Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Urteil, 04. Aug. 2015 - 15 N 12.2124
Gründe
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
Aktenzeichen: 15 N 12.2124
Im Namen des Volkes
Urteil
4. August 2015
15. Senat
P.-M. als stellvertretende Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
Sachgebietsschlüssel: 920
Hauptpunkte: Normenkontrollantrag gegen Bebauungsplan, mangelnde Ermächtigungsgrundlage für Festsetzung der Vorlagepflicht schalltechnischer Gutachten im Baugenehmigungsverfahren, Bezugnahme auf DIN-Vorschrift im Satzungstext, rückwirkende Heilung eines Bekanntmachungsmangels im ergänzenden Verfahren, Bestimmtheit von Emissionskontingenten, Lärmschutzbelange in der Abwägung, Neuanlauf der Rügefrist nach Heilung des Bekanntmachungsmangels, Teilunwirksamkeit
Rechtsquellen:
In der Normenkontrollsache
...
gegen Große Kreisstadt Sch., S-garten ..., Sch.,
- Antragsgegnerin -
bevollmächtigt: ..,
beteiligt: Landesanwaltschaft ..., als Vertreter des öffentlichen Interesses, L-str. ..., M.,
wegen Unwirksamkeit des Bebauungs- und Grünordnungsplans „T.“,
erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 15. Senat, durch die Vorsitzende Richterin am Verwaltungsgerichtshof Müller, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Gänslmayer, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Schweinoch aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 21. Juli 2015 am 4. August 2015 folgendes
Urteil:
I.
Buchstabe A Nr. 2.6.a 3) und 6) der textlichen Festsetzungen des am 14. Juli 2011 als Satzung beschlossenen Bebauungs- und Grünordnungsplans „T.“ der Großen Kreisstadt Sch. in der Fassung der Bekanntmachung vom 10. September 2014 ist unwirksam.
II.
Im Übrigen wird der Normenkontrollantrag abgelehnt.
III.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
IV.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Antragstellerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Antragsgegnerin zuvor Sicherheit in derselben Höhe leistet.
V.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Entscheidungsgründe:
Rechtsmittelbelehrung
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(1) Im Flächennutzungsplan können die für die Bebauung vorgesehenen Flächen nach der allgemeinen Art ihrer baulichen Nutzung (Bauflächen) dargestellt werden als
1. | Wohnbauflächen | (W) |
2. | gemischte Bauflächen | (M) |
3. | gewerbliche Bauflächen | (G) |
4. | Sonderbauflächen | (S). |
(2) Die für die Bebauung vorgesehenen Flächen können nach der besonderen Art ihrer baulichen Nutzung (Baugebiete) dargestellt werden als
1. | Kleinsiedlungsgebiete | (WS) |
2. | reine Wohngebiete | (WR) |
3. | allgemeine Wohngebiete | (WA) |
4. | besondere Wohngebiete | (WB) |
5. | Dorfgebiete | (MD) |
6. | dörfliche Wohngebiete | (MDW) |
7. | Mischgebiete | (MI) |
8. | urbane Gebiete | (MU) |
9. | Kerngebiete | (MK) |
10. | Gewerbegebiete | (GE) |
11. | Industriegebiete | (GI) |
12. | Sondergebiete | (SO). |
(3) Im Bebauungsplan können die in Absatz 2 bezeichneten Baugebiete festgesetzt werden. Durch die Festsetzung werden die Vorschriften der §§ 2 bis 14 Bestandteil des Bebauungsplans, soweit nicht auf Grund der Absätze 4 bis 10 etwas anderes bestimmt wird. Bei Festsetzung von Sondergebieten finden die Vorschriften über besondere Festsetzungen nach den Absätzen 4 bis 10 keine Anwendung; besondere Festsetzungen über die Art der Nutzung können nach den §§ 10 und 11 getroffen werden.
(4) Für die in den §§ 4 bis 9 bezeichneten Baugebiete können im Bebauungsplan für das jeweilige Baugebiet Festsetzungen getroffen werden, die das Baugebiet
- 1.
nach der Art der zulässigen Nutzung, - 2.
nach der Art der Betriebe und Anlagen und deren besonderen Bedürfnissen und Eigenschaften
(5) Im Bebauungsplan kann festgesetzt werden, dass bestimmte Arten von Nutzungen, die nach den §§ 2 bis 9 sowie 13 und 13a allgemein zulässig sind, nicht zulässig sind oder nur ausnahmsweise zugelassen werden können, sofern die allgemeine Zweckbestimmung des Baugebiets gewahrt bleibt.
(6) Im Bebauungsplan kann festgesetzt werden, dass alle oder einzelne Ausnahmen, die in den Baugebieten nach den §§ 2 bis 9 vorgesehen sind,
- 1.
nicht Bestandteil des Bebauungsplans werden oder - 2.
in dem Baugebiet allgemein zulässig sind, sofern die allgemeine Zweckbestimmung des Baugebiets gewahrt bleibt.
(7) In Bebauungsplänen für Baugebiete nach den §§ 4 bis 9 kann, wenn besondere städtebauliche Gründe dies rechtfertigen (§ 9 Absatz 3 des Baugesetzbuchs), festgesetzt werden, dass in bestimmten Geschossen, Ebenen oder sonstigen Teilen baulicher Anlagen
- 1.
nur einzelne oder mehrere der in dem Baugebiet allgemein zulässigen Nutzungen zulässig sind, - 2.
einzelne oder mehrere der in dem Baugebiet allgemein zulässigen Nutzungen unzulässig sind oder als Ausnahme zugelassen werden können oder - 3.
alle oder einzelne Ausnahmen, die in den Baugebieten nach den §§ 4 bis 9 vorgesehen sind, nicht zulässig oder, sofern die allgemeine Zweckbestimmung des Baugebiets gewahrt bleibt, allgemein zulässig sind.
(8) Die Festsetzungen nach den Absätzen 4 bis 7 können sich auch auf Teile des Baugebiets beschränken.
(9) Wenn besondere städtebauliche Gründe dies rechtfertigen, kann im Bebauungsplan bei Anwendung der Absätze 5 bis 8 festgesetzt werden, dass nur bestimmte Arten der in den Baugebieten allgemein oder ausnahmsweise zulässigen baulichen oder sonstigen Anlagen zulässig oder nicht zulässig sind oder nur ausnahmsweise zugelassen werden können.
(10) Wären bei Festsetzung eines Baugebiets nach den §§ 2 bis 9 in überwiegend bebauten Gebieten bestimmte vorhandene bauliche und sonstige Anlagen unzulässig, kann im Bebauungsplan festgesetzt werden, dass Erweiterungen, Änderungen, Nutzungsänderungen und Erneuerungen dieser Anlagen allgemein zulässig sind oder ausnahmsweise zugelassen werden können. Im Bebauungsplan können nähere Bestimmungen über die Zulässigkeit getroffen werden. Die allgemeine Zweckbestimmung des Baugebiets muss in seinen übrigen Teilen gewahrt bleiben. Die Sätze 1 bis 3 gelten auch für die Änderung und Ergänzung von Bebauungsplänen.
(1) Unbeachtlich werden
- 1.
eine nach § 214 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 bis 3 beachtliche Verletzung der dort bezeichneten Verfahrens- und Formvorschriften, - 2.
eine unter Berücksichtigung des § 214 Absatz 2 beachtliche Verletzung der Vorschriften über das Verhältnis des Bebauungsplans und des Flächennutzungsplans und - 3.
nach § 214 Absatz 3 Satz 2 beachtliche Mängel des Abwägungsvorgangs,
(2) Bei Inkraftsetzung des Flächennutzungsplans oder der Satzung ist auf die Voraussetzungen für die Geltendmachung der Verletzung von Vorschriften sowie auf die Rechtsfolgen hinzuweisen.
(1) Das Oberverwaltungsgericht entscheidet im Rahmen seiner Gerichtsbarkeit auf Antrag über die Gültigkeit
- 1.
von Satzungen, die nach den Vorschriften des Baugesetzbuchs erlassen worden sind, sowie von Rechtsverordnungen auf Grund des § 246 Abs. 2 des Baugesetzbuchs - 2.
von anderen im Rang unter dem Landesgesetz stehenden Rechtsvorschriften, sofern das Landesrecht dies bestimmt.
(2) Den Antrag kann jede natürliche oder juristische Person, die geltend macht, durch die Rechtsvorschrift oder deren Anwendung in ihren Rechten verletzt zu sein oder in absehbarer Zeit verletzt zu werden, sowie jede Behörde innerhalb eines Jahres nach Bekanntmachung der Rechtsvorschrift stellen. Er ist gegen die Körperschaft, Anstalt oder Stiftung zu richten, welche die Rechtsvorschrift erlassen hat. Das Oberverwaltungsgericht kann dem Land und anderen juristischen Personen des öffentlichen Rechts, deren Zuständigkeit durch die Rechtsvorschrift berührt wird, Gelegenheit zur Äußerung binnen einer zu bestimmenden Frist geben. § 65 Abs. 1 und 4 und § 66 sind entsprechend anzuwenden.
(2a) (weggefallen)
(3) Das Oberverwaltungsgericht prüft die Vereinbarkeit der Rechtsvorschrift mit Landesrecht nicht, soweit gesetzlich vorgesehen ist, daß die Rechtsvorschrift ausschließlich durch das Verfassungsgericht eines Landes nachprüfbar ist.
(4) Ist ein Verfahren zur Überprüfung der Gültigkeit der Rechtsvorschrift bei einem Verfassungsgericht anhängig, so kann das Oberverwaltungsgericht anordnen, daß die Verhandlung bis zur Erledigung des Verfahrens vor dem Verfassungsgericht auszusetzen sei.
(5) Das Oberverwaltungsgericht entscheidet durch Urteil oder, wenn es eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält, durch Beschluß. Kommt das Oberverwaltungsgericht zu der Überzeugung, daß die Rechtsvorschrift ungültig ist, so erklärt es sie für unwirksam; in diesem Fall ist die Entscheidung allgemein verbindlich und die Entscheidungsformel vom Antragsgegner ebenso zu veröffentlichen wie die Rechtsvorschrift bekanntzumachen wäre. Für die Wirkung der Entscheidung gilt § 183 entsprechend.
(6) Das Gericht kann auf Antrag eine einstweilige Anordnung erlassen, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten ist.
(1) Das Eigentum und das Erbrecht werden gewährleistet. Inhalt und Schranken werden durch die Gesetze bestimmt.
(2) Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.
(3) Eine Enteignung ist nur zum Wohle der Allgemeinheit zulässig. Sie darf nur durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes erfolgen, das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt. Die Entschädigung ist unter gerechter Abwägung der Interessen der Allgemeinheit und der Beteiligten zu bestimmen. Wegen der Höhe der Entschädigung steht im Streitfalle der Rechtsweg vor den ordentlichen Gerichten offen.
Tatbestand
- 1
-
Gegenstand des Normenkontrollantrags ist die 1. Änderung des Bebauungsplans Nr. 411 "Gewerbegebiet Seulberg II", mit der die Antragsgegnerin das Ziel verfolgt, im Gewerbegebiet "sachgerechte Steuerungsinstrumente" für die Zulassung von Vergnügungsstätten zu erhalten sowie das im Plangebiet geltende generelle Einzelhandelsverbot "an die Ergebnisse des zur Beschlussfassung anstehenden Einzelhandelskonzeptes anzupassen".
- 2
-
Im Geltungsbereich des Änderungs-Bebauungsplans liegt das Grundstück Industriestraße 29 (im Folgenden: planbetroffenes Grundstück), als dessen Eigentümer im Grundbuch die Gebrüder Joachim, Peter, Rolf und Wolfgang B. (im Folgenden: Gebrüder B.) zu je 1/4 eingetragen sind.
- 3
-
Mit Gesellschaftsvertrag vom 31. März 1998 gründeten die Gebrüder B. die Grundstücksverwaltungsgesellschaft Gebrüder B. GbR (Antragstellerin), deren Zweck nach § 1 Nr. 1 Satz 1 des Gesellschaftsvertrages "die gewinnbringende Verwaltung und Vermietung des gemeinsam erworbenen Grundbesitzes", u.a. des planbetroffenen Grundstücks, ist. Nach § 1 Nr. 1 Satz 2 des Gesellschaftsvertrages überlassen die Vertragsschließenden das Grundstück der Gesellschaft für deren Dauer zur Benutzung nach Maßgabe dieses Vertrages, wobei aber das Bruchteilseigentum der Gesellschafter an diesem Grundstück unberührt bleibt.
- 4
-
Im Rahmen der öffentlichen Auslegung wandte sich die Antragstellerin gegen die Planung. Nach Satzungsbeschluss und ortsüblicher Bekanntmachung des Änderungs-Bebauungsplans stellte sie einen Antrag auf Normenkontrolle. Sie gab an, Eigentümerin des planbetroffenen Grundstücks zu sein. Nach Ablauf der Antragsfrist und nachdem die Antragsgegnerin die Aktivlegitimation/Antragsbefugnis der Antragstellerin in Zweifel gezogen hatte, stellte die Antragstellerin richtig, dass nicht sie, sondern ihre Gesellschafter Miteigentümer des Grundstücks zu je 1/4 seien.
- 5
-
Der Verwaltungsgerichtshof hat im Verfahren nach § 109 VwGO mit Zustimmung der Beteiligten über die Zulässigkeit des Normenkontrollantrags verhandelt. Er hat angenommen, dass die Antragstellerin als GbR nicht antragsbefugt ist und den Normenkontrollantrag deshalb insgesamt durch Endurteil abgewiesen. Auf eine Verletzung von Eigentumsrechten im Sinne des Art. 14 GG könne sich die Antragstellerin nicht berufen, weil nicht sie, sondern ihre Gesellschafter (Mit-)Eigentümer des Grundstücks seien. Eine die Antragsbefugnis vermittelnde Rechtsposition ergebe sich auch nicht aus dem Inhalt des durch die Grundstückseigentümer geschlossenen Gesellschaftsvertrages. Die hierauf ausgerichteten Interessen der Antragstellerin hätten von der Antragsgegnerin nicht in die Abwägung eingestellt werden müssen.
- 6
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Mit ihrer vom Verwaltungsgerichtshof zugelassenen Revision rügt die Antragstellerin, dass das Normenkontrollgericht ihre Antragsbefugnis zu Unrecht verneint habe. Antragsbefugt könnten auch obligatorisch Berechtigte wie etwa Mieter oder Pächter sein. Ihr stehe eine viel stärkere Rechtsposition und ein viel stärkeres Nutzungsrecht zu als einem Pächter oder Mieter. Sie sei selbst Vermieterin und entscheide auch über die Art der Nutzung, ob sie also ein Miet- oder Pachtverhältnis abschließe und zu welchem Zweck, auf welche Dauer und in welchem Umfang sie das Grundstück vermiete. Deshalb sei ihre Position derjenigen des Grundstückseigentümers näher als derjenigen des Mieters. Infolgedessen wirke sich jede die mögliche Nutzung beschränkende bauplanerische Festsetzung auf ihr Nutzungsrecht aus. Ihre Interessen seien auch abwägungsrelevant.
Entscheidungsgründe
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-
Die Revision, über die der Senat mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet (§ 101 Abs. 2 i.V.m. § 141, 125 Abs. 1 Satz 1 VwGO), ist unbegründet.
- 8
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Der Verwaltungsgerichtshof hat den Normenkontrollantrag der Antragstellerin zu Recht als unzulässig abgelehnt. Die Antragstellerin kann nicht im Sinne des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO geltend machen, durch den angegriffenen Änderungs-Bebauungsplan oder dessen Anwendung in eigenen Rechten verletzt zu sein oder in absehbarer Zeit verletzt zu werden.
- 9
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1. Auf eine Verletzung des durch Art. 14 Abs. 1 GG geschützten Eigentumsrechts (vgl. hierzu etwa BVerwG, Urteil vom 10. März 1998 - 4 CN 6.97 - Buchholz 310 § 47 VwGO Nr. 123 m.w.N. und Beschluss vom 25. Januar 2002 - 4 BN 2.02 - Buchholz 310 § 47 VwGO Nr. 153 S. 73) kann sich die Antragstellerin nicht berufen, weil sie - unstreitig - nicht Eigentümerin eines im Plangebiet gelegenen Grundstücks ist. Das planbetroffene Grundstück steht im Eigentum der Gebrüder B..
- 10
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2. Die Antragstellerin kann auch nicht geltend machen, durch den Änderungs-Bebauungsplan in ihr eingeräumten Nutzungsrechten verletzt zu sein. Denn vom Grundeigentum abgeleitete Nutzungsrechte an dem planungsbetroffenen Grundstück stehen ihr nicht zu.
- 11
-
Zwar können nach der Rechtsprechung des Senats auch Personen, denen - etwa als Mieter oder Pächter - Nutzungsrechte übertragen worden sind, als Folge nachteiliger bauplanerischer Festsetzungen Rechtsbeeinträchtigungen erleiden und deshalb im Normenkontrollverfahren - selbständig und unabhängig vom Eigentümer - überprüfen lassen, ob die ihre Nutzung beeinträchtigenden Festsetzungen unter beachtlichen Rechtsfehlern leiden (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 11. November 1988 - 4 NB 5.88 - Buchholz 310 § 47 VwGO Nr. 30, vom 18. Mai 1994 - 4 NB 27.93 - Buchholz 310 § 47 VwGO Nr. 90 und vom 25. Januar 2002 - 4 BN 2.02 - Buchholz 310 § 47 VwGO Nr. 153 = juris Rn. 4). Zutreffend ist der Verwaltungsgerichtshof allerdings davon ausgegangen, dass der Antragstellerin solche aus Miete, Pacht oder anderen vergleichbaren Vertragsverhältnissen folgende Nutzungsrechte nicht übertragen worden sind.
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Aufgabe und Zweck der Antragstellerin ist nach § 1 Nr. 1 Satz 1 des Gesellschaftsvertrages die "gewinnbringende Verwaltung und Vermietung des gemeinsam erworbenen Grundbesitzes", u.a. des planbetroffenen Grundstücks. Zur Erfüllung dieses Gesellschaftszwecks schließt die Antragstellerin im Interesse ihrer Gesellschafter Miet- und Nutzungsverträge ab. Dass sie dabei - ihrem Vortrag entsprechend - im eigenen Namen vermietet und selbständig über die Art der abzuschließenden Vertragsverhältnisse entscheidet, ändert nichts daran, dass der jeweilige Mieter (§ 535 Abs. 1 BGB) oder Pächter (§ 581 Abs. 1 Satz 1 BGB) während der vereinbarten Miet- oder Pachtzeit Nutzungsberechtigter des Grundstücks ist. Weder aus dem Gesellschaftsvertrag noch aus sonstigen Umständen ergeben sich Anhaltspunkte dafür, dass die Antragstellerin über eine als bloße Dienstleistung gegenüber den Eigentümern geschuldete gewinnbringende Vermietung oder Verpachtung hinaus auch selbst zur baulichen oder sonstigen Nutzung des planbetroffenen Grundstücks berechtigt wäre.
- 13
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3. Schließlich ergibt sich die mögliche Verletzung eines subjektiven Rechts im Sinne von § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO auch nicht aus einem Verstoß gegen das in § 1 Abs. 7 BauGB enthaltene Abwägungsgebot; den von der Antragstellerin durch den Gesellschaftsvertrag eingeräumten Verfügungsbefugnissen fehlt es an der hierfür erforderlichen städtebaulichen Relevanz.
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In der Rechtsprechung des Senats (grundlegend BVerwG, Urteil vom 24. September 1998 - 4 CN 2.98 - BVerwGE 107, 215 <221>) ist anerkannt, dass ein "Recht" im Sinne von § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO, dessen Verletzung der Antragsteller im Normenkontrollverfahren geltend machen kann, auch das in § 1 Abs. 7 BauGB normierte Abwägungsgebot sein kann. Es verleiht Privaten ein subjektives Recht darauf, dass ihre Belange in der Abwägung ihrem Gewicht entsprechend "abgearbeitet" werden. Der Antragsteller im Normenkontrollverfahren kann sich deshalb darauf berufen, dass seine Belange möglicherweise falsch abgewogen worden sind (BVerwG, Urteil vom 16. Juni 2011 - 4 CN 1.10 - BVerwGE 140, 41
). Drittschützenden Charakter hat das Abwägungsgebot allerdings nur hinsichtlich solcher privater Belange, die für die Abwägung erheblich sind. Deshalb muss der Antragsteller, der in einem Normenkontrollverfahren eine Verletzung des Abwägungsgebots geltend macht, einen eigenen Belang als verletzt benennen, der für die Abwägung beachtlich war (BVerwG, Urteil vom 24. September 1998 a.a.O. S. 219). Beachtlich sind dabei nur solche privaten Belange, die in der konkreten Planungssituation einen städtebaulich relevanten Bezug haben und schutzwürdig sind. An letzterem fehlt es bei geringwertigen oder mit einem Makel behafteten Interessen sowie bei solchen, auf deren Fortbestand kein schutzwürdiges Vertrauen besteht, oder solchen, die für die Gemeinde bei der Entscheidung über den Plan nicht erkennbar waren (BVerwG, Urteile vom 24. September 1998 - 4 CN 2.98 - BVerwGE 107, 215 <221> und vom 16. Juni 2011 - 4 CN 1.10 - BVerwGE 140, 41 Rn. 15; siehe auch Beschluss vom 25. Januar 2001 - 6 BN 2.00 - juris Rn. 8).
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Die Antragstellerin macht geltend, durch den Gesellschaftsvertrag sei ihr die Aufgabe zugewiesen, den Grundbesitz ihrer Gesellschafter gewinnbringend zu verwalten und zu vermieten; zu diesem Zweck seien ihr bestimmte Verfügungsbefugnisse eingeräumt worden, die sie anstelle und im Interesse ihrer Gesellschafter wahrnehme. Jede die mögliche Nutzung der Grundstücke beschränkende und bestimmende bauplanerische Festsetzung wirke sich daher auf ihre Rechtsposition als Vermieterin und Verwalterin aus. Die Zwecksetzung der Gesellschaft werde durch die sich aus dem Änderungs-Bebauungsplan ergebenden "umfassenden Nutzungseinschränkungen erheblich in Frage gestellt". Das führt nicht auf eine mögliche Verletzung eines für die Abwägungsentscheidung erheblichen Belangs. Wie sich aus dem Gesellschaftsvertrag ergibt, besteht der Zweck der Antragstellerin in der bloßen Wahrnehmung von Vermögensinteressen der Eigentümer. Die Antragstellerin verfolgt keine eigenen Erwerbsinteressen und erst recht keine, die in irgendeiner Form einen städtebaulichen Bezug aufweisen würden, insbesondere besitzt sie keine Befugnis, das planbetroffene Grundstück selbst zu nutzen (vgl. oben). Ihr Zweck besteht auch nicht im Betrieb eines Handelsgewerbes, denn ein solches kann nur von einer OHG oder einer KG betrieben werden (vgl. § 105 Abs. 1, § 161 Abs. 1 HGB). Der Sache nach handelt es sich mithin um eine reine Grundstücks- und Vermögensverwaltung. Inwiefern eine solche einen für die nach § 1 Abs. 7 BauGB zu treffende Abwägungsentscheidung relevanten städtebaulichen Bezug aufweisen soll, ist nicht erkennbar und wird von der Antragstellerin auch nicht dargelegt. In einer Situation wie der vorliegenden wäre es ausschließlich Sache des Eigentümers und nicht des Vermögensverwalters, etwaige Beschränkungen in der Verwertbarkeit des planbetroffenen Grundstücks im Wege eines Normenkontrollantrags geltend zu machen. Die Gebrüder B. haben jedoch keinen Normenkontrollantrag gestellt.
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-
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
(1) Im Bebauungsplan können aus städtebaulichen Gründen festgesetzt werden:
- 1.
die Art und das Maß der baulichen Nutzung; - 2.
die Bauweise, die überbaubaren und die nicht überbaubaren Grundstücksflächen sowie die Stellung der baulichen Anlagen; - 2a.
vom Bauordnungsrecht abweichende Maße der Tiefe der Abstandsflächen; - 3.
für die Größe, Breite und Tiefe der Baugrundstücke Mindestmaße und aus Gründen des sparsamen und schonenden Umgangs mit Grund und Boden für Wohnbaugrundstücke auch Höchstmaße; - 4.
die Flächen für Nebenanlagen, die auf Grund anderer Vorschriften für die Nutzung von Grundstücken erforderlich sind, wie Spiel-, Freizeit- und Erholungsflächen sowie die Flächen für Stellplätze und Garagen mit ihren Einfahrten; - 5.
die Flächen für den Gemeinbedarf sowie für Sport- und Spielanlagen; - 6.
die höchstzulässige Zahl der Wohnungen in Wohngebäuden; - 7.
die Flächen, auf denen ganz oder teilweise nur Wohngebäude, die mit Mitteln der sozialen Wohnraumförderung gefördert werden könnten, errichtet werden dürfen; - 8.
einzelne Flächen, auf denen ganz oder teilweise nur Wohngebäude errichtet werden dürfen, die für Personengruppen mit besonderem Wohnbedarf bestimmt sind; - 9.
der besondere Nutzungszweck von Flächen; - 10.
die Flächen, die von der Bebauung freizuhalten sind, und ihre Nutzung; - 11.
die Verkehrsflächen sowie Verkehrsflächen besonderer Zweckbestimmung, wie Fußgängerbereiche, Flächen für das Parken von Fahrzeugen, Flächen für Ladeinfrastruktur elektrisch betriebener Fahrzeuge, Flächen für das Abstellen von Fahrrädern sowie den Anschluss anderer Flächen an die Verkehrsflächen; die Flächen können auch als öffentliche oder private Flächen festgesetzt werden; - 12.
die Versorgungsflächen, einschließlich der Flächen für Anlagen und Einrichtungen zur dezentralen und zentralen Erzeugung, Verteilung, Nutzung oder Speicherung von Strom, Wärme oder Kälte aus erneuerbaren Energien oder Kraft-Wärme-Kopplung; - 13.
die Führung von oberirdischen oder unterirdischen Versorgungsanlagen und -leitungen; - 14.
die Flächen für die Abfall- und Abwasserbeseitigung, einschließlich der Rückhaltung und Versickerung von Niederschlagswasser, sowie für Ablagerungen; - 15.
die öffentlichen und privaten Grünflächen, wie Parkanlagen, Naturerfahrungsräume, Dauerkleingärten, Sport-, Spiel-, Zelt- und Badeplätze, Friedhöfe; - 16.
- a)
die Wasserflächen und die Flächen für die Wasserwirtschaft, - b)
die Flächen für Hochwasserschutzanlagen und für die Regelung des Wasserabflusses, - c)
Gebiete, in denen bei der Errichtung baulicher Anlagen bestimmte bauliche oder technische Maßnahmen getroffen werden müssen, die der Vermeidung oder Verringerung von Hochwasserschäden einschließlich Schäden durch Starkregen dienen, sowie die Art dieser Maßnahmen, - d)
die Flächen, die auf einem Baugrundstück für die natürliche Versickerung von Wasser aus Niederschlägen freigehalten werden müssen, um insbesondere Hochwasserschäden, einschließlich Schäden durch Starkregen, vorzubeugen;
- 17.
die Flächen für Aufschüttungen, Abgrabungen oder für die Gewinnung von Steinen, Erden und anderen Bodenschätzen; - 18.
- a)
die Flächen für die Landwirtschaft und - b)
Wald;
- 19.
die Flächen für die Errichtung von Anlagen für die Kleintierhaltung wie Ausstellungs- und Zuchtanlagen, Zwinger, Koppeln und dergleichen; - 20.
die Flächen oder Maßnahmen zum Schutz, zur Pflege und zur Entwicklung von Boden, Natur und Landschaft; - 21.
die mit Geh-, Fahr- und Leitungsrechten zugunsten der Allgemeinheit, eines Erschließungsträgers oder eines beschränkten Personenkreises zu belastenden Flächen; - 22.
die Flächen für Gemeinschaftsanlagen für bestimmte räumliche Bereiche wie Kinderspielplätze, Freizeiteinrichtungen, Stellplätze und Garagen; - 23.
Gebiete, in denen - a)
zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen im Sinne des Bundes-Immissionsschutzgesetzes bestimmte Luft verunreinigende Stoffe nicht oder nur beschränkt verwendet werden dürfen, - b)
bei der Errichtung von Gebäuden oder bestimmten sonstigen baulichen Anlagen bestimmte bauliche und sonstige technische Maßnahmen für die Erzeugung, Nutzung oder Speicherung von Strom, Wärme oder Kälte aus erneuerbaren Energien oder Kraft-Wärme-Kopplung getroffen werden müssen, - c)
bei der Errichtung, Änderung oder Nutzungsänderung von nach Art, Maß oder Nutzungsintensität zu bestimmenden Gebäuden oder sonstigen baulichen Anlagen in der Nachbarschaft von Betriebsbereichen nach § 3 Absatz 5a des Bundes-Immissionsschutzgesetzes bestimmte bauliche und sonstige technische Maßnahmen, die der Vermeidung oder Minderung der Folgen von Störfällen dienen, getroffen werden müssen;
- 24.
die von der Bebauung freizuhaltenden Schutzflächen und ihre Nutzung, die Flächen für besondere Anlagen und Vorkehrungen zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen und sonstigen Gefahren im Sinne des Bundes-Immissionsschutzgesetzes sowie die zum Schutz vor solchen Einwirkungen oder zur Vermeidung oder Minderung solcher Einwirkungen zu treffenden baulichen und sonstigen technischen Vorkehrungen, einschließlich von Maßnahmen zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen durch Geräusche, wobei die Vorgaben des Immissionsschutzrechts unberührt bleiben; - 25.
für einzelne Flächen oder für ein Bebauungsplangebiet oder Teile davon sowie für Teile baulicher Anlagen mit Ausnahme der für landwirtschaftliche Nutzungen oder Wald festgesetzten Flächen - a)
das Anpflanzen von Bäumen, Sträuchern und sonstigen Bepflanzungen, - b)
Bindungen für Bepflanzungen und für die Erhaltung von Bäumen, Sträuchern und sonstigen Bepflanzungen sowie von Gewässern;
- 26.
die Flächen für Aufschüttungen, Abgrabungen und Stützmauern, soweit sie zur Herstellung des Straßenkörpers erforderlich sind.
(1a) Flächen oder Maßnahmen zum Ausgleich im Sinne des § 1a Absatz 3 können auf den Grundstücken, auf denen Eingriffe in Natur und Landschaft zu erwarten sind, oder an anderer Stelle sowohl im sonstigen Geltungsbereich des Bebauungsplans als auch in einem anderen Bebauungsplan festgesetzt werden. Die Flächen oder Maßnahmen zum Ausgleich an anderer Stelle können den Grundstücken, auf denen Eingriffe zu erwarten sind, ganz oder teilweise zugeordnet werden; dies gilt auch für Maßnahmen auf von der Gemeinde bereitgestellten Flächen.
(2) Im Bebauungsplan kann in besonderen Fällen festgesetzt werden, dass bestimmte der in ihm festgesetzten baulichen und sonstigen Nutzungen und Anlagen nur
- 1.
für einen bestimmten Zeitraum zulässig oder - 2.
bis zum Eintritt bestimmter Umstände zulässig oder unzulässig
(2a) Für im Zusammenhang bebaute Ortsteile (§ 34) kann zur Erhaltung oder Entwicklung zentraler Versorgungsbereiche, auch im Interesse einer verbrauchernahen Versorgung der Bevölkerung und der Innenentwicklung der Gemeinden, in einem Bebauungsplan festgesetzt werden, dass nur bestimmte Arten der nach § 34 Abs. 1 und 2 zulässigen baulichen Nutzungen zulässig oder nicht zulässig sind oder nur ausnahmsweise zugelassen werden können; die Festsetzungen können für Teile des räumlichen Geltungsbereichs des Bebauungsplans unterschiedlich getroffen werden. Dabei ist insbesondere ein hierauf bezogenes städtebauliches Entwicklungskonzept im Sinne des § 1 Abs. 6 Nr. 11 zu berücksichtigen, das Aussagen über die zu erhaltenden oder zu entwickelnden zentralen Versorgungsbereiche der Gemeinde oder eines Gemeindeteils enthält. In den zu erhaltenden oder zu entwickelnden zentralen Versorgungsbereichen sollen die planungsrechtlichen Voraussetzungen für Vorhaben, die diesen Versorgungsbereichen dienen, nach § 30 oder § 34 vorhanden oder durch einen Bebauungsplan, dessen Aufstellung förmlich eingeleitet ist, vorgesehen sein.
(2b) Für im Zusammenhang bebaute Ortsteile (§ 34) kann in einem Bebauungsplan, auch für Teile des räumlichen Geltungsbereichs des Bebauungsplans, festgesetzt werden, dass Vergnügungsstätten oder bestimmte Arten von Vergnügungsstätten zulässig oder nicht zulässig sind oder nur ausnahmsweise zugelassen werden können, um
- 1.
eine Beeinträchtigung von Wohnnutzungen oder anderen schutzbedürftigen Anlagen wie Kirchen, Schulen und Kindertagesstätten oder - 2.
eine Beeinträchtigung der sich aus der vorhandenen Nutzung ergebenden städtebaulichen Funktion des Gebiets, insbesondere durch eine städtebaulich nachteilige Häufung von Vergnügungsstätten,
(2c) Für im Zusammenhang bebaute Ortsteile nach § 34 und für Gebiete nach § 30 in der Nachbarschaft von Betriebsbereichen nach § 3 Absatz 5a des Bundes-Immissionsschutzgesetzes kann zur Vermeidung oder Verringerung der Folgen von Störfällen für bestimmte Nutzungen, Arten von Nutzungen oder für nach Art, Maß oder Nutzungsintensität zu bestimmende Gebäude oder sonstige bauliche Anlagen in einem Bebauungsplan festgesetzt werden, dass diese zulässig, nicht zulässig oder nur ausnahmsweise zulässig sind; die Festsetzungen können für Teile des räumlichen Geltungsbereichs des Bebauungsplans unterschiedlich getroffen werden.
(2d) Für im Zusammenhang bebaute Ortsteile (§ 34) können in einem Bebauungsplan zur Wohnraumversorgung eine oder mehrere der folgenden Festsetzungen getroffen werden:
- 1.
Flächen, auf denen Wohngebäude errichtet werden dürfen; - 2.
Flächen, auf denen nur Gebäude errichtet werden dürfen, bei denen einzelne oder alle Wohnungen die baulichen Voraussetzungen für eine Förderung mit Mitteln der sozialen Wohnraumförderung erfüllen, oder - 3.
Flächen, auf denen nur Gebäude errichtet werden dürfen, bei denen sich ein Vorhabenträger hinsichtlich einzelner oder aller Wohnungen dazu verpflichtet, die zum Zeitpunkt der Verpflichtung geltenden Förderbedingungen der sozialen Wohnraumförderung, insbesondere die Miet- und Belegungsbindung, einzuhalten und die Einhaltung dieser Verpflichtung in geeigneter Weise sichergestellt wird.
- 1.
das Maß der baulichen Nutzung; - 2.
die Bauweise, die überbaubaren und die nicht überbaubaren Grundstücksflächen sowie die Stellung der baulichen Anlagen; - 3.
vom Bauordnungsrecht abweichende Maße der Tiefe der Abstandsflächen; - 4.
Mindestmaße für die Größe, Breite und Tiefe der Baugrundstücke; - 5.
Höchstmaße für die Größe, Breite und Tiefe der Wohnbaugrundstücke, aus Gründen des sparsamen und schonenden Umgangs mit Grund und Boden.
(3) Bei Festsetzungen nach Absatz 1 kann auch die Höhenlage festgesetzt werden. Festsetzungen nach Absatz 1 für übereinanderliegende Geschosse und Ebenen und sonstige Teile baulicher Anlagen können gesondert getroffen werden; dies gilt auch, soweit Geschosse, Ebenen und sonstige Teile baulicher Anlagen unterhalb der Geländeoberfläche vorgesehen sind.
(4) Die Länder können durch Rechtsvorschriften bestimmen, dass auf Landesrecht beruhende Regelungen in den Bebauungsplan als Festsetzungen aufgenommen werden können und inwieweit auf diese Festsetzungen die Vorschriften dieses Gesetzbuchs Anwendung finden.
(5) Im Bebauungsplan sollen gekennzeichnet werden:
- 1.
Flächen, bei deren Bebauung besondere bauliche Vorkehrungen gegen äußere Einwirkungen oder bei denen besondere bauliche Sicherungsmaßnahmen gegen Naturgewalten erforderlich sind; - 2.
Flächen, unter denen der Bergbau umgeht oder die für den Abbau von Mineralien bestimmt sind; - 3.
Flächen, deren Böden erheblich mit umweltgefährdenden Stoffen belastet sind.
(6) Nach anderen gesetzlichen Vorschriften getroffene Festsetzungen, gemeindliche Regelungen zum Anschluss- und Benutzungszwang sowie Denkmäler nach Landesrecht sollen in den Bebauungsplan nachrichtlich übernommen werden, soweit sie zu seinem Verständnis oder für die städtebauliche Beurteilung von Baugesuchen notwendig oder zweckmäßig sind.
(6a) Festgesetzte Überschwemmungsgebiete im Sinne des § 76 Absatz 2 des Wasserhaushaltsgesetzes, Risikogebiete außerhalb von Überschwemmungsgebieten im Sinne des § 78b Absatz 1 des Wasserhaushaltsgesetzes sowie Hochwasserentstehungsgebiete im Sinne des § 78d Absatz 1 des Wasserhaushaltsgesetzes sollen nachrichtlich übernommen werden. Noch nicht festgesetzte Überschwemmungsgebiete im Sinne des § 76 Absatz 3 des Wasserhaushaltsgesetzes sowie als Risikogebiete im Sinne des § 73 Absatz 1 Satz 1 des Wasserhaushaltsgesetzes bestimmte Gebiete sollen im Bebauungsplan vermerkt werden.
(7) Der Bebauungsplan setzt die Grenzen seines räumlichen Geltungsbereichs fest.
(8) Dem Bebauungsplan ist eine Begründung mit den Angaben nach § 2a beizufügen.
Gründe
- 1
-
Die auf § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO gestützte Beschwerde ist unbegründet. Aus dem Beschwerdevorbringen ergibt sich nicht, dass die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen ist.
- 2
-
Das Oberverwaltungsgericht hat den Bebauungsplan Nr. 6.2 der Antragsgegnerin wegen eines Bekanntmachungsmangels für unwirksam erklärt. Die Antragsgegnerin habe nicht sichergestellt, dass die Planbetroffenen vom Inhalt der DIN 4109, Ausgabe November 1989, auf die die textliche Festsetzung IV. Ziff. 1.2 und 1.4 Bezug nehme, Kenntnis nehmen könnten. Einen Hinweis auf die Möglichkeit der Einsichtnahme in die DIN-Normen enthalte weder die Planurkunde, noch sei ein solcher Hinweis in den im Amtsblatt der Antragsgegnerin veröffentlichten Bekanntmachungstext aufgenommen worden.
- 3
-
Die Antragsgegnerin wirft bei verständiger Würdigung ihrer Beschwerdebegründung die Frage auf, ob die rechtsstaatlichen Anforderungen, die an die Verkündung eines Bebauungsplans zu stellen sind, je nach dem betroffenen Personenkreis unterschiedlich sein können. Sie meint, dass es im Beispielsfall wie dem vorliegenden, in denen sich der Kreis der Planbetroffenen auf geschäftserfahrene und am Wirtschaftsleben aktiv teilnehmende Kaufleute sowie die öffentliche Hand verenge, zumutbar sei, sich auch ohne Hilfestellung durch den Plangeber Zugang zu DIN-Normen zu verschaffen.
- 4
-
Auf die von der Antragsgegnerin formulierte Frage lässt sich bereits im Verfahren der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision antworten. Nach der Rechtsprechung des Senats muss die planende Gemeinde für den Fall, dass eine Festsetzung des Bebauungsplans auf eine DIN-Vorschrift verweist und sich erst aus dieser Vorschrift ergibt, unter welchen Voraussetzungen ein Vorhaben planungsrechtlich zulässig ist, "sicherstellen", dass die Planbetroffenen auch vom Inhalt der DIN-Vorschrift verlässlich und in zumutbarer Weise Kenntnis erlangen können (Beschluss vom 29. Juli 2010 - BVerwG 4 BN 21.10 - NVwZ 2010, 1567). Ausnahmen für den Fall, dass sich der vom Bebauungsplan betroffene Personenkreis signifikant anders zusammensetzt als derjenige, der in einer Vielzahl von Bebauungsplänen planunterworfen ist, scheiden schon aus Gründen der Rechtssicherheit aus. Zwar stellt der 3. Senat des Bundesverwaltungsgerichts, soweit es um die Erfüllung des Publizitätserfordernisses geht, auf den konkreten Adressatenkreis der Regelung ab, der typischerweise von einer Regelung betroffen ist (Urteil vom 27. Juni 2013 - BVerwG 3 C 21.12 - juris Rn. 26). Sein Judikat ist aber auf Bebauungspläne nicht übertragbar. Der Geltungsbereich eines Bebauungsplans erfasst typischerweise nicht eine weitgehend homogene Personengruppe, wie dies im Fall der vom 3. Senat des Bundesverwaltungsgerichts überprüften Verordnung über das Verbot des Befahrens eines Gewässers mit bestimmten Booten der Fall ist, sondern ganz unterschiedliche Grundstückseigentümer. Um ihre Gleichbehandlung zu gewährleisten, stellt das Rechtsinstitut des Bebauungsplans einheitliche Anforderungen an die Publizität. Auch der 3. Senat des Bundesverwaltungsgerichts erkennt an, dass für die Bekanntmachung von Bebauungsplänen wegen § 10 Abs. 3 BauGB besondere Anforderungen gelten (a.a.O. Rn. 31).
Tenor
-
Die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 17. Juni 2014 wird zurückgewiesen.
-
Die Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
-
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 120 000 € festgesetzt.
Gründe
- 1
-
Die auf § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO gestützte Beschwerde bleibt ohne Erfolg.
- 2
-
Die Beschwerde hält für grundsätzlich klärungsbedürftig,
-
ob das Publizitätsgebot es verlangt, dass für planerische Festsetzungen relevante DIN-Normen stets und auch dann in den textlichen Festsetzungen eines Bebauungsplans explizit zu bezeichnen sind, wenn sich aus den sonst der Öffentlichkeit zugänglichen Unterlagen der Inhalt der Festsetzung sicher ermitteln lässt.
- 3
-
Dies führt nicht zur Zulassung der Revision. Die Beklagte strebt mit dieser Frage eine Fortentwicklung der Rechtsprechung des Senats zu den Anforderungen an die Verkündung von Bebauungsplänen an. Nach dieser Rechtsprechung muss ein Plangeber sicherstellen, dass die Planbetroffenen sich vom Inhalt einer DIN-Norm verlässlich Kenntnis verschaffen können, wenn eine Festsetzung auf eine DIN-Vorschrift verweist und sich erst aus dieser Vorschrift ergibt, unter welchen Voraussetzungen ein Vorhaben planungsrechtlich zulässig ist (Beschlüsse vom 29. Juli 2010 - BVerwG 4 BN 21.10 - Buchholz 406.11 § 10 BauGB Nr. 46 Rn. 12 und vom 5. Dezember 2013 - BVerwG 4 BN 48.13 - ZfBR 2014, 158 Rn. 4). Nach den Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts enthielten indes weder der Bebauungsplan aus dem Jahr 2012 noch seine Begründung einen Hinweis auf die DIN 4109 (UA S. 16), so dass die Frage einer ausreichenden Verkündung dieser Vorschrift von vornherein nicht aufgerufen wird.
- 4
-
Das Oberverwaltungsgericht hat den Bebauungsplan aus dem Jahr 2012 daher auch nicht wegen eines Verstoßes gegen die Anforderungen an die Verkündung von Rechtsnormen beanstandet, sondern weil es bestimmte textliche Festsetzungen für zu unbestimmt gehalten hat (UA S. 16). Ob der Plangeber hinreichend klar zum Ausdruck bringt, welche Regelung mit welchem Inhalt normative Geltung beansprucht, ist eine Frage der Auslegung des Bebauungsplans und damit des nicht revisiblen Landesrechts (Beschluss vom 3. August 2011 - BVerwG 4 BN 15.11 - BRS 78 Nr. 49 = juris Rn. 17). Dies gilt auch, wenn das Rechtsstaatsgebot bei dieser Auslegung herangezogen wird. Ob eine einzelne Formulierung eines Bebauungsplans dem Bestimmtheitserfordernis genügt, ist dabei in aller Regel keiner rechtsgrundsätzlichen Klärung zugänglich (Beschluss vom 14. Dezember 1995 - BVerwG 4 N 2.95 - Buchholz 406.12 § 1 BauNVO Nr. 21 S. 4). Es hätte der Beschwerde die Darlegung oblegen, inwieweit der vom Oberverwaltungsgericht zugrunde gelegte bundesrechtliche Maßstab für die Bestimmtheit von Rechtsnormen (UA S. 16) seinerseits entscheidungserhebliche ungeklärte Fragen von grundsätzlicher Bedeutung aufwirft (Beschluss vom 9. April 2014 - BVerwG 4 BN 3.14 - ZfBR 2014, 479 Rn. 4; stRspr). Daran fehlt es. Namentlich reicht hierfür die auf den Einzelfall gemünzte Kritik der Beschwerde am Urteil des Oberverwaltungsgerichts nicht aus.
- 5
-
Nur ergänzend verweist der Senat darauf, dass das Oberverwaltungsgericht den von der Beschwerde nicht angesprochenen, zeitlich vorhergehenden Bebauungsplan aus dem Jahr 2005 für unwirksam gehalten hat, weil seine Verkündung den Anforderungen des Rechtsstaatsprinzips nicht genügte (UA S. 20 f.). Insoweit ist in der Rechtsprechung des Senats geklärt, dass - anders als die Beschwerde anzunehmen scheint - allein die Nennung einer DIN-Vorschrift in einem von der Gemeinde im Verwaltungsverfahren eingeholten schalltechnischen Gutachten die rechtsstaatlichen Anforderungen an die Verkündung von Rechtsnormen verfehlt.
- 6
-
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG.
Tenor
I.
Der am 8. Juli 2011 öffentlich bekannt gemachte Bebauungsplan „Nr. 280 II,C. Süd, nördlich der H.-straße-Teilbereich Ost‘ mit integriertem Grünordnungsplan“ ist unwirksam.
II.
Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Antragsgegnerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Antragstellerin zuvor Sicherheit in derselben Höhe leistet.
IV.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
(4) ...
(6) ...
Gründe
Tenor
I.
Der am
II.
Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens.
III.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Antragsgegner kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die Antragsteller zuvor Sicherheit in derselben Höhe leisten.
IV.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Gründe
(1) Eine Verletzung von Verfahrens- und Formvorschriften dieses Gesetzbuchs ist für die Rechtswirksamkeit des Flächennutzungsplans und der Satzungen nach diesem Gesetzbuch nur beachtlich, wenn
- 1.
entgegen § 2 Absatz 3 die von der Planung berührten Belange, die der Gemeinde bekannt waren oder hätten bekannt sein müssen, in wesentlichen Punkten nicht zutreffend ermittelt oder bewertet worden sind und wenn der Mangel offensichtlich und auf das Ergebnis des Verfahrens von Einfluss gewesen ist; - 2.
die Vorschriften über die Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung nach § 3 Absatz 2, § 4 Absatz 2, § 4a Absatz 3, Absatz 4 Satz 2, nach § 13 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 und 3, auch in Verbindung mit § 13a Absatz 2 Nummer 1 und § 13b, nach § 22 Absatz 9 Satz 2, § 34 Absatz 6 Satz 1 sowie § 35 Absatz 6 Satz 5 verletzt worden sind; dabei ist unbeachtlich, wenn - a)
bei Anwendung der Vorschriften einzelne Personen, Behörden oder sonstige Träger öffentlicher Belange nicht beteiligt worden sind, die entsprechenden Belange jedoch unerheblich waren oder in der Entscheidung berücksichtigt worden sind, - b)
einzelne Angaben dazu, welche Arten umweltbezogener Informationen verfügbar sind, gefehlt haben, - c)
(weggefallen) - d)
bei Vorliegen eines wichtigen Grundes nach § 3 Absatz 2 Satz 1 nicht für die Dauer einer angemessenen längeren Frist im Internet veröffentlicht worden ist und die Begründung für die Annahme des Nichtvorliegens eines wichtigen Grundes nachvollziehbar ist, - e)
bei Anwendung des § 3 Absatz 2 Satz 5 der Inhalt der Bekanntmachung zwar in das Internet eingestellt wurde, aber die Bekanntmachung und die nach § 3 Absatz 2 Satz 1 zu veröffentlichenden Unterlagen nicht über das zentrale Internetportal des Landes zugänglich gemacht wurden, - f)
bei Anwendung des § 13 Absatz 3 Satz 2 die Angabe darüber, dass von einer Umweltprüfung abgesehen wird, unterlassen wurde oder - g)
bei Anwendung des § 4a Absatz 3 Satz 4 oder des § 13, auch in Verbindung mit § 13a Absatz 2 Nummer 1 und § 13b, die Voraussetzungen für die Durchführung der Beteiligung nach diesen Vorschriften verkannt worden sind;
- 3.
die Vorschriften über die Begründung des Flächennutzungsplans und der Satzungen sowie ihrer Entwürfe nach §§ 2a, 3 Absatz 2, § 5 Absatz 1 Satz 2 Halbsatz 2 und Absatz 5, § 9 Absatz 8 und § 22 Absatz 10 verletzt worden sind; dabei ist unbeachtlich, wenn die Begründung des Flächennutzungsplans oder der Satzung oder ihr Entwurf unvollständig ist; abweichend von Halbsatz 2 ist eine Verletzung von Vorschriften in Bezug auf den Umweltbericht unbeachtlich, wenn die Begründung hierzu nur in unwesentlichen Punkten unvollständig ist; - 4.
ein Beschluss der Gemeinde über den Flächennutzungsplan oder die Satzung nicht gefasst, eine Genehmigung nicht erteilt oder der mit der Bekanntmachung des Flächennutzungsplans oder der Satzung verfolgte Hinweiszweck nicht erreicht worden ist.
(2) Für die Rechtswirksamkeit der Bauleitpläne ist auch unbeachtlich, wenn
- 1.
die Anforderungen an die Aufstellung eines selbständigen Bebauungsplans (§ 8 Absatz 2 Satz 2) oder an die in § 8 Absatz 4 bezeichneten dringenden Gründe für die Aufstellung eines vorzeitigen Bebauungsplans nicht richtig beurteilt worden sind; - 2.
§ 8 Absatz 2 Satz 1 hinsichtlich des Entwickelns des Bebauungsplans aus dem Flächennutzungsplan verletzt worden ist, ohne dass hierbei die sich aus dem Flächennutzungsplan ergebende geordnete städtebauliche Entwicklung beeinträchtigt worden ist; - 3.
der Bebauungsplan aus einem Flächennutzungsplan entwickelt worden ist, dessen Unwirksamkeit sich wegen Verletzung von Verfahrens- oder Formvorschriften einschließlich des § 6 nach Bekanntmachung des Bebauungsplans herausstellt; - 4.
im Parallelverfahren gegen § 8 Absatz 3 verstoßen worden ist, ohne dass die geordnete städtebauliche Entwicklung beeinträchtigt worden ist.
(2a) Für Bebauungspläne, die im beschleunigten Verfahren nach § 13a, auch in Verbindung mit § 13b, aufgestellt worden sind, gilt ergänzend zu den Absätzen 1 und 2 Folgendes:
- 1.
(weggefallen) - 2.
Das Unterbleiben der Hinweise nach § 13a Absatz 3 ist für die Rechtswirksamkeit des Bebauungsplans unbeachtlich. - 3.
Beruht die Feststellung, dass eine Umweltprüfung unterbleiben soll, auf einer Vorprüfung des Einzelfalls nach § 13a Absatz 1 Satz 2 Nummer 2, gilt die Vorprüfung als ordnungsgemäß durchgeführt, wenn sie entsprechend den Vorgaben von § 13a Absatz 1 Satz 2 Nummer 2 durchgeführt worden ist und ihr Ergebnis nachvollziehbar ist; dabei ist unbeachtlich, wenn einzelne Behörden oder sonstige Träger öffentlicher Belange nicht beteiligt worden sind; andernfalls besteht ein für die Rechtswirksamkeit des Bebauungsplans beachtlicher Mangel. - 4.
Die Beurteilung, dass der Ausschlussgrund nach § 13a Absatz 1 Satz 4 nicht vorliegt, gilt als zutreffend, wenn das Ergebnis nachvollziehbar ist und durch den Bebauungsplan nicht die Zulässigkeit von Vorhaben nach Spalte 1 der Anlage 1 zum Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung begründet wird; andernfalls besteht ein für die Rechtswirksamkeit des Bebauungsplans beachtlicher Mangel.
(3) Für die Abwägung ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Beschlussfassung über den Flächennutzungsplan oder die Satzung maßgebend. Mängel, die Gegenstand der Regelung in Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 sind, können nicht als Mängel der Abwägung geltend gemacht werden; im Übrigen sind Mängel im Abwägungsvorgang nur erheblich, wenn sie offensichtlich und auf das Abwägungsergebnis von Einfluss gewesen sind.
(4) Der Flächennutzungsplan oder die Satzung können durch ein ergänzendes Verfahren zur Behebung von Fehlern auch rückwirkend in Kraft gesetzt werden.
Tenor
I.
Der am
II.
Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens.
III.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Antragsgegner kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die Antragsteller zuvor Sicherheit in derselben Höhe leisten.
IV.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Gründe
Tenor
Der Antrag wird abgewiesen.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
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(1) Im Flächennutzungsplan können die für die Bebauung vorgesehenen Flächen nach der allgemeinen Art ihrer baulichen Nutzung (Bauflächen) dargestellt werden als
1. | Wohnbauflächen | (W) |
2. | gemischte Bauflächen | (M) |
3. | gewerbliche Bauflächen | (G) |
4. | Sonderbauflächen | (S). |
(2) Die für die Bebauung vorgesehenen Flächen können nach der besonderen Art ihrer baulichen Nutzung (Baugebiete) dargestellt werden als
1. | Kleinsiedlungsgebiete | (WS) |
2. | reine Wohngebiete | (WR) |
3. | allgemeine Wohngebiete | (WA) |
4. | besondere Wohngebiete | (WB) |
5. | Dorfgebiete | (MD) |
6. | dörfliche Wohngebiete | (MDW) |
7. | Mischgebiete | (MI) |
8. | urbane Gebiete | (MU) |
9. | Kerngebiete | (MK) |
10. | Gewerbegebiete | (GE) |
11. | Industriegebiete | (GI) |
12. | Sondergebiete | (SO). |
(3) Im Bebauungsplan können die in Absatz 2 bezeichneten Baugebiete festgesetzt werden. Durch die Festsetzung werden die Vorschriften der §§ 2 bis 14 Bestandteil des Bebauungsplans, soweit nicht auf Grund der Absätze 4 bis 10 etwas anderes bestimmt wird. Bei Festsetzung von Sondergebieten finden die Vorschriften über besondere Festsetzungen nach den Absätzen 4 bis 10 keine Anwendung; besondere Festsetzungen über die Art der Nutzung können nach den §§ 10 und 11 getroffen werden.
(4) Für die in den §§ 4 bis 9 bezeichneten Baugebiete können im Bebauungsplan für das jeweilige Baugebiet Festsetzungen getroffen werden, die das Baugebiet
- 1.
nach der Art der zulässigen Nutzung, - 2.
nach der Art der Betriebe und Anlagen und deren besonderen Bedürfnissen und Eigenschaften
(5) Im Bebauungsplan kann festgesetzt werden, dass bestimmte Arten von Nutzungen, die nach den §§ 2 bis 9 sowie 13 und 13a allgemein zulässig sind, nicht zulässig sind oder nur ausnahmsweise zugelassen werden können, sofern die allgemeine Zweckbestimmung des Baugebiets gewahrt bleibt.
(6) Im Bebauungsplan kann festgesetzt werden, dass alle oder einzelne Ausnahmen, die in den Baugebieten nach den §§ 2 bis 9 vorgesehen sind,
- 1.
nicht Bestandteil des Bebauungsplans werden oder - 2.
in dem Baugebiet allgemein zulässig sind, sofern die allgemeine Zweckbestimmung des Baugebiets gewahrt bleibt.
(7) In Bebauungsplänen für Baugebiete nach den §§ 4 bis 9 kann, wenn besondere städtebauliche Gründe dies rechtfertigen (§ 9 Absatz 3 des Baugesetzbuchs), festgesetzt werden, dass in bestimmten Geschossen, Ebenen oder sonstigen Teilen baulicher Anlagen
- 1.
nur einzelne oder mehrere der in dem Baugebiet allgemein zulässigen Nutzungen zulässig sind, - 2.
einzelne oder mehrere der in dem Baugebiet allgemein zulässigen Nutzungen unzulässig sind oder als Ausnahme zugelassen werden können oder - 3.
alle oder einzelne Ausnahmen, die in den Baugebieten nach den §§ 4 bis 9 vorgesehen sind, nicht zulässig oder, sofern die allgemeine Zweckbestimmung des Baugebiets gewahrt bleibt, allgemein zulässig sind.
(8) Die Festsetzungen nach den Absätzen 4 bis 7 können sich auch auf Teile des Baugebiets beschränken.
