsetzung eigener Forderungen (vgl. BVerfG, B. v. 24.10.2001 - 1 BvR 1190/90, 1 BvR 2173/93, 1 BvR 433/96 - juris Rn. 44). Jedoch ging es hier nach Überzeugung des Verwaltungsgerichtshofs nicht in erster Linie darum, die eigenen Forderungen in selbsthilfeähnlicher Weise durchzusetzen. Vielmehr stand im Vordergrund das Bestreben, durch den Hungerstreik und nach dessen Aussetzung durch die Anwesenheit der Veranstaltungsteilnehmer am Veranstaltungsort rund um die Uhr die Bedeutung dieser Forderungen zu unterstreichen und so Einfluss auf die öffentliche Meinung zu nehmen. Es überwog damit aber gerade der von der Versammlungsfreiheit geschützte Zweck der Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung.

c) Handelte es sich damit aber bei der vom Kläger zu 1 angemeldeten Veranstaltung um eine Versammlung im Sinne von Art. 8 Abs. 1 GG und Art. 1 BayVersG, so berührten die streitgegenständlichen Beschränkungen dieser Versammlung in Nr. 1.13 und Nr. 1.19 des Bescheids vom 10. April 2012 den Kläger zu 1 als Veranstalter und Versammlungsleiter und die Klägerin zu 2 als stellvertretende Versammlungsleiterin in ihrer Versammlungsfreiheit nach Art. 1 BayVersG und Art. 8 Abs. 1 GG. Es besteht daher auch die Möglichkeit, dass sie durch diese Beschränkungen in ihren Rechten verletzt worden sind.

3. Die Kläger haben darüber hinaus das in entsprechender Anwendung von § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO erforderliche berechtigte Interesse an der Feststellung, dass die angegriffenen Beschränkungen in Nr. 1.13 und Nr. 1.19 des Bescheids vom 10. April 2012 rechtswidrig waren.

Als ein solches Interesse kommt grundsätzlich jedes nach Lage des Falles anzuerkennende schutzwürdige Interesse rechtlicher, wirtschaftlicher oder ideeller Art in Betracht (vgl. BVerwG, B. v. 12.9.1989 - 1 C 40/88 - juris Rn. 10 m. w. N.; BayVGH, U. v. 8.3.2010 - 10 B 09.1102, 10 B 0910 B 09.1837 - juris Rn. 25). Insbesondere besteht das erforderliche Feststellungsinteresse, wenn die Gefahr einer Wiederholung besteht. In versammlungsrechtlichen Streitigkeiten setzt dies zum einen die Möglichkeit einer erneuten Durchführung einer vergleichbaren Versammlung durch die Kläger (a) voraus, zum anderen, dass die Behörde voraussichtlich auch zukünftig an ihrer Rechtsauffassung festhalten wird (BVerfG, B. v. 3.3.2004 - 1 BvR 461/03 - juris Rn. 41; b). Danach liegt bei den Klägern aber das in entsprechender Anwendung von § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO erforderliche berechtigte Interesse an der begehrten Feststellung der Rechtswidrigkeit von Nr. 1.13, soweit darin als Kundgebungsmittel nur ein Pavillon (3 m x 3 m) zugelassen worden ist, und Nr. 1.19 des Bescheids vom 10. April 2012 vor. Denn nach der aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung des Senats (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) ist hier auf der Grundlage der genannten Maßstäbe von einer Wiederholungsgefahr auszugehen.

a) Es besteht zunächst die Möglichkeit, dass die Kläger erneut eine vergleichbare Versammlung durchführen. Denn nach ihren Darlegungen in der mündlichen Verhandlung und unter Berücksichtigung aller Umstände des Falles besteht erkennbar die Möglichkeit, dass die Kläger auch in Zukunft Versammlungen abhalten werden, die ihrer Art nach zu den gleichen Rechtsproblemen und damit der gleichen Beurteilung ihrer Rechtmäßigkeit führen können, wobei nicht erforderlich ist, dass die möglichen weiteren Versammlungen unter gleichen Umständen, mit einem identischen Motto und am selben Ort durchgeführt werden (vgl. BVerfG, a. a. O., Rn. 42).

Die Kläger leben beide noch im Stadtgebiet der Beklagten. Sie sind weiterhin politisch aktiv. Die Klägerin zu 2 hat in der mündlichen Verhandlung vorgetragen, dass immer wieder diskutiert werde, ob die Öffentlichkeit erneut mit einer vergleichbaren Aktion auf die Anliegen, die auch schon Gegenstand der damaligen Veranstaltung gewesen seien, hingewiesen werden solle. Außerdem hat sie darauf hingewiesen, dass sich auch ein Hungerstreik, wenn auch vielleicht mit einer geringeren Zahl an Teilnehmern, jederzeit wiederholen lasse. Vor diesem Hintergrund besteht nach Überzeugung des Verwaltungsgerichtshofs aber erkennbar die Möglichkeit, dass die Kläger erneut eine vergleichbare Versammlung veranstalten und leiten werden, die unter Verwendung von Pavillons über längere Zeit hinweg rund um die Uhr stattfindet und damit hinsichtlich der Zahl der zum Einsatz kommenden Pavillons und ihrer Nutzung zum Nächtigen zu den gleichen Rechtsproblemen, wie sie den streitgegenständlichen Bestimmungen in Nr. 1.13 und Nr. 1.19 des Bescheids vom 10. April 2012 zugrunde lagen, und zu einer gleichen rechtlichen Beurteilung dieser Probleme führen kann. Dies gilt umso mehr, als in einer Situation, in der wie gegenwärtig die Asylbewerberzahlen rasch ansteigen, mit dem Auftreten von Problemen zu rechnen ist, die mit denjenigen, die Auslöser der Versammlung im April 2012 waren, vergleichbar sind. Insbesondere liegt insoweit auf der Hand, dass die steigenden Asylbewerberzahlen zumindest vorübergehend mit einer längeren Dauer der einzelnen Asylverfahren und mit Schwierigkeiten bei der Unterbringung der Betroffenen verbunden sein können.

b) Ebenso wird die Beklagte nach Überzeugung des Verwaltungsgerichtshofs voraussichtlich auch zukünftig an ihrer Rechtsauffassung festhalten. Denn es ist nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens davon auszugehen, dass sie Beschränkungen der Durchführung weiterer vergleichbarer Versammlungen der Kläger wieder mit den gleichen Gründen rechtfertigen wird (vgl. BVerfG, B. v. 3.3.2004 - 1 BvR 461/03 - juris Rn. 43).

aa) Hinsichtlich der Nr. 1.13 des Bescheids vom 10. April 2012, die, soweit sie angegriffen ist, lediglich die Errichtung eines einzigen Pavillons zulässt, folgt dies zunächst daraus, dass der Vertreter des Beklagten in der mündlichen Verhandlung selbst vom Bestehen einer Wiederholungsgefahr ausgegangen ist, weil die Beklagte weiterhin einen zweiten Pavillon nicht als vom Grundrecht der Versammlungsfreiheit geschützt ansehe. Bestätigt wird dies außerdem dadurch, dass die Beklagte auch in späteren Bescheiden vom 14. Mai 2012, 15. Juni 2012 und 16. August 2012, die die Fortsetzung der Versammlung der Kläger über den hier in Rede stehenden Zeitraum hinaus bis in den Oktober 2012 betrafen, lediglich einen Pavillon mit einer Grundfläche von 3 m x 3 m zugelassen und dies zudem jeweils damit begründet hat, dass das Aufstellen von Zelten nicht von der Versammlungsfreiheit umfasst sei.

Der Annahme, dass die Beklagte mit dieser Begründung bei vergleichbaren Versammlungen der Kläger erneut eine Beschränkung auf einen Pavillon vornehmen wird, steht auch nicht entgegen, dass sie mit Änderungsbescheid vom 12. April 2012 die Regelung in Nr. 1.13 des Bescheids vom 10. April 2012 geändert und für den verbleibenden Versammlungszeitraum vom 12. April 2012 bis zum 16. April 2012 zwei Pavillons mit einer Grundfläche von jeweils 3 m x 3 m zugelassen hat. Denn damit hat die Beklagte nicht ihre dem Bescheid vom 10. April 2012 zugrunde liegende Rechtsauffassung aufgegeben, sondern lediglich dem Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 12. April 2012 Rechnung getragen, der die aufschiebende Wirkung in Bezug auf Nr. 1.13 des Bescheids vom 10. April 2012 mit der sich lediglich aus den Gründen ergebenden Maßgabe angeordnet hatte, dass die Aufstellung eines zweiten Pavillons möglich sein müsse. Dies geht aus der Begründung des Änderungsbescheids vom 12. April 2012 hervor, nach der die Beklagte die Änderung im Interesse der Rechtsklarheit für notwendig gehalten hat, um den Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs vom 12. April 2012 „seinen Niederschlag finden zu lassen“.

bb) Schließlich ist auch in Bezug auf Nr. 1.19 des Bescheids vom 10. April 2012 davon auszugehen, dass die Beklagte eine entsprechende Beschränkung weiterer vergleichbarer Versammlungen der Kläger wieder mit den gleichen Gründen rechtfertigen wird.

Zwar hat die Beklagte das Nächtigen in den späteren Bescheiden, die die Fortsetzung der Versammlung bis in den Oktober 2012 hinein betrafen, nicht mehr vollständig untersagt. Nicht gestattet war nur noch das dauerhafte Nächtigen als Ersatz für die Unterbringung in der Gemeinschaftsunterkunft, wobei das Einlegen von Ruhepausen in Form des Ausruhens und Schlafens zur Sicherung der effektiven Kundgabe des Anliegens der Versammlungsteilnehmer ausdrücklich von dem Verbot nicht erfasst werden sollte. Jedoch blieb es damit wie in Nr. 1.19 des Bescheids vom 10. April 2012 ausgeschlossen, am Versammlungsort zu übernachten. Dies wurde dabei durchgehend damit begründet, dass das Nächtigen als nicht der Meinungskundgabe dienend von der Versammlungsfreiheit nicht geschützt sei. Dass die Haltung der Beklagten sich insoweit bis heute nicht geändert hat und die Beklagte das Nächtigen im Sinne eines Übernachtens im Falle einer weiteren vergleichbaren Versammlung aus den gleichen Gründen erneut verbieten würde, hat der Vertreter der Beklagten in der mündlichen Verhandlung darüber hinaus ausdrücklich bestätigt. Denn er hat ausgeführt, dass das Nächtigen als Erholungsschlaf anders als Ruhepausen und ein kurzes Einschlafen nach Auffassung der Beklagten nicht vom Grundrecht der Versammlungsfreiheit umfasst sei und deshalb auch künftig untersagt werde.

4. Schließlich sind auch die übrigen Sachurteilsvoraussetzungen erfüllt. Insbesondere ist die Klage nicht wegen Versäumung der Klagefrist des § 74 Abs. 1 Satz 1 VwGO unzulässig. Denn abgesehen davon, dass die auf die Feststellung der Rechtswidrigkeit eines vor Eintritt der Bestandskraft erledigten und damit unwirksam gewordenen Verwaltungsakts gerichtete Fortsetzungsfeststellungsklage nicht an die für die Anfechtungsklage vorgesehene Frist nach § 74 Abs. 1 Satz 2 VwGO gebunden ist (vgl. BVerwG, U. v. 14.7.1999 - 6 C 7/98 - juris Rn. 19 ff.), wäre diese Frist hier auch gewahrt. Denn die Klage ist beim Verwaltungsgericht am 10. Mai 2012 eingegangen und damit innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des Bescheids vom 10. April 2012 erhoben worden.

II.

Die Klage ist auch begründet. Die Beschränkungen in Nr. 1.13, soweit darin als Kundgebungsmittel nur ein Pavillon (3 m x 3 m) zugelassen worden ist, und in Nr. 1.19 des Bescheids vom 10. April 2012 waren rechtswidrig (1.) und verletzten die Kläger in ihren Rechten (vgl. zu dieser Voraussetzung BVerwG, U. v. 3.3.1987 - 1 C 15.85 - juris Rn. 15; 2.). Es ist deshalb in entsprechender Anwendung von § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO antragsgemäß auszusprechen, dass sie rechtswidrig gewesen sind.

1. Die Beschränkungen in Nr. 1.13, soweit darin als Kundgebungsmittel nur ein Pavillon (3 m x 3 m) zugelassen worden ist, und in Nr. 1.19 des Bescheids vom 10. April 2012, die die Beklagte auf Art. 15 Abs. 1 BayVersG gestützt hat, waren rechtswidrig. Zwar kam Art. 15 BayVersG als Rechtsgrundlage für die streitgegenständlichen Maßnahmen in Betracht (a). Die Beklagte war für deren Erlass aber nicht sachlich zuständig (b). Die daraus folgende formelle Rechtswidrigkeit war auch nicht nach Art. 46 BayVwVfG unbeachtlich (c).

a) Als Rechtsgrundlage für die in Nr. 1.13, soweit darin als Kundgebungsmittel nur ein Pavillon (3 m x 3 m) zugelassen worden ist, und in Nr. 1.19 des Bescheids vom 10. April 2012 verfügten Beschränkungen kamen Art. 15 Abs. 1 und 4 BayVersG in Betracht.

Nach Art. 15 Abs. 1 BayVersG kann die zuständige Behörde Versammlungen beschränken oder verbieten, wenn nach den zur Zeit des Erlasses der Verfügung erkennbaren Umständen die öffentliche Sicherheit oder Ordnung bei Durchführung der Versammlung unmittelbar gefährdet ist oder ein Fall des Art. 12 Abs. 1 BayVersG vorliegt. Nach Versammlungsbeginn kann gemäß Art. 15 Abs. 4 BayVersG die zuständige Behörde eine Versammlung beschränken oder auflösen, wenn die Voraussetzungen für eine Beschränkung oder ein Verbot nach Art. 15 Abs. 1 BayVersG vorliegen oder gerichtlichen Beschränkungen zuwidergehandelt wird. Voraussetzung ist dabei nach Art. 15 Abs. 1 und Art. 15 Abs. 4 BayVersG gleichermaßen, dass die betreffenden Maßnahmen sich auf eine Versammlung beziehen, also nach der Legaldefinition des Art. 2 Abs. 1 BayVersG auf eine Zusammenkunft von mindestens zwei Personen zur gemeinschaftlichen, überwiegend auf die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung gerichteten Erörterung oder Kundgebung.

Danach konnten hier die mit der Fortsetzungsfeststellungsklage angegriffenen Beschränkungen in Nr. 1.13 und Nr. 1.19 des Bescheids vom 10. April 2012 grundsätzlich auf Art. 15 Abs. 1 oder 4 BayVersG gestützt werden. Denn bei der vom Kläger zu 1 am 27. März 2012 für die Zeit vom 2. April 2012 bis zum 16. April 2012 als Hungerstreik zum Thema Asylpolitik angezeigten Veranstaltung handelte es sich, wie bereits im Rahmen der Prüfung der Klagebefugnis dargelegt, (oben I.2.b) um eine Versammlung im Sinne von Art. 2 Abs. 1 BayVersG.

b) Zum Erlass der streitgegenständlichen Beschränkungen in Nr. 1.13 und 1.19 des Bescheids vom 10. April 2012 auf der Grundlage von Art. 15 Abs. 1 oder 4 BayVersG war die Beklagte aber nicht mehr befugt. Denn sie war bei Erlass des Bescheids vom 10. April 2012 nicht mehr zuständige Behörde im Sinne dieser Bestimmungen und damit sachlich unzuständig.

Zuständige Behörden im Sinne des Versammlungsgesetzes und damit auch im Sinne von Art. 15 Abs. 1 und 4 BayVersG sind nach Art. 24 Abs. 2 Satz 1 BayVersG die Kreisverwaltungsbehörden, ab Versammlungsbeginn die Polizei. Bei einer Auslegung anhand von Wortlaut, Sinn und Zweck, systematischem Zusammenhang und Entstehungsgeschichte ist diese Regelung so zu verstehen, dass bis zum Versammlungsbeginn die Kreisverwaltungsbehörden und ab Versammlungsbeginn die Polizei sachlich zuständige Behörden im Sinne des Versammlungsgesetzes sind (aa). Art. 24 Abs. 2 Satz 1 BayVersG ist auch weder allgemein noch für Versammlungen, die sich wie hier über einen längeren Zeitraum erstrecken, dahingehend teleologisch zu reduzieren, dass die sachliche Zuständigkeit für Beschränkungen von Versammlungen nicht mit dem Versammlungsbeginn auf die Polizei übergeht, sondern bei der Kreisverwaltungsbehörde verbleibt (bb). Bei diesem Verständnis von Art. 24 Abs. 1 Satz 2 BayVersG war für Beschränkungen nach Art. 15 BayVersG zum Zeitpunkt des Erlasses des Bescheids vom 10. April 2012 sachlich zuständige Behörde aber nicht mehr die Beklagte, die als kreisfreie Stadt Kreisverwaltungsbehörde ist (Art. 9 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 GO), sondern die Polizei (cc).

aa) Art. 24 Abs. 2 Satz 1 BayVersG ist auf der Grundlage einer grammatikalischen, teleologischen, systematischen und historischen Auslegung so zu verstehen, dass sachlich zuständige Behörden für Maßnahmen nach dem Versammlungsgesetz bis zum Versammlungsbeginn die Kreisverwaltungsbehörden sind, ab Versammlungsbeginn jedoch allein die Polizei sachlich zuständig ist (vgl. in diesem Sinne auch Schreiben des Bayerischen Staatsministeriums des Innern vom 29.9.2008, ID5-1204.2-18, nach dem zuständige Behörde ab Beginn der Versammlung ausschließlich die Polizei ist).

aaa) Dies folgt zunächst aus dem Wortlaut von Art. 24 Abs. 2 Satz 1 BayVersG. Sind danach die Kreisverwaltungsbehörden, ab Versammlungsbeginn aber die Polizei zuständig, so bedeutet dies nach allgemeinem Sprachgebrauch, dass ab dem Beginn einer Versammlung die Polizei, nicht aber die Kreisverwaltungsbehörde zuständig ist. Wäre hingegen gemeint gewesen, dass ab Versammlungsbeginn die Zuständigkeit der Polizei lediglich neben die der Kreisverwaltungsbehörde hätte treten sollen, so hätte dies sprachlich ohne weiteres durch eine Formulierung zum Ausdruck gebracht werden können, nach der ab Versammlungsbeginn etwa „daneben“ oder „auch“ die Polizei (vgl. insoweit den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Bayerischen Versammlungsgesetzes und des Polizeiaufgabengesetzes vom 6.7.2015, LT-Drs. 17/7338, S. 3) zuständig gewesen wäre. Eine solche Formulierung, die auf eine parallele Zuständigkeit von Kreisverwaltungsbehörde und Polizei nach Versammlungsbeginn hindeuten würde, fehlt jedoch gerade.

bbb) Die alleinige Zuständigkeit der Polizei nach dem Beginn einer Versammlung entspricht auch dem Sinn und Zweck von Art. 24 Abs. 2 Satz 1 BayVersG, wie er in der Gesetzesbegründung seinen Niederschlag gefunden hat.

Danach soll Art. 24 Abs. 2 Satz 1 BayVersG die Zuständigkeitsregelung für die Versammlungsbehörden nach dem Gesetz über die Ausführung des Versammlungsgesetzes übernehmen (vgl. LT-Drs. 15/10181, S. 26). Diese sah für das Verbot und die Festlegung bestimmter Auflagen für Versammlungen unter freiem Himmel nach § 15 Abs. 1 VersammlG die Zuständigkeit der Kreisverwaltungsbehörde vor (Art. 7 Abs. 1 Satz 1 AGVersammlG). Die Auflösung einer Versammlung nach § 15 Abs. 2 und 3 VersammlG (jetzt § 15 Abs. 3 und 4 VersammlG) oblag hingegen der Polizei (Art. 7 Abs. 2 AGVersammlG). In Anknüpfung daran heißt es in der Gesetzesbegründung wörtlich: „Bis Versammlungsbeginn sind demnach nach Abs. 2 Satz 1 die Kreisverwaltungsbehörden zuständig, mit Beginn der Versammlung geht die Zuständigkeit - ebenfalls wie bisher - aber auf die Polizei über“ (vgl. LT-Drs. 15/10181, S. 26). Die Zuständigkeitsregelung in Art. 24 Abs. 2 Satz 1 BayVersG bezweckt damit aber ausdrücklich eine Zuständigkeitsverteilung, nach der die sachliche Zuständigkeit für Maßnahmen nach dem Bayerischen Versammlungsgesetz bis zum Versammlungsbeginn bei der Kreisverwaltungsbehörde liegt, mit dem Versammlungsbeginn aber auf die Polizei übergeht, weil sich diese Zuständigkeitsverteilung nach Ansicht der Staatsregierung in der Praxis bewährt hat (vgl. LT-Drs. 15/10181, S. 26).

Dem Sinn und Zweck von Art. 24 Abs. 2 Satz 1 BayVersG läuft es auch nicht zuwider, dass mit dem Zuständigkeitswechsel bei Versammlungsbeginn nicht nur wie nach Art. 7 Abs. 2 AGVersammlG die Zuständigkeit für die Auflösung, sondern auch die Zuständigkeit für Beschränkungen der Versammlung auf die Polizei übergeht, die ihr nach Art. 7 Abs. 1 Satz 2 AGVersammlG nur in unaufschiebbaren Fällen zukam, im Übrigen aber nach Art. 7 Abs. 1 Satz 1 AGVersammlG bei der Kreisverwaltungsbehörde verblieb. Denn dies ist lediglich die Konsequenz der bewussten Entscheidung des Gesetzgebers, in Art. 15 Abs. 4 BayVersG (ursprünglich Art. 15 Abs. 3 BayVersG) die bisherige Ermächtigung des § 15 Abs. 3 VersammlG zur Auflösung einer Versammlung um die Befugnis zu ihrer nachträglichen Beschränkung zu erweitern, um dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit Rechnung zu tragen, nach dem die Auflösung einer Versammlung als ultima ratio erst erfolgen darf, wenn das mildere Mittel der nachträglichen Beschränkung zur Gefahrenabwehr nicht ausreicht (vgl. LT-Drs. 15/10181, S 23). Sollte damit aber einerseits nach Versammlungsbeginn der für die Auflösung von Versammlungen zuständigen Behörde als milderes Mittel die Möglichkeit nachträglicher Beschränkungen eröffnet werden und andererseits die Polizei wie nach früherem Recht für die Versammlungsauflösung zuständig sein, so entspricht es dieser gesetzgeberischen Zielsetzung, wenn der Polizei ab Versammlungsbeginn nicht nur die alleinige Zuständigkeit für die Auflösung, sondern auch für nachträgliche Beschränkungen von Versammlungen zugewiesen wird.

Schließlich bezweckt Art. 24 Abs. 2 Satz 1 BayVersG eine sachgerechte Zuständigkeitsverteilung. Dem entspricht es, ab Beginn der Versammlung die Zuständigkeit derjenigen Behörde zuzuweisen, die sich während der Versammlung in der Regel vor Ort befindet und deshalb auf nach Versammlungsbeginn auftretende Gefährdungen der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung regelmäßig zeitnah reagieren kann. Diesem objektiven Zweck wird aber gerade dann Rechnung getragen, wenn die bis zum Versammlungsbeginn bestehende sachliche Zuständigkeit der Kreisverwaltungsbehörde mit dem Beginn der Versammlung auf die Polizei übergeht.

ccc) Einem Verständnis von Art. 24 Abs. 2 Satz 1 BayVersG, nach dem bis zum Versammlungsbeginn die Kreisverwaltungsbehörde, ab dem Beginn der Versammlung jedoch allein die Polizei zuständig ist, steht auch der systematische Zusammenhang nicht entgegen, in dem diese Regelung steht. Vielmehr sind die zu versammlungsbezogenen Maßnahmen ermächtigenden Befugnisnormen in Art. 15 Abs. 1 und 4 BayVersG auf die Zuständigkeitsregelung des Art. 24 Abs. 2 Satz 1 BayVersG abgestimmt.

Nach Art. 15 Abs. 1 BayVersG kann die zuständige Behörde eine Versammlung beschränken oder verbieten. Nach Versammlungsbeginn kann die zuständige Behörde gemäß Art. 15 Abs. 4 BayVersG die Versammlung beschränken oder auflösen. Damit ändern sich mit dem Zeitpunkt des Beginns der Versammlung die Befugnisse der zuständigen Behörde. Während diese zunächst ermächtigt war, die Versammlung zu beschränken und zu verbieten, ist sie nach Versammlungsbeginn befugt, die Versammlung zu beschränken oder aufzulösen. Wer zuständige Behörde ist, bestimmt sich dabei nach Art. 24 Abs. 2 Satz 1 BayVersG, nach dem sich mit dem Versammlungsbeginn die sachliche Zuständigkeit ändert. War zunächst die Kreisverwaltungsbehörde zuständig, so ist ab Beginn der Versammlung die Polizei zuständig. Versteht man Art. 24 Abs. 2 Satz 1 BayVersG entsprechend seinem Wortlaut und seinem Sinn und Zweck so, dass mit dem Versammlungsbeginn die sachliche Zuständigkeit von der Kreisverwaltungsbehörde auf die Polizei übergeht, so lässt sich dies mit den Befugnisnormen in Art. 15 Abs. 1 und Abs. 4 BayVersG zwanglos und widerspruchsfrei vereinbaren. Denn es ist dann nach Versammlungsbeginn allein die Polizei zuständig, die nach Art. 15 Abs. 4 BayVersG die Versammlung unter den dort genannten Voraussetzungen beschränken oder auflösen kann.

Insbesondere ist es in systematischer Hinsicht unproblematisch, dass bei diesem Verständnis ab Versammlungsbeginn Versammlungsbeschränkungen und -verbote durch die Kreisverwaltungsbehörde ausscheiden. Denn die erforderlichen Beschränkungen kann die Polizei nach Art. 15 Abs. 4 BayVersG vornehmen. Eines Versammlungsverbots nach Art. 15 Abs. 1 BayVersG bedarf es nach dem Beginn einer Versammlung nicht, weil die Polizei die Versammlung nach Art. 15 Abs. 4 BayVersG auflösen kann, wenn die Voraussetzungen für ein Verbot nach Art. 15 Abs. 1 BayVersG vorliegen.

Mit einem Verständnis von Art. 24 Abs. 2 Satz 1 BayVersG, nach dem bis zum Versammlungsbeginn die Kreisverwaltungsbehörde, ab dem Beginn der Versammlung jedoch allein die Polizei zuständig ist, steht es dabei auch im Einklang, dass nach Art. 24 Abs. 2 Satz 2 BayVersG wie bereits nach Art. 7 Abs. 1 Satz 2 AGVersammlG die Polizei weiterhin in unaufschiebbaren Fällen auch an Stelle der Kreisverwaltungsbehörde Maßnahmen treffen kann. Denn diese Zuständigkeitsregelung wird dadurch, dass die Zuständigkeit mit dem Beginn einer Versammlung ohnehin auf die Polizei übergeht, nicht funktionslos. Denn ausweislich der Gesetzesbegründung dient Art. 24 Abs. 2 Satz 2 BayVersG gerade dazu, der Polizei zu ermöglichen, in unaufschiebbaren Fällen an Stelle der Kreisverwaltungsbehörde Maßnahmen bereits vor Versammlungsbeginn und damit zu einem Zeitpunkt zu treffen, zu dem die sachliche Zuständigkeit nach Art. 24 Abs. 2 Satz 1 BayVersG noch nicht auf sie übergegangen ist (vgl. LT-Drs. 15/10181, S. 26).

ddd) Schließlich steht auch die Entstehungsgeschichte dem Verständnis von Art. 24 Abs. 2 Satz 1 BayVersG im Sinne einer alleinigen sachlichen Zuständigkeit der Polizei nach Versammlungsbeginn nicht entgegen. Wie im Rahmen der teleologischen Auslegung ausgeführt, ergibt sich vielmehr aus der Gesetzesbegründung (vgl. LT-Drs. 15/10181, S. 23 und 26) gerade, dass Art. 24 Abs. 2 Satz 1 BayVersG eine Zuständigkeitsregelung bezweckt, nach der bis zum Versammlungsbeginn die Kreisverwaltungsbehörde, ab Versammlungsbeginn aber ausschließlich die Polizei zuständig ist.

Die vom Vertreter des öffentlichen Interesses vorgelegte Begründung zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Bayerischen Versammlungsgesetzes und des Polizeiaufgabengesetzes vom 6. Juli 2015 nimmt demgegenüber zwar an, Art. 24 Abs. 2 Satz 1 BayVersG habe klarstellen sollen, dass die Polizei ab Versammlungsbeginn nicht nur wie zuvor nach Art. 7 Abs. 1 Satz 2 AGVersammlG in unaufschiebbaren Fällen Versammlungsbeschränkungen verfügen könne, es sei aber nicht gewollt gewesen, die Zuständigkeit der Kreisverwaltungsbehörden ab Beginn einer Versammlung durch die Zuständigkeit der Polizei zu verdrängen, so dass ab Versammlungsbeginn nur noch die Polizei zuständig sei (vgl. LT-Drs. 17/7338, S. 4). Diese Annahme ist jedoch unzutreffend. Denn nach der Begründung zum Gesetzentwurf eines Bayerischen Versammlungsgesetzes vom 11. März 2008, der in Bezug auf Art. 24 Abs. 2 Satz 1 BayVersG unverändert Gesetz geworden ist, war mit dieser Regelung, wie bereits dargelegt, ausdrücklich eine Zuständigkeitsverteilung beabsichtigt, nach der bis Versammlungsbeginn die Kreisverwaltungsbehörden zuständige Versammlungsbehörden sind, mit Versammlungsbeginn die Zuständigkeit aber auf die Polizei übergeht (vgl. LT-Drs. 15/10181, S. 26).

bb) Art. 24 Abs. 2 Satz 1 BayVersG ist auch weder allgemein noch für Versammlungen, die sich wie hier über einen längeren Zeitraum erstrecken, dahingehend teleologisch zu reduzieren, dass die sachliche Zuständigkeit für Beschränkungen von Versammlungen entgegen dem Gesetzeswortlaut mit dem Versammlungsbeginn nicht oder jedenfalls nicht allein auf die Polizei übergeht, sondern ganz oder zumindest auch bei der Kreisverwaltungsbehörde verbleibt.

Eine teleologische Reduktion, durch die eine Rechtsnorm, deren Wortlaut sich im Hinblick auf ihren Regelungszweck, die Gesetzessystematik und die Entstehungsgeschichte als zu weit erweist, durch Einschränkung ihres Wortlauts auf den Anwendungsbereich zurückgeführt wird, der ihrem Regelungszweck, dem systematischen Zusammenhang, in dem sie steht, sowie ihrer Entstehungsgeschichte entspricht (vgl. etwa Martini, BayVBl 2006, 329/330 m. w. N. [Fn. 17]), ist dann möglich, wenn eine Regelung ihrem Wortlaut nach auf Fälle anwendbar ist, die sie nach ihrem Sinn und Zweck, der Gesetzessystematik und ihrer Entstehungsgeschichte nicht erfassen sollte. Eine teleologische Reduktion von Art. 24 Abs. 2 Satz 1 BayVersG in der Weise, dass die sachliche Zuständigkeit, soweit sie den Erlass versammlungsrechtlicher Beschränkungen überhaupt oder in Bezug auf sich über einen längeren Zeitraum erstreckende Versammlungen betrifft, ab Versammlungsbeginn nicht oder jedenfalls nicht allein auf die Polizei übergeht, sondern ganz oder zumindest auch bei der Verwaltungsbehörde verbleibt, kommt danach aber nicht in Betracht.

Zwar ist nach dem Wortlaut von Art. 24 Abs. 2 Satz 1 BayVersG, wie dargelegt, ab Beginn der Versammlung allein die Polizei zuständige Behörde im Sinne des Versammlungsgesetzes. Sie ist ab Versammlungsbeginn für alle Maßnahmen zuständig, die die Versammlung betreffen, so dass Art. 24 Abs. 2 Satz 1 BayVersG ihr ab diesem Zeitpunkt insbesondere auch die Zuständigkeit für nachträgliche Beschränkungen der Versammlung zuweist. Art. 24 Abs. 2 Satz 1 BayVersG ist damit aber nicht seinem Wortlaut nach auf Fälle anwendbar, die er nach seinem Sinn und Zweck, dem systematischen Zusammenhang, in dem er steht, oder der Entstehungsgeschichte nicht erfassen sollte. Vielmehr steht es mit dem Regelungszweck, der Gesetzessystematik und der Entstehungsgeschichte im Einklang, dass ab dem Beginn einer Versammlung die Polizei auch für nachträgliche Beschränkungen der Versammlung im Allgemeinen (aaa) und für solche Beschränkungen in Bezug auf Versammlungen, die sich wie hier über einen längeren Zeitraum erstrecken, im Besonderen ausschließlich zuständig ist (bbb).

aaa) Wie im Rahmen der teleologischen, systematischen und historischen Auslegung ausgeführt, entspricht es dem Sinn und Zweck von Art. 24 Abs. 2 Satz 1 BayVersG, der Gesetzessystematik und der Entstehungsgeschichte, dass die Kreisverwaltungsbehörde nur bis zum Versammlungsbeginn sachlich zuständig ist, ab dem Beginn der Versammlung zuständige Behörde im Sinne des Versammlungsgesetzes aber allein die Polizei ist, so dass sie vom Beginn der Versammlung an für alle Maßnahmen, die die Versammlung betreffen, und damit auch für nachträgliche Beschränkungen zuständig ist.

Dem steht insbesondere nicht entgegen, dass Art. 24 Abs. 2 Satz 1 BayVersG nach der Gesetzesbegründung die bisherige Zuständigkeitsregelung für die Versammlungsbehörden nach dem Gesetz zur Ausführung des Versammlungsgesetzes übernehmen sollte (vgl. LT-Drs. 15/10181, S. 26). Zwar trifft es zu, dass nach Art. 7 Abs. 2 AGVersammlG die Polizei lediglich für die Auflösung von Versammlungen zuständig war, während für die Festlegung bestimmter Auflagen die Kreisverwaltungsbehörde auch nach Beginn der Versammlung zuständig blieb, so dass die Polizei nach Art. 7 Abs. 1 Satz 2 AGVersammlG nur in unaufschiebbaren Fällen an Stelle der Kreisverwaltungsbehörde die notwendigen Maßnahmen treffen konnte. Abgesehen davon, dass die Befugnis der Polizei zur Auflösung einer Versammlung auch unter Geltung des Versammlungsgesetzes wohl bereits die Befugnis zur Anordnung beschränkender Auflagen als milderes Mittel gegenüber der Auflösung beinhaltete (vgl. BVerwG, U. v. 8.9.1981 - 1 C 88.77 - juris Rn. 36 f.; Dietel/Gintzel/Kniesel, VersammlG, 16. Aufl. 2011, § 15 Rn. 138 f.), ist der Übergang der sachlichen Zuständigkeit auch für Versammlungsbeschränkungen aber, wie dargelegt, lediglich die Konsequenz der bewussten Entscheidung des Gesetzgebers, in Art. 15 Abs. 4 BayVersG (ursprünglich Art. 15 Abs. 3 BayVersG), die bisherige Ermächtigung des § 15 Abs. 3 VersammlG zur Auflösung einer Versammlung um die Befugnis zu ihrer nachträglichen Beschränkung zu erweitern (vgl. LT-Drs. 15/10181, S. 23). Sollte damit aber einerseits nach Versammlungsbeginn der für die Auflösung von Versammlungen zuständigen Behörde die Möglichkeit nachträglicher Beschränkungen eröffnet werden und andererseits die Polizei wie nach früherem Recht für die Versammlungsauflösung zuständig sein, so entspricht es dieser gesetzgeberischen Zielsetzung, wenn der Polizei ab Versammlungsbeginn nicht nur die alleinige Zuständigkeit für die Auflösung, sondern auch für nachträgliche Beschränkungen von Versammlungen zugewiesen, die Möglichkeit, in unaufschiebbaren Fällen an Stelle der Kreisverwaltungsbehörde Maßnahmen zu treffen, in Art. 24 Abs. 2 Satz 2 BayVersG aber folgerichtig nur noch für die Zeit vor dem Versammlungsbeginn eingeräumt wird (vgl. LT-Drs. 15/10181, S. 26).