(9) Wenn besondere städtebauliche Gründe dies rechtfertigen, kann im Bebauungsplan bei Anwendung der Absätze 5 bis 8 festgesetzt werden, dass nur bestimmte Arten der in den Baugebieten allgemein oder ausnahmsweise zulässigen baulichen oder sonstigen Anlagen zulässig oder nicht zulässig sind oder nur ausnahmsweise zugelassen werden können.
(10) Wären bei Festsetzung eines Baugebiets nach den §§ 2 bis 9 in überwiegend bebauten Gebieten bestimmte vorhandene bauliche und sonstige Anlagen unzulässig, kann im Bebauungsplan festgesetzt werden, dass Erweiterungen, Änderungen, Nutzungsänderungen und Erneuerungen dieser Anlagen allgemein zulässig sind oder ausnahmsweise zugelassen werden können. Im Bebauungsplan können nähere Bestimmungen über die Zulässigkeit getroffen werden. Die allgemeine Zweckbestimmung des Baugebiets muss in seinen übrigen Teilen gewahrt bleiben. Die Sätze 1 bis 3 gelten auch für die Änderung und Ergänzung von Bebauungsplänen.
(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.
(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.
(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.
(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.
(1) Die Bauleitpläne sind von der Gemeinde in eigener Verantwortung aufzustellen. Der Beschluss, einen Bauleitplan aufzustellen, ist ortsüblich bekannt zu machen.
(2) Die Bauleitpläne benachbarter Gemeinden sind aufeinander abzustimmen. Dabei können sich Gemeinden auch auf die ihnen durch Ziele der Raumordnung zugewiesenen Funktionen sowie auf Auswirkungen auf ihre zentralen Versorgungsbereiche berufen.
(3) Bei der Aufstellung der Bauleitpläne sind die Belange, die für die Abwägung von Bedeutung sind (Abwägungsmaterial), zu ermitteln und zu bewerten.
(4) Für die Belange des Umweltschutzes nach § 1 Absatz 6 Nummer 7 und § 1a wird eine Umweltprüfung durchgeführt, in der die voraussichtlichen erheblichen Umweltauswirkungen ermittelt werden und in einem Umweltbericht beschrieben und bewertet werden; die Anlage 1 zu diesem Gesetzbuch ist anzuwenden. Die Gemeinde legt dazu für jeden Bauleitplan fest, in welchem Umfang und Detaillierungsgrad die Ermittlung der Belange für die Abwägung erforderlich ist. Die Umweltprüfung bezieht sich auf das, was nach gegenwärtigem Wissensstand und allgemein anerkannten Prüfmethoden sowie nach Inhalt und Detaillierungsgrad des Bauleitplans angemessenerweise verlangt werden kann. Das Ergebnis der Umweltprüfung ist in der Abwägung zu berücksichtigen. Wird eine Umweltprüfung für das Plangebiet oder für Teile davon in einem Raumordnungs-, Flächennutzungs- oder Bebauungsplanverfahren durchgeführt, soll die Umweltprüfung in einem zeitlich nachfolgend oder gleichzeitig durchgeführten Bauleitplanverfahren auf zusätzliche oder andere erhebliche Umweltauswirkungen beschränkt werden. Liegen Landschaftspläne oder sonstige Pläne nach § 1 Absatz 6 Nummer 7 Buchstabe g vor, sind deren Bestandsaufnahmen und Bewertungen in der Umweltprüfung heranzuziehen.
(1) Aufgabe der Bauleitplanung ist es, die bauliche und sonstige Nutzung der Grundstücke in der Gemeinde nach Maßgabe dieses Gesetzbuchs vorzubereiten und zu leiten.
(2) Bauleitpläne sind der Flächennutzungsplan (vorbereitender Bauleitplan) und der Bebauungsplan (verbindlicher Bauleitplan).
(3) Die Gemeinden haben die Bauleitpläne aufzustellen, sobald und soweit es für die städtebauliche Entwicklung und Ordnung erforderlich ist; die Aufstellung kann insbesondere bei der Ausweisung von Flächen für den Wohnungsbau in Betracht kommen. Auf die Aufstellung von Bauleitplänen und städtebaulichen Satzungen besteht kein Anspruch; ein Anspruch kann auch nicht durch Vertrag begründet werden.
(4) Die Bauleitpläne sind den Zielen der Raumordnung anzupassen.
(5) Die Bauleitpläne sollen eine nachhaltige städtebauliche Entwicklung, die die sozialen, wirtschaftlichen und umweltschützenden Anforderungen auch in Verantwortung gegenüber künftigen Generationen miteinander in Einklang bringt, und eine dem Wohl der Allgemeinheit dienende sozialgerechte Bodennutzung unter Berücksichtigung der Wohnbedürfnisse der Bevölkerung gewährleisten. Sie sollen dazu beitragen, eine menschenwürdige Umwelt zu sichern, die natürlichen Lebensgrundlagen zu schützen und zu entwickeln sowie den Klimaschutz und die Klimaanpassung, insbesondere auch in der Stadtentwicklung, zu fördern, sowie die städtebauliche Gestalt und das Orts- und Landschaftsbild baukulturell zu erhalten und zu entwickeln. Hierzu soll die städtebauliche Entwicklung vorrangig durch Maßnahmen der Innenentwicklung erfolgen.
(6) Bei der Aufstellung der Bauleitpläne sind insbesondere zu berücksichtigen:
- 1.
die allgemeinen Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse und die Sicherheit der Wohn- und Arbeitsbevölkerung, - 2.
die Wohnbedürfnisse der Bevölkerung, insbesondere auch von Familien mit mehreren Kindern, die Schaffung und Erhaltung sozial stabiler Bewohnerstrukturen, die Eigentumsbildung weiter Kreise der Bevölkerung und die Anforderungen kostensparenden Bauens sowie die Bevölkerungsentwicklung, - 3.
die sozialen und kulturellen Bedürfnisse der Bevölkerung, insbesondere die Bedürfnisse der Familien, der jungen, alten und behinderten Menschen, unterschiedliche Auswirkungen auf Frauen und Männer sowie die Belange des Bildungswesens und von Sport, Freizeit und Erholung, - 4.
die Erhaltung, Erneuerung, Fortentwicklung, Anpassung und der Umbau vorhandener Ortsteile sowie die Erhaltung und Entwicklung zentraler Versorgungsbereiche, - 5.
die Belange der Baukultur, des Denkmalschutzes und der Denkmalpflege, die erhaltenswerten Ortsteile, Straßen und Plätze von geschichtlicher, künstlerischer oder städtebaulicher Bedeutung und die Gestaltung des Orts- und Landschaftsbildes, - 6.
die von den Kirchen und Religionsgesellschaften des öffentlichen Rechts festgestellten Erfordernisse für Gottesdienst und Seelsorge, - 7.
die Belange des Umweltschutzes, einschließlich des Naturschutzes und der Landschaftspflege, insbesondere - a)
die Auswirkungen auf Tiere, Pflanzen, Fläche, Boden, Wasser, Luft, Klima und das Wirkungsgefüge zwischen ihnen sowie die Landschaft und die biologische Vielfalt, - b)
die Erhaltungsziele und der Schutzzweck der Natura 2000-Gebiete im Sinne des Bundesnaturschutzgesetzes, - c)
umweltbezogene Auswirkungen auf den Menschen und seine Gesundheit sowie die Bevölkerung insgesamt, - d)
umweltbezogene Auswirkungen auf Kulturgüter und sonstige Sachgüter, - e)
die Vermeidung von Emissionen sowie der sachgerechte Umgang mit Abfällen und Abwässern, - f)
die Nutzung erneuerbarer Energien sowie die sparsame und effiziente Nutzung von Energie, - g)
die Darstellungen von Landschaftsplänen sowie von sonstigen Plänen, insbesondere des Wasser-, Abfall- und Immissionsschutzrechts, - h)
die Erhaltung der bestmöglichen Luftqualität in Gebieten, in denen die durch Rechtsverordnung zur Erfüllung von Rechtsakten der Europäischen Union festgelegten Immissionsgrenzwerte nicht überschritten werden, - i)
die Wechselwirkungen zwischen den einzelnen Belangen des Umweltschutzes nach den Buchstaben a bis d, - j)
unbeschadet des § 50 Satz 1 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes, die Auswirkungen, die aufgrund der Anfälligkeit der nach dem Bebauungsplan zulässigen Vorhaben für schwere Unfälle oder Katastrophen zu erwarten sind, auf die Belange nach den Buchstaben a bis d und i,
- 8.
die Belange - a)
der Wirtschaft, auch ihrer mittelständischen Struktur im Interesse einer verbrauchernahen Versorgung der Bevölkerung, - b)
der Land- und Forstwirtschaft, - c)
der Erhaltung, Sicherung und Schaffung von Arbeitsplätzen, - d)
des Post- und Telekommunikationswesens, insbesondere des Mobilfunkausbaus, - e)
der Versorgung, insbesondere mit Energie und Wasser, einschließlich der Versorgungssicherheit, - f)
der Sicherung von Rohstoffvorkommen,
- 9.
die Belange des Personen- und Güterverkehrs und der Mobilität der Bevölkerung, auch im Hinblick auf die Entwicklungen beim Betrieb von Kraftfahrzeugen, etwa der Elektromobilität, einschließlich des öffentlichen Personennahverkehrs und des nicht motorisierten Verkehrs, unter besonderer Berücksichtigung einer auf Vermeidung und Verringerung von Verkehr ausgerichteten städtebaulichen Entwicklung, - 10.
die Belange der Verteidigung und des Zivilschutzes sowie der zivilen Anschlussnutzung von Militärliegenschaften, - 11.
die Ergebnisse eines von der Gemeinde beschlossenen städtebaulichen Entwicklungskonzeptes oder einer von ihr beschlossenen sonstigen städtebaulichen Planung, - 12.
die Belange des Küsten- oder Hochwasserschutzes und der Hochwasservorsorge, insbesondere die Vermeidung und Verringerung von Hochwasserschäden, - 13.
die Belange von Flüchtlingen oder Asylbegehrenden und ihrer Unterbringung, - 14.
die ausreichende Versorgung mit Grün- und Freiflächen.
(7) Bei der Aufstellung der Bauleitpläne sind die öffentlichen und privaten Belange gegeneinander und untereinander gerecht abzuwägen.
(8) Die Vorschriften dieses Gesetzbuchs über die Aufstellung von Bauleitplänen gelten auch für ihre Änderung, Ergänzung und Aufhebung.
(1) Unbeachtlich werden
- 1.
eine nach § 214 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 bis 3 beachtliche Verletzung der dort bezeichneten Verfahrens- und Formvorschriften, - 2.
eine unter Berücksichtigung des § 214 Absatz 2 beachtliche Verletzung der Vorschriften über das Verhältnis des Bebauungsplans und des Flächennutzungsplans und - 3.
nach § 214 Absatz 3 Satz 2 beachtliche Mängel des Abwägungsvorgangs,
(2) Bei Inkraftsetzung des Flächennutzungsplans oder der Satzung ist auf die Voraussetzungen für die Geltendmachung der Verletzung von Vorschriften sowie auf die Rechtsfolgen hinzuweisen.
Tatbestand
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Die Klägerinnen wenden sich gegen den Planfeststellungsbeschluss des Beklagten vom 21. Oktober 1999 für den Bau der U-Bahnlinie 5 im Bezirk Berlin-Mitte in der Fassung des 2. Änderungsbeschlusses vom 27. Juni 2011 (2. Bauabschnitt zwischen Alexanderplatz und U-Bahnhof Brandenburger Tor).
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Der Planfeststellungsbeschluss von 1999 ist in wesentlichen Teilen bereits umgesetzt worden. Der Streckenteil zwischen dem Hauptbahnhof und dem U-Bahnhof Brandenburger Tor wurde 2008 fertig gestellt und in Betrieb genommen. Im November 2008 beantragte die Beigeladene die Durchführung eines Planfeststellungsverfahrens zur 2. Änderung des Planfeststellungsbeschlusses. Die 2. Planänderung betrifft den Lückenschluss der U-Bahnlinie U5 zwischen den U-Bahnhöfen Brandenburger Tor und Alexanderplatz. Im Zuge dieser Baumaßnahme werden u.a. drei Bahnhöfe (Berliner Rathaus, Museumsinsel und Unter den Linden) errichtet. Die Gesamttunnellänge zwischen den U-Bahnhöfen Brandenburger Tor und Alexanderplatz beträgt circa 2,2 km.
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Streitgegenständlich ist vorliegend allein die Errichtung des unterirdischen Bahnhofs Unter den Linden. Der Bahnhof wird als Kreuzungsbahnhof der U-Bahnlinien 5 und 6 gestaltet. Er befindet sich im Schnittpunkt des Boulevards Unter den Linden mit der Friedrichstraße. Im Vergleich zur Planung aus dem Jahr 1999 werden durch die 2. Planänderung der Bahnsteig der U5 nach Osten und der Bahnsteig der U6 einschließlich der südlichen Zugänge um circa 15 m nach Süden verschoben. Die Zugänge und Aufzüge im Kreuzungsbereich werden auf der Mittelpromenade Unter den Linden angeordnet; zudem wird das Bahnhofsbauwerk um einen neuen Ausgang zur Charlottenstraße erweitert. Im Gegensatz zur ursprünglichen Planung werden Baumaßnahmen auf der nördlichen Seite der Mittelpromenade Unter den Linden nicht mehr erforderlich, so dass der Verkehr während der Bauzeit über die Nordfahrbahn der Straße Unter den Linden geführt werden kann. Der Beklagte hat die Planänderung überdies zum Anlass genommen, die im Bereich der Bahnhofsbaustellen baubedingt auftretenden Beeinträchtigungen der Nachbarschaft neu zu bewerten.
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Der Bahnhof Unter den Linden wird in vier Baufeldern teils in offener und teils in geschlossener Bauweise unterhalb der Deckelung errichtet. In der Friedrichstraße soll der Abschlussdeckel im Baufeld IV circa 10 Monate nach Baubeginn im April/Mai 2013 erstellt sein. In der Straße Unter den Linden soll der letzte Deckel im Baufeld II nach circa 15 Monaten im September 2013 verschlossen werden. Nach der Deckelung werden die Friedrichstraße und die südliche Fahrbahn der Straße Unter den Linden wieder für den Verkehr freigegeben. Die Gesamtdauer der Baumaßnahmen soll vier bis fünf Jahre betragen.
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Die Klägerinnen sind Eigentümer bzw. Betreiber des im Kreuzungsbereich der südlichen Fahrbahn der Straße Unter den Linden mit der Friedrichstraße in unmittelbarer Nähe der Bahnhofsbaustelle gelegenen Hotels W.. Sie haben nach Auslegung der Planunterlagen fristgerecht Einwendungen erhoben. Das Hotel wurde 1985 bis 1987 errichtet, 2006 an die jetzige Eigentümerin verkauft und mit erheblichem finanziellen Aufwand modernisiert. Es verfügt über insgesamt 400 Zimmer, davon liegen 155 Zimmer zur Straße Unter den Linden und zur Friedrichstraße. Das Hotel ist nicht offiziell klassifiziert, weist aber nach den Angaben der Klägerinnen die Ausstattung eines Fünf-Sterne-Superior-Hotels auf.
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Mit Beschluss vom 27. Juni 2011 stellte der Beklagte die Planänderung fest und wies die Einwendungen der Klägerinnen im Wesentlichen zurück. Nach der Begründung des Planänderungsbeschlusses werden sich beim Bau des Bahnhofs Unter den Linden wesentliche Beeinträchtigungen durch Baulärm ergeben, der vor allem durch den Abbruch der Fahrbahndecken, den Erdaushub, die Herstellung von Schlitzwänden und Dichtungssohlen sowie den Abbruch der Tunneldecke der U6 und die Wiederherstellung des Tunnelabschnitts im Baufeld IV verursacht wird. Die Friedrichstraße ist aufgrund der örtlichen Gegebenheiten besonders betroffen, weil der Abstand zwischen den Hausfassaden östlich und westlich der Friedrichstraße nur 22 m beträgt. Die Gesamtdauer der Phase mit den lärmrelevanten Tätigkeiten ist auf 305 Arbeitstage veranschlagt, für die Durchführung dieser Arbeiten ist ein Zeitraum von 12 Monaten vorgesehen.
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Der Planänderungsbeschluss sieht in den Nebenbestimmungen eine Reihe von Vorkehrungen zum Immissionsschutz während der Bauarbeiten vor, u.a. den Einsatz lärmarmer Bauverfahren und Baugeräte, eine zeitliche Beschränkung der Bauarbeiten, die Verkleidung der Arkaden bis zur Deckelung der Baustelle bzw. auf Wunsch der Klägerinnen auch darüber hinaus bis zum vollständigen Abschluss der Bauarbeiten sowie ein umfassendes Monitoring zur Ermittlung und zur Dokumentation des durch die Bahnhofsbaustelle verursachten Lärms und der Erschütterungen. Ferner sind eine Beweissicherung und verschiedene sonstige Maßnahmen angeordnet worden, die die Staubentwicklung, den Spritzschutz, die Fassadenreinhaltung etc. betreffen.
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Für gleichwohl verbleibende unzumutbare Lärmbeeinträchtigungen während der Bauzeit ist den Klägerinnen im Planänderungsbeschluss ein Entschädigungsanspruch dem Grunde nach zugesprochen worden. Für Außenwohnbereiche besteht der Entschädigungsanspruch bei einer Überschreitung von 68 dB(A), für Innenräume, sofern die oberen Anhaltswerte der VDI-Richtlinie 2719 für Innenschalldruckpegel von 40 dB(A) für Hotelzimmer und Vortragsräume sowie 50 dB(A) für Ladengeschäfte und Restaurants/Gaststätten überschritten werden.
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Die Klägerinnen haben Ende Juli 2011 ein gegen den Planfeststellungsbeschluss vom 21. Oktober 1999 gerichtetes, ruhend gestelltes Klageverfahren wiederaufgerufen und den Planänderungsbeschluss einbezogen. Sie begehren zusätzliche aktive und passive Schallschutzmaßnahmen sowie ergänzende Regelungen zum Umfang und zu den Modalitäten der Entschädigung. Zur Begründung tragen sie im Wesentlichen vor:
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Die fachplanerische Zumutbarkeitsschwelle sei im Planänderungsbeschluss fehlerhaft auf 68 dB(A) tags festgesetzt worden. Der Beklagte habe den Kreuzungsbereich Unter den Linden/Friedrichstraße zu Unrecht als Gebiet mit vorwiegend gewerblichen Anlagen im Sinne von Nr. 3.1.1. Buchst. b) der AVV Baulärm eingestuft. Die gewerbliche Nutzung überwiege nicht, zumal die Hotelnutzung unter dem Gesichtspunkt Schutzbedürftigkeit als Wohnnutzung anzusehen sei. Der maßgebliche Immissionsrichtwert betrage daher nicht 65, sondern nur 60 dB(A) tags. Zudem sei rechtsfehlerhaft nicht der Immissionsrichtwert, sondern der um 5 dB(A) höhere sogenannte Eingreifwert nach Nr. 4.1. der AVV Baulärm als maßgeblich erachtet worden. Der Zuschlag in Nr. 4.1. sei der bei Erlass der AVV Baulärm im Jahre 1970 noch bestehenden Messungenauigkeit geschuldet und inzwischen obsolet.
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Bei der Bestimmung der Zumutbarkeitsschwelle sei zu Unrecht die Vorbelastung durch den Verkehrslärm einbezogen worden. Der Verkehrslärm dürfe nicht berücksichtigt werden, weil er die verfassungsrechtliche Grenze zur Gesundheitsgefährdung von 70 dB(A) tags überschreite. Zudem seien Verkehrslärm und Baulärm nicht vergleichbar. Der Informationsgehalt sei völlig verschieden, Verkehrslärm sei sozial akzeptierter. Abgesehen davon nehme die Vorbelastung durch Verkehrslärm in der Friedrichstraße zur Behrenstraße hin auf 66 dB(A) ab.
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Die der Planfeststellung zugrunde liegende Lärmprognose sei fehlerhaft, weil darin nur auf den Baustellenlärm abgestellt und der Umgebungslärm nicht einbezogen werde. Das sei mit dem akzeptorbezogenen Ansatz des Bundes-Immissionsschutzgesetzes nicht vereinbar. Die Maschinenlärmwerte seien zu Unrecht pauschal um 3 dB(A) gemindert worden. Der Lärmprognose liege ein idealisierter Bauablauf zugrunde, die Einsatzzeiten der Baugeräte seien zu optimistisch kalkuliert. Zudem seien keine Impulszuschläge berücksichtigt worden, so dass eigentlich um 3 bis 5 dB(A) höhere Geräuschimmissionen zu erwarten seien. Kurzzeitige Geräuschspitzen würden von der AVV Baulärm "weggemittelt", insoweit fehle es im Planänderungsbeschluss an einem Maximalpegelkriterium.
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Die Entschädigung für unzumutbare Lärmbeeinträchtigungen in Innenräumen dürfe nicht davon abhängig gemacht werden, dass im Rauminneren die oberen Anhaltswerte der VDI-Richtlinie 2719 überschritten werden. Die VDI-Richtlinie 2719 sei auf temporäre Ereignisse wie Baustellen nicht zugeschnitten. Die allein maßgebliche AVV Baulärm hebe nur auf Außenpegel ab und sehe ein einheitliches Schutzniveau für die Außen- und Innenkontaktbereiche vor. Hinzu komme, dass die Innenschallpegel zurzeit deutlich unter 40 dB(A) lägen, der Ist-Zustand also weitaus besser sei als der für die Bauzeit als zumutbar festgelegte Zustand. Die Vorhabenträgerin dürfe nicht von einer vorhandenen besseren Schalldämmung profitieren, die die Betroffenen auf eigene Kosten vorgenommen hätten.
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Der Planänderungsbeschluss sei schließlich auch deshalb rechtswidrig, weil der Beklagte weitergehende Entschädigungsansprüche pauschal abgelehnt habe. Der Begriff der nachteiligen Wirkungen im Sinne von § 74 Abs. 2 Satz 2 VwVfG müsse weit verstanden werden. Er umfasse auch Umsatzeinbußen, Mietausfälle und andere, nicht nur physisch, sondern auch psychisch vermittelte Auswirkungen wie etwa die gerechtfertigte Furcht vor unzumutbaren Lärmbeeinträchtigungen. Touristen würden das Hotel wegen der Baustelle meiden, Stammkunden gingen verloren. Die Entschädigung müsse daher auf der Grundlage einer Gesamtbetrachtung aller baustellenbedingten Auswirkungen auf den Hotelbetrieb bemessen werden.
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Das Hotel habe einen Buchungsvorlauf von 18 Monaten und sei durchschnittlich zwischen 60 bis 80 % ausgelastet. Mangels detaillierter Lärmprognose könne nicht im Voraus steuernd auf die Hotelbelegung eingewirkt werden. Es bleibe nur die Möglichkeit, die lärmbetroffenen Zimmer an den Straßenfronten zur Baustelle nicht mehr anzubieten. Für die Dauer der Baustelle sei ein Umsatzrückgang von 35 bis 40 % zu erwarten, das Hotel gerate damit in die Verlustzone. Die baustellenbedingten Umsatzeinbußen könnten nicht durch organisatorische Maßnahmen kompensiert werden. Zudem müsse berücksichtigt werden, dass die Beeinträchtigungen erst mit dem Abschluss aller Bauarbeiten beendet seien und auch danach noch fortwirkten.
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In der mündlichen Verhandlung am 28. Juni 2012 hat der Beklagte den Planänderungsbeschluss teilweise berichtigt und ergänzt.
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Die Klägerinnen beantragen,
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den Beklagten zu verpflichten, den Planfeststellungsbeschluss der Senatsverwaltung für Bauen, Wohnen und Verkehr des Landes Berlin vom 21. Oktober 1999 für den Bau der U-Bahnlinie 5 in der Fassung des 2. Änderungsbeschlusses vom 27. Juni 2011 in der Gestalt der in der mündlichen Verhandlung abgegebenen Protokollerklärungen rechtzeitig vor Baubeginn wie folgt zu ändern:
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1. Die Auflage A II.3.1.1. wird dahingehend präzisiert, dass nur Baumaschinen mit dem Umweltzeichen RAL-UZ 53 "Blauer Engel" oder entsprechender anderer Zertifizierungen eingesetzt werden dürfen.
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2. Die Verkleidung zum Schutz der Arkaden muss gewährleisten, dass in den Arkadengängen der Immissionswert von 60 dB(A) nicht überschritten wird.
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3. Der Außenbereich der Galerie und des Restaurants N. im Hotel W. zur Straße Unter den Linden ist durch Lärmschutzwände an der Baustelle so zu schützen, dass die Zumutbarkeitsgrenze auf dem Gehweg von 60 dB(A) nicht überschritten wird.
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4. Die Baustelle in der Friedrichstraße ist nach Herstellung der Schlitzwände und vor weiterem Abtrag der Straßendecke einzuhausen mit einer Schalldämmung von mindestens 20 dB.
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5. Die Beigeladene wird verpflichtet, der Klägerin zu 1 (G. GmbH) die Kosten für Schallschutzfenster an Hotelzimmern Unter den Linden sowie in der Friedrichstraße einschließlich Lobby, Frühstücks- und Hotelrestaurant zu erstatten, die erforderlich sind, um bei einem zulässigen Grenzwert von 60 dB(A), zulässigen Maximalpegeln von 70 dB(A) einen Innenraumpegel in den Hotelzimmern von 31 dB(A) zu gewährleisten.
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6. Die Vorhabenträgerin wird verpflichtet, den Gehweg Unter den Linden vor dem Hotel während der gesamten Bauzeit täglich zu reinigen.
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7. Die Auflage A II.3.1.8. wird wie folgt ergänzt: "Rechtzeitig vor Baubeginn ist die Beweissicherung gemäß Konzept der GuD vom 26. August 2010 mit den Maßnahmen S1 - S7 durchzuführen".
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8. Die Beigeladene wird verpflichtet, eine Lärmprognose mit detailliertem Bauablauf für die Baufelder II - IV vorzulegen und anzugeben, wann der Immissionsrichtwert von 60 dB(A) überschritten wird und welche Maximalpegel in den einzelnen Bauabschnitten täglich zu erwarten sind.
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9.
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a) Zugunsten der Klägerinnen sind die durch die Baustelle verursachten Ertragseinbußen zu entschädigen, die dadurch entstehen, dass die Zimmer an der Straße Unter den Linden und in der Friedrichstraße für die Zeit vom Baubeginn bis zur Deckelung der Baugruben nicht vermietet werden. Hilfsweise falls weitere aktive und passive Schallschutzmaßnahmen angeordnet werden: Zugunsten der Klägerinnen sind die verbleibenden Ertragseinbußen in der Zeit vom Baubeginn bis zur Deckelung der Baugruben zu entschädigen.
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b) Die Ertragseinbußen bis zu zwei Jahre nach Abschluss der Deckelung sind zu entschädigen.
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c) Die Ertragseinbußen sind zu ermitteln durch einen öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen mit Fachkunde des Enteignungs- und Entschädigungsrechts sowie des Hotelbetriebs, der mit Zustimmung der Klägerinnen ausgewählt wurde.
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d) Die Ertragseinbußen sind nach Maßgabe der Erträge des Hotels 2011 bis Baubeginn zu ermitteln. Als durch die Baustelle verursacht gilt eine Minderung des RevPar des W. im Unterschied zum RevPar des Vergleichsmarktes der Fünf-Sterne Hotels in Berlin Mitte.
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e) Die Entschädigungen sind innerhalb von zwei Wochen nach Abschluss eines Monats zu ermitteln und in der ersten Woche des Folgemonats auszugleichen.
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10. Den Klägerinnen sind die durch die Baustelle verursachten Mietminderungen der Ladengeschäfte und des Restaurants N. zu entschädigen. Die Angemessenheit der Entschädigung ist durch einen öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen unter Berücksichtigung des Bauablaufes und vergleichbarer Mieten jeweils nach Ablauf eines Monats zu ermitteln.
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Der Beklagte und die Beigeladene beantragen,
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die Klage abzuweisen.
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Sie treten dem Vortrag der Klägerinnen im Einzelnen entgegen.
Entscheidungsgründe
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Die nach der mündlichen Verhandlung am 28. Juni 2012 gewechselten Schriftsätze geben dem Senat keine Veranlassung, nach § 104 Abs. 3 Satz 2 VwGO die mündliche Verhandlung wieder zu eröffnen.
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Die Klage ist zulässig, aber nicht begründet. Die Klägerinnen haben keinen Anspruch auf die begehrten Planergänzungen. Das im Planänderungsbeschluss festgesetzte Schutz- und Entschädigungskonzept in Gestalt der in der mündlichen Verhandlung abgegebenen Protokollerklärungen ist nicht zu beanstanden. Der Beklagte hat die Betroffenheit der Klägerinnen durch die Baustelle, namentlich den Baustellenlärm, fehlerfrei abgewogen und der beigeladenen Vorhabenträgerin die zur Vermeidung nachteiliger Auswirkungen nach § 74 Abs. 2 Satz 2 VwVfG erforderlichen Schutzmaßnahmen auferlegt (1) bzw. ihnen eine Entschädigung nach § 74 Abs. 2 Satz 3 VwVfG zugesprochen (2).
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1. Die Klägerinnen haben keinen Anspruch auf Ergänzung des Planänderungsbeschlusses um weitere Schutzvorkehrungen gegen die von der Bahnhofsbaustelle Unter den Linden ausgehenden Beeinträchtigungen durch Lärm, Staub und Erschütterungen. Das planfestgestellte Schutzkonzept beruht weder auf einer rechtsfehlerhaft zu hoch festgesetzten fachplanerischen Zumutbarkeitsschwelle (a) noch auf einer mängelbehafteten Lärmprognose (b). Die Klageanträge Nr. 1 bis 8 können daher keinen Erfolg haben (c).
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a) Die in den Auflagen A II.3.1.1. bis 3.2.3. festgesetzten Schutzmaßnahmen finden ihre rechtliche Grundlage in § 74 Abs. 2 Satz 2 VwVfG. Danach hat die Planfeststellungsbehörde dem Träger des Vorhabens Vorkehrungen oder die Errichtung und Unterhaltung von Anlagen aufzuerlegen, die zum Wohl der Allgemeinheit oder zur Vermeidung nachteiliger Wirkungen auf Rechte anderer erforderlich sind.
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§ 74 Abs. 2 Satz 2 VwVfG erfasst auch solche nachteiligen Wirkungen, die durch Lärm, Erschütterungen und Staub aufgrund der Bauarbeiten für das planfestgestellte Vorhaben entstehen (Beschluss vom 27. Januar 1988 - BVerwG 4 B 7.88 - Buchholz 442.01 § 29 PBefG Nr. 1 S. 1<2>). § 74 Abs. 2 Satz 2 VwVfG differenziert nicht nach den einzelnen Abschnitten zur Realisierung des Vorhabens. Die durch den Planfeststellungsbeschluss begründete Duldungspflicht des Nachbarn umfasst daher auch die während der Bauphase entstehenden Immissionen (vgl. auch BGH, Urteil vom 30. Oktober 2009 - V ZR 17/09 - MDR 2010, 142 Rn. 18).
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aa) Ob nachteilige Wirkungen im Sinne des § 74 Abs. 2 Satz 2 VwVfG vorliegen, beurteilt sich bei Baulärm nach § 22 Abs. 1, § 3 Abs. 1 BImSchG in Verbindung mit der gemäß § 66 Abs. 2 BImSchG maßgeblichen Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Schutz gegen Baulärm - AVV Baulärm - vom 19. August 1970 (Beilage zum Bundesanzeiger Nr. 160 vom 1. September 1970). Auf die TA Lärm kann selbst bei mehrjähriger Dauer einer Baustelle nicht zurückgegriffen werden; Baustellen sind vom Anwendungsbereich der TA Lärm ausdrücklich ausgeschlossen (Nr. 1 Buchst. f) TA Lärm).
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(1) Die AVV Baulärm konkretisiert für Geräuschimmissionen von Baustellen den unbestimmten Rechtsbegriff der schädlichen Umwelteinwirkungen. Die zur Annahme der normkonkretisierenden Wirkung einer Verwaltungsvorschrift erforderlichen formellen Voraussetzungen (vgl. Urteil vom 28. Oktober 1998 - BVerwG 8 C 16.96 - BVerwGE 107, 338 = Buchholz 401.64 § 4 AbwAG Nr. 6 S. 22<25 f.>) liegen vor. Ermächtigungsgrundlage für die AVV Baulärm war § 3 Abs. 2 des Gesetzes zum Schutz gegen Baulärm vom 9. September 1965 (BGBl I S. 1214, außer Kraft getreten zum 1. April 1974). Danach erlässt die Bundesregierung zur Durchführung des Absatzes 1 nach Anhörung des technischen Ausschusses (§ 8) mit Zustimmung des Bundesrates allgemeine Verwaltungsvorschriften, insbesondere über 1. Richtwerte für die von Baumaschinen bei bestimmten Betriebsvorgängen ausgehenden Geräusche, deren Überschreiten nach dem Stand der Technik vermeidbar ist (Emissionsrichtwerte), 2. Richtwerte für die von Baustellen ausgehenden Geräuschimmissionen, bei deren Überschreiten Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen der Allgemeinheit zu besorgen sind (Immissionsrichtwerte), und 3. das Verfahren für die Messung der Geräuschemissionen und der von Baustellen ausgehenden Geräuschimmissionen. Der anzuhörende technische Ausschuss nach § 8 des Gesetzes zum Schutz gegen Baulärm setzte sich aus Vertretern verschiedener Bundesministerien und Bundesanstalten, der Landesregierungen, der Gewerkschaften, der Technischen Überwachung sowie Vertretern aus Industrie, Wirtschaft und Wissenschaft zusammen.
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(2) Die AVV Baulärm konkretisiert das vom Normgeber für erforderlich gehaltene Schutzniveau in Nr. 3 differenzierend nach dem Gebietscharakter und nach Tages- und Nachtzeiten durch Festlegung bestimmter Immissionsrichtwerte. In Nr. 6 enthält sie Regelungen zur Ermittlung des Beurteilungspegels im Wege eines Messverfahrens. Dafür, dass die Regelungen zum Schutzniveau durch neue, gesicherte Erkenntnisse der Lärmwirkungsforschung überholt wären, ist nichts ersichtlich. Das gilt sowohl für die Gebietseinteilung der AVV Baulärm als auch für die festgelegten Immissionsrichtwerte. Zwar stimmt die Gebietszuordnung der AVV Baulärm noch mit derjenigen der Baunutzungsverordnung von 1968 überein, während neuere Regelwerke, etwa die Verkehrslärmschutzverordnung (16. BImSchV), die Sportanlagenlärmschutzverordnung (18. BImSchV) und die TA Lärm die Gebietsbezeichnungen der Baunutzungsverordnung von 1990 verwenden. Allein daraus folgt aber nicht, dass die Gebietseinteilung der AVV Baulärm nicht mehr geeignet oder zweckmäßig ist. Denn anders als bei den vorgenannten Regelwerken geht es im Anwendungsbereich der AVV Baulärm nicht um eine dauerhafte Gebietsverträglichkeit der Lärmeinwirkungen, sondern um vorübergehende Lärmeinwirkungen durch eine Baustelle. Zu deren Bewältigung reicht der gröbere Differenzierungsgrad der Gebietseinteilung der AVV Baulärm aus. Zugleich rechtfertigt der Umstand, dass Baustellenlärm - auch bei mehrjährigen Baustellen - vorübergehend ist, es auch heute noch, Immissionsrichtwerte festzulegen, die über den in verschiedenen anderen Regelwerken zu dauerhaften Lärmeinwirkungen - etwa in § 2 Abs. 2 der 18. BImSchV oder Nr. 6.1 der TA Lärm - vorgesehenen Werten liegen. Hinsichtlich der Regelungen zum Messverfahren fehlt es ebenfalls an Anhaltspunkten dafür, dass diese inzwischen derart veraltet sind, dass der Beurteilungspegel damit nicht mehr hinreichend verlässlich ermittelt werden kann. Dies gilt umso mehr, als die Bestimmungen der AVV Baulärm zum Messverfahren nicht so eng gefasst sind, dass sie etwa die Heranziehung modernerer Regelwerke (VDI-Richtlinien oder DIN-Vorschriften), die erst nach der AVV Baulärm erlassen worden sind, ausschließen.
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Auch der Gesetzgeber ist offensichtlich davon ausgegangen, dass die AVV Baulärm trotz des seit ihrem Erlass eingetretenen Zeitablaufs nicht als überholt anzusehen ist. Der Umstand, dass er anlässlich der letzten Änderung des § 66 BImSchG durch das Gesetz zur Umsetzung der EG-Richtlinie über die Bewertung und Bekämpfung von Umgebungslärm vom 24. Juni 2005 (BGBl I S. 1794, in Kraft getreten mit Wirkung vom 30. Juni 2005; vgl. BTDrucks 15/3782 S. 10 und S. 37 f.) in § 66 Abs. 2 BImSchG bis zum Inkrafttreten von entsprechenden Rechtsverordnungen oder allgemeinen Verwaltungsvorschriften nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz die Fortgeltung der AVV Baulärm vom 19. August 1970 angeordnet hat, zeigt, dass es nach der Vorstellung des Gesetzgebers für Baustellenlärm bei der Anwendbarkeit der im Vergleich zur TA Lärm zwar wesentlich älteren, aber sachnäheren AVV Baulärm bleiben sollte (vgl. VGH Mannheim, Urteil vom 8. Februar 2007 - 5 S 2257/05 - ZuR 2007, 427, Rn. 131; Dziallas/Kullick, NZBau 2011, 544).
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Dafür, dass der Gesetzgeber die Fortgeltung der AVV Baulärm ausdrücklich in seinen Willen aufgenommen hat, spricht zudem, dass die bis zu diesem Zeitpunkt in § 66 Abs. 2 BImSchG a.F. neben der AVV Baulärm als maßgebend aufgeführten (acht) allgemeinen Verwaltungsvorschriften zum Schutz gegen Baulärm, die wie die AVV Baulärm auf der Grundlage von § 3 Abs. 2 des Gesetzes zum Schutz gegen Baulärm erlassen worden waren und das Emissionsmessverfahren sowie Emissionsrichtwerte für verschiedene Baugeräte/-maschinen bestimmten, gestrichen wurden.
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(3) Die in der AVV Baulärm in Nr. 3.1.1. festgelegten Immissionsrichtwerte entfalten nur für den Regelfall Bindungswirkung. Die Bindungswirkung einer normkonkretisierenden Verwaltungsvorschrift wird durch ihren Anwendungsbereich bzw. ihren Aussagegehalt bestimmt. Dabei wird die Auslegung solcher Verwaltungsvorschriften in besonderer Weise durch die Entstehungsgeschichte beeinflusst (Urteil vom 20. Dezember 1999 - BVerwG 7 C 15.98 - BVerwGE 110, 216 <219> = Buchholz 406.25 § 48 BImSchG Nr. 7 S. 2<4 f.>). Aus den Gesetzgebungsmaterialien zur Ermächtigungsgrundlage der AVV Baulärm in § 3 Abs. 2 des Gesetzes zum Schutz gegen Baulärm ergibt sich, dass der Normgeber bewusst zwischen Richtwerten und Grenzwerten differenziert hat. So enthielt etwa der Entwurf des Gesetzes (BTDrucks IV/3142 S. 1) in § 2 Abs. 3 eine Ermächtigungsgrundlage für den Erlass von allgemeinen Verwaltungsvorschriften zur Bestimmung von Immissionsrichtwerten für die von Baustellen ausgehenden Geräusche, bei deren Überschreitung Gefahren, Nachteile oder Belästigungen für die Allgemeinheit zu besorgen sind, sowie das Verfahren für die Messung der Geräuschimmissionen. Ausweislich der Begründung zu § 2 Abs. 3 war es das Anliegen des Gesetzgebers, den Verwaltungsbehörden in der Form allgemeiner Verwaltungsvorschriften Immissionsrichtwerte an die Hand zu geben, bei deren Überschreitung der Lärm der Baumaschinen in der Regel als unzumutbar anzusehen ist (BTDrucks IV/3142 S. 5). Ergänzend dazu sah § 3 Abs. 1 des Entwurfs eine Ermächtigung vor, durch Rechtsverordnung Emissionsgrenzwerte festzusetzen, die beim Betrieb von Baumaschinen auf Baustellen nicht überschritten werden dürfen, und Vorschriften über das Verfahren für die Messung der Geräuschemissionen zu erlassen. Auf Vorschlag der Bundesregierung und des Ausschusses für Gesundheitswesen wurde der Gesetzentwurf in §§ 2 und 3 dahingehend geändert, dass nicht mehr zur Festlegung von Emissionsgrenzwerten und Immissionsrichtwerten, sondern in § 3 Abs. 2 Nr. 1 und 2 zur Festlegung von Immissions- und Emissionsrichtwerten ermächtigt wurde. Zur Begründung wurde darauf verwiesen, dass die Festsetzung von Emissionsgrenzwerten durch Rechtsverordnung nicht die Möglichkeit biete, die besonderen Verhältnisse, unter denen Baumaschinen eingesetzt werden, zu berücksichtigen. Der Ausschuss schlug deshalb die Festsetzung von Richtwerten durch allgemeine Verwaltungsvorschriften vor, die eine elastischere Handhabung ermöglichten. Dabei ging er davon aus, dass die zuständigen Verwaltungsbehörden bei Überschreiten der Immissions- und Emissionsrichtwerte grundsätzlich verpflichtet sind, die notwendigen Maßnahmen zur Lärmminderung anzuordnen (BTDrucks IV/3584 S. 2).
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Der Begriff "Immissionsrichtwert" ist danach im Anwendungsbereich der AVV Baulärm weiter zu verstehen als etwa im Anwendungsbereich der TA Lärm, die diesen Begriff in Nr. 6 ebenfalls verwendet, Überschreitungen aber nur in ausdrücklich geregelten Fällen (vgl. z.B. Nr. 3.2.1 2. bis 6. Absatz sowie Nr. 3.2.2) zulässt und ansonsten von einer strikten Pflicht zur Einhaltung der Richtwerte ausgeht, die für eine einzelfallbezogene Beurteilung der Schädlichkeitsgrenze aufgrund tatrichterlicher Würdigung keinen Raum lässt (Urteil vom 29. August 2007 - BVerwG 4 C 2.07 - BVerwGE 129, 209 = Buchholz 406.25 § 48 BImSchG Nr. 9 Rn. 12; Beschluss vom 8. November 1994 - BVerwG 7 B 73.94 - Buchholz 406.25 § 3 BImSchG Nr. 10 S. 2<3>). Dabei ist das engere Begriffsverständnis der TA Lärm schon in der Ermächtigungsgrundlage des § 48 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG angelegt, die auf "Immissionswerte, die zu dem in § 1 genannten Zweck nicht überschritten werden dürfen", abhebt. In der Ermächtigungsgrundlage in § 3 Abs. 2 des Gesetzes zum Schutz gegen Baulärm war dagegen - weniger strikt - von "Richtwerte(n) für die von Baustellen ausgehenden Geräuschimmissionen, bei deren Überschreiten Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen der Allgemeinheit zu besorgen sind", die Rede.
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Der Normzweck der AVV Baulärm, eine gleichmäßige Rechtsanwendung sicherzustellen und damit Rechtssicherheit zu schaffen, wird auch dann nicht in Frage gestellt, wenn die Immissionsrichtwerte nur für den Regelfall als bindend betrachtet werden. Der verbleibende Spielraum für Ausnahmen von der Bindungswirkung ist eng, namentlich ist Nr. 3.1. nicht dahingehend zu verstehen, dass der gemäß Gebietszuordnung maßgebliche Immissionsrichtwert nur als Orientierungswert betrachtet und ergänzend eine Einzelfallbetrachtung angestellt wird. Da die AVV Baulärm als Maßstab für die Zumutbarkeit von Baustellenlärm auf die abstrakt bestimmte Schutzwürdigkeit von Gebieten abhebt, kommen Abweichungen vom Immissionsrichtwert nach oben vielmehr nur dann in Frage, wenn die Schutzwürdigkeit des Einwirkungsbereichs der Baustelle im konkreten Fall ausnahmsweise geringer zu bemessen ist als in den gebietsbezogen festgelegten Immissionsrichtwerten. Dies entspricht auch dem Anliegen des Gesetzgebers, die besonderen Verhältnisse berücksichtigen zu können, unter denen Baumaschinen zum Einsatz kommen (vgl. BTDrucks IV/3584 S. 2). Eine Abweichung von den Immissionsrichtwerten kann danach etwa dann in Betracht kommen, wenn im Einwirkungsbereich der Baustelle eine tatsächliche Lärmvorbelastung vorhanden ist, die über dem maßgeblichen Richtwert der AVV Baulärm liegt. Dabei ist der Begriff Vorbelastung hier nicht einschränkend in dem Sinne zu verstehen, dass nur Vorbelastungen durch andere Baustellen erfasst werden (vgl. etwa die einschränkende Definition in Nr. 2.4 1. Absatz Satz 1 TA Lärm). Maßgeblich ist vielmehr die Vorbelastung im natürlichen Wortsinn. "Nachteilige Wirkungen" im Sinne des § 74 Abs. 2 Satz 2 VwVfG gehen nur von solchen baustellenbedingten Geräuschimmissionen aus, die dem Einwirkungsbereich mit Rücksicht auf dessen durch die Gebietsart und die konkreten tatsächlichen Verhältnisse bestimmte Schutzwürdigkeit und Schutzbedürftigkeit nicht mehr zugemutet werden können. Für die Gebietsart ist dabei von der bebauungsrechtlich geprägten Situation der betroffenen Grundstücke (im Einwirkungsbereich) auszugehen, für die tatsächlichen Verhältnisse spielen insbesondere Geräuschvorbelastungen eine wesentliche Rolle (vgl. Urteil vom 7. Juli 1978 - BVerwG 4 C 79.76 u.a. - BVerwGE 56, 110 <131> = Buchholz 442.40 § 8 LuftVG Nr. 2 S. 1<22>). Daraus folgt zugleich, dass eine verminderte Schutzwürdigkeit nicht schon dann angenommen werden kann, wenn es etwa um die Errichtung wichtiger Verkehrsinfrastrukturvorhaben im öffentlichen Interesse geht. Zwar mag es Planbetroffenen als Ausdruck der Sozialbindung zumutbar sein, mehr an Baulärm hinzunehmen, wenn ein Vorhaben dem allgemeinen Verkehr gewidmet ist und insofern dem Wohl der Allgemeinheit dient. Dies mit bindender Wirkung entsprechend zu regeln, muss aber dem Normgeber vorbehalten bleiben.
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(4) Entgegen der Auffassung der Klägerinnen erstreckt sich der Anwendungsbereich der AVV Baulärm nicht auf den Schutz der Außenkontaktbereiche vor Ladengeschäften. Die AVV Baulärm zielt auf den Schutz der Nachbarschaft. Zwar war in §§ 2, 3 Abs. 2 Nr. 2 und § 5 des Gesetzes zum Schutz gegen Baulärm, auf dessen Grundlage die AVV Baulärm erlassen worden ist, nur von Gefahren, erheblichen Nachteilen oder erheblichen Belästigungen der Allgemeinheit die Rede. Aus den Materialien ergibt sich aber, dass die in der Nachbarschaft von Baustellen wohnenden oder arbeitenden Personen geschützt werden sollten (BTDrucks IV/3142 S. 5, linke Spalte und BTDrucks IV/3584 S. 1). Zur Nachbarschaft in diesem Sinne gehören nur diejenigen Personen, die sich dem Baulärm jedenfalls nicht nachhaltig entziehen können, weil sie nach ihren Lebensumständen, die durch den Wohnort, den Arbeitsplatz oder die Ausbildungsstätte vermittelt werden können, den Einwirkungen dauerhaft ausgesetzt und daher qualifiziert betroffen sind (vgl. Urteil vom 22. Oktober 1982 - BVerwG 7 C 50.78 - Buchholz 406.25 § 5 BImSchG Nr. 6 S. 17<19 f.>). Hierzu gehören etwa die Eigentümer und Bewohner der im Einwirkungsbereich gelegenen Grundstücke und alle Personen, die im Einwirkungsbereich arbeiten. Keine Nachbarn sind dagegen Personen, die sich nur zufällig bzw. gelegentlich, d.h. ohne besondere persönliche oder sachliche Bindungen, etwa aufgrund von Ausflügen oder Reisen oder als Kunden, im Einwirkungsbereich aufhalten. Solche Personen sind als "Publikum" Teil der "Allgemeinheit" (Jarass, BImSchG, 9. Aufl. 2012, § 3 Rn. 35 ff.; Kutscheidt in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Bd. III, Stand Juli 2011, § 3 Rn. 6a f.).
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Der Schutz der Nachbarschaft erfasst auch die zum Wohnen im Freien geeigneten und bestimmten unbebauten Flächen eines Wohngrundstücks. Der Schutzgegenstand des "Wohnens" kennzeichnet einen einheitlichen Lebensvorgang, der die Nutzung des Grundstücks insgesamt umfasst (Urteil vom 29. Januar 1991 - BVerwG 4 C 51.89 - BVerwGE 87, 332 <387> = Buchholz 442.40 § 9 LuftVG Nr. 7 S. 26<52 f.>). Voraussetzung für einen Anspruch auf Schutzauflagen nach § 74 Abs. 2 Satz 2 VwVfG (bzw. einen Ausgleich in Geld nach § 74 Abs. 2 Satz 3 VwVfG) ist insoweit, dass die gebietsspezifische Zumutbarkeitsgrenze für die Lärmimmissionen überschritten wird und die konkrete Fläche wegen ihrer besonderen Funktion und Lärmbetroffenheit schutzwürdig ist (Urteile vom 11. November 1988 - BVerwG 4 C 11.87 - Buchholz 316 § 74 VwVfG Nr. 6 S. 7 und vom 19. Januar 1989 - BVerwG 7 C 77.87 - BVerwGE 81, 197 = Buchholz 406.25 § 22 BImSchG Nr. 6 S. 11).
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Bei den Außenkontaktbereichen vor Ladengeschäften handelt es sich nicht um Flächen, die wegen ihrer besonderen Funktion und Lärmbetroffenheit schutzwürdig sind. Zwar gehört zu dem durch Art. 14 GG geschützten Bestand eines eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs auch die besondere Lage an der Straße (Kontakt nach außen), die dem Betrieb den Zugang zur Straße sowie die Zugänglichkeit von der Straße her gewährt und dem Inhaber die Einwirkung durch Werbung auf den fließenden Verkehr und damit das Gewinnen von Laufkundschaft ermöglicht (BGH, Urteil vom 7. Juli 1980 - III ZR 32/79 - NJW 1980, 2703, Rn. 17). Der Zugang zu Ladengeschäften wird aber nicht durch den Baulärm als solchen, sondern allenfalls durch bauliche Anlagen zu dessen Abschirmung beeinträchtigt. Abweichendes folgt nicht daraus, dass - wie die Klägerinnen meinen - die Möglichkeit zur Aufnahme von Außenkontakten durch Verweilen vor den Schaufenstern durch den Baulärm behindert wird. Passanten und Laufkundschaft werden vom Baulärm nicht qualifiziert betroffen, weil sie sich - auch beim Verweilen vor Schaufenstern - nicht dauerhaft, sondern nur vorübergehend im Einwirkungsbereich des Baulärms aufhalten. Anders verhält sich dies etwa bei den Freisitzen von Restaurants und Gaststätten, die grundsätzlich zu den schutzwürdigen Außenbereichen gehören können.
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bb) Ausgehend von den vorgenannten Maßstäben hat der Beklagte die fachplanerische Zumutbarkeitsschwelle im Sinne des § 74 Abs. 2 Satz 2 VwVfG im Ergebnis zu Recht auf 68 dB(A) tags bestimmt. Die dagegen erhobenen Einwände der Klägerinnen greifen nicht durch.
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(1) Der Beklagte hat das Gebiet um die Bahnhofsbaustelle Unter den Linden/Friedrichstraße zutreffend als "Gebiet, in dem vorwiegend gewerbliche Anlagen untergebracht sind" nach Nr. 3.1.1. Buchst. b) der AVV Baulärm eingestuft und demgemäß im Ausgangspunkt den Immissionsrichtwert von 65 dB(A) tags zugrunde gelegt. Für die Gebietszuordnung nach Nr. 3.1.1. der AVV Baulärm, die wie oben bereits ausgeführt nicht an die Gebietseinteilung der Baunutzungsverordnung 1990 angepasst werden muss, ist nicht auf den konkreten Immissionsort, sondern - wie sich aus Nr. 3.2.2. ergibt - auf den Einwirkungsbereich der Anlage abzustellen. Der Einwirkungsbereich der Bahnhofsbaustelle Unter den Linden ist in der richterlichen Aufklärungsverfügung vom 3. April 2012 dahingehend umrissen worden, dass er das Gebiet nördlich und südlich der Straße Unter den Linden vom Kreuzungsbereich Neustädtische Kirchstraße/Unter den Linden sowie Glinkastraße/Unter den Linden jeweils bis zur Kreuzung Unter den Linden/Charlottenstraße sowie beidseits der Friedrichstraße vom Kreuzungsbereich Unter den Linden/Friedrichstraße bis zum Kreuzungsbereich Friedrichstraße/Behrenstraße (einschließlich der Gebäude Friedrichstraße 168-170 und Friedrichstraße 81-82) umfasst. Die Rüge der Klägerinnen, damit sei der Einwirkungsbereich zu eng gezogen, weil der Lärm auch in die Rosmarinstraße hineinwirke, greift schon deshalb nicht durch, weil die Rosmarinstraße zwischen dem Lindencorso und dem Rosmarin Karree verläuft und damit erfasst wird.
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Der so bestimmte Einwirkungsbereich der Baustelle liegt nicht im Geltungsbereich eines Bebauungsplanes, so dass gemäß Nr. 3.2.3. der AVV Baulärm für die Gebietszuordnung die tatsächliche bauliche Nutzung zugrunde zu legen ist. Die tatsächliche bauliche Nutzung im Einwirkungsbereich der Baustelle ist in Anbetracht der vom Beklagten auf die Aufklärungsverfügung vom 3. April 2012 hin mit Schriftsatz vom 20. April 2012 vorgelegten Übersicht als vorwiegend gewerblich einzustufen. Die vorhandenen Gebäude werden weit überwiegend als Geschäfts- und Bürogebäude genutzt, der Anteil der Wohnnutzung ist - auch unter Berücksichtigung der im Rosmarin Karree vorhandenen Wohnungen und Apartments, die nicht zur Friedrichstraße hin gelegen sind - zahlenmäßig deutlich untergeordnet, er liegt bei maximal 20 %. Dabei ist eine Hotelnutzung entgegen der Auffassung der Klägerinnen nicht wie eine Wohnnutzung zu behandeln, sondern als gewerbliche Nutzung zu qualifizieren. Zwar mag eine Hotelnutzung im Hinblick auf Lärm schutzbedürftiger sein als andere gewerbliche Nutzungen. Gleichwohl unterscheiden sich Wohnnutzung und Beherbergungsbetrieb - wovon im Übrigen auch die von den Klägerinnen herangezogene Baunutzungsverordnung 1990 in § 3 Abs. 1 und 2 sowie § 3 Abs. 3 Nr. 1 ausgeht - grundlegend. So liegt ein Beherbergungsbetrieb in Abgrenzung zur Wohnnutzung nur dann vor, wenn Räume ständig wechselnden Gästen zum vorübergehenden Aufenthalt zur Verfügung gestellt werden, ohne dass diese dort ihren häuslichen Wirkungskreis unabhängig gestalten können (Beschluss vom 8. Mai 1989 - BVerwG 4 B 78.89 - Buchholz 406.11 § 31 BBauG/BauGB Nr. 27 S. 1<2>). Insbesondere der Gesichtspunkt des nur vorübergehenden Aufenthalts rechtfertigt die Annahme einer im Vergleich zur Wohnnutzung geminderten Schutzwürdigkeit der Hotelnutzung.
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(2) Der Beklagte durfte den danach maßgeblichen Immissionsrichtwert von 65 dB(A) wegen der im Einwirkungsbereich der Baustelle vorhandenen tatsächlichen Vorbelastung durch Verkehrslärm um 3 dB(A) auf 68 dB(A) erhöhen.
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Nach der messtechnischen Bestandsaufnahme der B. GmbH zur Geräusch- und Erschütterungssituation in der Umgebung der Kreuzung Unter den Linden/Friedrichstraße vom 11. November 2009 treten im Kreuzungsbereich Unter den Linden/Friedrichstraße im Bereich bis zur Traufhöhe (22 m) an Werktagen (Montag bis Samstag) während der Tageszeit gemäß AVV Baulärm (07:00 bis 20:00 Uhr) energieäquivalente Dauerschallpegel von circa 70 dB(A) auf. Dabei sind die Unterschiede zwischen den unteren und den oberen Stockwerken mit maximal 0,5 dB sehr gering. Südlich der Straße Unter den Linden nehmen die Geräuschimmissionen in der Friedrichstraße bis zur Behrenstraße hin auf 66 dB(A) ab. Die auftretenden Geräusche weisen von Tag zu Tag nur geringe Unterschiede auf, ein Einfluss der Ferienzeit auf die Messergebnisse ist nicht erkennbar. An Werktagen ist der energieäquivalente Dauerschallpegel während der Nachtzeit nur 4 dB geringer als während der Tageszeit. In den Nächten von Freitag auf Samstag sowie Samstag auf Sonntag ist ein deutliches Absinken des Geräuschniveaus erst ab circa 02.00 Uhr nachts zu beobachten. Maximalpegel von 80 dB(A) treten im Untersuchungsgebiet so häufig auf, dass sie als typische Alltagsgeräusche anzusehen sind. Auch Maximalpegel über 90 dB(A) treten im Untersuchungsgebiet an allen Tagen regelmäßig auf (S. 10).
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Die Klägerinnen haben diese Befunde nicht in Abrede gestellt. Ihr Einwand, die Vorbelastung dürfe nicht berücksichtigt werden, weil sie wegen Überschreitung der verfassungsrechtlichen Zumutbarkeitsschwelle von 70 dB(A) rechtswidrig sei und eine Verpflichtung zur Lärmsanierung begründe, greift nicht durch. Dass die Vorbelastung durch den Verkehrslärm sich im Bereich der verfassungsrechtlichen Zumutbarkeitsgrenze von 70 dB(A) bewegt, hat - ungeachtet der Frage, ob diese Grenze auch für innerstädtische Lagen wie hier einschlägig ist - nicht zur Folge, dass die Vorbelastung keinerlei Berücksichtigung finden darf (vgl. Beschluss vom 23. Juni 1989 - BVerwG 4 B 100.89 - Buchholz 316 § 74 VwVfG Nr. 8 S. 12<13>).
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Die Vorbelastung durch den Verkehrslärm musste nicht deshalb außer Betracht bleiben, weil Verkehrslärm und Baulärm nicht von den gleichen Lärmquellen herrühren. Wie oben ausgeführt ist der Begriff der Vorbelastung im Anwendungsbereich der AVV Baulärm im natürlichen Wortsinn zu verstehen. Darauf, von welcher Lärmquelle die tatsächliche Vorbelastung verursacht wird, kommt es daher nicht an. Folglich stellt sich auch die Frage nach der Vergleichbarkeit von Verkehrs- und Baulärm nicht.
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Selbst wenn man dies anders sehen wollte, könnten die Klägerinnen sich vorliegend auf die mangelnde Vergleichbarkeit nicht berufen. Die Frage, ob der Geräuschcharakter des vorhandenen Verkehrslärms und des zu erwartenden Baulärms vergleichbar sind, war Gegenstand gutachterlicher Untersuchungen. Nach den gutachterlichen Stellungnahmen der B. GmbH vom 22. Juli 2010 und vom 20. Oktober 2010 ist die Vergleichbarkeit nur an den Tagen nicht gegeben, an denen beim Abbruch der Fahrbahnen ein Fugenschneider mit einer Schallleistung von 115 dB(A) sowie beim Betonieren der Tunneldecke ein Verdichter (Rüttelflasche) zum Einsatz kommt, der ein stark tonhaltiges Geräusch erzeugt, das auch bei parallelem Betrieb mit Betonmischfahrzeugen und Autobetonpumpen jederzeit wahrgenommen werden kann. Diese Tage machen nur einen geringen Anteil an den Gesamtbautagen (305) aus. Für alle anderen Bauphasen - auch die besonders lärmintensiven Bauphasen "Erstellung der Schlitzwände und Erstellung der HDI-Sohlen" - gelangen die Gutachter dagegen zu dem Ergebnis, dass die Geräusche vergleichbar seien, weil in diesen Bauphasen die Baugeräusche durch die Geräusche der Antriebsmotoren der Baugeräte bestimmt würden. Die Klägerinnen haben diese gutachterlichen Stellungnahmen nicht substantiiert in Zweifel gezogen, sondern sich damit begnügt, die Vergleichbarkeit von Bau- und Verkehrslärm pauschal zu bestreiten.
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Schließlich ist nicht zu beanstanden, dass der Beklagte die fachplanerische Zumutbarkeitsschwelle für die Baustelle Unter den Linden/Friedrichstraße einheitlich auf 68 dB(A) bestimmt hat, obwohl - was er ausweislich der Begründung des Planänderungsbeschlusses zur Kenntnis genommen hat (S. 34) - die Vorbelastung durch den Verkehrslärm zur Behrenstraße hin von circa 70 dB(A) auf circa 66 dB(A) abnimmt. Die Zumutbarkeitsschwelle muss, zumal bei Baustellen von räumlich begrenzter Ausdehnung, weder geschossbezogen noch für jedes einzelne Gebäude gesondert festgelegt werden. Vielmehr war es vorliegend sachgerecht, einen Mittelwert zu bilden.
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(3) Dagegen darf der nach Nr. 3.1.1. der AVV Baulärm maßgebliche Immissionsrichtwert im Planfeststellungsverfahren nicht unter Rückgriff auf den sogenannten Eingreifwert nach Nr. 4.1. noch (um bis zu) 5 dB(A) erhöht werden. Nach Nr. 4.1. sollen Maßnahmen zur Minderung der Geräusche angeordnet werden, wenn der nach Nr. 6. ermittelte Beurteilungspegel des von Baumaschinen hervorgerufenen Geräusches den Immissionsrichtwert um mehr als 5 dB(A) überschreitet. Eine ähnliche Regelung findet sich etwa in Nr. 5.1 3. Absatz TA Lärm 1998. Diese Vorschrift befasst sich mit immissionsschutzrechtlichen Anforderungen an bestehende Anlagen und legt fest, dass - neben weiteren Voraussetzungen - erst bei Überschreitung der Richtwerte um 5 dB(A) eingeschritten werden darf. Der Sache nach wirkt sich der Zuschlag in Nr. 4.1. der AVV Baulärm wie ein Messabschlag zugunsten des Bauunternehmers aus. Ein solcher Messabschlag, dort um jeweils 3 dB(A), ist auch in anderen Regelwerken anerkannt (vgl. etwa Anhang Nr. 1.6 Abs. 2 der 18. BImSchV und Nr. 6.9 TA Lärm 1998). Messabschläge sind wegen der Interdependenzen zwischen Immissionswerten und dem für ihre Ermittlung festgelegten Mess- und Beurteilungsverfahren untrennbarer Bestandteil dieser Verfahren. Sie sind trotz der Fortentwicklung der Messtechnik wegen verbleibender Unsicherheiten bei der messtechnischen Überprüfung der Einhaltung der Immissionswerte auch heute noch gerechtfertigt (vgl. Urteil vom 29. August 2007 - BVerwG 4 C 2.07 - BVerwGE 129, 209 = Buchholz 406.25 § 48 BImSchG Nr. 9 Rn. 18; Feldhaus/Tegeder, UPR 2005, 208 <209 f.>). Allerdings kommen Messabschläge bei prognostischen Einschätzungen in Genehmigungsverfahren nicht zum Tragen, weil dort nachzuweisen ist, dass die Zumutbarkeitskriterien eingehalten werden. Überträgt man diese Erwägungen auf den Eingreifwert nach Nr. 4.1. der AVV Baulärm, kann der Messabschlag bei der Bestimmung der fachplanerischen Zumutbarkeitsschwelle im Planfeststellungsverfahren keine Anwendung finden. Nach dem Wortlaut der Nr. 4.1. und ihrer systematischen Stellung innerhalb der AVV Baulärm dürfte es sich dabei vielmehr um eine Regelung handeln, die das behördliche Handlungsermessen steuern soll. Dafür spricht u.a., dass sie sich nicht im Abschnitt Nr. 6. "Ermittlung des Beurteilungspegels", sondern im Abschnitt Nr. 4. "Maßnahmen zur Minderung des Baulärms" findet.
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(4) Der Beklagte hat eine Entschädigung für unzumutbare Lärmeinwirkungen in Innenräumen zwar von der Überschreitung der oberen Anhaltswerte der VDI-Richtlinie 2719 abhängig gemacht, was ausgehend von dem im Planänderungsbeschluss unterstellten Schalldämmmaß der Außenfassaden des Hotels (vorbehaltlich des Nachweises einer geringeren Schalldämmung) nur bei einem Außenpegel ab 71 dB(A) der Fall ist. Das führt aber nicht dazu, dass die auf einen Außenpegel von 68 dB(A) festgelegte Zumutbarkeitsschwelle damit faktisch auf 71 dB(A) erhöht wird. Der Außenpegel beschreibt den Wert, ab dem aktiver Schallschutz erforderlich wird. Hiervon ist erkennbar auch der Beklagte ausgegangen, indem er die der Beigeladenen aufgegebenen Vorkehrungen zum Schutz vor Baulärm auf diesen Wert hin ausgerichtet hat. Davon zu unterscheiden ist die Frage, unter welchen Voraussetzungen ein Anspruch auf Entschädigung für baulärmbedingte Nutzungsbeeinträchtigungen in Innenräumen besteht.
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b) Die dem planfestgestellten Schutzkonzept zugrunde liegende Lärmprognose leidet nicht an den von den Klägerinnen geltend gemachten Mängeln.
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aa) Die Rügen der Klägerinnen, bei der Lärmprognose sei hinsichtlich der im Katalog der 32. BImSchV aufgeführten Baumaschinen pauschal ein Geräteabschlag von 3 dB vorgenommen worden, überdies seien keine Impulszuschläge berücksichtigt und sei ein idealisierter Bauablauf zugrunde gelegt worden, greifen nicht durch.
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Nach dem Gutachten der B. GmbH vom 2. März 2010 haben die Gutachter - den Vorgaben in I. der Anlage 5 zur AVV Baulärm entsprechend - zunächst für jede der Bauphasen, die in allen Baufeldern durchlaufen werden (Baufeldfreimachung und Abbruch der vorhandenen Straße; Erdaushub und Erstellung der Führungen für den Schlitzwandgreifer, Erstellung der Schlitzwände, Erstellung der HDI-Sohlen, Abbruch des vorhandenen Tunnels
, Betonieren der Tunneldecke, Bauarbeiten unter der Tunneldecke , Wiederherstellung des Straßenpflasters ), die maßgeblichen Eingangsdaten (Geräuschemissionen der eingesetzten Baugeräte bzw. Bauverfahren, tägliche Einsatzzeiten der verwendeten Baugeräte bzw. Bauverfahren, Dauer der Bauphase, geometrische Anordnung der Baugeräte während der Bauphase) ermittelt. Aufbauend auf diesen Angaben ist für jede Bauphase ein eigenes Berechnungsfile erstellt worden. Dabei ist im Sinne einer worst-case-Annahme unterstellt worden, dass die Bauarbeiten während der im Massenlogistikkonzept beschriebenen Zeitdauer permanent stattfinden; Einrichtungszeiten für die Baustelle sowie Abbauzeiten und eventuelle Stillstandzeiten, die als Pufferzeiten in die Bauzeit mit eingerechnet sind, wurden nicht berücksichtigt (S. 25/26).
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Die für die Berechnungen verwendeten Geräuschemissionsansätze der Baugeräte (Schallleistungspegel) sind in der Tabelle 8 des Gutachtens vom 2. März 2010 (S. 28) angegeben. In der Tabelle findet sich auch eine Autobetonpumpe mit einer Antriebsleistung von 272 kW. Der Einwand der Klägerinnen, die Hochdruckpumpe sei nicht einbezogen worden, ist daher nicht begründet. Sofern die Geräuschemissionen der eingesetzten Baumaschinen impulshaltig und/oder tonhaltig sind, ist ein entsprechender Zuschlag in der Spalte KI (Impulszuschlag) bzw. KT (Tonzuschlag) vermerkt, so für den Einsatz des Radladers beim Aufheben des Asphalts wegen der Stoßgeräusche beim Aufnehmen und Abkippen in den LKW sowie für den Einsatz des Kettenbaggers beim Abbrechen der Tunneldecke wegen der Stoßgeräusche beim Abladen in den LKW (vgl. S. 28 Tabelle 8, Spalte Bemerkungen). Hinsichtlich der Geräuschemissionen der Baugeräte geht das Gutachten davon aus, dass die Baugeräte mindestens die derzeitigen Anforderungen an das Inverkehrbringen erfüllen. Für die in der 32. BImSchV aufgeführten Baugeräte sind dies die Anforderungen gemäß EU-Richtlinie 2000/14/EG, Phase 2 (S. 26). Für die Baumaschinen, die im Katalog der 32. BImSchV aufgeführt sind, haben die Gutachter den Grenzwert für das Inverkehrbringen gemäß EU-Richtlinie 2000/14/EG, Phase 2, abzüglich 3 dB angesetzt. Für Baugeräte, die im Katalog der 32. BImSchV nicht aufgeführt werden, wurde auf verschiedene Literaturquellen zurückgegriffen (S. 27).
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Gegen diese Verfahrensweise ist nichts zu erinnern. Die Anforderungen der EU-Richtlinie 2000/14/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Mai 2000 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über umweltbelastende Geräuschemissionen von zur Verwendung im Freien vorgesehenen Geräten und Maschinen (ABl EG Nr. L 162 S. 1), zu deren Umsetzung die 32. Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (Geräte- und Maschinenlärmschutzverordnung) - 32. BImSchV - vom 29. August 2002 (BGBl I S. 3478, zuletzt geändert durch Verordnung zur Umsetzung der EG-Richtlinien 2002/44/EG und 2003/10/EG zum Schutz der Beschäftigten vor Gefährdungen durch Lärm und Vibrationen vom 6. März 2007, BGBl I S. 261 <277>) dient, sind als garantierte Schallleistungspegel zu verstehen (vgl. Art. 3 Buchst. f der Richtlinie und § 2 Nr. 6 der 32. BImSchV). Der garantierte Schallleistungspegel liegt nach den Erläuterungen im Gutachten vom 2. März 2010 stets oberhalb des im Einsatz erzeugten Schallleistungspegels, weil er alle eventuellen Unsicherheiten (auch solche, die durch das Messverfahren bedingt sind) mit abdecken muss. Mit welchem Sicherheitszuschlag die einzelnen Hersteller rechnen, bleibe ihnen selbst überlassen. Zumindest müssten sie aber den offiziellen Wert für die Messunsicherheit des Verfahrens (3 dB) berücksichtigen. Den Messungen der Gutachter zufolge werden zum Teil wesentlich größere Unsicherheitsaufschläge bis zu 6 dB aufgeschlagen. Dies rechtfertigt es auch nach der Auffassung des Senats, von den Grenzwerten für das Inverkehrbringen gemäß EU-Richtlinie 2000/14/EG für die im Katalog der 32. BImSchV aufgeführten Baumaschinen im Rahmen der Lärmprognose 3 dB abzuziehen.
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Worauf die Klägerinnen ihre nicht näher begründete Behauptung stützen, dass der Lärmprognose ein idealisierter Bauablauf zugrunde liege, erschließt sich nicht. Die für die jeweiligen Bauphasen zugrunde gelegten Zeiträume und Einsatzzeiten der Baumaschinen können den Tabellen Nr. 9 bis 15 des Gutachtens (S. 30 bis 36) entnommen werden. Substantielle Einwände gegen die dort angesetzten Einsatzzeiten und Zeiträume haben die Klägerinnen nicht erhoben.
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bb) Die Lärmprognose erweist sich auch nicht deshalb als unzulänglich, weil kein Summenpegel aus Verkehrslärm und Baustellenlärm gebildet worden ist. Die AVV Baulärm enthält keine Regelung zur Berücksichtigung bereits vorhandener Geräusche bei der Ermittlung der Gesamtbelastung. Das ist mit höherrangigem Recht vereinbar. Zwar liegt dem Bundes-Immissionsschutzgesetz in § 3 Abs. 1 für die Definition der schädlichen Umwelteinwirkungen eine akzeptorbezogene Betrachtungsweise zugrunde. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist bei der Beurteilung der Zumutbarkeit von Geräuschimmissionen aber maßgeblich vom "Anlagenbezug" des Bundes-Immissionsschutzgesetzes auszugehen, wie er auch in § 22 Abs. 1 BImSchG und den daran ausgerichteten, nach Anlagenarten differenzierenden Verordnungen und Regelwerken zum Ausdruck kommt. Gesamtbetrachtungen sind nur nach Maßgabe dessen erlaubt, was gesetzliche Vorgaben und die daran anknüpfenden Regelwerke zulassen. Selbst wenn man anerkennt, dass es für die Schädlichkeit von Umwelteinwirkungen nach der Definition des § 3 Abs. 2 BImSchG nicht darauf ankommt, woher, insbesondere aus wie vielen Quellen, die zu beurteilende Beeinträchtigung stammt (vgl. Urteil vom 21. März 1996 - BVerwG 4 C 9.95 - BVerwGE 101, 1 <7> = Buchholz 406.25 § 41 BImSchG Nr. 12 S. 23<27>) und daher bei der immissionsschutzrechtlichen Beurteilung von Anlagen die vorhandene Geräuschvorbelastung grundsätzlich zu berücksichtigen ist, folgt daraus nicht, dass dem nur durch die Bildung eines alle Geräusche erfassenden Summenpegels Rechnung getragen werden kann. Das gilt selbst dann, wenn der Lärm einzelner Anlagen dominiert. Die Frage, wie der Lärmbeitrag anderer, insbesondere andersartiger Anlagen zu berücksichtigen ist, ist vielmehr vorrangig nach dem für die jeweilige Anlagenart einschlägigen Regelwerk zu beantworten. Die Bildung eines Summenpegels ist zulässig, wenn es sich um gleichartige, durch dasselbe Regelwerk erfasste Anlagen handelt (Urteil vom 16. Mai 2001 - BVerwG 7 C 16.00 - Buchholz 406.25 § 3 BImSchG Nr. 16 Rn. 12 und 16). Abweichendes gilt im Hinblick auf die verfassungsrechtliche Schutzpflicht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG dann, wenn die Gesamtbelastung der Geräuschimmissionen aus verschiedenen Lärmquellen die Grenze zur Gesundheitsgefährdung übersteigt.
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Dafür ist hier nichts ersichtlich. Der Verkehrslärm im Bereich der Baustelle Unter den Linden/Friedrichstraße wird aufgrund der Sperrung der südlichen Fahrbahn der Straße Unter den Linden sowie der Friedrichstraße von der südlichen Fahrbahn der Straße Unter den Linden bis zur Kreuzung mit der Behrenstraße während der offenen Bauphase weitgehend entfallen. Nach dem Gutachten der B. GmbH vom 2. März 2010 ist der Anteil der Verkehrsgeräusche während der Bauphase ermittelt und in Relation zu den durch den Baubetrieb erzeugten Geräuschimmissionen gestellt worden. Danach ist ein nennenswerter Einfluss der Verkehrsgeräusche nur für die - hier nicht relevanten - Bereiche nördlich der Straße Unter den Linden (Haus der Schweiz) zu erwarten. Auch dort würde aber ein Anteil von 5 % überdurchschnittlich lauter Tage während der Bauzeit selbst bei Berücksichtigung der Verkehrsgeräusche nicht überschritten werden (S. 45 bis 48). Für den Immissionspunkt H (Ecke Friedrichstraße/Behrenstraße, Rosmarin Karree) und die dem gegenüberliegende Fassade des Hotels ist für die Bauphase ein Verkehrslärm von circa 44 dB(A) ermittelt worden (S. 47, Tabelle 25 und Anhang, letztes Blatt). Ein gesundheitsgefährdender Summenpegel ist demnach nicht zu besorgen.
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Der Einwand der Klägerinnen, die Verkehrsbelastung auf der Behrenstraße werde während der Bauzeit aufgrund der vorgesehenen Umleitungen erheblich steigen, greift nicht durch. Abgesehen davon, dass die Behrenstraße an den der Baustelle abgewandten Fassaden des Hotels entlang verläuft, ist schon nicht substantiiert dargetan, dass es auf der Behrenstraße tatsächlich zu einer Verkehrszunahme kommt. Nach dem von der Beigeladenen mit Schriftsatz vom 14. Juni 2012 vorgelegten aktuellen Verkehrsführungskonzept vom 25. Mai 2012 wird der Fahrzeugverkehr (Kfz-Verkehr, Radverkehr, ÖPNV) mithilfe eines komplexen Umleitungssystems an den Sperrungen im Bereich Unter den Linden/Friedrichstraße vorbeigeführt. Über die Behrenstraße wird lediglich der Verkehr in Richtung Süden geführt. Für eine wesentliche Erhöhung des Verkehrs auf der Behrenstraße ist danach nichts ersichtlich.
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cc) Weitere substantielle Einwände gegen die Lärmprognose haben die Klägerinnen nicht erhoben. Ihre Rüge, es fehle im Planänderungsbeschluss an der Festlegung eines Maximalpegelkriteriums, greift nicht durch. Die AVV Baulärm stellt für die Tagzeit auf den gemittelten Pegel ab, die Zahl der Überschreitungen eines bestimmten Maximalpegels ist nicht entscheidend. Eine Art Maximalpegelregelung findet sich in Nr. 3.1.3. der AVV Baulärm nur für die Nachtzeit. Dagegen ist nichts zu erinnern, zumal auch der von einer über mehrere Jahre hinweg betriebenen Baustelle ausgehende Lärm im Gegensatz zu Gewerbe- und Verkehrslärm zeitlich begrenzt ist und jedem Grundstückseigentümer und erst recht dem Träger eines im öffentlichen Interesse stehenden (Groß-)Vorhabens die Möglichkeit zustehen muss, seine ansonsten zulässigen Vorhaben unter auch ihm zumutbaren Bedingungen zu verwirklichen (VGH Mannheim, Urteil vom 8. Februar 2007 - 5 S 2257/05 - ZUR 2007, 427 Rn. 131; vgl. zur Zulässigkeit des Dauerschallkriteriums für die Bewertung von Fluglärm während des Tags, BVerwG, Beschluss vom 21. Januar 2008 - BVerwG 4 B 50.07 - BauR 2008, 2030).
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Im Übrigen ergibt sich aus dem Gutachten der B. GmbH vom 2. März 2010, dass die der Lärmprognose zugrunde liegenden Berechnungen mithilfe der Prognosesoftware CADNA/A, Version 3.7, durchgeführt wurden und der Beurteilungspegel gemäß DIN-Vorschrift 45645-2 ermittelt wurde (S. 37 f.). In die Berechnungen sind die Geräuschemissionen und Einsatzzeiten der Geräte sowie die veranschlagte Dauer der Bauphase eingegangen (S. 36). Zudem sind in die Lärmprognose sowohl der über die einzelnen Bauphasen bzw. über die gesamte Bauzeit prognostizierte und gemittelte Beurteilungspegel als auch die Anzahl der Tage eingestellt worden, an denen ein Beurteilungspegel von 72 dB(A) überschritten wird (S. 11). Maximalpegel über 72 dB(A) sind damit in der Lärmprognose berücksichtigt worden.
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c) Die im Wesentlichen auf Ergänzung des Planänderungsbeschlusses um weitere Maßnahmen des aktiven und passiven Schallschutzes gerichteten Anträge Nr. 1 bis 8 haben keinen Erfolg.
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aa) Der Antrag Nr. 1, die Auflage A II.3.1.1. dahingehend zu ergänzen, dass nur Baumaschinen mit dem Umweltzeichen RAL-UZ 53 "Blauer Engel" oder entsprechender anderer Zertifizierung eingesetzt werden dürfen, kann schon deshalb keinen Erfolg haben, weil nach den unwidersprochen gebliebenen Angaben des Beklagten und der Beigeladenen auf der Baustelle auch Baumaschinen zum Einsatz kommen, für die es solche Umweltzeichen nicht gibt. Vor diesem Hintergrund reicht es aus, dass der Beklagte der Beigeladenen in dieser Nebenbestimmung aufgegeben hat, sicherzustellen, dass ausschließlich Bauverfahren und Baugeräte eingesetzt werden, die hinsichtlich ihrer Schall- und Erschütterungsemissionen lärmarm arbeiten. Soweit die Klägerinnen darauf verweisen, dass das von der Beigeladenen ursprünglich vorgelegte Gutachten Nr. N454113h des Ing.-Büro Dr.-Ing. M. den Einsatz geräuscharmer Baugeräte mit dem Umweltzeichen RAL-UZ 53 "Blauer Engel" empfehle, weil damit eine Reduktion um 5 bis 10 dB(A) möglich sei, folgt daraus nichts anderes. Aus dem - knapp gehaltenen - Gutachten ergeben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass der Gutachter sich mit dem Gesichtspunkt der Verfügbarkeit solcher Baumaschinen und -geräte überhaupt näher befasst hat.
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bb) Eine Verkleidung, die sicherstellt, dass in den Arkaden ein Beurteilungspegel von 60 dB(A) nicht überschritten wird (Antrag Nr. 2), können die Klägerinnen - von allem anderen abgesehen - schon deshalb nicht beanspruchen, weil der Beklagte die fachplanerische Zumutbarkeitsschwelle zu Recht auf 68 dB(A) festgelegt hat.
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cc) Der Antrag Nr. 3, den Außenbereich der Galerie und des Restaurants Nante-Eck zur Straße Unter den Linden durch Lärmschutzwände an der Baustelle so zu schützen, dass auf dem Gehweg ein Beurteilungspegel von 60 dB(A) nicht überschritten wird, bleibt ebenfalls erfolglos. Die fachplanerische Zumutbarkeitsschwelle ist zu Recht auf 68 dB(A) festgesetzt worden. Die Klägerinnen haben daher ungeachtet dessen, dass Außenkontaktbereiche vor Ladengeschäften dem Anwendungsbereich der AVV Baulärm ohnehin nicht unterfallen, keinen Anspruch auf Einhaltung eines Beurteilungspegels von 60 dB(A). Hinzu kommt, dass die Aufstellung von Fassadenschutzwänden im Planaufstellungsverfahren geprüft, aber wegen des geringen Nutzens und der weit überwiegenden Nachteile sowie technischer Schwierigkeiten verworfen worden ist (S. 36 PÄB). Diese Überlegungen betreffen zwar in erster Linie die Friedrichstraße, sind aber auf die Straße Unter den Linden weitgehend übertragbar. Die Beigeladene hat im gerichtlichen Verfahren zu diesem Thema ergänzend ausgeführt, dass die Wirkung einer solchen Abschirmwand aufgrund der Reflexionen der Gebäudefassaden stark reduziert wäre. Selbst bei einer sehr hohen Abschirmwand von 8 m sei eine Geräuschreduktion von mehr als 5 dB nicht zu erreichen. Zudem seien solche Lärmschutzwände technisch nicht verfügbar. Bei der Errichtung einer so hohen, freistehenden Abschirmwand bestünden wegen auftretender Windlasten konstruktive Schwierigkeiten. In jedem Fall müssten zunächst tiefe Fundamente im Straßengrund errichtet werden. Hierfür sei im Bereich zwischen der Baustelle und den Gehwegen kein Platz. Abgesehen davon sei die Errichtung solcher Abschirmwände mit erheblichen Geräuschemissionen verbunden, die angesichts der in diesem Bereich nur während eines vergleichsweise kurzen Zeitraums auftretenden Lärmbeeinträchtigungen nicht zu rechtfertigen wären. Hiergegen haben die Klägerinnen keine substantiellen Einwände erhoben. Sie verweisen zwar auf die Empfehlung des Ing.-Büros M. im Gutachten vom 15. August 2008, mobile Schallschutzwände einzusetzen. Dieses Gutachten verhält sich aber nicht dazu, inwieweit der Einsatz mobiler Schallschutzwände vorliegend technisch überhaupt möglich und unter Lärmschutzgesichtspunkten sinnvoll wäre.
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dd) Es kann dahinstehen, ob der Antrag Nr. 4, die Baustelle in der Friedrichstraße nach Herstellung der Schlitzwände und vor weiterem Abtrag der Straßendecke mit einer Schalldämmung von 20 dB(A) einzuhausen, schon deshalb keinen Erfolg haben kann, weil die Klägerinnen dies im Einwendungsverfahren nicht gefordert haben. Sie können eine Einhausung der Baustelle auch deshalb nicht beanspruchen, weil diese Maßnahme - sofern überhaupt technisch realisierbar - nach den von den Klägerinnen nicht bestrittenen Darlegungen des Beklagten und der Beigeladenen unverhältnismäßig wäre. Nach dem Lärm- und Erschütterungsgutachten der BeSB GmbH vom 2. März 2010 treten am lautesten Immissionsort im Mittelbereich der Friedrichstraße an maximal 16 % aller Bautage Geräuschimmissionen auf, die das derzeitige Geräuschniveau deutlich übersteigen. Vor den Fassaden in der Straße Unter den Linden sowie im Südbereich der Friedrichstraße beträgt dieser Anteil maximal circa 5 % aller Bautage. Circa die Hälfte aller überdurchschnittlich lauten Tage tritt während der Phase der Schlitzwanderstellung auf (S. 5/6). Die Einhausung würde demnach weder die längsten noch die lautesten Bauphasen erfassen. Ausgenommen blieben insbesondere die Arbeiten zur Herstellung der Schlitzwände und der HDI-Sohlen. Die hierzu eingesetzten Bohrgeräte haben eine Höhe von über 15 m und lassen sich daher nicht einhausen. Lediglich für die Herstellung der neuen Tunneldecke und die Wiederherstellung der Oberfläche käme eine Einhausung jedenfalls theoretisch in Betracht. Um das von den Klägerinnen geforderte Schalldämmmaß von 20 dB zu erzielen, müsste eine feste Abdeckung errichtet werden, die zudem stützfrei ist, weil ansonsten die Bautätigkeit behindert würde. Die Einhausung müsste eine Höhe von mindestens 6 m über Straßenniveau aufweisen, um Hebezugarbeiten zu ermöglichen. Sie würde somit die Fensterfront des ersten Obergeschosses des Hotels verdecken bzw. einschließen. Zudem müsste die Konstruktion fest im Boden verankert werden. Die im Boden zu verankernden Stützen müssten zwischen der Schlitzwand und der Fassade in die Erde eingebracht werden. Auf dem dort ohnehin nur begrenzt zur Verfügung stehenden Raum befinden sich bereits die für die Bauzeit verlegten Leitungen der Versorgungsunternehmen. Zudem müsste die Einhausung zum Großteil direkt vor Ort gefertigt (zugesägt) und dann montiert werden. Hierdurch würden genau die Schlag- und Sägegeräusche auftreten, die durch die Einhausung gerade vermieden werden sollen. Die Anzahl besonders lauter Tage würde sich durch die Arbeiten zur Errichtung der Einhausung damit voraussichtlich erhöhen. In Anbetracht dieser Umstände durfte der Beklagte eine Einhausung zu Recht verwerfen.
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ee) Der Antrag Nr. 5, der Beigeladenen aufzugeben, der Klägerin zu 1 die Kosten für Schallschutzfenster in den Hotelzimmern, im Frühstücks- und Hotelrestaurant sowie in der Lobby zur Straße Unter den Linden und zur Friedrichstraße zu erstatten, die erforderlich sind, um bei einem zulässigen Grenzwert von 60 dB(A) und zulässigen Maximalpegeln von 70 dB(A) einen Innenpegel von 31 dB(A) zu gewährleisten, bleibt ebenfalls erfolglos. Die Klägerin zu 1 hat schon keinen Anspruch darauf, dass die Schallschutzmaßnahmen an einem Außenpegel von 60 dB(A) und einem Innenpegel von 31 dB(A) ausgerichtet werden. Zudem hat der Beklagte den Einbau von Schallschutzfenstern, der nach einer von der Beigeladenen im Verwaltungsverfahren abgegebenen Stellungnahme vom 27. August 2010 gemäß Kostenschätzung vom 18. Juni 2010 circa 1 200 000 € kosten würde, zu Recht mit der Erwägung als unverhältnismäßig verworfen, dass in den Nachtstunden keine Bautätigkeit stattfinden wird, in den Tagstunden wegen der Sperrung der Friedrichstraße die hohe Vorbelastung durch Verkehrslärm entfällt und die baubedingte Lärmbelastung sich an der Mehrzahl der Bautage wegen des bereits vorhandenen hochwertigen Schallschutzes sogar unterhalb des Niveaus der Vorbelastung durch den Verkehrslärm bewegen wird. Zudem würde der Einbau bzw. die Auswechselung von Schallschutzfenstern ebenfalls zu Beeinträchtigungen in der Nutzbarkeit der Objekte führen, die in Relation zu den erzielbaren Erfolgen gestellt werden müssten. So sei beim Hotel W. davon auszugehen, dass eine Auswechselung der Fenster zu Beeinträchtigungen führen würde, die nicht weniger schwer wögen als die verbleibenden Beeinträchtigungen ohne die Maßnahme (S. 36-38 PÄB). Diesen Erwägungen sind die Klägerinnen nicht entgegengetreten.
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Ein Anspruch auf Erstattung der Kosten für den Einbau von Schallschutzfenstern folgt auch nicht daraus, dass nach der Stellungnahme der Akustik-Inge-nieurbüro M. GmbH vom 4. Mai 2010 der mittlere Innenpegel in den Hotelzimmern 31 dB(A) betragen soll, eine Erhöhung der Lautstärke um 3 dB(A) als wesentlich und somit störend wahrgenommen werde und ein Hotelbetrieb mit dem hier gebotenen hohen Komfort bei einem Innenpegel von mehr als 35 dB(A) nicht mehr möglich sei, zumal ein ungestörter Schlaf ein wichtiges Qualitätsmerkmal eines Hotels und lauter Baulärm zwischen 07:00 und 10:00 Uhr daher auch dann besonders störend sei, wenn der über den ganzen Tag gemittelte Beurteilungspegel von 35 dB(A) noch nicht überschritten werde. Setzt man die prognostizierte Zahl der Tage, an denen es durch den Baulärm außen vor der Fassade des Hotels lauter wird als durch den vorhandenen Verkehrslärm bzw. als 71 dB(A) (52 Tage) in Relation zu den Kosten für den Einbau von Schallschutzfenstern, die eine Beibehaltung des bisherigen Lärmniveaus in den Zimmern auch an diesen Tagen ermöglichen, erweist sich der Einbau als unverhältnismäßig. Lediglich ergänzend ist in diesem Zusammenhang darauf hinzuweisen, dass auch die TA Lärm in Nr. 6.5 nur für Gebiete nach Nr. 6.1 Buchst. d bis f (allgemeine Wohngebiete und Kleinsiedlungsgebiete, reine Wohngebiete, Kurgebiete sowie Krankenhäuser und Pflegeanstalten) Tageszeiten mit erhöhter Empfindlichkeit vorsieht (an Werktagen 06.00-07.00 Uhr und 20.00-22.00 Uhr), die in der Tagzeit der AVV Baulärm (07.00 bis 20.00 Uhr) bereits berücksichtigt sind.
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Die Klägerin zu 1 kann auch nicht den Ersatz der Kosten verlangen, die bei der Sanierung 2006 bis 2008 für den Einbau von Schallschutzfenstern der Klasse 3 im Lindenflügel des Hotels aufgewandt wurden. Anhaltspunkte dafür, dass die Schallschutzfenster seinerzeit nicht zum Schutz der Hotelgäste vor Verkehrslärm, sondern zur Abwehr der Lärmeinwirkungen des streitgegenständlichen Bauvorhabens eingebaut worden sind, hat die Klägerin zu 1 nicht dargetan.
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ff) Der Antrag Nr. 6, die Beigeladene zu verpflichten, den Gehweg Unter den Linden vor dem Hotel während der gesamten Bauzeit täglich zu reinigen, bleibt erfolglos. Die Straße Unter den Linden ist in der bei Erlass des Planänderungsbeschlusses geltenden Verordnung über die Straßenreinigungsverzeichnisse und die Einteilung in Reinigungsklassen vom 29. Oktober 2009 (GVOBl Bln S. 505 <545>) im Straßenreinigungsverzeichnis A, Reinigungsklasse 1 (= 7x/Woche), verzeichnet und wird demnach täglich gereinigt. Dass diese Reinigung, die auch den Gehweg umfasst, während der Bauarbeiten unterbleibt, haben die Klägerinnen nicht vorgetragen.
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gg) Der Antrag Nr. 7, die Auflage A II.3.1.8. dahingehend zu ergänzen, dass die Beweissicherung gemäß dem Konzept der GuD vom 26. August 2010 rechtzeitig vor Baubeginn durchzuführen ist, hat keinen Erfolg. Das Beweissicherungskonzept der GuD ist nach der Regelung in A I. des Planänderungsbeschlusses als Anlage 5 vollumfänglich planfestgestellt worden. Wie Ziff. 4.9 (S. 8/9) des Konzepts entnommen werden kann, soll eine Erstbeweissicherung hinsichtlich der Beweissicherungsarten S1 bis S6 vor Beginn der Bauarbeiten erfolgen. Dass die Beweissicherungsart S7 (visuelle Beweissicherung durch einen Sachverständigen) insoweit ausgenommen ist, begegnet keinen Bedenken, weil sie nach den Erläuterungen auf S. 8 des Konzepts im Zuge der Baumaßnahme ggf. bei besonderen Bedingungen und Schadensfällen vorgenommen werden muss, wenn andere Arten der Beweissicherung nicht bzw. nicht mehr möglich sind und es in Anbetracht des Schadens besonderen Sachverstands bedarf.
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hh) Schließlich ist auch dem Antrag Nr. 8, der Beigeladenen aufzugeben, eine Lärmprognose mit detailliertem Bauablauf für die Baufelder II - IV vorzulegen und anzugeben, wann der Immissionsrichtwert von 60 dB(A) überschritten wird und welche Maximalpegel in den einzelnen Bauabschnitten täglich zu erwarten sind, nicht zu entsprechen. Die Klägerinnen können die Vorlage einer solchermaßen detaillierten Lärmprognose nicht verlangen. Der durch Bauarbeiten ausgelöste Lärm ist unregelmäßig und entzieht sich einer noch genaueren Prognose (vgl. Urteil vom 3. März 2011 - BVerwG 9 A 8.10 - BVerwGE 139, 150 Rn. 111 = Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 215 S. 196; VGH Kassel, Urteil vom 17. November 2011 - 2 C 2165/09.T - juris Rn. 272). Soweit möglich hat der Beklagte dem Interesse der Klägerinnen an einer frühzeitigen Information über die zu erwartenden Bauarbeiten durch die Regelung in A II.3.2.1. des Planänderungsbeschlusses Rechnung getragen.
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2. Die im Planänderungsbeschluss in Gestalt der in der mündlichen Verhandlung abgegebenen Protokollerklärungen getroffenen Festsetzungen zum Grund (a) und zu den Bemessungsgrundlagen (b) der Entschädigung sind nicht zu beanstanden. Die weitergehenden Klageanträge Nr. 9a) bis e) und 10 sind nicht begründet (c).
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a) Rechtsgrundlage für Entschädigungsansprüche wegen unzumutbarer Beeinträchtigungen durch die Errichtung eines planfestgestellten Vorhabens ist § 74 Abs. 2 Satz 3 VwVfG. Danach hat - sofern Vorkehrungen oder Anlagen zur Vermeidung nachteiliger Wirkungen auf Rechte anderer untunlich oder mit dem Vorhaben unvereinbar sind - der Betroffene einen Anspruch auf angemessene Entschädigung in Geld. Der Entschädigungsanspruch ist dem Grunde nach im Planfeststellungsbeschluss festzustellen, zudem sind die Bemessungsgrundlagen für die Höhe anzugeben (Urteile vom 11. November 1988 - BVerwG 4 C 11.87 - Buchholz 316 § 74 VwVfG Nr. 6 S. 7<9> und vom 31. Januar 2001 - BVerwG 11 A 6.00 - Buchholz 316 § 74 VwVfG Nr. 56 S. 20<32>).
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aa) Der Ausgleichsanspruch nach § 74 Abs. 2 Satz 3 VwVfG gewährt einen finanziellen Ausgleich für einen anderenfalls unverhältnismäßigen Eingriff in das Eigentum. Es handelt sich dabei nicht um eine Enteignungsentschädigung, sondern um einen Ausgleichsanspruch eigener Art. § 74 Abs. 2 Satz 2 und 3 VwVfG bestimmen im Sinne des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG Inhalt und Schranken des Eigentums. Wird der Eigentümer in der Nutzung seines Grundstücks durch nachteilige Einwirkungen des Vorhabens unzumutbar gestört und können diese Störungen aus den Gründen des Satzes 3 nicht durch physisch-reale Schutzmaßnahmen ausgeglichen werden, muss der Eigentümer die Einwirkungen auf sein Eigentum trotz deren Unzumutbarkeit zwar hinnehmen, wenn in der Abwägung hinreichend gewichtige Belange des Allgemeinwohls für die Verwirklichung des Vorhabens sprechen. Die darin liegende Beschränkung seines Eigentums ist aber nur verhältnismäßig, wenn er finanziell entschädigt wird (Bonk/Neumann, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 7. Aufl. 2008, § 74 Rn. 195 m.w.N.; vgl. BVerfG, Beschluss vom 2. März 1999 - 1 BvL 7/91 - BVerfGE 100, 226 <245 f.>).
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Entschädigungsansprüche aus enteignendem oder enteignungsgleichem Eingriff bestehen neben dem Entschädigungsanspruch aus § 74 Abs. 2 Satz 3 VwVfG nicht. Auch für einen Anspruch aus § 906 Abs. 2 BGB bleibt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs neben den im Planfeststellungsverfahren eröffneten Rechtsbehelfen grundsätzlich kein Raum (BGH, Urteil vom 30. Oktober 2009 - V ZR 17/09 - MDR 2010, 142
).
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bb) § 74 Abs. 2 Satz 3 VwVfG hat Surrogatcharakter. Sein Anwendungsbereich reicht nicht weiter als die Primärregelung des § 74 Abs. 2 Satz 2 VwVfG. Greift § 74 Abs. 2 Satz 2 VwVfG, der den Anspruch auf Schutzvorkehrungen regelt, tatbestandlich nicht ein, so ist auch für die Anwendung von § 74 Abs. 2 Satz 3 VwVfG kein Raum (stRspr, vgl. Urteile vom 27. Juni 2007 - BVerwG 4 A 2004.05 - BVerwGE 129, 83 ff. = Buchholz 316 § 74 VwVfG Nr. 71 Rn. 12 und vom 23. Februar 2005 - BVerwG 4 A 5.04 - BVerwGE 123, 23 = Buchholz 451.91 Europ. UmweltR Nr. 18 S. 93 <103>; BVerfG, Kammerbeschluss vom 23. Februar 2010 - 1 BvR 2736/08 - NVwZ 2010, 512
). § 74 Abs. 2 Satz 3 VwVfG eröffnet keinen Anspruch auf einen Ausgleich aller Nachteile, die ein Planvorhaben auslöst. Auszugleichen sind nur die Nachteile, die die Grenze des Zumutbaren überschreiten und nicht durch physisch-reale Maßnahmen abgewendet werden (Bonk/Neumann, a.a.O. § 74 Rn. 197).
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Keine Schutzvorkehrungen und demgemäß auch keine Entschädigung können wegen einer Beeinträchtigung von rechtlich nicht geschützten wirtschaftlichen oder sonstigen Belangen verlangt werden, auch wenn diese bei der Abwägung grundsätzlich zu berücksichtigen sind. Derartige Belange können durch gegenläufige öffentliche Belange ohne finanziellen Ausgleich überwunden werden. Aus dem Gewährleistungsgehalt der Eigentumsgarantie lässt sich kein Recht auf bestmögliche Nutzung des Eigentums ableiten. Eine Minderung der Wirtschaftlichkeit ist grundsätzlich ebenso hinzunehmen wie eine Verschlechterung der Verwertungsaussichten. Art. 14 Abs. 1 GG schützt nicht bloße Umsatz- und Gewinnchancen und tatsächliche Gegebenheiten, auch wenn diese für das Unternehmen von erheblicher Bedeutung sind, weil sie nicht zum Bestand des eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs gehören. Ein Eigentümer muss es grundsätzlich hinnehmen, wenn sich eine Veränderung der tatsächlichen Gegebenheiten und der damit verbundene Verlust der Lagegunst auf den Bestand des Kundenkreises negativ auswirkt. Nicht geschützt ist insbesondere der Verlust an Stammkunden und die Erhaltung einer optisch ansprechenden Umgebungsbebauung, der über die einfachgesetzlich geregelten Rechte hinausgehende Anliegergebrauch, der Fortbestand einer bestimmten Anbindung an das öffentliche Wegesystem, wenn kein besonderer Vertrauensschutz besteht, und entstehende Lagenachteile, die zu einer Minderung des Grundstückswertes führen. Auch Ertragseinbußen, z.B. durch die Furcht der Kunden vor unzumutbarem Lärm, sind nicht nach § 74 Abs. 2 Satz 3 VwVfG ersatzfähig, denn § 74 Abs. 2 Satz 2 VwVfG dient dem Schutz vor tatsächlichen und nicht vor vermeintlichen Lärmbelastungen (Urteile vom 27. Juni 2007 a.a.O. Rn. 12 ff. und vom 16. März 2006 - BVerwG 4 A 1075.04 - BVerwGE 125, 116 <260> = Buchholz 442.40 § 8 LuftVG Nr. 23 S. 2<104>; Beschlüsse vom 21. Oktober 2003 - BVerwG 4 B 93.03 - juris und vom 8. September 2004 - BVerwG 4 B 42.04 - Buchholz 316 § 74 VwVfG Nr. 66 S. 51<52 f.>).
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cc) Bei Anlegung dieser Maßstäbe hat der Beklagte den Klägerinnen eine Entschädigung dem Grunde nach zu Recht nur für die verbleibenden unzumutbaren Beeinträchtigungen durch Baulärm (und etwaige Erschütterungs- und Setzungsschäden, A II.3.1.8.), nicht aber für alle Auswirkungen der Baustelle auf den Hotelbetrieb zugesprochen. Die gegenteilige Auffassung der Klägerinnen, die Entschädigung nach § 74 Abs. 2 Satz 3 VwVfG sei als "Ausgleich für das Ertragen einer Belastung zu Gunsten einer Baumaßnahme für den öffentlichen Personennahverkehr" zu sehen, geht am gestuften Regelungskonzept des § 74 Abs. 2 Satz 2 und 3 VwVfG vorbei. Da der Ausgleichsanspruch nur der Kompensation eines gleichheitswidrigen Sonderopfers dient, muss er grundsätzlich auch nur diejenige Belastung ausgleichen, die die von der Sozialgebundenheit gerechtfertigte Belastung des Eigentums übersteigt (BVerfG, Kammerbeschluss vom 23. Februar 2010 a.a.O. Rn. 43). Die Klägerinnen übersehen, dass der Beklagte der Beigeladenen zum Schutz der Baustellenanlieger vor Beeinträchtigungen durch Baulärm, Staub und Erschütterungen entsprechend der Vorrangregelung in § 74 Abs. 2 Satz 2 VwVfG eine Reihe von Schutzvorkehrungen auferlegt hat. Dazu gehören etwa die Auflagen, lärmarme Bauverfahren und Baugeräte einzusetzen (A II.3.1.1.), die zeitliche Beschränkung der Bauarbeiten auf die Zeit zwischen 07:00 und 20:00 Uhr (A II.3.1.2.), die Arkadenverkleidung (A II.3.2.3.), die Regelungen zum Einsatz von Schlitzwandbaggern (A II.3.1.4.) und zur Schlitzwanderstellung (A II.3.2.2.) sowie zur Einhaltung der Anhaltswerte der DIN-Vorschrift 4150-2 und 3 und der VDI-Richtlinie 2719 hinsichtlich Erschütterungen und sekundärem Luftschall (A II.3.1.5.). Zudem sind Auflagen im Hinblick auf die Staubentwicklung, die Verschmutzung bzw. Reinhaltung der Fassaden, zur Fußgängerquerung Unter den Linden und zum Erscheinungsbild der Baustelle erteilt worden (A II.3.2.7. bis 3.2.10.). Schließlich hat sich der Beklagte unter A II.3.2.6.2. die Anordnung weiterer Maßnahmen für den Fall vorbehalten, dass sich nach der konkretisierten Bauablaufplanung oder den Ergebnissen der angeordneten kontinuierlichen Kontrollmessungen abzeichnet, dass der Beurteilungspegel an mehr als den prognostizierten Tagen einen Wert von 68 dB(A) überschreitet oder sich die vorgesehene Gesamtbauzeit der lärmintensiven Arbeiten (12 Monate) um mehr als einen Monat erhöht. Gleiches gilt in Bezug auf Erschütterungen und sekundären Luftschall, falls sich herausstellt, dass entgegen der Prognose die vorgegebenen Anhaltswerte nicht eingehalten werden.
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Unzumutbare, die Grenze der Sozialbindung übersteigende nachteilige Auswirkungen werden aufgrund der getroffenen Schutzvorkehrungen im Ergebnis nur (noch) durch den Baustellenlärm ausgelöst, weil weitere Schutzauflagen zu dessen Abwehr oder Reduzierung untunlich bzw. mit dem Vorhaben unvereinbar sind. Dagegen kommt dem Umstand, dass - wie die Klägerinnen vortragen - Stammkunden und Touristen das Hotel unabhängig von der tatsächlichen Lärmbelastung durch die Baustelle schon deshalb meiden, weil es bis zur Deckelung im Umfeld einer Baustelle liegt, im Rahmen von § 74 Abs. 2 Satz 3 VwVfG keine Bedeutung zu. Dieser Effekt ließe sich durch keinerlei wie auch immer geartete Schutzmaßnahmen verhindern, namentlich stellt entgegen der Auffassung der Klägerinnen das "Unterlassen" der Baustelle keine Schutzvorkehrung im Sinne des § 74 Abs. 2 Satz 2 VwVfG dar.
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dd) Dass der Beklagte eine Entschädigung für die Beeinträchtigung von Innenräumen dem Grunde nach davon abhängig gemacht hat, dass die oberen Anhaltswerte der VDI-Richtlinie 2719 "Schalldämmung von Fenstern und deren Zusatzeinrichtungen" für Innenschallpegel von 40 dB(A) für Hotelzimmer und Vortragsräume sowie 50 dB(A) für Restaurants/Gaststätten/Läden überschritten werden, ist nicht zu beanstanden. Abweichendes folgt nicht daraus, dass nach dem Inhalt eines in den Planunterlagen befindlichen Prüfberichts der Akustik-Ingenieurbüro M. GmbH vom 11. Dezember 2009 und einer ergänzenden Stellungnahme vom 4. Mai 2010 trotz der unterschiedlichen Fensterschalldämmungen in den Hotelzimmern (von FSSK 1 bis FSSK 3) in allen Zimmern ein Schalldruckpegel in der Größenordnung von circa 31 dB(A) gemessen worden ist.
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Es spricht nichts dagegen, die Zumutbarkeitsgrenze für Innengeräuschpegel an den oberen Anhaltswerten der VDI-Richtlinie 2719 zu orientieren. Die VDI-Richtlinie 2719 gilt grundsätzlich nur für dauerhafte Lärmeinwirkungen, kann aber auch bei länger andauernden stationären Großbaustellen herangezogen werden. Dabei rechtfertigt es die begrenzte Dauer solcher Baustellen, sich an den oberen Anhaltswerten zu orientieren. Zwar mag der VDI-Richtlinie 2719 in Nr. 6.3 Tabelle 6 die Vorstellung zugrunde liegen, dass bei einem dauerhaften Schallschutz innerhalb der Anhaltswerte je nach Empfindlichkeit einzelner Nutzungsarten weiter differenziert werden soll. Im Hinblick auf die letztlich begrenzte Zeitdauer der sehr lauten Bauphasen konnte hier aber pauschalierend vorgegangen werden, zumal auch die Ausschöpfung der oberen Anhaltswerte der VDI-Richtlinie 2719 für die Tagzeit nicht zu unzumutbaren Zuständen führt.
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Innenschallpegel von 40 dB(A) in Hotelzimmern und Vortragsräumen und 50 dB(A) in Gaststätten/Restaurants/Läden stellen keine unzumutbare Belastung dar. Bei Wohnnutzungen ist Schutzziel für die - hier allein relevante - Tagzeit der AVV Baulärm (07.00-20.00 Uhr), unzumutbare Kommunikationsbeeinträchtigungen im Gebäudeinneren zu vermeiden. Nach dem Stand der aktuellen Lärmwirkungsforschung sind tagsüber zur Vermeidung von Kommunikationsstörungen in geschlossenen Wohnräumen Mittelungspegel von 45 dB(A) innen einzuhalten ("Sprachverständlichkeit"; Urteil vom 16. März 2006 - BVerwG 4 A 1075.04 - BVerwGE 125, 116.
= Buchholz 442.40 § 8 LuftVG Nr. 23; Reidt/Schiller, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Bd. IV, Stand Juli 2011, Vorbem. 18. BImSchV Rn. 14; Fickert/Fieseler, BauNVO, 11. Aufl. 2008, § 15 Rn. 19.1). Für Räume, die als Gaststätte, Restaurant oder Ladengeschäft genutzt werden, und deren Schutzwürdigkeit gegenüber Wohnräumen, Tagungsräumen etc. daher gemindert ist, beträgt der obere Anhaltswert der VDI-Richtlinie 2719 50 dB(A).
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Der Einwand der Klägerinnen, der Planänderungsbeschluss gehe von zu optimistischen Schalldämmmaßen der Außenfassaden des Hotels W. aus, ist angesichts der vorgetragenen aktuellen Innenschallpegel von circa 31 dB(A) und des vorhandenen Verkehrslärms kaum nachzuvollziehen. Ungeachtet dessen übersehen die Klägerinnen, dass der Planänderungsbeschluss auch den Fall, dass die Eigentümer ein geringeres Schalldämmmaß geltend machen und nachweisen, regelt. In A II.3.2.4. ist festgelegt, dass in einem solchen Fall die entsprechend geringeren Werte zugrunde zu legen sind. Die Kosten für den Nachweis und die Einzelfalluntersuchung trägt die Vorhabenträgerin (S. 10 PÄB). Der Beklagte hat mit Schriftsatz vom 6. Juli 2012 ausdrücklich und mit bindender Wirkung für ein etwaiges Entschädigungsverfahren klargestellt, dass diese Regelung ungeachtet der in der mündlichen Verhandlung vorgenommenen Änderungen und Streichungen auf S. 42 des Planänderungsbeschlusses uneingeschränkt Anwendung findet.
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b) Die zur Bemessung der Höhe der Entschädigung maßgeblichen Faktoren sind im Planänderungsbeschluss in Gestalt der vom Beklagten in der mündlichen Verhandlung abgegebenen Protokollerklärungen in ausreichender Weise festgelegt.
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aa) Nach der Grundregelung in A II.3.2.4. des Planänderungsbeschlusses ist die Entschädigung zu leisten für die Beeinträchtigung von Hotelzimmern, Tagungsräumen, Restaurants, Läden und Außenwohnbereichen bezogen auf die Tage, an denen die festgelegten Pegel (68 dB(A) für Außenwohnbereiche, 40 bzw. 50 dB(A) für Innenräume) überschritten werden. Die Höhe der Entschädigung für das Hotel richtet sich gemäß der ergänzenden Regelung auf S. 42 des Planänderungsbeschlusses nach dem Ertragsausfall zwischen Baubeginn und Deckelung der Baugruben in der Friedrichstraße und der Straße Unter den Linden, der darauf zurückzuführen ist, dass es in diesem Zeitraum vor den Fassaden zur Friedrichstraße und Unter den Linden zu Überschreitungen eines Beurteilungspegels von 71 dB(A) kommt. Für vermietete Restaurants und Ladengeschäfte richtet sich die Entschädigung nach dem Maß der zulässigen Mietminderung bezogen auf die Tage, an denen vor den Fassaden zur Friedrichstraße und zur Straße Unter den Linden ein Beurteilungspegel von 81 dB(A) überschritten wird. Für den Fall, dass geringere Schalldämmmaße nachgewiesen werden, sind die entsprechend niedrigeren Werte maßgeblich (A II.3.2.4. S. 10 PÄB).
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bb) Diese Festlegungen begegnen keinen Bedenken. Bei nur vorübergehenden Beeinträchtigungen von Gewerbebetrieben bzw. gewerblich genutzten Grundstücken durch eine Baustelle kommt es in der Regel nicht zu dauerhaften Verkehrswertminderungen, sondern zu Ertragsverlusten. Diese sind auszugleichen, soweit sie auf dem Überschreiten der Zumutbarkeitsschwelle beruhen. Dabei dürfen keine Nachteile von der Entschädigungspflicht ausgeschlossen werden, deren Entschädigung für einen adäquaten Ausgleich erforderlich ist (Bonk/Neumann, a.a.O. § 74 Rn. 198). Hierauf zielt die in der mündlichen Verhandlung in A II.3.2.4. sowie in B IV.2.1.4.3. neu eingefügte Formulierung "bezogen auf die Tage", die weiter gefasst ist als die ursprüngliche Formulierung "an den Tagen". Sie soll sicherstellen, dass Bemessungsgrundlage für die Entschädigung nicht nur die konkreten Tage sind, an denen es zu Überschreitungen der maßgeblichen Pegel gekommen ist, sondern diese Tage zu übergeordneten Zeitabschnitten in Beziehung gesetzt werden.