Dies entspricht darüber hinaus dem Art. 24 Abs. 2 Satz 1 BayVersG zugrunde liegenden objektiven Zweck, ab Beginn der Versammlung die Zuständigkeit allein derjenigen Behörde zuzuweisen, die sich während der Versammlung in der Regel vor Ort befindet und deshalb auf nach Versammlungsbeginn auftretende Gefährdungen der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung regelmäßig zeitnah reagieren kann.

Schließlich ist auch nicht ersichtlich, dass einer Übertragung der sachlichen Zuständigkeit ab Versammlungsbeginn allein auf die Polizei unter Zweckmäßigkeitsgesichtspunkten Gründe entgegenstünden, die eine teleologische Reduktion von Art. 24 Abs. 2 Satz 1 BayVersG dahingehend rechtfertigen könnten, dass entgegen dessen Wortlaut die sachliche Zuständigkeit für Beschränkungen der Versammlung mit deren Beginn nicht oder jedenfalls nicht allein auf die Polizei übergeht, sondern ganz oder zumindest auch bei der Kreisverwaltungsbehörde verbleibt. Insbesondere ist nicht ersichtlich, dass es der Polizei, die schon nach der früheren Rechtslage mit dem Vollzug des Versammlungsrechts befasst war und deshalb über langjährige praktische Erfahrungen in diesem Bereich verfügt, an der notwendigen fachlichen Kompetenz für den Erlass nachträglicher versammlungsrechtlicher Beschränkungen fehlen könnte (vgl. insoweit auch VG Regensburg, U. v. 17.4.2014 - RN 9 K 14.508 - juris Rn. 24). Dies gilt umso mehr, wenn man davon ausgeht, dass Kreisverwaltungsbehörde und Polizei ohnehin ihre Maßnahmen erforderlichenfalls miteinander abstimmen (vgl. LT-Drs. 17/7338, S. 4), wie es auch hier nach dem Vortrag der Beklagten in der mündlichen Verhandlung der Fall war. Denn der Polizei steht dann zusätzlich zu ihrem eigenen Sachverstand derjenige der Kreisverwaltungsbehörde zur Verfügung (vgl. VG Regensburg, a. a. O.).

bbb) Schließlich steht es mit dem Regelungszweck, der Gesetzessystematik und der Entstehungsgeschichte im Einklang, dass ab dem Beginn einer Versammlung auch für nachträgliche Beschränkungen von Versammlungen, die sich wie hier über einen längeren Zeitraum erstrecken, ausschließlich die Polizei zuständig ist. Denn ebenso wenig wie dem Wortlaut von Art. 24 Abs. 2 Satz 1 BayVersG ist seinem Sinn und Zweck, der Gesetzessystematik und der Entstehungsgeschichte zu entnehmen, dass für derartige Dauerversammlungen die sachliche Zuständigkeit mit dem Versammlungsbeginn nicht oder jedenfalls nicht allein auf die Polizei übergehen, sondern ganz oder zumindest auch bei der Kreisverwaltungsbehörde verbleiben sollte. Weder finden sich Anhaltspunkte dafür, dass dem Gesetzgeber im Gesetzgebungsverfahren Dauerversammlungen nicht vor Augen standen und dass er für sie, hätte er sie in seine Überlegungen einbezogen, die Zuständigkeit der Kreisverwaltungsbehörde auch nach Versammlungsbeginn beibehalten hätte, noch unterscheiden Art. 24 Abs. 2 Satz 1 BayVersG, Art. 15 Abs. 1 und 4 BayVersG oder die Gesetzesbegründung zwischen Versammlungen von kürzerer Dauer und Dauerversammlungen, die sich wie hier über einen längeren Zeitraum erstrecken.

Insbesondere ist weder diesen Regelungen noch den Gesetzesmaterialien ein Anhaltspunkt dafür zu entnehmen, dass Art. 24 Abs. 2 Satz 1 BayVersG mit der Zuständigkeit der Polizei ab Versammlungsbeginn lediglich bezweckt, vor Ort kurzfristig notwendige Maßnahmen zu ermöglichen, nicht aber eine Zuständigkeit der Polizei an Stelle der Kreisverwaltungsbehörden für längerfristige, insbesondere mehrtägige Versammlungen für auf Dauer wirkende Maßnahmen zu begründen (vgl. in diesem Sinne aber das Schreiben des Bayerischen Staatsministeriums des Innern vom 27.6.2013 - IE4-1204). Vielmehr geht die Gesetzesbegründung im Einklang mit dem Wortlaut von Art. 24 Abs. 2 Satz 1 BayVersG unabhängig von der Dauer der betreffenden Versammlungen und davon, ob vor Ort kurzfristig notwendige oder auf Dauer wirkende Maßnahmen getroffen werden sollen, davon aus, dass die Kreisverwaltungsbehörde lediglich bis zum Versammlungsbeginn zuständige Behörde im Sinne des Bayerischen Versammlungsgesetzes sein soll, mit dem Beginn der Versammlung die Zuständigkeit aber auf die Polizei übergeht (vgl. LT-Drs. 15/10181, S. 26).

Dagegen, dass Art. 24 Abs. 2 Satz 1 BayVersG, soweit danach ab Versammlungsbeginn die Polizei zuständige Behörde ist, es der Polizei nur ermöglichen sollte, vor Ort kurzfristig notwendige Maßnahmen zu treffen, spricht im Übrigen auch, dass diesem Zweck bereits die Möglichkeit der Polizei, nach Art. 24 Abs. 2 Satz 2 BayVersG in unaufschiebbaren Fällen auch an Stelle der Kreisverwaltungsbehörde Maßnahmen zu treffen, Rechnung getragen hätte. Über diese Möglichkeit, die gemäß Art. 7 Abs. 1 Satz 2 AGVersammlG bereits nach früherem Recht bestand, wollte der Gesetzgeber aber offenbar gerade hinausgehen, indem er die Zuständigkeit mit dem Versammlungsbeginn auf die Polizei übergehen ließ und ihr folgerichtig eine Zuständigkeit für Maßnahmen in unaufschiebbaren Fällen nur noch für die Zeit vor Versammlungsbeginn zuwies (vgl. LT-Drs. 15/10181, S. 26).

Dies unterstreicht jedoch, dass durch die Zuweisung der sachlichen Zuständigkeit ab Beginn der Versammlung die Polizei nicht nur für kurzfristig notwendige Maßnahmen, sondern für alle nach Versammlungsbeginn erforderlich werdenden Maßnahmen zuständig sein sollte, weil sie sich während der Versammlung in der Regel vor Ort befindet und deshalb auf nach Versammlungsbeginn auftretende Gefährdungslagen regelmäßig zeitnäher reagieren kann als die Kreisverwaltungsbehörde. Diesem objektiven Zweck des Art. 24 Abs. 2 Satz 1 BayVersG entspricht der Übergang der sachlichen Zuständigkeit von der Kreisverwaltungsbehörde auf die Polizei mit dem Beginn der Versammlung aber auch dann, wenn es sich um eine Dauerversammlung handelt, die sich über einen längeren Zeitraum erstreckt. Denn auch bei solchen Versammlungen ist die Polizei und nicht die Kreisverwaltungsbehörde diejenige Behörde, die sich vor Ort befindet und deshalb in der Regel zeitnah und sachgerecht auf im Verlauf der Versammlung auftretende Gefährdungen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung reagieren kann.

Einem Übergang der sachlichen Zuständigkeit auf die Polizei mit Versammlungsbeginn auch bei sich über einen längeren Zeitraum erstreckenden Dauerversammlungen steht auch nicht die Überlegung entgegen, dass die Kreisverwaltungsbehörde dadurch daran gehindert wäre, Beschränkungen, die sie vor Beginn der Versammlung verfügt hat, nach Beginn der Versammlung zu ändern oder anzupassen, obwohl dafür gerade bei länger andauernden Versammlungen ein Bedürfnis entstehen kann. Denn nach Versammlungsbeginn können die gegebenenfalls notwendig werdenden Änderungen oder Anpassungen der von der Kreisverwaltungsbehörde verfügten Beschränkungen auf der Grundlage von Art. 24 Abs. 2 Satz 1 BayVersG durch die Polizei vorgenommen werden, wie sich aus den folgenden Erwägungen ergibt.

Als Rechtsgrundlage für die Änderung oder Anpassung von versammlungsrechtlichen Beschränkungen kommen Art. 48 und Art. 49 BayVwVfG über die Rücknahme und den Widerruf von Verwaltungsakten in Betracht. Die diesbezüglichen Zuständigkeitsregelungen in Art. 48 Abs. 5 BayVwVfG und Art. 49 Abs. 4 BayVwVfG betreffen nur die örtliche Zuständigkeit, so dass sich die sachliche Zuständigkeit nach den Zuständigkeitsregeln des jeweils anzuwenden Fachrechts richtet (vgl. BVerwG, U. v. 20.12.1999 - 7 C 42/98 - juris Rn. 14), hier also des Versammlungsrechts. Fehlt es dort an entsprechenden Regelungen, ist nach den insoweit ergänzend heranzuziehenden allgemeinen verwaltungsverfahrensrechtlichen Grundsätzen diejenige Behörde zuständig, die zum Zeitpunkt der Rücknahme- oder Widerrufsentscheidung für den Erlass des aufzuhebenden Verwaltungsakts zuständig wäre (vgl. BVerwG, a. a. O., Rn. 16). Danach wäre für die Aufhebung, Änderung oder Anpassung der von der Kreisverwaltungsbehörde vor Versammlungsbeginn verfügten Beschränkungen aber auf der Grundlage von Art. 24 Abs. 2 Satz 1 BayVersG die Polizei zuständig. Denn entweder ist die Polizei ab Versammlungsbeginn unmittelbar auch für die Rücknahme oder den Widerruf von vor Versammlungsbeginn ergangenen versammlungsrechtlichen Beschränkungen zuständig, weil Art. 24 Abs. 2 Satz 1 BayVersG die sachliche Zuständigkeit nicht für bestimmte Maßnahmen regelt, sondern die zuständige Behörde für jedwedes Verwaltungshandeln im Anwendungsbereich des Bayerischen Versammlungsgesetzes einheitlich danach bestimmt, ob es vor oder nach dem Versammlungsbeginn erfolgt, oder die sachliche Zuständigkeit der Polizei resultiert daraus, dass sie nach Art. 24 Abs. 2 Satz 1 BayVersG vom Beginn der Versammlung an für den Erlass der aufzuhebenden, zu ändernden oder anzupassenden Beschränkung zuständig gewesen wäre. Nichts anderes würde im Übrigen gelten, wenn man als Rechtsgrundlage für die Aufhebung, Änderung und Anpassung von Beschränkungen an Stelle von Art. 48 und 49 BayVwVfG die zum Erlass versammlungsrechtlicher Beschränkungen ermächtigenden Regelungen in Art. 15 Abs. 1 und 4 BayVersG heranziehen würde. Denn auch dann wäre nach Art. 24 Abs. 2 Satz 1 BayVersG die Polizei ab dem Beginn der Versammlung sachlich zuständig. Dass es der Polizei insoweit an der notwendigen fachlichen Kompetenz fehlen könnte, ist, wie bereits dargelegt, nicht ersichtlich.

Eine Einschränkung der Zuständigkeit der Polizei ab Versammlungsbeginn zugunsten der Kreisverwaltungsbehörden muss bei Dauerversammlungen auch nicht deshalb erfolgen, weil solche Versammlungen wie im hier vorliegenden Fall bisweilen zunächst für einen bestimmten Zeitraum angezeigt und dann aufgrund einer erneuten Anzeige vor Ablauf dieses Zeitraums über ihr ursprüngliches Ende hinaus fortgesetzt werden. Zwar führt das Verständnis des Art. 24 Abs. 2 Satz 1 BayVersG im Sinne einer Zuständigkeitsverteilung, nach der die Kreisverwaltungsbehörde bis zum Versammlungsbeginn, danach aber ausschließlich die Polizei zuständig ist, dazu, dass für Beschränkungen bezüglich der künftigen Versammlung bis zu deren Beginn die Kreisverwaltungsbehörde zuständig ist, während für Beschränkungen der vorangegangenen noch nicht beendeten Versammlung seit ihrem Beginn die Polizei die zuständige Behörde ist. Dies entspricht aber zum einen gerade dem Sinn und Zweck der in Art. 24 Abs. 2 Satz 1 BayVersG vorgesehenen Zuständigkeitsverteilung, nach der die Kreisverwaltungsbehörden nur im Vorfeld einer Versammlung zuständig sind, mit dem Versammlungsbeginn die Zuständigkeit aber auf die während der Versammlung vor Ort befindliche Polizei übergeht, die regelmäßig zeitnäher auf das Versammlungsgeschehen reagieren kann. Zum anderen wirft es auch unter Zweckmäßigkeitsgesichtspunkten keine Probleme auf, die eine teleologische Reduktion von Art. 24 Abs. 2 Satz 1 BayVersG rechtfertigen könnten.

Die Fortsetzung einer für einen bestimmten Zeitraum angezeigten Versammlung stellt angesichts des anderen Zeitraums, in dem sie stattfinden soll, eine eigene Versammlung dar. Sie bedarf deshalb einer eigenen Anzeige nach Art. 13 Abs. 1 Satz 1 BayVersG, die nach Art. 24 Abs. 2 Satz 1 BayVersG an die Kreisverwaltungsbehörde zu richten ist, weil sie vor Beginn der Versammlung erfolgen muss. Im Hinblick darauf, dass auch die ursprüngliche Versammlung bei der Kreisverwaltungsbehörde als der nach Art. 24 Abs. 2 Satz 1 BayVersG zuständigen Behörde anzuzeigen war, ist dies für die Veranstalter von Versammlungen ohne weiteres erkennbar und wirft daher keine nennenswerten praktischen Probleme auf. Gleiches gilt für die Kreisverwaltungsbehörden, die für die Entgegennahme der Anzeige und die nach Art. 15 Abs. 3 BayVersG rechtzeitig vor Versammlungsbeginn zu treffende Entscheidung über etwaige Beschränkungen ohnehin zuständig sind. Zwar sind sie bei ihrer Prüfung, ob nach den erkennbaren Umständen die öffentliche Sicherheit und Ordnung bei Durchführung der Versammlung unmittelbar gefährdet ist und deshalb nach Art. 15 Abs. 1 BayVersG Beschränkungen veranlasst sind, in der Regel auf Informationen der Polizei über den bisherigen Verlauf der vorangehenden Versammlung angewiesen. Eine Beteiligung der Polizei ist im Rahmen der nach Art. 15 Abs. 1 BayVersG anzustellenden Gefahrenprognose jedoch in der Regel nicht nur bei Dauerversammlungen, die über den angezeigten Zeitraum hinaus fortgesetzt werden sollen, sondern bei allen Versammlungen erforderlich.

Darüber hinaus rechtfertigt auch eine etwaige Praxis, nach der ähnlich wie hier bei mehrtägigen oder mehrwöchigen Versammlungen die Kreisverwaltungsbehörden in Abstimmung mit der Polizei überwiegend die längerfristigen Maßnahmen treffen, während die Polizei überwiegend die kurzfristigen Maßnahmen vor Ort trifft (vgl. LT-Drs. 17/7338, S. 4), keine teleologische Reduktion von Art. 24 Abs. 2 Satz 1 BayVersG, soweit er auch im Falle von Dauerversammlungen die sachliche Zuständigkeit für den Erlass versammlungsrechtlicher Beschränkungen mit dem Versammlungsbeginn von der Kreisverwaltungsbehörde auf die Polizei übergehen lässt. Denn abgesehen davon, dass eine solche Praxis als Verstoß gegen den Vorrang des Gesetzes rechtswidrig wäre, können längerfristige Maßnahmen, die nach Versammlungsbeginn ergehen, auch dann zwischen der Kreisverwaltungsbehörde und der Polizei abgestimmt werden, wenn sie im Einklang mit Art. 24 Abs. 2 Satz 1 BayVersG durch die Polizei getroffen werden.

Schließlich würde eine teleologische Reduktion von Art. 24 Abs. 2 Satz 1 BayVersG in der Weise, dass bei Dauerversammlungen die sachliche Zuständigkeit mit dem Versammlungsbeginn nicht oder jedenfalls nicht allein auf die Polizei übergeht, sondern ganz oder zumindest auch bei der Versammlungsbehörde verbleibt, zu erheblichen Rechtsunsicherheiten führen. Denn dem Bayerischen Versammlungsgesetz sind ebenso wenig wie dem Schreiben des Staatsministeriums des Innern vom 27. Juni 2013 Anhaltspunkte zu entnehmen, ab welcher Dauer eine Versammlung zu einer Dauerversammlung wird (vgl. VG Regensburg, U. v. 17.4.2014 - RN 9 K 14.508 - juris Rn. 32). Im Vergleich dazu enthält Art. 24 Abs. 2 Satz 1 BayVersG mit dem Anknüpfen an den Beginn der Versammlung eine klare und ungeachtet etwaiger im Einzelfall verbleibender Abgrenzungsschwierigkeiten (vgl. dazu Heinhold in Wächtler/Heinhold/Merk, BayVersG, 1. Aufl. 2011, Art. 24 Rn. 3 ff.) leicht handhabbare Zuständigkeitsregelung.

cc) Ist nach alldem Art. 24 Abs. 2 Satz 1 BayVersG so zu verstehen, dass bis zum Versammlungsbeginn die Kreisverwaltungsbehörde und ab dem Beginn der Versammlung ausschließlich die Polizei zuständig ist, so war für den Erlass von Beschränkungen nach Art. 15 BayVersG sachlich zuständige Behörde nicht die Beklagte, sondern die Polizei. Denn nach der Anzeige der Versammlung vom 27. März 2012 sollte die Versammlung am 2. April 2012 um 0.00 Uhr beginnen und am 16. April 2012 um 24.00 Uhr enden. Auch hat sie in Fortsetzung der vorangegangenen, seit 19. März 2012 stattfindenden Versammlung tatsächlich zum angezeigten Zeitpunkt begonnen. Damit lag der Zeitpunkt des Erlasses des Bescheids vom 10. April 2012 aber nach dem Beginn der Versammlung, so dass die Zuständigkeit nach Art. 24 Abs. 2 Satz 1 BayVersG bereits von der Beklagten auf die Polizei übergegangen war.

c) Die sich damit aus der sachlichen Unzuständigkeit der Beklagten ergebende formelle Rechtswidrigkeit der angegriffenen Beschränkungen in Nr. 1.13 und Nr. 1.19 des Bescheids vom 10. April 2012 ist auch nicht im Hinblick auf Art. 46 BayVwVfG unbeachtlich.

Nach dieser Regelung kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts, der nicht nach Art. 44 BayVwVfG nichtig ist, nicht allein deshalb beansprucht werden, weil er unter Verletzung von Vorschriften über das Verfahren, die Form oder die örtliche Zuständigkeit zustande gekommen ist, wenn offensichtlich ist, dass der Verwaltungsakt die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hat. Selbst wenn man davon ausgeht, dass diese Regelung bei Vorliegen ihrer Voraussetzungen nicht nur die Aufhebung des betreffenden Verwaltungsakts im Rahmen einer Anfechtungsklage nach § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO ausschließt, sondern auch der Feststellung von dessen Rechtswidrigkeit im Rahmen einer Fortsetzungsfeststellungsklage in entsprechender Anwendung von § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO entgegensteht (vgl. dazu BVerwG, U. v. 22.3.2012 - 3 C 16.11 - juris Rn. 19 m. w. N. wo die Frage offengelassen wird), greift die Regelung hier nicht durch.

Zum einen ist Art. 46 BayVwVfG auf Verwaltungsakte, die wie hier unter Verletzung der Vorschriften über die sachliche Zuständigkeit ergangen sind, nicht anwendbar, wie sich im Umkehrschluss aus der besonderen Erwähnung der örtlichen Zuständigkeit ergibt (vgl. BVerwG, U. v. 29.9.1982 - 8 C 138.81 - juris Rn. 16; Sachs in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, Rn. 43 m. w. N.). Zum anderen ist auch nicht offensichtlich, dass die Verletzung des Art. 24 Abs. 2 Satz 1 BayVersG die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hat. Denn selbst wenn, wie der Beklagtenvertreter in der mündlichen Verhandlung erklärt hat, die Entscheidung über die Beschränkungen in Nr. 1.13 und Nr. 1.19 des Bescheids vom 10. April 2012 in enger Abstimmung zwischen der Beklagten und der Polizei ergangen ist, kann im Hinblick darauf, dass es sich um eine Ermessensentscheidung gehandelt hat, nicht ausgeschlossen werden, dass die Polizei, hätte sie nach Art. 15 Abs. 4 BayVersG selbst entschieden, zu einer anderen Entscheidung gelangt wäre (vgl. BVerwG, U. v. 22.3.2012 - 3 C 16.11 - juris Rn. 20; Heinhold in Wächtler/Heinhold/Merk, BayVersG, 1. Aufl. 2011, Art. 24 Rn. 4), etwa weil sie weitere aus ihrer Präsenz vor Ort resultierende aktuelle Erkenntnisse in ihre Ermessenserwägungen einbezogen oder den Verstoß gegen die Sicherheitssatzung, auf den die streitgegenständlichen Beschränkungen gestützt waren, im Hinblick auf dessen konkrete Auswirkungen vor Ort anders als die Beklagte gewichtet hätte.

2. Waren damit die angegriffenen Beschränkungen in Nr. 1.13 und Nr. 1.19 des Bescheids vom 10. April 2012 wegen der sachlichen Unzuständigkeit der Beklagten rechtswidrig, so verletzten sie die Kläger auch in ihren Rechten. Sie schränkten die Versammlungsfreiheit (Art. 8 Abs. 1 GG, Art. 2 Abs. 1 GG, Art. 11 Abs. 1 Halbsatz 1 Alt. 1 EMRK, Art. 1 BayVersG), von der der Kläger zu 1 als Veranstalter und Versammlungsleiter und die Klägerin zu 2 als stellvertretende Versammlungsleiterin Gebrauch machten, ohne die dazu nach Art. 8 Abs. 2 GG, Art. 11 Abs. 2 EMRK und dem im Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 3 GG verankerten Vorbehalt des Gesetzes erforderliche Rechtsgrundlage ein. Denn da Art. 15 Abs. 1 und 4 BayVersG jeweils nur die zuständige Behörde zu Versammlungsbeschränkungen ermächtigten, konnte die Beklagte als sachlich unzuständige Behörde die streitgegenständlichen Beschränkungen nicht auf diese Regelungen stützen.

Ist damit die Rechtswidrigkeit dieser Beschränkungen bereits wegen der sachlichen Unzuständigkeit der Beklagten in entsprechender Anwendung von § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO festzustellen, so bedarf es eines Eingehens auf die Frage ihrer materiellen Rechtmäßigkeit nicht. Hinsichtlich der Beschränkung der Kundgebungsmittel auf nur einen Pavillon in Nr. 1.13 des Bescheids vom 10. April 2012 wird deshalb auf die Ausführungen zu einem entsprechenden Verbot im Urteil vom 22. September 2012 in dem zur gemeinsamen Verhandlung verbundenen Verfahren 10 B 14.2246 verwiesen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit stützt sich auf § 167 Abs. 2 und § 167 Abs. 1 Satz 1 VwGO in Verbindung mit § 708 Nr. 10, § 709 Satz 2 und § 711 Satz 1 und 2 ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.

Rechtsmittelbelehrung

Nach § 133 VwGO kann die Nichtzulassung der Revision durch Beschwerde zum Bundesverwaltungsgericht in Leipzig angefochten werden. Die Beschwerde ist beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof (in München Hausanschrift: Ludwigstraße 23, 80539 München; Postfachanschrift: Postfach 34 01 48, 80098 München; in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach) innerhalb eines Monats nach Zustellung dieser Entscheidung einzulegen und innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieser Entscheidung zu begründen. Die Beschwerde muss die angefochtene Entscheidung bezeichnen. In der Beschwerdebegründung muss die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts, von der die Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs abweicht, oder der Verfahrensmangel bezeichnet werden.

Vor dem Bundesverwaltungsgericht müssen sich die Beteiligten, außer in Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht eingeleitet wird. Als Prozessbevollmächtigte zugelassen sind neben Rechtsanwälten und Rechtslehrern an den in § 67 Abs. 2 Satz 1 VwGO genannten Hochschulen mit Befähigung zum Richteramt nur die in § 67 Abs. 4 Satz 4 VwGO und in §§ 3, 5 RDGEG bezeichneten Personen. Für die in § 67 Abs. 4 Satz 5 VwGO genannten Angelegenheiten (u. a. Verfahren mit Bezügen zu Dienst- und Arbeitsverhältnissen) sind auch die dort bezeichneten Organisationen und juristischen Personen als Bevollmächtigte zugelassen. Sie müssen in Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht durch Personen mit der Befähigung zum Richteramt handeln.

Beschluss:

Unter Abänderung des Beschlusses des Bayerischen Verwaltungsgerichts Würzburg vom 14. März 2013 wird der Streitwert für beide Rechtszüge auf jeweils 5.000,- Euro festgesetzt (§ 63 Abs. 3 Satz 1, § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1 Satz 1 und § 52 Abs. 2 GKG).

Urteilsbesprechung zu Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Urteil, 22. Sept. 2015 - 10 B 14.2242

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Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Urteil, 22. Sept. 2015 - 10 B 14.2242 zitiert 28 §§.

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(1) Alle Deutschen haben das Recht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln. (2) Für Versammlungen unter freiem Himmel kann dieses Recht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes beschränkt werden.

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 74


(1) Die Anfechtungsklage muß innerhalb eines Monats nach Zustellung des Widerspruchsbescheids erhoben werden. Ist nach § 68 ein Widerspruchsbescheid nicht erforderlich, so muß die Klage innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des Verwaltungsakts erho

Versammlungsgesetz - VersammlG | § 15


(1) Die zuständige Behörde kann die Versammlung oder den Aufzug verbieten oder von bestimmten Auflagen abhängig machen, wenn nach den zur Zeit des Erlasses der Verfügung erkennbaren Umständen die öffentliche Sicherheit oder Ordnung bei Durchführung d

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Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Urteil, 22. Sept. 2015 - 10 B 14.2242 zitiert oder wird zitiert von 6 Urteil(en).

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Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Urteil, 22. Sept. 2015 - 10 B 14.2246

bei uns veröffentlicht am 22.09.2015

Gründe Bayerischer Verwaltungsgerichtshof München 10 B 14.2246 Im Namen des Volkes Urteil vom 22. September 2015 (VG Würzburg, Entscheidung vom 14. März 2013, Az.: W 5 K 12.555) 10. Senat Sachgebietsschlüs

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Urteil, 22. Sept. 2015 - 10 B 14.2242

bei uns veröffentlicht am 22.09.2015

Gründe Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Aktenzeichen: 10 B 14.2242 Im Namen des Volkes Urteil vom 22. September 2015 (VG Würzburg, Entscheidung vom 14. März 2013, Az.: W 5 K 12.382) 10. Senat Sachgebiet

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Urteil, 20. März 2015 - 10 B 12.2280

bei uns veröffentlicht am 20.03.2015

Gründe Bayerischer Verwaltungsgerichtshof München 10 B 12.2280 Im Namen des Volkes Urteil vom 20. März 2015 (VG München, Entscheidung vom 20. April 2011, Az.: M 7 K 10.2352) 10. Senat Sachgebietsschlüssel:
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Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Urteil, 10. Juli 2018 - 10 BV 17.2405

bei uns veröffentlicht am 10.07.2018

Tenor I. Die Berufung wird zurückgewiesen. II. Die Kläger tragen die Kosten des Berufungsverfahrens jeweils zur Hälfte. III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Kläger dürfen die Vollstreckung durch Siche

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Urteil, 22. Sept. 2015 - 10 B 14.2246

bei uns veröffentlicht am 22.09.2015

Gründe Bayerischer Verwaltungsgerichtshof München 10 B 14.2246 Im Namen des Volkes Urteil vom 22. September 2015 (VG Würzburg, Entscheidung vom 14. März 2013, Az.: W 5 K 12.555) 10. Senat Sachgebietsschlüs

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Urteil, 22. Sept. 2015 - 10 B 14.2242

bei uns veröffentlicht am 22.09.2015

Gründe Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Aktenzeichen: 10 B 14.2242 Im Namen des Volkes Urteil vom 22. September 2015 (VG Würzburg, Entscheidung vom 14. März 2013, Az.: W 5 K 12.382) 10. Senat Sachgebiet

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Gründe

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof München

10 B 14.2246

Im Namen des Volkes

Urteil

vom 22. September 2015

(VG Würzburg, Entscheidung vom 14. März 2013, Az.: W 5 K 12.555)

10. Senat

Sachgebietsschlüssel: 512

Hauptpunkte: Fortsetzungsfeststellungsklage; berechtigtes Interesse; Wiederholungsgefahr; versammlungsrechtliche Beschränkungen; Versammlung mit Hungerstreik; Einbringen von Gegenständen in die Versammlung; funktionaler Bezug zur gewählten Form der Versammlung; objektiver Maßstab

Rechtsquellen:

Leitsätze:

In der Verwaltungsstreitsache

...,

gegen

Stadt Würzburg,

vertreten durch den Oberbürgermeister, Domstr. 1, Würzburg,

- Beklagte -

beteiligt:

Landesanwaltschaft Bayern als Vertreter des öffentlichen Interesses, Ludwigstr. 23, München,

wegen versammlungsrechtlicher Beschränkungen;

hier: Berufung des Klägers gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts Würzburg vom 14. März 2013,

erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 10. Senat, durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgerichtshof Senftl, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Martini, die Richterin am Verwaltungsgerichtshof Zimmerer aufgrund mündlicher Verhandlung vom 21. September 2015 am 22. September 2015

folgendes

Urteil:

I.

Unter teilweiser Abänderung des Urteils des Bayerischen Verwaltungsgerichts Würzburg vom 14. März 2013 wird festgestellt, dass auch die Beschränkungen in Nr. 1.15 (Verbot des Aufstellens von Betten), 1.17 (Beschränkung auf einen Pavillon) und Nr. 1.19 (Pavillon muss auf allen Seiten offen sein) im Bescheid der Beklagten vom 15. Juni 2012 rechtswidrig waren.

II.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

III.

Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

IV.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Mit seiner Berufung verfolgt der Kläger seine Fortsetzungsfeststellungsklage gegen die in Nr. 1.15, Nr. 1.17 und Nr. 1.19 des Bescheids der Beklagten vom 15. Juni 2012 verfügten versammlungsrechtlichen Beschränkungen für eine Dauerversammlung zum Thema Asylrecht vom 16. Juni 2012 bis einschließlich 16. August 2012 in W. weiter.

Unter dem 13. Juni 2012 meldete der Kläger bei der Beklagten die Durchführung einer „Dauerversammlung zum Thema Asylrecht in der Form des Hungerstreiks rund um die Uhr vom 16. Juni 2012 bis einschließlich 16. August 2012“ an. Mit Bescheid vom 15. Juni 2012 setzte die Beklagte u. a. folgende Beschränkungen fest:

Nr. 1.15 Das Aufstellen von Betten ist untersagt.

Nr. 1.17 Als Kundgebungsmittel sind zugelassen:

- Maximal sechs Stühle, die klapp-, stapelbar sein sollen,

- ein Tisch, in einer Größe von maximal 2 x 0,5 m für die Auslage von Infomaterial, Unterschriftslisten,

- ein Pavillon (3 x 3 m),

- Plakate,

- Bilder.

Bilder und Plakate dürfen an einzelnen Seiten des Pavillons nicht den Eindruck der völligen Geschlossenheit erzeugen.

Nr. 1.19 Der Pavillon muss auf allen Seiten offen sein.

Zur Begründung dieser Beschränkungen führte die Beklagte im Bescheid vom 15. Juni 2012 im Wesentlichen an, dass das Nächtigen auf öffentlichen Flächen in konsequenter Anwendung des § 4 Abs. 1 Nr. 2 ihrer Sicherheitssatzung zu untersagen gewesen sei. Das Übernachten in den Zelten habe nicht die Meinungskundgabe zum Ziel. Seit Beginn der Veranstaltung erfolgten die Meinungskundgabe und das Platzieren der Thematik durch Plakate, Transparente, Diskussionen, Interviews, Bilder und Schriften. Eine Übernachtung sei hierfür nicht notwendig. Im Übrigen werde auf den Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 12. April 2012 (10 CS 12.767) verwiesen. In konsequenter Umsetzung dieser Überlegungen, gesehen im Lichte der Situation vor Ort seit dem 13. April 2012, seien bei den Kundgebungsmitteln die bisherigen zwei Pavillons in Ziffer 1.17 auf einen Pavillon zu reduzieren, der nach Ziffer 1.19 dauerhaft an allen Seiten geöffnet sein müsse. Der zweite Pavillon diene seit dem 13. April 2012 weder dem konkreten Versammlungszweck noch der damit verbundenen kollektiven Aussage der Teilnehmer. Dies ergebe sich bereits daraus, dass der zweite Pavillon seit dem Umzug auf den Unteren Markt zunächst durchgehend geschlossen gewesen sei. In diesem Bereich erfolge keine Meinungskundgabe.

Der Antrag des Klägers auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung einer noch zu erhebenden Klage u. a. gegen die in Nr. 1.15, Nr. 1.17 und Nr. 1.19 des Bescheids vom 15. Juni 2012 verfügten Beschränkungen wurde vom Verwaltungsgericht Würzburg abgelehnt. Mit Beschluss vom 2. Juli 2012 ordnete der Bayerische Verwaltungsgerichtshof die aufschiebende Wirkung der noch zu erhebenden Klage gegen die Nr. 1.15, Nr. 1.17 und Nr. 1.19 des Bescheids vom 15. Juni 2012 mit den in den Gründen dargelegten Maßgaben an.

Zum Aufstellen der Betten (Nr. 1.15) führte der Senat aus, dass die Beklagte jegliches Aufstellen von Betten im angefochtenen Bescheid untersagt habe, der Kläger dagegen geltend mache, dass bei einer Versammlung rund um die Uhr ein zeitweiliges Ausruhen oder Schlafen der Versammlungsteilnehmer für die effektive Grundrechtswahrnehmung unabdingbar sei. Der Senat sei der Auffassung, dass drei Betten ausreichten, um das Ruhebedürfnis der Versammlungsteilnehmer zu befriedigen. Auf ein gemeinsames gleichzeitiges Nächtigen hätten die Versammlungsteilnehmer keinen Anspruch. Auch der Hinweis des Klägers darauf, dass Versammlungsteilnehmer während des Hungerstreiks ein erhöhtes Schlafbedürfnis hätten, greife nicht durch. Ein Hungerstreik könne ein Mittel sein, um dem Motto der Versammlung besonderen Nachdruck zu verleihen. Daraus folge aber kein Recht, dass der Hungerstreik möglichst komfortabel durchgeführt werden könne. Sei ein Teilnehmer derart geschwächt, dass er an einer Versammlung unter freiem Himmel nicht mehr teilnehmen könne, müsse er notfalls die Versammlung verlassen.

Zu den unter Nr. 1.17 angeführten Kundgebungsmitteln führte der Senat im Beschluss vom 2. Juli 2012 aus, dass die lange andauernde stationäre Versammlung ohne den zweiten Pavillon praktisch nicht durchführbar sei. Bereits im Beschluss vom 12. April 2012 habe der Senat dargelegt, dass gewichtige Gründe dafür sprächen, dass diese von den Versammlungsteilnehmern gewählte Form der Präsentation und Meinungsäußerung, auf die schwierige Lage der Asylsuchenden und ihren Leidensdruck in der Öffentlichkeit gerade auch über einen längeren Zeitraum mit einer Art Mahnwache besonders aufmerksam zu machen und dabei der interessierten Öffentlichkeit Einblicke und Bilder über ihr tägliches Leben, Unterlagen und Dokumente ihrer Asylverfahren etc. zu bieten und zu erläutern sowie Unterschriftslisten auszulegen, wohl einen wesentlichen, inhaltsbezogenen Bestandteil der Kundgebung bilde und andererseits der Aufstellung von zwei Pavillons entgegenstehende gewichtige öffentliche Interessen weder hinreichend geltend gemacht noch für den Senat sonst ersichtlich seien. Der zweite Pavillon sei neben anderen versammlungsbezogenen Funktionen gerade auch zum Ausruhen der Versammlungsteilnehmer als erforderlich angesehen worden. Das Einlegen von Ruhepausen, das Ausruhen und Schlafen zur Sicherung der effektiven Kundgabe des Anliegens der Versammlungsteilnehmer sei im Gegensatz zum dauernden Nächtigen ausweislich der Nr. 1.16 des angefochtenen Bescheides nicht verboten. Auch die Verfügung der Beklagten, der Pavillon müsse auf allen Seiten durchgehend offen sein, sei rechtlich zu beanstanden.

Die vom Kläger bezüglich der Beschränkungen in Nr. 1.15, Nr. 1.17 und Nr. 1.19 des Bescheids vom 15. Juni 2012 erhobene Fortsetzungsfeststellungsklage wies das Bayerische Verwaltungsgericht Würzburg - bei teilweiser Stattgabe der Klage bezüglich weiterer versammlungsrechtlicher Beschränkungen - mit Urteil vom 14. März 2013 insoweit ab.

Grundsätzlich seien schon Pavillons, die Informationsstände beherbergten, versammlungsrechtlich nicht geschützt. Dies gelte jedenfalls für Informationsstände, die auf einen dauerhaften Betrieb ausgelegt seien, also über die kurzfristige Begleitung einer Demonstration oder Kundgebung hinausgingen. Informationsstände unterfielen grundsätzlich den Vorgaben des Straßen- und Wegerechts bzw. Ortsrechts und genössen keine versammlungsrechtlichen Privilegien. Dies gelte erst recht für einen zweiten Pavillon, der noch nicht einmal für die Unterbringung eines Informationsstandes, sondern zu Aufenthaltszwecken vorgesehen gewesen sei. Der zweite Pavillon sei vom Beginn der Versammlung an primär als Schlaf- und Lagerstätte genutzt worden. Der Aufbau und Betrieb von Zelten und wie Zelte genutzter Pavillons könne nach Art. 15 Abs. 1 Bayerisches Versammlungsgesetz untersagt werden, weil Zelte und wie Zelte genutzte Pavillons vorliegend keine Versammlungsbestandteile gewesen seien. Nichts anderes gelte für die Nutzung von Betten. Es könne zwar in ganz außergewöhnlichen Einzelfällen auch möglich sein, mittels eines oder mehrerer Zelte eine kollektive Aussage zu treffen. Einem solchen Zweck hätten die von den Versammlungsteilnehmern aufgestellten Zelte und der zweite Pavillon jedoch nicht gedient. Eine versammlungsrechtliche Symbolwirkung sei dem Camp aus Pavillons mit Liegeflächen, Igluzelten und zeitweise einem beheizten Versorgungszelt ersichtlich nicht zugekommen. Zelte, Pavillons und Betten seien einer Versammlung unter freiem Himmel grundsätzlich wesensfremd. Vom Versammlungsrecht nicht umfasst sei nämlich das Recht, körperliche Gegenstände wie Zelte oder Wohnwagen mit Inventar in die Versammlung einzubringen. Das Recht auf Versammlungen unter freiem Himmel gewährleiste grundsätzlich noch nicht einmal einen Rechtsanspruch auf das Aufstellen von Sitzgelegenheiten. Auch die Fortsetzung des Hungerstreiks von Versammlungsteilnehmern rechtfertige nicht die Verwendung von Pavillons und Betten. Der Anwendungsbereich des Versammlungsrechts erfasse nicht alle Versammlungen in gleicher Weise, sondern entfalte nach der Art der Versammlung differenzierende Wirkung. Eine Versammlung unter freiem Himmel unterliege anderen tatsächlichen Gegebenheiten und prägenden Strukturen als eine Versammlung in geschlossenen Räumen. Versammlungen unter freiem Himmel seien nur solche, die von ihrer Umgebung nicht durch feste Außenwände abgegrenzt seien. Versammlungen in Zelten oder geschlossenen Pavillons seien Versammlungen in geschlossenen Räumen. Zwar unterfielen auch länger andauernde Versammlungen, etwa Dauermahnwachen oder dergleichen, ohne weiteres dem Schutzzweck des Versammlungsrechts. Das dabei entstehende Bedürfnis nach einem zeitweiligen Schlafen der Versammlungsteilnehmer am Versammlungsort sei aber nicht mehr vom Versammlungsrecht geschützt. Es sei vielmehr Sache der Versammlungsteilnehmer, gegebenenfalls erforderliche Schlafpausen in Wohnräumen abseits des Versammlungsorts zu absolvieren. Lasse man das Schlafen der Versammlungsteilnehmer bei einer Versammlung unter freiem Himmel zu, sei ein dauerhaftes Campieren auf öffentlichen Flächen die nicht zu verhindernde Folge. Mutiere mit zunehmender Verweildauer die Gestaltung der individuellen Lebensverhältnisse zum eigentlichen Medium der Meinungskundgabe, drohe die Paradoxie, dass die durch spezifische Eigentümlichkeiten geprägte Lebensführung der Versammlungsteilnehmer einem permanenten privilegierten Sonderrecht unterstellt werde.

Auf Antrag des Klägers hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 13. Oktober 2014 die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Würzburg vom 14. März 2013, soweit es die Fortsetzungsfeststellungsklage bezüglich der Nr. 1.15, Nr. 1.17 und Nr. 1.19 des Bescheids der Beklagten vom 15. Juni 2012 abgewiesen hat, wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen.

Im Berufungsverfahren beantragt der Kläger,

unter teilweiser Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Würzburg vom 14. März 2013 festzustellen, dass auch die Beschränkungen Nr. 1.15 (Verbot des Aufstellens von Betten), Nr. 1.17 (Beschränkung auf einen Pavillon) und 1.19 (Pavillon muss auf allen Seiten offen sein) im Bescheid der Beklagten vom 15. Juni 2012 rechtswidrig waren.

Das Verwaltungsgericht verkenne die Reichweite der Versammlungsfreiheit. Art. 8 GG enthalte keine zeitliche Beschränkung der Versammlungen. Nach seinem Wortlaut kenne Art. 8 GG ein herkömmliches Bild der Versammlung nicht. Der Begriff der Versammlung sei weit auszulegen. In welcher Form die Versammlungsteilnehmer ihre Meinung kundtun wollten, obliege, solange die Versammlung friedlich bleibe, allein ihnen selbst. Bei der vom Kläger gewählten Form einer Dauermahnwache unter freiem Himmel handle es sich um eine versammlungsrechtlich adäquate Form der Meinungsäußerung. Wenn eine Dauermahnwache aber uneingeschränkt dem Schutz der Versammlungsfreiheit unterliege, dann müssten auch alle für die Durchführung einer solchen Mahnwache erforderlichen Utensilien unter den Schutz der Versammlungsfreiheit fallen, ohne einer straßenrechtlichen Sondernutzungserlaubnis zu bedürfen. Zudem hätten die Versammlungsteilnehmer das Recht, eine Versammlungsform zu wählen, die nach ihrer Meinung ihr Anliegen angemessen zum Ausdruck bringe. Die hierfür erforderlichen Mittel unterfielen ebenfalls der Versammlungsfreiheit. Die zeltähnlichen Pavillons seien ein wesentliches Ausdrucksmittel dessen, was durch die Versammlung der Öffentlichkeit kundgetan werden solle. Die zum Teil offenen, zeltähnlichen Pavillons brächten den Zustand eines unbehausten Campierens, dem die Asylbewerber täglich ausgesetzt seien, adäquat zum Ausdruck. Ein einzelner ordentlicher Pavillon reiche zur Erzeugung dieses Eindrucks nicht aus. Der vom Verwaltungsgericht gerügte Zustand der Versammlung in mehreren Pavillons, Liegeflächen, Igluzelten und beheiztem Versorgungszelt mit Wolldecken und Kissen sei nicht das Ergebnis des Lebensstils unordentlich hausender Asylbewerber, sondern die absichtliche Darstellung der Situation von Flüchtlingen und Asylbewerbern. Gerade dieser Zustand symbolisiere die prekäre Situation der Asylbewerber. Es stehe den Versammlungsteilnehmern auch frei, in welcher Form sie ihre politische Meinung äußern wollten. Sie seien keinesfalls auf schriftliche Aussagen auf Plakaten oder Vorträgen in freier Rede begrenzt. Sie könnten ihr Anliegen auch durch Symbole zum Ausdruck bringen, wie dies vorliegend mit den Pavillons geschehen sei. Eine solche weite Auslegung des Versammlungsbegriffs mache das Versammlungsrecht auch nicht konturlos, denn ersichtlich könne nicht jede politische Meinung durch den symbolischen Nachbau eines Flüchtlingslagers dargestellt werden. Unstreitig dürfte es sein, dass, sofern die Gegenstände wie hier essentieller Bestandteil der demonstrativen Aussage seien, sie eindeutig dem Versammlungsrecht unterfielen und von der Versammlungsfreiheit geschützt würden. Aber nicht nur die Gegenstände, die von essentieller Bedeutung für die Aussage seien, würden vom Versammlungsrecht geschützt. Es sei auch überwiegende Meinung in Literatur und Rechtsprechung, dass bei Mahnwachen ein Witterungsschutz in Form von Planen, Verpflegungs- und Sanitäreinrichtungen versammlungsrechtlich zulässig sei. Durch den Einsatz von Hilfsmitteln werde aus einer Versammlung unter freiem Himmel auch nicht eine Versammlung in geschlossenen Räumen. Die Versammlung habe nicht, wie dies für eine Versammlung in geschlossenen Räumen typisch sei, wesentlich der Selbstverständigung der Teilnehmer untereinander gedient, sondern sie habe von vornherein darauf abgezielt, möglichst viele Menschen anzusprechen. Dieses Anliegen sei durch die Pavillons nicht verhindert, sondern gefördert worden. Sofern eine bestimmte Form einer Veranstaltung grundsätzlich von der Versammlungsfreiheit geschützt werde, müssten auch die zur Durchführung einer solchen Versammlung unbedingt erforderlichen Hilfsmittel geschützt sein. Dies betreffe vorliegend die Pavillons als Witterungsschutz ebenso wie das Recht, zu schlafen und die dafür erforderlichen Schlafstätten, Betten etc. zur Verfügung zu haben. Die Auffassung, dass, wer eine Veranstaltung im Freien durchführe, sich damit der Witterung aussetze, sei sicher zutreffend, könne jedoch nichts daran ändern, dass für eine Dauermahnwache ein gewisser Witterungsschutz erforderlich sei, damit sie überhaupt durchgeführt werden könne. Ein nach allen Seiten offener Pavillon biete keinen ausreichenden Witterungsschutz. Ein teilweiser geschlossener Pavillon sei allein schon zum Schutz der Informationsmaterialien aus Papier und der für die Öffentlichkeitsarbeit heute zwingend notwendigen Computer erforderlich. Die erforderliche Zahl solcher Pavillons richte sich nach der Zahl der Teilnehmer. Vorliegend hätten an der Versammlung im Durchschnitt über 20 Personen teilgenommen. Ein einzelner auch für das Unterstellen des Informationsmaterials genutzter Pavillon sei offensichtlich nicht ausreichend gewesen. Auch das Verbot, Betten aufzustellen, sei rechtswidrig. Es sei nicht zumutbar, dass die Teilnehmer bei der Dauerwache ununterbrochen wach seien. Ebenso könne von ihnen nicht verlangt werden, zum Schlafen nach Hause zu gehen. Die Teilnehmer müssten die Möglichkeit haben, sich auszuruhen. Zum Schlafen benötige man eine Bettstelle.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie ist der Ansicht, Pavillons, die geschlossen und abgetrennt vom eigentlichen Versammlungsgeschehen der privaten Unterbringung der Versammlungsteilnehmer dienten, seien vom Grundrecht der Versammlungsfreiheit nicht umfasst. Das nächtliche Schlafen am Versammlungsort sei weder Kundgebungsmittel noch Ausdruck der Meinungsäußerung der Versammlungsteilnehmer gewesen. Es sei den Versammlungsteilnehmern zuzumuten, zum Schlafen den Versammlungsort zu verlassen. Die Versammlung werde dadurch nicht unterbrochen.

Der Vertreter des öffentlichen Interesses stellt keinen eigenen Antrag. Nach Aktenlage stelle sich jedoch die Frage, ob der zweite Pavillon als wesentliches Ausdrucksmittel für den Versammlungszweck gedient habe. Nach Ansicht des Verwaltungsgerichts sei seine logistische Bedeutung gegenüber der funktionalen und inhaltsbezogenen Bedeutung so stark in den Vordergrund getreten, dass ein versammlungsrechtlicher Schutz ausscheide.

Der Verwaltungsgerichtshof hat am 21. September 2015 über die Berufung mündlich verhandelt. Insoweit wird auf die Sitzungsniederschrift verwiesen.

Ergänzend wird auf die Gerichtsakten dieses Verfahrens und der Verfahren 10 B 14.2242, 10 CS 12.767, 10 CS 12.848, 10 CS 12.1106 und 10 CS 12.1419 in beiden Instanzen und die beigezogenen Behördenakten Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung hat auch in der Sache Erfolg. Die Klage ist zulässig (I.) und entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts in vollem Umfang begründet (II.).

I. Die Klage, die auf die Feststellung gerichtet ist, dass auch die Beschränkungen in Nr. 1.17, soweit darin als Kundgebungsmittel nur ein Pavillon (3 m x 3 m) zugelassen worden ist, und in Nr. 1.15 und Nr. 1.19 des Bescheids der Beklagten vom 15. Juni 2012 rechtswidrig waren, ist zulässig. Sie ist als Fortsetzungsfeststellungsklage gemäß § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO statthaft (1.). Der Kläger war auch nach § 42 Abs. 2 Alt. 1 VwGO klagebefugt (2.). Es liegt darüber hinaus das nach § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO erforderliche berechtigte Interesse an der begehrten Feststellung vor.

1. Die Klage ist als Fortsetzungsfeststellungsklage gemäß § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO statthaft.

In den Fällen einer Anfechtungsklage nach § 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO hebt das Verwaltungsgericht nach § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO den angefochtenen Verwaltungsakt auf, soweit er rechtswidrig ist und den Kläger in seinen Rechten verletzt. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht nach § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO auf Antrag durch Urteil aus, dass der Verwaltungsakt rechtswidrig war, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

Vorliegend haben sich die allein noch streitgegenständlichen Beschränkungen der Versammlung in Nr. 1.15, Nr. 1.17 und Nr. 1.19 des Bescheids der Beklagten vom 15. Juni 2012 nach Klageerhebung, aber vor der Entscheidung des Verwaltungsgerichts erledigt.

Die Beschränkungen stellten jeweils Verwaltungsakte dar. Denn es handelte sich dabei, wie Art. 35 Satz 1 BayVwVfG dies voraussetzt, um Entscheidungen, die die Beklagte zur Regelung eines Einzelfalls, nämlich zur Regelung der vom Kläger für den Zeitraum vom 16. Juni 2012 bis zum 16. August 2012 angezeigten Versammlung, auf dem Gebiet des Versammlungsrechts getroffen hat und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet waren, weil sie für den Kläger als Veranstalter und Versammlungsleiter verbindlich festlegten, dass nur ein Pavillon, der an allen Seiten offen sein musste, errichtet und keine Betten aufgestellt werden durften.

Die angegriffenen Beschränkungen haben sich mit dem Verstreichen des Zeitraums, für den der Bescheid vom 15. Juni 2012 gelten sollte, durch Zeitablauf erledigt und sind dadurch nach Art. 43 Abs. 2 BayVwVfG unwirksam geworden. Erledigung ist erst mit dem Ablauf des letzten Tages dieses Zeitraums am 16. August 2012 eingetreten, weil die Beschränkungen bis zu diesem Zeitpunkt Rechtswirkungen für die Versammlung des Klägers entfalteten. Der Kläger hat noch vor Eintritt der Erledigung innerhalb der Rechtsmittelfrist für den Bescheid vom 15. Juni 2012 am 4. Juli 2012 Anfechtungsklage erhoben.

2. Der Kläger war nach § 42 Abs. 2 Alt. 1 VwGO klagebefugt.

Nach dieser Regelung, die in den Fällen der Fortsetzungsfeststellungsklage entsprechend anwendbar ist (vgl. BayVGH, U. v. 8.3.2010 - 10 B 09.1102, 10 B 0910 B 09.1837 - juris Rn. 23; U. v. 20.3.2015 - 10 B 12.2280 - juris Rn. 31; Wolff in Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Aufl. 2014, § 113 Rn. 286), weil die an die Stelle der Anfechtungsklage tretende Fortsetzungsfeststellungsklage einen zum Zeitpunkt der Erledigung des betreffenden Verwaltungsakts bereits vorhandenen Zulässigkeitsmangel nicht zu heilen vermag (vgl. BVerwG, U. v. 23.3.1982 - 1 C 157/79 - juris Rn. 23; Sodan in Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Aufl. 2014, § 42 Rn. 375, wo § 42 Abs. 2 VwGO allerdings unmittelbar herangezogen wird), ist die Klage nur zulässig, wenn der Kläger geltend macht, durch den Verwaltungsakt in seinen Rechten verletzt zu sein. Dafür genügt es, dass die behauptete Rechtsverletzung möglich erscheint. Dies ist bereits dann anzunehmen, wenn eine Verletzung eigener subjektiver Rechte des Klägers nicht offensichtlich und eindeutig nach jeder Betrachtungsweise ausgeschlossen ist (st. Rspr.; vgl. etwa BVerwG, U. v. 23.3.1982 - 1 C 157/79 - juris Rn. 23; U. v. 10.7.2001 - 1 C 35/00 - juris Rn. 15 jeweils m. w. N.). Danach ist der Kläger klagebefugt. Denn es erscheint zumindest möglich, dass er durch die streitgegenständlichen Beschränkungen in seinem Recht verletzt ist, sich friedlich und ohne Waffen zu versammeln. Für den Kläger, der iranischer Staatsangehöriger ist, folgt dieses Recht aus seiner allgemeinen Handlungsfreiheit nach Art. 2 Abs. 1 GG sowie aus Art. 11 Abs. 1 Halbsatz 1 Alt. 1 EMRK (vgl. Zeitler, Grundriss des Versammlungsrechts, 2015, S. 27; einschränkend in Bezug auf Art. 2 Abs. 1 GG vgl. Depenheuer in Maunz/Dürig, GG, Stand: 74 Ergänzungslieferung Mai 2015, Art. 8 Rn. 109), nach dem jeder das Recht hat, sich frei und friedlich mit anderen zu versammeln. Darüber hinaus ist dieses Recht einfachgesetzlich durch Art. 1 Abs. 1 BayVersG gewährleistet. Denn danach hat jedermann das Recht, sich friedlich und ohne Waffen öffentlich mit anderen zu versammeln.

Da die Möglichkeit einer Rechtsverletzung für die Bejahung der Klagebefugnis ausreicht, braucht an dieser Stelle noch nicht abschließend entschieden werden, ob die angezeigte Dauerversammlung mit Hungerstreik und sämtlichen in der Anzeige des Klägers genannten Kundgebungsmitteln eine Versammlung i. S. d. genannten Vorschriften darstellt (s.u. II.1.).

3. Der Kläger hat darüber hinaus das nach § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO erforderliche berechtigte Interesse an der Feststellung, dass die angegriffenen Beschränkungen des Bescheids vom 15. Juni 2012 rechtswidrig waren.

Als ein solches Interesse kommt grundsätzlich jedes nach Lage des Falles anzuerkennende schutzwürdige Interesse rechtlicher, wirtschaftlicher oder ideeller Art in Betracht (vgl. BVerwG, B. v. 12.9.1989 - 1 C 40/88 - juris Rn. 10 m.w.N; BayVGH, U. v. 8.3.2010 - 10 B 09.1102, 10 B 0910 B 09.1837 - juris Rn. 25). Insbesondere besteht das erforderliche Feststellungsinteresse, wenn die Gefahr einer Wiederholung besteht. In versammlungsrechtlichen Streitigkeiten setzt dies zum einen die Möglichkeit einer erneuten Durchführung einer vergleichbaren Versammlung durch den Kläger voraus, zum anderen, dass die Behörde voraussichtlich auch zukünftig an ihrer Rechtsauffassung festhalten wird (BVerfG, B. v. 3.3.2004 - 1 BvR 461/03 - juris Rn. 41). Nach der aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung des Senats (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) ist hier auf der Grundlage der genannten Maßstäbe von einer Wiederholungsgefahr auszugehen.

Es besteht zunächst die Möglichkeit, dass der Kläger erneut eine vergleichbare Versammlung durchführt. Denn nach den Darlegungen in der mündlichen Verhandlung und unter Berücksichtigung aller Umstände des Falles besteht erkennbar die Möglichkeit, dass der Kläger auch in Zukunft Versammlungen abhalten wird, die ihrer Art nach zu den gleichen Rechtsproblemen und damit der gleichen Beurteilung ihrer Rechtmäßigkeit führen können, wobei nicht erforderlich ist, dass die möglichen weiteren Versammlungen unter gleichen Umständen, mit einem identischen Motto und am selben Ort durchgeführt werden (vgl. BVerfG, a. a. O., Rn. 42).

Der Kläger lebt noch im Stadtgebiet der Beklagten und ist weiterhin politisch aktiv. Seine Bevollmächtigte hat in der mündlichen Verhandlung vorgetragen, dass immer wieder diskutiert werde, ob die Öffentlichkeit erneut mit einer vergleichbaren Aktion auf die Anliegen, die auch schon Gegenstand der damaligen Veranstaltung gewesen seien, hingewiesen werden solle. Außerdem hat sie darauf hingewiesen, dass sich auch ein Hungerstreik, wenn auch vielleicht mit einer geringeren Zahl an Teilnehmern, jederzeit wiederholen lasse. Vor diesem Hintergrund besteht nach Überzeugung des Verwaltungsgerichtshofs aber erkennbar die Möglichkeit, dass der Kläger erneut eine vergleichbare Versammlung veranstalten und leiten wird, die unter Verwendung von Pavillons über längere Zeit hinweg rund um die Uhr stattfindet und damit hinsichtlich der Zahl der zum Einsatz kommenden Pavillons und ihrer Nutzung sowie bezüglich der Zulässigkeit der Aufstellung von Betten zu den gleichen Rechtsproblemen, wie sie den streitgegenständlichen Bestimmungen in Nr. 1.15, Nr. 1.17 und Nr. 1.19 des Bescheids vom 15. Juni 2012 zugrunde lagen, und zu einer gleichen rechtlichen Beurteilung dieser Probleme durch die Versammlungsbehörde führen kann. Dies gilt umso mehr, als in einer Situation, in der wie gegenwärtig die Asylbewerberzahlen rasch ansteigen, mit dem Auftreten von Problemen zu rechnen ist, die mit denjenigen, die Auslöser der Versammlungen im Jahr 2012 waren, vergleichbar sind. Insbesondere liegt insoweit auf der Hand, dass die steigenden Asylbewerberzahlen zumindest vorübergehend mit einer längeren Dauer der einzelnen Asylverfahren und mit Schwierigkeiten bei der Unterbringung der Betroffenen verbunden sein können.

Ebenso wird die Beklagte nach Überzeugung des Verwaltungsgerichtshofs voraussichtlich auch zukünftig an ihrer Rechtsauffassung festhalten. Denn es ist nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens davon auszugehen, dass sie Beschränkungen der Durchführung weiterer vergleichbarer Versammlungen des Klägers wieder mit den gleichen Gründen rechtfertigen wird (vgl. BVerfG, B. v. 3.3.2004 - 1 BvR 461/03 - juris Rn. 43).

Hinsichtlich der Nr. 1.17 des Bescheids vom 15. Juni 2012, die, soweit sie angegriffen ist, lediglich die Errichtung eines einzigen Pavillons zulässt, folgt dies zunächst daraus, dass der Vertreter der Beklagten in der mündlichen Verhandlung selbst vom Bestehen einer Wiederholungsgefahr ausgegangen ist, weil die Beklagte weiterhin einen zweiten Pavillon nicht als vom Grundrecht der Versammlungsfreiheit geschützt ansehe. Dies gilt in gleicher Weise für die Beschränkungen in Nr. 1.15 und Nr. 1.19 des Bescheids vom 15. Juni 2012. Insoweit hat der Vertreter der Beklagten in der mündlichen Verhandlung erklärt, dass eingebrachte Gegenstände wie Betten nicht mehr mit der Meinungskundgabe in Zusammenhang stünden und daher auch nicht geschützt seien. Zur Beschränkung in Nr. 1.19 hat sich der Vertreter der Beklagten zwar nicht mehr ausdrücklich geäußert. Es wurde aber in der mündlichen Verhandlung hinreichend deutlich, dass die Beklagte jegliche Infrastruktur, die den Versammlungsteilnehmern ermöglicht, sich vom eigentlichen Versammlungsgeschehen abzusondern, weil z. B. in geschlossenen Pavillons übernachtet wird, als nicht mehr vom Schutzbereich des Versammlungsrechts umfasst ansieht.

II. Die Klage ist im noch streitgegenständlichen Umfang auch begründet. Die Beschränkungen in Nr. 1.17, soweit darin als Kundgebungsmittel nur ein Pavillon (3 m x 3 m) zugelassen worden ist, und in Nr. 1.15 und Nr. 1.19 des Bescheids vom 15. Juni 2012 waren im Zeitpunkt ihrer Erledigung rechtswidrig und verletzten den Kläger in seinen Rechten. Es ist deshalb antragsgemäß auszusprechen, dass sie rechtswidrig gewesen sind (§ 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO).

Als Rechtsgrundlage für die streitgegenständlichen Beschränkungen kommt Art. 15 Abs. 1 BayVersG in Betracht, weil es sich bei der vom Kläger angezeigten „Dauerversammlung in der Form des Hungerstreiks“ vom 16. Juni 2012 bis 16. August 2012 um eine öffentliche Versammlung i. S. d. Art. 2 Abs. 1 und 2 BayVersG gehandelt hat (1.). Die Beklagte war für den Erlass der beschränkenden Verfügungen im Bescheid vom 15. Juni 2012 zuständig (2.). Die verfügten, noch streitgegenständlichen Beschränkungen stellen sich jedoch als unverhältnismäßig bzw. ermessensfehlerhaft dar (3.).

1. Versammlungen im Sinne von Art. 8 Abs. 1 GG sind örtliche Zusammenkünfte mehrerer Personen zur gemeinschaftlichen, auf die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung gerichteten Erörterung oder Kundgebung (vgl. BVerfG, B. v. 24.10.2001 - 1 BvR 1190/90, 1 BvR 2173/93, 1 BvR 433/96 - juris Rn. 41; BVerwG, U. v. 16.5.2007 - 6 C 23/06 - juris Rn. 15). Enthält eine Veranstaltung sowohl Elemente, die auf die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung gerichtet sind, als auch solche, die diesem Zweck nicht zuzurechnen sind, so ist entscheidend, ob die Veranstaltung ihrem Gesamtgepräge nach eine Versammlung darstellt. Bleiben insoweit Zweifel, so bewirkt der hohe Rang der Versammlungsfreiheit, dass die Veranstaltung wie eine Versammlung behandelt wird (vgl. BVerfG, B. v. 12.7.2001 - 1 BvQ 28/01, 1 BvQ 30/01 - juris Rn. 29; BVerwG, U. v. 16.5.2007 - 6 C 23/06 - juris Rn. 16). Weitgehend übereinstimmend mit diesen Grundsätzen definiert Art. 2 Abs. 1 BayVersG Versammlungen im Sinne des Bayerischen Versammlungsgesetzes als Zusammenkünfte von mindestens zwei Personen zur gemeinschaftlichen, überwiegend auf die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung gerichteten Erörterung oder Kundgebung.

Legt man dies zugrunde, so stellte sich die vom Kläger angezeigte Veranstaltung nach ihrem Gesamtgepräge aber als Versammlung im Sinne von Art. 2 Abs. 1 BayVersG dar. Denn sie war überwiegend auf die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung gerichtet. Bei der Frage, welches Gesamtgepräge einer Veranstaltung zukommt, ist zwar zu berücksichtigen, dass die Beteiligten berechtigt sind, selbst darüber zu bestimmen, was sie zum Gegenstand öffentlicher Meinungsbildung machen und welcher Formen der kommunikativen Einwirkung sie sich bedienen wollen. Die rechtliche Einordnung dieses Verhaltens als Versammlung steht aber den dazu berufenen Gerichten zu (BVerfG, B. v. 12.7.2001 - 1 BvQ 28/01, 30/01 - juris Rn. 30).

Zweck der Veranstaltung, die als länger andauernde Versammlung in Form eines Hungerstreiks zum Thema Asylpolitik angezeigt worden war, war es, die Öffentlichkeit auf die Situation von Asylbewerbern in Deutschland aufmerksam zu machen und dadurch auf eine Verbesserung dieser Situation hinzuwirken. Dabei ging es zum einen darum, die Asylverfahren der Teilnehmer am Hungerstreik zu beschleunigen und deren Anerkennung als Asylberechtigte zu erreichen. Zum anderen wurde eine Verbesserung der Situation aller Asylbewerber angestrebt. Insbesondere wurde von der Politik die Abschaffung der Unterbringung von Asylbewerbern in Gemeinschaftsunterkünften, der Residenzpflicht und der Zuteilung von Essenspaketen, eine drastische Verkürzung der Dauer der Antragsbearbeitung durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, die Einführung eines Anspruchs aller Asylbewerber auf Teilnahme an professionellen Deutschkursen und die Möglichkeit gefordert, den Lebensunterhalt durch eigene Arbeit zu sichern.

War damit die vom Kläger angezeigte Veranstaltung aber auf die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung gerichtet, so steht ihrer Einordnung als Versammlung im Sinne von Art. 2 Abs. 1 BayVersG nicht entgegen, dass in ihrem Rahmen auch Pavillons errichtet worden sind und beibehalten werden sollten, die den Teilnehmern ermöglichten, sich auszuruhen, zu schlafen, Zuflucht vor ungünstigen Witterungsbedingungen zu suchen oder sonst den Aufenthalt am Veranstaltungsort zu erleichtern. Dies betraf nicht nur die hungerstreikenden Versammlungsteilnehmer. Denn ungeachtet dessen stand im Vordergrund der Veranstaltung die beabsichtigte Einflussnahme auf die öffentliche Meinung. Dies gilt nach Überzeugung des Verwaltungsgerichtshofs unabhängig davon, ob - wie der Kläger nunmehr geltend macht - insbesondere durch das Aufstellen der Pavillons auf die prekäre Situation der Asylbewerber in der Gemeinschaftsunterkunft und den dortigen Mangel jeglicher Privatsphäre aufmerksam gemacht werden sollte. Denn auch die Anwesenheit der Teilnehmer am Versammlungsort rund um die Uhr über mehrere Tage hinweg, die ohne die Möglichkeit, sich zum Schutz vor ungünstigen Witterungsbedingungen und zum Ausruhen und Schlafen in die als Kundgebungsmittel vorgesehenen Pavillons begeben zu können, schon rein faktisch nicht gewährleistet gewesen wäre, war geeignet, dem auf die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung gerichteten Anliegen der Veranstaltung besonderen Nachdruck zu verleihen.

Schließlich steht der Einordnung der vom Kläger angezeigten Veranstaltung in Form eines Hungerstreiks als (Dauer-)Versammlung im Sinne von Art. 2 Abs. 1 BayVersG auch nicht entgegen, dass mit ihr auch die Anerkennung der Veranstaltungsteilnehmer als Asylberechtigte herbeigeführt werden sollte. Zwar schützt die Versammlungsfreiheit nur die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung, nicht aber die zwangsweise oder sonstige selbsthilfeähnliche Durchsetzung eigener Forderungen (vgl. BVerfG, B. v. 24.10.2001 - 1 BvR 1190/90, 1 BvR 2173/93, 1 BvR 433/96 - juris Rn. 44). Jedoch ging es hier nach Überzeugung des Verwaltungsgerichtshofs nicht in erster Linie darum, die eigenen Forderungen in selbsthilfeähnlicher Weise durchzusetzen. Vielmehr stand im Vordergrund das Bestreben, durch den Hungerstreik und durch die Anwesenheit der Veranstaltungsteilnehmer am Veranstaltungsort rund um die Uhr die Bedeutung dieser Forderungen zu unterstreichen und so Einfluss auf die öffentliche Meinung zu nehmen. Es überwog damit aber gerade der von der Versammlungsfreiheit geschützte Zweck der Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung.

2. Die Beklagte war für den Erlass der streitgegenständlichen Beschränkungen zuständig. Nach Art. 15 Abs. 1 BayVersG kann die zuständige Behörde Versammlungen beschränken oder verbieten, wenn nach den zur Zeit des Erlasses der Verfügung erkennbaren Umständen die öffentliche Sicherheit oder Ordnung bei Durchführung der Versammlung unmittelbar gefährdet ist oder ein Fall des Art. 12 Abs. 1 BayVersG vorliegt. Zuständige Behörde ist nach Art. 24 Abs. 2 Satz 1 BayVersG die Kreisverwaltungsbehörde, ab Beginn der Versammlung die Polizei. Vorliegend verfügte die Beklagte als Kreisverwaltungsbehörde die Beschränkungen vor Beginn der Versammlung am 16. Juni 2012 mit Bescheid vom 15. Juni 2012; sie war damit zuständige Behörde i. S. d. Art. 24 Abs. 2 Satz 1 BayVersG.