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Im Hinblick auf den Hotelbetrieb als solchen ist dieser übergeordnete Zeitabschnitt der Zeitraum vom Baubeginn bis zur Deckelung (S. 42 PÄB). Diese Festlegung trägt zum einen den Besonderheiten des Hotelbetriebs, insbesondere dem notwendigen Buchungsvorlauf in allen drei Marktsegmenten, und zum anderen dem Umstand Rechnung, dass die Tage mit unzumutbaren Lärmeinwirkungen nicht mit der für eine sinnvolle Belegungsplanung erforderlichen Präzision vorausgesagt werden können. Eine Regelung, die nur auf die konkreten Tage mit Überschreitungen des Beurteilungspegels abhebt, ist daher nicht sachgerecht. Ein Hotelbetrieb ist in besonderem Maße auf eine antizipierende Planung angewiesen, auf tagesaktuelle Entwicklungen und Ereignisse in seinem Umfeld kann er - wenn überhaupt - allenfalls bedingt reagieren. Es erscheint daher als durchaus denkbar, dass eine Gesamtschau der Ergebnisse des in A II.3.2.5. angeordneten Lärmmonitorings, der dem Hotelbetrieb gemäß A II.3.2.1. übermittelten Informationen über den Bauablauf und der Entwicklung der Ertragslage des Hotels im Zeitraum vom Baubeginn bis zur Deckelung zu dem Ergebnis führt, dass eine Vermietung von zur Friedrichstraße und zur Straße Unter den Linden hin gelegenen Hotelzimmern, Tagungsräumen etc. auch an den Tagen bzw. in den Zeiträumen ohne unzumutbarem Baulärm nicht sinnvoll möglich war und dies daher an mehr als den prognostizierten 52 Tagen mit einer Überschreitung der Zumutbarkeitsschwelle zu einer Unterauslastung des Hotels geführt hat.
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Für die vermieteten Räume (Restaurants, Ladengeschäfte, Galerie) schließt die Formulierung "bezogen auf die Tage" aus, dass die nach Maßgabe der zivilgerichtlichen Rechtsprechung bei Baulärm je nach Art und Dauer der Beeinträchtigung angemessene Mietminderung, deren Bezugsgröße in der Regel die monatsweise zu entrichtende Miete ist, im Entschädigungsverfahren auf die Tage "heruntergerechnet" wird, an denen der Baulärm die Zumutbarkeitsschwelle überschritten hat.
- 86
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Weitergehende Festsetzungen mussten im Planfeststellungsverfahren, das von seiner Aufgabenstellung und seiner herkömmlichen Gestaltung her nicht die Voraussetzungen für eine detaillierte Berechnung von Geldentschädigungen bietet, nicht getroffen werden (Urteil vom 22. März 1985 - BVerwG 4 C 15.83 - BVerwGE 71, 166 <175> = Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 59 S. 59<67>). Es ist nicht Aufgabe der Planfeststellungsbehörde, im Planfeststellungsbeschluss Regelungen zum Ablauf des nachfolgenden Entschädigungsverfahrens oder zur methodischen Ermittlung der Entschädigungshöhe festzulegen. Das gilt umso mehr, wenn es - wie hier - um eine Entschädigung für vorübergehende Beeinträchtigungen geht. Die Angemessenheit der Entschädigung hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Dazu gehören bei vorübergehenden Beeinträchtigungen regelmäßig auch solche Umstände, die erst rückblickend nach Abschluss der Baumaßnahmen festgestellt werden können. Dies trifft vorliegend etwa auf die für die Bemessung der Entschädigung zwingend erforderliche Auswertung des Lärmmonitorings und der Entwicklung der Ertragslage des Hotels zu.
- 87
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Die Rüge der Klägerinnen, auch mithilfe der vorgenommenen Änderungen und Ergänzungen des Planänderungsbeschlusses werde das Problem, einen Kausalzusammenhang zwischen den unzumutbaren Lärmeinwirkungen und den Ertragseinbußen feststellen zu können, nicht gelöst, sondern in das Entschädigungsverfahren verlagert, führt zu keinem anderen Ergebnis. Die Frage, inwieweit Ertragseinbußen des Hotels auf unzumutbare Lärmeinwirkungen durch die Baustelle zurückzuführen sind, kann ungeachtet methodischer Einzelfragen schlechterdings nicht unabhängig von den Ergebnissen des Lärmmonitorings und der Ertragsentwicklung des Hotels beantwortet werden. Die Entscheidung darüber kann und muss daher - sofern die Beteiligten keine Einigung erzielen - dem Entschädigungsverfahren vorbehalten bleiben (vgl. A II.3.2.4. Satz 5). Den Klägerinnen werden dadurch keine Rechte abgeschnitten.
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c) Die mit den weitergehenden Anträgen Nr. 9 und 10 begehrten Änderungen und Ergänzungen der im Planfeststellungsbeschluss getroffenen Festlegungen zu Grund und Bemessung der Entschädigung bleiben erfolglos.
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aa) Einen Ausgleich derjenigen Ertragseinbußen, die dadurch entstehen, dass die zur Straße Unter den Linden und zur Friedrichstraße hin gelegenen Hotelzimmer für die Zeit vom Baubeginn bis zur Deckelung der Baugruben nicht vermietet werden (Antrag Nr. 9a, 1. Variante), können die Klägerinnen nicht beanspruchen. § 74 Abs. 2 Satz 3 VwVfG gewährt einen Ausgleich nur für die Nachteile, die auf dem Überschreiten der Zumutbarkeitsschwelle beruhen.
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Der Hilfsantrag Nr. 9a, 2. Variante, den Klägerinnen die nach Anordnung weiterer aktiver und passiver Schallschutzmaßnahmen im Zeitraum vom Baubeginn bis zur Deckelung der Baugruben verbleibenden Ertragseinbußen zu entschädigen, wird nicht relevant, weil die Klägerinnen weitere Schallschutzmaßnahmen nicht beanspruchen können (s.o. unter 1.c). Im Übrigen kann auf die Ausführungen unter aa) verwiesen werden.
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Einen Anspruch auf Entschädigung der Ertragseinbußen bis zu zwei Jahre nach Abschluss der Deckelung (Antrag Nr. 9b) haben die Klägerinnen - von allem anderen abgesehen - schon deshalb nicht, weil das Hotel nach der Deckelung der Baugruben keinen unzumutbaren (Lärm)Beeinträchtigungen mehr ausgesetzt sein wird. Andere Nachteile werden über § 74 Abs. 2 Satz 3 VwVfG nicht ausgeglichen.
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Die Klägerinnen können nicht verlangen, dass der Beklagte den Planfeststellungsbeschluss dahingehend ergänzt, dass die Ertragseinbußen durch einen mit ihrem Einverständnis ausgewählten Sachverständigen ermittelt werden (Antrag Nr. 9c). Ob - wofür vorliegend Einiges spricht - zum Entschädigungsverfahren ein Sachverständiger beigezogen wird, hat nicht die Planfeststellungs-, sondern die Entschädigungsbehörde zu entscheiden.
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Die Klägerinnen können auch keine Regelung des Inhalts beanspruchen, dass als durch die Baustelle verursacht eine Minderung des RevPar des W. im Unterschied zum RevPar des Vergleichsmarktes der Fünf-Sterne-Hotels in Berlin-Mitte gilt (Antrag Nr. 9d). Dieser Antrag zielt darauf, die Methode zur Ermittlung des Ertragsausfalls im Planfeststellungsbeschluss festzulegen. Das ist nicht Aufgabe der Planfeststellungsbehörde.
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Die Klägerinnen haben überdies keinen Anspruch darauf, dass im Planfeststellungsbeschluss geregelt wird, dass die Entschädigung monatlich ermittelt und ausgeglichen wird (Antrag Nr. 9e). Über die Modalitäten der Ermittlung, Festsetzung und der Auszahlung der Entschädigung hat nicht die Planfeststellungsbehörde zu entscheiden.
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bb) Schließlich bleibt auch der Antrag Nr. 10, den Klägerinnen die durch die Baustelle verursachten Mietminderungen der Ladengeschäfte und des Restaurants N. zu entschädigen und die Angemessenheit der Entschädigung durch einen Sachverständigen unter Berücksichtigung des Bauablaufs und vergleichbarer Mieten jeweils nach Ablauf eines Monats zu ermitteln, erfolglos. Die Klägerinnen haben keinen Anspruch auf Ausgleich der baustellenbedingten Mietminderungen, sondern nur auf Ausgleich der aufgrund unzumutbarer Beeinträchtigungen durch Baulärm gerechtfertigten Mietminderungen. Auch insoweit ist es nicht Aufgabe der Planfeststellungsbehörde, Regelungen zum Verfahren zu treffen. Über das Maß der zulässigen Mietminderung hat zunächst die Entschädigungsbehörde zu entscheiden, die insoweit ggf. einen Sachverständigen zu Rate ziehen wird.
Tenor
Der Ausbaubeitragsbescheid der Beklagten vom 18.09.2006 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 21.03.2007 wird aufgehoben, soweit er einen Betrag von 28.053,79 € übersteigt. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Der Kläger trägt 95 %, die Beklagte 5 % der Kosten des Verfahrens.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beteiligten können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 % der jeweiligen Vollstreckungsschuld abwenden, wenn nicht die Gegenseite vor der Vollstreckung in gleicher Höhe jeweils Sicherheit leistet.
Tatbestand
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Die Beteiligten streiten um die Rechtmäßigkeit eines Ausbaubeitragsbescheides.
- 2
Der Kläger ist Miteigentümer des Grundstückes Kehdenstraße ... im Stadtgebiet der Beklagten. Das Grundstück liegt im unbeplanten Innenbereich, ist 425 m² groß und mehrgeschossig bebaut. Durch einen Vertrag aus dem Jahre 1960 erlaubten die damaligen Grundstückseigentümer der Beklagten, einen ca. 102 m² großen Teil des Grundstückes dem Gebrauch als öffentliche Straße zuzuführen, um die Kehdenstraße zu verbreitern und in das Haus Arkaden einzubauen. Die der Beklagten eingeräumte Nutzung erstreckte sich auf die Oberfläche des Bürgersteiges und den darüberliegenden Luftraum unter dem 1. Obergeschoss. Die Eigentümer verpflichteten sich und ihre etwaigen Rechtsnachfolger zur Duldung der damit einhergehenden Beschränkungen und erhielten als Entschädigung einen Betrag von 52.000,00 DM. § 5 des Vertrages sah vor, dass die Beklagte den Einbau der Arkaden auf eigene Kosten veranlasst und die Unterhaltung und Befestigung des Bürgersteiges übernimmt. Im Jahre 1963 wurde zu Gunsten der Beklagten eine entsprechende beschränkt persönliche Dienstbarkeit im Grundbuch eingetragen.
- 3
Im Jahre 2001 begann die Beklagte, die Neugestaltung des Altstadtbereichs Faul-, Küter- und Kehdenstraße zu planen; die Kehdenstraße sollte im 4. und 5. Bauabschnitt ausgebaut werden. Ziel der Planung war es, die Attraktivität der Altstadt durch Umgestaltung der Verkehrsflächen zu steigern, um so insbesondere die Situation des Einzelhandels zu verbessern. Zwecks Vorfinanzierung wurden die baulichen Veränderungen zum einen der Landesbank Schleswig-Holstein und zum anderen - bezüglich der Kehdenstraße - der Immobilienverwaltungsgesellschaft SH (IVWG) übertragen. Nach dem zu diesem Zweck am 16. Juni 2003 abgeschlossenen Finanzierungsvertrag erstellte die Beklagte die Planunterlagen und die Ausschreibungsunterlagen für den Aus- und Umbau, während die IVWG auf dieser Grundlage die Ausschreibung durchführte und anschließend die Aus- und Umbauarbeiten auf eigene Rechnung veranlasste. Nach § 4 Abs. 3 des Vertrages sollte das für die Fahrbahn und den Parkstreifen benötigte Granitgroßpflaster von der Beklagten zur Verfügung gestellt werden. Die von der Beklagten und der IVWG aufzubringenden Gesamtkosten wurden im Vertrag auf 614.000,00 € geschätzt. Nach § 11 Abs. 2 sollte die Beklagte der IVWG ihren Aufwand wie folgt erstatten: Die Beklagte führt auf der Grundlage der vorgelegten und geprüften Schlussrechnungen eine Beitragsveranlagung gemäß § 8 KAG für die von der Kehdenstraße erschlossenen Grundstücke durch. Soweit Ausbaubeiträge durch Beitragsbescheide festgesetzt werden, sollten die jeweiligen Ausbaubeiträge nebst städtischem Anteil am beitragsfähigen Aufwand maximal in der Höhe erstattet werden, wie der IVWG Kosten entstanden sind. Für einen anderen Teil der erschlossenen Grundstücke sollte die IVWG den jeweiligen Ausbaubeitrag und den jeweiligen städtischen Anteil am beitragsfähigen Aufwand selbst tragen und mit den jeweiligen Eigentümern Regelungen hinsichtlich einer Rückerstattung treffen. Hinsichtlich der Aufwendungen der Beklagten sollte diese die auf die jeweiligen Grundstücke entfallenden Ausbaubeitragsanteile und den jeweiligen städtischen Anteil am beitragsfähigen Aufwand selbst übernehmen. Für nicht beitragsfähige Maßnahmen sollte jede Vertragspartei die von ihr finanzierten Maßnahmen selbst tragen.
- 4
Nach Abschluss der Arbeiten und Abnahme im August 2004 beschloss der Bauausschuss der Beklagten am 02.02.2006, 75 % der beitragsfähigen Kosten auf die Anlieger der Kehdenstraße umzulegen. Im Einzelnen wurden die Gehwege an das neue Niveau angepasst, einheitlich neu gepflastert und mit einer Frostschutzschicht versehen. Die Fahrbahn wurde mit Großpflaster neu befestigt und erhielt einen verstärkten, den heutigen Verkehrsverhältnissen angepassten frostsicheren Unterbau. Es wurden Parkstreifen neu angelegt, Baumpflanzungen vorgenommen und die Beleuchtungsanlage dem Erscheinungsbild der Straße angepasst.
- 5
Mit Bescheid vom 18.09.2006 setzte die Beklagte den für das Grundstück Kehdenstraße ... errechneten Beitragsanteil auf 29.456,54 € fest und zog den Kläger in voller Höhe zur Zahlung heran. Bei der Berechnung legte sie die volle Grundstücksgröße von 425 m² zu Grunde, während bei der Geschossflächenberechnung die dem öffentlichen Verkehr gewidmete Fläche von 103 m² erst ab dem 1. Obergeschoss berücksichtigt wurde. Auf der Grundlage der so berechneten Gesamtfläche berechnete sie weiter einen grundstücksbezogener Artzuschlag von 30 %. Den gegen die Beitragsfestsetzung am 12.10.2006 eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 21.03.2007 als unbegründet zurück.
- 6
Am 19.04.2007 hat der Kläger dagegen Klage erhoben. Er ist der Auffassung, dass zur Einrichtung auch der an der Kehdenstraße liegende Anna-Pogwisch-Platz gehöre; dieser diene den Anwohnern der Kehdenstraße als Parkplatz und sei auch nur über die Kehdenstraße zu erreichen. Den Ausbau dieses Platzes habe die Beklagte stets als ein einheitliches Projekt zusammen mit der Kehdenstraße angesehen. In der Folge habe die Beklagte das Abrechnungsgebiet fehlerhaft gebildet. Zum einen seien auch die Anwohner des Anna-Pogwisch-Platzes zu den umlagefähigen Kosten heranzuziehen, zum anderen hätten auch die Hinterlieger der Grundstücke Kehdenstraße ... und Kehdenstraße ... zu Beiträgen herangezogen werden müssen, weil auch diese Grundstücke über die Kehdenstraße erschlossen seien. Die an die Holstenbrücke angrenzenden Grundstücke seien über den Eingang im Hause Kehdenstraße ... zu erreichen, auch wenn es sich insoweit nur um einen Nebeneingang handele. Das Grundstück Holstenbrücke ... wickele seinen Zuliefererverkehr im Übrigen hauptsächlich über die Kehdenstraße ab.
- 7
Die Einstufung der Kehdenstraße als Anliegerstraße sei fehlerhaft. Tatsächlich habe der Verkehr in der Kehdenstraße überwiegend Ziele in der Küterstraße und im weiteren Altstadtbereich.
- 8
Die abgerechneten Baumaßnahmen seien nicht erforderlich gewesen. Der Gehweg habe einen hinreichenden Unterbau gehabt und sei nicht schadhaft gewesen. Der Gehweg habe auch keine optische Aufwertung erfahren, weil er schon vorher mit Betonplatten belegt gewesen sei. Auch die Fahrbahn habe keinen neuen Unterbau benötigt. Die Oberfläche hätte aufgrund der Erneuerung des Leitungssystems der Stadtwerke sowie der Entwässerungsleitungen ohnehin geöffnet werden müssen. Bei dieser Gelegenheit hätte das gesamte Großsteinpflaster aufgenommen werden müssen, sodass in diesem Zusammenhang auch die Absenkungen behoben und die Schäden hätten beseitigt werden können. Insoweit habe die Beklagte auch ihre Instandsetzungs- und Unterhaltungsverpflichtungen verletzt. Die vor der Maßnahme vorhandene Straßenbeleuchtung habe den Anforderungen genügt und auch durch die nunmehr aufgestellten Straßenlaternen mit Erdverkabelung keine Verbesserung erfahren. Die Neuanordnung der Stellplätze habe nicht zu einer Erhöhung der Aufenthaltsqualität geführt. Auch vorher sei ausreichend Platz gewesen, um mit Kinderwagen oder Rollstühlen zwischen parkenden Fahrzeugen und Häuserwänden hindurchzugelangen. So hätten die abgerechneten Maßnahmen nicht zu einem beitragsfähigen Vorteil für die Anlieger geführt. Vielmehr habe sich durch die Verringerung der PKW-Stellplätze die Parkplatzsituation im Bereich Kehdenstraße weiter verschärft.
- 9
Die Kosten für das eingebrachte Großpflaster hätten nicht auf die Anlieger umgelegt werden dürfen, weil dieses schon vorhanden gewesen sei. Der Wert des aufgenommenen Großpflasters sei jedenfalls gegen zu rechnen gewesen, weil dieses wieder verwertbar sei. Die Verwertbarkeit und Weiterverwendung habe auch schon frühzeitig festgestanden.
- 10
Die Kosten für die Neupflasterung des Gehwegs auf dem klägerischen Grundstück und die Schadensbeseitigung an der Kellerdecke des Gebäudes dürfe die Beklagte nicht auf den Kläger und die anderen Anlieger umlegen, weil die Beklagte sich mit dem Vertrag von 1960 selbst zur Unterhaltung und Befestigung des Gehweges verpflichtet habe. Anderenfalls würde der Vertrag ebenso unterlaufen wie die noch am 14.08.2003 erteilte Zusage der Beklagten, die Kellerdecke auf eigene Kosten zu erneuern. Die Schäden an der Kellerdecke seien erst durch eine fehlerhafte Planung und Ausführung der Bauarbeiten erfolgt. Die Decke sei beim Abfräsen derart beschädigt worden, dass sie anschließend nicht mehr tragfähig gewesen sei. Das Abfräsen wiederum sei nur deshalb erforderlich gewesen, weil man das Niveau wegen der hier zu verlegenden Granitpflastersteine zu tief habe absenken müssen.
- 11
Bei der Berechnung des auf das klägerische Grundstück entfallenden Beitrages habe die dem öffentlichen Verkehr gewidmete Teilfläche von 103 m² nicht berücksichtigt werden dürfen, weil dem Kläger jedenfalls insoweit kein Vorteil zugewachsen sei.
- 12
Der Kläger beantragt,
- 13
den Bescheid der Beklagten vom 18.09.2006 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 21.03.2007 aufzuheben.
- 14
Die Beklagte beantragt,
- 15
die Klage abzuweisen.
- 16
Sie ist der Auffassung, dass es sich bei der Kehdenstraße einerseits und bei dem Anna-Pogwisch-Platz andererseits um jeweils selbständige öffentliche Einrichtungen handele. Der Platz sei von der Straße optisch abgesetzt und erfülle auch eine andere Funktion. Er diene nicht nur dem Parken, sondern werde auch zu Marktzwecken genutzt. Hiervon ausgehend sei das Abrechnungsgebiet auch sonst zutreffend gebildet worden. Die hinter den Grundstücken Kehdenstraße ... und ... liegenden Grundstücke seien von der Ausbaumaßnahme nicht bevorteilt, weil es ihnen an der erforderlichen räumlich engen Beziehung zur ausgebauten Straße fehle.
- 17
Bei der Kehdenstraße handele es sich um eine Anliegerstraße, weil sie überwiegend dem Zugang oder der Zufahrt zu den von ihnen erschlossenen Grundstücken diene und zudem verkehrsberuhigt sei. Die bei der Beitragsveranlagung vorzunehmende Einstufung habe sich an den in der Satzung enthaltenen Definitionen zu orientieren. Die Einteilung selbst beschränke sich aus Gründen der Praktikabilität auf relativ grobe Unterscheidungen. Im Übrigen sei der tatsächliche Verkehr nicht überwiegend dem innerörtlichen Durchgangsverkehr zuzuschreiben.
- 18
Die durchgeführten Baumaßnahmen seien als Erneuerung bzw. Verbesserungsmaßnahmen auch erforderlich gewesen. Fahrbahn und Gehweg seien abgängig und deshalb erneuerungsbedürftig gewesen, weil es ihnen an einem hinreichenden Unterbau gefehlt habe. Dies zeige schon das im Verwaltungsvorgang befindliche Fotomaterial, auf dem erhebliche Schäden und Versackungen zu erkennen seien. Die Fahrbahn sei im Jahr 1908 hergestellt worden und habe jedenfalls seit 1950 keinen wesentlichen Ausbau mehr erfahren. Im Rahmen der Unterhaltung habe die Beklagte die wegen des fehlenden Unterbaus entstandenen Versackungen durch entsprechende Asphaltarbeiten ausgeglichen, um die Verkehrssicherheit zu erhalten. Im Gehwegbereich habe der mangelhafte Unterbau zum Absacken der Platten und zum Entstehen von Stolperkanten von mehr als 2 cm geführt, so dass eine Unterhaltung im Ergebnis nicht mehr wirtschaftlich gewesen sei. Neben der Erneuerung liege auch der Tatbestand einer Verbesserung vor, weil die Umgestaltung der Kehdenstraße die Attraktivität der Altstadt erhöht und die Aufenthaltsqualität auch für Fußgänger nachhaltig gesteigert habe. So sei insbesondere die Situation des ansässigen Einzelhandels verbessert worden. Gegen die Erforderlichkeit spreche schließlich auch nicht die Tatsache, dass die Stadtwerke und die Beklagte als Trägerin der Abwasserbeseitigung die Erneuerung der Kehdenstraße zum Anlass genommen hätten, ihre dort verlegten Leitungen, Anlagen und Einrichtungen zu erneuern und zu ertüchtigen. Als Trägerin der Straßenbaulast sei die Beklagte nicht verpflichtet, andere Maßnahmenträger im Rahmen von Ausbaumaßnahmen finanziell zu beteiligen. Für die eingebrachten Großpflastersteine seien keine Kosten entstanden, insoweit habe die Beklagte vorhandene Großpflastersteine zum Wiedereinbau zur Verfügung gestellt. Im Übrigen seien bei der Ermittlung des beitragsfähigen Aufwandes allein die tatsächlichen Kosten maßgeblich. Durch die Wiederverwendung entstehe auf Seiten der Beklagten auch kein Wertzuwachs.
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Der mit den Voreigentümern im Jahre 1960 geschlossene Vertrag schließe eine Einbeziehung der Kosten für den Gehweg im Bereich des klägerischen Grundstückes nicht aus. Die von der Beklagten übernommene Unterhaltung entspreche der öffentlich-rechtlichen Straßenbaulast. Die Kosten seien umlagefähig, wenn die damit verbundenen Maßnahmen gleichzeitig einen beitragsfähigen Vorteil für die Anlieger begründeten. Dies gelte auch für die erforderlich gewordenen Arbeiten an der Kellerdecke. Sie sei Bestandteil des Gehwegs und aufgrund ihres baulichen Zustandes in gleicher Weise abgängig gewesen wie die Kehdenstraße im Übrigen. Die dem öffentlichen Verkehr gewidmete Teilfläche des klägerischen Grundstückes von ca. 103 m² sei zur Beitragsfläche hinzuzuzählen. Die regelmäßige Annahme, dass öffentlich gewidmete Flächen nicht bebaubar seien und deshalb keinen Sondervorteil vermittelten, treffe vorliegend nicht zu. Vorliegend sei jedenfalls der Luftraum über der öffentlichen Verkehrsfläche über drei Geschosse bebaut; zudem werde auch der Raum darunter als Kellergeschoss genutzt. Die Bebauung im Luftraum nutze ihrerseits die öffentliche Verkehrsfläche, weil sie von sieben quadratischen Pfeilern unterschiedlicher Größe im öffentlichen Verkehrsraum getragen werde. Anderenfalls müssten jedenfalls die Grundflächen der Pfeiler für den umlagefähigen Aufwand berücksichtigt werden.
- 20
Die Kammer hat den Rechtstreit der Berichterstatterin als Einzelrichterin zur Entscheidung übertragen. Nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 13. Oktober 2010 haben die Beteiligten einvernehmlich auf die Durchführung einer weiteren mündlichen Verhandlung verzichtet.
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Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte, den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsvorgänge und die in der mündlichen Verhandlung weiterhin überreichten Pläne und Fotos verwiesen.
Entscheidungsgründe
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Über die Klage kann gemäß § 101 Abs. 2 VwGO ohne weitere mündliche Verhandlung entschieden werden. Sie ist zulässig, aber überwiegend unbegründet. Der angefochtene Ausbaubeitragsbescheid vom 18.09.2006 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 21.03.2007 wird nur insoweit aufgehoben, wie er einen Betrag von 28.053,79 € übersteigt; nur insoweit ist er rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 VwGO.
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Rechtsgrundlage des Beitragsbescheides ist § 8 Abs. 1 KAG iVm § 1 der Satzung der Beklagten über die Erhebung von Beiträgen für die Herstellung und den Aus- und Umbau öffentlicher Straßen (Straßen, Wege und Plätze) - Ausbaubeitragssatzung - vom 18. Juli 2002, in Kraft getreten am 28. Juli 2002 (ABS 2002).
- 24
Danach erhebt die Beklagte zur teilweisen Deckung des Aufwands für die Herstellung sowie Aus- und Umbau öffentlicher zum Anbau bestimmter Straßen, Wege und Plätze Beiträge. Eine Straßenausbaumaßnahme ist dann beitragsfähig, wenn die nach § 2 Abs. 1 KAG erforderliche Satzung einen Beitragstatbestand begründet, die Maßnahme notwendig ist und den Eigentümern der im Wirkungsbereich dieser Maßnahme liegenden Grundstücke infolge der Maßnahme Vorteile geboten werden. Diese Voraussetzungen sind gegeben.
- 25
Bei der Kehdenstraße handelt es sich um eine öffentliche Einrichtung iSd § 8 Abs. 1 KAG iVm § 1 ABS 2002 (im Beschluss des Bauausschusses vom 7.2.2002 als „Abrechnungseinheit“ bezeichnet). Der ausbaubeitragsrechtliche Begriff der öffentlichen Einrichtung deckt sich mit dem der Erschließungsanlage i.S.d. § 127 Abs. 2 Nr. 1 BauGB, den öffentlichen zum Anbau bestimmten Straßen, Wegen und Plätzen (Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 8. Aufl., § 31 Rn. 6 und 7). Einrichtung in diesem Sinne ist dabei grundsätzlich die Straße in ihrer gesamten Ausdehnung (Habermann in: Dewenter/ Habermann/ Riehl/ Steenbock/ Wilke, KAG, Stand Oktober 2008, § 8 Rd. 131, 282). Für die Feststellung der räumlichen Ausdehnung der Einrichtung ist auch im Ausbaubeitragsrecht von einer natürlichen Betrachtungsweise auszugehen und ungeachtet einer wechselnden Straßenbezeichnung auf das äußere Erscheinungsbild eines Straßenzuges (z.B. Straßenführung, Straßenbreite, Straßenlänge, Straßenausstattung, Zahl der „erschlossenen“ Grundstücke), seine Verkehrsfunktion sowie vorhandene Abgrenzungen (Kreuzungen oder Einmündungen), die eine Verkehrsfläche augenfällig als ein eigenständiges Element des Straßennetzes erscheinen lassen, abzustellen (OVG Schleswig, Urt. v. 30.4.2003 - 2 LB 105/02 - NordÖR 2003, 422, 424; v. 25.6.2003 - 2 LB 55/02 -; v. 26.9.2007 - 2 LB 20/07 - Die Gemeinde 2008, 47 ff.).
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Bei natürlicher Betrachtungsweise erscheint die hier im Innenstadtbereich zwischen Holstenbrücke/ Martensdamm bis Küterstraße/ Alter Markt verlaufende Kehdenstraße als eine solche Einrichtung. Entgegen der Auffassung des Klägers zählt der Anna-Pogwisch-Platz nicht dazu, sondern bildet eine eigene Einrichtung im Sinne einer beitragsfähigen Erschließungsanlage nach § 127 Abs. 2 Nr. 1 BauGB, die sowohl als Parkplatz als auch zu anderen Zwecken genutzt wird (vgl. dazu Driehaus, a.a.O. § 12 Rn. 9 ff), wie z.B. den angeführten Marktveranstaltungen Kieler Umschlag und Kieler Woche. Von daher kann es sich bei dem Anna-Pogwisch-Platz allein schon wegen seiner Funktion, seiner Größe und räumlichen Abgrenzbarkeit von der Kehdenstraße nicht nur um eine unselbständige Parkfläche iSd § 127 Abs. 2 Nr. 4 1. Alt. BauGB handeln, die Bestandteil der Verkehrsanlage Straße wäre.
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Die abgerechnete Straßenbaumaßnahme ist beitragsfähig, da sie den anliegenden Grundstücken einen maßnahmebedingten Vorteil bietet. Bei der hier erfolgten Ersetzung der vorhandenen, unebenen und verschiedenartigen Fahrbahnoberfläche durch ein neues, einheitliches Pflaster, der einheitlich neuen Pflasterung des Gehwegs, der Neuanlage von Parkflächen und dem erstmaligen Einbau eines verstärkten, den heutigen Verkehrsverhältnissen angepassten frostsicheren Unterbaus in Fahrbahn und Gehwegen sowie bei der Installation einer neuen, dem Stand der Technik entsprechenden Beleuchtung durch Austausch von vier Überspannungs- und Hängeleuchten durch elf erdverkabelte Aufsatzleuchten mit Stahlrohrmasten handelt es um einen verbessernden Ausbau und eine Erneuerung, teilweise zugleich auch um einen Umbau iSd § 8 Abs. 1 KAG und § 1 ABS 2002.
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Zum Ausbau im engeren Sinne gehört u.a. die technische Verbesserung einer vorhandenen Einrichtung in ihrem bisherigen Zustand der Benutzbarkeit. Technisch verbessert wird die Einrichtung Straße etwa durch eine andersartige Befestigung und / oder Verstärkung des Unterbaus einer flächenmäßigen Teileinrichtung (Fahrbahn, Rad- oder Gehweg), die eine verbesserte Benutzbarkeit der Straße bewirkt (Habermann a.a.O., Rn. 156). Hierzu zählt auch das Aufnehmen und Neuverlegen einer aus Großpflaster bestehenden Fahrbahnoberfläche auf verstärktem und erstmalig frostsicherem Unterbau. Dies verbessert den Zustand der Fahrbahn, weil ihre Tragfähigkeit und Belastbarkeit erhöht und die Frostanfälligkeit verringert wird. Zugleich liegt darin eine Erneuerung, die als nochmalige Herstellung ebenfalls dem Ausbaubeitragsrecht iSd § 8 KAG unterfällt und in Betracht kommt, wenn die alte Einrichtung nicht mehr voll funktionsfähig und damit abgängig ist. Sie versetzt die Straße in einen Zustand, der auf Jahre oder Jahrzehnte hinaus den voraussichtlichen Anforderungen des Verkehrs genügen wird (vgl. Habermann a.a.O., Rn. 147 ff.). Dies ist für eine mit Großpflaster hergestellte und nach über 50 Jahren neu befestigte Fahrbahn der Fall, wenn – wie hier – die alte, mit Großpflaster befestigte Fahrbahn bereits an zahlreichen Stellen abgesackt und deshalb ausgebessert war, was zeigt, dass nicht nur die Fahrbahn selbst, sondern auch der Untergrund erneuerungsbedürftig war (OVG Schleswig, Urt. v. 24.02.1999 - 2 L 146/96 - NordÖR 1999, 311). Unbestritten ist insoweit vorgetragen, dass die Fahrbahn der Kehdenstraße bereits Anfang des letzten Jahrhunderts mit Großpflaster hergestellt worden war und dass die Fahrbahnoberfläche wegen der Versackungen mehrfach durch Asphaltarbeiten ausgebessert werden musste. Dies zeigen auch die im Verwaltungsvorgang befindlichen Fotos. Unter diesen Umständen bestehen keine Zweifel daran, dass die Fahrbahn zur Zeit ihrer Herstellung und noch vor dem Ausbau keinen ausreichenden Unterbau hatte.
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Auch für den Gehweg macht die Beklagte geltend, dass dessen Benutzbarkeit aufgrund der vor der Ausbaumaßnahme vorhanden gewesenen Absackungen der Gehwegplatten und der aufgetretenen Unebenheiten und Stolperkanten beeinträchtigt und daher zu erneuern gewesen sei. Dessen ungeachtet liegt in der Aufnahme der bituminösen Befestigung bzw. der Platten nebst Tragschicht und in dem Einbringen einer Beton-, Frostschutz- und Schotterschicht unter dem neu verlegten, einheitlichen Belag eine technische Verbesserung im o.g. Sinne, weil sie den Unterbau dem Stand der Technik und den aktuellen Verkehrsbedürfnissen anpasst, ihn verstärkt und so die Benutzbarkeit des Gehwegs insgesamt verbessert.
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Die Umstellung der Beleuchtung von Überspannungsleitungen auf Stahlrohrmasten mit Erdverkabelung diente der Anpassung an die technische Entwicklung und ist ebenfalls als verbessernder Ausbau anzuerkennen, da eine erdverkabelte Anlage deutlich weniger störanfällig ist als eine den Witterungs- und Umwelteinflüssen permanent ausgesetzte Freileitung (vgl. dazu VG Schleswig, Urt. v. 10.11.2009 - 9 A 95/07 – mwN; Habermann, a.a.O. Rn. 147a mwN). Da die Anlage statt mit vier nun mit elf Leuchten ausgestattet ist, liegt zugleich ein Ausbau im Sinne der Erweiterung einer einzelnen Teileinrichtung vor, aufgrund derer die Straße besser ausgeleuchtet wird (vgl. Habermann, a.a.O., Rn. 154).
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Verbessernder Ausbau und Erneuerung bieten den Anliegern einen maßnahmebedingten Vorteil, weil sie den Gebrauchswert der anliegenden Grundstücke erhöhen. Der Ausbauzustand der Straße unterscheidet sich nach Durchführung der Baumaßnahme positiv von dem zum Zeitpunkt der erstmaligen Herstellung. Der Vorteil der Erneuerung besteht darin, dass eine verschlissene und abgängige Teileinrichtung durch eine neue ersetzt wird. Durch beide Maßnahmen verbessert sich die Erschließungssituation der anliegenden Grundstücke, weil ihre Zugänglichkeit erleichtert wird (OVG Schleswig, Urt. v. 24.02.1999 - 2 L 146/96 - NordÖR 1999, 311 = SchlHA 1999, 190; Habermann a.a.O. Rn. 140, 150 f.).
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Darüber hinaus stellt die vorgenommene Ausstattung des Gehwegs mit neuen Betonplatten und Bändern aus Granit statt nur mit Asphalt bzw. Betonplatten eine beitragsfähige Umbaumaßnahme dar. Denn als Umbau gilt auch die Umgestaltung einer Teileinrichtung, ohne dass es insoweit auf eine technische Verbesserung ankommt (OVG Schleswig, Urteil vom 30.4.2003 - 2 LB 105/02 - NordÖR 2003, 422 f.). Soweit schließlich im Bereich der Fahrbahn und des Gehwegs zusätzliche Bäume gepflanzt und die Fahrbahn durch Neuanordnung der Parkflächen umgestaltet worden ist, liegt auch darin ein beitragspflichtiger Umbau, weil damit der Fahrzeugverkehr zurückgedrängt und der Fußgänger- und Fahrradverkehr erleichtert wird. So wird durch den Umbau die Wohn- und Geschäftslage attraktiver gestaltet, was wiederum zu einer Wertsteigerung der Grundstücke führt (vgl. Habermann, a.a.O. Rn. 162 f. mwN).
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Die ausgeführten Maßnahmen waren notwendig. Obwohl § 8 Abs. 1 KAG nur von notwendigen Einrichtungen und nicht von notwendigen Maßnahmen spricht, können Beiträge für Ausbau- und Umbaumaßnahmen an notwendigen Einrichtungen nur erhoben werden, wenn die Maßnahmen und die Aufwendungen ihrerseits notwendig sind (vgl. OVG Schleswig, Urt. v. 24.02.1999 - 2 L 146/96 - NordÖR 1999, 312). Hinsichtlich der Beurteilung dessen, was notwendig ist, steht der Gemeinde ein weites Ermessen zu, in dessen Rahmen sie sowohl die räumliche Ausdehnung und den Umfang der Maßnahme als auch die Auswahl des Materials bestimmt. Dieser Beurteilungsspielraum ist erst dann überschritten, wenn sachlich schlechthin unvertretbare Kosten entstanden sind (OVG Schleswig, Urt. v. 13.10.1999 - 2 L 116/97 - Die Gemeinde 2000, 43, 44 f.; Urt. v. 30.4.2003, a.a.O.). Greifbare Anhaltspunkte für eine derartige Verletzung des Gebotes der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit hat der Kläger nicht dargelegt. Vielmehr überschreiten die getroffenen Maßnahmen das in B-Stadt auch sonst übliche und der Einzelrichterin aus zahlreichen Verfahren bekannte Maß an Straßenausbau nicht. Soweit der Kläger dennoch bestreitet, dass Fahrbahn und Gehweg nicht über einen hinreichenden Unterbau verfügten und eine Erneuerung nicht erforderlich gewesen sei, bleibt dies eine durch keine tatsächlichen Anhaltspunkte unterlegte Behauptung und könnte i.Ü. auch dahinstehen, weil insoweit auch ein verbessernder Ausbau gegeben ist. Daneben bietet die von der Beklagten gewählte Ausstattung des Gehwegs mit Betonplatten und Bändern aus Granit nach den vorgelegten Fotos und in Anbetracht der gerade beabsichtigten Attraktivitätssteigerung des Altstadtbereichs keine Anhaltspunkte für Verbesserungs- und Umbaumaßnahmen in einem unangemessenen Rahmen.
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Die abgerechnete Ausbaumaßnahme führt für den Kläger zu einem konkret grundstücksbezogenen Vorteil, weil sie aufgrund der räumlichen Nähe des Grundstücks eine objektive, qualifizierte Inanspruchnahmemöglichkeit der ausgebauten Verkehrseinrichtung bietet. Aufgrund der unmittelbaren Anliegerschaft kann die Kehdenstraße vom klägerischen Grundstück aus stärker in Anspruch genommen werden als von anderen Grundstücken. Auf einen bezifferbaren Vermögenszuwachs und eine im konkreten Einzelfall nachweisbare Nützlichkeit kommt es ebenso wenig an wie auf eine tatsächliche Benutzung und die subjektive Sicht des einzelnen Grundstückseigentümers. Maßgeblich ist vielmehr, dass im Verhältnis zu nichtindividualisierbaren Dritten eine abstrakte, allein nach objektiven Kriterien zu beurteilende Besserstellung eintritt (OVG Schleswig, Beschl. v. 06.09.2001 - 2 L 172/01 -; Habermann a.a.O. Rn. 141 f.). Dies ist zwar für jede Teileinrichtung getrennt zu beurteilen (OVG Schleswig, Beschl. v. 13.01.2003 - 2 M 122/02 -; Urt. v. 25.06.2003 - 2 LB 55/02 - Die Gemeinde 2003, 268), kann vorliegend aber ohne weiteres für die gesamte Einrichtung angenommen werden, weil der insgesamt vorgenommene Aus- und Umbau der Verkehrsberuhigung und Attraktivitätssteigerung diente. Dies steigert nicht nur den Wohnwert, sondern kommt auch den gewerblichen Betrieben entgegen. Die Grundstücke sind gefahrloser zu erreichen; durch den zurückgedrängten Fahrzeugverkehr werden mehr Fußgänger angezogen und der Kreis der potenziellen Kunden erhöht (vgl. Habermann a.a.O. Rn. 141 mwN). Dass sich – konzeptionell bedingt – dadurch die Parkplatzsituation verschlechtert, vermag die gegebenen Vorteile nicht aufzuwiegen.
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Als Miteigentümer des veranlagten Grundstücks zum Zeitpunkt der Bekanntgabe des Bescheides ist der Kläger als Gesamtschuldner auch persönlich beitragspflichtig, § 8 Abs. 5 Satz 3 KAG, § 11 Abs. 1 Satz 2 ABS. Nach Fertigstellung der Baumaßnahme und technischer Abnahme war die sachliche Beitragspflicht zu diesem Zeitpunkt entstanden und die Beitragsforderung auch noch nicht verjährt.
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Der Höhe nach ist die Beitragsforderung nur mit einem Betrag von 28.053,79 € gerechtfertigt. Dabei ist zunächst die Ermittlung des beitragsfähigen Aufwandes nicht zu beanstanden.
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Beitragsfähig sind die dem Ausbau der Einrichtung nach dem Bauprogramm zuzurechnenden Kosten (Habermann, a.a.O. Rn. 304). Unstreitig gehört zur öffentlichen Einrichtung auch der über das Grundstück des Klägers verlaufende Gehweg, der nach dem Bauprogramm ebenso auszubauen war wie die im Eigentum der Beklagten stehenden Gehwegflächen. Ist eine solche private Fläche dem öffentlichen Verkehr gewidmet und ist die entsprechende Nutzung - wie hier - aufgrund einer entsprechenden Vereinbarung nebst Eintragung einer beschränkt persönlichen Dienstbarkeit vertraglich und dinglich gesichert, so dass diese Fläche langfristig zur öffentlichen Einrichtung gehört und sowohl den beitragspflichtigen Anliegern als auch dem öffentlichen Verkehr auf Dauer zur Verfügung steht, ist nicht ersichtlich, weshalb der gerade hier betriebene Aufwand anders behandelt werden sollte als der auf im öffentlichen Eigentum stehenden Flächen. Dies muss konsequenterweise auch gegenüber dem privaten Eigentümer der ausgebauten Fläche gelten, wenn dieser – mehr oder weniger zufällig – zugleich Eigentümer eines anliegenden und bevorteilten Grundstücks ist.
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Die Beitragsfähigkeit des insoweit betriebenen Aufwandes ist auch nicht durch den vom Kläger angeführten Vertrag aus dem Jahre 1960 ausgeschlossen. Mit § 5 Abs. 3 des Vertrages hat die Beklagte gegenüber den Rechtsvorgängern des Klägers die Unterhaltung und Befestigung des Gehweges übernommen. Da sich diese zunächst einmal nur privatrechtlich geschuldete Leistung zugleich auf eine dem öffentlichen Verkehr gewidmete Verkehrsfläche bezieht, obliegt sie der Beklagten zudem aus der öffentlich-rechtlichen normierten Straßenbaulast nach § 10 StrWG. Soweit die damit aus öffentlichem Recht heraus wahrzunehmenden Aufgaben und die damit einhergehenden Kosten zugleich einen beitragsfähigen Aufwand iSd § 8 KAG darstellen, sind diese sowohl den Anliegern als auch dem Kläger gegenüber abrechenbar, wenn und soweit daraus ein beitragsrelevanter Vorteil erwächst. Der Vertrag enthält insoweit auch keinen in die Zukunft gerichteten Ausschluss, sondern nur in Bezug auf die 1960 geplante Verbreiterung.
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Beitragsfähig sind weiter nur die tatsächlich angefallenen (§ 8 Abs. 3 S. 1 KAG, § 2 Abs. 1 ABS) und die dem Ausbau kausal zuzurechnenden Kosten, mithin diejenigen, die ohne die Straßenbaumaßnahme nicht entstanden wären. Fiktive oder kalkulatorische Kosten im betriebswirtschaftlichen Sinne sind dabei ausgeschlossen (Habermann, a.a.O. Rn. 302, 307 mwN). Hiervon ausgehend durften etwaige Kosten für das in die Fahrbahn (wieder) eingebrachte Großpflaster nicht einbezogen werden, weil die Beklagte dieses aus der Kehdenstraße selbst oder aus anderen Beständen zur Verfügung gestellt und daher keine tatsächlichen Kosten gehabt hat. Entgegen der Behauptung des Klägers lässt sich aber auch nicht feststellen, dass insoweit eine Einbeziehung erfolgt wäre. Etwaige Beschaffungskosten sind jedenfalls in der Schlussrechnung nicht aufgeführt. Umgekehrt war die Beklagte nicht gehalten, dem beitragsfähigen Aufwand eine fiktive Gutschrift für das aufgenommene Pflaster zukommen zu lassen, soweit es möglicherweise nicht gleich wieder in die Kehdenstraße eingebaut worden sein sollte. Da weder die jetzigen Anlieger noch ihre Vorgänger durch Entrichtung etwaiger Beiträge Rechte an dem eingebauten Material erworben haben (selbst wenn die Materialkosten in die Beiträge einmal eingeflossen sein sollten), können sie insoweit auch keinen „Wertersatz“ geltend machen, wenn es aufgenommen und beseitigt wird. Solange die Gemeinde das aufgenommene Material im Übrigen nicht wirtschaftlich verwertet, sondern zur Wiederverwendung vorhält, bleibt dies kostenneutral (OVG Schleswig, Urt. v. 30.04.2003 - 2 LB 105/02 - NordÖR 2003, 422, 424). Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass das in der Kehdenstraße aufgenommene Pflaster nicht gleich wieder eingebaut worden wäre und dass etwaiges überschüssiges Altmaterial entgegen den der Einzelrichterin auch aus anderen Verfahren bekannten Bekundungen der Beklagten nicht – wie allgemein üblich – verwahrt, sondern wirtschaftlich verwertet worden wäre, sind weder vorgetragen noch ersichtlich.
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Ebenso wenig war die Beklagte gehalten, eine fiktive Kostenersparnis deshalb zu berücksichtigen, weil die Straßenbaumaßnahme Anlass war, zugleich die in der Kehdenstraße verlegten Abwasser- und sonstigen Leitungen oder Einrichtungen zu erneuern. Zu dieser Frage hat das Gericht bereits in der rechtskräftigen Entscheidung vom 27.06.2008 (9 A 333/05) Stellung genommen und dazu unter Hinweis auf die Rechtsprechung des OVG Schleswig (Urt. v. 11.2.1998 - 2 L 136/96 - Die Gemeinde 1998, 220, 224 und - 2 L 79/96 - NordÖR 1998, 268, 272) ausgeführt, dass eine hypothetische Betrachtungsweise, nach der der Gesamtaufwand bei getrennten Maßnahmen höher wäre und deshalb Minderkosten aufzuteilen seien, nach schleswig-holsteinischem Landesrecht irrelevant bleibt, da es auch insoweit nach § 8 Abs. 3 S. 1 KAG stets nur auf die tatsächlich entstandenen Kosten unter Berücksichtigung der (tatsächlich erfolgten) Leistungen und Zuschüsse Dritter ankommt. Folglich werden auch nur tatsächlich eingetretene Ersparnisse relevant. Eine Verminderung der Kosten kann allenfalls dann in Frage kommen, wenn der Träger der Maßnahme - etwa durch öffentlich-rechtlichen Vertrag - verpflichtet worden ist, sich an den Kosten der Fahrbahnaufnahme sowie deren Erneuerung zu beteiligen. Eine Verpflichtung zur Einbeziehung anderer Träger und deren Beteiligung an den Kosten besteht für die Gemeinde jedoch nicht.
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Zutreffend hat die Beklagte auch die Kosten für die Erneuerung der Kellergeschossdecke unter dem Gehweg im Arkadenbereich als tatsächlich angefallene und dem Ausbau kausal zuzurechnende Kosten eingeordnet. Nach der statisch-konstruktiven Stellungnahme des beauftragten Ingenieurbüros vom 13.08.2003 sollte die Kellergeschossdecke im Rahmen der Ausbauarbeiten oberhalb der Rohdecke nur eine Abdichtung erhalten, bis sie anlässlich der vorbereitenden Baumaßnahmen bereits bei leichten Stemmarbeiten auffällige Schwingungen zeigte und sich daraufhin herausstellte, dass sie wegen der unzureichenden Deckenkonstruktion und der vorhandenen Schäden straßenseitig vollständig erneuert werden musste, um die erforderliche Tragfähigkeit herzustellen. Die damit erforderlich gewordenen Arbeiten hätten zwar auch losgelöst von etwaigen Ausbauabsichten im Rahmen der Straßenbaulastpflicht als Unterhaltung oder Reparatur und ohne Umlage auf die Anlieger ausgeführt werden müssen, doch weist die Beklagte letztlich richtig darauf hin, dass sich diese Situation deshalb noch nicht maßgeblich von der im Übrigen festzustellenden Erneuerungsbedürftigkeit bzw. Verbesserungsfähigkeit des Gehwegs unterscheidet. Es liegt im Rahmen ihres Ermessens und ist rechtlich nicht zu beanstanden, wenn sich die Gemeinde als Straßenbaulastpflichtige aufgrund der vorhandenen Schäden an einer flächenmäßigen Verkehrseinrichtung dazu entschließt, diese insgesamt auszubauen statt weiterhin punktuelle Reparaturen vorzunehmen. Insofern kann die Beitragsfähigkeit der insgesamt im Rahmen des Ausbaus vorgenommenen Arbeiten nicht davon abhängen, dass die erforderlich werdenden Arbeiten im Detail zuvor schon alle bekannt sind; ihre Notwendigkeit kann sich vielmehr auch erst anlässlich des ohnehin geplanten Ausbaus zeigen. Damit sind auch die Kosten für die erforderliche Erneuerung einer nicht tragfähigen Kellergeschossdecke, die den Unterbau eines Gehwegs bildet und anlässlich einer Ausbaumaßnahme erfolgt, Teil des beitragsfähigen Aufwandes, wenn – wie hier - der Ausbau insgesamt erforderlich und damit beitragsfähig ist. Dass die Beklagte gegenüber dem Kläger auch privatrechtlich zur Erneuerung der Kellergeschossdecke verpflichtet war, ändert daran nach den obigen Ausführungen nichts.
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Da im Übrigen keine Zweifel an der Notwendigkeit von Art und Umfang einzelner Arbeiten vorgetragen oder ersichtlich sind, bleibt die Ermittlung des beitragsfähigen Aufwandes ohne Beanstandung. Des Weiteren zutreffend hat die Beklagte die Kehdenstraße entsprechend § 3 Nr. 1 ABS als Anliegerstraße definiert und deshalb gemäß § 2 Abs. 2 ABS 75 % des beitragsfähigen Aufwands auf die Anlieger umgelegt.
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Es obliegt dem Satzungsermessen der Gemeinde, nach welchen Straßentypen zu unterscheiden und infolgedessen der Anliegeranteil zu staffeln ist. In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass sie sich dabei aus Gründen der Praktikabilität auf eine relativ grobe Unterscheidungen beschränken darf (OVG Schleswig, Urt. v. 23.07.2008 - 2 LB 54/07 - NVwZ-RR 2009, 130), wie hier etwa auf die Unterscheidung in § 3 ABS nach Anliegerstraße / Innerortsstraße / Durchgangsstraße (und Fußgängerzone).
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Die Zuordnung selbst unterliegt der vollen gerichtlichen Nachprüfung, wobei die von der Satzung verwendeten Begriffe regelmäßig nicht straßenrechtlich, sondern beitragsrechtlich zu verstehen sind. Die beitragsrechtliche Zuordnung zu dem einen oder anderen Straßentyp orientiert sich „an ihren wesentlichen, für die Straße insgesamt bedeutsamen und sie überwiegend charakterisierenden Merkmalen, wobei von der Funktion der Straße im Gesamtverkehrsnetz der Gemeinde auszugehen ist, wie sie durch ihre Lage, die Art der Ausgestaltung und die Belastung ihre Ausprägung gefunden hat (OVG Schleswig, a.a.O.; Habermann a.a.O., Rn. 331 mwN). Dabei richtet sich die Funktion vor allem nach der Verkehrsplanung der Gemeinde und dem darauf beruhenden Ausbauzustand (OVG Schleswig, Beschl. v. 03.07.2002 – 2 L 164/01 -). Maßgeblicher Zeitpunkt für die Zuordnung ist der der Entstehung der sachlichen Beitragspflicht (OVG Schleswig, Urt. v. 20.9.2007 - 2 LB 20/07 - Die Gemeinde 2008, 42), hier mithin das Jahr 2004.
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Hiervon ausgehend ist die Kehdenstraße zutreffend als Anliegerstraße eingestuft worden. Die Anliegerstraße dient nach § 3 Nr. 1 ABS dem überwiegenden Zugang oder der Zufahrt zu den von ihr erschlossenen Grundstücken. Hierzu zählen auch verkehrsberuhigte Bereiche. Anlieger- bzw. Erschließungsverkehr iSd § 3 Nr. 1 ABS ist derjenige Verkehr, der zu den in Anspruch genommenen Grundstücken hinführt und von ihnen ausgeht, der sog. Ziel- und Quellverkehr. Die Innerortsstraße dient demgegenüber nach § 3 Nr. 2 ABS der Erschließung von Grundstücken und überwiegend dem Verkehr innerhalb von Baugebieten oder innerhalb von im Zusammenhang bebauten Ortsteilen (z.B. Verkehrsstraßen, Hauptsammelstraßen, Sammelstraßen). Im Rahmen der hier gewählten dreistufigen Typisierung gelten sie als Erschließungsstraßen mit innerörtlicher Verkehrsbedeutung, die zur Aufnahme des innerörtlichen Durchgangsverkehrs bestimmt sind, Ortsteile verbinden und den Verkehr in Richtung eines anderen Ortsbereichs sammeln (OVG Schleswig, Urt. v. 20.9.2007 a.a.O. zur Vorläuferregelung des § 2 Abs. 5 Nr. 2 ABS; Habermann a.a.O., Rn. 336 mwN).
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Sowohl Ausgestaltung und Lage als auch die verkehrsmäßige Belastung sprechen dafür, die Kehdenstraße als Anliegerstraße zu definieren. Ausgestaltet ist sie als verkehrsberuhigter Bereich, als eine auf 20 km/h geschwindigkeitsbeschränkte Einbahnstraße mit abgesenkten Bordsteinen, Parkflächen parallel zur Fahrbahn und Baumpflanzungen. Zudem kommt der Kehdenstraße innerhalb des Gesamtstraßennetzes trotz ihrer zentralen Lage im Altstadtbereich und trotz der Einbahnstraßensituation in der Küterstraße keine innerörtliche Verkehrsbedeutung im Sinne einer baugebiets- oder ortsteilübergreifenden Funktion zu. Nachvollziehbar hat die Beklagte in der mündlichen Verhandlung darauf hingewiesen, dass schon die Straßenführung im Altstadtbereich gegen eine solche Annahme spricht. Unbestritten ist die Kehdenstraße nicht der einzige Zugang des privaten Nahverkehrs zum Zentrum der Kieler Altstadt, zum Alten Markt, der zwar eine reine Fußgängerzone ist, auf dem aber abends nach 19.00 Uhr Lieferverkehr zu den anliegenden Geschäften und Betrieben stattfindet. Ebenso wenig ist der Anna-Pogwisch-Platz für den Bereich der Kieler Altstadt der einzige Parkplatz, der von motorisierten Verkehrsteilnehmern angefahren werden kann, um von dort die Betriebe und Geschäfte in der Altstadt zu erreichen. Hinzu kommt, dass die Zahl der tatsächlich in der Kehdenstraße verkehrenden Fahrzeuge noch nichts über deren Ziel und Quelle besagt und dass es im Übrigen auch nicht auf eine rein mathematisch vergleichende Betrachtungsweise ankommt. Zunächst ist nicht zu verkennen, dass die Kehdenstraße selbst schon zahlreiche Einrichtungen, Geschäfte und Restaurants erschließt, die wiederum einen eigenen Anliefer- und Besucherverkehr erzeugen und der als prägender Anliegerverkehr zu betrachten ist (vgl. Habermann a.a.O., Rn. 334; OVG Schleswig, Beschl. v. 16.01.2009 - 2 MB 29/08 -). Dessen ungeachtet besitzt jede Straße im Gemeindegebiet – bis auf Sackgassen - neben der reinen Erschließungsfunktion eine mehr oder weniger bedeutsame Verbindungsfunktion für andere Straßen und Baugebiete. Das allein macht sie noch nicht zur Innerortsstraße (vgl. OVG Schleswig, Urt. v. 20.9.2007 a.a.O.). Solange Ausgestaltung und verkehrsmäßige Planung der Ausbaustraße im Gesamtverkehrsnetz die Funktion einer Innerortsstraße gerade nicht beimessen und die in der Straße verkehrenden Fahrzeuge auch tatsächlich im Baugebiet / Ortsteil bleiben, ohne einen Durchgangsverkehr im o.g. Sinne darzustellen, kommt es letztlich noch nicht einmal darauf an, dass der Fremdverkehr gegenüber dem Anliegerverkehr möglicherweise sogar überwiegt, weil dies allein eine Gleichstellung mit einer Innerortsstraße nicht rechtfertigen würde (vgl. OVG Schleswig, Beschl. v. 14.11.2008 - 2 MB 21/08 -). So liegt es hier. Eine Bedeutung als Innerortsstraße, wie sie die Beklagte etwa - gerichtsbekannt - der Holtenauer Straße, der Beseler Allee oder dem Schülperbaum/ Königsweg nachvollziehbar zumisst, ist danach für die Kehdenstraße ebenso wenig gegeben wie etwa – gerichtsbekannt – für die Legienstraße.
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Von der Einrichtung „Kehdenstraße“ ausgehend ist das Abrechnungsgebiet iSd § 4 Abs. 1 S. 1 ABS zutreffend gebildet worden. Einzubeziehen sind nicht nur die durch ihr unmittelbares Anliegen an der ausgebauten Straße bevorteilten Grundstücke, sondern auch Hinterliegergrundstücke, bei denen ebenfalls noch eine räumlich enge Beziehung zur Ausbaustraße gegeben ist, sei es, weil sie über einen rechtlich gesicherten Zugang dorthin verfügen, sei es, dass der Eigentümer von Anlieger- und Hinterliegergrundstück identisch ist und von daher einem Zugang jedenfalls keine rechtlichen Hindernisse entgegenstehen. Hier reicht ein tatsächlicher Zugang über das Anliegergrundstück aus oder eine einheitliche Nutzung beider Grundstücke, so dass sich der Erschließungsvorteil aufgrund der vom Willen des Eigentümers getragenen Nutzung auf das Hinterliegergrundstück erstreckt und die Grundstücke wie ein einheitliches Grundstück erscheinen. Hier gebietet es der Gedanke eines angemessenen Vorteilsausgleichs, solche Hinterliegergrundstücke bei der Aufwandsverteilung ebenfalls zu berücksichtigen (BVerwG zum Erschließungsbeitragsrecht, Urt. v. 15.01.1988 - 8 C 111/86 - BVerwGE 79, 1 ff., in juris Rn. 18; dem folgend OVG Schleswig, Urt. v. 24.10.1996 - 2 L 108/96 - Die Gemeinde 1997, 217; Habermann, a.a.O. Rn. 184 - 186).
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Bei den hier in Frage gestellten Hinterliegergrundstücken der Anliegergrundstücke Kehdenstraße ... und Kehdenstraße ... besteht zwar Eigentümeridentität, doch kann nach den ausführlichen Erörterungen in der mündlichen Verhandlung anhand von Karten und Fotos weder festgestellt werden, dass insoweit ein Zugang zur Kehdenstraße besteht, noch, dass die Grundstücke einheitlich genutzt würden. Eine vorteilsbegründende einheitliche Nutzung ist zunächst bei einer Überbauung der Grundstücksgrenzen gegeben (dazu OVG Schleswig, Beschl. v. 18.12.2007 - 2 LA 33/07 -, v. 04.10.2005 - 2 MB 35/05 -, v. 19.11.2001 - 2 L 112/01 -), kann aber auch ohne Überbauung angenommen werden, wenn die Grundstücke grenzübergreifend gewerblich, land- oder forstwirtschaftlich oder auch privat einheitlich genutzt werden. Auch wenn es im Falle der einheitlichen Nutzung auf eine tatsächliche Zufahrt oder einen Zugang nicht mehr ankommt - weil der ausbaubeitragsrechtliche Vorteil kein Erschlossensein iSd Baurechts verlangt -, muss ein solcher Zugang doch wenigstens möglich sein (Thiem/ Böttcher, KAG, § 8 Rn. 570, 572), um eine Vorteilsgewährung iSd Ausbeitragsrechts annehmen zu können.
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Vorliegend besteht in beiden Fällen keine einheitliche Nutzung. Die Grundstücke sind zwar geschlossen bebaut, die Grundstücksgrenzen – soweit ersichtlich – aber nicht überbaut. Sämtliche Grundstücke werden gewerblich genutzt, ohne dass insoweit aber von einer einheitlichen gewerblichen Nutzung gesprochen werden könnte, da die Hinterliegergrundstücke jeweils verschiedene Gewerbe beherbergen und diese wiederum verschiedenen Gewerbetreibenden zuzuordnen sind. Dies ist unstreitig.
- 50
Fehlt es an einer einheitlichen Nutzung, kommt die Annahme eines Vorteils aufgrund eines tatsächlich bestehenden Zugangs auch hier nur in Frage, wenn das jeweilige (Hinterlieger-) Grundstück von der Ausbaustraße her so erreichbar ist, wie es seine zulässige und bestimmungsgemäße Nutzung gebietet (Habermann a.a.O., Rd. 180), wobei es auch ausreichen würde, dass diese Grundstücksnutzung in einer nicht nur untergeordneten Weise realisiert werden kann (Driehaus, a.a.O. § 35 Rn. 12 mwN). Mit Blick auf die hier gegebene Nutzung durch Geschäfte, Restaurants, Büroräume und die damit zusammenhängenden konkreten Bedürfnisse kann daher bei einer geschlossenen Bauweise grundsätzlich auch eine fußläufige Zugangsmöglichkeit durch das Gebäude auf dem Anliegergrundstück ausreichen. Allerdings besteht auch eine solche Zugangsmöglichkeit zur Überzeugung des Gerichts hier nicht. Soweit überhaupt Verbindungen bestehen, gewährleisten diese keinen den bestimmungsgemäßen Gebrauch gewährleistenden offenen und ungehinderten Zugang für Besucher und Kunden.
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Die hinter den Grundstücken Kehdenstraße ... und ... liegenden Grundstücke Faulstraße ... und ... werden nach den Feststellungen im Verwaltungsvorgang und den in der mündlichen Verhandlung noch einmal umfassend dargelegten neuerlich angestellten Ermittlungen der Beklagten durch die Grundstücksverwaltung PPF genutzt. Anlieger und Hinterlieger verfügen weder über einen gemeinsamen Innenhof noch sonst über einen ausreichenden Zu- oder Durchgang. Lediglich im Keller des Gebäudes Kehdenstraße ... befindet sich ein Heizungsraum, der von beiden Seiten durch - regelmäßig verschlossene - Türen theoretisch betretbar ist. Ebenso unzureichend ist der für die Hinterlieger des Grundstücks Kehdenstraße ... festgestellte Zugang. Bei den Hinterliegern handelt es sich um die Grundstücke Holstenbrücke ..., ... und ..., wobei das Grundstück Holstenbrücke ... seinerseits mit dem dahinterliegenden Grundstück Faulstraße ... einheitlich durch ein Schnellrestaurant genutzt wird. Der Haupteingang zu diesem Geschäftskomplex liegt an der Holstenbrücke. Eine Verbindung zur Kehdenstraße über das durch die Landeszentrale für politische Bildung und ein Drogeriegeschäft genutzte Anliegergrundstück Kehdenstraße ... besteht auch hier lediglich theoretisch und nur in unzureichendem Maße über die im Treppenhaus nur im 1. OG befindlichen Notausgänge.
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Des Weiteren kann das klägerische Grundstück nicht in voller Größe zum Kreis der vorteilhabenden Grundstücke gezählt werden. Dabei geht die Beklagte zutreffend davon aus, dass grundsätzlich die gesamte Fläche der jeweils bevorteilten Buchgrundstücke an der Aufwandsverteilung teilzunehmen hat (vgl. Habermann a.a.O., Rn. 343). Entsprechend hat sie das klägerische Grundstück mit seiner Gesamtgröße von 425 m² einbezogen, dabei aber nicht berücksichtigt, dass ein nicht unbeträchtlicher Teil davon - 103 m² - als Gehweg genutzt wird. In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass von dem genannten Grundsatz u.U. dann eine Ausnahme zu machen ist, wenn ein Teil des Buchgrundstücks unterschiedlich genutzt wird oder nutzbar ist (vgl. OVG Schleswig, Urt. v. 26.09.2007 - 2 LB 21/07 – NVwZ-RR 2008, 346 = Die Gemeinde 2008, 169). So liegt es hier. Die der Beklagten zur Gehwegnutzung überlassene Grundstücksfläche ist nach § 2 Abs. 2 Nr. 1 StrWG Bestandteil der dem öffentlichen Verkehr gewidmeten Straße und damit der privatwirtschaftlichen Nutzung durch die Grundstückseigentümer entzogen. Diese Teilfläche kann nicht einerseits Bestandteil einer ausgebauten Erschließungsanlage iSd § 127 Abs. 2 Nr. 1 BauGB sein und sich gleichzeitig durch den Ausbau einen beitragsrelevanten Vorteil verschaffen (vgl. OVG Schleswig, Urt. v. 11.02.1998 - 2 L136/98 - Die Gemeinde 1998, 220, 223 für eine mit einem zur Fernstraße gehörenden Lüftergebäude bebauten Grundstücksfläche; Habermann, a.a.O. Rn. 348). Aufgrund der zu duldenden öffentlichen Nutzung ist diese Fläche nicht so bebaubar, dass daraus eine „Vorteilsfähigkeit“ entstünde. Daran ändert auch der Einwand der Beklagten nichts, dass jedenfalls der Luftraum über der Teilfläche - ab dem 1. Obergeschoss - und der unter der Teilfläche befindliche Kellerraum weiterhin zur privaten Nutzung zur Verfügung steht. Vorteilsbegründend ist die Verfügbarkeit und bauliche Nutzbarkeit der Grundfläche (vgl. nochmals OVG Schleswig, Urt. v. 11.02.1998 a.a.O.). Dass die Grundfläche mit den zum Gebäude gehörenden Stützpfeilern bebaut ist, ist allein der besonderen Vereinbarung von 1960 geschuldet, die den Grundstückseigentümern die Nutzung des Luftraums ab dem 1. Obergeschoss beließ, obwohl dieser grundsätzlich auch Bestandteil der öffentlichen Straße ist (vgl. heute § 2 Abs. 2 Nr. 2 StrWG) und damit noch zur Erschließungsanlage gehören müsste. Auch diese Art der Bebauung ist daher nicht „vorteilsfähig“.
- 53
Nach alledem können diese 103 m² weder in die Gesamtverteilungsfläche (Abrechnungsgebiet nach § 4 Abs. 1 S. 1 ABS) noch zulasten des Klägers unter Zugrundelegung der Grundstücksfläche nach §§ 5 Abs. 1, 6 Abs. 2 ABS in die Beitragsbemessung einbezogen werden. Nicht zu beanstanden ist hingegen, dass die nach § 7 Abs. 2a ABS maßgebliche tatsächliche Geschossfläche jedenfalls für die drei im Luftraum liegenden Obergeschosse eingerechnet worden ist. Bei der danach erforderlichen Neuberechnung muss schließlich auch der dem Grunde nach zutreffend erhobene grundstücksbezogene Artzuschlag nach § 9 S. 1 2. Alt. ABS i.H.v. 30 % der ermittelten Grundstücks- und Geschossfläche korrigiert werden. Der umlagefähige Aufwand von 475.160,36 € verteilt sich daher nur auf eine Beitragsfläche von 42.259 m², was zu einem Beitragssatz von 11,244003 €/m² und für den Kläger zu einem Beitrag i.H.v. 28.053,79 € führt.
- 54
Letztlich nicht zu beanstanden ist die Art der gewählten Finanzierung und Abrechnung mittels eines Austauschvertrages gemäß § 11 Abs. 1 S. 1 KAG i.V.m. §§ 121, 123 LVwG. Es ist weder ersichtlich noch geltend gemacht, dass die Beklagte dadurch gegen ein gesetzliches Ge- oder Verbot verstoßen hätte. Die Beklagte hat nicht auf die Erhebung von Abgaben verzichtet, sondern nur auf die teilweise Geltendmachung durch Bescheid (zur grds. Zulässigkeit: OVG NW, Urt. v. 19.03.2002 – 15 A 4043/00 – NVwZ-RR 2003, 147, in juris Rn. 19 ff.). Ebenso wenig ist erkennbar, dass die gesplittete Abrechnungsweise im Ergebnis zulasten der Adressaten der Beitragsbescheide gegangen wäre.
- 55
Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 1 2. Alt. VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.
(1) Eine Verletzung von Verfahrens- und Formvorschriften dieses Gesetzbuchs ist für die Rechtswirksamkeit des Flächennutzungsplans und der Satzungen nach diesem Gesetzbuch nur beachtlich, wenn
- 1.
entgegen § 2 Absatz 3 die von der Planung berührten Belange, die der Gemeinde bekannt waren oder hätten bekannt sein müssen, in wesentlichen Punkten nicht zutreffend ermittelt oder bewertet worden sind und wenn der Mangel offensichtlich und auf das Ergebnis des Verfahrens von Einfluss gewesen ist; - 2.
die Vorschriften über die Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung nach § 3 Absatz 2, § 4 Absatz 2, § 4a Absatz 3, Absatz 4 Satz 2, nach § 13 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 und 3, auch in Verbindung mit § 13a Absatz 2 Nummer 1 und § 13b, nach § 22 Absatz 9 Satz 2, § 34 Absatz 6 Satz 1 sowie § 35 Absatz 6 Satz 5 verletzt worden sind; dabei ist unbeachtlich, wenn - a)
bei Anwendung der Vorschriften einzelne Personen, Behörden oder sonstige Träger öffentlicher Belange nicht beteiligt worden sind, die entsprechenden Belange jedoch unerheblich waren oder in der Entscheidung berücksichtigt worden sind, - b)
einzelne Angaben dazu, welche Arten umweltbezogener Informationen verfügbar sind, gefehlt haben, - c)
(weggefallen) - d)
bei Vorliegen eines wichtigen Grundes nach § 3 Absatz 2 Satz 1 nicht für die Dauer einer angemessenen längeren Frist im Internet veröffentlicht worden ist und die Begründung für die Annahme des Nichtvorliegens eines wichtigen Grundes nachvollziehbar ist, - e)
bei Anwendung des § 3 Absatz 2 Satz 5 der Inhalt der Bekanntmachung zwar in das Internet eingestellt wurde, aber die Bekanntmachung und die nach § 3 Absatz 2 Satz 1 zu veröffentlichenden Unterlagen nicht über das zentrale Internetportal des Landes zugänglich gemacht wurden, - f)
bei Anwendung des § 13 Absatz 3 Satz 2 die Angabe darüber, dass von einer Umweltprüfung abgesehen wird, unterlassen wurde oder - g)
bei Anwendung des § 4a Absatz 3 Satz 4 oder des § 13, auch in Verbindung mit § 13a Absatz 2 Nummer 1 und § 13b, die Voraussetzungen für die Durchführung der Beteiligung nach diesen Vorschriften verkannt worden sind;
- 3.
die Vorschriften über die Begründung des Flächennutzungsplans und der Satzungen sowie ihrer Entwürfe nach §§ 2a, 3 Absatz 2, § 5 Absatz 1 Satz 2 Halbsatz 2 und Absatz 5, § 9 Absatz 8 und § 22 Absatz 10 verletzt worden sind; dabei ist unbeachtlich, wenn die Begründung des Flächennutzungsplans oder der Satzung oder ihr Entwurf unvollständig ist; abweichend von Halbsatz 2 ist eine Verletzung von Vorschriften in Bezug auf den Umweltbericht unbeachtlich, wenn die Begründung hierzu nur in unwesentlichen Punkten unvollständig ist; - 4.
ein Beschluss der Gemeinde über den Flächennutzungsplan oder die Satzung nicht gefasst, eine Genehmigung nicht erteilt oder der mit der Bekanntmachung des Flächennutzungsplans oder der Satzung verfolgte Hinweiszweck nicht erreicht worden ist.
(2) Für die Rechtswirksamkeit der Bauleitpläne ist auch unbeachtlich, wenn
- 1.
die Anforderungen an die Aufstellung eines selbständigen Bebauungsplans (§ 8 Absatz 2 Satz 2) oder an die in § 8 Absatz 4 bezeichneten dringenden Gründe für die Aufstellung eines vorzeitigen Bebauungsplans nicht richtig beurteilt worden sind; - 2.
§ 8 Absatz 2 Satz 1 hinsichtlich des Entwickelns des Bebauungsplans aus dem Flächennutzungsplan verletzt worden ist, ohne dass hierbei die sich aus dem Flächennutzungsplan ergebende geordnete städtebauliche Entwicklung beeinträchtigt worden ist; - 3.
der Bebauungsplan aus einem Flächennutzungsplan entwickelt worden ist, dessen Unwirksamkeit sich wegen Verletzung von Verfahrens- oder Formvorschriften einschließlich des § 6 nach Bekanntmachung des Bebauungsplans herausstellt; - 4.
im Parallelverfahren gegen § 8 Absatz 3 verstoßen worden ist, ohne dass die geordnete städtebauliche Entwicklung beeinträchtigt worden ist.
(2a) Für Bebauungspläne, die im beschleunigten Verfahren nach § 13a, auch in Verbindung mit § 13b, aufgestellt worden sind, gilt ergänzend zu den Absätzen 1 und 2 Folgendes:
- 1.
(weggefallen) - 2.
Das Unterbleiben der Hinweise nach § 13a Absatz 3 ist für die Rechtswirksamkeit des Bebauungsplans unbeachtlich. - 3.
Beruht die Feststellung, dass eine Umweltprüfung unterbleiben soll, auf einer Vorprüfung des Einzelfalls nach § 13a Absatz 1 Satz 2 Nummer 2, gilt die Vorprüfung als ordnungsgemäß durchgeführt, wenn sie entsprechend den Vorgaben von § 13a Absatz 1 Satz 2 Nummer 2 durchgeführt worden ist und ihr Ergebnis nachvollziehbar ist; dabei ist unbeachtlich, wenn einzelne Behörden oder sonstige Träger öffentlicher Belange nicht beteiligt worden sind; andernfalls besteht ein für die Rechtswirksamkeit des Bebauungsplans beachtlicher Mangel. - 4.
Die Beurteilung, dass der Ausschlussgrund nach § 13a Absatz 1 Satz 4 nicht vorliegt, gilt als zutreffend, wenn das Ergebnis nachvollziehbar ist und durch den Bebauungsplan nicht die Zulässigkeit von Vorhaben nach Spalte 1 der Anlage 1 zum Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung begründet wird; andernfalls besteht ein für die Rechtswirksamkeit des Bebauungsplans beachtlicher Mangel.
(3) Für die Abwägung ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Beschlussfassung über den Flächennutzungsplan oder die Satzung maßgebend. Mängel, die Gegenstand der Regelung in Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 sind, können nicht als Mängel der Abwägung geltend gemacht werden; im Übrigen sind Mängel im Abwägungsvorgang nur erheblich, wenn sie offensichtlich und auf das Abwägungsergebnis von Einfluss gewesen sind.
(4) Der Flächennutzungsplan oder die Satzung können durch ein ergänzendes Verfahren zur Behebung von Fehlern auch rückwirkend in Kraft gesetzt werden.
Tatbestand
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Die Beteiligten streiten um die Wirksamkeit des sachlichen Teilflächennutzungsplans "Windenergienutzung" der Antragsgegnerin.
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Der Plan stellt am nordwestlichen Rand des Gemeindegebiets der Antragsgegnerin insgesamt vier Sonderbauflächen für Windenergie (SO Wind) zeichnerisch dar. Die textliche Darstellung Nr. 1 hat zum Inhalt, dass die Sonderbauflächen Konzentrationsflächen bilden, auf die Vorhaben von Windenergieanlagen/Windparks gelenkt werden sollen, und ein Entgegenstehen öffentlicher Belange im Sinne des § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB im übrigen Gemeindegebiet begründen, das keine Darstellung aufweist.
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Die Antragstellerin ist ein Unternehmen der Windenergiebranche. Sie beabsichtigt die Errichtung eines Windparks mit 14 Windkraftanlagen im Ortsteil H. der Antragsgegnerin. Der in Aussicht genommene Standort des Vorhabens liegt außerhalb der im sachlichen Teilflächennutzungsplan "Windenergienutzung" der Antragsgegnerin dargestellten Sonderbauflächen für Windenergie.
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Auf den Normenkontrollantrag der Antragstellerin hat das Oberverwaltungsgericht den sachlichen Teilflächennutzungsplan "Windenergienutzung" der Antragsgegnerin für unwirksam erklärt (NuR 2011, 794). Der Plan beruhe auf einem Verstoß gegen das Abwägungsgebot des § 1 Abs. 7 BauGB.
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Das Abwägungsgebot stelle an einen Flächennutzungsplan, mit dem die Ausschlusswirkung des § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB herbeigeführt werden solle, die folgenden Anforderungen: Erforderlich sei die Entwicklung eines schlüssigen Planungskonzepts, das sich auf den gesamten Außenbereich erstrecke. Die planerische Entscheidung müsse nicht nur Auskunft darüber geben, von welchen Erwägungen die positive Standortzuweisung getragen werde, sondern auch deutlich machen, welche Gründe es rechtfertigten, den übrigen Planungsraum von Windenergieanlagen freizuhalten. Die auf der Ebene des Abwägungsvorgangs angesiedelte Ausarbeitung eines Planungskonzepts vollziehe sich abschnittsweise. Zunächst seien diejenigen Außenbereichsflächen auszuscheiden, auf denen die Errichtung und der Betrieb von Windenergieanlagen aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen ausgeschlossen seien ("harte" Tabuzonen), und anschließend nach Maßgabe einheitlich angewandter Kriterien diejenigen Flächen zu ermitteln, auf denen nach den städtebaulichen Vorstellungen der Gemeinde keine Windenergieanlagen aufgestellt werden sollten ("weiche" Tabuzonen). Die nach Abzug der harten und weichen Tabuzonen übrig bleibenden sog. Potenzialflächen seien in einem weiteren Arbeitsschritt zu den auf ihnen konkurrierenden Nutzungen in Beziehung zu setzen, d.h. die öffentlichen Belange, die gegen die Ausweisung eines Landschaftsraums als Konzentrationszone sprächen, seien mit dem Anliegen abzuwägen, der Windenergienutzung an geeigneten Standorten eine Chance zu geben, die ihrer Privilegierung nach § 35 Abs. 1 Nr. 5 BauGB gerecht werde. Diese Prüfungsreihenfolge sei zwingend. Als Ergebnis der Abwägung müsse der Windenergie in substanzieller Weise Raum geschaffen werden. Mit einer bloßen "Feigenblatt"-Planung, die auf eine verkappte Verhinderungsplanung hinauslaufe, dürfe es nicht sein Bewenden haben. Die demnach im letzten Arbeitsschritt erforderliche Prüfung, ob der Plan ein hinreichendes Flächenpotenzial für die Windenergienutzung gewährleiste und der Windenergie damit "substanziell" Raum verschaffe, setze die Ermittlung und Bewertung des Größenverhältnisses zwischen der Gesamtfläche der im Flächennutzungsplan dargestellten Konzentrationszonen und derjenigen Potenzialflächen voraus, die sich nach Abzug der "harten" Tabuzonen ergäben. Im Rahmen der Ausarbeitung ihres Planungskonzepts müsse die planende Gemeinde daher - nach Maßgabe dessen, was auf der Ebene des Flächennutzungsplans angemessenerweise verlangt werden könne - die harten von den weichen Tabuzonen abgrenzen und dies nachvollziehbar dokumentieren.
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Der Abwägungsfehler liege darin, dass die Antragsgegnerin bei der Erarbeitung des Planungskonzepts nicht zwischen den unterschiedlichen Kategorien der Tabuzonen unterschieden habe. Sowohl die Planbegründung (§ 5 Abs. 5 BauGB) als auch die zusammenfassende Erklärung (§ 6 Abs. 5 BauGB) erweckten den Eindruck, als habe die Antragsgegnerin durchweg harte Ausschlusskriterien angewandt. Dass sie sich bewusst gewesen sei, durch die Festlegung von Abstandszonen zu schutzbedürftigen Nutzungen auch weiche Ausschlusskriterien angewandt zu haben, habe sie nicht offengelegt. Für die Gemeindevertretung als Beschlussorgan habe daher ebenso wie für die im Aufstellungsverfahren beteiligte Öffentlichkeit zwangsläufig die Fehlvorstellung entstehen müssen, dass es schon aus rechtlichen Gründen keine Alternativen zu den gewählten Abstandszonen gebe. Der Fehler sei nicht nach § 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 3 Satz 2 Halbs. 2 BauGB unbeachtlich. Er sei offensichtlich, weil er sich aus der Planbegründung und den Aufstellungsvorgängen ergebe, und habe sich auch auf das Abwägungsergebnis ausgewirkt. Da sich bei der gebotenen Bewertung anhand der maßgeblichen Bezugsgröße (Größe der Außenbereichsflächen nach Abzug der "harten" Tabuzonen) voraussichtlich gezeigt hätte, dass deutlich mehr Flächen für die Windenergienutzung zur Verfügung stünden als angenommen, bestehe die konkrete Möglichkeit, dass die Antragsgegnerin die Darstellung des sachlichen Teilflächennutzungsplans in Bezug auf Anzahl und Größe der Sonderbauflächen für Windenergie geändert hätte.
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Die Antragsgegnerin hat gegen das Normenkontrollurteil die vom Oberverwaltungsgericht zugelassene Revision eingelegt. Sie ist der Ansicht, dass eine Verpflichtung zu einer gestuften Vorgehensweise bei der Ermittlung der Potenzialflächen durch die vom Oberverwaltungsgericht geforderte Trennung in harte und weiche Tabuzonen weder bundesrechtlich geboten sei noch sachgerecht erfüllt werden könne. Die Gemeinde dürfe im Rahmen der Standortanalyse diejenige unter mehreren sachgerechten Methoden wählen, die ihr am zweckmäßigsten erscheine. Dem vorinstanzlich angewandten Prüfungsschema liege die unzutreffende Prämisse zugrunde, dass die Frage, ob der Windenergie substanziell Raum verschafft werde, nur nach dem Verhältnis zwischen der Größe der im Flächennutzungsplan dargestellten Konzentrationsfläche und der Größe derjenigen Potenzialflächen beantwortet werden könne, die sich nach Abzug der harten Tabuzonen von der Gesamtheit der gemeindlichen Außenbereichsflächen ergebe. Das Oberverwaltungsgericht habe verkannt, dass nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts die Bewertung, ob der Windenergie substanziell Raum gegeben werde, anhand einer Gesamtbetrachtung unterschiedlicher Gesichtspunkte vorgenommen werden dürfe. Losgelöst von den rechtlichen Fehlvorstellungen, denen das Oberverwaltungsgericht erlegen sei, sei das Urteil auch deshalb unrichtig, weil sie, die Antragsgegnerin, entgegen der vorinstanzlichen Würdigung keinen Zweifel habe aufkommen lassen, welche abstrakten und einheitlich angewandten Kriterien im Einzelnen zu den ermittelten Potenzialflächen geführt hätten und ob die Kriterien rechtlich geboten oder selbst gewählt gewesen seien.
Entscheidungsgründe
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Die Revision ist unbegründet, weil das angefochtene Urteil mit Bundesrecht im Einklang steht. Das Oberverwaltungsgericht hat zutreffend entschieden, dass der sachliche Teilflächennutzungsplan "Windenergienutzung" der Antragsgegnerin an einem beachtlichen Mangel im Abwägungsvorgang leidet und deshalb unwirksam ist.
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1. Die Anforderungen an den Abwägungsvorgang ergeben sich aus den verfahrensrechtlichen Vorgaben des § 2 Abs. 3 BauGB, die sich mit den Anforderungen decken, die die Rechtsprechung aus dem Abwägungsgebot des § 1 Abs. 7 BauGB entwickelt hat (Urteil vom 9. April 2008 - BVerwG 4 CN 1.07 - BVerwGE 131, 100 Rn. 20). Soll eine planerische Entscheidung die Wirkungen des § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB auslösen - hiernach stehen öffentliche Belange einem Vorhaben zur Nutzung der Windenergie in der Regel entgegen, soweit hierfür durch Darstellungen im Flächennutzungsplan eine Ausweisung an anderer Stelle erfolgt ist -, verlangt das Abwägungsgebot die Entwicklung eines schlüssigen Gesamtkonzepts, das sich auf den gesamten Außenbereich erstreckt. Die gemeindliche Entscheidung muss nicht nur Auskunft darüber geben, von welchen Erwägungen die positive Standortzuweisung getragen wird, sondern auch deutlich machen, welche Gründe es rechtfertigen, den übrigen Planungsraum von Windenergieanlagen freizuhalten (vgl. Urteile vom 17. Dezember 2002 - BVerwG 4 C 15.01 - BVerwGE 117, 287 <298> und vom 13. März 2003 - BVerwG 4 C 3.02 - NVwZ 2003, 1261).
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Nach der Rechtsprechung des Senats vollzieht sich die Ausarbeitung des Planungskonzepts abschnittsweise (vgl. Beschluss vom 15. September 2009 - BVerwG 4 BN 25.09 - BRS 74 Nr. 112). In einem ersten Arbeitsschritt sind diejenigen Bereiche als "Tabuzonen" zu ermitteln, die für die Nutzung der Windenergie nicht zur Verfügung stehen. Die Tabuzonen lassen sich in "harte" und "weiche" untergliedern (Beschluss vom 15. September 2009 a.a.O.). Der Begriff der harten Tabuzonen dient der Kennzeichnung von Gemeindegebietsteilen, die für eine Windenergienutzung, aus welchen Gründen immer, nicht in Betracht kommen, mithin für eine Windenergienutzung "schlechthin" ungeeignet sind (vgl. Urteil vom 17. Dezember 2002 a.a.O. S. 295, 299), mit dem Begriff der weichen Tabuzonen werden Bereiche des Gemeindegebiets erfasst, in denen nach dem Willen der Gemeinde aus unterschiedlichen Gründen die Errichtung von Windenergieanlagen "von vornherein" ausgeschlossen werden "soll" (vgl. Urteil vom 21. Oktober 2004 - BVerwG 4 C 2.04 - BVerwGE 122, 109 <112>). Die Potenzialflächen, die nach Abzug der harten und weichen Tabuzonen übrig bleiben, sind in einem weiteren Arbeitsschritt zu den auf ihnen konkurrierenden Nutzungen in Beziehung zu setzen, d.h. die öffentlichen Belange, die gegen die Ausweisung eines Landschaftsraums als Konzentrationszone sprechen, sind mit dem Anliegen abzuwägen, der Windenergienutzung an geeigneten Standorten eine Chance zu geben, die ihrer Privilegierung nach § 35 Abs. 1 Nr. 5 BauGB gerecht wird (vgl. auch OVG Koblenz, Urteil vom 26. November 2003 - 8 A 10814/03 - ZNER 2004, 82 <83>).
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Das Oberverwaltungsgericht ist zu dem Ergebnis gelangt, dass sich die Gemeinde - auf der ersten Stufe des Planungsprozesses - den Unterschied zwischen harten und weichen Tabuzonen bewusst machen und ihn dokumentieren muss. Das stimmt mit Bundesrecht überein und ist dem Umstand geschuldet, dass die beiden Arten der Tabuzonen nicht demselben rechtlichen Regime unterliegen.
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Bei den harten Tabuzonen handelt es sich um Flächen, deren Bereitstellung für die Windenergienutzung an § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB scheitert. Danach haben die Gemeinden die Bauleitpläne aufzustellen, sobald und soweit es für die städtebauliche Entwicklung und Ordnung erforderlich ist. Nicht erforderlich ist ein Bauleitplan, wenn seiner Verwirklichung auf unabsehbare Zeit rechtliche oder tatsächliche Hindernisse im Wege stehen (vgl. Urteil vom 18. März 2004 - BVerwG 4 CN 4.03 - BVerwGE 120, 239 <240 f.>). Harte Tabuflächen sind einer Abwägung zwischen den Belangen der Windenergienutzung und widerstreitenden Belangen (§ 1 Abs. 7 BauGB) entzogen. Demgegenüber sind weiche Tabuzonen zu den Flächen zu rechnen, die einer Berücksichtigung im Rahmen der Abwägung zugänglich sind. Zwar dürfen sie anhand einheitlicher Kriterien ermittelt und vorab ausgeschieden werden, bevor diejenigen Belange abgewogen werden, die im Einzelfall für und gegen die Nutzung einer Fläche für die Windenergie sprechen. Das ändert aber nichts daran, dass sie keine eigenständige Kategorie im System des Rechts der Bauleitplanung bilden, sondern der Ebene der Abwägung zuzuordnen sind. Sie sind disponibel, was sich daran zeigt, dass städtebauliche Gesichtspunkte hier - anders als die Antragsgegnerin meint - nicht von vornherein vorrangig sind und der Plangeber die weichen Tabuzonen, einer erneuten Betrachtung und Bewertung unterziehen muss, wenn er als Ergebnis seiner Untersuchung erkennt, dass er für die Windenergienutzung nicht substanziell Raum schafft (vgl. Urteil vom 24. Januar 2008 - BVerwG 4 CN 2.07 - NVwZ 2008, 559 <560>).
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Während harte Tabuzonen kraft Gesetzes als Konzentrationsflächen für die Windenergienutzung ausscheiden, muss der Plangeber eine Entscheidung für weiche Tabuzonen rechtfertigen. Dazu muss er aufzeigen, wie er die eigenen Ausschlussgründe bewertet, d.h. kenntlich machen, dass er - anders als bei harten Tabukriterien - einen Bewertungsspielraum hat, und die Gründe für seine Wertung offen legen. Andernfalls scheitert seine Planung unabhängig davon, welche Maßstäbe an die Kontrolle des Abwägungsergebnisses anzulegen sind, schon an dem fehlenden Nachweis, dass er die weichen Tabukriterien auf der Stufe der Abwägung in die Planung eingestellt hat.
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Dem Plangeber wird mit der Unterteilung in harte und weiche Tabuzonen nichts Unmögliches abverlangt. An der Vereinbarkeit mit § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB und § 1 Abs. 7 BauGB muss sich jede Planung messen lassen. Der Senat verkennt ebenso wenig wie die Vorinstanz, dass die Abgrenzung zwischen harten und weichen Tabuzonen in der Planungspraxis mit Schwierigkeiten verbunden sein kann. Dem kann jedoch dadurch Rechnung getragen werden, dass vom Plangeber nicht mehr gefordert wird, als was er "angemessenerweise" leisten kann (UA S. 30). Die Grenzen des ihm Möglichen hat das Oberverwaltungsgericht anschaulich aufgezeigt (UA S. 31 ff.).
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Das Oberverwaltungsgericht hat unter Auswertung der Planbegründung (§ 5 Abs. 5 BauGB) und der zusammenfassenden Erklärung (§ 6 Abs. 5 Satz 2 BauGB) festgestellt, dass die Antragsgegnerin zwischen harten und weichen Tabuzonen nicht differenziert hat (UA S. 34). An die getroffenen Feststellungen ist der Senat nach § 137 Abs. 2 VwGO gebunden, weil die Antragsgegnerin in Bezug auf sie keine zulässigen und begründeten Revisionsgründe vorbringt, sondern sich darauf beschränkt, der tatrichterlichen Würdigung des Sachverhalts durch die Vorinstanz ihre eigene, davon abweichende Würdigung entgegenzusetzen. Der Verzicht auf die Unterscheidung zwischen beiden Arten der Tabuzonen wäre allerdings unbeachtlich, wenn feststünde, dass die Antragsgegnerin nur harte Tabuzonen zu den Ausschlussgebieten gezählt hätte. Das ist jedoch nicht der Fall. Das Oberverwaltungsgericht hat mit bindender Wirkung für den Senat festgestellt, dass die Antragsgegnerin auch solche Landschaftsteile in den Umgriff der Ausschlussgebiete einbezogen hat, in denen nach ihren eigenen Kriterien keine Windenergieanlagen aufgestellt werden sollen (UA S. 35 ff.).
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2. Ebenfalls ohne Verstoß gegen Bundesrecht hat das Oberverwaltungsgericht entschieden, dass der Mangel im Abwägungsvorgang nicht gemäß § 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 3 Satz 2 Halbs. 2 BauGB unbeachtlich ist (UA S. 37 f.). Es ist zutreffend davon ausgegangen, dass ein Mangel offensichtlich ist, wenn er auf objektiv feststellbaren Umständen beruht und ohne Ausforschung der Mitglieder des Rates über deren Planungsvorstellungen für den Rechtsanwender erkennbar ist (Urteil vom 21. August 1981 - BVerwG 4 C 57.80 - BVerwGE 64, 33 <38>), und auf das Abwägungsergebnis von Einfluss gewesen ist, wenn nach den Umständen des jeweiligen Falles die konkrete Möglichkeit besteht, dass ohne den Mangel die Planung anders ausgefallen wäre (Beschluss vom 9. Oktober 2003 - BVerwG 4 BN 47.03 - BauR 2004, 1130). Das Vorliegen dieser Voraussetzungen hat es, für den Senat bindend, bejaht.
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Der Senat hat die Anforderungen an die Voraussetzungen des § 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 3 Satz 2 BauGB im Urteil vom 22. September 2010 - BVerwG 4 CN 2.10 - (BVerwGE 138, 12 Rn. 21 f.) entgegen der in der mündlichen Verhandlung vertretenen Ansicht der Antragsgegnerin nicht dahingehend geändert, dass ein Fehler im Abwägungsvorgang erst dann erheblich ist, wenn eine Fehlerkorrektur schlechterdings nicht zum selben Abwägungsergebnis führen könnte. Das Urteil hält daran fest, dass der Abwägungsvorgang fehlerhaft ist, wenn die konkrete Möglichkeit besteht, dass die Planung ohne den Fehler anders ausgefallen wäre, und trifft die Aussage, dass das Abwägungsergebnis nicht unter denselben Voraussetzungen, sondern erst dann zu beanstanden ist, wenn eine fehlerfreie Nachholung der Abwägung schlechterdings nicht dasselbe Ergebnis haben dürfte (a.a.O. Rn. 22). Das Abwägungsergebnis, das im angefochtenen Teilflächennutzungsplan seinen Niederschlag gefunden hat, ist vorliegend aber nicht Gegenstand der gerichtlichen Kontrolle.
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3. Nicht entscheidungserheblich ist die Frage, nach welchem Vergleichsmaßstab zu beurteilen ist, ob das Planungsergebnis der Windenergie substanziell Raum verschafft (vgl. zu diesem Erfordernis als Voraussetzung für die Rechtmäßigkeit des Abwägungsergebnisses Urteile vom 17. Dezember 2002 - BVerwG 4 C 15.01 - BVerwGE 117, 287 <295>, vom 13. März 2003 - BVerwG 4 C 3.02 - NVwZ 2003, 1261 und - BVerwG 4 C 4.02 - NVwZ 2003, 738 <739>, vom 21. Oktober 2004 - BVerwG 4 C 2.04 - BVerwGE 122, 109 <111> und vom 24. Januar 2008 - BVerwG 4 CN 2.07 - NVwZ 2008, 559 <560>). Im Interesse der Rechtssicherheit und Berechenbarkeit der Rechtsprechung nimmt der Senat gleichwohl zu ihr Stellung. Entgegen der Ansicht des Oberverwaltungsgerichts lässt sie sich nicht ausschließlich nach dem Verhältnis zwischen der Größe der im Flächennutzungsplan dargestellten Konzentrationsfläche und der Größe derjenigen Potenzialflächen beantworten, die sich nach Abzug der harten Tabuzonen von der Gesamtheit der gemeindlichen Außenbereichsflächen ergibt. Der von der Vorinstanz entwickelte Maßstab für die Kontrolle des Abwägungsergebnisses kann keine "Exklusivität" für sich beanspruchen. Der Senat hat die Entscheidung, anhand welcher Kriterien sich beantworten lässt, ob eine Konzentrationsflächenplanung nach § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB für die Nutzung der Windenergie in substanzieller Weise Raum schafft, den Tatsachengerichten vorbehalten (Beschluss vom 29. März 2010 - BVerwG 4 BN 65.09 - BauR 2010, 2074) und verschiedene Modelle gebilligt (vgl. Beschluss vom 22. April 2010 - BVerwG 4 B 68.09 - juris Rn. 6 f. und Urteil vom 20. Mai 2010 - BVerwG 4 C 7.09 - NVwZ 2010, 1561 Rn. 28). Daran hält er mit dem Zusatz fest, dass die von den Tatsachengerichten entwickelten Kriterien revisionsrechtlich hinzunehmen sind, wenn sie nicht von einem Rechtsirrtum infiziert sind, gegen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verstoßen oder ansonsten für die Beurteilung des Sachverhalts schlechthin ungeeignet sind (vgl. auch Urteil vom 11. Oktober 2007 - BVerwG 4 C 7.07 - BVerwGE 129, 307 Rn. 22).
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Der Senat sieht keinen Anlass, den vom Oberverwaltungsgericht gewählten Ansatz zu beanstanden. Er selbst hat bereits im Urteil vom 17. Dezember 2002 (a.a.O. S. 295) einem, wenn auch anders gearteten, Flächenvergleich das Wort geredet. Nicht zulässig wäre allerdings die Festlegung eines bestimmten (prozentualen) Anteils, den die Konzentrationsflächen im Vergleich zu den Potenzialflächen erreichen müssen, damit die Rechtsfolge des § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB eintritt. Dagegen darf dem Verhältnis dieser Flächen zueinander Indizwirkung beigemessen werden und ist nichts gegen einen Rechtssatz des Inhalts zu erinnern, dass, je geringer der Anteil der ausgewiesenen Konzentrationsflächen ist, desto gewichtiger die gegen eine weitere Ausweisung von Vorranggebieten sprechenden Gesichtspunkte sein müssen, damit es sich nicht um eine unzulässige "Feigenblattplanung" handelt (so VG Hannover, Urteil vom 24. November 2011 - 4 A 4927/09 - juris Rn. 66).
Tenor
I.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II.
Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens. Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
III.
Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 15.000 € festgesetzt.
Gründe
I.
II.
II)
Gründe
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Die auf § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO gestützte Beschwerde des Antragstellers hat keinen Erfolg.
- 2
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Die Beschwerde wirft als Grundsatzrüge die Frage auf,
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ob die verfassungsrechtliche Garantie der körperlichen Unversehrtheit der Bildung von Summenpegeln zur Ermittlung des Verkehrslärms, verursacht durch unterschiedliche Verkehrsträger, Bahn- und Pkw-Verkehr, entgegensteht, wenn bereits der Bahnverkehr eine Lärmbelastung zur Folge hat, die die Schwelle der Gesundheitsgefährdung überschreitet.
- 3
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Die Rechtssache hat nicht die grundsätzliche Bedeutung, die ihr der Antragsteller beimisst. Die Beschwerde zeigt nicht auf, dass die vom Oberverwaltungsgericht zugrunde gelegte Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts einer Weiterentwicklung bedürfte. In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist geklärt, dass bei dem Bau oder der wesentlichen Änderung öffentlicher Straßen nur sicherzustellen ist, dass "durch diese" keine schädlichen Umwelteinwirkungen hervorgerufen werden, die nach dem Stand der Technik vermeidbar sind. Maßgeblich ist ausschließlich der Beurteilungspegel des von dem zu bauenden oder zu ändernden Verkehrsweg ausgehenden Verkehrslärms (Urteile vom 21. März 1996 - BVerwG 4 C 9.95 - BVerwGE 101, 1 <6> und vom 23. Februar 2005 - BVerwG 4 A 5.04 - BVerwGE 123, 23 <34 f.>). Geklärt ist ferner, dass abweichend von dem Grundsatz, dass die Beurteilungspegel für jeden Verkehrsweg gesondert zu berechnen sind, die Bildung eines Summenpegels dann geboten sein kann, wenn der neue oder der zu ändernde Verkehrsweg in Zusammenwirkung mit vorhandenen Vorbelastungen anderer Verkehrswege insgesamt zu einer Lärmbelastung führt, die mit Gesundheitsgefahren oder einem Eingriff in die Substanz des Eigentums verbunden ist (Urteile vom 21. März 1996 a.a.O. S. 9, vom 20. Mai 1998 - BVerwG 11 C 3.97 - Buchholz 406.25 § 41 BImSchG Nr. 18 S. 51, vom 10. November 2004 - BVerwG 9 A 67.03 - Buchholz 406.25 § 41 BImSchG Nr. 41 S. 127 und vom 23. Februar 2005 a.a.O. S. 35).
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Dass in einem Fall, in dem der planbedingte Straßenverkehrslärm die Immissionsgrenzwerte der 16. BImSchV zwar einhält (UA S. 17), die Vorbelastung aus Schienenverkehr sich aber - wie das Oberverwaltungsgericht weiter festgestellt hat - als kritisch erweist (UA S. 17, 19) und daher als abwägungserheblich bei der Prognose nicht nur die zu erwartende Straßenverkehrslärmbelastung, sondern auch der Lärm zu berücksichtigen ist, der von dem Schienenweg ausgeht, stellt der Antragsteller nicht in Abrede. Er meint jedoch, die Bildung eines Summenpegels sei im Fall der Kumulation des Lärms zweier nicht gleichartiger Verkehrswege nicht geeignet, die Lärmsituation abwägungsgerecht abzubilden. Wie die Gesamtlärmbelastung bei Zusammentreffen von planbedingtem Straßenverkehrslärm und einer kritischen Vorbelastung aus Schienenverkehrslärm zu ermitteln ist, betrifft indes eine außerrechtliche Fachfrage, die revisionsgerichtlicher Klärung nicht zugänglich ist (Beschlüsse vom 29. April 2003 - BVerwG 9 B 59.02 - juris Rn. 91 ff. und vom 18. August 2005 - BVerwG 4 B 20.05 - juris Rn. 14).
Tatbestand
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Gegenstand des Verfahrens ist der Planfeststellungsbeschluss des Eisenbahn-Bundesamtes vom 25. Juni 2012 für die Errichtung des "Planfeststellungsabschnitts 2.4 Albabstieg" der Aus- und Neubaustrecke Stuttgart - Augsburg, Bereich Wendlingen - Ulm. Der Abschnitt 2.4 des in mehrere Planfeststellungsabschnitte gegliederten Gesamtvorhabens führt auf neuer Trasse von Dornstadt auf der Hochfläche der Schwäbischen Alb in zwei eingleisigen Tunnelröhren in das Donautal hinab zum Hauptbahnhof Ulm. Die Grenze zum südlich anschließenden Abschnitt 2.5a1 liegt unmittelbar am Ausgang der Tunnelröhren. Vor dem Tunnelportal Ulm umfasst der Planfeststellungsabschnitt 2.4 nach Osten lediglich noch Flächen des künftigen Rettungsplatzes. Im Abschnitt 2.5a1 wird die Neubaustrecke in Trogführung eigenen Bahnsteigen am Hauptbahnhof Ulm zugeführt. Das erfordert eine Neutrassierung von Bestandsgleisen sowie die Bereitstellung von Flächen für Baustelleneinrichtungen, wofür ebenfalls Um- und Rückbauten von Gleisanlagen erforderlich sind.
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Der Kläger ist Eigentümer des früher mit Kasernengebäuden bebauten Grundstücks Flurstück … der Gemarkung …, das von Norden an die K.straße grenzt. Das (als Baudenkmal geschützte) Hauptgebäude ließ sein Rechtsvorgänger nach 2001 zur Wohnnutzung umbauen, nördlich davon errichtete er zwei weitere Wohngebäude sowie eine Tiefgarage. Die Gesamtanlage umfasst 74 Wohnungen. Im östlichen Bereich des Grundstücks werden Teile der Wohnbebauung und Teile der Tiefgarage von der Tunnelstrecke unterfahren. Das Tunnelportal Ulm kommt unmittelbar südlich der K.straße und der zu dieser parallel geführten, im Hang abgestuft tiefer liegenden Bahnstrecken 4542 (Gleise 403 und 404) und 4543 (Gleis 405) zur Ausführung und zwar in einer Entfernung von ca. 70 m zur Südostecke der Wohnanlage des Klägers. Dabei muss im Bereich der Kreuzung Neubaustrecke/Strecke 4543 das Gleis 405 höher gelegt werden, damit es von der Neubaustrecke unterfahren werden kann. Während diese Änderung Teil der Planfeststellung im Abschnitt 2.4 ist, fallen alle weiteren Gleisänderungen im Bahnhofsvorfeld in den Folgeabschnitt 2.5a1. Das gilt auch für das Gleis 406 der Strecke 4760 Aalen - Ulm, das zurückgebaut und künftig über einen nach Nordwesten verschwenkten Bogen und den Trog der Neubaustrecke auf einem Brückenbauwerk überquerend dem Hauptbahnhof Ulm zugeführt wird.
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Im Juni 2003 beantragte die Beigeladene die Planfeststellung für den Neubau des Schienenwegs im Planfeststellungsabschnitt 2.4. Mit seinen fristgerecht erhobenen Einwendungen rügte der Rechtsvorgänger des Klägers mögliche Substanzbeeinträchtigungen an seiner Wohnanlage durch die Baumaßnahmen zur Herstellung der Neubaustrecke, zudem Lärm- und Erschütterungseinwirkungen auf die Mieter während der auf eine Dauer von 40 Monaten veranschlagten Bauphase und während des künftigen Streckenbetriebs sowie die Gesamtverkehrslärmbelastung nach Realisierung des Vorhabens.
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Mit Beschluss vom 25. Juni 2012 stellte die Beklagte die Pläne für den beantragten Abschnitt der Neubaustrecke fest. Gemäß A.4.2. des verfügenden Teils des Planfeststellungsbeschlusses sind die Anwohner und die Immissionsschutzbehörden rechtzeitig über lärmintensive Bauarbeiten und deren voraussichtliche Dauer zu unterrichten (Nr. 4). Während der Baudurchführung sind Geräuschimmissionen nach Maßgabe der AVV Baulärm zu überwachen (Nr. 5). Überschreitet der Beurteilungspegel der durch den Baubetrieb hervorgerufenen Geräusche den Immissionsrichtwert der AVV Baulärm um mehr als 5 dB(A), sind von der Vorhabensträgerin unverzüglich Maßnahmen zur Verminderung der Geräusche durchzuführen (Nr. 6). Die Vorhabensträgerin hat den Eigentümern der Gebäude im Einwirkungsbereich der Baustelleneinrichtungsfläche am Portal Ulm rechtzeitig vor Baubeginn Entschädigung für notwendige Aufwendungen für Maßnahmen des passiven Lärmschutzes zu leisten, wenn die Richtwerte der AVV Baulärm voraussichtlich um mindestens 5 dB(A) während mehr als 2 Monaten überschritten werden. Die passiven Schallschutzvorkehrungen umfassen alle Maßnahmen, die erforderlich sind, um die Einhaltung der in der VDI 2719, Tabelle 6 angegebenen Anhaltswerte für Innenschallpegel zu gewährleisten (Nr. 8). Sind die notwendigen Schutzmaßnahmen technisch nicht realisierbar oder nur mit unverhältnismäßigem Aufwand umzusetzen, ist den betroffenen Eigentümern eine angemessene Entschädigung für die Minderung des Gebrauchswertes des Eigentums in Geld zu zahlen (Nr. 9). Überschreiten die durch den Baubetrieb hervorgerufenen Erschütterungen die Richtwerte der DIN 4150, sind unverzüglich Maßnahmen zu deren Verminderung durchzuführen (Nr. 12). Nach Fertigstellung der Tunnelrohbauten sind die dem erschütterungstechnischen Gutachten zugrunde gelegten Übertragungsfunktionen durch Messungen mit geeigneter Fremdanregung zu verifizieren. Ergeben die Messungen, dass mit höheren als den in Anlage 13.2 prognostizierten Einwirkungen und einer Überschreitung der Anhaltswerte der DIN 4150-2 zu rechnen ist, sind weitere Gebäude im Einwirkungsbereich zu untersuchen. Eine Entscheidung über dann notwendige Schutzvorkehrungen bleibt vorbehalten (Nr. 16).
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Zum Verkehrslärm, der durch den Betrieb der Neubaustrecke auf angrenzende Grundstücke einwirkt, geht der Planfeststellungsbeschluss von Folgendem aus: Nach der schalltechnischen Untersuchung würden am Tunnelportal Ulm die Immissionsgrenzwerte der Verkehrslärmschutzverordnung um mindestens 4 dB(A) unterschritten (PFB S. 55 f.). Auch infolge der erheblichen baulichen Eingriffe auf den Strecken 4543 und 4760 ergäben sich keine Schallschutzansprüche, da die Immissionsgrenzwerte der Verkehrslärmschutzverordnung nicht überschritten würden. Um die Schallimmissionen im Bereich des Tunnelportals Ulm infolge der Freisetzung von Mikrodruckwellen, zu deren Charakterisierung die C-Bewertung die geeignete Methode sei, zu reduzieren, würden an der Tunneleinfahrt Dornstadt so genannte Portalhauben mit Entlüftungsöffnungen eingebaut. Das führe dazu, dass an der zum Portal Ulm nächstgelegenen Wohnbebauung unbedenkliche Werte zwischen 64 dB(C) und 75 dB(C) aufträten (PFB S. 56 f.). Eine Gesamtlärmbetrachtung für den Bereich des Portals Ulm und des sich anschließenden Hauptbahnhofs Ulm sei Bestandteil des Planfeststellungsbeschlusses für den Folgeabschnitt 2.5a1 (PFB S. 61).
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Mit Bescheid vom 2. Oktober 2013 änderte die Beklagte den Planfeststellungsbeschluss dahingehend ab, dass die beiden Röhren des Albabstiegstunnels nicht mehr in einem Kreisprofil, sondern in einem Korbbogenprofil mit um 10 m unterirdisch verlängerten Portalhauben an der Einfahrt Dornstadt zur Ausführung gelangen sollen. Die prognostizierten MDW-Immissionen im Nahbereich der Tunnelportale sowie an den nächstgelegenen Immissionsorten in der Nachbarschaft würden den Richtwert von 115 dB(C) für den C-bewerteten Spitzenschalldruckpegel gemäß der Richtlinie 853.1002A01 an allen Tunnelportalen einhalten. Im Vergleich zu der dem Planfeststellungsbeschluss zugrundeliegenden Planung würden die zu erwartenden Mikrodruckwellen-Emissionen am Portal Ulm sinken.
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Zur Begründung der gegen den Planfeststellungsbeschluss erhobenen Klage wird vorgetragen:
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In die Beurteilung von Ansprüchen des Klägers auf Schutz seines Grundstücks vor Bahnbetriebslärm hätte neben dem Streckenneubau und der Höherlegung des Gleises 405 die Verschwenkung des Gleises 406 nicht als bloße Änderung, sondern als Neubau einbezogen werden müssen. Zu Unrecht gingen die schalltechnischen Untersuchungen lediglich von einer Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h auf der Neubaustrecke bzw. von 40 km/h auf den Strecken 4543/4760 aus. Der Schienenbonus von 5 dB(A) sei fälschlich berücksichtigt worden. Die Eignung der Methode zur akustischen Bewertung von Mikrodruckwellen und des damit verbundenen Tunnelknalls sei nicht belegt; die Beklagte räume selbst ein, dass hinsichtlich der Belastbarkeit der Prognose Unsicherheiten verblieben. Zusätzliche bauliche Schutzmaßnahmen wie eine Betonüberdeckelung des Ein- und Ausfahrtbereichs der beiden Tunnelröhren am Portal Ulm um ca. 25 m nach Süden würden zu einer erheblichen Reduzierung der Immissionsbelastung durch Mikrodruckwellen auf dem Grundstück des Klägers führen. Die Gesamtlärmbetrachtung dürfe nicht in den Planfeststellungsabschnitt 2.5a1 verlagert werden; in diese müsse auch der bereits vorhandene Straßen- und Schienenverkehrslärm mit einbezogen werden.
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Zudem komme es zu einer erheblichen Überschreitung der Immissionsrichtwerte der AVV Baulärm. Da die Gebäude des Klägers erst vor wenigen Jahren umgebaut bzw. neu errichtet worden seien, könne passiver Schallschutz nur mit unverhältnismäßigem Aufwand umgesetzt werden. In solchen Fällen hätten die Betroffenen einen Anspruch auf angemessene Entschädigung für die Minderung des Gebrauchswertes.
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Die beiden neuen Wohngebäude und die Tiefgarage seien bei den erschütterungstechnischen Untersuchungen unberücksichtigt geblieben. Da die Tunnelüberdeckung dort nur ca. 15 m betrage, müsse von baubedingten Erschütterungseinwirkungen in beeinträchtigendem Maße ausgegangen werden. Auch die Unterkellerungen der ehemaligen Kasernenanlage und dortige Hohlräume seien nicht ermittelt worden. Ebenso dürfe es für den sekundären Luftschall keinen Schienenbonus geben.
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Der Kläger beantragt,
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die Beklagte zu verpflichten, den Planfeststellungsbeschluss vom 25. Juni 2012 in der Gestalt des Änderungsbescheides vom 2. Oktober 2013 dahingehend zu ergänzen, dass geeignete Schutzvorkehrungen getroffen werden, die eine zumutbare Immissionsbelastung auf dem Flurstück … der Gemarkung … (Residenz …) aufgrund von Schienenverkehrslärm, Mikrodruckwellen, Baustellenbetriebslärm sowie bau- und betriebsbedingten Erschütterungen sicherstellen,
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hilfsweise,
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soweit solche Schutzvorkehrungen nicht in Betracht kommen, eine angemessene Entschädigung dem Grunde nach zuzuerkennen,
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äußerst hilfsweise,
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die Beklagte zu verpflichten, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts über ergänzenden Lärm- und Erschütterungsschutz bzw. die Zuerkennung einer Entschädigung dem Grunde nach neu zu entscheiden.
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Der Beklagte und die Beigeladene beantragen,
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die Klage abzuweisen.
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Sie treten dem Vorbringen des Klägers im Einzelnen entgegen.