Auch wenn seit dem 9. März 2012 im Stadtgebiet der Beklagten schon mehrere Versammlungen zum Thema „Asylrecht“ teilweise verbunden mit einem Hungerstreik stattgefunden hatten, so handelte es sich bei der am 13. Juni 2012 vom Kläger angezeigten Versammlung um eine am 16. Juni 2012 beginnende neue Versammlung. Denn mit seiner nach Art. 13 Abs. 1 Satz 1 BayVersG erforderlichen Anzeige gab der Veranstalter der Versammlungsbehörde zu erkennen, dass ab dem 16. Juni 2012 eine neue, eigenständige Versammlung beginnen wird. Nach Art. 13 Abs. 2 Satz 1 BayVersG sind in der Anzeige nach Art. 13 Abs. 1 Satz 1 BayVersG der Ort der Versammlung, der Zeitpunkt des beabsichtigten Beginns und Endes der Versammlung, das Versammlungsthema und der Veranstalter und der Leiter anzugeben. Die Anmeldung soll die Behörde in die Lage versetzen, organisatorische Vorkehrungen treffen zu können. Nur wenn die Behörde zuvor über Zeitpunkt, Ort und Art der Versammlung unterrichtet wird, ist sie auch in der Lage, den Schutz und die Durchführung der Versammlung zu gewährleiten (Zeitler, Grundriss des Versammlungsrechts, 2015, Rn. 222; Wächtler/Heinhold/Merk, BayVersG, 2011, Art. 13 Rn. 20). Da der Veranstalter das Ende der vorangehenden Versammlung auf dem Dominikanerplatz für den 15. Juni 2012 angezeigt hatte, begann am 16. Juni 2012 mit der beabsichtigten Verlegung des Versammlungsgeschehens an den Vierröhrenbrunnen eine neue Versammlung, weil sich wesentliche Kriterien, nämlich der Versammlungsort und der Zeitraum der Versammlung, geändert hatten und offensichtlich auch der Veranstalter davon ausging, dass eine erneute Abstimmung mit der Versammlungsbehörde über den weiteren Verlauf im Versammlungsgeschehen erforderlich war. Die einzelnen Versammlungen, die aufeinanderfolgend zum Thema „Asylpolitik“ an verschiedenen Orten im Stadtgebiet der Beklagten stattgefunden haben, sind tatsächlich und rechtlich auch nicht deshalb eine Versammlung i. S. d. Art. 13 BayVersG, weil sich die jeweiligen Versammlungszeiträume unmittelbar aneinander angeschlossen hatten. Die jeweiligen Versammlungen unterschieden sich nämlich durch den Versammlungsort, die Zahl der Teilnehmer und auch dadurch, dass zeitweise den politischen Forderungen durch einen Hungerstreik Nachdruck verliehen werden sollte. Die Veranstalter hatten ursprünglich auch nicht geplant, ihren Protest über einen so langen Zeitraum auszudehnen. Sie reihten dann letztlich eine Versammlung an die andere, weil ihr Forderungskatalog von den politisch Verantwortlichen (noch) nicht oder nicht umfassend erfüllt wurde.

3. Nach Art. 15 Abs. 1 BayVersG kann die zuständige Behörde eine Versammlung beschränken oder verbieten, wenn nach den zur Zeit des Erlasses der Verfügung erkennbaren Umständen die öffentliche Sicherheit oder Ordnung bei der Durchführung der Versammlung unmittelbar gefährdet ist. Die in Art. 15 Abs. 1 BayVersG genannten beschränkenden Verfügungen sind keine Nebenbestimmungen zu einem begünstigenden Verwaltungsakt. An diesem fehlt es im Versammlungsrecht angesichts der Erlaubnisfreiheit von Versammlungen (BVerfG, B. v. 21.3.2007 - 1 BvR 232/04) - juris 22). Sie enthalten vielmehr einen eigenständigen Eingriff in die Versammlungsfreiheit, müssen in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Versammlungsgeschehen stehen und darauf abzielen, auch noch solche Versammlungen und Aufzüge zu ermöglichen, die aus Rechtsgründen nicht mehr zugelassen werden könnten, wenn sie nach den ursprünglichen Vorstellungen des Veranstalters durchgeführt würden (Dietel/Gintzel/Kniesel, Versammlungsgesetz, 6. Aufl. 2011, § 15 Rn. 45). Der Begriff der öffentlichen Sicherheit knüpft an die polizeiliche Generalklausel an. Er umfasst die Unverletzlichkeit der Rechtsordnung (BVerfG, U. v. 14.5.1985 - 1 BvR 233/81 - juris Rn. 77), der subjektiven Rechte und Rechtsgüter des einzelnen sowie des Bestandes der Einrichtungen und der Veranstaltungen des Staates oder sonstiger Träger der Hoheitsgewalt. Zur Rechtsordnung gehören Strafgesetze und verwaltungsrechtliche Gebots- und Verbotsnormen. Die Beschränkungen müssen der Abwehr einer unmittelbaren Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung dienen. Eine solche Gefährdung kann sich auch aus der Art und Weise der Durchführung der Versammlung ergeben. Unzulässig sind Beschränkungen, die dem Normzweck widersprechen. Die Beschränkungen nach Art. 15 Abs. 1 BayVersG müssen zudem erforderlich und geeignet sein, die Gefahren zu verhindern, denen sie begegnen sollen und sich auf das zum Schutz höherwertiger Rechtsgüter unbedingt notwendige Maß unter strikter Wahrung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes beschränken (HessVGH, U. v. 26.4.2006 - 5 UE 1567/05 - juris Rn. 32).

Gemessen an diesen Grundsätzen waren die von der Beklagten verfügten Beschränkungen in Nr. 1.15, Nr. 1.17 und Nr. 1.19 des Bescheids vom 15. Juni 2012 aber unverhältnismäßig und damit auch ermessensfehlerhaft. Die Beklagte hat die Bedeutung, die dem Aufstellen des zweiten Pavillons und dem Witterungsschutz durch Planen für die Durchführung der Versammlung zukam, bei ihrer Entscheidung verkannt bzw. nicht hinreichend berücksichtigt (3.1). Zu Nr. 1.15 enthält der Bescheid keinerlei Ausführungen, die erkennen ließen, inwiefern durch das Verbot des Aufstellens von Betten die öffentliche Sicherheit und Ordnung unmittelbar gefährdet worden wäre (3.2).

3.1 Das Aufstellen eines Pavillons auf einem öffentlichen Platz im Gemeindegebiet der Beklagten verstößt zwar gegen deren Sicherheitssatzung (3.1.1). Der Kläger kann sich als Ausländer zumindest auf die einfachgesetzlich gewährleistete Versammlungsfreiheit nach Art. 1 Abs. 1 BayVersG berufen (3.1.2). Auch der zweite Pavillon war zur Durchführung der Versammlung in der angezeigten Form notwendig (3.1.3). Insoweit ist ein am Durchschnittsbetrachter orientierter objektiver Maßstab anzulegen (3.1.4). Die von der Beklagten zur Begründung des Verbots des Aufstellens eines zweiten Pavillons angeführten Erwägungen stellen sich daher als unverhältnismäßig und ermessensfehlerhaft dar (3.1.5). Dasselbe gilt für die Beschränkung in Nr. 1.19, wonach der Pavillon an allen Seiten offen zu halten war (3.1.6).

3.1.1 Nach § 4 Abs. 1 Nr. 2 der Satzung der Beklagten über die Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung in der Stadt Würzburg vom 6. April 2006 (Sicherheitssatzung) ist es zur Vermeidung von Beeinträchtigungen Dritter und zum ordnungsgemäßen Erhalt der Straßen, Wege und Plätze und der öffentlichen Grün- und Erholungsanlagen untersagt, zu nächtigen und zu zelten. Diese Sicherheitssatzung ist Bestandteil der Rechtsordnung, so dass ein Verstoß gegen die in der Sicherheitssatzung geregelten Verbote und Gebote grundsätzlich eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit darstellen kann. Das Aufstellen eines teilweise geschlossenen Pavillons, um dort die Nacht zu verbringen, erfüllt zumindest den Tatbestand des Zeltens, weil auch der Pavillon eine einem Zelt vergleichbare Grundfläche einnimmt, und somit dem Zweck der Satzung, die Funktionsfähigkeit der öffentlichen Straßen und Plätze zu erhalten und Dritte nicht zu beeinträchtigen, entgegensteht.

3.1.2 Allerdings tritt vorliegend der von der Beklagten durch das Aufstellen des Pavillons angenommene Verstoß gegen § 4 Abs. 1 Nr. 2 der Sicherheitssatzung im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung hinter die einfachgesetzlich gewährleistete Versammlungsfreiheit und die grundgesetzlich geschützte allgemeine Handlungsfreiheit zurück. Der Kläger kann sich zwar als iranischer Staatsangehöriger nicht unmittelbar auf Art. 8 Abs. 1 GG, der allen Deutschen das Recht verleiht, sich ohne Anmeldung friedlich und ohne Waffen zu versammeln, berufen. Ausländern steht allein das Auffanggrundrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG und das einfachgesetzliche Recht aus Art. 1 Abs. 1 BayVersG bzw. Art. 11 Abs. 1 EMRK zu (s.o. I. 2.). Denn Art. 1 Abs. 1 BayVersG geht von einem Jedermann-Recht aus. Zudem gewährleistet Art. 113 BV allen Bewohnern Bayerns das Recht, sich ohne besondere Erlaubnis und friedlich und unbewaffnet zu versammeln, so dass dem Schutz der Versammlungsfreiheit für Bewohner Bayerns, auch wenn sie Ausländer sind, Verfassungsrang zukommt und die einfachgesetzlich gewährleistete Versammlungsfreiheit eine verfassungsrechtliche Schutzbereichsverstärkung erfährt.

3.1.3 Liegt wie hier nach dem Gesamtgepräge eine Versammlung vor (s.o. II. 1.), so fallen grundsätzlich sämtliche Bestandteile oder Elemente dieser Versammlung in den Schutzbereich der Versammlungsfreiheit. Dies bedeutet, dass diese Versammlungsbestandteile, auch wenn sie nach anderen Rechtsvorschriften erlaubnispflichtig wären, keiner Erlaubnis nach diesen Rechtsvorschriften bedürfen und insoweit privilegiert werden (zum Verhältnis einer versammlungsrechtlichen Beschränkung zu einer straßenrechtlichen Sondernutzungserlaubnis vgl. VGH BW, B. v. 16.12.1993 - 1 S 1957/93 - juris Rn. 7; BVerwG, U. v. 21.4.1989 - 7 C 50/88 - juris Rn. 15; OVG Berlin-Bbg, B. v. 14.11.2003 - 4 B 365/03 - juris Rn. 18). Außerversammlungsgesetzliche Erlaubnisvorbehalte, die unmittelbar versammlungsbezogene Betätigungen und Verhaltensweisen betreffen, sind suspendiert. Dies ergibt sich aus der aus Art. 1 Abs. 1 BayVersG, Art. 113 BV folgenden prinzipiellen Erlaubnisfreiheit für das Gesamtgeschehen der jeweils aktuellen Versammlung oder Demonstration (Dietel/Gintzel/Kniesel, Versammlungsgesetz, a. a. O., § 15 Rn. 7).

Nach der Rechtsprechung des BVerfG fallen in den Schutzbereich der Versammlungsfreiheit und der dadurch bewirkten Erlaubnisfreiheit des Versammlungsgeschehens nur Veranstaltungen und Aktionen, die durch gemeinsame Kommunikation geprägt sind und auf die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung zielen (BVerfG, U. v. 24.10.2001 - 1 BvR 1190/90 - juris Rn. 40, B. v. 20. 12. 2012 - 1 BvR 2794/10 - juris Rn. 16, U. v. 22.2.2011 - 1 BvR 699/06 - juris Rn. 63). In diesem Rahmen gewährleistet die Versammlungsfreiheit auch das Recht, selbst zu bestimmen, wann, wo und unter welchen Modalitäten eine Versammlung stattfinden soll, und damit ein Selbstbestimmungsrecht über Ort, Zeitpunkt, Art und Inhalt der Veranstaltung (BVerfG, B. v. 20.12.2012 a. a. O. Rn. 16; U. v. 22.2.2011 a. a. O. Rn. 64; B. v. 14.5.1985 - 1 BvR 233/81 - juris Rn. 61). Das Selbstbestimmungsrecht des Veranstalters ist aber beschränkt, soweit durch die geplante Veranstaltung Rechtsgüter beeinträchtigt zu werden drohen. Hinsichtlich der Modalitäten der Durchführung einer Versammlung ergeben sich die Grenzen der Versammlungsfreiheit aus Art. 15 BayVersG. Gefährdet die Durchführung der Versammlung andere Rechtsgüter, so ist es Aufgabe der Behörde, die wechselseitigen Interessen unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit zum Ausgleich zu bringen. Die Bewertung der gegenläufigen Interessen und ihre Abwägung mit dem Versammlungsinteresse liegt bei der Behörde (BVerfG, B. v. 5.9.2003 - 1 BvQ 32/03 - juris Rn. 22; B. v. 26.1.2001 - 1 BvQ 8/01 - juris Rn. 15).

Bezogen auf Gegenstände oder Hilfsmittel, die in eine Versammlung eingebracht werden sollen, besteht in Literatur und Rechtsprechung jedenfalls weitgehend Einigkeit darüber, dass sie an der durch die Versammlungsfreiheit bewirkten Privilegierung in Bezug auf die Erlaubnisfreiheit teilnehmen, wenn sie funktionale Bedeutung für die Durchführung der Veranstaltung haben (Dietel/Gintzel/Kniesel, Versammlungsgesetz, a. a. O., § 1 Rn. 60) oder sie zur Verwirklichung des Versammlungszweck wesensnotwendig sind (Schneider in BeckOK, GG, Stand 1.6.2015, Art. 8 Rn. 179). Art. 8 GG schützt auch „infrastrukturelle“ Ergänzungen der Veranstaltung in Form von Informationsständen, Sitzgelegenheiten, Imbissständen oder auch Zelten, sofern sie funktional versammlungsspezifisch eingesetzt werden (Schulze-Fielitz in Dreier, Grundgesetz, 3. Aufl. 2013, Art. 8 Rn. 34). Nicht in den Schutzbereich von Art. 8 GG fallen infrastrukturelle Begleitaktivitäten, wenn sie über die eigene Versammlungsaktivität hinausgehen, ohne für diese notwendig zu sein (Depenheuer in Maunz/Dürig, Grundgesetzkommentar, Stand 2014, Art. 8 Rn. 72). Die Rechtsprechung ordnet die Begleiterscheinungen einer Versammlung nur dann dem Schutzbereich der Versammlungsfreiheit zu, wenn die jeweils in Rede stehenden Gegenstände und Hilfsmittel zur Verwirklichung des Versammlungszwecks funktional oder symbolisch für die kollektive Meinungskundgabe wesensnotwendig sind (OVG Berlin-Bbg, B. v. 16.8.2012 - OVG 1 S 108.12 - juris 8), wenn es sich dabei um notwendige Bestandteile der Versammlung handelt, ohne die eine gemeinsame Meinungsbildung und Meinungsäußerung nicht möglich ist (VG Frankfurt, B. v. 6.8.2012 - 5 L 2558/12.F - juris Rn. 43), wenn sie inhaltlich in hinreichendem Zusammenhang mit der Durchführung der Versammlung stehen und einen spezifischen Bezug zum Versammlungsthema aufweisen (BVerfG, B. v. 26.6.2014 - 1 BvR 2135/09 - NVwZ 2014, 1453), ihnen eine funktionale oder symbolische Bedeutung für das Versammlungsthema zukommt und sie einen erkennbaren inhaltlichen Bezug zur Meinungskundgabe aufweisen (BayVGH, B. v. 12.4.2012 - 10 CS 12.767 - juris Rn. 10; B. v.20.4.2012 - 10 CS 12.845 - juris Rn. 845) oder wenn nur unter ihrer Verwendung die Versammlung zweckentsprechend durchgeführt werden kann (BayVGH, B. v. 1.7.1995 - 21 CS 95.2131 - BeckRS 1995, 15373).

3.1.4 Ob bestimmte Gegenstände, die von den Veranstaltern der Versammlung zur Durchführung der Versammlung als notwendig erachtet werden und damit funktional-spezifisch versammlungsbezogen sind und einen Bezug zur gewählten Form der Versammlung haben, ist von der Behörde nach einem objektiven Maßstab zu beurteilen. Grundlage für diese Beurteilung ist das Vorbringen der Veranstalter. Sie legen gegenüber der Versammlungsbehörde dar, welche Gegenstände sie zur Durchführung der Versammlung in der geplanten Form benötigen. Für die Zugrundelegung eines am Durchschnittsbetrachter orientierten Maßstabs spricht folgendes: Auch bei der Entscheidung darüber, ob überhaupt eine Versammlung vorliegt, richtet sich die rechtliche Beurteilung danach, ob sich die Veranstaltung aus der Sicht des durchschnittlichen Betrachters als Versammlung darstellt, und ob der Veranstalter sein Konzept schlüssig dargelegt hat (BVerwG, U. v. 22.8.2007 - 6 C 22.06 - juris Rn. 14, 17). Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG, B. v. 24.10.2001 - 1 BvR 1190/90 - juris Rn. 45) spricht ebenfalls davon, dass es bei der Beurteilung, ob es sich bei einer Blockadeaktion noch um eine Kundgebung handelt, die unter den Schutz des Art. 8 GG fällt, oder um eine selbsthilfeähnliche Durchsetzung eigener Forderungen, darauf ankommt, dass der Veranstalter der Versammlung substantiiert darlegt, dass die Aktion auch einen an die Öffentlichkeit gerichteten Kommunikationszweck verfolgt habe. Wenn somit schon bei der Einordnung eines Geschehens als Versammlung eine Überprüfung des vom Veranstalter vorgelegten Konzepts anhand objektiver Kriterien erfolgt, ist es nur konsequent, dass die Versammlungsbehörde auch überprüft, ob bestimmte Gegenstände, die in die Versammlung eingebracht werden sollen, für die Durchführung der Versammlung in der gewählten Form funktional oder symbolisch eingesetzt werden. Denn schließlich wird das durch Art. 1 Abs. 1 BayVersG geschützte Versammlungsgeschehen insoweit privilegiert, als sämtliche mit dem Versammlungsgeschehen in Zusammenhang stehenden „Bestandteile“ keiner etwaigen nach spezialgesetzlichen Regelungen erforderlichen Erlaubnis bedürfen. Ein Widerspruch zum Selbstbestimmungsrecht des Veranstalters über Ort, Zeitpunkt sowie Art und Inhalt bzw. die Form der Versammlung liegt darin nicht, weil die Behörde insoweit lediglich prüft, ob die vom Veranstalter angezeigten Hilfsmittel (hier: Pavillons und Betten) die für die Durchführung der geplanten Form der Versammlung (Dauerversammlung) erforderliche funktionale oder symbolische Bedeutung haben, dem Veranstalter aber nicht die Form seiner Versammlung vorgibt.

3.1.5 Die von der Beklagten verfügte Beschränkung, dass nur ein Pavillon aufgestellt werden darf, erweist sich danach bereits deshalb als rechtswidrig, weil die Beklagte bei der Bewertung ihres Interesses an der Einhaltung der Bestimmungen der Sicherheitssatzung und der gegenläufigen Interessen der Versammlungsteilnehmer zu Unrecht davon ausgegangen ist, dass der zweite Pavillon nicht in funktionalem Zusammenhang mit dem Versammlungszweck steht. Wie der Senat bereits in seinem Beschluss vom 12. April 2012 (10 CS 12.767 - juris) ausgeführt hat, hatte das Aufstellen eines oder mehrerer Pavillons für die vom Kläger angemeldete Dauerversammlung mit Unterschriftenlisten, Dokumenten und Diskussionsrunden diese funktionale Bedeutung für das Versammlungsthema. Die Versammlungsteilnehmer verblieben über einen längeren Zeitraum, auch nachts, am Versammlungsort, so dass es ihnen auch möglich sein musste, sich auszuruhen oder zu schlafen, um eine effektive Kundgabe ihres Anliegens zu gewährleisten. Dies schloss auch das Schlafen in den errichteten Pavillons nicht aus. An dieser Einschätzung hat sich auch für die hier streitgegenständliche Versammlung nichts geändert. Laut Versammlungsanzeige vom 13. Juni 2012 bestand die Kerngruppe aus dreizehn Protestierenden. Zwanzig Personen hatten sich bereit erklärt, am Hungerstreik teilzunehmen. Die Kundgabeform als Dauerversammlung mit Plakaten, Unterschriftslisten, Diskussionen hatte sich seit Beginn der Aktion im März 2012 im hier streitgegenständlichen Zeitraum nicht wesentlich verändert. Es liegt auf der Hand, dass für die zur Meinungskundgabe genutzten Kommunikationsmittel und für den zum witterungsgeschützten Ausruhen erforderlichen Platz bei der angezeigten Teilnehmerzahl ein Pavillon mit einer Grundfläche von 9 m² nicht ausreichend ist. Auch wenn die Versammlungsteilnehmer einen Pavillon überwiegend zum Schlafen und Ausruhen und den anderen zur Unterbringung von Tischen und Stühlen für die Diskussion und Information genutzt haben, verlor der erstgenannte Pavillon dadurch nicht den Bezug zum Versammlungszweck. Auch er blieb Teil des Versammlungsgeschehens und war für die kollektive Meinungskundgabe allein aufgrund der angezeigten Teilnehmerzahl und der gewählten Versammlungsform funktional notwendig, weil sonst die Versammlungsteilnehmer ihren Protest und ihre Meinungskundgabe nicht hätten dauerhaft „auf der Straße“ durchführen können. Es kann bei zwei aneinandergebauten Pavillons keinen entscheidungserheblichen Unterschied in ihrer Bedeutung für das Versammlungsgeschehen machen, wenn in einem Pavillon tatsächlich nur geschlafen und im anderen nur diskutiert wird oder beide sowohl zum Ausruhen als auch zum öffentlichen Diskutieren genutzt werden. Es kommt vielmehr entscheidend darauf an, ob für die von den Versammlungsteilnehmern gewählte Kundgabeform und die Zahl der Versammlungsteilnehmer die von den Pavillons überdachte Fläche zur Verwirklichung des Versammlungszwecks funktional oder symbolisch eingesetzt worden ist. Nicht maßgeblich ist entgegen der Auffassung der Beklagten daher, dass der zweite Pavillon nach ihren Beobachtungen ausschließlich zum Ausruhen und Schlafen sowie zur Lagerung von Gegenständen benutzt worden war, während sich die Diskussionen und Informationen auf den ersten Pavillon beschränkten.

Da die Beklagte somit das Interesse der Versammlungsteilnehmer an der Aufstellung eines zweiten Pavillons als nicht in Zusammenhang mit der kollektiven Meinungskundgabe stehend bewertet hat, hat sie das Interesse der Versammlungsteilnehmer nur mit einer unzureichenden Gewichtung in ihre Abwägungsentscheidung eingestellt.

Selbst wenn man zugunsten der Beklagten davon ausginge, sie habe erkannt, dass auch der zweite Pavillon eine funktionale Bedeutung für die angezeigte Versammlung habe, so erweist sich die verfügte Beschränkung als unverhältnismäßig, weil die von der Beklagten angestellten Erwägungen, wonach ein Verstoß gegen die Sicherheitssatzung vorliege, der Zugang zu den anliegenden Gewerbebetrieben behindert würde und den Versammlungsteilnehme bereits auseichend Zeit zur Kundgabe ihrer Anliegen zur Verfügung gestellt worden sei, das Interesse der Versammlungsteilnehmer, einen zweiten Pavillon aufzustellen, um die Versammlung ihren Vorstellungen entsprechend durchführen zu können, nicht hinreichend gewichtet hat. Sie hat insbesondere keine Erwägungen dahingehend angestellt, ob nicht durch eine örtliche Verschiebung der Pavillons am Versammlungsort oder einen Wechsel des Versammlungsorts eventuelle Beeinträchtigungen für Dritte hätten reduziert werden können. Auch die von der Beklagten angeführte Überlegung, dass die Versammlungsteilnehmer bereits genügend Zeit gehabt hätten, ihr Anliegen darzustellen, führte nicht ohne weiteres dazu, dass ihr Recht, sich zu versammeln und entsprechend dem Versammlungszweck zwei Pavillons aufzustellen, schon hinter das Zelt- und Nächtigungsverbot der Sicherheitssatzung hätte zurücktreten müssen, wenn nicht gerade in der Dauer des Verstoßes gegen die Sicherheitssatzung eine zusätzliche erhebliche Beeinträchtigung der öffentlichen Sicherheit gelegen hätte.

3.1.6 Auch die Beschränkung in Nr. 1.19 des Bescheids vom 15. Juni 2012, den Pavillon auf allen Seiten offen zu halten, ist ermessensfehlerhaft. In den Gründen des Bescheids finden sich auch keine weiteren Ausführungen zu dieser Beschränkung. Die Beklagte ging wohl davon aus, dass ein geschlossener Pavillon nicht spezifisch versammlungsbezogen sei, weil durch das Verhängen der Eingänge des Pavillons eine Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung ausgeschlossen gewesen sei. Dabei verkannte die Beklagte, dass bei Dauerversammlungen zum Schutz der Kundgebungsmittel und der Versammlungsteilnehmer vor Nässe und Wind auch das (teilweise) Verhängen der Pavillons mit Planen zur weiteren Durchführung der Versammlung notwendig war, weil ansonsten bei entsprechenden Witterungsbedingungen die Versammlung hätte abgebrochen werden müssen. Dies hat der Senat bereits in seiner Entscheidung vom 2. Juli 2012 (10 CS 12.1419 - juris Rn. 32) klargestellt. Daran hält er auch nach wie vor fest.

3.2 Die Beschränkung in Nr. 1.15 des Bescheids vom 15. Juni 2012, wonach keine Betten aufgestellt werden dürfen, war ebenfalls rechtswidrig. Auch diese Regelung war ermessensfehlerhaft und unverhältnismäßig. Die Beklagte hat zum Nächtigungsverbot in Nr. 1.16 des Bescheids vom 15. Juni 2012 und zum Verbot des Aufstellens von Betten in den Gründen ausgeführt, dass das Nächtigen gegen § 4 Abs. 2 Nr. 1 der Sicherheitssatzung verstoße. Das Übernachten hätte nicht die Meinungskundgabe zum Ziel gehabt. Das Aufstellen von Betten sei zu untersagen gewesen, weil diese ausschließlich dem Zweck des dauerhaften Nächtigens gedient hätten. Dem Verbot, Betten aufzustellen, kommt aber nach Auffassung des Senats unabhängig vom Verbot des Nächtigens, das der Kläger hat bestandskräftig werden lassen, bezogen auf den Versammlungszweck, nämlich über einen längeren Zeitraum unterbrochen am Versammlungsort präsent zu sein, um den Forderungen der Versammlungsteilnehmer Nachdruck zu verleihen, eine über das Nächtigungsverbot hinausgehende Bedeutung zu. Der Senat hat bereits im Beschluss vom 12. April 2012 (10 CS 12.767 - juris Rn. 12) erläutert, dass die dauernde Anwesenheit am Versammlungsort zwangsläufig ein Bedürfnis nach Ruhepausen nach sich zieht. Wenn sich die Versammlungsteilnehmer also am Versammlungsort z. B. nur ausruhen (auch tagsüber), steht das Aufstellen eines Bettes zu diesem Zweck in funktionalem Zusammenhang mit dem Versammlungsgeschehen. Es kann offen bleiben, ob das Aufstellen eines Bettes per se bereits gegen die Sicherheitssatzung der Beklagten verstoßen hat oder straßenrechtlich erlaubnispflichtig gewesen wäre. Denn die Beklagte hat bei ihrer Entscheidung über die Beschränkung das Aufstellen von Betten lediglich unter dem Aspekt des Nächtigens gewürdigt und nicht berücksichtigt, dass Betten auch dem Ausruhen dienen und daher einen hinreichend funktionalen Bezug zum konkreten Versammlungsgeschehen aufweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit stützt sich auf § 167 Abs. 2 und § 167 Abs. 1 Satz 1 VwGO in Verbindung mit § 708 Nr. 10, § 709 Satz 2 und § 711 Satz 1 und 2 ZPO.

Die Revision ist zuzulassen, weil die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat(§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).

Rechtsmittelbelehrung

Nach § 139 VwGO kann die Revision innerhalb eines Monats nach Zustellung dieser Entscheidung beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof (in München Hausanschrift: Ludwigstraße 23, 80539 München; Postfachanschrift: Postfach 34 01 48, 80098 München; in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach) eingelegt werden. Die Revision muss die angefochtene Entscheidung bezeichnen. Sie ist spätestens innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieser Entscheidung zu begründen. Die Begründung ist beim Bundesverwaltungsgericht, Simsonplatz 1, 04107 Leipzig (Postfachanschrift: Postfach 10 08 54, 04008 Leipzig), einzureichen. Die Revisionsbegründung muss einen bestimmten Antrag enthalten, die verletzte Rechtsnorm und, soweit Verfahrensmängel gerügt werden, die Tatsachen angeben, die den Mangel ergeben.

Vor dem Bundesverwaltungsgericht müssen sich die Beteiligten, außer in Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht eingeleitet wird. Als Prozessbevollmächtigte zugelassen sind neben Rechtsanwälten und Rechtslehrern an den in § 67 Abs. 2 Satz 1 VwGO genannten Hochschulen mit Befähigung zum Richteramt nur die in § 67 Abs. 4 Satz 4 VwGO und in §§ 3, 5 RDGEG bezeichneten Personen. Für die in § 67 Abs. 4 Satz 5 VwGO genannten Angelegenheiten (u. a. Verfahren mit Bezügen zu Dienst- und Arbeitsverhältnissen) sind auch die dort bezeichneten Organisationen und juristischen Personen als Bevollmächtigte zugelassen. Sie müssen in Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht durch Personen mit der Befähigung zum Richteramt handeln.

[73] Beschluss:

Unter Abänderung des Beschlusses des Bayerischen Verwaltungsgerichts Würzburg vom 14. März 2013 wird der Streitwert für beide Rechtszüge auf jeweils 5.000 Euro festgesetzt (§ 63 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 3 Satz 1, § 47 Abs. 1, § 52 Abs. 2 GKG).

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

Gründe

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof München

10 B 12.2280

Im Namen des Volkes

Urteil

vom 20. März 2015

(VG München, Entscheidung vom 20. April 2011, Az.: M 7 K 10.2352)

10. Senat

Sachgebietsschlüssel: 510

Hauptpunkte: Feststellungs- bzw. Fortsetzungsfeststellungsklage - polizeiliche Maßnahmen - Einsatz wegen Ruhestörung - Nachschau nach verletzten Personen - Betreten und Verweilen in der klägerischen Wohnung - Fesselung der Kläger - Durchsuchung

Rechtsquellen:

Leitsätze:

In der Verwaltungsstreitsache

...,

gegen

Freistaat ...,

vertreten durch die Landesanwaltschaft B., L.-str. ..., M.,

- Beklagter -

wegen polizeilicher Maßnahmen;

hier: Berufung der Kläger gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 20. April 2011,

erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 10. Senat, durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgerichtshof Senftl, die Richterin am Verwaltungsgerichtshof Eich, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Martini aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 2. und 18. März 2015 am 20. März 2015 folgendes Urteil:

I.

Unter Abänderung der Nr. I des Urteils des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 20. April 2011 wird festgestellt, dass die Fesselung der Kläger durch die Polizei am 11. Januar 2010 rechtswidrig war.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

II.

Unter Abänderung der Nr. II des angefochtenen Urteils tragen die Kläger jeweils 3/8, der Beklagte 1/4 der Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

III.

Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

IV.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Kläger wenden sich mit ihrer Klage gegen Polizeieinsätze in ihrer früheren gemeinsamen Wohnung.

Die Kläger wohnten zusammen mit ihren drei Kindern von Oktober 2008 bis zum Jahr 2011 in M., T. Straße 214a. In dieser Wohnung kam es des Öfteren zu Polizeieinsätzen wegen Streitigkeiten innerhalb der Familie und Lärmbelästigungen der Nachbarn durch Familienmitglieder.

Am 11. Januar 2010 gegen 23.30 Uhr erging erneut ein Einsatzauftrag an die Polizei wegen eines lauten Familienstreits bei den Klägern. Dabei kam auch ein Unterstützungskommando (USK) zum Einsatz. Im Laufe der polizeilichen Maßnahme drangen die Polizeibeamten in die klägerische Wohnung ein. Im Wohnzimmer warf der Sohn M. L. der Kläger dann mit Gegenständen nach den Polizeibeamten und beleidigte sie. Daraufhin wurden die Kläger und der Sohn M. L. von der Polizei fixiert und gefesselt. Um eine Behinderung des M. L. nachzuweisen, wurden in einem Leitzordner Atteste gesucht. Schließlich wurden bei den Klägern und M. L. Atemalkoholtests durchgeführt. Der Sohn J. L. wurde in Gewahrsam genommen, auf die Polizeiinspektion gebracht und dort bis zum 12. Januar 2010 festgehalten. Der Einsatz in der Wohnung war am 12. Januar 2010 gegen 1.00 Uhr beendet.

Am 16. Mai 2010 erfolgte ein weiterer Polizeieinsatz in der Wohnung der Kläger. Grund hierfür waren erneut Beschwerden von Nachbarn, die sich in ihrer Ruhe gestört fühlten, weil ihren Angaben zufolge bei der Familie der Kläger bereits den ganzen Tag geschrien und randaliert worden sei. Auch bei diesem Einsatz drangen Polizeibeamte in die Wohnung der Kläger ein.

Mit Schriftsatz vom 19. Mai 2010 ließen die Kläger Klage erheben und beantragten festzustellen, dass das Eindringen in die Wohnung der Kläger, die Fesselung der Kläger und ihrer Kinder, die Durchsuchung ihrer Privatunterlagen sowie die Gewaltanwendung in ihrer Wohnung am „10. Januar 2010“ (gemeint ist offensichtlich der 11. Januar 2010) sowie das Eindringen und der Aufenthalt in der Wohnung der Kläger am 16. Mai 2010 durch die Polizei rechtswidrig gewesen seien. Zur Begründung wurde vorgebracht, die Kläger bewohnten eine Wohnung ohne ausreichende Lärmdämmung. Bereits seit längerem werde versucht, sie unter Mitwirkung der Polizei aus der Wohnung „herauszumobben“. Aufgrund der zunehmenden Häufung von Übergriffen durch Polizeibeamte und einer Androhung von weiteren Übergriffen sei es erforderlich, Feststellungsklage zu erheben, weil es keinen rechtfertigenden Grund gegeben habe, in die Wohnung einzudringen und sich darin aufzuhalten. Das Eindringen der Polizei in die Wohnung der Kläger am 11. Januar 2010 sei rechtswidrig gewesen und stelle einen Hausfriedensbruch durch die Polizei dar. Zudem seien die Kläger und die Söhne der Klägerin ohne rechtfertigenden Grund gefesselt worden. Auf den blinden Kläger sei mit einem Schlagstock eingeprügelt worden. Die Polizei habe ohne rechtliche Grundlage in den Privatunterlagen der Betroffenen „geschnüffelt“ und die Klägerin gewaltsam zu einem Alkoholtest gezwungen. Es habe sich insgesamt um einen klassischen Fall eines Überfalls durch Polizeibeamte außerhalb von rechtsstaatlichen Grenzen gehandelt. Die Kläger hätten Dienstaufsichtsbeschwerde erhoben und Strafanzeigen gestellt. Am 16. Mai 2010 seien die Polizeibeamten wiederum gewaltsam in die klägerische Wohnung eingedrungen. Auch hierfür gebe es keine Rechtfertigung. Die Rechtswidrigkeit des Einsatzes am 11. Januar 2010 und die Gewaltexzesse seien durch das beim Einsatz gefertigte Video der Polizei belegt. Allerdings sei es trotz der erheblich belastenden Aufnahmen nicht vollständig. Es seien nämlich mehr als zwei Minuten herausgeschnitten worden. Damit sei ein Beweismittel verfälscht worden.

Das Polizeipräsidium M. äußerte sich zur Klage wie folgt: Bei der Familie der Kläger habe es in der Vergangenheit bereits mehrere ähnliche Einsätze gegeben. Die Familienmitglieder seien den Beamten als äußerst aggressiv bekannt. Aufgrund der gesammelten Erfahrungswerte bei vorausgegangenen Einsätzen (aufgelistet im Schreiben des Polizeipräsidiums M. vom 14. April 2011 [Bl. 92 der VG-Akte]), sei die Polizei von einem erhöhten Gefahrenpotential bei der Familie der Kläger ausgegangen und habe deshalb um Unterstützung durch Teilkräfte des USK gebeten, zumal nicht bekannt gewesen sei, wie viele Personen sich in der Wohnung aufhielten. Die Kläger seien zunächst gesprächsbereit gewesen und hätten die Polizeibeamten freiwillig in die Wohnung zur Nachschau gelassen. Anlass für die Nachschau sei gewesen, dass Handgreiflichkeiten beim Streit und die Verletzung von Personen nicht auszuschließen gewesen seien. Im Wohnungsflur habe es eine lautstarke Auseinandersetzung zwischen mehreren Familienmitgliedern gegeben, deren Stimmung gegenüber den Beamten immer aggressiver geworden sei. Der Sohn J. L. sei zur Eigensicherung in das Schlafzimmer gebracht, dann aber wegen Bedrohungen gegen die Mitteiler in Unterbindungsgewahrsam genommen worden. Im Wohnzimmer habe der Sohn M. L. die Polizeibeamten massiv beleidigt und bedroht. Nachdem er mit Gegenständen auf die Polizisten geworfen habe, habe man ihn und die Kläger, die sich dazwischen geworfen hätten, zu Boden gebracht und gefesselt. Die Klägerin habe dann die Polizeibeamten darauf hingewiesen, dass M. L. aufgrund einer geistigen Krankheit in Behandlung sei und POM Ri. gebeten, ein Gutachten über den Gesundheitszustand von M. L. zu suchen und durchzulesen. Der Beamte habe aber das Dokument nicht selbst gesucht, sondern den gesamten Ordner der Klägerin übergeben, die ihn dann durchsucht habe. Auch der Alkoholtest bei der Klägerin sei freiwillig erfolgt. Die gesamte Maßnahme sei rechtmäßig gewesen.

Der Polizeieinsatz am 16. Mai 2010 gegen 18.33 Uhr sei ebenfalls wegen Lärmbelästigung der Nachbarn erfolgt. Zwei Polizeibeamte seien zwar ohne Zustimmung der Kläger, aber auch ohne Gewaltanwendung in die Wohnung eingedrungen und hätten die Familienmitglieder gebeten, sich leiser zu verhalten. Dies habe jedoch keinen Erfolg gehabt; vielmehr seien die Polizeibeamten vom Sohn J. L. beleidigt worden. Nach Feststellung der Personalien der beteiligten Personen und nochmaligem Hinweis auf die Ruhestörung hätten die Polizeibeamten die Wohnung verlassen.

Die strafrechtlichen Ermittlungsverfahren gegen die an den streitgegenständlichen polizeilichen Maßnahmen beteiligten Polizeibeamten seien allesamt gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt worden.

Das Bayerische Verwaltungsgericht München wies die Klage mit Urteil vom 20. April 2011 ab. Diese sei zwar als Fortsetzungsfeststellungsklage statthaft, aber hinsichtlich der Rechtmäßigkeit der Fesselung des Sohnes M. L. unzulässig und bleibe im Übrigen in der Sache ohne Erfolg. Die angegriffenen polizeilichen Maßnahmen am 11./12. Januar 2010 sowie am 16. Mai 2010 seien rechtmäßig gewesen.

Mit Beschluss vom 12. Oktober 2012 (Az. 10 ZB 11.2277) ließ der Bayerische Verwaltungsgerichtshof antragsgemäß die Berufung zu.

Die zugelassene Berufung wurde im Wesentlichen wie folgt begründet: Das Verfahren weise mehrere Begleiterscheinungen auf, die ungeachtet der Rechtswidrigkeit der angefochtenen polizeilichen Maßnahmen bemerkenswert seien. So sei es ein besonderes Merkmal des Falles, dass ein Polizeibeamter, der persönlichen Kontakt zum USK habe, bereits mit Polizeieinsätzen gedroht habe. Zudem würden die Kläger und ihre Familienangehörigen regelmäßig nach Übergriffen von Polizeibeamten mit Strafanzeigen überzogen. Besonders gravierend sei, dass die Aussagen der USK-Beamten in den strafrechtlichen Verfahren in weiten Bereichen falsch seien. Dies werde durch das von der Polizei anlässlich des Einsatzes am 11. Januar 2010 gefertigte Einsatzvideo belegt, das keine Widerstandshandlungen der Kläger gegen Vollzugsbeamte zeige.

Der Polizeieinsatz vom 11. Januar 2010 sei rechtswidrig gewesen, weil die Voraussetzungen für einen USK-Einsatz nicht vorgelegen hätten und die Polizeibeamten die Wohnung der Kläger nicht hätten betreten dürfen. Sie seien weder zum Betreten aufgefordert worden noch habe es einen Grund für das Eindringen gegeben. Nach Art. 23 PAG bestehe nur ein eingeschränktes Recht, in der Nacht in eine Wohnung einzudringen. Der laut Einsatzvideo alleinige Einsatzgrund „Ruhestörung“ erlaube eine Einschränkung des durch Art. 13 GG besonders geschützten Rechts auf Unverletztlichkeit der Wohnung nicht. Spätestens nach der Aufforderung durch die Klägerin, die Wohnung zu verlassen, und dem Hinweis auf die Behinderung von M. L. hätten sich die Polizeibeamten zurückziehen müssen. Rechtswidrig seien auch die Angriffe der USK-Beamten auf die Kläger und deren Fesselung gewesen. Hierfür habe jeweils keine Rechtsgrundlage vorgelegen, zumal von der Klägerin und dem blinden Kläger keinerlei Gefahr ausgegangen sei. Sie hätten sich lediglich schützend vor ihren Sohn M. L. gestellt. Hätten die Polizeibeamten die Wohnung nach Aufforderung durch die Klägerin verlassen, wäre eine mögliche Gefährdung durch M. L. beseitigt gewesen und ein rechtmäßiger Zustand hergestellt worden. Auch die Fesselung des Sohnes M. L. sei nicht nachvollziehbar. Von dem behinderten und erkennbar überforderten Sohn M. L. sei ebenfalls keine Gefahr ausgegangen. Nach der Fesselung habe sich ein USK-Beamter auf die Klägerin gesetzt und deren Kopf in eine Matratze gedrückt. Ein anderer Beamter habe den Kläger auf den Kopf geschlagen. Für diese körperverletzenden Maßnahmen habe es ebenfalls keine Rechtfertigung gegeben. Schließlich hätten die Polizeibeamten die rechtswidrige Fesselung der Kläger ausgenutzt, um die Wohnung zu durchsuchen. Dies sei auf dem Einsatzvideo festgehalten. Die Passagen auf dem Einsatzvideo, die die rechtswidrige, wenn nicht sogar kriminelle Intention des Einsatzes belegen könnten, seien nachträglich herausgeschnitten worden. Hierin liege eine strafbare Urkundenfälschung bzw. Urkundenvernichtung.

Auch der Einsatz am 16. Mai 2010 sei rechtswidrig gewesen, da keine über Stunden anhaltende Lärmbelästigung vorgelegen habe. Man habe sich lediglich laut unterhalten. Aber auch eine Ruhestörung rechtfertige grundsätzlich nicht das Betreten einer Wohnung. Hinzu komme, dass die Beamten auch bei diesem Einsatz trotz des Abschlusses ihrer Ermittlungen in der Wohnung verblieben seien und diese nicht unverzüglich wieder verlassen hätten.

Die Kläger beantragen,

das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 20. April 2011 aufzuheben und festzustellen, dass das Eindringen und Verbleiben der Polizei in der Wohnung der Kläger am 11./12. Januar 2010, die Fesselung der Kläger und ihres Sohnes M. L. am 11. Januar 2010, die Durchsuchung der Privatunterlagen der Kläger am 11. Januar 2010, die Gewaltanwendung gegenüber den Klägern in der Wohnung am 11. Januar 2010 sowie das Eindringen und der Aufenthalt der Polizeibeamten in der Wohnung der Kläger am 16. Mai 2010 rechtswidrig waren.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Zur Begründung wies er vorweg darauf hin, dass der Kläger mit Urteil des Amtsgerichts München vom 14. Oktober 2011 wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte anlässlich der streitgegenständlichen Maßnahme am 11. Januar 2010 zu einer Geldstrafe verurteilt worden sei. Das Verfahren gegen die Klägerin sei nach § 153 Abs. 2 StPO eingestellt worden. Bei der Familie der Kläger handle es sich um eine polizeibekannte Familie, die durch aggressives Verhalten untereinander sowie gegen Mitbürger und Polizeibeamte auffalle und gegen die zahlreiche Strafverfahren gelaufen seien bzw. liefen. Mit dem in der Nachbarschaft lebenden Polizeibeamten hätten die Einsätze nichts zu tun. Vielmehr sei es bereits kurz nach dem Einzug der Kläger zu ersten Konflikten mit Nachbarn und deshalb zu Polizeieinsätzen gekommen. Beim Einsatz am 11./12. Januar 2010 sei das USK zur Unterstützung angefordert worden, wie dies auch ansonsten in vergleichbaren Fällen gehandhabt werde. Die Beamten hätten die Wohnung auch rechtmäßig betreten. Da den Beamten bekannt gewesen sei, dass es in der Vergangenheit zu gegenseitigen körperlichen Auseinandersetzungen innerhalb der Familie gekommen sei, habe die Gefahr bestanden, dass sich erneut eine Person in der Wohnung befinde, die Hilfe benötige. Bereits anlässlich eines Polizeieinsatzes am 23. Mai 2009 habe man eine unbekannte Person mit Verletzungen in der Wohnung gefunden, nachdem die Brüder M. L. und J. L. mit der Klägerin und dieser Person in Streit geraten seien und sich geschlagen hätten. Die Fesselung des Sohnes M. L. sei erfolgt, weil dieser die Beamten auf übelste Weise beschimpft habe und diese eine Eskalation hätten verhindern wollen. M. L. habe zudem nach einem Beamten getreten und einen anderen mit Gegenständen beworfen. Die Kläger, die versucht hätten, die Polizei daran zu hindern, gegen M. L. einzuschreiten, hätten damit rechtmäßige Vollstreckungshandlungen erschwert, sich dadurch strafbar gemacht und zudem ihrem Sohn M. L. einen weiteren Handlungsspielraum verschafft, um erneut Gegenstände in Richtung der Polizeibeamten zu werfen. Dass der blinde Kläger angeblich lediglich mit den Armen gerudert habe, sei durch die Aussagen der Polizeibeamten im Strafverfahren gegen den Kläger widerlegt. Die Beamten hätten auch weder gewusst noch bemerkt, dass der Kläger blind ist. Körperverletzende Maßnahmen hätten die Beamten nicht ergriffen. Wegen der Erforderlichkeit eines schnellen Handelns sei die Anwendung unmittelbaren Zwangs erforderlich gewesen. Es sei abzusehen gewesen, dass die Kläger einem Verwaltungsakt in Form einer Unterlassungsverfügung keine Folge geleistet hätten. Entgegen der Ansicht der Kläger habe weder eine Wohnungsdurchsuchung noch eine Durchsuchung der privaten Unterlagen der Klägerin stattgefunden. Vielmehr habe diese in dem ihr übergebenen Ordner selbst nach einem bestimmten Dokument gesucht.

Auch der Polizeieinsatz am 16. Mai 2010 sei rechtmäßig gewesen, denn aufgrund der belegten anhaltenden Lärmbelästigung der Nachbarn während des ganzen Sonntags habe eine gegenwärtige Gefahr für deren Gesundheit bestanden. Da die Beamten von einer Gefahrenlage in der Wohnung ausgegangen seien, habe die Nachschau auch der Ermittlung gedient, ob verletzte Personen anwesend und Rettungsmaßnahmen zu ergreifen seien. Hierfür hätten objektiv ausreichende Anhaltspunkte vorgelegen. Die Beamten selbst hätten deutliches Geschrei und lautes Gepolter in der Wohnung vernommen. Sobald die Beamten festgestellt hätten, dass keiner der Anwesenden ihre Hilfe benötige, und sie die Familienmitglieder zur Ruhe aufgefordert hätten, hätten die Beamten die Wohnung unverzüglich verlassen.

In der mündlichen Verhandlung am 2. und 18. März 2015 wurde die Sach- und Rechtslage eingehend erörtert. Auf die Niederschriften, insbesondere über die Aussagen der vernommenen Zeugen, wird Bezug genommen, ebenso auf die beigezogenen Strafakten zu Verfahren gegen die Kläger, ihre Söhne und gegen an den Maßnahmen beteiligte Polizeibeamte sowie auf die beigezogenen Gerichts- und Behördenakten.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Kläger ist zulässig, jedoch nur teilweise begründet. Das Verwaltungsgericht hat die gegen polizeiliche Maßnahmen am 11./12. Januar 2010 und am 16. Mai 2010 gerichtete Klage der Kläger (dazu 1.) zu Recht im Wesentlichen als zulässig erachtet (2.). Die Berufung ist insoweit begründet, als antragsgemäß festzustellen ist, dass die Fesselung der Kläger durch die Polizei am 11. Januar 2010 rechtswidrig war. Im Übrigen ist sie zurückzuweisen (3.).

1. Gegenstand des Berufungsverfahrens ist die von den Klägern erhobene Klage, mit der sie die Feststellung begehren, dass das Eindringen und Verbleiben der Polizei in der Wohnung der Kläger am 11./12. Januar 2010, die Fesselung der Kläger und ihres Sohnes M. L. am 11. Januar 2010, die Durchsuchung der Privatunterlagen der Kläger am 11. Januar 2010, die Gewaltanwendung gegenüber den Klägern in der Wohnung am 11. Januar 2010 sowie das Eindringen und der Aufenthalt der Polizeibeamten in der Wohnung der Kläger am 16. Mai 2010 rechtswidrig waren. Demgegenüber sind der am 12. Januar 2010 im Zusammenhang mit den oben genannten polizeilichen Maßnahmen bei der Klägerin durchgeführte Alkoholtest einschließlich ihres Verbringens in das Polizeiauto und die Gewahrsamnahme des Sohnes J. L. am selben Tag nicht Streitgegenstand dieses Verfahrens.

2. Die auf die Feststellung der Rechtswidrigkeit der danach streitgegenständlichen polizeilichen Maßnahmen gerichtete Klage der Kläger ist statthaft und auch im Übrigen zulässig, soweit sie eigene Rechte betrifft. Hinsichtlich der begehrten Feststellung der Rechtswidrigkeit der Fesselung des Sohnes M. L. ist sie, wovon bereits das Verwaltungsgericht ausgegangen ist, jedoch unzulässig.

2.1. Die Klage ist als Fortsetzungsfeststellungsklage entsprechend § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO oder als allgemeine Feststellungsklage gemäß § 43 Abs. 1 VwGO statthaft. Es kann letztlich offen bleiben, ob man die streitbefangenen Maßnahmen, die von den Klägern als polizeiliche „Übergriffe“ beanstandet werden, jeweils als eigenständige polizeiliche Verwaltungsakte mit entsprechendem Regelungsgehalt (etwa des befehlenden Inhalts, diese Maßnahmen oder Beschränkungen zu dulden) im Sinne des Art. 35 Satz 1 BayVwVfG oder als (bloße) auf einen rein tatsächlichen Erfolg gerichtete Realakte im Rahmen des polizeilichen Handelns einstuft (vgl. Schmidbauer/Steiner, Bayerisches Polizeiaufgabengesetz, 4. Auflage 2014, Art. 12 POG Rn. 53 ff.; Rachor in Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 5. Auflage 2012, E Rn. 22 ff.).

Denn in jedem Fall, also sowohl mit der Fortsetzungsfeststellungsklage als auch mit der allgemeinen Feststellungsklage, ist ein effektiver nachträglicher gerichtlicher Rechtsschutz (vgl. Art. 19 Abs. 4 GG) der bereits vor Klageerhebung beendeten Maßnahmen gewährleistet.

2.2. Die Kläger haben ein hinreichendes Rechtsschutzinteresse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit der gegen sie selbst gerichteten streitgegenständlichen Maßnahmen dargetan.

2.2.1. Für eine wie hier auf die nachträgliche Feststellung der Rechtswidrigkeit bereits vollzogener und damit erledigter (s. auch Art. 43 Abs. 2 BayVwVfG) polizeilicher Maßnahmen gerichtete Klage ist in jedem Fall ein berechtigtes Interesse an der begehrten Feststellung erforderlich. Ein solches liegt unabhängig von der hier statthaften Klageart jedenfalls bei Bestehen einer Wiederholungsgefahr oder einer fortwirkenden Beeinträchtigung durch einen an sich beendeten Eingriff vor. Darüber hinaus kommt ein trotz Erledigung fortbestehendes Rechtsschutzinteresse in Fällen tiefgreifender Grundrechtseingriffe in Betracht (vgl. BVerfG, B. v. 13.12.2005 -2 BvR 447/05 - juris Rn. 55; BVerfG, B. v. 5.12.2001 - 2 BvR 527/99 u. a. - juris Rn. 36; BayVGH, U. v. 27.1.2012 - 10 B 08.2849 - juris Rn. 33; VGH BW, U. v. 22.7.2004 - 1 S 410/03 - juris Rn. 20). Bei derart schweren Grundrechtseingriffen hat das Bundesverfassungsgericht ein durch Art. 19 Abs. 4 GG geschütztes Rechtsschutzinteresse u. a. in Fällen angenommen, in denen sich die direkte Belastung durch den angegriffenen Hoheitsakt nach dem typischen Verfahrensablauf auf eine Zeitspanne beschränkt, in der der Betroffene die gerichtliche Entscheidung in der von der Prozessordnung eröffneten Instanz nicht erlangen kann (vgl. BVerfG, B. v. 5.12.2001 a. a. O.).

Ein solcher Fall ist hier gegeben. Während der polizeilichen Maßnahmen in der Wohnung der Kläger am 11./12. Januar 2010 und am 16. Mai 2010 konnten sie keinen gerichtlichen Rechtsschutz gegen diese Maßnahmen erreichen. Eine tiefgreifende Grundrechtsbeeinträchtigung durch die streitgegenständlichen polizeilichen Maßnahmen wie insbesondere das Betreten der Wohnung zur Nachtzeit und die Fesselung der Kläger ist nicht von der Hand zu weisen. Die Kläger berufen sich insoweit auf die Verletzung ihrer Menschenwürde nach Art. 1 Abs. 1 GG wegen der diskriminierenden Wirkung der polizeilichen Maßnahmen, auf ihr Recht auf freie Entfaltung ihrer Persönlichkeit gemäß Art. 2 Abs. 1 GG und ihr Recht auf körperliche Unversehrtheit sowie die Freiheit der Person nach Art. 2 Abs. 2 GG hinsichtlich der Fesselung und der behaupteten Gewaltanwendung sowie auf ihr Recht auf Unverletzlichkeit der Wohnung nach Art. 13 Abs. 1 GG im Hinblick auf das Betreten und Verweilen der Polizisten in ihrer Wohnung und die behauptete Durchsuchung.

Dahinstehen kann deshalb, ob daneben eine das berechtigte Interesse für eine allgemeine Feststellungsklage ebenfalls möglicherweise begründende Wiederholungsgefahr anzunehmen ist. Dafür sprach zunächst einiges, da die Kläger in ihrer Wohnung in M. häufig Anlass zu polizeilichen Maßnahmen gegeben haben. Andererseits sind die Kläger inzwischen nach N. verzogen. Dortige Vorfälle sind dem Senat weder bekannt noch wurden solche vom Beklagten vorgetragen.

2.2.2. Auch wenn man die von den Klägern angegriffenen gegen sie gerichteten polizeilichen Maßnahmen nicht als Realakte, sondern als polizeiliche Verwaltungsakte ansehen würde, hätten die Kläger ein berechtigtes Interesse i. S. d. § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO für ihr Klagebegehren. Nach ständiger Rechtsprechung (vgl. BVerwG, U. v. 20.4.1994 - 11 C 60.92 - juris Rn. 9; Kopp/Schenke, VwGO, 20. Aufl. 2014, Rn. 129 zu § 113 VwGO) genügt dafür jedes nach vernünftigen Erwägungen nach Lage des Falles anzuerkennende schutzwürdige Interesse rechtlicher, wirtschaftlicher oder ideeller Art. Im vorliegenden Fall kann den Klägern das für eine Fortsetzungsfeststellungsklage erforderliche Rehabilitationsinteresse nicht abgesprochen werden. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts kann ein schutzwürdiges ideelles Feststellungsinteresse auch in Betracht kommen, wenn die jeweils in Frage stehende Maßnahme die Kläger objektiv in ihrem grundrechtlich geschützten Bereich tiefgreifend beeinträchtigt hat, die direkte Belastung durch den angegriffenen Hoheitsakt sich aber nach dem typischen Verfahrensablauf auf eine Zeitspanne beschränkt, in welcher der Betroffene die gerichtliche Entscheidung kaum erlangen kann (vgl. BVerwG, U. v. 23.3.1999 - 1 C 12.97 - juris Rn. 13). Hierzu zählen namentlich Feststellungsbegehren, die polizeiliche Maßnahmen zum Gegenstand haben (vgl. BVerwG, U. v. 29.4.1997 - 1 C 2.95 - juris Rn. 21).

2.3. Die Klage erweist sich jedoch insoweit als unzulässig, als die Kläger auch die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Fesselung ihres Sohnes M. L. erreichen wollen. Denn ebenso wie bei der Anfechtungs- und Verpflichtungsklage ist das Bestehen einer Klagebefugnis gemäß § 42 Abs. 2 VwGO nach allgemeiner Auffassung Sachurteilsvoraussetzung der Fortsetzungsfeststellungsklage (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 20. Aufl. 2014, § 113 Rn. 125) und auch bei der Feststellungsklage nach § 43 Abs. 1 VwGO ist die Betroffenheit einer eigenen Rechtsposition des Klägers erforderlich (zur entspr. Anwendbarkeit von § 42 Abs. 2 VwGO vgl. z. B. BVerwG, NVwZ 2008, 423 Rn. 14). Mit ihrem Klageantrag, die Rechtswidrigkeit der Fesselung ihres Sohnes M. L. festzustellen, machen die Kläger aber die Rechtsposition des M. L. geltend bzw. die Verletzung von dessen Rechten.

Das Argument der Kläger, sie hätten deshalb ein Rechtsschutzinteresse, weil ihr am 24. Mai 1992 geborener Sohn im Zeitpunkt der streitgegenständlichen polizeilichen Maßnahmen noch nicht volljährig war, greift dagegen nicht. Denn auch ein minderjähriges Kind besitzt eine eigene Klagebefugnis für die Geltendmachung der Verletzung seiner Rechte; es wird in diesen Fällen lediglich durch seine Eltern gesetzlich vertreten. Eine eigene Klage hat M. L. aber nicht erhoben. Der Klageantrag vom 19. Mai 2010 ist insoweit eindeutig (s. § 82 Abs. 1 VwGO). Kläger sind danach nur die Eltern von M. L., nicht aber auch deren Kinder, für die zunächst die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Fesselung beantragt worden ist, wobei ohnehin nur M. L. tatsächlich gefesselt wurde. M. L. hat auch später keine Klage erhoben. Der Klageantrag ist auch nicht entsprechend erweitert worden.

2.4. Der Klagebefugnis der Kläger hinsichtlich des Betretens und Verweilens der Polizei in der Wohnung steht nicht entgegen, dass sie nicht Eigentümer der von ihnen bewohnten Wohnung waren. Sie sind nämlich auch als Mieter klagebefugt, soweit sie die Feststellung der Rechtswidrigkeit des Eindringens und Verweilens in ihrer Wohnung am 11./12. Januar 2010 und am 16. Mai 2010 begehren. Träger des Grundrechts auf Unverletzlichkeit der Wohnung nach Art. 13 Abs. 1 GG, das sie durch die polizeilichen Maßnahmen verletzt sehen, ist nämlich jeder Bewohner oder Inhaber eines Wohnraums ohne Rücksicht darauf, auf welchen Rechtsverhältnissen sein Wohnen oder Wirken in diesem Raum beruht (vgl. Papier in Maunz/Dürig, Grundgesetz-Kommentar, Stand: 2014, Art. 13 Rn. 12). Daher ist auch der Mieter, der berechtigt in der Wohnung wohnt, befugt, eine Verletzung dieses Grundrechts geltend zu machen. Dass die Kläger im Zeitpunkt der angegriffenen polizeilichen Maßnahmen rechtmäßige Mieter der Wohnung T. Straße 214a in M. waren, ist unstrittig.

3. Die Berufung ist begründet, soweit die Kläger die Aufhebung bzw. Abänderung des erstinstanzlichen Urteils in dem Umfang begehren, in dem das Verwaltungsgericht die Klage bezüglich ihrer Fesselung während des Polizeieinsatzes am 11./12. Januar 2010 abgewiesen hat. Im Übrigen hat die Berufung in der Sache keinen Erfolg.

3.1. Das Betreten der Wohnung der Kläger durch die beim Einsatz am 11./12. Januar 2010 beteiligten Polizeibeamten erfolgte rechtmäßig. Die Kläger wurden durch diese polizeiliche Maßnahme nicht in ihren Rechten verletzt.

Rechtsgrundlage für diese Maßnahme ist Art. 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 in Verbindung mit Abs. 2 des Gesetzes über die Aufgaben und Befugnisse der Bayerischen Staatlichen Polizei (Polizeiaufgabengesetz - PAG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 14. September 1990 (GVBl S. 397), zuletzt geändert durch § 1 ÄndG vom 24. Juni 2013 (GVBl S. 373).

Nach Art. 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 PAG kann die Polizei eine Wohnung ohne Einwilligung des Inhabers betreten und durchsuchen, wenn das zur Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit einer Person oder für Sachen von bedeutendem Wert erforderlich ist. Nach Art. 23 Abs. 2 PAG ist während der Nachtzeit (§ 104 Abs. 3 StPO) das Betreten und Durchsuchen einer Wohnung in den Fällen des Abs. 1 nur zur Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit einer Person oder für Sachen von bedeutendem Wert zulässig. Art. 23 Abs. 1 Satz 2 PAG bestimmt, dass die Wohnung die Wohn- und Nebenräume umfasst.

3.1.1. Die tatbestandlichen Voraussetzungen des Art. 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 PAG liegen vor.

3.1.1.1. Die Wohnung der Kläger ist am 11. Januar 2010 von Polizeibeamten betreten worden. Dies steht zweifelsfrei fest und wird auch vom Beklagten nicht bestritten.

Eine Durchsuchung der Wohnung im Sinne von Art. 23 Abs. 1 Satz 1 PAG ist demgegenüber nicht erfolgt. Soweit die Kläger unter Bezugnahme auf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 6. September 1974 (I C 17.73 - juris) meinen, die Suche nach Verletzten in einer Wohnung sei rechtlich eindeutig als Durchsuchungsmaßnahme zu werten, greift dieser Durchsuchungsbegriff zu kurz. Denn nach dem genannten Urteil des Bundesverwaltungsgerichts (a. a. O. juris Rn. 16) ist kennzeichnend für die Durchsuchung das ziel- und zweckgerichtete Suchen staatlicher Organe in einer Wohnung, um dort planmäßig etwas aufzuspüren, was der Inhaber der Wohnung von sich aus nicht offen legen oder herausgeben will, etwas nicht klar zu Tage liegendes, vielleicht Verborgenes aufzudecken oder ein Geheimnis zu lüften, mithin das Ausforschen eines für die freie Entfaltung der Persönlichkeit wesentlichen Lebensbereichs, das unter Umständen bis in die Intimsphäre des Betroffenen dringen kann. Demgemäß macht die beim Betreten einer Wohnung unvermeidliche Kenntnisnahme von Personen, Sachen und Zuständen den Eingriff in die Wohnungsfreiheit noch nicht zu einer „Durchsuchung“. Denn die „Durchsuchung“ umfasst als zweites Element neben dem Betreten der Wohnung die Vornahme von Handlungen in den Räumen (vgl. BVerwG, U. v. 25.8.2004 - 6 C 26.03 - juris Rn. 24). Daran fehlt es aber hier. Die Polizisten, die wegen der Lärmentwicklung in der Wohnung befürchteten, dort sei es zu Handgreiflichkeiten gekommen und in der Wohnung befänden sich womöglich verletzte hilfebedürftige Menschen, wollten nicht plangemäß bestimmte Personen aufspüren und dabei Handlungen vornehmen, wie z. B. das Öffnen von Behältnissen oder Wegschieben von Möbeln etc., sondern sie wollten sich lediglich durch eine sogenannte „Nachschau“ vergewissern, dass alle in der Wohnung befindlichen Personen wohlauf sind. Dass sie dabei auch Türen zu Nebenräumen öffneten (vgl. die Aussage des Zeugen T., wonach dieser die Tür zum Badezimmer in der Wohnung geöffnet hat, um dort womöglich befindliche Personen zu kontrollieren), diente lediglich zum Betreten des jeweiligen Raumes und nur zur Nachschau, ob sich dort verletzte Personen befinden. Die Polizei wollte also gerade nicht die Wohnung nach einer Person durchsuchen, sondern nur den (gesundheitlichen) Zustand der in der Wohnung angetroffenen Personen feststellen bzw. überprüfen (vgl. Schmidbauer/Steiner, a. a. O., Art. 23 Rn. 29). Demgegenüber wäre dann von einer Durchsuchung zu sprechen, wenn die Polizei nach einer bestimmten Person gesucht hätte, von der sie konkrete Anhaltspunkte gehabt hätte, dass sie sich in der Wohnung aufhält und die Wohnungsinhaber dies zu verbergen trachten (vgl. zum funktionalen oder deskriptiven Durchsuchungsbegriff: Zeitler, ZAR 2014, 365 ff.). Beides war aber in der Wohnung der Kläger am 11. Januar 2010 nicht der Fall.

3.1.1.2. Ob die Polizeibeamten am 11. Januar 2010 die Wohnung der Kläger zunächst ohne deren Einwilligung betreten haben oder ob die Polizeibeamten zumindest von einem der beiden Kläger in die Wohnung eingelassen worden sind, konnte auch durch die Vernehmung der an diesem Tag vor Ort im Einsatz befindlichen Polizisten nicht geklärt werden.

Da sowohl der Kläger als auch die Klägerin als rechtmäßige Mieter Inhaber der Wohnung im Sinne des Art. 23 Abs. 1 Satz 1 PAG waren, also die tatsächliche Gewalt über die Wohnung hatten, und jeweils in das Betreten der Wohnung einwilligen oder den Polizisten das Betreten untersagen konnten (vgl. Nr. 23.4 Vollz. B.ek zu Art. 23 PAG), hätte zumindest einer der beiden in das Betreten ihrer Wohnung einwilligen müssen. Jedoch bestreiten sowohl die Klägerin als auch der Kläger vehement, die Polizisten freiwillig in die Wohnung eingelassen zu haben. Demgegenüber sagte nur der Zeuge Ri. aus, die Klägerin hätte ihm und seinen Kollegen das Betreten der Wohnung erlaubt, nachdem sie ihr erklärt hätten, warum sie in die Wohnung wollten. Die anderen in der mündlichen Verhandlung vom 2. März 2015 hierzu vernommenen Zeugen konnten sich nicht mehr daran erinnern, ob sie von der Klägerin in die Wohnung eingelassen wurden oder nicht.

Letztendlich bedarf es aber keiner endgültigen Klärung der Frage, ob eine Einwilligung eines der Kläger vorlag, denn selbst wenn den Polizisten das Betreten der Wohnung gestattet worden wäre, wurde diese Einwilligung bereits wenig später widerrufen. Dies ergibt sich eindeutig aus dem über den Einsatz am 11./12. Januar 2010 gefertigten und bei den Gerichtsakten befindlichen Einsatzvideo des Beklagten, das mit Einverständnis der Parteien vom Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der mündlichen Verhandlung vom 2. März 2015 zu Beweiszwecken herangezogen und angesehen wurde. Auf dem Video ist, kurz nachdem mehrere Einsatzkräfte durch die Wohnungstür in den Flur und in das Wohnzimmer der klägerischen Wohnung eingedrungen sind, die Stimme der Klägerin zu hören, die laut und deutlich ruft: „Raus aus meiner Wohnung.“ Spätestens ab diesem Zeitpunkt erfolgte das Betreten der Wohnung ohne Einwilligung der Wohnungsinhaber.

3.1.1.3. Nach Art. 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 PAG ist das Betreten einer Wohnung ohne Einwilligung der Inhaber durch die Polizei dann rechtmäßig, wenn dies zur Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit einer Person oder für Sachen von bedeutendem Wert erforderlich ist. Der Senat ist aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens und insbesondere der umfangreichen Beweisaufnahme zur Überzeugung gelangt (vgl. § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO), dass die Polizei im Zeitpunkt des Betretens der klägerischen Wohnung am 11. Januar 2010 um ca. 23.30 Uhr zutreffend von einer solchen Gefahrenlage ausgegangen ist.

Das Betreten einer Wohnung ohne Einwilligung der Wohnungsinhaber ist nicht bereits bei jeder denkbaren Gefahr zulässig, sondern nur zum Schutz der in Art. 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 PAG genannten Rechtsgüter. Dabei bedeutet eine Gefahr für „Leib“ einer Person eine Gefahr für die Gesundheit, wobei jeder Gesundheitsschaden genügt. Er braucht weder besonders schwer noch besonders langandauernd sein (vgl. Schmidbauer/Steiner, a. a. O., Art. 23 Rn. 22). Hinzukommen muss, dass die Gefahr, die abgewehrt werden soll, gegenwärtig ist. Dies ist dann der Fall, wenn das schädigende Ereignis bereits begonnen hat oder doch so unmittelbar bevorsteht, dass mit seinem Eintritt jederzeit zu rechnen ist (vgl. Schmidbauer/Steiner, a. a. O., Rn. 21).

Davon ausgehend bestand die gegenwärtige Gefahr, dass sich in der Wohnung der Kläger nach den langandauernden und lauten Streitereien am Abend des 11. Januar 2010 zum einen verletzte und hilfsbedürftige Personen befanden und zum anderen durch die erhebliche Ruhestörung durch die Kläger die Gesundheit der Nachbarn ernsthaft beeinträchtigt und womöglich geschädigt wurde. Maßgeblich für die danach anzustellende Gefahrenprognose sind die konkreten Verhältnisse bzw. Gegebenheiten zum Zeitpunkt der Maßnahme (ex-ante-Betrachtung).