Entscheidungsgründe
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Die Klage ist zulässig, aber nicht begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf weitergehende Planergänzungen oder erneute Entscheidung darüber. Das im Planfeststellungsbeschluss festgesetzte Schutz- und Entschädigungskonzept in Gestalt der in der mündlichen Verhandlung abgegebenen Protokollerklärungen ist hinsichtlich seines Anwesens nicht zu beanstanden.
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1. Der Kläger kann nicht verlangen, dass die Beklagte den Planfeststellungsbeschluss um weitergehende Schutzanordnungen gegen einwirkenden Baustellenlärm ergänzt oder über eine solche Ergänzung erneut entscheidet.
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a) Die lärmtechnische Untersuchung, die dem planfestgestellten Schutz- und Entschädigungskonzept für Baulärm zugrunde liegt, hat den von der Baustelleneinrichtungsfläche Süd des Tunnelportals Ulm ausgehenden Baulärm umfassend in den Blick genommen, ohne zwischen Lärmeinwirkungen infolge von Arbeiten zur Realisierung des streitgegenständlichen Planfeststellungsabschnitts 2.4 und solchen von Arbeiten zur Realisierung des Folgeabschnitts 2.5a1 zu differenzieren. Dieses Vorgehen war sachgerecht, weil sich im Hinblick auf die Vielzahl der zur Lärmbelastung beitragenden Arbeiten die jeweiligen Verursachungsbeiträge räumlich und funktional nicht klar trennen lassen und überdies eine separate Betrachtung nicht geeignet ist, den ungeachtet der Abschnittsbildung als einheitliche Belastung auf die Nachbarschaft einwirkenden Baustellenlärm des Projekts zu bewältigen. Rechtliche Nachteile ergeben sich daraus für den Kläger nicht.
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b) Die Festlegungen in A.4.2 des Planfeststellungsbeschlusses zum Schutz vor den durch den Baustellenbetrieb verursachten Schallimmissionen begegnen zwar insoweit rechtlichen Bedenken, als gemäß der Nr. 8 Entschädigungen für notwendige Aufwendungen für Maßnahmen des passiven Lärmschutzes erst zu leisten sind, wenn die Richtwerte der AVV Baulärm voraussichtlich um mindestens 5 dB(A) während mehr als zwei Monaten überschritten werden, wobei bei der Ermittlung der Dauer der Überschreitungen kurze Zwischenzeiten von bis zu fünf Tagen mit einer geringeren Belastung nicht zu berücksichtigen sind. Dies widerspricht der Rechtsprechung des erkennenden Senats, nach der die fachplanerische Zumutbarkeitsschwelle für Baustellenlärm sich nicht nach dem um 5 dB(A) erhöhten Eingreifwert gemäß Nr. 4.1 der AVV Baulärm, sondern nach dem Immissionsrichtwert gemäß Nr. 3.1.1 AVV Baulärm bemisst (Urteil vom 10. Juli 2012 - BVerwG 7 A 11.11 - BVerwGE 143, 249 Rn. 27 ff., 45 = Buchholz 316 § 74 VwVfG Nr. 84). Vorkehrungen zum Schutz der Wohnbebauung am Michelsberg sind somit bereits bei einem Überschreiten des Immissionsrichtwerts für ein allgemeines Wohngebiet zu treffen. Der Planfeststellungsbeschluss verhält sich des Weiteren nicht dazu, weshalb Betroffene eine Überschreitung dieser Zumutbarkeitsschwelle für eine Dauer von bis zu zwei Monaten ohne Schutzvorkehrungen hinzunehmen haben, wie auch im Unklaren bleibt, ob Zeiten geringerer Belastungen von mehr als fünf Tagen die Frist für das Entstehen von Schutzansprüchen hemmen oder unterbrechen.
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Mit der in der mündlichen Verhandlung zu Protokoll gegebenen Erklärung der Beigeladenen, die die Beklagte zum Inhalt des Planfeststellungsbeschlusses erklärt hat, sind hierauf bezogene rechtliche Bedenken aber ausgeräumt. Im Anschluss an die schalltechnische Untersuchung zum Baulärm vom 13. Oktober 2010 (Anlage 13.3C) wird nunmehr bei Überschreiten des Immissionsrichtwerts der AVV Baulärm ein Anspruch auf Entschädigung notwendiger Aufwendungen für passiven Schallschutz nach Maßgabe der VDI 2719, Tabelle 6 ab Beginn der Bauarbeiten zuerkannt; dies entspricht der Rechtsprechung des Senats (a.a.O. Rn. 77 f.).
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c) Der Kläger kann gegen die Lärmeinwirkungen auf sein Grundstück, die von der über eine Dauer von 40 Monaten betriebenen Baustelle südlich des Portals Ulm ausgehen, keine Maßnahmen des aktiven Lärmschutzes beanspruchen. Er kann sich nicht auf den in § 41 Abs. 2 BImSchG normierten Vorrang von Maßnahmen des aktiven Lärmschutzes vor denen des passiven Lärmschutzes berufen (vgl. Urteile vom 14. April 2010 - BVerwG 9 A 43.08 - Buchholz 406.25 § 41 BImSchG Nr. 56 Rn. 43 und vom 15. März 2000 - BVerwG 11 A 42.97 - BVerwGE 110, 370 <381> = Buchholz 406.25 § 41 BImSchG Nr. 33 S. 73 f.); denn diese Bestimmungen gelten allein für durch Schienen- oder Straßenverkehr bewirkte Schallimmissionen auf angrenzenden Grundstücken. Der die Immissionsrichtwerte der AVV Baulärm überschreitende Baustellenlärm ist dagegen nach Maßgabe des § 74 Abs. 2 Satz 2 VwVfG im Zusammenhang mit der planerischen Abwägung durch Schutzvorkehrungen zur Vermeidung nachteiliger Auswirkungen zu bewältigen (Urteil vom 10. Juli 2012 a.a.O. Rn. 21). Dabei kann insbesondere berücksichtigt werden, dass es sich um zeitlich begrenzte, vorübergehende Lärmeinwirkungen handelt, denen situationsabhängig ggf. auch ausschließlich mit Maßnahmen des passiven Schallschutzes in ausreichendem Maße begegnet werden kann. Ein Vorrang aktiven Lärmschutzes wie zum Schutz vor einwirkendem Verkehrslärm besteht insoweit nicht.
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Zu den Lärmeinwirkungen aus dem Betrieb der Baustelle verweist der Planfeststellungsbeschluss (S. 64) zutreffend darauf, dass aktiver Schallschutz in Form von Lärmschutzwänden schon aus topografischen Gründen ausscheidet. Insbesondere die vom Kläger und der Beigeladenen in die mündliche Verhandlung eingeführten Bilder und Pläne verdeutlichen, dass das Gelände nach Norden - über die stufenartig ausgebildeten Trassen der Bahnstrecken 4543 und 4542 sowie der K.straße - bis zum Grundstück des Klägers ansteigt und sich das Grundstück - auch angesichts der Flächenhaftigkeit der Schallquellen auf der Baustelle - mit verhältnismäßigem Aufwand nicht wirksam abschirmen lässt (so bereits die schalltechnische Untersuchung vom 7. September 2009, Anlage 13.3B S. 15). Hierauf hat der Sachverständige der Beigeladenen in der mündlichen Verhandlung nochmals ausdrücklich und für den Senat schlüssig hingewiesen. Soweit der Kläger zuletzt die Errichtung einer Lärmschutzwand "oberhalb der K.straße" vor/an der Grenze zu seinem Grundstück zu bedenken gegeben hat, handelt es sich dabei nicht um eine die Lärmquelle als solche abschirmende Maßnahme des aktiven Schallschutzes. Auch mit Rücksicht auf das unter Denkmalschutz stehende ehemalige Kasernengebäude ist es nicht zu beanstanden, dass die Beklagte im Rahmen ihrer Abwägung derartige Maßnahmen nicht weiter in Erwägung gezogen, sondern der Beigeladenen aufgegeben hat, Entschädigungen für notwendige Aufwendungen für Maßnahmen des passiven Schallschutzes nach Maßgabe der VDI 2719 zu leisten.
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d) Mit der in der mündlichen Verhandlung abgegebenen Protokollerklärung ist sichergestellt, dass dem Kläger eine Entschädigung für die Minderung des Gebrauchswertes der Außenwohnbereiche vor den nach Süden und Osten ausgerichteten Fassaden der Gebäude auf seinem Grundstück infolge von Baustellenlärm geleistet wird, der die Immissionsgrenzwerte der AVV Baulärm überschreitet; dies ermöglicht es ihm, Ansprüche seiner Mieter auf Mietminderung auszugleichen.
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Dagegen hat die Planfeststellungsbehörde zu Recht davon abgesehen, dem Kläger Entschädigungsansprüche für eine Nutzungsbeschränkung der seiner Wohnanlage nach Süden vorgelagerten Grünflächen infolge von Baustellenlärm zuzusprechen. Ein Grundstückseigentümer kann nach § 74 Abs. 2 Satz 3 VwVfG als Entschädigung für unzumutbare Beeinträchtigungen von Außenwohnbereichen seines Grundstücks durch Verkehrslärm Ausgleichszahlungen verlangen, wenn Schutzvorkehrungen untunlich oder mit dem Vorhaben unvereinbar sind (Urteile vom 28. Januar 1999 - BVerwG 4 CN 5.98 - BVerwGE 108, 248 <259> = Buchholz 406.25 § 41 BImSchG Nr. 25 S. 11 f. und vom 29. Januar 1991 - BVerwG 4 C 51.89 - BVerwGE 87, 332 <385> = Buchholz 442.40 § 9 LuftVG Nr. 7 S. 51 f.). Gleiches gilt für in unzumutbarer Weise auf Außenwohnbereiche einwirkenden Baustellenlärm (Urteil vom 10. Juli 2012 a.a.O. Rn. 34). Jedoch kommt ein Ausgleich nur für Flächen in Betracht, die für das Wohnen im Freien geeignet und bestimmt sind. Maßgeblich ist auf die konkrete Zweckbestimmung und die besondere Funktion der betreffenden Flächen abzustellen (vgl. Urteil vom 11. November 1988 - BVerwG 4 C 11.87 - Buchholz 316 § 74 VwVfG Nr. 6 S. 10). So sind Balkone und Terrassen im Regelfall einzelnen Wohneinheiten zugeordnet und haben teil an deren spezifischer Zweckbestimmung. Ziergärten umgeben eine Wohnanlage hingegen in erster Linie zu gestalterischen Zwecken. Sie können zwar von den Eigentümern und Mietern der einzelnen Wohneinheiten zur Freizeitgestaltung mit genutzt werden, jedoch steht diese Funktion nicht im Vordergrund. Vielmehr fehlt es für Ziergärten in aller Regel an einer konkreten Bestimmung zur wohntypischen Nutzung für einen mehr als gelegentlichen Aufenthalt im Freien (Urteil vom 16. September 1993 - BVerwG 4 C 9.91 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 94 S. 109 f. = juris Rn. 11). Anhaltspunkte für eine abweichende Funktionszuweisung der Grünflächen, die es rechtfertigen könnten, sie Terrassen und Balkonen gleichzustellen, sind nicht erkennbar und ergeben sich namentlich nicht aus dem Vorhandensein mehrerer Parkbänke in der Gartenanlage.
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2. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Ergänzung des angegriffenen Planfeststellungsbeschlusses um Anordnungen zum Schutz vor Schienenverkehrslärm oder auf erneute Entscheidung über eine solche Ergänzung. Da die Fortführung der Neubaustrecke südlich des Portals Ulm nicht Gegenstand des Planfeststellungsabschnitts 2.4 ist, musste dort entstehender Schienenverkehrslärm im angegriffenen Planfeststellungsbeschluss nicht bewältigt werden (a). Gleiches gilt für Lärmsteigerungen infolge der Höherlegung des Gleises 405 der Strecke 4543, weil die Entscheidung über dadurch veranlasste Schutzmaßnahmen der Planfeststellung des Abschnitts 2.5a1 vorbehalten werden durfte (b).
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a) Gemäß § 41 Abs. 1 Satz 1 BImSchG ist bei dem Bau oder der wesentlichen Änderung eines Verkehrsweges sicherzustellen, dass durch diese keine schädlichen Umwelteinwirkungen hervorgerufen werden, die nach dem Stand der Technik vermeidbar sind. Die Formulierung, dass die Verpflichtung zum Immissionsschutz "bei" dem Bau oder der wesentlichen Änderung des Verkehrsweges zu erfüllen ist, lässt erkennen, dass der erforderliche Lärmschutz im Rahmen und als Bestandteil des in Rede stehenden Vorhabens realisiert werden soll und Maßnahmen des aktiven Lärmschutzes nur in den Grenzen der jeweiligen Planung und Planfeststellung zu treffen sind (Urteil vom 17. März 2005 - BVerwG 4 A 18.04 - BVerwGE 123, 152 <156> = Buchholz 406.25 § 41 BImSchG Nr. 44 S. 136). Infolge der räumlichen Verknüpfung von Schutzanspruch und Baumaßnahme wird Schallschutz grundsätzlich allein im räumlichen Zusammenhang mit der Baumaßnahme gewährt (Urteil vom 23. November 2005 - BVerwG 9 A 28.04 - BVerwGE 124, 334 <338 f.> = Buchholz 406.25 § 41 BImSchG Nr. 45), d.h. Schutzvorkehrungen, die anlässlich der Verwirklichung eines konkreten Planungsabschnitts beansprucht werden können, beziehen sich grundsätzlich nur auf den durch den Betrieb dieses Abschnitts hervorgerufenen (Schienen-)Verkehrslärm.
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Hiervon ausgehend war über Schutzansprüche im Zusammenhang mit den Lärmeinwirkungen aus dem Betrieb der Neubaustrecke auf das Grundstück des Klägers noch nicht zu entscheiden. Denn der Planfeststellungsabschnitt 2.4 endet unmittelbar an dem Tunnelportal Ulm mit der Folge, dass durch den Betrieb dieses Abschnitts für die Umgebungsbebauung relevanter Lärm nicht hervorgerufen wird. Solcher Lärm kann vielmehr nur von dem nach Süden anschließenden Teil der Neubaustrecke ausgehen, der bereits zu dem Planfeststellungsabschnitt 2.5.a1 gehört.
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b) Demgegenüber ist die durch die Planung der Neubaustrecke veranlasste Höherlegung des Gleises 405, die sich als erheblicher baulicher Eingriff im Sinne des § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 der 16. BImSchV darstellt, Gegenstand der Planfeststellung des Abschnitts 2.4. Gleichwohl ist es rechtlich nicht zu beanstanden, dass die Beklagte die Entscheidung über die Gewährung von Lärmschutz auch insoweit noch nicht im angegriffenen Planfeststellungsbeschluss (in der Fassung der in der mündlichen Verhandlung abgegebenen Protokollerklärungen) getroffen, sondern der Planfeststellung über den Folgeabschnitt vorbehalten hat. Diese Handhabung war sachgerecht, weil sie zum einen gewährleistet, dass die Lärmauswirkungen des Neubauvorhabens und der damit verbundenen baulichen Änderungen für beide Abschnitte angemessen erfasst werden (aa) und zum anderen mit der Verlagerung der Entscheidung in die Planfeststellung des Folgeabschnitts Rechtsnachteile für den Kläger nicht verbunden sind (bb).
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aa) Eine getrennte Bewältigung der Lärmeinwirkungen der im Abschnitt 2.4 geplanten Gleisänderung einerseits und der im Abschnitt 2.5a1 geplanten Neubaumaßnahme andererseits würde dem Grundsatz der Problembewältigung nicht gerecht. Vielmehr ist eine summierende Betrachtung geboten, die überdies auch weitere im Abschnitt 2.5a1 geplante Folgeänderungen am Gleis 406 der Strecke 4760 und an weiteren Bestandteilen des Gleisvorfeldes des Hauptbahnhofs Ulm einzubeziehen hat. Nach § 41 BImSchG sind zwar neu zu bauende und wesentlich zu ändernde Verkehrswege grundsätzlich gesondert in den Blick zu nehmen; hierfür spricht insbesondere der gesetzliche Wortlaut, der darauf abstellt, dass "durch diese", also durch den neu zu bauenden "oder" durch den zu ändernden Verkehrsweg keine schädlichen Umwelteinwirkungen hervorgerufen werden können. In der Rechtsprechung ist daher anerkannt, dass Vorbelastungen durch andere Verkehrswege nicht berücksichtigt, d.h. nicht mitgerechnet werden dürfen (stRspr, vgl. Beschluss vom 11. November 1996 - BVerwG 11 B 65.96 - Buchholz 406.25 § 43 BImSchG Nr. 5 S. 5 = juris Rn. 9). Die Richtlinie für den Verkehrslärmschutz an Bundesfernstraßen in der Baulast des Bundes - VLärmSchR 97 - (VkBl. 1997, 434) wollen diese Sichtweise auch auf die hier in Rede stehende Konstellation übertragen, in der ein Streckenneubau als Anpassungsmaßnahme die Änderung bestehender Schienenwege nach sich zieht (Nr. 10.6 Abs. 2), verkennen dabei aber, dass das Bundesverwaltungsgericht in seiner dort in Bezug genommenen Entscheidung vom 21. März 1996 - BVerwG 4 C 9.95 - (BVerwGE 101, 1 <2 f.> = Buchholz 406.25 § 41 BImSchG Nr. 12 S. 23) das Summationsverbot ausdrücklich nur auf die Vorbelastung durch eine nicht geänderte Gemeindestraße, nicht hingegen auf die veränderte Belastung durch eine bestehende Autobahn bezogen hat, die durch das planfestgestellte Vorhaben eines Autobahnneubaus im Wege einer notwendigen Folgemaßnahme (§ 75 Abs. 1 Satz 1 VwVfG) geändert werden sollte. Die letztgenannte - auch hier einschlägige - Fallgestaltung ist dadurch gekennzeichnet, dass ein Neubauvorhaben zu einem zwingenden Anpassungsbedarf an einem schon vorhandenen Verkehrsweg führt. Es handelt sich somit um eine einheitliche Planung, die in einem engen räumlichen Zusammenhang zum einen eine neue Lärmquelle schafft und zum anderen eine vorhandene Lärmquelle wesentlich verstärkt mit der Folge, dass beide Lärmquellen gemeinsam auf die Nachbarschaft einwirken. In dieser Fallkonstellation wäre eine separierende Lärmbetrachtung mit dem das Fachplanungsrecht prägenden Grundsatz der Problembewältigung nicht vereinbar.
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Dies gilt auch dann, wenn die jeweiligen Lärmbeiträge - wie hier - verschiedenen Planfeststellungsabschnitten zuzuordnen sind. Auch die Abschnittsbildung darf nämlich nicht dazu führen, dass die infolge eines einheitlichen Planungsvorhabens auf ein Grundstück einwirkende Lärmbelastung aufgrund einer isolierten Beurteilung der den verschiedenen Abschnitten zuzuordnenden Verursachungsbeiträge in ihrer realen Dimension verkannt wird. Der Grundsatz der Problembewältigung fordert deshalb eine Ausnahme auch von der oben angesprochenen Regel, dass Lärmschutz bei abschnittsweise erfolgender Planfeststellung nur für den durch den Betrieb des einzelnen Abschnitts hervorgerufenen Lärm zu gewähren ist.
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bb) Dass die hiernach für das Grundstück des Klägers gebotene Gesamtlärmbetrachtung durch den angegriffenen Planfeststellungsbeschluss in der Fassung der in der mündlichen Verhandlung abgegebenen Protokollerklärungen der Planfeststellung des Folgeabschnitts 2.5a1 vorbehalten worden ist, begegnet schon deshalb keinen rechtlichen Bedenken, weil damit für den Kläger keine Rechtsnachteile verbunden sind; erst nach Realisierung beider Planfeststellungsabschnitte kann er nach Lage des Falles Lärmbelastungen durch den Bahnbetrieb ausgesetzt sein, die Schutzvorkehrungen erfordern.
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3. Eine Ergänzung des Planfeststellungsbeschlusses gemäß § 74 Abs. 2 Satz 2 VwVfG um weitere Schutzvorkehrungen gegen Schalleinwirkungen infolge freigesetzter Mikrodruckwellen am Portal Ulm scheidet aus.
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Zu Recht geht der Planfeststellungsbeschluss davon aus, dass die bei der Einfahrt von Zügen in das Tunnelportal Dornstadt mit einer Streckengeschwindigkeit von 250 km/h entstehenden (und dem Zug mit Schallgeschwindigkeit vorauseilenden) Verdichtungswellen und die dadurch am Tunnelportal Ulm auftretenden Lärmereignisse durch nach außen abgestrahlte Mikrodruckwellen (sog. Tunnelknall) keine schädlichen Umwelteinwirkungen auf dem Grundstück des Klägers zur Folge haben werden. Dabei ist Bezugspunkt für eine gerichtliche Kontrolle der Planfeststellungsbeschluss in der Fassung des Bescheides der Beklagten vom 2. Oktober 2013, der die Ausführung eines neuen Tunnelquerschnitts (Korbbogenprofil statt Kreisprofil) zum Gegenstand hat; mit seinen auf der "Akustischen Bewertung der MDW-Immissionen am Tunnel Albabstieg gemäß RiL 853.1002A01" vom 20. Juni 2013 beruhenden Abschätzungen von MDW-Immissionen im Nahbereich der Tunnelportale sowie an den nächstgelegenen Immissionsorten in der Nachbarschaft (und somit auch auf bebauten Grundstücken am …berg) ersetzt er die im Planfeststellungsbeschluss ursprünglicher Fassung (S. 58 f.) enthaltenen abweichenden Maßstäbe für die Beurteilung des Schallexpositionspegels und des Spitzenschalldruckpegels.
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a) Eine Präklusion (§ 18a Nr. 7 AEG) der vom Kläger erst im gerichtlichen Verfahren erhobenen Einwendungen gegen Schalleinwirkungen auf sein Grundstück durch die Abstrahlung von Mikrodruckwellen am Tunnelportal Ulm scheidet aus; die hierauf bezogenen Untersuchungsberichte (Anlage 13.6 und 13.7) waren nicht Gegenstand der Betroffenenanhörung im Juni 2007. Eine erneute Anhörung zu den erst Ende 2009 in das Verwaltungsverfahren eingeführten Untersuchungen fand nicht statt.
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b) Die Verkehrslärmschutzverordnung und die von dieser in der Anlage 2 in Bezug genommene Schall 03 sehen für den Schienenverkehr keine Algorithmen vor, mit denen Schallimmissionen durch Abstrahlung von Mikrodruckwellen erfasst und prognostiziert werden können. Gemäß dem von der Beigeladenen erstellten Regelwerk RiL 853 ("Eisenbahntunnel planen, bauen und instand halten"), deren hier einschlägiger Anhang 1002A01 ("Infrastrukturseitige Behandlung der Mikrodruckwellen-Thematik") mit Wirkung ab dem 1. Februar 2013 neu gefasst in Kraft gesetzt wurde, ist zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen sicherzustellen, dass mit Abstand von 25 m zum Emissionsort ein C-bewerteter Spitzenschalldruckpegel i.H.v. 115 dB(C) und an nächstgelegenen relevanten Immissionsorten unter anderem in Wohngebieten ein C-bewerteter Schallexpositionspegel i.H.v. 70 dB(C) tags und nachts nicht überschritten wird (Rn. 4 Satz 3 Buchst. a) und b) des Anhangs).
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Mit der Freisetzung von Mikrodruckwellen am Portal eines Eisenbahntunnels verbindet sich ein kurzzeitiges Schallereignis, das durch einen sehr schnellen, impulsartigen Pegelanstieg sowie durch hohe Pegel im Frequenzbereich unter 100 Hertz (tieffrequentes Geräusch) gekennzeichnet ist; durch die hohe Pegelminderung in tiefen Frequenzen ist eine A-Frequenzbewertung weniger geeignet. Um diese Schallereignisse dennoch in den A-bewerteten Mittelungspegel nach der Anlage 2 zur 16. BImSchV eingehen zu lassen und für die Beurteilung der Zumutbarkeit anhand der Immissionsgrenzwerte des § 2 der 16. BImSchV berücksichtigen zu können, sieht die RiL 853.1002A01 in Randnummer 20 eine zusätzliche Berechnung der MDW-Immissionen in einer A-Bewertung vor. Liegt diese A-Bewertung an einem relevanten Immissionsort mindestens 20 dB unter dem jeweiligen Immissionsgrenzwert der 16. BImSchV, liefern diese MDW-Immissionen keinen relevanten Beitrag zum Summenpegel und können vernachlässigt werden.
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c) Soweit der Kläger die Eignung der Methode zur akustischen Bewertung von Mikrodruckwellen und des damit verbundenen Tunnelknalls infrage stellt und auf die im Planfeststellungsbeschluss (S. 59) diesbezüglich zugestandene Prognoseunsicherheit verweist, greifen diese Bedenken unter Berücksichtigung des im Änderungsbescheid vom 2. Oktober 2013 zur Beurteilung herangezogenen Anhangs der RiL 853 nicht durch. Zwar ist diese Richtlinie, anders als verordnungsrechtliche oder in normkonkretisierenden Verwaltungsvorschriften festgesetzte Grenzwerte (vgl. Urteil vom 10. Juli 2012 - BVerwG 7 A 11.11 - BVerwGE 143, 249 Rn. 26 = Buchholz 316 § 74 VwVfG Nr. 84), nicht geeignet, für durch Mikrodruckwellen erzeugte Schallimmissionen den unbestimmten Rechtsbegriff der schädlichen Umwelteinwirkungen im Sinne von § 3 Abs. 1 BImSchG verbindlich zu konkretisieren. Doch billigt die Rechtsprechung die Heranziehung von bereichsspezifischen Regelwerken als Orientierungshilfen oder "grobe Anhalte" zur Bestimmung der Schädlichkeit (Beschluss vom 11. April 1996 - BVerwG 4 B 51.96 - Buchholz 406.11 § 34 BauGB Nr. 179 = juris Rn. 13 m.w.N.). Dabei kann es sich sowohl um staatlicherseits initiierte Handreichungen wie auch um technische Regelwerke des allgemeinen Rechtsverkehrs wie VDI-Richtlinien oder DIN-Normen handeln (vgl. Beschluss vom 18. Dezember 1990 - BVerwG 4 N 6.88 - Buchholz 406.11 § 1 BauGB Nr. 50 S. 33 = juris Rn. 28 f. m.w.N.).
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Eine solche Orientierungshilfe bietet auch der von den technischen Abteilungen der Beigeladenen entwickelte Anhang 1002A01 der RiL 853. Dessen Inhalt ist mit dem Umweltbundesamt, dem Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung sowie dem Eisenbahn-Bundesamt abgestimmt worden, das den Anhang neu gefasst im Dezember 2012 bauaufsichtlich eingeführt hat. Angesichts dessen kann dieser Anhang in seiner aktuellen Fassung als ein Regelwerk angesehen werden, das insbesondere auch mit Blick auf den Immissionsrichtwert von 70 dB(C) und den Spitzenschalldruckpegel von 115 dB(C) Ausdruck des Sachverstandes der beteiligten Kreise ist. In ähnlicher Weise hat die Beigeladene ihren technischen Sachverstand auch in anderen "hauseigenen" Regelwerken wie der Schall 03 oder der Akustik 04 konkretisiert, die durch den Verordnungsgeber in der Anlage 2 zur 16. BImSchV zum Bestandteil normativer Regelungen gemacht worden sind. Die Maßgeblichkeit der RiL 853 als Orientierungshilfe für die Beurteilung der Mikrodruckwellen-Problematik würde nur infrage gestellt, wenn es konkrete Anhaltspunkte für fachliche Defizite der getroffenen Festlegungen gäbe. Solche sind indes weder vom Kläger aufgezeigt worden noch sonst ersichtlich.
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d) Für die Prognose der MDW-Immissionen in der Nachbarschaft geht die "Akustische Bewertung der MDW-Immissionen am Tunnel Albabstieg gemäß RiL 853.1002A01" vom 20. Juni 2013 davon aus, dass die zum Tunnelportal Ulm nächstgelegene Wohnbebauung (in 70 m Entfernung auf dem Grundstück des Klägers) genau entgegen der Fortbewegungsrichtung der durch die Tunneleinfahrt in Dornstadt verursachten Druckwelle liegt, was es in Abschätzung der Richtcharakteristik rechtfertige, unter Berücksichtigung aller Unwägbarkeiten für den C-bewerteten Schallexpositionspegel auf dem ansteigenden Gelände nördlich des Portals Ulm eine Pegelminderung von 13 dB in Ansatz zu bringen. Gegen diese Annahme sind Einwendungen nicht erhoben und auch nicht ersichtlich. Am Immissionspunkt 13 (Südostecke der Wohnbebauung auf dem Grundstück des Klägers, S. 21 f. der Akustischen Bewertung vom 20. Juni 2013) errechnen sich demnach deutlich unter dem Richtwert von 70 dB(C) liegende MDW-Immissionen von 63 bzw. 64 dB(C); in eine A-Bewertung umgerechnet ergibt dies weniger als 20 dB(A), womit die Immissionsgrenzwerte der Verkehrslärmschutzverordnung für ein allgemeines Wohngebiet von 59/49 dB(A) tags/nachts um mehr als 20 dB unterschritten werden mit der Folge, dass dieser Lärmeintrag auf das Grundstück des Klägers zu vernachlässigen ist.
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Zur Absicherung dieser prognostisch ermittelten Lärmeinwirkungen behält der Planfeststellungsbeschluss im verfügenden Teil unter A.4.1. Nr. 2 für den Fall von deren Überschreitung die Anordnung weiterer Maßnahmen zur Minderung von MDW-Immissionen vor. Dabei ist nicht mehr von dem ursprünglichen prognostisch ermittelten Wert des Schallexpositionspegels von LCE = 75 dB(C) auszugehen (A.4.1. (1), vgl. PFB S. 59 oben), sondern von den niedrigeren Werten, wie sie auch infolge einer Verlängerung des Haubenbauwerks am Portal Dornstadt um 10 m ermittelt worden sind und dem Änderungsbescheid vom 2. Oktober 2013 (S. 10 f. unter Bezugnahme auf die aerodynamische Untersuchung vom 20. Juni 2013, die gemäß A.2. des verfügenden Teils Gegenstand der Planänderung ist) zugrunde liegen. Gegen diese Absicherung prognostisch ermittelter Wert ist rechtlich nichts zu erinnern.
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4. Eine Ergänzung des Planfeststellungsbeschlusses gemäß § 74 Abs. 2 Satz 2 VwVfG um weitere Schutzvorkehrungen gegen baubedingte Erschütterungseinwirkungen scheidet aus.
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Der Kläger befürchtet, dass baubedingte Erschütterungseinwirkungen durch Sprengungen im Tunnelvortrieb und durch den Einsatz von Vibrationsrammen zum Einbau der Spundwände im Trogbereich der Neubaustrecke am Tunnelportal Ulm zu Substanzbeeinträchtigungen an seiner Wohnanlage führen, zumal Teile der Anlage erschütterungstechnisch nicht untersucht worden seien, was gleichermaßen für im Untergrund der ehemaligen Kaserne vorhandene Hohlräume und Unterkellerungen gelte. Dem Einwand der unvollständigen Untersuchung der Gesamtanlage konnten die Beklagte und die Beigeladene schon mit dem Hinweis darauf entgegentreten, dass im Planfeststellungsverfahren neben Immissionspunkten im Bereich der ehemaligen Kaserne auch solche nördlich des Anwesens des Klägers im Einflussbereich der tunnelgeführten Neubautrasse in Bezug auf Erschütterungseinwirkungen in Betracht genommen worden sind. Dies erlaubt Rückschlüsse auch auf baubedingte Erschütterungseinwirkungen und erübrigt es, die (dazwischen liegenden) beiden neuen Wohngebäude des Klägers gesondert in den Blick zu nehmen, zumal Neubauten anders als das alte sanierte und untersuchte Kasernengebäude Schwingungen deutlich weniger stark übertragen. Zudem werden im Rahmen üblicher Erkundungsbohrungen Hohlräume, auf die der Tunnelvortrieb trifft, rechtzeitig erkannt.
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Der Planfeststellungsbeschluss verpflichtet die Vorhabensträgerin als Konsequenz aus den durchgeführten Untersuchungen zu regelmäßiger Information der Anwohner über Erschütterungseinwirkungen infolge der Bautätigkeit und anlassbezogener messtechnischer Überwachung der Baudurchführung (A.4.2. Nr. 10 und 11); überschreiten baubedingte Erschütterungen die Anhaltswerte der DIN 4150, sind unverzüglich Maßnahmen zu deren Verminderung durchzuführen (Nr. 12). Der Planfeststellungsbeschluss (S. 71 f.) bezieht sich auf die erschütterungstechnische Untersuchung (Anlage 13.3B), der gemäß es zu keinen Schäden an Gebäuden infolge erschütterungsrelevanter Bauarbeiten kommen wird (S. 6). Ebenso werden bei geeigneter Wahl von Sprengparametern erhebliche Belästigungen von Menschen in Gebäuden vermieden (S. 7). Für die Bewertung der Erschütterungseinwirkungen auf Menschen in Gebäuden sowie auf bauliche Anlagen hat die erschütterungstechnische Untersuchung die in der DIN 4150-2 bzw. DIN 4150-3 beschriebenen Beurteilungsverfahren herangezogen (S. 16 ff.). Die Verwendung von Vibrationsrammen, von denen wesentliche Erschütterungseinwirkungen ausgehen, beschränkt der Planfeststellungsbeschluss auf die Tagesstunden zwischen 7.00 und 20.00 Uhr bei einer täglichen Einsatzzeit von 10 Stunden und einer Gesamtdauer von 26 Tagen (A.4.2. Nr. 13). Bei den an Gebäuden maximal zu erwartenden Schwingstärken aus dem Betrieb einer Vibrationsramme sind keine Bauschäden zu befürchten, die eine Minderung des Gebrauchswertes zur Folge hätten (S. 31 f.). Bezüglich erschütterungsarmer Sprengverfahren verweist der Planfeststellungsbeschluss zusätzlich auf den planfestgestellten Erläuterungsbericht (Anlage 1.3C S. 54). Danach sollen anlässlich von Sprengungen Beweissicherungsmessungen an Gebäuden durchgeführt werden, die sich innerhalb einer Korridorbreite von ca. 100 m rechts und links der geplanten Trasse befinden.
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Angesichts dieser Maßgaben und Abschätzungen kann davon ausgegangen werden, dass die Erschütterungsbelastungen in der angrenzenden Bebauung während der Bauphase hinreichend ermittelt und abwägungsfehlerfrei bewältigt worden sind. Aufgrund der erfolgten Beauflagung ist sichergestellt, dass die an bestimmte Bauphasen gekoppelten und damit vorübergehenden Erschütterungseinwirkungen in einem für den Kläger zumutbaren Rahmen bleiben. Soweit es zu unvorhersehbaren Auswirkungen kommen sollte, greift die Regelung des § 75 Abs. 2 Satz 2 VwVfG Platz und wahrt die Rechte des Klägers.
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5. Der Kläger hat keinen Anspruch auf weiterreichende Schutzvorkehrungen gegen betriebsbedingte Erschütterungseinwirkungen, als sie im Planfeststellungsbeschluss bereits vorgesehen sind; ebenso scheiden Ausgleichsansprüche wegen die Zumutbarkeitsschwelle überschreitenden sekundären Luftschalls in der Wohnanlage des Klägers aus.
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a) Der Planfeststellungsbeschluss zieht für die Beurteilung der Zumutbarkeit von Erschütterungseinwirkungen die in Fachkreisen allgemein anerkannten Regelungen der DIN 4150 Teil 2 (Erschütterungen im Bauwesen, Teil 2: Einwirkungen auf Menschen in Gebäuden) heran; dabei ist von deren Tabelle 1 auszugehen mit den dort aufgeführten Anhaltswerten zur Beurteilung von Erschütterungsimmissionen für den Tag- und Nachtzeitraum (vgl. Urteil vom 21. Dezember 2010 - BVerwG 7 A 14.09 - Buchholz 316 § 74 VwVfG Nr. 81 Rn. 27 f.). Überschreitet die für drei Richtungskomponenten ermittelte maximale Schwingstärke KBFmax den (oberen) Anhaltswert Ao , sind die Anforderungen der Norm - vorbehaltlich der aus Nr. 6.5.3.5 folgenden Einschränkungen - nicht eingehalten; dies gilt gleichermaßen, wenn KBFmax größer als der (untere) Anhaltswert Au (und kleiner als Ao) ist und die dann zusätzlich zu prüfende Beurteilungs-Schwingstärke KBFTr größer ist als Ar. Im Anschluss daran geht der Planfeststellungsbeschluss auf der Grundlage der erschütterungstechnischen Untersuchung vom 7. September 2009 (Anlage 13.2B S. 34 f.) davon aus, dass es im Bereich C (S.straße bis Tunnelportal und somit die Wohnanlage des Klägers erfassend) durch den Betrieb der tunnelgeführten Neubaustrecke zu Überschreitungen der Anhaltswerte kommen wird. Dabei werden für den Nachtzeitraum in dem Wohngebäude des Klägers M.straße … in den untersuchten Räumen die oberen Anhaltswerte überschritten bei "gut spürbaren" Schwingstärken (Anlage II.1B zur erschütterungstechnischen Untersuchung i.V.m. Tabelle 2 der Untersuchung). In allen untersuchten Räumen des Gebäudes werden sowohl für den Tag- als auch für den Nachtzeitraum die unteren Anhaltswerte und zudem die Beurteilungsanhaltswerte überschritten (vgl. Anlage II.2B zur erschütterungstechnischen Untersuchung).
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Mit dem vorgesehenen Einbau eines schweren Masse-Feder-Systems im betreffenden Bereich wird der Beurteilungsanhaltswert hingegen in allen untersuchten Räumen unterschritten (PFB S. 69 f.; vgl. Anlage IV.1B und 2B zur erschütterungstechnischen Untersuchung). Die hierzu erfolgten Untersuchungen haben Erkenntnisse aus bereits in Betrieb befindlichen Tunnelstrecken vergleichsweise herangezogen. Da statistisch abgesicherte Ergebnisse zur Messgenauigkeit nicht vorliegen und bei Ermittlung von KB-bewerteten Größen gemäß DIN 4150-2 erfahrungsgemäß messtechnisch bedingte Unsicherheiten von bis etwa 15% auftreten (Anlage 13.2B S. 27 f.), ist im Planfeststellungsbeschluss ein Entscheidungsvorbehalt (A.4.3. Nr. 16 Abs. 2) für den Fall vorgesehen, dass aufgrund von Messungen nach Fertigstellung der Tunnelrohbauten mit einer Überschreitung der prognostizierten Erschütterungseinwirkungen und der Anhaltswerte der DIN 4150-2 zu rechnen ist.
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Dieses im Planfeststellungsbeschluss gewählte Vorgehen, mittels eines Entscheidungsvorbehalts gemäß § 74 Abs. 3 VwVfG Prognoseunsicherheiten Rechnung zu tragen bis zum Vorliegen verwertbarer Messergebnisse, ist üblich und grundsätzlich nicht zu beanstanden (vgl. Urteile vom 18. Juli 2013 - BVerwG 7 A 9.12 - juris Rn. 47 f. und vom 21. Dezember 2010 - BVerwG 7 A 14.09 - Buchholz 316 § 74 VwVfG Nr. 81
= juris Rn. 23). Der Planfeststellungsbeschluss ist insoweit auf eine Ergänzung angelegt, die der Kläger einfordern kann, die die übrige Planung aber unberührt lässt.
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b) Die Grundlagenermittlungen zur Beurteilung der Beeinträchtigung durch sekundären Luftschall sind nicht fehlerbehaftet. Die angestellten Untersuchungen sind insbesondere nicht bereits deshalb defizitär, weil sie noch am alten Kasernengebäude vor dessen Umbau vorgenommen worden sind. Hierbei gefundene Ergebnisse sind auf die heutigen Räumlichkeiten des sanierten und umgebauten Wohngebäudes ohne Weiteres übertragbar, da bei im Wesentlichen gleichbleibenden Transferfunktionen nicht davon ausgegangen werden kann, dass sich mit Sanierungsmaßnahmen eine Verschlechterung der Wohnverhältnisse und damit ein Anstieg des sekundären Luftschalls verbindet. Ebenso erlauben die Untersuchungen zum alten Kasernengebäude Rückschlüsse auf den in den beiden neu erbauten Wohngebäuden auftretenden sekundären Luftschall.
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Weder für die Ermittlung und Beurteilung von Geräuschimmissionen aus sekundärem Luftschall noch für eine diesbezügliche Zumutbarkeitsschwelle gibt es normative Festsetzungen. Welche Innenschallpegel für die Bewohner von Häusern zumutbar sind, kann jedoch in Orientierung an den Vorgaben der auf öffentliche Verkehrsanlagen bezogenen Verkehrswege-Schallschutzmaßnahmenverordnung (24. BImSchV) bestimmt werden, da es sich auch beim sekundären Luftschall um einen verkehrsinduzierten Lärm handelt (Urteil vom 21. Dezember 2010 a.a.O. juris Rn. 41). Die erschütterungstechnische Untersuchung hat deshalb im Ergebnis zu Recht eine Anwendung der TA Lärm zur Bewertung des sekundären Luftschalls verworfen (Anlage 13.2B S. 16). Zutreffend geht diese auch davon aus, dass in Übereinstimmung mit den Vorgaben der 24. BImSchV die Zumutbarkeitsschwelle für einwirkenden sekundären Luftschall bei 40 dB(A)/tags für Wohnräume und 30 dB(A)/nachts für Schlafräume liegt (S. 18 der Untersuchung i.V.m. Tabelle 3; vgl. auch VGH Mannheim, Urteil vom 8. Februar 2007 - 5 S 2224/05 - ZUR 2007, 422 = juris Rn. 123 f.).
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Zwar wird bei unterirdischem Schienenverkehr der sekundäre Luftschall nicht durch den Primärschall überlagert, woraus geschlossen wird, dass der sekundäre Luftschall auch bei niedrigem Grundgeräusch einen beträchtlichen Anteil am gesamten Innenraumpegel erreicht und somit bereits ein geringer Pegel als störend empfunden werden kann (vgl. die Nennungen im Urteil vom 21. Dezember 2010 a.a.O. Rn. 42). Dennoch scheidet ein Rückgriff auf die gegenüber der 24. BImSchV strengeren Anforderungen der TA Lärm mit einem gebietsunabhängigen Richtwert von 35 dB(A)/tags und 25 dB(A)/nachts (Nr. 6.2 TA Lärm) aus. Die Immissionsrichtwerte der Nr. 6.2 TA Lärm beziehen sich auf "betriebsfremde schutzbedürftige" Räume. Verkehrslärmeinwirkungen bleiben für die Gewichtung von Lärmeinwirkungen auf einen Immissionsort nach Maßgabe der TA Lärm schon deshalb außer Betracht, weil diese nach Nr. 1 Abs. 2 nur Anlagen betrifft, die dem Zweiten Teil des Bundes-Immissionsschutzgesetzes unterfallen. Dagegen sind Schienenwege § 41 BImSchG und damit dem Vierten Teil des Bundes-Immissionsschutzgesetzes zugeordnet, in dessen Rahmen die TA Lärm keine Anwendung findet (zur Anwendung des allgemeinen Immissionsschutzrechts nach Maßgabe der TA Lärm auf sonstige planfeststellungspflichtige "Betriebsanlagen der Eisenbahn" vgl. Beschluss vom 9. September 2013 - BVerwG 7 B 2.13 u.a. - juris Rn. 7 f.). Insoweit hat der Gesetzgeber in nicht zu beanstandender Weise im Rahmen seines Gestaltungsspielraums für die Zumutbarkeit von Verkehrslärm eine höhere Schwelle gesetzt als für von Gewerbebetrieben ausgehenden Lärm. Mit dieser Wertung wäre eine entsprechende Anwendung der Nr. 6.2 TA Lärm unvereinbar.
- 49
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Zu Recht geht die Planfeststellung davon aus, dass zur Bestimmung des sekundären Luftschalls ebenfalls ein Lästigkeitsabschlag von 5 dB(A) vorzunehmen ist (PFB S. 68 f.). Auch der sekundäre Luftschall ist von den Besonderheiten des Schienenverkehrs wie etwa der Regelhaftigkeit der Lärmereignisse geprägt, die zur Begründung des Schienenbonus für den primären Verkehrslärm herangezogen werden; dieser Abschlag konnte in dem für die gerichtliche Prüfung maßgeblichen Zeitpunkt der Planfeststellung nicht als völlig unvertretbar und damit unwirksam betrachtet werden (vgl. ausführlich Urteil vom 21. Dezember 2010 a.a.O. Rn. 51 ff.). Trotz Ansatzes des Schienenbonus kommt es jedoch zur Nachtzeit in allen untersuchten Räumen der Wohnanlage des Klägers zu einer Überschreitung der Immissionsrichtwerte für Schlafräume (Anlage 13.2B S. 35/Anlage III.B), was Schutzmaßnahmen erforderlich macht, wie sie gegen die direkten Erschütterungswirkungen auch vorgesehen sind. Dass es unter Berücksichtigung der vorgesehenen Schutzvorkehrungen in Form eines schweren Masse-Feder-Systems noch zu unzumutbaren Beeinträchtigungen durch sekundären Luftschall kommt, macht der Kläger für seine Wohnanlage nicht geltend und stünde auch in deutlichem Widerspruch zu den Untersuchungsergebnissen "sekundärer Luftschall mit Schutzmaßnahmen" (Anlage VB zur erschütterungstechnischen Untersuchung).
(1) Eine Verletzung von Verfahrens- und Formvorschriften dieses Gesetzbuchs ist für die Rechtswirksamkeit des Flächennutzungsplans und der Satzungen nach diesem Gesetzbuch nur beachtlich, wenn
- 1.
entgegen § 2 Absatz 3 die von der Planung berührten Belange, die der Gemeinde bekannt waren oder hätten bekannt sein müssen, in wesentlichen Punkten nicht zutreffend ermittelt oder bewertet worden sind und wenn der Mangel offensichtlich und auf das Ergebnis des Verfahrens von Einfluss gewesen ist; - 2.
die Vorschriften über die Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung nach § 3 Absatz 2, § 4 Absatz 2, § 4a Absatz 3, Absatz 4 Satz 2, nach § 13 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 und 3, auch in Verbindung mit § 13a Absatz 2 Nummer 1 und § 13b, nach § 22 Absatz 9 Satz 2, § 34 Absatz 6 Satz 1 sowie § 35 Absatz 6 Satz 5 verletzt worden sind; dabei ist unbeachtlich, wenn - a)
bei Anwendung der Vorschriften einzelne Personen, Behörden oder sonstige Träger öffentlicher Belange nicht beteiligt worden sind, die entsprechenden Belange jedoch unerheblich waren oder in der Entscheidung berücksichtigt worden sind, - b)
einzelne Angaben dazu, welche Arten umweltbezogener Informationen verfügbar sind, gefehlt haben, - c)
(weggefallen) - d)
bei Vorliegen eines wichtigen Grundes nach § 3 Absatz 2 Satz 1 nicht für die Dauer einer angemessenen längeren Frist im Internet veröffentlicht worden ist und die Begründung für die Annahme des Nichtvorliegens eines wichtigen Grundes nachvollziehbar ist, - e)
bei Anwendung des § 3 Absatz 2 Satz 5 der Inhalt der Bekanntmachung zwar in das Internet eingestellt wurde, aber die Bekanntmachung und die nach § 3 Absatz 2 Satz 1 zu veröffentlichenden Unterlagen nicht über das zentrale Internetportal des Landes zugänglich gemacht wurden, - f)
bei Anwendung des § 13 Absatz 3 Satz 2 die Angabe darüber, dass von einer Umweltprüfung abgesehen wird, unterlassen wurde oder - g)
bei Anwendung des § 4a Absatz 3 Satz 4 oder des § 13, auch in Verbindung mit § 13a Absatz 2 Nummer 1 und § 13b, die Voraussetzungen für die Durchführung der Beteiligung nach diesen Vorschriften verkannt worden sind;
- 3.
die Vorschriften über die Begründung des Flächennutzungsplans und der Satzungen sowie ihrer Entwürfe nach §§ 2a, 3 Absatz 2, § 5 Absatz 1 Satz 2 Halbsatz 2 und Absatz 5, § 9 Absatz 8 und § 22 Absatz 10 verletzt worden sind; dabei ist unbeachtlich, wenn die Begründung des Flächennutzungsplans oder der Satzung oder ihr Entwurf unvollständig ist; abweichend von Halbsatz 2 ist eine Verletzung von Vorschriften in Bezug auf den Umweltbericht unbeachtlich, wenn die Begründung hierzu nur in unwesentlichen Punkten unvollständig ist; - 4.
ein Beschluss der Gemeinde über den Flächennutzungsplan oder die Satzung nicht gefasst, eine Genehmigung nicht erteilt oder der mit der Bekanntmachung des Flächennutzungsplans oder der Satzung verfolgte Hinweiszweck nicht erreicht worden ist.
(2) Für die Rechtswirksamkeit der Bauleitpläne ist auch unbeachtlich, wenn
- 1.
die Anforderungen an die Aufstellung eines selbständigen Bebauungsplans (§ 8 Absatz 2 Satz 2) oder an die in § 8 Absatz 4 bezeichneten dringenden Gründe für die Aufstellung eines vorzeitigen Bebauungsplans nicht richtig beurteilt worden sind; - 2.
§ 8 Absatz 2 Satz 1 hinsichtlich des Entwickelns des Bebauungsplans aus dem Flächennutzungsplan verletzt worden ist, ohne dass hierbei die sich aus dem Flächennutzungsplan ergebende geordnete städtebauliche Entwicklung beeinträchtigt worden ist; - 3.
der Bebauungsplan aus einem Flächennutzungsplan entwickelt worden ist, dessen Unwirksamkeit sich wegen Verletzung von Verfahrens- oder Formvorschriften einschließlich des § 6 nach Bekanntmachung des Bebauungsplans herausstellt; - 4.
im Parallelverfahren gegen § 8 Absatz 3 verstoßen worden ist, ohne dass die geordnete städtebauliche Entwicklung beeinträchtigt worden ist.
(2a) Für Bebauungspläne, die im beschleunigten Verfahren nach § 13a, auch in Verbindung mit § 13b, aufgestellt worden sind, gilt ergänzend zu den Absätzen 1 und 2 Folgendes:
- 1.
(weggefallen) - 2.
Das Unterbleiben der Hinweise nach § 13a Absatz 3 ist für die Rechtswirksamkeit des Bebauungsplans unbeachtlich. - 3.
Beruht die Feststellung, dass eine Umweltprüfung unterbleiben soll, auf einer Vorprüfung des Einzelfalls nach § 13a Absatz 1 Satz 2 Nummer 2, gilt die Vorprüfung als ordnungsgemäß durchgeführt, wenn sie entsprechend den Vorgaben von § 13a Absatz 1 Satz 2 Nummer 2 durchgeführt worden ist und ihr Ergebnis nachvollziehbar ist; dabei ist unbeachtlich, wenn einzelne Behörden oder sonstige Träger öffentlicher Belange nicht beteiligt worden sind; andernfalls besteht ein für die Rechtswirksamkeit des Bebauungsplans beachtlicher Mangel. - 4.
Die Beurteilung, dass der Ausschlussgrund nach § 13a Absatz 1 Satz 4 nicht vorliegt, gilt als zutreffend, wenn das Ergebnis nachvollziehbar ist und durch den Bebauungsplan nicht die Zulässigkeit von Vorhaben nach Spalte 1 der Anlage 1 zum Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung begründet wird; andernfalls besteht ein für die Rechtswirksamkeit des Bebauungsplans beachtlicher Mangel.
(3) Für die Abwägung ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Beschlussfassung über den Flächennutzungsplan oder die Satzung maßgebend. Mängel, die Gegenstand der Regelung in Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 sind, können nicht als Mängel der Abwägung geltend gemacht werden; im Übrigen sind Mängel im Abwägungsvorgang nur erheblich, wenn sie offensichtlich und auf das Abwägungsergebnis von Einfluss gewesen sind.
(4) Der Flächennutzungsplan oder die Satzung können durch ein ergänzendes Verfahren zur Behebung von Fehlern auch rückwirkend in Kraft gesetzt werden.
(1) Wird im Flächennutzungsplan das allgemeine Maß der baulichen Nutzung dargestellt, genügt die Angabe der Geschossflächenzahl, der Baumassenzahl oder der Höhe baulicher Anlagen.
(2) Im Bebauungsplan kann das Maß der baulichen Nutzung bestimmt werden durch Festsetzung
- 1.
der Grundflächenzahl oder der Größe der Grundflächen der baulichen Anlagen, - 2.
der Geschossflächenzahl oder der Größe der Geschossfläche, der Baumassenzahl oder der Baumasse, - 3.
der Zahl der Vollgeschosse, - 4.
der Höhe baulicher Anlagen.
(3) Bei Festsetzung des Maßes der baulichen Nutzung im Bebauungsplan ist festzusetzen
- 1.
stets die Grundflächenzahl oder die Größe der Grundflächen der baulichen Anlagen, - 2.
die Zahl der Vollgeschosse oder die Höhe baulicher Anlagen, wenn ohne ihre Festsetzung öffentliche Belange, insbesondere das Orts- und Landschaftsbild, beeinträchtigt werden können.
(4) Bei Festsetzung des Höchstmaßes für die Geschossflächenzahl oder die Größe der Geschossfläche, für die Zahl der Vollgeschosse und die Höhe baulicher Anlagen im Bebauungsplan kann zugleich ein Mindestmaß festgesetzt werden. Die Zahl der Vollgeschosse und die Höhe baulicher Anlagen können auch als zwingend festgesetzt werden.
(5) Im Bebauungsplan kann das Maß der baulichen Nutzung für Teile des Baugebiets, für einzelne Grundstücke oder Grundstücksteile und für Teile baulicher Anlagen unterschiedlich festgesetzt werden; die Festsetzungen können oberhalb und unterhalb der Geländeoberfläche getroffen werden.
(6) Im Bebauungsplan können nach Art und Umfang bestimmte Ausnahmen von dem festgesetzten Maß der baulichen Nutzung vorgesehen werden.
(1) Im Bebauungsplan können aus städtebaulichen Gründen festgesetzt werden:
- 1.
die Art und das Maß der baulichen Nutzung; - 2.
die Bauweise, die überbaubaren und die nicht überbaubaren Grundstücksflächen sowie die Stellung der baulichen Anlagen; - 2a.
vom Bauordnungsrecht abweichende Maße der Tiefe der Abstandsflächen; - 3.
für die Größe, Breite und Tiefe der Baugrundstücke Mindestmaße und aus Gründen des sparsamen und schonenden Umgangs mit Grund und Boden für Wohnbaugrundstücke auch Höchstmaße; - 4.
die Flächen für Nebenanlagen, die auf Grund anderer Vorschriften für die Nutzung von Grundstücken erforderlich sind, wie Spiel-, Freizeit- und Erholungsflächen sowie die Flächen für Stellplätze und Garagen mit ihren Einfahrten; - 5.
die Flächen für den Gemeinbedarf sowie für Sport- und Spielanlagen; - 6.
die höchstzulässige Zahl der Wohnungen in Wohngebäuden; - 7.
die Flächen, auf denen ganz oder teilweise nur Wohngebäude, die mit Mitteln der sozialen Wohnraumförderung gefördert werden könnten, errichtet werden dürfen; - 8.
einzelne Flächen, auf denen ganz oder teilweise nur Wohngebäude errichtet werden dürfen, die für Personengruppen mit besonderem Wohnbedarf bestimmt sind; - 9.
der besondere Nutzungszweck von Flächen; - 10.
die Flächen, die von der Bebauung freizuhalten sind, und ihre Nutzung; - 11.
die Verkehrsflächen sowie Verkehrsflächen besonderer Zweckbestimmung, wie Fußgängerbereiche, Flächen für das Parken von Fahrzeugen, Flächen für Ladeinfrastruktur elektrisch betriebener Fahrzeuge, Flächen für das Abstellen von Fahrrädern sowie den Anschluss anderer Flächen an die Verkehrsflächen; die Flächen können auch als öffentliche oder private Flächen festgesetzt werden; - 12.
die Versorgungsflächen, einschließlich der Flächen für Anlagen und Einrichtungen zur dezentralen und zentralen Erzeugung, Verteilung, Nutzung oder Speicherung von Strom, Wärme oder Kälte aus erneuerbaren Energien oder Kraft-Wärme-Kopplung; - 13.
die Führung von oberirdischen oder unterirdischen Versorgungsanlagen und -leitungen; - 14.
die Flächen für die Abfall- und Abwasserbeseitigung, einschließlich der Rückhaltung und Versickerung von Niederschlagswasser, sowie für Ablagerungen; - 15.
die öffentlichen und privaten Grünflächen, wie Parkanlagen, Naturerfahrungsräume, Dauerkleingärten, Sport-, Spiel-, Zelt- und Badeplätze, Friedhöfe; - 16.
- a)
die Wasserflächen und die Flächen für die Wasserwirtschaft, - b)
die Flächen für Hochwasserschutzanlagen und für die Regelung des Wasserabflusses, - c)
Gebiete, in denen bei der Errichtung baulicher Anlagen bestimmte bauliche oder technische Maßnahmen getroffen werden müssen, die der Vermeidung oder Verringerung von Hochwasserschäden einschließlich Schäden durch Starkregen dienen, sowie die Art dieser Maßnahmen, - d)
die Flächen, die auf einem Baugrundstück für die natürliche Versickerung von Wasser aus Niederschlägen freigehalten werden müssen, um insbesondere Hochwasserschäden, einschließlich Schäden durch Starkregen, vorzubeugen;
- 17.
die Flächen für Aufschüttungen, Abgrabungen oder für die Gewinnung von Steinen, Erden und anderen Bodenschätzen; - 18.