Den polizeilichen Maßnahmen gingen erhebliche Lärmbelästigungen durch die Familie der Kläger voraus, die einen Mitbewohner veranlasst haben, am späten Abend die Polizei zu informieren und um Hilfe zu bitten. Mit dem in der mündlichen Verhandlung vom 18. März 2015 vom Beklagten vorgelegten Ausdruck des „ZEUS-Programms“ über den streitgegenständlichen Polizeieinsatz ist dieser Anruf dokumentiert. In Verbindung mit einer Abfrage bei der polizeilichen Datei „igweb 23“, wonach es bereits ein halbes Jahr zuvor einen Familienstreit gegeben hat und Familienmitglieder Straftaten, unter anderem Beleidigung, gefährliche Körperverletzung und Sachbeschädigung begangen haben, ist die zuständige Einsatzzentrale beim Polizeipräsidium München in nachvollziehbarer Weise davon ausgegangen, dass sich womöglich verletzte Personen in der Wohnung befinden und deshalb eine Nachschau erforderlich ist. Dies hat der Beklagte in der mündlichen Verhandlung am 18. März 2015 glaubhaft und nachvollziehbar geschildert. Zudem ergibt sich aus den beigezogenen Strafakten, dass ein Strafverfahren gegen den Sohn der Kläger, M. L., wegen Beleidigungen und Bedrohung nach § 47 Abs. 1 Nr. 4 JGG wegen Zweifels an seiner strafrechtlichen Verantwortlichkeit mit Beschluss des Amtsgerichts M. (1022 Ds 462 Js 301781/09) vom 20. Oktober 2009 eingestellt worden ist. Am 24. Oktober 2008 hat die Klägerin im Streit einem Nachbarn angeblich auf den Kopf geschlagen; ein diesbezügliches Strafverfahren wurde auf den Privatklageweg verwiesen (ebenfalls Beschl. des Amtsgerichts M. v. 20.10.2009, 1022 Ds 462 Js 307498/09). Am 23. Mai 2009 kam es in der Wohnung der Kläger zu einer körperlichen Auseinandersetzung zwischen den Brüdern M. L. und J. L. mit gegenseitigen Schlägen. Die Schlägerei konnte erst durch einen Polizeieinsatz beendet werden. Schließlich zeigt auch die Übersicht des Polizeipräsidiums M. vom 14. April 2011 (Bl. 92 der Akten des VG) ein erhebliches Aggressionspotential bei allen Familienmitgliedern der Kläger auf. Denn daraus sind im Zeitraum 17. Oktober 2008 bis 2. März 2011 insgesamt 23 polizeiliche Einsätze bei den Klägern ersichtlich, die allesamt auf Streitigkeiten sowohl innerhalb der Familie als auch mit dritten Personen beruhten und die den Rahmen üblicher Streitigkeiten erheblich sprengten. Neben der Aufzählung von üblen Beleidigungen, Bedrohungen und Sachbeschädigungen werden die Streitigkeiten als „lautstark“, „heftig“, „sehr laut“ und „eskaliert“ bezeichnet, die Stimmung als „explosiv“. Der Sohn M. L. der Kläger wurde seit dem 16. Februar 2009 zwei Jahre lang wegen verschiedener Delikte, darunter mehrfache (gefährliche) Körperverletzung, polizeilich beobachtet (vgl. Stellungnahme des Polizeipräsidiums M. v. 9.11.2011 zur Zulassungsbegründung der Kläger, Bl. 47 der VGH-Akte). Frühere Einsätze wegen massiver Lärmbelästigung durch die Kläger bestätigte schließlich der Zeuge P., der die Familie der Kläger von diesen Einsätzen her kennt.

Die Gefahr für Leib und Leben einer Person in der Wohnung der Kläger war auch gegenwärtig und nur durch eine sofortige Nachschau abzuwehren. Denn die Polizei hatte keine gesicherten Angaben über die Anzahl der Personen in der Wohnung, die Art des Streits und über mögliche Verletzte. Es galt, eine etwaige verletzte Person zu bergen und der ärztlichen Betreuung zuzuführen und zugleich die vermuteten Streitigkeiten in der Familie oder mit Dritten zu schlichten.

Der Rechtmäßigkeit des Betretens der Wohnung der Kläger durch die Polizei steht nicht entgegen, dass in der Wohnung tatsächlich keine verletzten Personen oder Hilfsbedürftige aufgefunden wurden. Denn auch eine solche Anscheinsgefahr rechtfertigt ein Einschreiten der Polizei. Eine Anscheinsgefahr ist nämlich immer dann gegeben, wenn bei objektiver Betrachtung zur Zeit der polizeilichen Maßnahme Tatsachen auf eine drohende Gefahr hindeuten, sie aber in Wirklichkeit nicht vorliegt. Die Anscheinsgefahr steht einer tatsächlich vorliegenden konkreten Gefahr gleich (vgl. Schmidbauer/Steiner, a. a. O., Art. 11 Rn. 41). Aufgrund der aus der Wohnung dringenden Geräusche, die auf Streitigkeiten zwischen den in der Wohnung befindlichen Personen hindeuteten, konnte ohne weiteres der Schluss gezogen werden, dass es aufgrund des Streits womöglich auch zur Begehung von Straftaten wie Körperverletzungsdelikten gekommen war und sich eine hilfsbedürftige Person in der Wohnung befand.

Eine gegenwärtige Gefahr für die Gesundheit („Leib“) von Menschen, insbesondere unmittelbare Nachbarn, stellte im Übrigen aber auch der erhebliche Lärm dar, den die Kläger zur Nachtzeit verursachten. Auch wenn nicht jede Ruhestörung und Lärmentwicklung zu einer Gesundheitsgefahr für andere führt, ist ein den üblichen Rahmen erheblich übersteigendes Lärmen geeignet, die Gesundheit der umwohnenden Nachbarn nachhaltig zu beeinträchtigen, wenn diese aufgrund der Störung ihrer Nachtruhe keinen Schlaf finden und dies auch noch häufiger vorkommt (vgl. VG München, U. v. 24.10.2011 - M 17 K 99.5345 - juris Rn. 21; VG Chemnitz, U. v. 30.11.2009 - 3 K 431/09 - juris Rn. 19; vgl. auch Lisken/Denninger, a. a. O., E Rn. 654). Dabei spielt es keine Rolle, ob die störenden Mitbewohner sich „nur“ laut unterhalten oder telefonieren oder ob sie streiten. Ebenfalls irrelevant ist, ob die Wohnung wie bei den Klägern hellhörig ist und keine richtige Wohnungstür, sondern nur eine Zimmertür als Zugang zur Wohnung besitzt. Denn von ihnen als den Verursachern des Lärms ging die Gefahr aus, die den Polizeieinsatz erforderlich machte, und nicht von dem Zustand ihrer Wohnung.

Sowohl den Einsatzgrund „verletzte Person in der Wohnung der Kläger“ als auch den Einsatzgrund „erhebliche Ruhestörung“ haben die einvernommenen Zeugen glaubhaft bestätigt. So hat der für den Einsatz bei den Klägern verantwortliche P. ausgesagt, als Einsatzgrund sei von der Zentrale „Ruhestörung“ angegeben worden. Andere Zeugen geben als Einsatzgrund „überlauten Streit“ bzw. „Streit“ oder „Familienstreit“ an (z. B. die Zeugen W., Ri., Go., Gr.). Der Zeuge P. hat darüber hinaus bei Ankunft vor der Wohnung der Kläger den Eindruck eines lautstarken Streits in der Wohnung gehabt, was für ihn entscheidend dafür war, die Wohnung zum Zwecke der Nachschau und zur eventuellen Feststellung von verletzten Personen zu betreten. Den Einsatzgrund „Feststellung von geschädigten oder verletzten Personen“ hat auch der Zeuge Ro. genannt. Auch der Zeuge Gr. bestätigte ein erhebliches Geschrei der Kläger in ihrem Wohnzimmer. Seiner Erinnerung nach war der Einsatzzweck „Familienstreit“. An den überlauten Lärm in der klägerischen Wohnung konnte sich auch der Zeuge Go. erinnern, der als Einsatzgrund ebenfalls „Streitigkeiten“ angab. In seiner (zeitnahen) Stellungnahme zur Anzeige gegen die Klägerin hatte der Zeuge T. als Einsatzgrund außerdem „randalierende Person“ angegeben (Bl. 255 der Akten des Beklagten).

Damit steht zur Überzeugung des Senats fest, dass aus der Wohnung der Kläger unmittelbar vor dem Polizeieinsatz tatsächlich erheblicher Lärm in den Hausflur drang und dies ebenso wie die Nachschau nach verletzten Personen ein berechtigter Grund für das Betreten der Wohnung war und dass es sich nicht etwa um eine Verschwörung Dritter gehandelt hat, wie die Kläger mutmaßen.

Als weiterer möglicher Einsatzgrund kommen die gefährliche Körperverletzung durch M. L. (Werfen mit Gegenständen auf die Polizeibeamten) sowie die Drohungen des J. L. gegen den anzeigenden Nachbarn hinzu. Allerdings kam es zu dem Verhalten der Söhne der Kläger erst nach dem Betreten der Wohnung durch die Polizei. Sie waren nicht von Anfang an ursächlich, sondern führten später zu einem womöglich längeren Verbleiben der Polizei in der Wohnung (dazu 3.2.).

3.1.1.4. Das Betreten der klägerischen Wohnung war trotz der zum Zeitpunkt der streitgegenständlichen polizeilichen Maßnahme herrschenden Nachtzeit zulässig.

Nach Art. 23 Abs. 2 PAG ist das Betreten einer Wohnung während der Nachtzeit in den Fällen des Abs. 1 nur zur Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit einer Person oder für Sachen von bedeutendem Wert zulässig.

Die Nachtzeit umfasst nach § 104 Abs. 3 StPO, der hier Anwendung findet, im Winterhalbjahr (1.10. bis 31.3.) die Zeit von 9.00 Uhr abends bis 6.00 Uhr morgens, also auch die Zeit von ca. 23.30 Uhr am 11. Januar bis ca. 1.00 Uhr am 12. Januar 2010, in der der streitgegenständliche Polizeieinsatz stattfand. Dass die Voraussetzungen des Art. 23 Abs. 1 PAG vorlagen und insbesondere das Betreten zur Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit einer Person erforderlich war, wurde oben bereits ausgeführt (vgl. 3.1.1.3.).

3.1.2. Mit dem Betreten der klägerischen Wohnung im Zuge des Polizeieinsatzes am 11./12. Januar 2010 hat die Polizei nicht gegen den für alle staatlichen Maßnahmen geltenden Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (s. Art. 4 PAG) verstoßen. Die mögliche Maßnahme des Betretens der Wohnung gegen den Willen der Kläger war geeignet (dazu 3.1.2.1.), erforderlich (dazu 3.1.2.2.) und verhältnismäßig im engeren Sinne (dazu 3.1.2.3.).

3.1.2.1. Dass das Betreten der Kläger geeignet war, gegebenenfalls verletzten Personen Hilfe zu leisten und für eine Beilegung der lautstarken Streitigkeiten innerhalb der Familie zu sorgen, versteht sich von selbst und wird auch von den Klägern nicht bestritten.

3.1.2.2. Das Betreten der Wohnung war auch erforderlich (Art. 23 Abs. 1 Satz 1, Art. 4 Abs. 1 PAG). Danach hat die Polizei von mehreren möglichen und geeigneten Maßnahmen diejenige zu treffen, die den Einzelnen und die Allgemeinheit am Wenigsten beeinträchtigt (Art. 4 Abs. 1 PAG).

3.1.2.2.1. Das Betreten der Wohnung war sowohl zur Nachschau nach verletzten Personen als auch zur Beilegung der Streitigkeiten der Kläger grundsätzlich erforderlich. Das Vorbringen der Kläger, die Polizei dürfe auch bei Ruhestörungen durch Lärm eine Wohnung nicht einfach betreten, sondern sie müsse zunächst einmal zur Ruhe auffordern, was hier nicht geschehen sei, greift nicht, denn die Kläger selbst haben bei ihrer Anhörung durch den Verwaltungsgerichtshof in der mündlichen Verhandlung vom 2. März 2015 ausgesagt, der Kläger sei zunächst vor die Wohnungstür gegangen und sollte dort „die Sache mit der Polizei“ klären. Eine solche Unterredung des Klägers im Hausflur vor der klägerischen Wohnungstür haben verschiedene Zeugen bestätigt (so auch der Zeuge P., der mit dem Kläger gesprochen hat). Dieses Gespräch brachte aber offensichtlich nicht den erwünschten Erfolg, denn während dessen Verlauf ging der lautstarke Streit in der Wohnung weiter (vgl. die Aussage des Zeugen P.). Auch die Antwort des Klägers auf die Frage, ob es Verletzte in der Wohnung gebe, es sei alles in Ordnung, konnte angesichts des im Hintergrund hörbaren lautstarken Streits den Verdacht, in der klägerischen Wohnung befänden sich womöglich verletzte und hilfebedürftige Personen, nicht ausräumen, zumal der Kläger selbst das vom Zeugen P. geschilderte Gespräch nicht bestätigt, sondern erklärt hat, sich an eine solche Frage (nach Verletzten) nicht erinnern zu können. Auch der Lärm, der von den Streitereien der Personen in der Wohnung ausging, war allein durch das Gespräch des Polizeibeamten P. mit dem Kläger vor der Wohnungstüre der Kläger nicht abzustellen. Vielmehr zeigte sich, dass es für die Polizei erforderlich war, direkt mit den lärmenden Personen in der klägerischen Wohnung zu sprechen und sie anzuhalten, ruhiger zu sein.

In Zusammenschau mit den polizeilichen Erkenntnissen über die Familie der Kläger und die früheren Polizeieinsätze war das Betreten der klägerischen Wohnung daher erforderlich. Andere weniger beeinträchtigende Maßnahmen waren tatsächlich nicht möglich oder von vorneherein nicht geeignet (z. B. Beendigung der Ruhestörung durch ein Gespräch nur mit dem Kläger).

3.1.2.2.2. Erforderlich zur polizeilichen Gefahrenabwehr war nach der Überzeugung des Verwaltungsgerichtshofs (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) nicht nur das Betreten der klägerischen Wohnung an sich, sondern auch das Betreten der Wohnung durch eine Polizeistreife zusammen mit einer zur Unterstützung des Einsatzes zum Einsatzort beorderten USK-Einheit.

Das Erforderlichkeitsprinzip, also das Prinzip des geringstmöglichen Eingriffs, erfordert nicht nur, dass die Maßnahme selbst das mildeste wirksame Mittel darstellt, um mögliche Gefahren abzuwehren, sondern auch, dass der Umfang der Maßnahme erforderlich in diesem Sinne ist. Dies war hier der Fall.

Anlässlich des Polizeieinsatzes bei den Klägern am 11./12. Januar 2010 sind nicht nur die zunächst informierten beiden Beamten einer Polizeistreife, sondern eine zusätzlich angeforderte USK-Einheit zur Wohnung der Kläger gefahren und in diese eingedrungen. Während die Kläger der Auffassung sind, die USK-Einsatzkräfte hätten sich für den betreffenden Einsatz am 11. Januar 2010 selbst aufgedrängt, womöglich im Zusammenwirken mit einem ebenfalls einer USK-Einheit angehörenden Nachbarn, mit dem die Kläger Streit hatten, steht zur Überzeugung des Senats fest, dass die Teilnahme einer USK-Einheit am streitgegenständlichen Einsatz der Polizei zu Recht und außerdem formal ordnungsgemäß angeordnet worden ist.

Der für den Einsatz verantwortliche Polizeibeamte P. hat in der mündlichen Verhandlung vom 2. März 2015 glaubhaft und überzeugend dargelegt, dass er aus nachvollziehbaren Gründen nicht ohne Unterstützung zur Wohnung der Kläger fahren wollte. Dies war zum einen der Umstand, dass der ihn begleitende Kollege seinerzeit lediglich Praktikant war und ihm daher die Erfahrung für einen solchen Einsatz fehlte, und zudem die ihm bekannte örtliche Situation bei den Klägern. Er hat weiter glaubhaft geschildert, dass der Einsatz von Verstärkungskräften auch bei Ruhestörungen oder Streitigkeiten möglich ist und er selbst bereits früher einmal zur Wohnung der Kläger mit (anderweitiger) Verstärkung gefahren ist. Die Beweisaufnahme hat darüber hinaus ergeben, dass der Zeuge P. die Verstärkung nicht selbst angefordert hat, weil dies bereits im Rahmen des Einsatzauftrags durch die Einsatzzentrale beim Polizeipräsidium M. veranlasst war. Dies ergibt sich auch aus den Ausführungen des Beklagten in der mündlichen Verhandlung vom 18. März 2015, in der anhand eines Einsatzprotokolls (ZEUS-Programm-Ausdruck), das dazu dient, den Polizeieinsatz zeitlich nachvollziehbar darzustellen, der Ablauf des Einsatzes von der Benachrichtigung des Nachbarn über die Ruhestörung bei den Klägern bis zum tatsächlichen Beginn des Einsatzes an der Wohnung der Kläger ausführlich geschildert wurde. Danach wurde im Polizeipräsidium nach Eingang des Anrufs des Nachbarn der Kläger über den Streit in deren Wohnung zunächst eine „igweb23“-Abfrage gestartet, die einen Eintrag über den Familienstreit am 26. August 2009 und über mehrere von den Klägern und ihren Söhnen begangene Strafdelikte enthielt. Danach beorderte die Einsatzzentrale zunächst die Polizeistreife und unmittelbar danach die USK-Einheit zur Wohnung der Kläger.

Angesichts der besonderen Umstände, die vor dem tatsächlichen Einsatz in der klägerischen Wohnung bekannt wurden, hat der Beklagte die Hinzuziehung des Unterstützungskommandos zu Recht als erforderlich erachtet. Nachdem bereits mehrere Polizeieinsätze bei der Familie der Kläger wegen Streitigkeiten erfolgt waren, war es nicht zuletzt wegen der im „igweb23“ verzeichneten Daten sachgerecht, nicht nur die beiden Streifenpolizisten in die Wohnung der Kläger zu schicken, zumal einer der beiden als Praktikant nicht die erforderliche Erfahrung hatte, mit mehreren, vermutlich aggressiven Personen in entsprechender Weise umzugehen, sondern eine USK-Einheit zur Unterstützung hinzuziehen. Hinzu kommt, dass vor dem Betreten der Wohnung bereits zu erkennen war, dass es sich bei den Klägern nicht nur um eine „normale“ Ruhestörung handelte, sondern wegen des lauten Geschreis von Streitigkeiten mit womöglich verletzten Personen ausgegangen werden musste. Zu diesem Zeitpunkt war insbesondere nicht klar, ob und wie viele Personen in der Wohnung waren. Rückschlüsse aus dem Lärmen und Schreien ließen allerdings bereits erkennen, dass sich in der Wohnung nicht nur zwei Leute aufhielten, sondern dass von mehreren womöglich aggressiven Personen ausgegangen werden musste. Die Polizei wusste auch nicht, mit welchen Aggressionen sie zu rechnen hatte. Bei der Anforderung der USK-Einheit gab es noch keine präzisen Angaben zu der Anzahl der Personen in der Wohnung, zur Art des Streits und zu möglichen Verletzten. Es war daher Vorsorge zu treffen, dass ausreichend Beamte für den Einsatzzweck, insbesondere zur Behebung der Streitigkeiten und der Beschwichtigung der aufgeheizten Stimmung in der Wohnung sowie zur Hilfeleistung für womöglich verletzte Personen, vor Ort waren. Aber auch der Gedanke des Eigenschutzes spielt bei der Einsatzstärke im Rahmen von polizeilichen Maßnahmen eine nicht zu vernachlässigende Rolle. Die Polizei ist nicht gezwungen, sich selbst in Gefahr zu begeben. Es waren daher ausreichend Polizeibeamte an der Maßnahme zu beteiligen, um sowohl eine größere Anzahl von Personen - auch im Falle einer Eskalation - notfalls überwältigen zu können - die Polizei geht nach Aussage des Beklagten von zwei Beamten pro Person aus - und auch um gleichzeitig mehrere Räume in der Wohnung überprüfen zu können (vgl. auch die Aussagen der Zeugen W. und Gr. am 2. März 2015). Insofern erwies sich die Anzahl der beteiligten Beamten auch deshalb als erforderlich, denn nach dem Betreten der Wohnung kristallisierten sich drei Schwerpunkte heraus, nämlich das Wohnzimmer, in dem sich die Kläger und M. L. aufhielten, das Zimmer des J. L. mit mehreren Personen und das Zimmer des P. L. Bei Verteilung der Polizeibeamten auf die verschiedenen Zimmer und Zuordnung von je zwei Beamten zu den in der Wohnung befindlichen Personen war damit letztlich auch die Anzahl der beteiligten Polizeikräfte erforderlich und nicht überzogen.

Das USK-Kommando ist des weiteren der aus zwei Beamten bestehenden Polizeistreife ordnungsgemäß von der Einsatzzentrale des Polizeipräsidiums M. zugeordnet worden. Auch dies steht für den Senat aufgrund der Äußerungen des Beklagten und der Zeugeneinvernahme fest. Insbesondere hat sich die USK-Streife für den Einsatz nicht wie die Kläger meinen von selbst aufgedrängt. Dafür, dass der angeblich bei der USK beschäftigte Nachbar der Kläger „hinter der Sache steckt“, bestehen keinerlei Anhaltspunkte. Vielmehr werden die Aussage des Zeugen P. und die Ausführungen des Beklagten zum Einsatz des USK durch den Zeugen W. bestätigt, der Leiter der USK-Einheit ist und vom Leiter der Einsatzzentrale beim Polizeipräsidium M. die Unterstützungsanfrage für den streitgegenständlichen Einsatz erhalten hat. Dem Umstand, dass die vor der Zuordnung der USK-Einheit zwischen den betreffenden Polizeieinheiten und der Einsatzzentrale geführten Gespräche, denen nach Auffassung der Kläger entscheidende Bedeutung zukommt, nicht aufgezeichnet und damit nicht im Wortlaut nachvollziehbar sind, kommt demgegenüber keine relevante Bedeutung zu.

Die USK-Unterstützung beruhte des weiteren formal ordnungsgemäß auf einer entsprechenden Anordnung des Polizeipräsidiums München, weil es sich bei dem am Einsatz in der Wohnung der Kläger beteiligten Unterstützungskommando um die Polizeiinspektion Ergänzungsdienste handelt, d. h. um eine dritte Einsatzhundertschaft, die im Rahmen des täglichen Dienstes innerhalb des Polizeipräsidiums M. auch alle allgemein dienstlichen Aufgaben erfüllt. Das genannte Unterstützungskommando ist mit funktionalen Einsatzaufgaben betraut und in die Organisation des Polizeipräsidiums eingegliedert (vgl. Schmidbauer/Steiner, a. a. O., Art. 4 POG Rn. 19). Damit steht fest, dass das Polizeipräsidium M. den Einsatz der USK-Unterstützung in rechtmäßiger Weise anordnen konnte.

Das Betreten der klägerischen Wohnung durch alle anwesenden Polizeibeamten gemeinsam bzw. kurz hintereinander, also der beiden Beamten der Polizeistreife und der Mitglieder der USK-Einheit, war auch insofern erforderlich, als es unter Berücksichtigung der Gesamtumstände nicht veranlasst oder geboten war, zunächst nur zu zweit oder zu dritt die Wohnung zu betreten und die übrigen Einsatzkräfte noch vor der Wohnungstüre warten zu lassen. Denn die Entwicklung in der Wohnung, nämlich weiter lautes Streiten, die im Laufe des Betretens festgestellte Anwesenheit von mehreren Personen in der Wohnung sowie die Verteilung der Personen auf mehrere Zimmer und aggressives Verhalten gegenüber den eindringenden Polizisten insbesondere durch den Sohn M. L. der Kläger, machte den Einsatz von allen anwesenden Polizisten erforderlich. Dies hat sich im Übrigen auch im weiteren Verlauf der Einsatzdynamik bestätigt.

3.1.2.3. Das Betreten der klägerischen Wohnung war schließlich verhältnismäßig im engeren Sinne.

Nach Art. 4 Abs. 2 PAG darf eine Maßnahme nicht zu einem Nachteil führen, der zu dem erstrebten Erfolg erkennbar außer Verhältnis steht. Bei einem polizeilichen Eingriff in Grundrechte der Betroffenen bedeutet dies, dass Einbußen an grundrechtlich geschützter Freiheit nicht in unangemessenem Verhältnis zu den Zwecken stehen dürfen, denen die Grundrechtsbeschränkung dient (vgl. BVerwG, U. v. 25.1.2012 -6 C 9.11 - juris Rn. 47). Geht man von diesen Vorgaben aus, erweist sich das Betreten der Wohnung der Kläger am 11. Januar 2010 ohne deren Zustimmung als verhältnismäßig.

Die Kläger wurden durch das Betreten der Wohnung in ihrem Recht auf Unverletztlichkeit der Wohnung aus Art. 13 Abs. 1 GG beeinträchtigt. Eine Grundrechtsbeeinträchtigung lag nicht nur darin, dass die Polizei ihre Wohnung zur Nachtzeit betreten hat, sondern erschwerend kommt hinzu, dass an der Maßnahme eine größere Anzahl von Polizeibeamten beteiligt war und die Beeinträchtigungen entsprechend intensiv waren. Demgegenüber waren die lautstarken Streitigkeiten der Kläger Ursache für womöglich bereits erfolgte, jedenfalls aber für drohende Gesundheitsschäden der Nachbarn, die wegen der Lärmbelästigung durch die Kläger zum wiederholten Mal keinen Schlaf finden konnten. Zudem sollte das Betreten der Wohnung, wie oben bereits ausgeführt wurde, auch dazu dienen, möglicherweise verletzten Personen Hilfe zu leisten. Auch insofern diente die Maßnahme zum Schutz des Rechts auf körperliche Unversehrtheit eines Menschen aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG. Wägt man diese Schutzgüter gegeneinander ab, so ist dem Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit im konkreten Fall ein höherer Wert beizumessen als dem Grundrecht auf Unverletztlichkeit der Wohnung. Denn hätte es tatsächlich in der Wohnung der Kläger Verletzte gegeben und wären diese nicht rechtzeitig entdeckt worden, hätte dies zu möglicherweise gravierenden Gesundheitsschäden der verletzten Personen führen können, wohingegen die Kläger zwar durch das Eindringen in ihre Wohnung in ihrem Privatleben beeinträchtigt wurden, die gesamte Maßnahme aber lediglich eineinhalb Stunden gedauert hat und soweit ersichtlich folgenlos blieb. Die Nachteile für gegebenenfalls verletzte Personen und die durch den Lärm beeinträchtigten Nachbarn wären daher bei einem Unterbleiben der polizeilichen Maßnahme erheblich größer gewesen als es die Nachteile für die Kläger durch das Betreten der Wohnung waren. Damit erweist sich aber die Maßnahme des Betretens der Wohnung als verhältnismäßig im engeren Sinne.

3.1.3. Die polizeiliche Maßnahme des Betretens der klägerischen Wohnung erweist sich auch insofern als rechtmäßig, als auch im Übrigen Ermessensfehler nicht erkennbar sind.

3.2. Das Verbleiben der Polizeibeamten in der klägerischen Wohnung bis zum Ende der Maßnahme um ca. 1.00 Uhr am 12. Januar 2010 ist ebenfalls rechtlich nicht zu beanstanden.

3.2.1. Rechtsgrundlage für das Verbleiben der Polizei in der Wohnung der Kläger ohne deren Einwilligung ist ebenso wie das Betreten der Wohnung Art. 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 i. V. m. Abs. 2 PAG.

Wie unter 3.1.1. bereits dargelegt, waren die Tatbestandsvoraussetzungen dieser Vorschrift erfüllt. In der Zeit ab dem Betreten der Wohnung bis zum Verlassen der Wohnung, also während des gesamten Zeitraums des Verbleibens der Polizei in der Wohnung, hat sich am Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen des Art. 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 i. V. m. Abs. 2 PAG auch nichts wesentlich geändert. Insbesondere ist das Verbleiben der Polizei in der Wohnung weiter ohne Einwilligung der Kläger erfolgt, denn die Klägerin hat, wie ebenfalls oben ausgeführt wurde, bereits kurz nach dem Betreten der Wohnung durch die Polizisten diese laut aufgefordert, die Wohnung zu verlassen. Spätestens zu diesem Zeitpunkt war eine womöglich erteilte Einwilligung in das Betreten der Wohnung erloschen.

Während der Dauer des Verbleibens der Polizei in der Wohnung bestand durchgehend eine gegenwärtige Gefahr für die Gesundheit von Personen, die es mit der Maßnahme abzuwehren galt. Dies war einerseits die übermäßige Lärmverursachung durch die Kläger selbst, die auch nach dem Betreten der Wohnung durch die Polizisten anhielt. Zudem bestand nach wie vor die Gefahr, dass sich verletzte Personen in der Wohnung befanden und der Hilfe bedurften. Dazu kam im Verlauf des Einsatzes sehr bald die Eskalation im Wohnzimmer der Kläger, als deren Sohn M. L. anfing, die Polizisten zu beschimpfen und zu beleidigen und mit Gegenständen nach ihnen zu werfen. Dabei bedarf es in diesem Zusammenhang keiner Beantwortung der Frage, ob die Gefährdung der Gesundheit der Polizeibeamten durch die Würfe des M. L. auch dadurch hätte beseitigt werden können, dass die Beamten die Wohnung verließen. Denn jedenfalls war bis zu diesem Zeitpunkt der Zweck des Einsatzes noch nicht erreicht, weil noch nicht geklärt war, ob sich nicht doch noch verletzte Personen in der Wohnung befinden, wobei es nicht ausreichte festzustellen, dass die Familienmitglieder der Kläger unverletzt waren. Es hätten sich nämlich auch hilfebedürftige Dritte in der Wohnung befinden können. Zwar hatten die Beamten, die nicht in den Wohnraum vorgedrungen waren, die Zimmer in Augenschein genommen, in denen sich J. L. bzw. P. L. aufhielten und auch im Badezimmer Nachschau gehalten, jedoch hatte die Polizei noch nicht das hinter dem Wohnzimmer liegende weitere Zimmer im Wege der Nachschau kontrolliert (vgl. die Aussage des Zeugen Ri.). Denn sobald die Polizisten das Wohnzimmer betreten hatten, mussten sie sich mit M. L. befassen und waren im weiteren Verlauf des Einsatzes mit der Fesselung der Kläger und ihres Sohnes M. L. beschäftigt. Auch die Kläger haben nicht ausgesagt, dass die Polizei dieses Zimmer hinter dem Wohnzimmer zuvor bereits kontrolliert hätte. Aus dem Einsatzvideo ist hierzu ebenfalls nichts ersichtlich. Vielmehr ist auf dem Videoband lediglich die geschlossene Türe zu dem hinter dem Wohnzimmer liegenden Raum zu sehen. Da somit die Nachschau nach verletzten Personen noch nicht beendet war, ist nicht entscheidungserheblich, ob gegebenenfalls von J. L. eine Gefahr für die Gesundheit oder das Leben anderer Personen ausging, als er erhebliche Drohungen gegen die Nachbarn der Familie aussprach und deshalb letztendlich in Gewahrsam genommen worden ist. Zudem befanden sich die drei Polizisten, die im Zimmer von J. L. waren, auch deshalb dort, weil sie verhindern wollten, dass J. L. zu den anderen Familienmitgliedern in das Wohnzimmer zurückkehrte und dort die Streitigkeiten wieder begannen (vgl. die Aussage der Zeugen P. und K. B.). Auch dies war ein berechtigter Grund, solange in der Wohnung der Kläger zu bleiben, bis eine Deeskalation der Streitigkeiten erreicht worden ist. Dies war frühestens mit der In-Gewahrsamnahme des J. L. der Fall. Zu diesem Zeitpunkt hatte sich aber auch die Lage im Wohnzimmer bereits beruhigt und der Einsatz wurde von den Polizisten noch abgewickelt (Aufnahme der Personalien der beteiligten Personen, Sicherstellung von Beweismitteln, Protokollierung etc.), bevor sie dann endgültig die Wohnung verlassen haben (so der Zeuge W.). Bis dahin war aber von einer gegenwärtigen Gefahrenlage im Sinne von Art. 23 Abs. 1 Nr. 3 PAG auszugehen (Art. 4 Abs. 3 PAG).

3.2.2. Das Verbleiben der Polizei in der Wohnung bis gegen ca. 1.00 Uhr des 12. Januar 2010 war verhältnismäßig.

Es war geeignet und erforderlich, weil eine entsprechende Gefahrenlage weiter bestand (vgl. dazu 3.2.1.). Insoweit kann, auch zur Erforderlichkeit der Anwesenheit der USK-Einheit, auf die Ausführungen zum Betreten der Wohnung verwiesen werden (vgl. 3.1.2.). Schließlich erwies sich das Verbleiben auch als verhältnismäßig im engeren Sinne. Auch insoweit ergibt sich nichts anderes als bei der Überprüfung der Rechtmäßigkeit des Betretens der Wohnung.

3.2.3. Schließlich sind auch keine sonstigen Ermessensfehler ersichtlich.

3.3. Soweit sich die Kläger gegen ihre Fesselung am 11./12. Januar 2010 wenden, hat ihre Berufung Erfolg. Das Urteil des Verwaltungsgerichts ist insoweit abzuändern und festzustellen, dass die Fesselung der Kläger durch die Polizei rechtswidrig war und die Kläger durch die Fesselung in ihren Rechten verletzt worden sind.

Rechtsgrundlage für die Fesselung ist Art. 65 Nr. 1 PAG i. V. m. Art. 53 Abs. 2, Art. 58 Abs. 1, Art. 60 Abs. 1, Art. 61 Abs. 1, 2 und 3 und Art. 64 Abs. 1 Satz 2 PAG. Danach darf eine Person, die nach diesem Gesetz oder anderen Rechtsvorschriften festgehalten wird, gefesselt werden, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie Polizeibeamte oder Dritte angreifen, Widerstand leisten oder Sachen beschädigen wird (Art. 65 Nr. 1 PAG.). Die Fesselung ist ein Mittel der Anwendung von Verwaltungszwang, der nach Art. 53 Abs. 2 PAG ausnahmsweise ohne vorausgehenden Verwaltungsakt angewendet werden kann, wenn das zur Abwehr einer Gefahr notwendig ist. Unmittelbarer Zwang kann angewendet werden, wenn andere Zwangsmittel nicht in Betracht kommen oder keinen Erfolg versprechen oder unzweckmäßig sind (Art. 58 Abs. 1 Satz 1 PAG). Unter unmittelbarem Zwang versteht der Gesetzgeber die Einwirkung auf Personen oder Sachen durch körperliche Gewalt, ihre Hilfsmittel und durch Waffen (Art. 61 Abs. 1 PAG). Dabei ist körperliche Gewalt jede unmittelbare körperliche Einwirkung auf Personen oder Sachen (Art. 61 Abs. 2 PAG). Hilfsmittel der körperlichen Gewalt sind insbesondere Fesseln (Art. 61 Abs. 3 PAG).

Nach Auffassung des Senats führte die Fesselung der Kläger zwar nicht zu einer Freiheitsentziehung, für die der sog. Richtervorbehalt des Art. 104 Abs. 2 Satz 1 GG gilt, denn das mit der Fesselung einhergehende Festhalten der Kläger war nur kurzzeitig (allenfalls ca. eine Stunde) und gefesselt waren die Kläger nur an den Händen. Es erfolgte insbesondere keine Gewahrsamnahme im Sinne von Art. 17 PAG, denn die Kläger sind nur kurzfristig und lediglich zur Verhinderung weiterer Straftaten oder Widerstandshandlungen in der eigenen Wohnung gefesselt worden. Eine Freiheitsentziehung liegt nämlich nur dann vor, wenn die - tatsächlich und rechtlich an sich gegebene - körperliche Bewegungsfreiheit durch staatliche Maßnahmen nach jeder Richtung hin aufgehoben wird (vgl. BayVGH, U. v. 27.1.2012 - 10 B 08.2849 - juris Rn. 44 unter Hinweis auf BVerfG, U. v. 14.5.1996 - 2 BvR 1516/93 - juris Rn. 114; vgl. auch BVerfG, B. v. 8.3.2011 - 1 BvR 47/05 - juris Rn. 20). Dies war hier nicht der Fall. Der für eine Freiheitsentziehung erforderliche höhere Grad der Eingriffsintensität sowohl in zeitlicher als auch insbesondere räumlicher Hinsicht (vgl. Radtke in BeckOK GG, Stand: 1.3.2015, Art. 104 Rn. 3) lag hier (noch) nicht vor. Denn die Fesselung (und das Festhalten) erfolgten nur zum Zwecke der Sicherung der polizeilichen Maßnahmen (Fixierung und Fesselung) gegenüber M. L. Hätten die Kläger der Polizei nicht „im Wege gestanden“ und wären sie freiwillig zur Seite getreten, hätte die Polizei ohne Fesselung der Kläger zu M. L. vordringen und dessen Angriffe abwehren können. Es war von vornherein nicht beabsichtigt, die Kläger aus anderen Gründen für längere Zeit festzuhalten oder in Gewahrsam zu nehmen. Diese Fesselung erweist sich allerdings gleichwohl als nicht rechtmäßig.

3.3.1. Es ist bereits fraglich, ob die Voraussetzungen einer Fesselung nach dem hier allein in Betracht kommenden Art. 65 Nr. 1 PAG vorliegen. Danach ist erforderlich, dass Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass eine nach diesem Gesetz oder anderen Rechtsvorschriften festgehaltene Person Polizeibeamte oder Dritte angreifen, Widerstand leisten oder Sachen beschädigen wird. Das Festhalten der Person muss auf gesetzlicher Grundlage erfolgen.

Ob diese Voraussetzungen bei der Klägerin, die wohl im Wege einer eigenständigen freiheitsbeschränkenden Maßnahme der Polizei nach Art. 11 PAG festgehalten wurde, vorgelegen haben, ist schon zweifelhaft. Es ist nämlich bereits fraglich, ob hinreichende Tatsachen vorlagen, die die Annahme der Polizei, die Klägerin werde Widerstand gegen Polizeibeamte leisten, bestätigen könnten.

Es steht zur Überzeugung des Gerichts (vgl. § 108 Abs. 1 VwGO) fest, dass die Klägerin nach dem Betreten der Wohnung durch die Polizeibeamten im Wohnzimmer ihren behinderten und durch die aufgeheizte Stimmung in der Wohnung aggressiv gewordenen Sohn beruhigen und verhindern wollte, dass dieser mit den Polizeibeamten in Streit gerät. Ihr Vorbringen in der mündlichen Verhandlung, sie habe sich vor ihren Sohn M. L. gestellt und dieser habe dann mit Gegenständen in Richtung der Polizeibeamten geworfen, wird durch die Einvernahme der am Einsatz beteiligten Polizisten insoweit bestätigt, als z. B. der Zeuge Go. ausgesagt hat, dass die Klägerin versucht habe, M. L. zu beruhigen. Sie habe ihn aber nicht in den Griff bekommen. Bestätigt wurde auch, dass die Kläger „gleichsam in der Schusslinie“ vor ihrem Sohn (so der Zeuge Ri.) und damit den Polizeibeamten, die M. L. festnehmen wollten, im Wege standen. Ebenso hat sich der Zeuge T. geäußert, nämlich dass die Klägerin versucht habe, ihren Sohn zu beschwichtigen, sich dann umgedreht und ihm im Weg gestanden habe. „Deshalb habe ich sie dann zur Seite auf die Couch geworfen bzw. wir sind dort hingefallen.“ Letztendlich wird das Geschehen bestätigt durch das Einsatzvideo, das deutlich zeigt, wie die Klägerin ihren Sohn zu beruhigen versucht, dann laut und deutlich den Polizisten zuruft, dass er behindert sei und sich dann erneut in Richtung ihres Sohnes umdreht, während die Polizeibeamten von hinten auf sie zustürmen und sie dann auf das Bett geworfen, fixiert und gefesselt wird. Damit hat die Beweisaufnahme einschließlich der Inaugenscheinnahme des Videos aber ergeben, dass von der Klägerin jedenfalls keine konkreten Widerstandshandlungen ausgegangen sind. Allenfalls die Befürchtung, die Klägerin werde die Polizisten angreifen, wenn diese ihren Sohn festnehmen, könnte die Annahme der Polizei begründen, sie werde demnächst Widerstand leisten. Die Klägerin war sehr erregt und sprach mit lauter Stimme, auch hatte sie zuvor bereits Körperkontakt zu einem Polizisten. Aus dem Video ist allerdings nicht klar zu ersehen, ob sie von der Polizei abgedrängt wurde oder ob sie den Polizeibeamten geschoben hat. Deutlich erkennbar ist hingegen, dass die Klägerin kaum eine Möglichkeit hatte, die Ecke, in der sie stand, zu verlassen, ohne mit dem Polizisten zusammenzustoßen, da vor ihr die Polizeibeamten aufgebaut waren und hinter ihr ganz in der Ecke ihr aggressiver Sohn stand. Letztendlich kann die Frage, ob in der geschilderten Situation die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Fesselung vorlagen, bei der Klägerin offen bleiben.

Beim Kläger spricht dagegen einiges dafür, dass er entweder tatsächlich Widerstand gegen ein Vordringen der Polizeibeamten zu seinem behinderten Sohn geleistet hat, oder dass das auf dem Einsatzvideo erkennbare Rudern des Klägers mit den Armen, das er selbst als ein Tasten wegen seiner Blindheit erklärt, bei den Polizeibeamten zumindest den Anschein von Widerstandshandlungen erweckte, zumal diese offenbar zu diesem Zeitpunkt noch keine Kenntnis davon hatten, dass der Kläger sie nicht sehen konnte. Zwar hat die Klägerin behauptet, sie habe dies den Polizeibeamten gesagt. Auf dem Video, das auch das beim Einsatz Gesprochene klar und deutlich widergibt, ist eine solche Aussage der Klägerin aber nicht zu hören. Auf die Blindheit des Klägers hat sie danach erst später hingewiesen. Jedenfalls hat sich der Kläger sowohl nach den Aussagen der Zeugen als auch nach dem vom Senat eingesehenen Einsatzvideo körperlich gegen die Polizisten „gestemmt“. Ob er sich dabei nur vor dem weiteren Eindringen der Polizeibeamten in die Wohnung schützen oder ob er Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte leisten wollte, kann dahinstehen. Denn es reicht nach Art. 65 Abs. 1 PAG aus, dass mit Widerstandshandlungen zu rechnen ist. Insbesondere greift der Einwand des Klägers nicht, er sei blind und schon deshalb nicht in der Lage gewesen, gezielt Widerstand zu leisten. Denn gerade das Einsatzvideo zeigt, dass der Kläger direkt in Richtung der beteiligten Polizisten stand und diese - wohl über seinen Hörsinn - wahrnehmen und damit auch attackieren konnte. Seine Arme waren auch gegen die vorrückenden Polizeibeamten gerichtet, wohingegen der vom Zeugen Ri. verspürte Tritt im Fußbereich offensichtlich von M. L. herrührte. Nicht entscheidend sind in diesem Zusammenhang allerdings sowohl die Tatsache, dass der Kläger mit Urteil des Amtsgerichts München vom 14. Oktober 2011 wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig verurteilt worden ist, als auch die in diesem Urteil enthaltene Bewertung des Polizeieinsatzes und insbesondere der Fesselung des Klägers als rechtmäßig. Denn der Senat ist an diese Entscheidung nicht gebunden. Nicht entscheidend ist auch im Hinblick auf die nachfolgenden Ausführungen, ob die Fesselung des Sohnes M. L., die im vorliegenden Verfahren ohnehin nicht Streitgegenstand ist, rechtmäßig war.

3.3.2. Geht man trotz der dargelegten Bedenken des Senats davon aus, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen des Art. 65 Nr. 1 PAG bei beiden Klägern vorlagen, erweist sich deren Fesselung jedoch nicht als verhältnismäßig im weiteren Sinne.

Die Fesselung mag zwar grundsätzlich geeignet gewesen sein, die Kläger von Widerstandshandlungen abzuhalten und damit die Fesselung des M. L. zu ermöglichen, um diesen wiederum von der Begehung weiterer Straftaten abzuhalten, weil er nach seiner eigenen Fesselung keine Gegenstände mehr zielgerichtet auf die Polizeibeamten werfen konnte. Es ist aber fraglich, ob sie erforderlich war. Erforderlich ist eine polizeiliche Maßnahme nämlich nur, wenn nicht eine andere, die Rechte des Betroffenen schonendere Maßnahme, ein milderes Mittel also, in Betracht kommt (vgl. Lisken/Denninger, a. a. O., E Rn. 172). Verfassungsrechtlich geboten ist die Anwendung eines milderen Mittels allerdings nur bei dessen voraussichtlich gleicher Eignung für die Erreichung des angestrebten Zwecks (Lisken/Denninger, a. a. O., Rn. 173).

Die Fesselung einer Person bedeutet einen schweren Eingriff in ihre persönliche Freiheit (Schmidbauer/Steiner, a. a. O., Art. 65 Rn. 13). Sie bedeutet eine Einschränkung der Bewegung der Kläger, auch wenn ihnen nur Handfesseln angelegt worden sind. Bei der Klägerin kommt hinzu, dass sie mit dem Gesicht nach unten auf die Couch geworfen worden ist und sich der die Klägerin fesselnde Polizeibeamte auf sie gesetzt hat. Der Kläger wurde anlässlich seiner Fesselung auf den Boden geworfen und hat sich dabei im Gesicht verletzt. Angesichts dieses schweren Grundrechtseingriffs in die Rechte der Kläger aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 und 2 GG (Recht auf körperliche Unversehrtheit und Freiheit der Person) darf eine Fesselung nur als letztes Mittel zur Erreichung des bestimmten Zwecks eingesetzt werden, wenn andere Maßnahmen keinen Erfolg versprechen.

Das Ziel, die Kläger von Widerstandshandlungen gegen die Polizei im Rahmen der beabsichtigten Festnahme ihres Sohnes, die wiederum der Verhinderung weiterer Straftaten dienen sollte, abzuhalten, hätte aber womöglich schon durch andere mildere Maßnahmen erreicht werden können. Denkbar sind insoweit ein Festhalten der Kläger, ohne sie gleich zu fesseln, ein kurzfristiges Zurückweichen der Polizei aus dem Wohnzimmer und damit aus dem Wurfbereich des M. L., und womöglich hätte schon ein Einreden auf die Eltern, ihren Sohn festzuhalten, zu einer wesentlichen Entspannung des Geschehens geführt. Die Klägerin war ohnehin bereits von Anfang an darum bemüht, ihren Sohn zumindest mit Worten zu bändigen und hätte womöglich einer entsprechenden Aufforderung der Polizei durchaus Folge geleistet. Geht man davon aus, dass die hier angesprochenen anderen Maßnahmen als mildere Mittel ebenso wie die Fesselung der Kläger zum Erreichen des angestrebten Zwecks geführt hätten, stellt sich allenfalls die Frage, ob dieser Zweck genauso schnell erreicht worden wäre wie mit der Fesselung oder ob etwa der Rückzug der Polizeibeamten angesichts der Vielzahl von Beamten, die sich im Wohnzimmer und in dem engen Flur der Kläger befanden, zu lange gedauert hätte und M. L. bis zum endgültigen Rückzug noch weitere Gegenstände auf die Polizisten hätte werfen können. Letztendlich bedarf dies aber keiner abschließenden Bewertung, denn die Fesselung der Kläger erweist sich jedenfalls als unverhältnismäßig im engeren Sinne.

Wie unter 3.1.2.3. bereits ausgeführt wurde, ist eine Maßnahme nur dann nach Art. 4 Abs. 2 PAG verhältnismäßig (im engeren Sinne), wenn der mit der Maßnahme erstrebte Erfolg in einem angemessenen Verhältnis zu den damit verbundenen Eingriffen in Grundrechte der Betroffenen steht. Wenn die Intensität des Eingriffs in einem Missverhältnis zu dem mit der Maßnahme verfolgten Zweck steht, wenn mit anderen Worten dem Einzelnen die ihm auferlegte Belastung nicht zuzumuten ist, hat die Maßnahme zu unterbleiben (vgl. Lisken/Denninger, a. a. O., E Rn. 180). Danach ist die Verhältnismäßigkeit der Fesselung nicht gegeben.

Im Fall der Kläger ist der mit ihrer Fesselung verbundene Eingriff in ihre Grundrechte in Verhältnis zu setzen zu dem Bestreben der Polizei, von den Klägern nicht an der Festnahme ihres Sohnes gehindert zu werden. Bei der danach gebotenen Abwägung überwiegen die Belange der Kläger das oben aufgezeigte öffentliche Interesse.

Die Kläger sind durch die Fesselung und die damit zusammenhängenden weiteren Beeinträchtigungen in ihren Grundrechten auf Freiheit und körperliche Unversehrtheit betroffen worden. Sie sind beide ohne jegliche Vorwarnung von Polizeibeamten ergriffen worden, die Klägerin noch dazu, als sie dem Polizisten den Rücken zugekehrt hatte und mit einer Fesselung nicht rechnen musste. Ihnen wurde also entgegen Art. 64 Abs. 1 Satz 1 PAG die Fesselung nicht angedroht. Zwar kann nach Art. 64 Abs. 1 Satz 2 PAG von der Androhung abgesehen werden, wenn die Umstände sie nicht zulassen, insbesondere, wenn die sofortige Anwendung des Zwangsmittels zur Abwehr einer Gefahr notwendig ist, jedoch ist zweifelhaft, ob ein solcher Fall hier vorlag. Auch angesichts der aufgeheizten Stimmung im Wohnzimmer der Kläger hätte die Androhung der Fesselung womöglich dazu geführt, dass die Kläger die Polizei entweder zu ihrem Sohn vordringen lassen oder diesen selbst festhalten, damit er nicht mehr mit Gegenständen werfen kann. Der geistig behinderte Sohn der Kläger war nämlich bei seinen Aktionen, wie im Einsatzvideo deutlich zu sehen ist, nicht sehr schnell und geschickt. Eine Androhung der Fesselung wäre daher noch vor dem nächsten Wurf durchaus möglich gewesen.

Über die bloße Fesselung hinaus erlitten die Kläger erhebliche Gesundheitsbeeinträchtigungen. Der Kläger hatte nachweislich Verletzungen in Form von Schürfwunden im Gesicht. Die Klägerin war dadurch in ihrer Gesundheit beeinträchtigt, dass der sie fesselnde Polizeibeamte zeitweise auf ihr kniete. Dass sie dadurch beim Atmen Probleme hatte, ist glaubhaft und nach der filmischen Darstellung dieser Maßnahme auf dem Einsatzvideo auch nachvollziehbar. Hinzu kommt die psychische Beeinträchtigung in Form der Angst um die eigene Gesundheit ebenso wie um den Zustand des Sohnes, der als Behinderter besonders empfindlich auf die polizeilichen Maßnahmen reagiert hat, wie sich aus dem späteren Verlauf erkennen lässt, als M. L. nur noch jammernd und weinend auf dem Boden saß. Schließlich ist auch die Dauer der Fesselung als weitere Erschwerung der ohnehin erfolgten Beeinträchtigung der Rechte der Kläger in die Abwägung einzustellen, denn die Kläger blieben, wie das Einsatzvideo zeigt, auch dann noch gefesselt, als der Sohn M. L. sich bereits beruhigt hatte, was bereits unmittelbar nach der Fesselung aller drei Personen der Fall war.

Andererseits hätte, wie oben bereits ausgeführt worden ist, das Ziel der Polizeibeamten, die Kläger daran zu hindern, ihren Sohn abzuschirmen, auch auf eine weniger intensive Art und Weise als durch eine Fesselung erreicht werden können. Auch waren die Angriffe durch M. L. nicht derart gefährlich, dass sie die von der Polizei ergriffenen Maßnahmen rechtfertigen konnten. Die Beleidigungen und verbalen Aggressionen des M. L. rechtfertigten ohnehin keine Fesselung seiner Eltern, denn insoweit hätte es ausgereicht, den Kläger zur Anzeige zu bringen. Aber auch die oben (vgl. S. 31) dargelegte Gefahr durch weitere Würfe des M. L. war relativ gering, zumal die Polizeibeamten alle in voller Ausrüstung waren und eventuellen weiteren Würfen hätten ausweichen können. Hinzu kommt, dass die Polizeibeamten leicht hätten erkennen können, dass der Kläger geistig behindert ist. Dies wird auf dem Einsatzvideo sehr deutlich. Sein gesamtes Verhalten, insbesondere sein Gesichtsausdruck, lassen ohne Weiteres auf eine gewisse geistige Retardierung schließen. Auf dem Einsatzvideo ist auch deutlich zu sehen, dass M. L. aufgrund seiner Behinderung sehr langsam reagiert und immer erst nach einem Gegenstand sucht, den er gegebenenfalls werfen kann. Die Gefahrenlage war daher auch in der konkreten Situation ausreichend vorhersehbar und einschätzbar. Zwar steht außer Frage, dass die Polizei Widerstand oder sonstige körperliche Beeinträchtigungen nicht hinnehmen muss und dafür auch härtere Mittel einsetzen kann. Jedoch ist der Senat, auch aufgrund der durchgeführten Beweisaufnahme, in diesem konkreten Fall angesichts der besonderen Einsatzsituation und der Anzahl der damals in der Wohnung anwesenden besonders ausgebildeten USK-Kräfte der Auffassung, dass die streitgegenständliche Fesselung nicht verhältnismäßig war, zumal im Hinblick auf den den Klägern vorgeworfenen „Widerstand“ in keiner Weise berücksichtigt worden ist, dass Eltern eines behinderten Kindes in der Regel intensiver bemüht sind, dieses in Schutz zu nehmen als dies womöglich bei einem gesunden Kind geschieht.

3.4. Eine Rechtsverletzung der Kläger aufgrund einer rechtswidrigen Durchsuchung durch die Polizei liegt nicht vor, denn eine Durchsuchung hat im Rahmen der hier streitgegenständlichen polizeilichen Maßnahmen am 11./12. Januar 2010 nicht stattgefunden.

Durchsuchungen gehören zu den möglichen Maßnahmen, die die Polizei zur Gefahrenabwehr ergreifen kann. Dazu ist in Art. 23 PAG die Durchsuchung von Wohnungen geregelt und in Art. 22 PAG die Durchsuchung von Sachen (zum Verhältnis zwischen diesen beiden Vorschriften vgl. Nr. 22.2 Vollz. B.ek zu Art. 22 PAG). Am 11. Januar 2010 sind aber weder die Wohnung noch Sachen der Kläger durchsucht worden.

Dass die Wohnung der Kläger nicht nach Personen durchsucht worden ist, wurde bereits oben (vgl. 3.1.1.1.) dargelegt. Über das bisher Ausgeführte hinaus ist aber auch die behauptete „Durchsuchung“ eines Ordners, um den es den Klägern im Wesentlichen geht, keine Durchsuchung der klägerischen Wohnung. Denn die Polizei hat die Wohnung der Kläger nicht mit der Absicht betreten, dort eine Durchsuchung vorzunehmen. Insbesondere hatte sie nicht vor, den Ordner der Klägerin und dort wiederum die im Ordner befindliche Unterlage über den Gesundheitszustand des Sohnes M. L. zu „suchen“. Von dem Ordner und der Unterlage war der Polizei nämlich bis zu dem Augenblick, in dem die Klägerin selbst auf den Ordner hingewiesen hat, nichts bekannt. Es war auch nicht die Polizei, die den Ordner gesucht hat, sondern, wie die Beweisaufnahme zweifelsfrei ergeben hat, wollte die Klägerin zum Beweis dafür, dass ihr Sohn M. L. geistig behindert ist, ein bestimmtes Gutachten, das sich in dem fraglichen Ordner befand, vorzeigen. Sie selbst hat in der mündlichen Verhandlung am 2. März 2015 ausgesagt, sie habe die Unterlagen wegen ihrer Fesselung nicht holen können und deshalb dem Polizisten gesagt, das Gutachten befinde sich in einem Ordner. Da sie nicht gewusst habe, in welchem Ordner das betreffende Attest sei, habe der Polizist einen dicken Ordner genommen und durchgesehen. Der Polizeibeamte Ri., der den beschriebenen Ordner an sich genommen hat, bestätigte im Wesentlichen die Aussage der Klägerin. Allerdings erklärte er, die Klägerin habe einen konkreten Ordner bezeichnet, den er dann ergriffen und kurz nach dem ihm genannten Attest durchgesehen habe. Den Ordner habe er dann der Klägerin vorgelegt, damit diese das gesuchte Attest entnehmen konnte. Selbst wenn die Angaben der Klägerin zutreffen sollten, dass sie auf keinen bestimmten Ordner gezeigt habe, ist das Ergreifen des Ordners durch den Polizisten und die kurze Durchsicht nach dem betreffenden Attest nicht als Durchsuchen der Wohnung zu werten. Es handelt sich aber auch nicht um eine Durchsuchung von Sachen, denn der Polizeibeamte hat den Ordner gerade nicht durchsucht, sondern nur kurz durchblättert und ihn dann der Klägerin weitergereicht. Hier fehlt es bereits an dem eine Durchsuchung kennzeichnenden Merkmal des Aufspürens einer Sache, die der Verfügungsberechtigte nicht herausgeben, sondern vielmehr verbergen möchte. Die Klägerin wollte im Gegenteil das Attest über ihren Sohn übergeben, um damit den Nachweis zu führen, dass M. L. für die zuvor von ihm begangenen Delikte nicht zur Verantwortung gezogen werden kann. Es war ihr Interesse, die Polizei über den Umstand, dass M. L. geistig behindert ist, zu informieren. Hielt sie aber nichts verborgen und war sie mit der Suche nach dem Attest ausdrücklich einverstanden, konnte auch kein Durchsuchen im Sinne der Art. 22 oder 23 PAG stattfinden.

Die Polizei hat zur Überzeugung des Senats auch nicht den Zustand der Klägerin, dass sie wegen der zuvor erfolgten Fesselung den Ordner nicht selbst holen konnte, ausgenutzt und so eine Durchsuchung vorgenommen. Denn die Polizei war an dem Inhalt dieses Ordners überhaupt nicht interessiert. Vielmehr war es die Klägerin selbst, die das Attest dem Polizisten zeigen wollte. Schon gar nicht wurde eine „Durchsuchung“ der „Privatunterlagen der Klägerin“ durch den „Gewalteinsatz“ zuvor „erzwungen“, wie die Kläger meinen. Der Hinweis der Klägerin auf das Gutachten über M. L. erfolgte nämlich erst nach der Fesselung der Kläger und des M. L., so dass der „Gewalteinsatz zuvor“ keinesfalls mehr ursächlich für eine erzwungene Durchsicht des Ordners sein konnte.

Schließlich ist auch die Tatsache, dass die Polizeibeamten vor dem Einsatz Handschuhe angezogen haben, kein Indiz dafür, dass sie rechtswidrige Durchsuchungen durchführen und keine damit verbundenen Fingerabdrücke hinterlassen wollten. Vielmehr wurde vom Beklagten glaubhaft erklärt, dass es zur Ausrüstung eines Polizeibeamten gehört, bei Einsätzen Handschuhe zu tragen, u. a. auch zum Selbstschutz. Dass das Anziehen von Handschuhen beim streitgegenständlichen Einsatz sinnvoll war, ist bereits daraus zu ersehen, dass einer der Beamten einen Gegenstand, den M. L. durch das Zimmer geworfen hat, mit dem Handschuh auffangen konnte. Hätte er keine Handschuhe angehabt, wäre es womöglich zu einer Verletzung des Polizeibeamten gekommen.

3.5. Im Verlauf der polizeilichen Maßnahmen am 11./12. Januar 2010 in der Wohnung der Kläger kam es auch nicht zu Gewaltanwendungen gegenüber den Klägern, die über die mit der Erzwingung der anderen Maßnahmen verbundenen Zwangsmittel, z. B. beim Betreten der Wohnung und der Fesselung der Kläger, hinausgingen. Für einen derartigen „Gewaltexzess“ durch die Polizei gibt es weder Nachweise noch greifbare Anhaltspunkte.

Das von den Klägern hierzu angeführte Beiseiteschieben des Klägers im Wohnungsflur durch den Polizeibeamten G. ist bereits nicht als „Gewaltanwendung“ anzusehen, weil es hierzu keines über eine leichte Körperberührung hinausgehenden körperlichen Einsatzes bedurfte. Außerdem diente es lediglich der Durchsetzung des Betretens der Wohnung und war damit allenfalls der - rechtmäßige - Vollzug (s. Art. 53 ff PAG) der Maßnahme „Betreten“.

Keine eigenständige Gewaltanwendung ist des weiteren die Durchsetzung der Fesselung des Klägers. Auch wenn er dabei verletzt worden ist, kommt dieser Tatsache keine eigenständige Bedeutung bei, denn diese Gesundheitsbeschädigung ist zweifelsohne im Verlauf der zwangsweisen Fesselung des Klägers erfolgt. Der Kläger hat selbst in der mündlichen Verhandlung vom 2. März 2015 angegeben, er sei gefesselt und „bei dieser Aktion“ verletzt worden. Auch daraus ergibt sich, dass die Verletzungen des Klägers Folge des mit der Fesselung einhergehenden unmittelbaren Zwangs waren. Von der Feststellung der Rechtswidrigkeit der zwangsweisen Fesselung selbst sind deshalb auch die dabei dem Kläger zugefügten Verletzungen (seinen Angaben nach Schürfwunden) erfasst.

Eine über diesen unmittelbaren Zwang hinausgehende Gewaltanwendung gegen den Kläger, insbesondere ein Schlagen mit einem Schlagstock, ist demgegenüber weder belegt noch gibt es dafür greifbare Anhaltspunkte. Schon die Art der Verletzungen, nämlich die dokumentierten Schürfwunden im Gesicht des Klägers (vgl. Bl. 31 und 32 der Akten der Staatsanwaltschaft München I in der Strafsache 457 Js 311699/10) deuten darauf hin, dass sich der Kläger die Verletzungen zugezogen hat, als er gefesselt und auf den Boden geworfen worden ist. Soweit er einen Schlag verspürt hat, dürfte dies vom Tumult bei der Fesselung herrühren. Da der Kläger blind ist, konnte er nicht erkennen, wodurch die von ihm als Schlag mit einem Schlagstock wahrgenommene Einwirkung auf seinen Kopf herrührte. Aber auch auf dem Einsatzvideo ist keine zielgerichtete Gewaltanwendung gegen ihn erkennbar. Der auf dem Video deutlich zu sehende fortlaufende Vorgang der Fesselung des Klägers dokumentiert zwar die zwangsweise Fesselung des Klägers, zeigt aber kein Einschlagen auf den Kläger mit einem Schlagstock. Vielmehr sind die an der Maßnahme beteiligten Polizeibeamten zwar mit einem Schlagstock ausgerüstet, was auf dem Video gut zu erkennen ist, jedoch hat keiner der beteiligten Polizeibeamten diesen Schlagstock eingesetzt.

Nicht nachvollziehbar ist insoweit auch der Verdacht der Kläger, das vom Einsatz gefertigte Video sei manipuliert und es seien Sequenzen herausgeschnitten worden, um die von ihnen behauptete Gewaltanwendung, nämlich das Einprügeln auf den Kläger mit einem Schlagstock, zu vertuschen. Zwar lässt die Videoaufnahme erkennen, dass während des Vorgangs der Fesselung ein Wechsel in der Kameraführung stattgefunden hat, was auch von den Zeugen Ri. und Ro. bestätigt wurde, jedoch ist auch zu sehen, dass die Videoaufzeichnung weiterläuft. Im Fortgang des Geschehens sind keine Unterbrechungen zu erkennen. Auch spätere Manipulationen sind nicht feststellbar. Das Video ist zwar, wie der Zeuge Go. ausgesagt hat, bearbeitet worden, indem er „die Straftaten geschnitten und hervorgehoben“ hat. Das Originalvideo ist aber in ungeschnittener Länge auf der bei den Akten befindlichen und vom Senat im Rahmen der Beweisaufnahme eingesehenen DVD enthalten. Davon konnte sich der Verwaltungsgerichtshof hinreichend überzeugen. Das weitere Video, das sich auf der DVD befindet, enthält tatsächlich nur einzelne ausgeschnittene Sequenzen (zum Teil in Zeitlupe), die durch Untertitel und hörbare Kommentare erläutert werden, dient aber erkennbar nur der Verdeutlichung einzelner Szenen und ist unabhängig vom Originalvideo. Dass auf dem dokumentierten Teil nicht alle Szenen enthalten sind, steht fest und wird vom Beklagten auch nicht bestritten. Ebenso steht fest, dass das Originalvideo in voller Länge ungeschnitten auf der DVD enthalten ist.

3.6. Schließlich war auch das Betreten und der Aufenthalt in der Wohnung der Kläger anlässlich des Einsatzes am 16. Mai 2010 um ca. 18.30 Uhr rechtmäßig. Die Kläger wurden durch diese Maßnahme nicht in ihren Rechten verletzt.

Rechtsgrundlage für das Betreten und den Aufenthalt in der klägerischen Wohnung ist ebenso wie für das Betreten und Verweilen in der Wohnung am 11./12. Januar 2010 Art. 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 PAG, wobei im Gegensatz zum Einsatz im Januar 2010 das Betreten und Verweilen in der Wohnung nicht zur Nachtzeit erfolgte.

3.6.1. Auch am 16. Mai 2010 lagen die tatbestandlichen Voraussetzungen des Art. 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 PAG vor.

So fand auch an diesem Tag keine Durchsuchung der Wohnung statt, sondern die Polizeibeamten haben die Wohnung lediglich betreten, um nachzusehen, ob sich dort verletzte Personen befanden und um die bereits seit langem anhaltende massive Ruhestörung durch die Kläger zu beenden. Hinsichtlich der Unterscheidung zwischen Durchsuchung und Betreten einer Wohnung kann zur Vermeidung von Wiederholungen auf die obigen Ausführungen unter 3.1.1.1. verwiesen werden. Für den 16. Mai 2010 ist der Einsatzgrund Ruhestörung durch die vor dem Verwaltungsgerichtshof am 2. März 2015 vernommenen Zeugen ebenso belegt wie der Einsatzgrund Nachschau nach Verletzten. So hat der Zeuge H. glaubhaft ausgesagt, Anlass für den Einsatz sei die Mitteilung eines Hausbewohners gewesen, der vom Randalieren der Kläger und Ruhestörung gesprochen habe. Es seien bereits im Treppenhaus Schreie und „ein Gerumpel von oben“ zu hören gewesen. Die Nachschau nach Verletzten habe sich daraus ergeben, dass der Nachbar sich sinngemäß dahingehend geäußert habe, „dass da oben möglicherweise etwas passiert sei“. Auch der Zeuge D. hat überzeugend ausgeführt, dass Geschrei und Getrampel aus der Wohnung gekommen sei. Er und seine Kollegen hätten sich in der Wohnung umgesehen, aber keine Feststellung von verletzten Personen treffen können. Auch der Zeuge Ga. hat aus der Wohnung Schreie gehört, die ihn veranlasst haben nachzusehen, ob alle Personen in der Wohnung unversehrt waren.

Dass die Polizeibeamten ohne Einwilligung im Wege des Verwaltungszwangs (s. Art. 53 ff. PAG) in die Wohnung eingedrungen sind, ist für den 16. Mai 2010 unstreitig. Auch die am Einsatz beteiligten Polizisten haben ausgesagt, dass die Klägerin den Zutritt zur Wohnung verweigert hat und die Türe schließen wollte, jedoch der Zeuge D. seinen Fuß in die Tür gesetzt und die Wohnungstür gegen den Willen der Klägerin geöffnet und die Wohnung betreten habe. Dahinstehen kann, ob als Einsatzgrund auch Art. 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 PAG in Betracht kam, wonach eine Wohnung ohne Einwilligung des Inhabers betreten werden kann, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich in ihr eine Person befindet, die nach Art. 17 in Gewahrsam genommen werden darf. In Gewahrsam genommen werden darf eine Person nach Art. 17 Abs. 1 Nr. 2 PAG dann, wenn dies unerlässlich ist, um die unmittelbar bevorstehende Begehung oder Fortsetzung einer Straftat oder einer Ordnungswidrigkeit von erheblicher Bedeutung für die Allgemeinheit zu verhindern. Eine solche Ordnungswidrigkeit könnten die Kläger oder ihre Söhne dadurch begangen haben, dass sie am 16. Mai 2010 die sonntägliche Ruhe ihrer Mitbewohner erheblich gestört und dadurch deren Gesundheit geschädigt haben. Damit hätten sie eine Ordnungswidrigkeit nach § 117 Abs. 1 OWiG begangen, wonach ordnungswidrig handelt, wer ohne berechtigten Anlass oder in einem unzulässigen oder nach den Umständen vermeidbaren Ausmaß Lärm erregt, der geeignet ist, die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft erheblich zu belästigen oder die Gesundheit eines anderen zu schädigen.

3.6.2. Das Betreten und Verbleiben in der klägerischen Wohnung am 16. Mai 2010 war auch verhältnismäßig im weiteren Sinne. Die Maßnahmen waren geeignet (dazu 3.6.2.1.), erforderlich (dazu 3.6.2.3.) und verhältnismäßig im engeren Sinne (dazu 3.6.2.3.).

3.6.2.1. Dass das Betreten und Verweilen in der Wohnung der Kläger geeignet war, die übermäßige Lärmbelästigung durch die Kläger, die zum Zeitpunkt des Einsatzes vor allem von Streitigkeiten oder Schreien der beiden Brüder J. L. und M. L. herrührten, zu beenden und um zugleich nachzusehen, ob sich in der Wohnung verletzte Personen befinden, ist offensichtlich und bedarf keiner näheren Erläuterung.

3.6.2.2. Das Betreten und Verweilen in der Wohnung war erforderlich im Sinne von Art. 4 Abs. 1 PAG, denn nur durch eine Inaugenscheinnahme der Räume in der klägerischen Wohnung, zumindest durch einen kurzen Blick in die Räumlichkeiten, konnte die Polizei feststellen, ob sich eventuell verletzte Personen in der Wohnung befinden. Dies war vom Hausflur aus ohne durch die Wohnungstür zu treten nicht möglich. Auch das Geschrei und Gerumpel in der Wohnung konnte ohne Betreten der Wohnung nicht abgestellt werden. Dies zeigt bereits die Tatsache, dass die Klägerin die Beamten nicht nur am Betreten der Wohnung hindern, sondern auch nicht mit ihnen sprechen wollte, denn sie hat versucht, sofort nachdem sie die Polizeibeamten gesehen hatte, die Wohnungstüre wieder zu schließen. Angesichts der Erkenntnisse der Polizeibeamten, die sie über die Kläger und ihre Familie hatten - der Zeuge Ga. wusste, dass es in der Vergangenheit bereits Auseinandersetzungen in der Familie der Kläger gegeben hatte - war das Betreten der Wohnung jedenfalls erforderlich.