- a)
die Flächen für die Landwirtschaft und - b)
Wald;
- 19.
die Flächen für die Errichtung von Anlagen für die Kleintierhaltung wie Ausstellungs- und Zuchtanlagen, Zwinger, Koppeln und dergleichen; - 20.
die Flächen oder Maßnahmen zum Schutz, zur Pflege und zur Entwicklung von Boden, Natur und Landschaft; - 21.
die mit Geh-, Fahr- und Leitungsrechten zugunsten der Allgemeinheit, eines Erschließungsträgers oder eines beschränkten Personenkreises zu belastenden Flächen; - 22.
die Flächen für Gemeinschaftsanlagen für bestimmte räumliche Bereiche wie Kinderspielplätze, Freizeiteinrichtungen, Stellplätze und Garagen; - 23.
Gebiete, in denen - a)
zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen im Sinne des Bundes-Immissionsschutzgesetzes bestimmte Luft verunreinigende Stoffe nicht oder nur beschränkt verwendet werden dürfen, - b)
bei der Errichtung von Gebäuden oder bestimmten sonstigen baulichen Anlagen bestimmte bauliche und sonstige technische Maßnahmen für die Erzeugung, Nutzung oder Speicherung von Strom, Wärme oder Kälte aus erneuerbaren Energien oder Kraft-Wärme-Kopplung getroffen werden müssen, - c)
bei der Errichtung, Änderung oder Nutzungsänderung von nach Art, Maß oder Nutzungsintensität zu bestimmenden Gebäuden oder sonstigen baulichen Anlagen in der Nachbarschaft von Betriebsbereichen nach § 3 Absatz 5a des Bundes-Immissionsschutzgesetzes bestimmte bauliche und sonstige technische Maßnahmen, die der Vermeidung oder Minderung der Folgen von Störfällen dienen, getroffen werden müssen;
- 24.
die von der Bebauung freizuhaltenden Schutzflächen und ihre Nutzung, die Flächen für besondere Anlagen und Vorkehrungen zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen und sonstigen Gefahren im Sinne des Bundes-Immissionsschutzgesetzes sowie die zum Schutz vor solchen Einwirkungen oder zur Vermeidung oder Minderung solcher Einwirkungen zu treffenden baulichen und sonstigen technischen Vorkehrungen, einschließlich von Maßnahmen zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen durch Geräusche, wobei die Vorgaben des Immissionsschutzrechts unberührt bleiben; - 25.
für einzelne Flächen oder für ein Bebauungsplangebiet oder Teile davon sowie für Teile baulicher Anlagen mit Ausnahme der für landwirtschaftliche Nutzungen oder Wald festgesetzten Flächen - a)
das Anpflanzen von Bäumen, Sträuchern und sonstigen Bepflanzungen, - b)
Bindungen für Bepflanzungen und für die Erhaltung von Bäumen, Sträuchern und sonstigen Bepflanzungen sowie von Gewässern;
- 26.
die Flächen für Aufschüttungen, Abgrabungen und Stützmauern, soweit sie zur Herstellung des Straßenkörpers erforderlich sind.
(1a) Flächen oder Maßnahmen zum Ausgleich im Sinne des § 1a Absatz 3 können auf den Grundstücken, auf denen Eingriffe in Natur und Landschaft zu erwarten sind, oder an anderer Stelle sowohl im sonstigen Geltungsbereich des Bebauungsplans als auch in einem anderen Bebauungsplan festgesetzt werden. Die Flächen oder Maßnahmen zum Ausgleich an anderer Stelle können den Grundstücken, auf denen Eingriffe zu erwarten sind, ganz oder teilweise zugeordnet werden; dies gilt auch für Maßnahmen auf von der Gemeinde bereitgestellten Flächen.
(2) Im Bebauungsplan kann in besonderen Fällen festgesetzt werden, dass bestimmte der in ihm festgesetzten baulichen und sonstigen Nutzungen und Anlagen nur
- 1.
für einen bestimmten Zeitraum zulässig oder - 2.
bis zum Eintritt bestimmter Umstände zulässig oder unzulässig
(2a) Für im Zusammenhang bebaute Ortsteile (§ 34) kann zur Erhaltung oder Entwicklung zentraler Versorgungsbereiche, auch im Interesse einer verbrauchernahen Versorgung der Bevölkerung und der Innenentwicklung der Gemeinden, in einem Bebauungsplan festgesetzt werden, dass nur bestimmte Arten der nach § 34 Abs. 1 und 2 zulässigen baulichen Nutzungen zulässig oder nicht zulässig sind oder nur ausnahmsweise zugelassen werden können; die Festsetzungen können für Teile des räumlichen Geltungsbereichs des Bebauungsplans unterschiedlich getroffen werden. Dabei ist insbesondere ein hierauf bezogenes städtebauliches Entwicklungskonzept im Sinne des § 1 Abs. 6 Nr. 11 zu berücksichtigen, das Aussagen über die zu erhaltenden oder zu entwickelnden zentralen Versorgungsbereiche der Gemeinde oder eines Gemeindeteils enthält. In den zu erhaltenden oder zu entwickelnden zentralen Versorgungsbereichen sollen die planungsrechtlichen Voraussetzungen für Vorhaben, die diesen Versorgungsbereichen dienen, nach § 30 oder § 34 vorhanden oder durch einen Bebauungsplan, dessen Aufstellung förmlich eingeleitet ist, vorgesehen sein.
(2b) Für im Zusammenhang bebaute Ortsteile (§ 34) kann in einem Bebauungsplan, auch für Teile des räumlichen Geltungsbereichs des Bebauungsplans, festgesetzt werden, dass Vergnügungsstätten oder bestimmte Arten von Vergnügungsstätten zulässig oder nicht zulässig sind oder nur ausnahmsweise zugelassen werden können, um
- 1.
eine Beeinträchtigung von Wohnnutzungen oder anderen schutzbedürftigen Anlagen wie Kirchen, Schulen und Kindertagesstätten oder - 2.
eine Beeinträchtigung der sich aus der vorhandenen Nutzung ergebenden städtebaulichen Funktion des Gebiets, insbesondere durch eine städtebaulich nachteilige Häufung von Vergnügungsstätten,
(2c) Für im Zusammenhang bebaute Ortsteile nach § 34 und für Gebiete nach § 30 in der Nachbarschaft von Betriebsbereichen nach § 3 Absatz 5a des Bundes-Immissionsschutzgesetzes kann zur Vermeidung oder Verringerung der Folgen von Störfällen für bestimmte Nutzungen, Arten von Nutzungen oder für nach Art, Maß oder Nutzungsintensität zu bestimmende Gebäude oder sonstige bauliche Anlagen in einem Bebauungsplan festgesetzt werden, dass diese zulässig, nicht zulässig oder nur ausnahmsweise zulässig sind; die Festsetzungen können für Teile des räumlichen Geltungsbereichs des Bebauungsplans unterschiedlich getroffen werden.
(2d) Für im Zusammenhang bebaute Ortsteile (§ 34) können in einem Bebauungsplan zur Wohnraumversorgung eine oder mehrere der folgenden Festsetzungen getroffen werden:
- 1.
Flächen, auf denen Wohngebäude errichtet werden dürfen; - 2.
Flächen, auf denen nur Gebäude errichtet werden dürfen, bei denen einzelne oder alle Wohnungen die baulichen Voraussetzungen für eine Förderung mit Mitteln der sozialen Wohnraumförderung erfüllen, oder - 3.
Flächen, auf denen nur Gebäude errichtet werden dürfen, bei denen sich ein Vorhabenträger hinsichtlich einzelner oder aller Wohnungen dazu verpflichtet, die zum Zeitpunkt der Verpflichtung geltenden Förderbedingungen der sozialen Wohnraumförderung, insbesondere die Miet- und Belegungsbindung, einzuhalten und die Einhaltung dieser Verpflichtung in geeigneter Weise sichergestellt wird.
- 1.
das Maß der baulichen Nutzung; - 2.
die Bauweise, die überbaubaren und die nicht überbaubaren Grundstücksflächen sowie die Stellung der baulichen Anlagen; - 3.
vom Bauordnungsrecht abweichende Maße der Tiefe der Abstandsflächen; - 4.
Mindestmaße für die Größe, Breite und Tiefe der Baugrundstücke; - 5.
Höchstmaße für die Größe, Breite und Tiefe der Wohnbaugrundstücke, aus Gründen des sparsamen und schonenden Umgangs mit Grund und Boden.
(3) Bei Festsetzungen nach Absatz 1 kann auch die Höhenlage festgesetzt werden. Festsetzungen nach Absatz 1 für übereinanderliegende Geschosse und Ebenen und sonstige Teile baulicher Anlagen können gesondert getroffen werden; dies gilt auch, soweit Geschosse, Ebenen und sonstige Teile baulicher Anlagen unterhalb der Geländeoberfläche vorgesehen sind.
(4) Die Länder können durch Rechtsvorschriften bestimmen, dass auf Landesrecht beruhende Regelungen in den Bebauungsplan als Festsetzungen aufgenommen werden können und inwieweit auf diese Festsetzungen die Vorschriften dieses Gesetzbuchs Anwendung finden.
(5) Im Bebauungsplan sollen gekennzeichnet werden:
- 1.
Flächen, bei deren Bebauung besondere bauliche Vorkehrungen gegen äußere Einwirkungen oder bei denen besondere bauliche Sicherungsmaßnahmen gegen Naturgewalten erforderlich sind; - 2.
Flächen, unter denen der Bergbau umgeht oder die für den Abbau von Mineralien bestimmt sind; - 3.
Flächen, deren Böden erheblich mit umweltgefährdenden Stoffen belastet sind.
(6) Nach anderen gesetzlichen Vorschriften getroffene Festsetzungen, gemeindliche Regelungen zum Anschluss- und Benutzungszwang sowie Denkmäler nach Landesrecht sollen in den Bebauungsplan nachrichtlich übernommen werden, soweit sie zu seinem Verständnis oder für die städtebauliche Beurteilung von Baugesuchen notwendig oder zweckmäßig sind.
(6a) Festgesetzte Überschwemmungsgebiete im Sinne des § 76 Absatz 2 des Wasserhaushaltsgesetzes, Risikogebiete außerhalb von Überschwemmungsgebieten im Sinne des § 78b Absatz 1 des Wasserhaushaltsgesetzes sowie Hochwasserentstehungsgebiete im Sinne des § 78d Absatz 1 des Wasserhaushaltsgesetzes sollen nachrichtlich übernommen werden. Noch nicht festgesetzte Überschwemmungsgebiete im Sinne des § 76 Absatz 3 des Wasserhaushaltsgesetzes sowie als Risikogebiete im Sinne des § 73 Absatz 1 Satz 1 des Wasserhaushaltsgesetzes bestimmte Gebiete sollen im Bebauungsplan vermerkt werden.
(7) Der Bebauungsplan setzt die Grenzen seines räumlichen Geltungsbereichs fest.
(8) Dem Bebauungsplan ist eine Begründung mit den Angaben nach § 2a beizufügen.
(1) Aufgabe der Bauleitplanung ist es, die bauliche und sonstige Nutzung der Grundstücke in der Gemeinde nach Maßgabe dieses Gesetzbuchs vorzubereiten und zu leiten.
(2) Bauleitpläne sind der Flächennutzungsplan (vorbereitender Bauleitplan) und der Bebauungsplan (verbindlicher Bauleitplan).
(3) Die Gemeinden haben die Bauleitpläne aufzustellen, sobald und soweit es für die städtebauliche Entwicklung und Ordnung erforderlich ist; die Aufstellung kann insbesondere bei der Ausweisung von Flächen für den Wohnungsbau in Betracht kommen. Auf die Aufstellung von Bauleitplänen und städtebaulichen Satzungen besteht kein Anspruch; ein Anspruch kann auch nicht durch Vertrag begründet werden.
(4) Die Bauleitpläne sind den Zielen der Raumordnung anzupassen.
(5) Die Bauleitpläne sollen eine nachhaltige städtebauliche Entwicklung, die die sozialen, wirtschaftlichen und umweltschützenden Anforderungen auch in Verantwortung gegenüber künftigen Generationen miteinander in Einklang bringt, und eine dem Wohl der Allgemeinheit dienende sozialgerechte Bodennutzung unter Berücksichtigung der Wohnbedürfnisse der Bevölkerung gewährleisten. Sie sollen dazu beitragen, eine menschenwürdige Umwelt zu sichern, die natürlichen Lebensgrundlagen zu schützen und zu entwickeln sowie den Klimaschutz und die Klimaanpassung, insbesondere auch in der Stadtentwicklung, zu fördern, sowie die städtebauliche Gestalt und das Orts- und Landschaftsbild baukulturell zu erhalten und zu entwickeln. Hierzu soll die städtebauliche Entwicklung vorrangig durch Maßnahmen der Innenentwicklung erfolgen.
(6) Bei der Aufstellung der Bauleitpläne sind insbesondere zu berücksichtigen:
- 1.
die allgemeinen Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse und die Sicherheit der Wohn- und Arbeitsbevölkerung, - 2.
die Wohnbedürfnisse der Bevölkerung, insbesondere auch von Familien mit mehreren Kindern, die Schaffung und Erhaltung sozial stabiler Bewohnerstrukturen, die Eigentumsbildung weiter Kreise der Bevölkerung und die Anforderungen kostensparenden Bauens sowie die Bevölkerungsentwicklung, - 3.
die sozialen und kulturellen Bedürfnisse der Bevölkerung, insbesondere die Bedürfnisse der Familien, der jungen, alten und behinderten Menschen, unterschiedliche Auswirkungen auf Frauen und Männer sowie die Belange des Bildungswesens und von Sport, Freizeit und Erholung, - 4.
die Erhaltung, Erneuerung, Fortentwicklung, Anpassung und der Umbau vorhandener Ortsteile sowie die Erhaltung und Entwicklung zentraler Versorgungsbereiche, - 5.
die Belange der Baukultur, des Denkmalschutzes und der Denkmalpflege, die erhaltenswerten Ortsteile, Straßen und Plätze von geschichtlicher, künstlerischer oder städtebaulicher Bedeutung und die Gestaltung des Orts- und Landschaftsbildes, - 6.
die von den Kirchen und Religionsgesellschaften des öffentlichen Rechts festgestellten Erfordernisse für Gottesdienst und Seelsorge, - 7.
die Belange des Umweltschutzes, einschließlich des Naturschutzes und der Landschaftspflege, insbesondere - a)
die Auswirkungen auf Tiere, Pflanzen, Fläche, Boden, Wasser, Luft, Klima und das Wirkungsgefüge zwischen ihnen sowie die Landschaft und die biologische Vielfalt, - b)
die Erhaltungsziele und der Schutzzweck der Natura 2000-Gebiete im Sinne des Bundesnaturschutzgesetzes, - c)
umweltbezogene Auswirkungen auf den Menschen und seine Gesundheit sowie die Bevölkerung insgesamt, - d)
umweltbezogene Auswirkungen auf Kulturgüter und sonstige Sachgüter, - e)
die Vermeidung von Emissionen sowie der sachgerechte Umgang mit Abfällen und Abwässern, - f)
die Nutzung erneuerbarer Energien sowie die sparsame und effiziente Nutzung von Energie, - g)
die Darstellungen von Landschaftsplänen sowie von sonstigen Plänen, insbesondere des Wasser-, Abfall- und Immissionsschutzrechts, - h)
die Erhaltung der bestmöglichen Luftqualität in Gebieten, in denen die durch Rechtsverordnung zur Erfüllung von Rechtsakten der Europäischen Union festgelegten Immissionsgrenzwerte nicht überschritten werden, - i)
die Wechselwirkungen zwischen den einzelnen Belangen des Umweltschutzes nach den Buchstaben a bis d, - j)
unbeschadet des § 50 Satz 1 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes, die Auswirkungen, die aufgrund der Anfälligkeit der nach dem Bebauungsplan zulässigen Vorhaben für schwere Unfälle oder Katastrophen zu erwarten sind, auf die Belange nach den Buchstaben a bis d und i,
- 8.
die Belange - a)
der Wirtschaft, auch ihrer mittelständischen Struktur im Interesse einer verbrauchernahen Versorgung der Bevölkerung, - b)
der Land- und Forstwirtschaft, - c)
der Erhaltung, Sicherung und Schaffung von Arbeitsplätzen, - d)
des Post- und Telekommunikationswesens, insbesondere des Mobilfunkausbaus, - e)
der Versorgung, insbesondere mit Energie und Wasser, einschließlich der Versorgungssicherheit, - f)
der Sicherung von Rohstoffvorkommen,
- 9.
die Belange des Personen- und Güterverkehrs und der Mobilität der Bevölkerung, auch im Hinblick auf die Entwicklungen beim Betrieb von Kraftfahrzeugen, etwa der Elektromobilität, einschließlich des öffentlichen Personennahverkehrs und des nicht motorisierten Verkehrs, unter besonderer Berücksichtigung einer auf Vermeidung und Verringerung von Verkehr ausgerichteten städtebaulichen Entwicklung, - 10.
die Belange der Verteidigung und des Zivilschutzes sowie der zivilen Anschlussnutzung von Militärliegenschaften, - 11.
die Ergebnisse eines von der Gemeinde beschlossenen städtebaulichen Entwicklungskonzeptes oder einer von ihr beschlossenen sonstigen städtebaulichen Planung, - 12.
die Belange des Küsten- oder Hochwasserschutzes und der Hochwasservorsorge, insbesondere die Vermeidung und Verringerung von Hochwasserschäden, - 13.
die Belange von Flüchtlingen oder Asylbegehrenden und ihrer Unterbringung, - 14.
die ausreichende Versorgung mit Grün- und Freiflächen.
(7) Bei der Aufstellung der Bauleitpläne sind die öffentlichen und privaten Belange gegeneinander und untereinander gerecht abzuwägen.
(8) Die Vorschriften dieses Gesetzbuchs über die Aufstellung von Bauleitplänen gelten auch für ihre Änderung, Ergänzung und Aufhebung.
Bei raumbedeutsamen Planungen und Maßnahmen sind die für eine bestimmte Nutzung vorgesehenen Flächen einander so zuzuordnen, dass schädliche Umwelteinwirkungen und von schweren Unfällen im Sinne des Artikels 3 Nummer 13 der Richtlinie 2012/18/EU in Betriebsbereichen hervorgerufene Auswirkungen auf die ausschließlich oder überwiegend dem Wohnen dienenden Gebiete sowie auf sonstige schutzbedürftige Gebiete, insbesondere öffentlich genutzte Gebiete, wichtige Verkehrswege, Freizeitgebiete und unter dem Gesichtspunkt des Naturschutzes besonders wertvolle oder besonders empfindliche Gebiete und öffentlich genutzte Gebäude, so weit wie möglich vermieden werden. Bei raumbedeutsamen Planungen und Maßnahmen in Gebieten, in denen die in Rechtsverordnungen nach § 48a Absatz 1 festgelegten Immissionsgrenzwerte und Zielwerte nicht überschritten werden, ist bei der Abwägung der betroffenen Belange die Erhaltung der bestmöglichen Luftqualität als Belang zu berücksichtigen.
Tatbestand
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Die Beteiligten streiten um die Erteilung einer Baugenehmigung für einen bordellartigen Betrieb in .... Hilfsweise begehrt die Klägerin die Feststellung, dass ihr bei bzw. in einem näher bezeichneten Zeitraum vor dem Inkrafttreten der während des Berufungsverfahrens erlassenen Veränderungssperre ein Anspruch auf Neubescheidung ihres Bauantrags zustand.
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Auf dem Vorhabengrundstück wurde in den 1960er Jahren ein siebengeschossiges Gebäude errichtet, das als Hauptfiliale einer Handelskette für Foto- und Radiogeräte genutzt wurde. Im Bebauungsplan aus dem Jahre 1993 war das Grundstück als Kerngebiet festgesetzt, Wohnungen oberhalb des ersten Vollgeschosses waren allgemein zulässig. Angestoßen durch Pläne, auf dem Grundstück ein neues Büro- und Geschäftsgebäude zu errichten, beschloss das zuständige Bezirksamt des Beklagten im Jahre 1995 die Aufstellung eines Änderungs-Bebauungsplans, der im Jahre 2006 für rechtsverbindlich erklärt wurde. Er weist das Grundstück ebenfalls als Kerngebiet aus, lässt aber einen geänderten Baukörper mit bis zu acht Vollgeschossen zu. Nach den textlichen Festsetzungen des Änderungs-Bebauungsplans sind im Kerngebiet Spielhallen unzulässig, in der ersten Ebene unter der Geländeoberfläche sind nur Einzelhandelsbetriebe und Tiefgaragen zulässig, Wohnungen sind oberhalb des sechsten Vollgeschosses allgemein zulässig.
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Bereits vor Inkrafttreten des Änderungs-Bebauungsplans - im Jahre 2005 - meldete die Foto- und Radio-Handelskette Insolvenz an; in das Erdgeschoss und das erste Obergeschoss des bestehenden Gebäudes zog ein Erotikkaufhaus mit angeschlossenem Kino ein. In der Umgebung des Vorhabengrundstücks findet Straßenprostitution statt.
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Im Mai 2007 beantragte die Klägerin eine Baugenehmigung für die Änderung der Nutzung des zweiten bis fünften Obergeschosses des bestehenden Gebäudes in ein "Laufhaus/Zimmervermietung/bordellartiger Betrieb". Nach den Eingabeplänen sind 48 Zimmer vorgesehen, die an Prostituierte vermietet werden, die in den Öffnungszeiten (11 bis 6 Uhr) jeweils vor den Zimmern auf ihre Kunden warten. Das Bezirksamt lehnte den Bauantrag ab. Der hiergegen erhobene Widerspruch blieb ohne Erfolg.
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Das Verwaltungsgericht hat die Versagungsgegenklage der Klägerin abgewiesen, weil das Vorhaben im Kerngebiet gegen das in § 15 Abs. 1 BauNVO verankerte Rücksichtnahmegebot verstoße. Es führe zu einem sog. Trading-Down-Effekt des gesamten Gebiets mit der Folge einer Verdrängung bereits ansässiger Betriebe und der Wohnbevölkerung. Mit dem Laufhaus komme aufgrund seiner Größe Prostitution in einem Umfang hinzu, der angesichts der bereits vorhandenen Belastung des Baugebiets nicht mehr tragbar sei.
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Während des Berufungszulassungsverfahrens - im Mai 2011 - beschloss das zuständige Bezirksamt des Beklagten die Aufstellung des Bebauungsplans 7-50B, mit dem das Vorhabengrundstück sowie weitere, daran angrenzende Grundstücke nunmehr als Mischgebiet ausgewiesen werden sollten. Im September 2011 erließ das Bezirksamt eine Veränderungssperre für den Geltungsbereich des Bebauungsplan-Entwurfs, die am 1. Oktober 2011 in Kraft trat.
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Trotz der Veränderungssperre hielt die Klägerin an der vom Oberverwaltungsgericht zugelassenen Berufung fest. Sie stellte sich auf den Standpunkt, dass die Zeit der rechtswidrigen Verzögerung und Versagung der Baugenehmigung entsprechend § 17 Abs. 1 Satz 2 BauGB auf die Geltungsdauer der Veränderungssperre anzurechnen sei mit der Folge, dass die Veränderungssperre ihr gegenüber jedenfalls seit Januar 2012 hinfällig geworden sei. Die Klägerin beantragte, den Beklagten zu verpflichten, ihr die beantragte Nutzungsänderung zu genehmigen, hilfsweise, unter anderem festzustellen, dass der Beklagte bei bzw. in der Zeit vom 13. Februar 2008 bis zum Inkrafttreten der Veränderungssperre verpflichtet war, über ihren Bauantrag erneut zu entscheiden.
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Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung im Hauptantrag abgewiesen, in den Hilfsanträgen hat es ihr stattgegeben. Im Zeitpunkt der Berufungsverhandlung könne die Klägerin weder die Erteilung der beantragten Baugenehmigung noch eine erneute Entscheidung darüber beanspruchen, denn die Veränderungssperre stehe der beabsichtigten Nutzungsänderung entgegen. Sie sei auch nicht in entsprechender Anwendung des § 17 Abs. 1 Satz 2 BauGB gegenüber der Klägerin unwirksam geworden, weil dies voraussetze, dass die - hier nicht gegebenen - Voraussetzungen für eine förmliche Zurückstellung und der Erlass einer Veränderungssperre vorliegen. Erfolg hätten dagegen die Hilfsanträge der Klägerin. Der Beklagte sei bis zum Inkrafttreten der Veränderungssperre verpflichtet gewesen, die Sache hinsichtlich der noch fehlenden Prüfung des Brandschutznachweises spruchreif zu machen und auf dieser Grundlage über die Erteilung der Baugenehmigung zu entscheiden. Das in einem Kerngebiet allgemein zulässige und mit dessen Gebietscharakter vereinbare Vorhaben sei nicht nach § 15 BauNVO unzulässig. Ein Rückgriff auf § 15 BauNVO sei dem Beklagten verwehrt, soweit die Unzulässigkeit damit begründet werde, es komme durch das Zusammentreffen des geplanten Laufhauses mit dem bereits vorhandenen Erotikkaufhaus und -kino sowie der Straßenprostitution zu einer der planerischen Konzeption widersprechenden Strukturveränderung in Richtung auf einen "Rotlichtbezirk". Der Anwendungsbereich dieser Vorschrift sei nur eröffnet, wenn der Bebauungsplan bestimmte Konflikte in rechtmäßiger Weise habe offen lassen dürfen. Betroffenheiten, die der Plangeber in den Blick habe nehmen müssen, weil sie zum notwendigen Abwägungsprogramm gehören, und die sich als eine typische planbedingte Folge darstellen, könnten demgegenüber nicht mehr Gegenstand einer Nach- bzw. Feinsteuerung durch die Anwendung des § 15 BauNVO sein, denn sie seien durch die getroffene Abwägungsentscheidung gleichsam aufgezehrt. Die durch die störende Häufung des Prostitutions- und Sexgewerbes möglichen Nutzungskonflikte hätten vorliegend auf der Hand gelegen und zum Gegenstand der planerischen Abwägung gemacht werden müssen.
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Beide Beteiligte haben von dem - hinsichtlich der Entscheidung über den Hauptantrag vom Oberverwaltungsgericht und hinsichtlich der Entscheidung über die Hilfsanträge vom Senat zugelassenen - Rechtsmittel der Revision Gebrauch gemacht.
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Am 21. Dezember 2012 wurde die Verordnung über die Festsetzung des Bebauungsplans 7-50B verkündet. Als Zeitpunkt des Inkrafttretens der Verordnung ist der Tag nach der Verkündung bestimmt.
Entscheidungsgründe
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Die zulässigen Revisionen der Klägerin und des Beklagten sind jeweils teilweise begründet. Dem Berufungsurteil ist teils aufgrund einer während des Revisionsverfahrens eingetretenen Rechtsänderung die Grundlage entzogen, teils steht es mit Bundesrecht nicht im Einklang. Da der Senat in der Sache nicht selbst entscheiden kann, ist das Urteil aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Oberverwaltungsgericht zurückzuverweisen (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO).
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1. Die Revision der Klägerin ist teilweise begründet, weil mit der Verkündung der Verordnung über die Festsetzung des Bebauungsplans 7-50B eine Rechtsänderung eingetreten ist, die zu berücksichtigen der Senat einerseits verpflichtet ist, auf deren Grundlage er andererseits aber nicht in der Lage ist, über den von der Klägerin geltend gemachten Verpflichtungsanspruch selbst abschließend zu entscheiden.
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Das Oberverwaltungsgericht hat die Klage im Hauptantrag mit der Begründung abgewiesen, dass die während des Berufungszulassungsverfahrens erlassene Veränderungssperre der begehrten Nutzungsänderung entgegenstehe. Dieser Begründung ist die Grundlage dadurch entzogen, dass der Beklagte den durch die Veränderungssperre gesicherten Bebauungsplan 7-50B während des Revisionsverfahrens in Kraft gesetzt hat. Mit der das Planungsverfahren abschließenden Verkündung der Verordnung über die Festsetzung dieses Bebauungsplans (GVBl Berlin 2012 S. 526) ist die Veränderungssperre gemäß § 17 Abs. 5 BauGB außer Kraft getreten; auf die Wirksamkeit des mit der Verkündung in Kraft gesetzten Bebauungsplans kommt es insoweit nicht an (Beschluss vom 28. Februar 1990 - BVerwG 4 B 174.89 - Buchholz 406.11 § 17 BauGB Nr. 3
). Eine gegenüber der Klägerin wirksame Veränderungssperre lag folglich im Zeitpunkt der Revisionsentscheidung nicht mehr vor. Diese Rechtsänderung ist vom Revisionsgericht zu beachten, weil sie auch die Vorinstanz berücksichtigen müsste, wenn sie jetzt entschiede (vgl. Urteil vom 29. Januar 2009 - BVerwG 4 C 16.07 - BVerwGE 133, 98 m.w.N.).
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Ob der Klägerin nach Bekanntmachung des Bebauungsplans 7-50B ein Anspruch auf Genehmigung der beantragten Nutzungsänderung zusteht (vgl. § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO), kann der Senat nicht selbst abschließend entscheiden. In dem nunmehr festgesetzten Mischgebiet ist das Vorhaben der Klägerin gemäß § 30 Abs. 1 BauGB bauplanungsrechtlich unzulässig, weil ein bordellartiger Betrieb - unabhängig davon, ob er als sonstiger Gewerbebetrieb im Sinne des § 6 Abs. 2 Nr. 4 BauNVO oder als Vergnügungsstätte im Sinne des § 6 Abs. 2 Nr. 8 BauNVO einzuordnen ist - mit der im Mischgebiet ebenfalls zulässigen Wohnnutzung unverträglich ist (allgemeine Meinung, vgl. z.B. Fickert/Fieseler, BauNVO, 11. Aufl. 2008, Anm. 2.1 zu § 6 m.w.N. zur obergerichtlichen Rechtsprechung) und er deshalb den Festsetzungen des Bebauungsplans widerspricht. Voraussetzung dieser Unzulässigkeits-Rechtsfolge ist allerdings, dass die Mischgebietsausweisung wirksam ist. Die Beurteilung der Rechtswirksamkeit eines Bebauungsplans ist grundsätzlich Aufgabe der Tatsachengerichte und dem Revisionsgericht vorliegend verwehrt. Der Senat kann die Rechtswirksamkeit der Mischgebietsausweisung auch nicht im Sinne einer alternativen Prüfung offen lassen. Wäre die Mischgebietsausweisung rechtswidrig und unwirksam, beurteilte sich die Zulässigkeit der beantragten Nutzungsänderung nach den Festsetzungen des Vorgänger-Bebauungsplans aus dem Jahre 2006. Ob dieser Bebauungsplan seinerseits rechtswirksam ist, kann der Senat wiederum nicht abschließend beurteilen. Das Oberverwaltungsgericht hat angenommen, dass dieser Bebauungsplan wegen eines Verstoßes gegen das Konfliktbewältigungsgebot rechtswidrig, aber "im Hinblick auf die Planerhaltungsvorschriften der §§ 214, 215 BauGB als wirksam zugrunde zu legen" sei. Andere mögliche Rechtsfehler des Bebauungsplans hat es indes nicht geprüft. Es ist deshalb nicht ausgeschlossen, dass auch der Änderungs-Bebauungsplan aus dem Jahre 2006 wegen anderer Rechtsverstöße unwirksam ist mit der Folge, dass die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens nach dem Bebauungsplan aus dem Jahre 1993 zu beurteilen wäre. Auch über dessen Rechtswirksamkeit könnte der Senat - infolge Fehlens entsprechender Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts - nicht abschließend befinden. Als Zulässigkeitsmaßstab für die beantragte Nutzungsänderung käme deshalb letztlich auch § 34 Abs. 1 oder 2 BauGB in Betracht. Die Anwendbarkeit des Rücksichtnahmegebots hat das Oberverwaltungsgericht zwar für den Änderungs-Bebauungsplan 2006, nicht aber für den Bebauungsplan 1993 oder für § 34 BauGB ausgeschlossen. Selbst unter Zugrundelegung der - wie sogleich zu zeigen sein wird: unzutreffenden - Rechtsauffassung des Oberverwaltungsgerichts, dass § 15 Abs. 1 BauNVO aufgrund einer rechtswidrig unterbliebenen Konfliktbewältigung im Änderungs-Bebauungsplan 2006 "aufgezehrt" worden sei, könnte deshalb die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des klägerischen Vorhabens von den Maßstäben des Rücksichtnahmegebots abhängen. Tatsächliche Feststellungen hierzu hat das Oberverwaltungsgericht - von seinem Rechtsstandpunkt aus konsequent - nicht getroffen. Auf die vom Verwaltungsgericht festgestellten Tatsachen kann der Senat nicht zurückgreifen, weil das Oberverwaltungsgericht nicht zu erkennen gegeben hat, dass es sich diese Feststellungen zu Eigen gemacht hätte (vgl. hierzu z.B. Kraft, in: Eyermann, VwGO, 13. Aufl. 2010, § 144 Rn. 18). Der Senat muss deshalb offen lassen, ob das klägerische Vorhaben auch im Falle der Unwirksamkeit der Mischgebietsausweisung unzulässig ist. Die hierfür erforderlichen Feststellungen wird das Oberverwaltungsgericht nachzuholen haben.
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2. Die Revision des Beklagten ist ebenfalls teilweise begründet. Das Berufungsurteil verletzt Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO), soweit das Oberverwaltungsgericht auf die Hilfsanträge der Klägerin hin festgestellt hat, dass der Beklagte bei bzw. in einem näher bezeichneten Zeitraum vor Inkrafttreten der Veränderungssperre zur Bescheidung verpflichtet war. Revisionsgerichtlich nicht zu beanstanden ist zwar die Annahme des Oberverwaltungsgerichts, die durch eine störende Häufung des Prostitutions- und Sexgewerbes möglichen Nutzungskonflikte hätten bereits auf der Planungsebene bewältigt werden müssen. Bundesrechtswidrig ist jedoch die hieraus gezogene Schlussfolgerung des Oberverwaltungsgerichts, dass dem Beklagten wegen der fehlerhaft unterbliebenen planerischen Konfliktbewältigung ein Rückgriff auf § 15 Abs. 1 BauNVO verwehrt sei.
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a) Die Annahme des Oberverwaltungsgerichts, die durch eine störende Häufung des Prostitutions- und Sexgewerbes möglichen Nutzungskonflikte hätten vorliegend auf der Hand gelegen und bereits auf der Planungsebene bewältigt werden müssen, beruht nicht auf einer Verkennung von Bundesrecht.
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Das im Abwägungsgebot des § 1 Abs. 7 BauGB wurzelnde Gebot der Konfliktbewältigung verlangt, dass jeder Bebauungsplan grundsätzlich die von ihm selbst geschaffenen oder ihm sonst zurechenbaren Konflikte zu lösen hat, indem die von der Planung berührten Belange zu einem gerechten Ausgleich gebracht werden. Die Planung darf nicht dazu führen, dass Konflikte, die durch sie hervorgerufen werden, zu Lasten Betroffener letztlich ungelöst bleiben (Beschluss vom 14. Juli 1994 - BVerwG 4 NB 25.94 - Buchholz 406.11 § 1 BauGB Nr. 75 S. 11 m.w.N.). Dies schließt eine Verlagerung von Problemlösungen aus dem Bauleitplanverfahren auf nachfolgendes Verwaltungshandeln indes nicht aus. Festsetzungen eines Bebauungsplans können auch Ausdruck einer "planerischen Zurückhaltung" sein (Urteil vom 5. August 1983 - BVerwG 4 C 96.79 - BVerwGE 67, 334 <338> m.w.N.). Davon ist grundsätzlich auch im Hinblick auf Interessenkonflikte, die auf der Grundlage der Festsetzungen des Bebauungsplans im Einzelfall auftreten können, auszugehen. Dabei kommt dem in § 15 Abs. 1 BauNVO enthaltenen Rücksichtnahmegebot eine besondere Bedeutung zu. Es ergänzt die Festsetzungen des Bebauungsplans und bewirkt im Ergebnis, dass ein Bebauungsplan nicht schon deshalb als unwirksam angesehen werden muss, weil er selbst noch keine Lösung für bestimmte Konfliktsituationen enthält (Beschluss vom 6. März 1989 - BVerwG 4 NB 8.89 - Buchholz 406.11 § 30 BBauG/BauGB Nr. 27 S. 2). Die Gemeinde kann sich im Rahmen ihrer planerischen Gestaltungsfreiheit hinsichtlich der Art der baulichen Nutzung grundsätzlich deshalb auch mit der Festsetzung eines Baugebiets begnügen (Urteil vom 11. März 1988 - BVerwG 4 C 56.84 - Buchholz 406.11 § 9 BBauG Nr. 30 S. 4 ff.). Die Grenzen zulässiger Konfliktverlagerung auf die Ebene des Planvollzugs sind allerdings überschritten, wenn bereits im Planungsstadium absehbar ist, dass sich der offen gelassene Interessenkonflikt in einem nachfolgenden Verfahren nicht sachgerecht wird lösen lassen (Urteil vom 11. März 1988 a.a.O. und Beschluss vom 14. Juli 1994 a.a.O.). Im Übrigen richtet sich das erforderliche Maß der Konkretisierung der planerischen Festsetzungen danach, was nach den Umständen des Einzelfalls für die städtebauliche Ordnung erforderlich ist und dem Gebot gerechter Abwägung der konkret berührten privaten Interessen und öffentlichen Belange entspricht (Urteil vom 11. März 1988 a.a.O.). Je intensiver der Widerspruch zwischen plangemäßer Nutzung und Umgebungsnutzung wird, desto höhere Anforderungen sind auch an die Konfliktbewältigung im Rahmen der Bauleitplanung und damit an den Detaillierungsgrad der jeweiligen Festsetzungen zu stellen.
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Von diesen rechtlichen Maßstäben hat sich das Oberverwaltungsgericht leiten lassen. Es hat festgestellt, dass der Bebauungsplan Wohnnutzung und kerngebietstypische Nutzungen in mehrfacher Hinsicht unmittelbar nebeneinander zulasse. Zudem seien dem Plangeber die bereits seit Jahrzehnten in wechselndem Ausmaß betriebene Straßenprostitution mit entsprechenden Belastungen für die Wohnnutzung sowie die im Jahre 2006 hinzukommende Nutzung des Vorhabengrundstücks durch das Erotikkaufhaus und -kino bekannt gewesen. Hinzu komme, dass das die Planung anstoßende ursprüngliche Vorhaben eines Büro- und Geschäftshauses über Jahre hinweg nicht mehr verfolgt worden sei, und auch andere Pläne nicht weiterverfolgt worden seien. Unter Würdigung dieser Umstände ist das Oberverwaltungsgericht zu dem Ergebnis gelangt, dass eine mögliche Strukturveränderung des Plangebiets zu einem "Rotlichtbezirk" bereits bei der Festsetzung des Änderungs-Bebauungsplans im Jahre 2006 auf der Hand gelegen habe und dass die sich hieraus ergebenden Nutzungskonflikte deshalb zur Vermeidung eines Abwägungsfehlers bereits im Rahmen der Planung hätten bewältigt werden müssen. Ein bundesrechtswidriges Rechtsverständnis liegt dieser Tatsachenwürdigung nicht zugrunde. Es ergibt sich auch nicht daraus, dass der Beklagte die konkreten Umstände anders würdigt.
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b) Mit Bundesrecht nicht im Einklang steht demgegenüber die Auffassung des Oberverwaltungsgerichts, dass der Anwendungsbereich des § 15 Abs. 1 BauNVO nur eröffnet sei, wenn der Bebauungsplan bestimmte Konflikte im Hinblick auf das Gebot der Konfliktbewältigung in rechtmäßiger Weise offen lassen durfte, während Konflikte, die zum notwendigen Abwägungsprogramm gehören, auch dann nicht über § 15 Abs. 1 BauNVO gelöst werden dürften, wenn sie auf der Planungsebene tatsächlich unbewältigt geblieben sind.
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Eine Konfliktbewältigung auf der Grundlage des Rücksichtnahmegebots setzt nach ständiger Rechtsprechung des Senats voraus, dass der Bebauungsplan für sie noch offen ist (z.B. Beschluss vom 6. März 1989 a.a.O.). Daran fehlt es, wenn der in Frage stehende Nutzungskonflikt bereits auf der Ebene des Bebauungsplans abgewogen worden ist; in diesem Fall ist das Rücksichtnahmegebot bereits in der den Festsetzungen des Bebauungsplans zugrunde liegenden Abwägung aufgegangen, es ist von der planerischen Abwägung gleichsam "aufgezehrt" (Beschluss vom 27. Dezember 1984 - BVerwG 4 B 278.84 - Buchholz 406.11 § 30 BBauG Nr. 21 S. 2 f.). Eine Konfliktbewältigung auf der Grundlage des Rücksichtnahmegebots ist ferner dann ausgeschlossen, wenn planerische Festsetzungen - ungeachtet einer bereits auf der Ebene der Bauleitplanung beabsichtigten Konfliktbewältigung - so weit konkretisiert sind, dass ein Ausgleich der durch die Planung aufgeworfenen Nutzungskonflikte im Baugenehmigungsverfahren auf eine Korrektur der planerischen Festsetzungen hinausliefe; je konkreter eine planerische Festsetzung, umso geringer ist der Spielraum für die Anwendung des § 15 Abs. 1 BauNVO (Beschluss vom 6. März 1989 a.a.O. - Parkhaus -). In beiden Fällen hängen die für die Anwendung des § 15 Abs. 1 BauNVO verbleibenden Spielräume mithin davon ab, inwieweit die Gemeinde bereits eine positive planerische Entscheidung getroffen hat. Nur für den Fall einer tatsächlich getroffenen planerischen Entscheidung bedarf die Gemeinde des Schutzes vor einer unzulässigen Korrektur ihrer Entscheidung auf der Vollzugsebene. In allen anderen Fällen ist der Bebauungsplan für eine Konfliktbewältigung im Baugenehmigungsverfahren auf der Grundlage des Rücksichtnahmegebots dagegen noch offen.
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Löst der Bebauungsplan - wie vorliegend vom Oberverwaltungsgericht angenommen - von ihm aufgeworfene Konflikte nicht, obwohl ein Konfliktlösungstransfer unzulässig ist, so führt dies zur Fehlerhaftigkeit der Abwägungsentscheidung nach § 1 Abs. 7 BauGB. Ein solcher Abwägungsfehler wird - vorbehaltlich der Vorschriften über die Planerhaltung gemäß §§ 214, 215 BauGB - grundsätzlich zur (Voll- oder Teil-)Unwirksamkeit des Bebauungsplans führen. Ein unwirksamer Bebauungsplan kann aber in Bezug auf das Rücksichtnahmegebot keine Sperrwirkung erzeugen. Es kommt dann darauf an, ob infolge der Unwirksamkeit des Bebauungsplans ein gegebenenfalls früherer Bebauungsplan wieder Geltung beansprucht, ob dieser seinerseits wirksam ist und ob er nunmehr in Bezug auf das Gebot der Rücksichtnahme in der konkreten Situation Sperrwirkung entfaltet. Ist letzteres nicht der Fall oder liegt überhaupt kein wirksamer Bebauungsplan vor, gibt es mithin keine planerische Entscheidung der Gemeinde, die des Schutzes vor einer unzulässigen Korrektur auf der Vollzugsebene bedarf, ist das Rücksichtnahmegebot, nach Maßgabe der vom Senat entwickelten Grundsätze (z.B. Urteil vom 29. November 2012 - BVerwG 4 C 8.11 - BVerwGE 145, 145 Rn. 16), anwendbar.
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Nichts anderes kann gelten, wenn ein abwägungsfehlerhafter Bebauungsplan - wie hier vom Oberverwaltungsgericht, allerdings ohne jegliche Begründung, angenommen - im Hinblick auf die Planerhaltungsvorschriften der §§ 214, 215 BauGB wirksam bleibt. Auch im Falle der Unbeachtlichkeit des Abwägungsfehlers hat eine planerische Konfliktbewältigung, durch die das Rücksichtnahmegebot "aufgezehrt" worden sein könnte, nicht stattgefunden. Auch in diesem Fall existiert keine planerische Entscheidung über die Bewältigung des Konflikts, die des Schutzes vor einer unzulässigen Korrektur auf der Vollzugsebene bedürfte. Die unterbliebene planerische Konfliktlösung wird durch die Planerhaltungsvorschriften auch nicht etwa fingiert. Ein mangels planerischer Konfliktbewältigung zwar rechtsfehlerhafter, aber in seiner Geltung erhaltener Bebauungsplan ist deshalb für eine Konfliktbewältigung auf der Vollzugsebene grundsätzlich ebenfalls noch offen. Die vom Oberverwaltungsgericht vertretene gegenteilige Auffassung liefe zudem auf einen Wertungswiderspruch hinaus: Ist ein Bebauungsplan in beachtlicher Weise abwägungsfehlerhaft und deshalb unwirksam, ist das Rücksichtnahmegebot - wie dargelegt - grundsätzlich anwendbar mit der Folge, dass der Nutzungskonflikt im Baugenehmigungsverfahren bewältigt werden kann. Ist der Abwägungsfehler demgegenüber aufgrund der Planerhaltungsvorschriften unbeachtlich, bliebe der Nutzungskonflikt unter Zugrundelegung der Auffassung des Oberverwaltungsgerichts gänzlich unbewältigt. Das im Rücksichtnahmegebot aufgefangene nachbarschaftliche Gemeinschaftsverhältnis kann indes nicht von dem aus Sicht des betroffenen Nachbarn gleichsam zufälligen Umstand der Planerhaltung abhängen.
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Einer Konfliktbewältigung im Baugenehmigungsverfahren steht vorliegend auch der Konkretisierungsgrad der planerischen Festsetzungen nicht entgegen, denn der Plangeber hat hinsichtlich der streitgegenständlichen Nutzung - bordellartiger Betrieb - keine Festsetzungen getroffen, sondern es schlicht bei dem Nutzungskatalog des § 7 BauNVO belassen. Die Annahme des Oberverwaltungsgerichts, dem Beklagten sei vorliegend ein Rückgriff auf § 15 Abs. 1 BauNVO verwehrt, ist deshalb unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt mit Bundesrecht vereinbar.
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c) Auch insoweit kann der Senat nicht in der Sache selbst entscheiden (§ 144 Abs. 3 VwGO). Dies gilt bereits deshalb, weil die Erfolgsaussichten der Hilfsanträge vom Erfolg des Hauptantrags abhängen, über die das Oberverwaltungsgericht erneut zu entscheiden hat. Im Übrigen fehlen - wie dargelegt - auch hinreichende tatrichterliche Feststellungen, die eine abschließende Prüfung des Rücksichtnahmegebots erlauben.
Tatbestand
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Die Beteiligten streiten um die Wirksamkeit des Bebauungsplans L. 53 der Antragsgegnerin.
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Die Antragstellerin ist Eigentümerin des Grundstücks Gweg ... in Hamburg-E. (Flurstück ... der Gemarkung L.), auf dem sich straßenseitig ein Wohnhaus und im straßenabgewandten Bereich ein Gewerbehof mit einzelnen oder miteinander verbundenen gewerblich genutzten Gebäuden befinden. Das Grundstück war durch den Bebauungsplan L. 3 aus dem Jahr 1963 als Geschäftsgebiet "G 2 g" nach § 10 Abs. 4 der Baupolizeiverordnung ausgewiesen und nahezu vollständig von Grundstücken umgeben, für die dieselbe Art der Nutzung festgesetzt war. Lediglich für das westlich gelegene Grundstück Llweg ... war eine Wohnnutzung "W 4 g" vorgesehen.
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Im Bebauungsplan L. 53 ist das Grundstück der Antragstellerin als Mischgebiet festgesetzt. Ebenfalls als Mischgebiet ausgewiesen sind die nördlich gelegenen Grundstücke Gweg ... und Gweg ... a - d sowie die sich süd-östlich an das Grundstück der Antragstellerin anschließenden, sich aneinander reihenden Grundstücke Gweg ... und Sallee ... und ... Das süd-westlich gelegene, an das Grundstück der Antragstellerin angrenzende Hinterliegergrundstück mit dem Doppelhaus Sallee ... und ... ist ebenso wie die westlich benachbarten Grundstücke zum allgemeinen Wohngebiet umgeplant worden. Zur Verbreiterung des Gwegs setzt der Plan auf dem Grundstück der Antragstellerin eine Straßenverkehrsfläche fest.
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Die Antragsgegnerin hat den Bebauungsplan L. 53 mit dem Bedürfnis begründet, die bestehende Geschäftsgebietsfestsetzung zu ändern, weil sie sich als überholt erwiesen habe. Der Stadtteil L. sei ein beliebter Wohnstandort. Nachfragen und Anträge für den Wohnungsbau habe es bis in die Gegenwart hinein auch für das Plangebiet gegeben. Im nördlichen und südlichen Bereich des Geschäftsgebiets seien bereits drei- bis viergeschossige Wohngebäude errichtet worden. Büronutzungen hätten sich im Plangebiet dagegen nicht nachhaltig entwickelt, hier habe es Leerstand und Abriss gegeben. Klassisch gewerbliche Nutzungen bestünden lediglich auf dem Grundstück der Antragstellerin. Ziel des Bebauungsplans sei die Schaffung einer gemischten Nutzungsstruktur mit einem Nebeneinander von Wohnen und wohnverträglichem Gewerbe sowie zusätzlichen Wohnbauflächen.
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Im Bekanntmachungstext der öffentlichen Auslegung des Planentwurfs heißt es, dass zu Umweltthemen Stellungnahmen und Informationen vorlägen, unter anderem zu Altlastenflächen und zu erhaltenden Bäumen. Während dieser Auslegung machte die Antragstellerin geltend, dass die Änderung der Gebietsausweisung die Interessen der Gewerbetreibenden in ihrem Gewerbehof erheblich beeinträchtige. Diese müssten wegen der gestiegenen Schutzbedürftigkeit der umliegenden Wohnnutzung mit einschränkenden Auflagen rechnen. Die Bezirksversammlung stimmte dem Planentwurf mit Ausnahme der Festsetzung der Baugrenzen für das Grundstück Llweg ... zu, da das Baufenster nach einer erneuten Auslegung des Entwurfs verkleinert werden sollte.
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Der Bekanntmachungstext der erneuten öffentlichen Auslegung wiederholt, dass zu Umweltthemen Stellungnahmen und Informationen vorlägen, unter anderem zu Altlastflächen und zu erhaltenden Bäumen. Des Weiteren bestimmt der Text, dass Stellungnahmen nur zu den geänderten Teilen des ausliegenden Planentwurfs vorgebracht werden könnten. Die Antragstellerin erhob wiederum Einwendungen.
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Mit ihrem gegen den beschlossenen und verkündeten Bebauungsplan fristgerecht eingeleiteten Normenkontrollverfahren hat die Antragstellerin neben anderem gerügt, dass die Bekanntmachung der erneuten öffentlichen Auslegung keinen vollständigen Hinweis auf die verfügbaren umweltbezogenen Informationen enthalte und der räumliche Geltungsbereich des Bebauungsplans nicht wirksam festgesetzt sei, weil ein Flurstück, das in der textlichen Beschreibung des Geltungsbereichs des Bebauungsplans genannt sei, nicht innerhalb der Grenzen des zeichnerisch festgesetzten Plangebiets liege. Die Festsetzungen zur Art der baulichen Nutzung seien mit Abwägungsfehlern behaftet. Zum einen sei die Antragsgegnerin voreingenommen gewesen, da sie den Bebauungsplan auf Initiative des früheren Eigentümers bzw. Investors des Grundstücks Gweg ... a - d aufgestellt habe, um ihm eine beabsichtigte Wohnbebauung zu ermöglichen. Zum anderen verstoße das Ergebnis der Abwägung wegen der unmittelbaren Nachbarschaft des mit dem Gewerbehof bebauten Grundstücks zu einem allgemeinen Wohngebiet gegen das Trennungsgebot des § 50 BImSchG und das Gebot der Konfliktbewältigung. Auch die geplante Straßenverbreiterung sei abwägungsfehlerhaft.
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Das Oberverwaltungsgericht hat den Normenkontrollantrag abgelehnt. Gegen sein Urteil richtet sich die Revision der Antragstellerin. Die Antragsgegnerin verteidigt das Urteil.
Entscheidungsgründe
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Die Revision ist unbegründet. Das angefochtene Urteil steht mit Bundesrecht im Einklang.
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1. Die Rüge der Antragstellerin, die umweltbezogenen Informationen seien in der Bekanntmachung der erneuten Auslegung des Planentwurfs nicht in der von § 3 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 1 BauGB geforderten Weise bezeichnet worden, ist unbegründet. Die Bekanntmachung brauchte keine Angaben dazu zu enthalten, welche Arten umweltbezogener Informationen verfügbar sind. Deshalb kommt es nicht darauf an, ob der Hinweis, es lägen Stellungnahmen und Informationen unter anderem zu Altlastenflächen und zu erhaltenden Bäumen vor, den Anforderungen des § 3 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 1 BauGB genügt (vgl. dazu Urteil vom 18. Juli 2013 - BVerwG 4 CN 3.12 - BVerwGE 147, 206).
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Nach § 3 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 1 BauGB sind Ort und Dauer der Auslegung der Entwürfe von Bauleitplänen sowie Angaben dazu, welche Arten umweltbezogener Stellungnahmen verfügbar sind, mindestens eine Woche vor der Auslegung ortsüblich bekannt zu machen. Gemäß § 4a Abs. 3 Satz 1 BauGB ist der Entwurf eines Bebauungsplans erneut auszulegen, wenn er nach dem Verfahren nach § 3 Abs. 2 BauGB geändert oder ergänzt wird. Nach § 4a Abs. 3 Satz 2 BauGB kann dabei - wie hier - bestimmt werden, dass Stellungnahmen nur zu den geänderten oder ergänzten Teilen abgegeben werden können; hierauf ist in der erneuten Bekanntmachung nach § 3 Abs. 2 Satz 2 BauGB hinzuweisen. Ansonsten gilt § 3 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 1 BauGB unbeschränkt und verlangt, in der Bekanntmachung der erneuten Auslegung wiederum auf die Arten der verfügbaren Umweltinformationen hinzuweisen (Berkemann, in: Berkemann/Halama, Erstkommentierungen zum BauGB 2004, 2005, § 4a Rn. 23).
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Der Anwendungsbereich des § 3 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 1 BauGB ist indes zu weit, wenn im Fall der Änderung oder Ergänzung eines Planentwurfs die Bekanntmachung der erneuten Auslegung die Einschränkung enthält, dass Stellungnahmen nur zu den geänderten oder ergänzten Teilen abgegeben werden können. § 3 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 1 BauGB steht in unmittelbarem systematischen Zusammenhang mit den Regelungen zu den Stellungnahmen während der Auslegungsfrist in § 3 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 2 sowie in den Sätzen 4 bis 6 BauGB. Der Zusammenhang wäre aufgelöst, wenn die verfügbaren umweltbezogenen Informationen nicht die geänderten oder ergänzten Teile zum Gegenstand haben, auf die die Stellungnahmen beschränkt sind. § 4a Abs. 3 Satz 1 und § 3 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 1 BauGB verlangen von der Gemeinde nicht, sich widersprüchlich zu verhalten, indem sie mit den Angaben zu den verfügbaren umweltbezogenen Informationen zu Stellungnahmen anstößt, die sie über die Beschränkung des § 4a Abs. 3 Satz 2 BauGB ausschließen möchte. § 4a Abs. 3 Satz 1 und § 3 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 1 BauGB bedürfen daher der Einschränkung, dass in der Bekanntmachung der erneuten Auslegung nur auf umweltbezogene Informationen hinzuweisen ist, die zu den geänderten oder ergänzten Teilen des Planentwurfs verfügbar sind. Gibt es - wie vorliegend - keine Informationen, die sich auf die geänderten oder ergänzten Teile des Planentwurfs beziehen, darf es mit der Bekanntmachung von Ort und Dauer der erneuten Auslegung sein Bewenden haben.
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Ein erneuter Hinweis darauf, welche Arten umweltbezogener Informationen verfügbar sind, ist in Fallgestaltungen wie der vorliegenden nicht deshalb geboten, weil Stellungnahmen, die sich nicht auf den beschränkten Bereich beziehen, entgegen der Annahme des Oberverwaltungsgerichts nicht unzulässig sind, sondern lediglich die Folgen des § 3 Abs. 2 Satz 4 bis 6 BauGB nicht auslösen und daher von der Gemeinde wie verspätete Stellungnahmen nach § 4a Abs. 6 BauGB zu behandeln sind. Zwar wird dem Ziel des § 3 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 1 BauGB, im öffentlichen Interesse Vollzugsdefiziten zu Lasten der Umwelt entgegenzuwirken (vgl. Urteil vom 18. Juli 2013 a.a.O. Rn. 20), auch gedient, wenn auf eine erneute Auslegung noch verspätete Hinweise zu Umweltbelangen eingehen. Dies zwingt aber nicht zu der Schlussfolgerung, dass in der Bekanntmachung der erneuten Auslegung wiederum auf sämtliche Arten der verfügbaren Umweltinformationen hinzuweisen ist. Schon die ursprüngliche Bekanntmachung muss den Hinweis nach § 3 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 1 BauGB enthalten. Sie kann auch nach Ablauf der (ersten) Stellungnahmefrist Anlass zu verspäteten Einwendungen sein. Für den von den Änderungen oder Ergänzungen nicht betroffenen Teil des Plangebiets ist der Zweck des Offenlegungsverfahrens schon mit der erstmaligen Auslegung erfüllt (so zu einem räumlich geteilten Bebauungsplan Urteil vom 29. Januar 2009 - BVerwG 4 C 16.07 - BVerwGE 133, 98 Rn. 40); einer "Erinnerung" der Öffentlichkeit an ein laufendes Planungsverfahren bedarf es nicht.