Erforderlich war auch die Anzahl der am Einsatz am 16. Mai 2010 beteiligten Polizeibeamten. Dazu hat der Zeuge H. anlässlich seiner Vernehmung am 2. März 2015 ausgesagt, dass er und sein Kollege sich entschlossen hätten, zwei weitere Kollegen zur Unterstützung heranzuziehen, „weil die Verhältnisse dieser Familie bei uns bekannt waren“. Auch der Zeuge Ga. konnte sich erinnern, dass Unterstützung angefordert wurde, weil aus der Vergangenheit Auseinandersetzungen in der Familie der Kläger bekannt gewesen seien. Angesichts des von allen Zeugen bestätigten Lärmens in der Wohnung und der bekannten früheren Einsätze bei den Klägern hält auch der Verwaltungsgerichtshof eine Einsatzstärke von vier Polizisten im konkreten Fall für erforderlich. Bestätigt wird die Erforderlichkeit auch durch den Umstand, dass nach Aussage der Zeugen H. und Ga. beim Betreten der Wohnung durch die Polizei sofort der Sohn der Kläger J. L. aus einem Zimmer kam und die Polizisten massiv beleidigte. Auch anlässlich dieses Einsatzes war deshalb mit einer Eskalation durch das Verhalten der Söhne der Kläger zu rechnen, die einen Einsatz von mehreren Polizeibeamten rechtfertigte.

3.6.2.3. Das Betreten und Verweilen der Polizeibeamten in der klägerischen Wohnung am 16. Mai 2010 war auch verhältnismäßig im engeren Sinne. Die polizeiliche Maßnahme führte nicht zu einem Nachteil der Kläger, der zu dem erstrebten Erfolg erkennbar außer Verhältnis gestanden wäre.

Die Kläger wurden nur geringfügig in ihren Rechten beeinträchtigt. Zwar wurden sie durch das Betreten der Wohnung in ihrem Recht auf Unverletzlichkeit der Wohnung aus Art. 13 Abs. 1 GG beeinträchtigt. Jedoch hat der Zeuge H. erklärt, die Maßnahme sei bald erledigt gewesen. Er und seine Kollegen hätten zwar kurz in die Zimmer der Wohnung gesehen, das Wesentliche hätte sich aber im Gangbereich der Wohnung zugetragen. Nach Aussage des Zeugen D. dauerte der Einsatz keine halbe Stunde.

Demgegenüber wäre in dem Fall, dass sich verletzte Personen in der Wohnung befunden hätten, mit einer erheblichen Gesundheitsgefährdung dieser Personen zu rechnen gewesen. Deren Recht auf körperliche Unversehrtheit aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG und die Gesundheit der Nachbarn vor erheblichen Lärmbelästigungen (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG) galt es mit dem Einsatz zu schützen. Diese Schutzgüter wiegen zweifelsohne schwerer als die geringfügige Beeinträchtigung der Kläger in ihrem Grundrecht aus Art. 13 Abs. 1 GG durch das kurzfristige Betreten ihrer Wohnung. Damit erweist sich aber auch das Betreten der Wohnung am 16. Mai 2010 als verhältnismäßig und insgesamt rechtmäßig, denn Ermessensfehler sind ebenfalls nicht zu erkennen.

Nach alledem war der Berufung in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang stattzugeben, im Übrigen war sie zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1, § 159 Satz 1 VwGO i.V.m § 100 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil Revisionsgründe nach § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.

Rechtsmittelbelehrung

Nach § 133 VwGO kann die Nichtzulassung der Revision durch Beschwerde zum Bundesverwaltungsgericht in Leipzig angefochten werden. Die Beschwerde ist beim Bayerischen Verwaltungs-gerichtshof (in München Hausanschrift: Ludwigstraße 23, 80539 München; Postfachanschrift: Postfach 34 01 48, 80098 München; in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach) innerhalb eines Monats nach Zustellung dieser Entscheidung einzulegen und innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieser Entscheidung zu begründen. Die Beschwerde muss die angefochtene Entscheidung bezeichnen. In der Beschwerdebegründung muss die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts, von der die Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs abweicht, oder der Verfahrensmangel bezeichnet werden.

Vor dem Bundesverwaltungsgericht müssen sich die Beteiligten, außer in Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht eingeleitet wird. Als Prozessbevollmächtigte zugelassen sind neben Rechtsanwälten und Rechtslehrern an den in § 67 Abs. 2 Satz 1 VwGO genannten Hochschulen mit Befähigung zum Richteramt nur die in § 67 Abs. 4 Satz 4 VwGO und in §§ 3, 5 RDGEG bezeichneten Personen. Für die in § 67 Abs. 4 Satz 5 VwGO genannten Angelegenheiten (u. a. Verfahren mit Bezügen zu Dienst- und Arbeitsverhältnissen) sind auch die dort bezeichneten Organisationen und juristischen Personen als Bevollmächtigte zugelassen. Sie müssen in Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht durch Personen mit der Befähigung zum Richteramt handeln.

...

Beschluss:

Unter Abänderung des Beschlusses des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 20. April 2011 wird der Streitwert für das Verfahren in beiden Instanzen auf jeweils 40.000,- Euro festgesetzt.

Gründe:

Die Streitwertfestsetzung für beide Instanzen beruht auf § 39 Abs. 1, § 52 Abs. 2, § 47 Abs. 1 Satz 1 GKG. Unter Abänderung des Streitwertbeschlusses des Verwaltungsgerichts nach § 63 Abs. 3 Satz 1 GKG waren folgende Streitgegenstände in Höhe von jeweils 5.000 Euro zusammenzurechnen, weshalb sich ein Gesamtstreitwert von 40.000 Euro ergibt:

- Eindringen und Verweilen in der Wohnung am 11. Januar 2010 - wegen

wirtschaftlicher Identität bei beiden Klägern 5.000,- €

- Fesseln der Kläger und von M. L. - 3 x 5.000,-€

- Durchsuchen der Privatunterlagen -

wegen wirtschaftlicher Identität bei beiden Klägern 5.000,- €

- Gewaltanwendung gegenüber den Klägern - 2 x 5.000,- €

- Eindringen und Verweilen in der Wohnung am 16. Mai 2010 -

wegen wirtschaftlicher Identität bei beiden Klägern - 5.000,- €.

(1) Durch Klage kann die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses oder der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat (Feststellungsklage).

(2) Die Feststellung kann nicht begehrt werden, soweit der Kläger seine Rechte durch Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen kann oder hätte verfolgen können. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt wird.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Die Anfechtungsklage muß innerhalb eines Monats nach Zustellung des Widerspruchsbescheids erhoben werden. Ist nach § 68 ein Widerspruchsbescheid nicht erforderlich, so muß die Klage innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des Verwaltungsakts erhoben werden.

(2) Für die Verpflichtungsklage gilt Absatz 1 entsprechend, wenn der Antrag auf Vornahme des Verwaltungsakts abgelehnt worden ist.

(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts (Anfechtungsklage) sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts (Verpflichtungsklage) begehrt werden.

(2) Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage nur zulässig, wenn der Kläger geltend macht, durch den Verwaltungsakt oder seine Ablehnung oder Unterlassung in seinen Rechten verletzt zu sein.

(1) Alle Deutschen haben das Recht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln.

(2) Für Versammlungen unter freiem Himmel kann dieses Recht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes beschränkt werden.

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

(1) Alle Deutschen haben das Recht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln.

(2) Für Versammlungen unter freiem Himmel kann dieses Recht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes beschränkt werden.

(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.

(2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.

(3) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.

(1) Alle Deutschen haben das Recht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln.

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(3) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.

(1) Alle Deutschen haben das Recht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln.

(2) Für Versammlungen unter freiem Himmel kann dieses Recht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes beschränkt werden.

(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.

(2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.

(3) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.

(1) Alle Deutschen haben das Recht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln.

(2) Für Versammlungen unter freiem Himmel kann dieses Recht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes beschränkt werden.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Das Gericht entscheidet nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.

(2) Das Urteil darf nur auf Tatsachen und Beweisergebnisse gestützt werden, zu denen die Beteiligten sich äußern konnten.

(1) Die Anfechtungsklage muß innerhalb eines Monats nach Zustellung des Widerspruchsbescheids erhoben werden. Ist nach § 68 ein Widerspruchsbescheid nicht erforderlich, so muß die Klage innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des Verwaltungsakts erhoben werden.

(2) Für die Verpflichtungsklage gilt Absatz 1 entsprechend, wenn der Antrag auf Vornahme des Verwaltungsakts abgelehnt worden ist.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Die zuständige Behörde kann die Versammlung oder den Aufzug verbieten oder von bestimmten Auflagen abhängig machen, wenn nach den zur Zeit des Erlasses der Verfügung erkennbaren Umständen die öffentliche Sicherheit oder Ordnung bei Durchführung der Versammlung oder des Aufzuges unmittelbar gefährdet ist.

(2) Eine Versammlung oder ein Aufzug kann insbesondere verboten oder von bestimmten Auflagen abhängig gemacht werden, wenn

1.
die Versammlung oder der Aufzug an einem Ort stattfindet, der als Gedenkstätte von historisch herausragender, überregionaler Bedeutung an die Opfer der menschenunwürdigen Behandlung unter der nationalsozialistischen Gewalt- und Willkürherrschaft erinnert, und
2.
nach den zur Zeit des Erlasses der Verfügung konkret feststellbaren Umständen zu besorgen ist, dass durch die Versammlung oder den Aufzug die Würde der Opfer beeinträchtigt wird.
Das Denkmal für die ermordeten Juden Europas in Berlin ist ein Ort nach Satz 1 Nr. 1. Seine Abgrenzung ergibt sich aus der Anlage zu diesem Gesetz. Andere Orte nach Satz 1 Nr. 1 und deren Abgrenzung werden durch Landesgesetz bestimmt.

(3) Sie kann eine Versammlung oder einen Aufzug auflösen, wenn sie nicht angemeldet sind, wenn von den Angaben der Anmeldung abgewichen oder den Auflagen zuwidergehandelt wird oder wenn die Voraussetzungen zu einem Verbot nach Absatz 1 oder 2 gegeben sind.

(4) Eine verbotene Veranstaltung ist aufzulösen.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Alle Deutschen haben das Recht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln.

(2) Für Versammlungen unter freiem Himmel kann dieses Recht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes beschränkt werden.

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

(1) Alle Deutschen haben das Recht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln.

(2) Für Versammlungen unter freiem Himmel kann dieses Recht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes beschränkt werden.

(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.

(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.

(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.

(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.

Andere Urteile sind gegen eine der Höhe nach zu bestimmende Sicherheit für vorläufig vollstreckbar zu erklären. Soweit wegen einer Geldforderung zu vollstrecken ist, genügt es, wenn die Höhe der Sicherheitsleistung in einem bestimmten Verhältnis zur Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages angegeben wird. Handelt es sich um ein Urteil, das ein Versäumnisurteil aufrechterhält, so ist auszusprechen, dass die Vollstreckung aus dem Versäumnisurteil nur gegen Leistung der Sicherheit fortgesetzt werden darf.

In den Fällen des § 708 Nr. 4 bis 11 hat das Gericht auszusprechen, dass der Schuldner die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung abwenden darf, wenn nicht der Gläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit leistet. § 709 Satz 2 gilt entsprechend, für den Schuldner jedoch mit der Maßgabe, dass Sicherheit in einem bestimmten Verhältnis zur Höhe des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages zu leisten ist. Für den Gläubiger gilt § 710 entsprechend.

(1) Gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts (§ 49 Nr. 1) und gegen Beschlüsse nach § 47 Abs. 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundesverwaltungsgericht zu, wenn das Oberverwaltungsgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung das Bundesverwaltungsgericht sie zugelassen hat.

(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Das Bundesverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden.

(1) Die Nichtzulassung der Revision kann durch Beschwerde angefochten werden.

(2) Die Beschwerde ist bei dem Gericht, gegen dessen Urteil Revision eingelegt werden soll, innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils einzulegen. Die Beschwerde muß das angefochtene Urteil bezeichnen.

(3) Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach der Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Die Begründung ist bei dem Gericht, gegen dessen Urteil Revision eingelegt werden soll, einzureichen. In der Begründung muß die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung, von der das Urteil abweicht, oder der Verfahrensmangel bezeichnet werden.

(4) Die Einlegung der Beschwerde hemmt die Rechtskraft des Urteils.

(5) Wird der Beschwerde nicht abgeholfen, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Beschluß. Der Beschluß soll kurz begründet werden; von einer Begründung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist. Mit der Ablehnung der Beschwerde durch das Bundesverwaltungsgericht wird das Urteil rechtskräftig.

(6) Liegen die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 Nr. 3 vor, kann das Bundesverwaltungsgericht in dem Beschluß das angefochtene Urteil aufheben und den Rechtsstreit zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverweisen.

(1) Die Beteiligten können vor dem Verwaltungsgericht den Rechtsstreit selbst führen.

(2) Die Beteiligten können sich durch einen Rechtsanwalt oder einen Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, der die Befähigung zum Richteramt besitzt, als Bevollmächtigten vertreten lassen. Darüber hinaus sind als Bevollmächtigte vor dem Verwaltungsgericht vertretungsbefugt nur

1.
Beschäftigte des Beteiligten oder eines mit ihm verbundenen Unternehmens (§ 15 des Aktiengesetzes); Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich auch durch Beschäftigte anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen,
2.
volljährige Familienangehörige (§ 15 der Abgabenordnung, § 11 des Lebenspartnerschaftsgesetzes), Personen mit Befähigung zum Richteramt und Streitgenossen, wenn die Vertretung nicht im Zusammenhang mit einer entgeltlichen Tätigkeit steht,
3.
Steuerberater, Steuerbevollmächtigte, Wirtschaftsprüfer und vereidigte Buchprüfer, Personen und Vereinigungen im Sinne der §§ 3a und 3c des Steuerberatungsgesetzes im Rahmen ihrer Befugnisse nach § 3a des Steuerberatungsgesetzes, zu beschränkter geschäftsmäßiger Hilfeleistung in Steuersachen nach den §§ 3d und 3e des Steuerberatungsgesetzes berechtigte Personen im Rahmen dieser Befugnisse sowie Gesellschaften im Sinne des § 3 Satz 1 Nummer 2 und 3 des Steuerberatungsgesetzes, die durch Personen im Sinne des § 3 Satz 2 des Steuerberatungsgesetzes handeln, in Abgabenangelegenheiten,
3a.
Steuerberater, Steuerbevollmächtigte, Wirtschaftsprüfer und vereidigte Buchprüfer, Personen und Vereinigungen im Sinne der §§ 3a und 3c des Steuerberatungsgesetzes im Rahmen ihrer Befugnisse nach § 3a des Steuerberatungsgesetzes, zu beschränkter geschäftsmäßiger Hilfeleistung in Steuersachen nach den §§ 3d und 3e des Steuerberatungsgesetzes berechtigte Personen im Rahmen dieser Befugnisse sowie Gesellschaften im Sinne des § 3 Satz 1 Nummer 2 und 3 des Steuerberatungsgesetzes, die durch Personen im Sinne des § 3 Satz 2 des Steuerberatungsgesetzes handeln, in Angelegenheiten finanzieller Hilfeleistungen im Rahmen staatlicher Hilfsprogramme zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie, wenn und soweit diese Hilfsprogramme eine Einbeziehung der Genannten als prüfende Dritte vorsehen,
4.
berufsständische Vereinigungen der Landwirtschaft für ihre Mitglieder,
5.
Gewerkschaften und Vereinigungen von Arbeitgebern sowie Zusammenschlüsse solcher Verbände für ihre Mitglieder oder für andere Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder,
6.
Vereinigungen, deren satzungsgemäße Aufgaben die gemeinschaftliche Interessenvertretung, die Beratung und Vertretung der Leistungsempfänger nach dem sozialen Entschädigungsrecht oder der behinderten Menschen wesentlich umfassen und die unter Berücksichtigung von Art und Umfang ihrer Tätigkeit sowie ihres Mitgliederkreises die Gewähr für eine sachkundige Prozessvertretung bieten, für ihre Mitglieder in Angelegenheiten der Kriegsopferfürsorge und des Schwerbehindertenrechts sowie der damit im Zusammenhang stehenden Angelegenheiten,
7.
juristische Personen, deren Anteile sämtlich im wirtschaftlichen Eigentum einer der in den Nummern 5 und 6 bezeichneten Organisationen stehen, wenn die juristische Person ausschließlich die Rechtsberatung und Prozessvertretung dieser Organisation und ihrer Mitglieder oder anderer Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder entsprechend deren Satzung durchführt, und wenn die Organisation für die Tätigkeit der Bevollmächtigten haftet.
Bevollmächtigte, die keine natürlichen Personen sind, handeln durch ihre Organe und mit der Prozessvertretung beauftragten Vertreter.

(3) Das Gericht weist Bevollmächtigte, die nicht nach Maßgabe des Absatzes 2 vertretungsbefugt sind, durch unanfechtbaren Beschluss zurück. Prozesshandlungen eines nicht vertretungsbefugten Bevollmächtigten und Zustellungen oder Mitteilungen an diesen Bevollmächtigten sind bis zu seiner Zurückweisung wirksam. Das Gericht kann den in Absatz 2 Satz 2 Nr. 1 und 2 bezeichneten Bevollmächtigten durch unanfechtbaren Beschluss die weitere Vertretung untersagen, wenn sie nicht in der Lage sind, das Sach- und Streitverhältnis sachgerecht darzustellen.

(4) Vor dem Bundesverwaltungsgericht und dem Oberverwaltungsgericht müssen sich die Beteiligten, außer im Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht oder einem Oberverwaltungsgericht eingeleitet wird. Als Bevollmächtigte sind nur die in Absatz 2 Satz 1 bezeichneten Personen zugelassen. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich durch eigene Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt oder durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen. Vor dem Bundesverwaltungsgericht sind auch die in Absatz 2 Satz 2 Nr. 5 bezeichneten Organisationen einschließlich der von ihnen gebildeten juristischen Personen gemäß Absatz 2 Satz 2 Nr. 7 als Bevollmächtigte zugelassen, jedoch nur in Angelegenheiten, die Rechtsverhältnisse im Sinne des § 52 Nr. 4 betreffen, in Personalvertretungsangelegenheiten und in Angelegenheiten, die in einem Zusammenhang mit einem gegenwärtigen oder früheren Arbeitsverhältnis von Arbeitnehmern im Sinne des § 5 des Arbeitsgerichtsgesetzes stehen, einschließlich Prüfungsangelegenheiten. Die in Satz 5 genannten Bevollmächtigten müssen durch Personen mit der Befähigung zum Richteramt handeln. Vor dem Oberverwaltungsgericht sind auch die in Absatz 2 Satz 2 Nr. 3 bis 7 bezeichneten Personen und Organisationen als Bevollmächtigte zugelassen. Ein Beteiligter, der nach Maßgabe der Sätze 3, 5 und 7 zur Vertretung berechtigt ist, kann sich selbst vertreten.

(5) Richter dürfen nicht als Bevollmächtigte vor dem Gericht auftreten, dem sie angehören. Ehrenamtliche Richter dürfen, außer in den Fällen des Absatzes 2 Satz 2 Nr. 1, nicht vor einem Spruchkörper auftreten, dem sie angehören. Absatz 3 Satz 1 und 2 gilt entsprechend.

(6) Die Vollmacht ist schriftlich zu den Gerichtsakten einzureichen. Sie kann nachgereicht werden; hierfür kann das Gericht eine Frist bestimmen. Der Mangel der Vollmacht kann in jeder Lage des Verfahrens geltend gemacht werden. Das Gericht hat den Mangel der Vollmacht von Amts wegen zu berücksichtigen, wenn nicht als Bevollmächtigter ein Rechtsanwalt auftritt. Ist ein Bevollmächtigter bestellt, sind die Zustellungen oder Mitteilungen des Gerichts an ihn zu richten.

(7) In der Verhandlung können die Beteiligten mit Beiständen erscheinen. Beistand kann sein, wer in Verfahren, in denen die Beteiligten den Rechtsstreit selbst führen können, als Bevollmächtigter zur Vertretung in der Verhandlung befugt ist. Das Gericht kann andere Personen als Beistand zulassen, wenn dies sachdienlich ist und hierfür nach den Umständen des Einzelfalls ein Bedürfnis besteht. Absatz 3 Satz 1 und 3 und Absatz 5 gelten entsprechend. Das von dem Beistand Vorgetragene gilt als von dem Beteiligten vorgebracht, soweit es nicht von diesem sofort widerrufen oder berichtigt wird.

(1) Kammerrechtsbeistände stehen in den nachfolgenden Vorschriften einem Rechtsanwalt gleich:

1.
§ 79 Absatz 1 Satz 2 und Absatz 2 Satz 1, § 88 Absatz 2, § 121 Absatz 2 bis 4, § 122 Absatz 1, den §§ 126, 130d und 133 Absatz 2, den §§ 135, 157 und 169 Absatz 2, den §§ 174, 195 und 317 Absatz 5 Satz 2, § 348 Absatz 1 Satz 2 Nummer 2 Buchstabe d, § 397 Absatz 2 und § 702 Absatz 2 Satz 2 der Zivilprozessordnung,
2.
§ 10 Absatz 2 Satz 1, § 11 Satz 4, § 13 Absatz 4, den §§ 14b und 78 Absatz 2 bis 4 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit,
3.
§ 11 Absatz 2 Satz 1 und § 46g des Arbeitsgerichtsgesetzes,
4.
den §§ 65d und 73 Absatz 2 Satz 1 und Absatz 6 Satz 5 des Sozialgerichtsgesetzes, wenn nicht die Erlaubnis das Sozial- und Sozialversicherungsrecht ausschließt,
5.
den §§ 55d und 67 Absatz 2 Satz 1 und Absatz 6 Satz 4 der Verwaltungsgerichtsordnung,
6.
den §§ 52d und 62 Absatz 2 Satz 1 und Absatz 6 Satz 4 der Finanzgerichtsordnung, wenn die Erlaubnis die geschäftsmäßige Hilfeleistung in Steuersachen umfasst.

(2) Registrierte Erlaubnisinhaber stehen im Sinn von § 79 Abs. 2 Satz 1 der Zivilprozessordnung, § 10 Abs. 2 Satz 1 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit, § 11 Abs. 2 Satz 1 des Arbeitsgerichtsgesetzes, § 73 Abs. 2 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes, § 67 Abs. 2 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung und § 62 Abs. 2 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung einem Rechtsanwalt gleich, soweit ihnen die gerichtliche Vertretung oder das Auftreten in der Verhandlung

1.
nach dem Umfang ihrer bisherigen Erlaubnis,
2.
als Prozessagent durch Anordnung der Justizverwaltung nach § 157 Abs. 3 der Zivilprozessordnung in der bis zum 30. Juni 2008 geltenden Fassung,
3.
durch eine für die Erteilung der Erlaubnis zum mündlichen Verhandeln vor den Sozialgerichten zuständige Stelle,
4.
nach § 67 der Verwaltungsgerichtsordnung in der bis zum 30. Juni 2008 geltenden Fassung oder
5.
nach § 13 des Gesetzes über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit in der bis zum 30. Juni 2008 geltenden Fassung
gestattet war. In den Fällen des Satzes 1 Nummer 1 bis 3 ist der Umfang der Befugnis zu registrieren und im Rechtsdienstleistungsregister bekanntzumachen.

(3) Das Gericht weist registrierte Erlaubnisinhaber, soweit sie nicht nach Maßgabe des Absatzes 2 zur gerichtlichen Vertretung oder zum Auftreten in der Verhandlung befugt sind, durch unanfechtbaren Beschluss zurück. Prozesshandlungen eines nicht vertretungsbefugten Bevollmächtigten und Zustellungen oder Mitteilungen an diesen Bevollmächtigten sind bis zu seiner Zurückweisung wirksam. Das Gericht kann registrierten Erlaubnisinhabern durch unanfechtbaren Beschluss die weitere Vertretung oder das weitere Auftreten in der Verhandlung untersagen, wenn sie nicht in der Lage sind, das Sach- und Streitverhältnis sachgerecht darzustellen.§ 335 Abs. 1 Nr. 5 der Zivilprozessordnung gilt entsprechend.

(1) Die Beteiligten können vor dem Verwaltungsgericht den Rechtsstreit selbst führen.

(2) Die Beteiligten können sich durch einen Rechtsanwalt oder einen Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, der die Befähigung zum Richteramt besitzt, als Bevollmächtigten vertreten lassen. Darüber hinaus sind als Bevollmächtigte vor dem Verwaltungsgericht vertretungsbefugt nur

1.
Beschäftigte des Beteiligten oder eines mit ihm verbundenen Unternehmens (§ 15 des Aktiengesetzes); Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich auch durch Beschäftigte anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen,
2.
volljährige Familienangehörige (§ 15 der Abgabenordnung, § 11 des Lebenspartnerschaftsgesetzes), Personen mit Befähigung zum Richteramt und Streitgenossen, wenn die Vertretung nicht im Zusammenhang mit einer entgeltlichen Tätigkeit steht,
3.
Steuerberater, Steuerbevollmächtigte, Wirtschaftsprüfer und vereidigte Buchprüfer, Personen und Vereinigungen im Sinne der §§ 3a und 3c des Steuerberatungsgesetzes im Rahmen ihrer Befugnisse nach § 3a des Steuerberatungsgesetzes, zu beschränkter geschäftsmäßiger Hilfeleistung in Steuersachen nach den §§ 3d und 3e des Steuerberatungsgesetzes berechtigte Personen im Rahmen dieser Befugnisse sowie Gesellschaften im Sinne des § 3 Satz 1 Nummer 2 und 3 des Steuerberatungsgesetzes, die durch Personen im Sinne des § 3 Satz 2 des Steuerberatungsgesetzes handeln, in Abgabenangelegenheiten,
3a.
Steuerberater, Steuerbevollmächtigte, Wirtschaftsprüfer und vereidigte Buchprüfer, Personen und Vereinigungen im Sinne der §§ 3a und 3c des Steuerberatungsgesetzes im Rahmen ihrer Befugnisse nach § 3a des Steuerberatungsgesetzes, zu beschränkter geschäftsmäßiger Hilfeleistung in Steuersachen nach den §§ 3d und 3e des Steuerberatungsgesetzes berechtigte Personen im Rahmen dieser Befugnisse sowie Gesellschaften im Sinne des § 3 Satz 1 Nummer 2 und 3 des Steuerberatungsgesetzes, die durch Personen im Sinne des § 3 Satz 2 des Steuerberatungsgesetzes handeln, in Angelegenheiten finanzieller Hilfeleistungen im Rahmen staatlicher Hilfsprogramme zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie, wenn und soweit diese Hilfsprogramme eine Einbeziehung der Genannten als prüfende Dritte vorsehen,
4.
berufsständische Vereinigungen der Landwirtschaft für ihre Mitglieder,
5.
Gewerkschaften und Vereinigungen von Arbeitgebern sowie Zusammenschlüsse solcher Verbände für ihre Mitglieder oder für andere Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder,
6.
Vereinigungen, deren satzungsgemäße Aufgaben die gemeinschaftliche Interessenvertretung, die Beratung und Vertretung der Leistungsempfänger nach dem sozialen Entschädigungsrecht oder der behinderten Menschen wesentlich umfassen und die unter Berücksichtigung von Art und Umfang ihrer Tätigkeit sowie ihres Mitgliederkreises die Gewähr für eine sachkundige Prozessvertretung bieten, für ihre Mitglieder in Angelegenheiten der Kriegsopferfürsorge und des Schwerbehindertenrechts sowie der damit im Zusammenhang stehenden Angelegenheiten,
7.
juristische Personen, deren Anteile sämtlich im wirtschaftlichen Eigentum einer der in den Nummern 5 und 6 bezeichneten Organisationen stehen, wenn die juristische Person ausschließlich die Rechtsberatung und Prozessvertretung dieser Organisation und ihrer Mitglieder oder anderer Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder entsprechend deren Satzung durchführt, und wenn die Organisation für die Tätigkeit der Bevollmächtigten haftet.
Bevollmächtigte, die keine natürlichen Personen sind, handeln durch ihre Organe und mit der Prozessvertretung beauftragten Vertreter.

(3) Das Gericht weist Bevollmächtigte, die nicht nach Maßgabe des Absatzes 2 vertretungsbefugt sind, durch unanfechtbaren Beschluss zurück. Prozesshandlungen eines nicht vertretungsbefugten Bevollmächtigten und Zustellungen oder Mitteilungen an diesen Bevollmächtigten sind bis zu seiner Zurückweisung wirksam. Das Gericht kann den in Absatz 2 Satz 2 Nr. 1 und 2 bezeichneten Bevollmächtigten durch unanfechtbaren Beschluss die weitere Vertretung untersagen, wenn sie nicht in der Lage sind, das Sach- und Streitverhältnis sachgerecht darzustellen.

(4) Vor dem Bundesverwaltungsgericht und dem Oberverwaltungsgericht müssen sich die Beteiligten, außer im Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht oder einem Oberverwaltungsgericht eingeleitet wird. Als Bevollmächtigte sind nur die in Absatz 2 Satz 1 bezeichneten Personen zugelassen. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich durch eigene Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt oder durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen. Vor dem Bundesverwaltungsgericht sind auch die in Absatz 2 Satz 2 Nr. 5 bezeichneten Organisationen einschließlich der von ihnen gebildeten juristischen Personen gemäß Absatz 2 Satz 2 Nr. 7 als Bevollmächtigte zugelassen, jedoch nur in Angelegenheiten, die Rechtsverhältnisse im Sinne des § 52 Nr. 4 betreffen, in Personalvertretungsangelegenheiten und in Angelegenheiten, die in einem Zusammenhang mit einem gegenwärtigen oder früheren Arbeitsverhältnis von Arbeitnehmern im Sinne des § 5 des Arbeitsgerichtsgesetzes stehen, einschließlich Prüfungsangelegenheiten. Die in Satz 5 genannten Bevollmächtigten müssen durch Personen mit der Befähigung zum Richteramt handeln. Vor dem Oberverwaltungsgericht sind auch die in Absatz 2 Satz 2 Nr. 3 bis 7 bezeichneten Personen und Organisationen als Bevollmächtigte zugelassen. Ein Beteiligter, der nach Maßgabe der Sätze 3, 5 und 7 zur Vertretung berechtigt ist, kann sich selbst vertreten.

(5) Richter dürfen nicht als Bevollmächtigte vor dem Gericht auftreten, dem sie angehören. Ehrenamtliche Richter dürfen, außer in den Fällen des Absatzes 2 Satz 2 Nr. 1, nicht vor einem Spruchkörper auftreten, dem sie angehören. Absatz 3 Satz 1 und 2 gilt entsprechend.

(6) Die Vollmacht ist schriftlich zu den Gerichtsakten einzureichen. Sie kann nachgereicht werden; hierfür kann das Gericht eine Frist bestimmen. Der Mangel der Vollmacht kann in jeder Lage des Verfahrens geltend gemacht werden. Das Gericht hat den Mangel der Vollmacht von Amts wegen zu berücksichtigen, wenn nicht als Bevollmächtigter ein Rechtsanwalt auftritt. Ist ein Bevollmächtigter bestellt, sind die Zustellungen oder Mitteilungen des Gerichts an ihn zu richten.

(7) In der Verhandlung können die Beteiligten mit Beiständen erscheinen. Beistand kann sein, wer in Verfahren, in denen die Beteiligten den Rechtsstreit selbst führen können, als Bevollmächtigter zur Vertretung in der Verhandlung befugt ist. Das Gericht kann andere Personen als Beistand zulassen, wenn dies sachdienlich ist und hierfür nach den Umständen des Einzelfalls ein Bedürfnis besteht. Absatz 3 Satz 1 und 3 und Absatz 5 gelten entsprechend. Das von dem Beistand Vorgetragene gilt als von dem Beteiligten vorgebracht, soweit es nicht von diesem sofort widerrufen oder berichtigt wird.

(1) Sind Gebühren, die sich nach dem Streitwert richten, mit der Einreichung der Klage-, Antrags-, Einspruchs- oder Rechtsmittelschrift oder mit der Abgabe der entsprechenden Erklärung zu Protokoll fällig, setzt das Gericht sogleich den Wert ohne Anhörung der Parteien durch Beschluss vorläufig fest, wenn Gegenstand des Verfahrens nicht eine bestimmte Geldsumme in Euro ist oder gesetzlich kein fester Wert bestimmt ist. Einwendungen gegen die Höhe des festgesetzten Werts können nur im Verfahren über die Beschwerde gegen den Beschluss, durch den die Tätigkeit des Gerichts aufgrund dieses Gesetzes von der vorherigen Zahlung von Kosten abhängig gemacht wird, geltend gemacht werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit.

(2) Soweit eine Entscheidung nach § 62 Satz 1 nicht ergeht oder nicht bindet, setzt das Prozessgericht den Wert für die zu erhebenden Gebühren durch Beschluss fest, sobald eine Entscheidung über den gesamten Streitgegenstand ergeht oder sich das Verfahren anderweitig erledigt. In Verfahren vor den Gerichten für Arbeitssachen oder der Finanzgerichtsbarkeit gilt dies nur dann, wenn ein Beteiligter oder die Staatskasse die Festsetzung beantragt oder das Gericht sie für angemessen hält.

(3) Die Festsetzung kann von Amts wegen geändert werden

1.
von dem Gericht, das den Wert festgesetzt hat, und
2.
von dem Rechtsmittelgericht, wenn das Verfahren wegen der Hauptsache oder wegen der Entscheidung über den Streitwert, den Kostenansatz oder die Kostenfestsetzung in der Rechtsmittelinstanz schwebt.
Die Änderung ist nur innerhalb von sechs Monaten zulässig, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat.

(1) Im Rechtsmittelverfahren bestimmt sich der Streitwert nach den Anträgen des Rechtsmittelführers. Endet das Verfahren, ohne dass solche Anträge eingereicht werden, oder werden, wenn eine Frist für die Rechtsmittelbegründung vorgeschrieben ist, innerhalb dieser Frist Rechtsmittelanträge nicht eingereicht, ist die Beschwer maßgebend.

(2) Der Streitwert ist durch den Wert des Streitgegenstands des ersten Rechtszugs begrenzt. Das gilt nicht, soweit der Streitgegenstand erweitert wird.

(3) Im Verfahren über den Antrag auf Zulassung des Rechtsmittels und im Verfahren über die Beschwerde gegen die Nichtzulassung des Rechtsmittels ist Streitwert der für das Rechtsmittelverfahren maßgebende Wert.

(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.

(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.

(4) In Verfahren

1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro,
2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro,
3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und
4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
angenommen werden.

(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.

(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert

1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist,
2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
Maßgebend für die Berechnung ist das laufende Kalenderjahr. Bezügebestandteile, die vom Familienstand oder von Unterhaltsverpflichtungen abhängig sind, bleiben außer Betracht. Betrifft das Verfahren die Verleihung eines anderen Amts oder den Zeitpunkt einer Versetzung in den Ruhestand, ist Streitwert die Hälfte des sich nach den Sätzen 1 bis 3 ergebenden Betrags.

(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.

(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.