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Wenn eine Vorschrift nach ihrem Wortsinn Sachverhalte erfasst, die sie nach dem erkennbaren Willen des Gesetzgebers nicht erfassen soll, sind Gerichte befugt, den Wortlaut der Vorschrift zu korrigieren, und ist eine überschießende Regelung im Wege der teleologischen Reduktion auf den ihr nach Sinn und Zweck zugedachten Anwendungsbereich zurückzuführen (Urteil vom 1. März 2012 - BVerwG 5 C 11.11 - BVerwGE 142, 107 Rn. 30). Die teleologische Reduktion gehört zu den anerkannten Auslegungsgrundsätzen (BVerfG, Beschluss vom 30. März 1993 - 1 BvR 1045/89 u.a. - BVerfGE 88, 145 <167>). Sie kann dazu dienen, eine Vorschrift entgegen ihrem Wortlaut einschränkend auszulegen, wenn ihr Sinn und Zweck, ihre Entstehungsgeschichte und der Gesamtzusammenhang der einschlägigen Regelungen gegen eine uneingeschränkte Anwendung sprechen (BVerfG, Kammerbeschluss vom 7. April 1997 - 1 BvL 11/96 - NJW 1997, 2230 <2231>). Sie ist nicht auf Fälle beschränkt, in denen sie sich auf Ausführungen in den Gesetzesmaterialien stützen lässt, sondern erfasst auch solche wie den vorliegenden, in welchen die Gesetzesbegründung keinen Hinweis darauf enthält, dass sich der Gesetzgeber der in Rede stehenden besonderen Problematik bewusst gewesen ist.
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Die Antragstellerin möchte aus den Gesetzesmaterialien herleiten, dass eine erneute Auslegungsbekanntmachung stets den Hinweis auf sämtliche Arten verfügbarer Umweltinformationen enthalten müsse. Sie verweist auf die sich aus den Gesetzesmaterialien ergebende Absicht des Gesetzgebers zur Vereinheitlichung und Stärkung der planungsrechtlichen Verfahrensschritte auf hohem Umweltschutzniveau. Soweit sich diese Absicht aus dem Kapitel "Problem und Ziel" ergibt (BTDrucks 15/2250 S. 1), ist der Antragstellerin entgegenzuhalten, dass das Kapitel einen allgemeinen Programmsatz enthält. Aus ihm kann für einzelne Fragestellungen nichts Konkretes abgeleitet werden. Mit der beabsichtigten Vereinheitlichung des Verfahrens durch die Umweltprüfung (BTDrucks 15/2250 S. 29) geht es dem Gesetzgeber um die Wiedergabe der Arbeitsschritte zur Zusammenstellung des umweltrelevanten Abwägungsmaterials für eine sachgerechte Abwägung zur Herbeiführung einer materiell richtigen Entscheidung. Ermöglichen die Verfahrensvorschriften eine Beschränkung des Gegenstands der erneuten Öffentlichkeitsbeteiligung, ist ein Hinweis auf die verfügbaren Arten umweltbezogener Informationen, die sich nicht auf die Änderungen oder Ergänzungen des Planentwurfs beziehen, nicht dazu angetan, Abwägungsmängel bei den Änderungen oder Ergänzungen zu vermeiden.
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Unionsrecht steht der teleologischen Reduktion von § 3 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 1 und § 4a Abs. 3 Satz 1 BauGB nicht entgegen. Art. 3 Abs. 3 der Richtlinie 2001/42/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. Juni 2001 über die Prüfung der Umweltauswirkungen bestimmter Pläne und Programme (ABl EG Nr. L 197 S. 30) - Plan-UP-RL -, auf den sich die Antragstellerin beruft, ordnet an, dass die unter Absatz 2 fallenden Pläne, u.a. Pläne im Bereich der Bodennutzung, sowie deren geringfügige Änderungen einer Umweltprüfung bedürfen, wenn die Mitgliedstaaten bestimmen, dass sie voraussichtlich erhebliche Umweltauswirkungen haben. Die Vorschrift äußert sich zum Geltungsbereich der Richtlinie, also dazu, welche Pläne und Programme einer Umweltprüfung zu unterziehen sind, nicht aber zu verfahrensrechtlichen Anforderungen an Pläne und Programme, für die eine Umweltprüfung erforderlich ist. Einschlägig ist vielmehr Art. 6 Plan-UP-RL, der in Absatz 1 bestimmt, dass der Entwurf eines Plans und der Umweltbericht der Öffentlichkeit zugänglich zu machen sind, und in Absatz 2 vorschreibt, dass der Öffentlichkeit innerhalb ausreichend bemessener Frist frühzeitig und effektiv Gelegenheit gegeben wird, vor der Annahme des Plans zum Entwurf des Plans sowie zum begleitenden Umweltbericht Stellung zu nehmen. Diese Regelung wird durch die teleologische Reduktion von § 3 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 1 und § 4a Abs. 3 Satz 1 BauGB nicht unterlaufen. Die Plan-UP-Richtlinie fordert nicht, dass die Gelegenheit, zum Entwurf eines Plans und dem Umweltbericht Stellung zu nehmen, mehrfach gegeben wird.
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Die Antragstellerin rügt in diesem Zusammenhang, dass die tatrichterliche Feststellung, der angegriffene Bebauungsplan habe keinen wesentlichen Umweltbezug, gegen den Überzeugungsgrundsatz aus § 108 Abs. 1 VwGO verstoße. Ihr Einwand führt indes nicht auf einen Verfahrensfehler, sondern betrifft die Anwendung materiellen Rechts. Einen Verstoß gegen materielles Bundesrecht zeigt die Antragstellerin aber nicht auf. Aus Sicht des Unionsrechts kommt es nicht darauf an, ob der Bebauungsplan voraussichtlich einen wesentlichen Umweltbezug aufweist; denn die Anforderungen des Art. 6 Plan-UP-Richtlinie sind erfüllt.
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2. Dem Oberverwaltungsgericht ist auch darin zu folgen, dass der Bebauungsplan L. 53 nicht wegen mangelnder inhaltlicher Bestimmtheit oder eines Verstoßes gegen den Grundsatz der Normenklarheit unwirksam ist.
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Nach § 9 Abs. 7 BauGB setzt der Bebauungsplan die Grenzen seines räumlichen Geltungsbereichs fest. Die Grenzen dürfen sowohl zeichnerisch dargestellt als auch textlich beschrieben werden (Gaentzsch, in: Berliner Kommentar zum BauGB, Stand Mai 2014, § 9 Rn. 88). Besteht ein Widerspruch zwischen der zeichnerischen Darstellung und der textlichen Beschreibung, ist er unbeachtlich, wenn er sich durch Auslegung auflösen lässt; denn Bebauungspläne sind - wie andere Normen auch - einer ein Redaktionsversehen berichtigenden Auslegung zugänglich (vgl. Beschlüsse vom 27. Januar 1998 - BVerwG 4 NB 3.97 - BRS 60 Nr. 26 S. 92 und vom 1. Februar 1994 - BVerwG 4 NB 44.93 - juris Rn. 4). Vorliegend decken sich zeichnerische Darstellung und textliche Beschreibung deshalb nicht, weil das im Text bezeichnete Flurstück ... der Gemarkung L. außerhalb des in der Planurkunde zeichnerisch festgesetzten Plangebiets liegt. Das Oberverwaltungsgericht hat die fehlerhafte Flurstücksbezeichnung auf einen offensichtlichen Schreibfehler zurückgeführt, der im Wege der Auslegung zu beseitigen sei; gemeint sei ohne Zweifel das Flurstück ... Dem ist nichts hinzuzufügen.
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3. Schließlich ist nicht zu beanstanden, dass das Oberverwaltungsgericht den Bebauungsplan L. 53 nicht wegen eines beachtlichen Abwägungsfehlers für unwirksam erklärt hat.
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a) Einen Abwägungsausfall hat das Oberverwaltungsgericht zutreffend verneint.
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Die Antragstellerin wirft der Antragsgegnerin vor, ihr Bezirksamtsleiter habe sich vorab auf die Festsetzungen zur Art der baulichen Nutzung festgelegt, um dem Investor die Zulässigkeit der Wohnbebauung auf dem Grundstück G.weg ... a - d zu sichern. Der Investor habe in Kenntnis des Umstandes, dass ohne Änderung des Bebauungsplans L. 3 sein Vorhaben unzulässig sei, die Aufstellung des Bebauungsplans L. 53 initiiert, den Inhaber eines früher im Gewerbehof ansässigen Autolackierbetriebs durch Zahlung einer Entschädigung zu einer Verlagerung der Betriebsstätte veranlasst, um mögliche Planungshindernisse auszuräumen, und auf der Grundlage des § 33 BauGB eine Baugenehmigung für zwei dreigeschossige Wohngebäude mit Staffelgeschoss und insgesamt 41 Wohneinheiten erhalten.
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Das Oberverwaltungsgericht hat nicht feststellen können, dass dem Bezirksamtsleiter als Inhaber der Planungskompetenz die Zahlung des Investors an den Inhaber der Autolackiererei und das Baugenehmigungsverfahren für das Grundstück G.weg ... a - d bekannt gewesen sei. Die Antragstellerin begegnet dem mit einer Reihe von Verfahrensrügen. Ihnen braucht der Senat indes nicht nachzugehen. Weder die (unterstellte) Kenntnis des Bezirksamtsleiters von dem Baugenehmigungsverfahren noch die (unterstellte) Kenntnis der Umstände, die zum Wegfall einer im Plangebiet ehemals ausgeübten Nutzung geführt haben, rechtfertigt den Schluss auf einen im Sinne von § 214 Abs. 3 Satz 2 BauGB offensichtlichen und das Abwägungsergebnis beeinflussenden Fehler im Abwägungsvorgang. Das Oberverwaltungsgericht hat keinen Anhaltspunkt dafür gefunden, dass der Bebauungsplan L. 53 vorrangig den Interessen des Investors des Grundstücks Gweg ... a - d zugute kommen solle. Sowohl die Festsetzungen als auch die Begründung des Plans zeigten, dass die Antragsgegnerin einer Gesamtkonzeption zum Ausbau der Wohnnutzungen im Plangebiet gefolgt sei, um dem gewachsenen Charakter des Gebiets und der großen Nachfrage nach familiengerechtem Wohnraum zu entsprechen. Die Festsetzung eines Mischgebiets für das Grundstück Gweg ... a - d und nicht eines allgemeinen Wohngebiets spiegele wider, dass die Antragsgegnerin nicht allein die Interessen der neuen Wohnnutzer auf dem Grundstück bedient habe, sondern um einen Ausgleich mit den Interessen der vorhandenen Gewerbetreibenden bemüht gewesen sei. Schließlich führe der Umstand, dass der Investor den Inhaber eines früher auf dem Gewerbehof ansässigen Autolackierbetriebs zu einer Verlagerung der Betriebsstätte bewegt habe, nicht zur Annahme eines Abwägungsausfalls wegen Voreingenommenheit; denn die Abwanderung des Betriebs sei nicht nur den Interessen des Investors entgegen gekommen, sondern auch den zum Ausdruck gebrachten eigenen Interessen der Antragsgegnerin, in Übereinstimmung mit den Vorgaben des Flächennutzungsplans im Plangebiet neue Wohnflächen zu schaffen. An diese Würdigung ist der Senat nach § 137 Abs. 2 VwGO gebunden.
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b) Mit Bundesrecht ist ferner vereinbar, dass das Oberverwaltungsgericht die Festsetzungen zur Art der baulichen Nutzung nicht wegen eines Verstoßes gegen das Gebot der Konfliktbewältigung als im Ergebnis abwägungsfehlerhaft bewertet hat.
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Das Gebot der Konfliktbewältigung besagt, dass grundsätzlich jeder Bebauungsplan die von ihm geschaffenen oder ihm zurechenbaren Konflikte zu lösen hat. Das schließt eine Verlagerung von Problemen in ein nachfolgendes Verwaltungsverfahren nicht zwingend aus. Von einer abschließenden Konfliktbewältigung im Bebauungsplan darf die Gemeinde Abstand nehmen, wenn bei vorausschauender Betrachtung die Durchführung der als notwendig erkannten Konfliktlösungsmaßnahmen außerhalb des Planungsverfahrens auf der Stufe der Verwirklichung der Planung sichergestellt ist (Beschlüsse vom 14. Juli 1994 - BVerwG 4 NB 25.94 - NVwZ-RR 1995, 130 <131>, vom 8. November 2006 - BVerwG 4 BN 32.06 - juris Rn. 10, vom 15. Oktober 2009 - BVerwG 4 BN 53.09 - BRS 74 Nr. 17 und vom 16. März 2010 - BVerwG 4 BN 66.09 - Buchholz 406.25 § 50 BImSchG Nr. 7 Rn. 27). Die Grenzen zulässiger Konfliktverlagerung sind erst überschritten, wenn bereits im Planungsstadium absehbar ist, dass sich der Interessenkonflikt auch in einem nachfolgenden Verfahren nicht sachgerecht lösen lassen wird (Beschluss vom 26. März 2007 - BVerwG 4 BN 10.07 - juris Rn. 9). Eine Planung darf nicht dazu führen, dass Konflikte, die durch sie hervorgerufen werden, zu Lasten Betroffener auf der Ebene der Vorhabenzulassung letztlich ungelöst bleiben (Urteil vom 19. April 2012 - BVerwG 4 CN 3.11 - BVerwGE 143, 24 Rn. 19).
- 26
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Der Bebauungsplan ist nicht deshalb mit dem Gebot der Konfliktbewältigung unvereinbar, weil er keine Festsetzungen zum Schutz des Grundstücks Sallee ... enthält, das im Bebauungsplan L. 3 als Geschäftsgebiet ausgewiesen war und im Bebauungsplan L. 53 als allgemeines Wohngebiet ausgewiesen ist. Das Oberverwaltungsgericht hat sich auf den Standpunkt gestellt, dass die Schutzwürdigkeit der bereits vorhandenen Wohnnutzung auf dem Grundstück Sallee ... wegen der Randlage zum Mischgebiet und der zeitlichen Priorität des Gewerbehofs gemindert sei. Sein rechtlicher Ansatz, dass Immissionskonflikten an der Grenze zwischen Mischgebiet und allgemeinem Wohngebiet durch Anwendung von Nr. 6.7 der Technischen Anleitung zum Schutz gegen Lärm vom 26. August 1998 (GMBl S. 503) - TA Lärm - begegnet werden kann, trifft zu. Nr. 6.7 der TA Lärm erlaubt für Gemengelagen eine Erhöhung der Immissionswerte, die für die zum Wohnen dienenden Gebiete gelten, bis grundsätzlich zu den Werten für Kern-, Dorf- und Mischgebiete und benennt die wesentlichen Kriterien, anhand derer der Zwischenwert zu bilden ist.
- 27
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Soweit das Oberverwaltungsgericht den Wohnnutzungen im Mischgebiet mischgebietstypische Immissionen zumutet, ist das Gebot der Konfliktbewältigung schon nicht tangiert. Mischgebiete dienen nach § 6 Abs. 1 BauNVO dem Wohnen und der Unterbringung von Gewerbebetrieben, die das Wohnen nicht wesentlich stören. Sie sind gekennzeichnet durch die quantitative und qualitative Gleichrangigkeit und Gleichwertigkeit von Wohnnutzung und das Wohnen nicht wesentlich störendem Gewerbe. Das hat zur Folge, dass die Wohnnutzung weniger Schutz beanspruchen kann als in einem Wohngebiet. Auch den bestehenden Gewerbebetrieben, die bei Inkrafttreten des Bebauungsplans im Gewerbehof der Antragstellerin ansässig waren, drohen keine Einschränkungen zum Schutz der Wohnbebauung im Mischgebiet. Da sie nach den Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts mischgebietsverträglich sind, brauchen sie mit nachträglichen Auflagen zum Schutz der Umgebungsbebauung im Mischgebiet nicht zu rechnen. Durch die Planung wird kein neuer Immissionskonflikt begründet.
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c) Auch die Ausweisung einer 3 m breiten und 29,7 m langen Straßenverkehrsfläche auf dem Grundstück der Antragstellerin hat das Oberverwaltungsgericht zutreffend als abwägungsfehlerfrei gebilligt. Das Gericht hat angenommen, dass die Antragstellerin nur geringfügig betroffen sei. Der als Verkehrsfläche ausgewiesene Grundstücksstreifen mache bezogen auf die gesamte Grundstücksfläche lediglich einen geringen Bruchteil aus. Hinzu komme, dass kein Baulandentzug stattgefunden habe, da der betreffende Grundstücksstreifen auch nach dem Bebauungsplan L. 3 nicht bebaubar, also wirtschaftlich nicht nutzbar gewesen sei.
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Die Antragstellerin hält die Annahme des Oberverwaltungsgerichts, dass die Verwirklichung des Bebauungsplans nicht mit einem Baulandentzug verbunden sei, für verfahrensfehlerhaft. Das Gericht habe gegen Denkgesetze verstoßen, weil es übersehen habe, dass die Verschiebung der Straßenbegrenzungslinie die Ausnutzbarkeit der Grundstücksfläche nach § 19 Abs. 3 Satz 1 BauNVO reduziere und sich auf die auf dem Grundstück einzuhaltenden Abstandsflächen auswirke. Ob die Kritik der Antragstellerin den Verfahrensablauf oder die inhaltliche Richtigkeit der Entscheidung betrifft (vgl. dazu Beschlüsse vom 8. Juli 1988 - BVerwG 4 B 100.88 - Buchholz 310 § 96 VwGO Nr. 34 S. 4 und vom 6. Oktober 1997 - BVerwG 11 B 34.97 - juris Rn. 3), kann offen bleiben. Denn das Oberverwaltungsgericht hat nicht einen Schluss gezogen, der schlechterdings nicht gezogen werden kann, sondern versteht den Begriff des Baulandentzugs anders als die Antragstellerin. Das Gericht meint erkennbar den direkten Zugriff auf Bauland, nicht Einschränkungen der baulichen Nutzbarkeit des Grundstücks. Das hält sich mindestens im Rahmen des Vertretbaren.
(1) Im Bebauungsplan können aus städtebaulichen Gründen festgesetzt werden:
- 1.
die Art und das Maß der baulichen Nutzung; - 2.
die Bauweise, die überbaubaren und die nicht überbaubaren Grundstücksflächen sowie die Stellung der baulichen Anlagen; - 2a.
vom Bauordnungsrecht abweichende Maße der Tiefe der Abstandsflächen; - 3.
für die Größe, Breite und Tiefe der Baugrundstücke Mindestmaße und aus Gründen des sparsamen und schonenden Umgangs mit Grund und Boden für Wohnbaugrundstücke auch Höchstmaße; - 4.
die Flächen für Nebenanlagen, die auf Grund anderer Vorschriften für die Nutzung von Grundstücken erforderlich sind, wie Spiel-, Freizeit- und Erholungsflächen sowie die Flächen für Stellplätze und Garagen mit ihren Einfahrten; - 5.
die Flächen für den Gemeinbedarf sowie für Sport- und Spielanlagen; - 6.
die höchstzulässige Zahl der Wohnungen in Wohngebäuden; - 7.
die Flächen, auf denen ganz oder teilweise nur Wohngebäude, die mit Mitteln der sozialen Wohnraumförderung gefördert werden könnten, errichtet werden dürfen; - 8.
einzelne Flächen, auf denen ganz oder teilweise nur Wohngebäude errichtet werden dürfen, die für Personengruppen mit besonderem Wohnbedarf bestimmt sind; - 9.
der besondere Nutzungszweck von Flächen; - 10.
die Flächen, die von der Bebauung freizuhalten sind, und ihre Nutzung; - 11.
die Verkehrsflächen sowie Verkehrsflächen besonderer Zweckbestimmung, wie Fußgängerbereiche, Flächen für das Parken von Fahrzeugen, Flächen für Ladeinfrastruktur elektrisch betriebener Fahrzeuge, Flächen für das Abstellen von Fahrrädern sowie den Anschluss anderer Flächen an die Verkehrsflächen; die Flächen können auch als öffentliche oder private Flächen festgesetzt werden; - 12.
die Versorgungsflächen, einschließlich der Flächen für Anlagen und Einrichtungen zur dezentralen und zentralen Erzeugung, Verteilung, Nutzung oder Speicherung von Strom, Wärme oder Kälte aus erneuerbaren Energien oder Kraft-Wärme-Kopplung; - 13.
die Führung von oberirdischen oder unterirdischen Versorgungsanlagen und -leitungen; - 14.
die Flächen für die Abfall- und Abwasserbeseitigung, einschließlich der Rückhaltung und Versickerung von Niederschlagswasser, sowie für Ablagerungen; - 15.
die öffentlichen und privaten Grünflächen, wie Parkanlagen, Naturerfahrungsräume, Dauerkleingärten, Sport-, Spiel-, Zelt- und Badeplätze, Friedhöfe; - 16.
- a)
die Wasserflächen und die Flächen für die Wasserwirtschaft, - b)
die Flächen für Hochwasserschutzanlagen und für die Regelung des Wasserabflusses, - c)
Gebiete, in denen bei der Errichtung baulicher Anlagen bestimmte bauliche oder technische Maßnahmen getroffen werden müssen, die der Vermeidung oder Verringerung von Hochwasserschäden einschließlich Schäden durch Starkregen dienen, sowie die Art dieser Maßnahmen, - d)
die Flächen, die auf einem Baugrundstück für die natürliche Versickerung von Wasser aus Niederschlägen freigehalten werden müssen, um insbesondere Hochwasserschäden, einschließlich Schäden durch Starkregen, vorzubeugen;
- 17.
die Flächen für Aufschüttungen, Abgrabungen oder für die Gewinnung von Steinen, Erden und anderen Bodenschätzen; - 18.
- a)
die Flächen für die Landwirtschaft und - b)
Wald;
- 19.
die Flächen für die Errichtung von Anlagen für die Kleintierhaltung wie Ausstellungs- und Zuchtanlagen, Zwinger, Koppeln und dergleichen; - 20.
die Flächen oder Maßnahmen zum Schutz, zur Pflege und zur Entwicklung von Boden, Natur und Landschaft; - 21.
die mit Geh-, Fahr- und Leitungsrechten zugunsten der Allgemeinheit, eines Erschließungsträgers oder eines beschränkten Personenkreises zu belastenden Flächen; - 22.
die Flächen für Gemeinschaftsanlagen für bestimmte räumliche Bereiche wie Kinderspielplätze, Freizeiteinrichtungen, Stellplätze und Garagen; - 23.
Gebiete, in denen - a)
zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen im Sinne des Bundes-Immissionsschutzgesetzes bestimmte Luft verunreinigende Stoffe nicht oder nur beschränkt verwendet werden dürfen, - b)
bei der Errichtung von Gebäuden oder bestimmten sonstigen baulichen Anlagen bestimmte bauliche und sonstige technische Maßnahmen für die Erzeugung, Nutzung oder Speicherung von Strom, Wärme oder Kälte aus erneuerbaren Energien oder Kraft-Wärme-Kopplung getroffen werden müssen, - c)
bei der Errichtung, Änderung oder Nutzungsänderung von nach Art, Maß oder Nutzungsintensität zu bestimmenden Gebäuden oder sonstigen baulichen Anlagen in der Nachbarschaft von Betriebsbereichen nach § 3 Absatz 5a des Bundes-Immissionsschutzgesetzes bestimmte bauliche und sonstige technische Maßnahmen, die der Vermeidung oder Minderung der Folgen von Störfällen dienen, getroffen werden müssen;
- 24.
die von der Bebauung freizuhaltenden Schutzflächen und ihre Nutzung, die Flächen für besondere Anlagen und Vorkehrungen zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen und sonstigen Gefahren im Sinne des Bundes-Immissionsschutzgesetzes sowie die zum Schutz vor solchen Einwirkungen oder zur Vermeidung oder Minderung solcher Einwirkungen zu treffenden baulichen und sonstigen technischen Vorkehrungen, einschließlich von Maßnahmen zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen durch Geräusche, wobei die Vorgaben des Immissionsschutzrechts unberührt bleiben; - 25.
für einzelne Flächen oder für ein Bebauungsplangebiet oder Teile davon sowie für Teile baulicher Anlagen mit Ausnahme der für landwirtschaftliche Nutzungen oder Wald festgesetzten Flächen - a)
das Anpflanzen von Bäumen, Sträuchern und sonstigen Bepflanzungen, - b)
Bindungen für Bepflanzungen und für die Erhaltung von Bäumen, Sträuchern und sonstigen Bepflanzungen sowie von Gewässern;
- 26.
die Flächen für Aufschüttungen, Abgrabungen und Stützmauern, soweit sie zur Herstellung des Straßenkörpers erforderlich sind.
(1a) Flächen oder Maßnahmen zum Ausgleich im Sinne des § 1a Absatz 3 können auf den Grundstücken, auf denen Eingriffe in Natur und Landschaft zu erwarten sind, oder an anderer Stelle sowohl im sonstigen Geltungsbereich des Bebauungsplans als auch in einem anderen Bebauungsplan festgesetzt werden. Die Flächen oder Maßnahmen zum Ausgleich an anderer Stelle können den Grundstücken, auf denen Eingriffe zu erwarten sind, ganz oder teilweise zugeordnet werden; dies gilt auch für Maßnahmen auf von der Gemeinde bereitgestellten Flächen.
(2) Im Bebauungsplan kann in besonderen Fällen festgesetzt werden, dass bestimmte der in ihm festgesetzten baulichen und sonstigen Nutzungen und Anlagen nur
- 1.
für einen bestimmten Zeitraum zulässig oder - 2.
bis zum Eintritt bestimmter Umstände zulässig oder unzulässig
(2a) Für im Zusammenhang bebaute Ortsteile (§ 34) kann zur Erhaltung oder Entwicklung zentraler Versorgungsbereiche, auch im Interesse einer verbrauchernahen Versorgung der Bevölkerung und der Innenentwicklung der Gemeinden, in einem Bebauungsplan festgesetzt werden, dass nur bestimmte Arten der nach § 34 Abs. 1 und 2 zulässigen baulichen Nutzungen zulässig oder nicht zulässig sind oder nur ausnahmsweise zugelassen werden können; die Festsetzungen können für Teile des räumlichen Geltungsbereichs des Bebauungsplans unterschiedlich getroffen werden. Dabei ist insbesondere ein hierauf bezogenes städtebauliches Entwicklungskonzept im Sinne des § 1 Abs. 6 Nr. 11 zu berücksichtigen, das Aussagen über die zu erhaltenden oder zu entwickelnden zentralen Versorgungsbereiche der Gemeinde oder eines Gemeindeteils enthält. In den zu erhaltenden oder zu entwickelnden zentralen Versorgungsbereichen sollen die planungsrechtlichen Voraussetzungen für Vorhaben, die diesen Versorgungsbereichen dienen, nach § 30 oder § 34 vorhanden oder durch einen Bebauungsplan, dessen Aufstellung förmlich eingeleitet ist, vorgesehen sein.
(2b) Für im Zusammenhang bebaute Ortsteile (§ 34) kann in einem Bebauungsplan, auch für Teile des räumlichen Geltungsbereichs des Bebauungsplans, festgesetzt werden, dass Vergnügungsstätten oder bestimmte Arten von Vergnügungsstätten zulässig oder nicht zulässig sind oder nur ausnahmsweise zugelassen werden können, um
- 1.
eine Beeinträchtigung von Wohnnutzungen oder anderen schutzbedürftigen Anlagen wie Kirchen, Schulen und Kindertagesstätten oder - 2.
eine Beeinträchtigung der sich aus der vorhandenen Nutzung ergebenden städtebaulichen Funktion des Gebiets, insbesondere durch eine städtebaulich nachteilige Häufung von Vergnügungsstätten,
(2c) Für im Zusammenhang bebaute Ortsteile nach § 34 und für Gebiete nach § 30 in der Nachbarschaft von Betriebsbereichen nach § 3 Absatz 5a des Bundes-Immissionsschutzgesetzes kann zur Vermeidung oder Verringerung der Folgen von Störfällen für bestimmte Nutzungen, Arten von Nutzungen oder für nach Art, Maß oder Nutzungsintensität zu bestimmende Gebäude oder sonstige bauliche Anlagen in einem Bebauungsplan festgesetzt werden, dass diese zulässig, nicht zulässig oder nur ausnahmsweise zulässig sind; die Festsetzungen können für Teile des räumlichen Geltungsbereichs des Bebauungsplans unterschiedlich getroffen werden.
(2d) Für im Zusammenhang bebaute Ortsteile (§ 34) können in einem Bebauungsplan zur Wohnraumversorgung eine oder mehrere der folgenden Festsetzungen getroffen werden:
- 1.
Flächen, auf denen Wohngebäude errichtet werden dürfen; - 2.
Flächen, auf denen nur Gebäude errichtet werden dürfen, bei denen einzelne oder alle Wohnungen die baulichen Voraussetzungen für eine Förderung mit Mitteln der sozialen Wohnraumförderung erfüllen, oder - 3.
Flächen, auf denen nur Gebäude errichtet werden dürfen, bei denen sich ein Vorhabenträger hinsichtlich einzelner oder aller Wohnungen dazu verpflichtet, die zum Zeitpunkt der Verpflichtung geltenden Förderbedingungen der sozialen Wohnraumförderung, insbesondere die Miet- und Belegungsbindung, einzuhalten und die Einhaltung dieser Verpflichtung in geeigneter Weise sichergestellt wird.
- 1.
das Maß der baulichen Nutzung; - 2.
die Bauweise, die überbaubaren und die nicht überbaubaren Grundstücksflächen sowie die Stellung der baulichen Anlagen; - 3.
vom Bauordnungsrecht abweichende Maße der Tiefe der Abstandsflächen; - 4.
Mindestmaße für die Größe, Breite und Tiefe der Baugrundstücke; - 5.
Höchstmaße für die Größe, Breite und Tiefe der Wohnbaugrundstücke, aus Gründen des sparsamen und schonenden Umgangs mit Grund und Boden.
(3) Bei Festsetzungen nach Absatz 1 kann auch die Höhenlage festgesetzt werden. Festsetzungen nach Absatz 1 für übereinanderliegende Geschosse und Ebenen und sonstige Teile baulicher Anlagen können gesondert getroffen werden; dies gilt auch, soweit Geschosse, Ebenen und sonstige Teile baulicher Anlagen unterhalb der Geländeoberfläche vorgesehen sind.
(4) Die Länder können durch Rechtsvorschriften bestimmen, dass auf Landesrecht beruhende Regelungen in den Bebauungsplan als Festsetzungen aufgenommen werden können und inwieweit auf diese Festsetzungen die Vorschriften dieses Gesetzbuchs Anwendung finden.
(5) Im Bebauungsplan sollen gekennzeichnet werden:
- 1.
Flächen, bei deren Bebauung besondere bauliche Vorkehrungen gegen äußere Einwirkungen oder bei denen besondere bauliche Sicherungsmaßnahmen gegen Naturgewalten erforderlich sind; - 2.
Flächen, unter denen der Bergbau umgeht oder die für den Abbau von Mineralien bestimmt sind; - 3.
Flächen, deren Böden erheblich mit umweltgefährdenden Stoffen belastet sind.
(6) Nach anderen gesetzlichen Vorschriften getroffene Festsetzungen, gemeindliche Regelungen zum Anschluss- und Benutzungszwang sowie Denkmäler nach Landesrecht sollen in den Bebauungsplan nachrichtlich übernommen werden, soweit sie zu seinem Verständnis oder für die städtebauliche Beurteilung von Baugesuchen notwendig oder zweckmäßig sind.
(6a) Festgesetzte Überschwemmungsgebiete im Sinne des § 76 Absatz 2 des Wasserhaushaltsgesetzes, Risikogebiete außerhalb von Überschwemmungsgebieten im Sinne des § 78b Absatz 1 des Wasserhaushaltsgesetzes sowie Hochwasserentstehungsgebiete im Sinne des § 78d Absatz 1 des Wasserhaushaltsgesetzes sollen nachrichtlich übernommen werden. Noch nicht festgesetzte Überschwemmungsgebiete im Sinne des § 76 Absatz 3 des Wasserhaushaltsgesetzes sowie als Risikogebiete im Sinne des § 73 Absatz 1 Satz 1 des Wasserhaushaltsgesetzes bestimmte Gebiete sollen im Bebauungsplan vermerkt werden.
(7) Der Bebauungsplan setzt die Grenzen seines räumlichen Geltungsbereichs fest.
(8) Dem Bebauungsplan ist eine Begründung mit den Angaben nach § 2a beizufügen.
Gründe
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-
Die Beschwerde hat keinen Erfolg.
- 2
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1. Die Revision ist nicht nach § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zuzulassen. Die Antragstellerin zeigt nicht auf, dass das angefochtene Urteil auf dem Verfahrensmangel einer aktenwidrigen Sachverhaltsfeststellung beruht.
- 3
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Nach den tatrichterlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofs waren Grundpfeiler des Planungskonzepts der Antragsgegnerin, die bisher weitgehend brachliegenden Innenbereichsflächen als Wohngebiete auszuweisen, diese in Baufenstern bestimmten Zuschnitts zu gruppieren, im Süden zwecks bestehender Nutzung und als Puffer ein Mischgebiet zu schaffen, ausreichenden Schutz gegen Schienenverkehrslärm zu gewährleisten und die bisher schon virulente, durch die Wohngebietsplanung sich verschärfende Konfliktlage zwischen Wohnen und angrenzendem Gewerbe verlässlich und vorhersehbar durch Herabstufung des Gewerbegebiets zum eingeschränkten Gewerbegebiet (bei gleichzeitigen Schallschutzpflichten in den Wohngebieten) zu lösen. Der Verwaltungsgerichtshof hat keinen Zweifel daran, dass der Gemeinderat das Grundkonzept des Bebauungsplans auch dann unverändert umgesetzt hätte, wenn ihm die Teilnichtigkeit der Festsetzungen zum Nutzungsmaß bekannt gewesen wäre.
- 4
-
Die Antragstellerin weist nicht nach, dass die Aufstellungsunterlagen die Aussage des Gemeinderats enthalten, ohne die getroffenen Festsetzungen zum Maß der baulichen Nutzung könne das Grundkonzept des Bebauungsplans nicht beibehalten werden. Die Antragstellerin zitiert aus Dokumenten im Aufstellungsverfahren, die Aufschluss darüber geben, aus welchen städtebaulichen Gründen die Festsetzungen zum Maß der baulichen Nutzung beschlossen worden sind. Sie hält diese Gründe für so gewichtig, dass sie für das Bebauungskonzept essentiell seien, und zieht daraus den Schluss, dass der Gemeinderat, wenn ihm die Unwirksamkeit der Festsetzungen zum Maß der baulichen Nutzung bewusst gewesen wäre, das Konzept nicht unverändert umgesetzt hätte. Die davon abweichende Beweiswürdigung und Überzeugungsbildung durch den Verwaltungsgerichtshof widerspricht nach ihrer Einschätzung dem Willen des Gemeinderats. Legt man das Beschwerdevorbringen zugrunde, ist der Verwaltungsgerichtshof nicht von einem unzutreffenden Akteninhalt ausgegangen, sondern hat den insoweit unstreitigen Sachverhalt lediglich in einem Sinne gewürdigt, der für die von der Antragstellerin in Anspruch genommene Rechtsposition ungünstig ist. Dies stellt keine "aktenwidrige" Sachverhaltsfeststellung dar.
- 5
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2. Die Revision ist auch nicht nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zuzulassen. Die Rechtssache hat nicht die grundsätzliche Bedeutung, die ihr die Antragstellerin beimisst.
- 6
-
a) Die Frage, ob die allgemeine Zweckbestimmung eines Gewerbegebiets nicht mehr gewahrt ist, wenn kein uneingeschränkter Nachtbetrieb mit einem Schallleistungspegel von 60 dB(A)/qm möglich ist, führt nicht zur Zulassung der Revision, weil die Entscheidung des Normenkontrollgerichts von ihrer Beantwortung nicht abhängt. Der Verwaltungsgerichtshof hat die Herabstufung des allgemeinen Gewerbegebiets zum eingeschränkten Gewerbegebiet in erster Linie damit begründet, dass ohne die Herabzonung des Gewerbegebiets das unmittelbare Nebeneinander von Gewerbe und Wohnen nicht angemessen gelöst werden könnte (UA S. 26). Die sich unmittelbar daran anschließende Aussage, die allgemeine Zweckbestimmung eines Gewerbegebiets, nicht erheblich belästigende Gewerbebetriebe, also Gewerbebetriebe des nach der Baunutzungsverordnung zweithöchsten Störungsgrades, aufzunehmen, würde weitgehend verfehlt, dient der Abrundung der Begründung, ist aber nicht entscheidungstragend. Sie könnte hinweggedacht werden, ohne dass sich an dem Befund, ohne Herabstufung des allgemeinen Gewerbegebiets zu einem eingeschränkten Gewerbegebiet sei die Nachbarschaft zum allgemeinen Wohngebiet nicht zulässig, etwas ändern würde.
- 7
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b) Die Frage, ob die Festsetzung passiver Schallschutzmaßnahmen (nicht öffenbare Fenster, künstliche Belüftung) ein geeignetes Mittel ist, um den (Lärm)Konflikt zwischen Wohnen und Gewerbe zu lösen und dadurch Abwehransprüche gegen den Gewerbebetrieb auszuschließen, nötigt nicht zur Zulassung der Revision, weil sie sich anhand der Senatsrechtsprechung bereits im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde ohne Weiteres im Sinne der angefochtenen Entscheidung beantworten lässt. Der Verwaltungsgerichtshof hat zu Recht das Urteil des Senats vom 22. März 2007 - BVerwG 4 CN 2.06 - (BVerwGE 128, 238) für seine These in Bezug genommen, die Bewältigung des Konflikts zwischen Gewerbe und Wohnen könne abwägungsfehlerfrei auch dadurch geschehen, dass den durch Betriebslärm über die Gebietsrichtwerte hinaus betroffenen nächstgelegenen Wohngebäuden im Bebauungsplan zumutbare passive Lärmschutzmaßnahmen auferlegt werden. Zwar ist das Senatsurteil vom 22. März 2007 (a.a.O.) zu der Fallkonstellation ergangen, dass ein Wohngebiet an einen vorhandenen Verkehrsweg herangeplant wird, und nicht zu der hier vorliegenden Fallgestaltung, dass ein Wohngebiet an einen Gewerbebetrieb heranrückt. Der Rechtssatz, dass es nach den Umständen des Einzelfalls abwägungsfehlerfrei sein kann, eine Minderung der Immissionen an Wohngebäuden u.a. durch passiven Schallschutz an den Wohn- und Schlafräumen zu erreichen, ist aber verallgemeinerungsfähig. Dagegen lässt sich entgegen der Ansicht der Antragstellerin nicht ins Feld führen, dass zwischen Verkehrslärm und Gewerbelärm insoweit Unterschiede bestünden, als die §§ 41, 42 BImSchG jedenfalls für den Bau neuer und die wesentliche Änderung bestehender öffentlicher Straßen bei Überschreitung der Immissionsgrenzwerte einen Anspruch auf passiven Lärmschutz vorsähen und deshalb für den Verkehrslärm den passiven Schallschutz als geeignete Konfliktlösung billige, eine vergleichbare Regelung für den Gewerbelärm hingegen fehle. Die Antragstellerin lässt außer Acht, dass im Falle der an einen Verkehrsweg heranrückenden Wohnbebauung die §§ 41, 42 BImSchG nicht einschlägig sind. Der Senat hat diese Bestimmungen im Urteil vom 22. März 2007 (a.a.O.) deshalb auch nicht in den Blick genommen, sondern wegen der Anordnung passiver Schallschutzmaßnahmen an den Wohngebäuden auf den - nach Ansicht der Vorinstanz (UA S. 14) vorliegend ebenfalls einschlägigen - § 9 Abs. 1 Nr. 24 BauGB als Rechtsgrundlage verwiesen.
- 8
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Zu Unrecht macht die Antragsgegnerin unter Bezugnahme auf das Urteil des Senats vom 16. März 2006 - BVerwG 4 A 1075.04 - (BVerwGE 125, 116) geltend, passive Schallschutzmaßnahmen trügen, weil sie jeden Kontakt zur Geräuschkulisse zur Außenwelt abschnitten, der Schutzwürdigkeit des Wohnens nur unzureichend Rechnung. Der Sachverhalt, der der Senatsentscheidung vom 16. März 2006 (a.a.O.) zugrunde lag, war dadurch gekennzeichnet, dass eine bestehende Wohnbebauung mit zusätzlichem (Flug-)Lärm beaufschlagt wurde. Dagegen ist vorliegend die Wohnbebauung, die durch den Bebauungsplan ermöglicht werden soll, noch nicht vorhanden. Das macht im Hinblick auf das Ansinnen an die Bewohner, sich mit Maßnahmen des passiven Lärmschutzes abzufinden, einen Unterschied. Wer erwägt, eine mit passivem Schallschutz "belastete" Wohnung zu beziehen, weiß von vornherein, mit welchen Einschränkungen er zu rechnen hat. Will er sie entschärfen, ist es ihm grundsätzlich zumutbar, zur architektonischen Selbsthilfe zu greifen und - wenn möglich - bereits vor dem Einzug diejenigen Räume als Wohn- und Schlafräume vorzusehen, die auf der lärmabgewandten Seite des Gebäudes liegen; will er sie vermeiden, kann ihm zugemutet werden, vom Bezug der Wohnung Abstand zu nehmen. Beim Bewohner einer nachträglich Schallschutz benötigenden Wohnung liegt die Zumutbarkeitsschwelle höher; denn für ihn ist eine architektonische Selbsthilfe aufwändiger und ein Verzicht auf die Wohnung durch Auszug belastender.
Tenor
Auf den Antrag der Antragstellerin wird der Bebauungsplan „
Im Übrigen wird der Antrag abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens trägt die Antragsgegnerin.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
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Tenor
Die Berufungen der Kläger gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 29. Juli 2010 - 8 K 2721/08 - werden zurückgewiesen.
Von den Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Klägerin zu 1 15/36, der Kläger zu 2 17/36 und die Klägerinnen zu 3 und 4 je 1/18 mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen, der diese auf sich behält.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
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(1) Wenn ein Beteiligter teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jedem Teil zur Hälfte zur Last. Einem Beteiligten können die Kosten ganz auferlegt werden, wenn der andere nur zu einem geringen Teil unterlegen ist.
(2) Wer einen Antrag, eine Klage, ein Rechtsmittel oder einen anderen Rechtsbehelf zurücknimmt, hat die Kosten zu tragen.
(3) Kosten, die durch einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand entstehen, fallen dem Antragsteller zur Last.
(4) Kosten, die durch Verschulden eines Beteiligten entstanden sind, können diesem auferlegt werden.
(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.
(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.
(1) Gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts (§ 49 Nr. 1) und gegen Beschlüsse nach § 47 Abs. 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundesverwaltungsgericht zu, wenn das Oberverwaltungsgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung das Bundesverwaltungsgericht sie zugelassen hat.
(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn
- 1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, - 2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder - 3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
(3) Das Bundesverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden.
(1) Die Gemeinde beschließt den Bebauungsplan als Satzung.
(2) Bebauungspläne nach § 8 Absatz 2 Satz 2, Absatz 3 Satz 2 und Absatz 4 bedürfen der Genehmigung der höheren Verwaltungsbehörde. § 6 Absatz 2 und 4 ist entsprechend anzuwenden.
(3) Die Erteilung der Genehmigung oder, soweit eine Genehmigung nicht erforderlich ist, der Beschluss des Bebauungsplans durch die Gemeinde ist ortsüblich bekannt zu machen. Der Bebauungsplan ist mit der Begründung und der zusammenfassenden Erklärung nach § 10a Absatz 1 zu jedermanns Einsicht bereitzuhalten; über den Inhalt ist auf Verlangen Auskunft zu geben. In der Bekanntmachung ist darauf hinzuweisen, wo der Bebauungsplan eingesehen werden kann. Mit der Bekanntmachung tritt der Bebauungsplan in Kraft. Die Bekanntmachung tritt an die Stelle der sonst für Satzungen vorgeschriebenen Veröffentlichung.
(1) Die Nichtzulassung der Revision kann durch Beschwerde angefochten werden.
(2) Die Beschwerde ist bei dem Gericht, gegen dessen Urteil Revision eingelegt werden soll, innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils einzulegen. Die Beschwerde muß das angefochtene Urteil bezeichnen.
(3) Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach der Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Die Begründung ist bei dem Gericht, gegen dessen Urteil Revision eingelegt werden soll, einzureichen. In der Begründung muß die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung, von der das Urteil abweicht, oder der Verfahrensmangel bezeichnet werden.
(4) Die Einlegung der Beschwerde hemmt die Rechtskraft des Urteils.
(5) Wird der Beschwerde nicht abgeholfen, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Beschluß. Der Beschluß soll kurz begründet werden; von einer Begründung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist. Mit der Ablehnung der Beschwerde durch das Bundesverwaltungsgericht wird das Urteil rechtskräftig.
(6) Liegen die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 Nr. 3 vor, kann das Bundesverwaltungsgericht in dem Beschluß das angefochtene Urteil aufheben und den Rechtsstreit zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverweisen.
(1) Die Beteiligten können vor dem Verwaltungsgericht den Rechtsstreit selbst führen.
(2) Die Beteiligten können sich durch einen Rechtsanwalt oder einen Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, der die Befähigung zum Richteramt besitzt, als Bevollmächtigten vertreten lassen. Darüber hinaus sind als Bevollmächtigte vor dem Verwaltungsgericht vertretungsbefugt nur
- 1.
Beschäftigte des Beteiligten oder eines mit ihm verbundenen Unternehmens (§ 15 des Aktiengesetzes); Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich auch durch Beschäftigte anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen, - 2.
volljährige Familienangehörige (§ 15 der Abgabenordnung, § 11 des Lebenspartnerschaftsgesetzes), Personen mit Befähigung zum Richteramt und Streitgenossen, wenn die Vertretung nicht im Zusammenhang mit einer entgeltlichen Tätigkeit steht, - 3.
Steuerberater, Steuerbevollmächtigte, Wirtschaftsprüfer und vereidigte Buchprüfer, Personen und Vereinigungen im Sinne der §§ 3a und 3c des Steuerberatungsgesetzes im Rahmen ihrer Befugnisse nach § 3a des Steuerberatungsgesetzes, zu beschränkter geschäftsmäßiger Hilfeleistung in Steuersachen nach den §§ 3d und 3e des Steuerberatungsgesetzes berechtigte Personen im Rahmen dieser Befugnisse sowie Gesellschaften im Sinne des § 3 Satz 1 Nummer 2 und 3 des Steuerberatungsgesetzes, die durch Personen im Sinne des § 3 Satz 2 des Steuerberatungsgesetzes handeln, in Abgabenangelegenheiten, - 3a.
Steuerberater, Steuerbevollmächtigte, Wirtschaftsprüfer und vereidigte Buchprüfer, Personen und Vereinigungen im Sinne der §§ 3a und 3c des Steuerberatungsgesetzes im Rahmen ihrer Befugnisse nach § 3a des Steuerberatungsgesetzes, zu beschränkter geschäftsmäßiger Hilfeleistung in Steuersachen nach den §§ 3d und 3e des Steuerberatungsgesetzes berechtigte Personen im Rahmen dieser Befugnisse sowie Gesellschaften im Sinne des § 3 Satz 1 Nummer 2 und 3 des Steuerberatungsgesetzes, die durch Personen im Sinne des § 3 Satz 2 des Steuerberatungsgesetzes handeln, in Angelegenheiten finanzieller Hilfeleistungen im Rahmen staatlicher Hilfsprogramme zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie, wenn und soweit diese Hilfsprogramme eine Einbeziehung der Genannten als prüfende Dritte vorsehen, - 4.
berufsständische Vereinigungen der Landwirtschaft für ihre Mitglieder, - 5.
Gewerkschaften und Vereinigungen von Arbeitgebern sowie Zusammenschlüsse solcher Verbände für ihre Mitglieder oder für andere Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder, - 6.
Vereinigungen, deren satzungsgemäße Aufgaben die gemeinschaftliche Interessenvertretung, die Beratung und Vertretung der Leistungsempfänger nach dem sozialen Entschädigungsrecht oder der behinderten Menschen wesentlich umfassen und die unter Berücksichtigung von Art und Umfang ihrer Tätigkeit sowie ihres Mitgliederkreises die Gewähr für eine sachkundige Prozessvertretung bieten, für ihre Mitglieder in Angelegenheiten der Kriegsopferfürsorge und des Schwerbehindertenrechts sowie der damit im Zusammenhang stehenden Angelegenheiten, - 7.
juristische Personen, deren Anteile sämtlich im wirtschaftlichen Eigentum einer der in den Nummern 5 und 6 bezeichneten Organisationen stehen, wenn die juristische Person ausschließlich die Rechtsberatung und Prozessvertretung dieser Organisation und ihrer Mitglieder oder anderer Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder entsprechend deren Satzung durchführt, und wenn die Organisation für die Tätigkeit der Bevollmächtigten haftet.
(3) Das Gericht weist Bevollmächtigte, die nicht nach Maßgabe des Absatzes 2 vertretungsbefugt sind, durch unanfechtbaren Beschluss zurück. Prozesshandlungen eines nicht vertretungsbefugten Bevollmächtigten und Zustellungen oder Mitteilungen an diesen Bevollmächtigten sind bis zu seiner Zurückweisung wirksam. Das Gericht kann den in Absatz 2 Satz 2 Nr. 1 und 2 bezeichneten Bevollmächtigten durch unanfechtbaren Beschluss die weitere Vertretung untersagen, wenn sie nicht in der Lage sind, das Sach- und Streitverhältnis sachgerecht darzustellen.
(4) Vor dem Bundesverwaltungsgericht und dem Oberverwaltungsgericht müssen sich die Beteiligten, außer im Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht oder einem Oberverwaltungsgericht eingeleitet wird. Als Bevollmächtigte sind nur die in Absatz 2 Satz 1 bezeichneten Personen zugelassen. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich durch eigene Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt oder durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen. Vor dem Bundesverwaltungsgericht sind auch die in Absatz 2 Satz 2 Nr. 5 bezeichneten Organisationen einschließlich der von ihnen gebildeten juristischen Personen gemäß Absatz 2 Satz 2 Nr. 7 als Bevollmächtigte zugelassen, jedoch nur in Angelegenheiten, die Rechtsverhältnisse im Sinne des § 52 Nr. 4 betreffen, in Personalvertretungsangelegenheiten und in Angelegenheiten, die in einem Zusammenhang mit einem gegenwärtigen oder früheren Arbeitsverhältnis von Arbeitnehmern im Sinne des § 5 des Arbeitsgerichtsgesetzes stehen, einschließlich Prüfungsangelegenheiten. Die in Satz 5 genannten Bevollmächtigten müssen durch Personen mit der Befähigung zum Richteramt handeln. Vor dem Oberverwaltungsgericht sind auch die in Absatz 2 Satz 2 Nr. 3 bis 7 bezeichneten Personen und Organisationen als Bevollmächtigte zugelassen. Ein Beteiligter, der nach Maßgabe der Sätze 3, 5 und 7 zur Vertretung berechtigt ist, kann sich selbst vertreten.
(5) Richter dürfen nicht als Bevollmächtigte vor dem Gericht auftreten, dem sie angehören. Ehrenamtliche Richter dürfen, außer in den Fällen des Absatzes 2 Satz 2 Nr. 1, nicht vor einem Spruchkörper auftreten, dem sie angehören. Absatz 3 Satz 1 und 2 gilt entsprechend.
(6) Die Vollmacht ist schriftlich zu den Gerichtsakten einzureichen. Sie kann nachgereicht werden; hierfür kann das Gericht eine Frist bestimmen. Der Mangel der Vollmacht kann in jeder Lage des Verfahrens geltend gemacht werden. Das Gericht hat den Mangel der Vollmacht von Amts wegen zu berücksichtigen, wenn nicht als Bevollmächtigter ein Rechtsanwalt auftritt. Ist ein Bevollmächtigter bestellt, sind die Zustellungen oder Mitteilungen des Gerichts an ihn zu richten.
(7) In der Verhandlung können die Beteiligten mit Beiständen erscheinen. Beistand kann sein, wer in Verfahren, in denen die Beteiligten den Rechtsstreit selbst führen können, als Bevollmächtigter zur Vertretung in der Verhandlung befugt ist. Das Gericht kann andere Personen als Beistand zulassen, wenn dies sachdienlich ist und hierfür nach den Umständen des Einzelfalls ein Bedürfnis besteht. Absatz 3 Satz 1 und 3 und Absatz 5 gelten entsprechend. Das von dem Beistand Vorgetragene gilt als von dem Beteiligten vorgebracht, soweit es nicht von diesem sofort widerrufen oder berichtigt wird.
(1) Kammerrechtsbeistände stehen in den nachfolgenden Vorschriften einem Rechtsanwalt gleich:
- 1.
§ 79 Absatz 1 Satz 2 und Absatz 2 Satz 1, § 88 Absatz 2, § 121 Absatz 2 bis 4, § 122 Absatz 1, den §§ 126, 130d und 133 Absatz 2, den §§ 135, 157 und 169 Absatz 2, den §§ 174, 195 und 317 Absatz 5 Satz 2, § 348 Absatz 1 Satz 2 Nummer 2 Buchstabe d, § 397 Absatz 2 und § 702 Absatz 2 Satz 2 der Zivilprozessordnung, - 2.
§ 10 Absatz 2 Satz 1, § 11 Satz 4, § 13 Absatz 4, den §§ 14b und 78 Absatz 2 bis 4 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit, - 3.
§ 11 Absatz 2 Satz 1 und § 46g des Arbeitsgerichtsgesetzes, - 4.
den §§ 65d und 73 Absatz 2 Satz 1 und Absatz 6 Satz 5 des Sozialgerichtsgesetzes, wenn nicht die Erlaubnis das Sozial- und Sozialversicherungsrecht ausschließt, - 5.
den §§ 55d und 67 Absatz 2 Satz 1 und Absatz 6 Satz 4 der Verwaltungsgerichtsordnung, - 6.
den §§ 52d und 62 Absatz 2 Satz 1 und Absatz 6 Satz 4 der Finanzgerichtsordnung, wenn die Erlaubnis die geschäftsmäßige Hilfeleistung in Steuersachen umfasst.
(2) Registrierte Erlaubnisinhaber stehen im Sinn von § 79 Abs. 2 Satz 1 der Zivilprozessordnung, § 10 Abs. 2 Satz 1 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit, § 11 Abs. 2 Satz 1 des Arbeitsgerichtsgesetzes, § 73 Abs. 2 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes, § 67 Abs. 2 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung und § 62 Abs. 2 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung einem Rechtsanwalt gleich, soweit ihnen die gerichtliche Vertretung oder das Auftreten in der Verhandlung
- 1.
nach dem Umfang ihrer bisherigen Erlaubnis, - 2.
als Prozessagent durch Anordnung der Justizverwaltung nach § 157 Abs. 3 der Zivilprozessordnung in der bis zum 30. Juni 2008 geltenden Fassung, - 3.
durch eine für die Erteilung der Erlaubnis zum mündlichen Verhandeln vor den Sozialgerichten zuständige Stelle, - 4.
nach § 67 der Verwaltungsgerichtsordnung in der bis zum 30. Juni 2008 geltenden Fassung oder - 5.
nach § 13 des Gesetzes über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit in der bis zum 30. Juni 2008 geltenden Fassung
(3) Das Gericht weist registrierte Erlaubnisinhaber, soweit sie nicht nach Maßgabe des Absatzes 2 zur gerichtlichen Vertretung oder zum Auftreten in der Verhandlung befugt sind, durch unanfechtbaren Beschluss zurück. Prozesshandlungen eines nicht vertretungsbefugten Bevollmächtigten und Zustellungen oder Mitteilungen an diesen Bevollmächtigten sind bis zu seiner Zurückweisung wirksam. Das Gericht kann registrierten Erlaubnisinhabern durch unanfechtbaren Beschluss die weitere Vertretung oder das weitere Auftreten in der Verhandlung untersagen, wenn sie nicht in der Lage sind, das Sach- und Streitverhältnis sachgerecht darzustellen.§ 335 Abs. 1 Nr. 5 der Zivilprozessordnung gilt entsprechend.
Personen, die bis zum 9. September 1996 die fachlichen Voraussetzungen für die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft nach § 4 des Rechtsanwaltsgesetzes vom 13. September 1990 (GBl. I Nr. 61 S. 1504) erfüllt haben, stehen in den nachfolgenden Vorschriften einer Person mit Befähigung zum Richteramt gleich:
- 1.
§ 6 Abs. 2 Satz 1 und § 7 Abs. 2 Satz 1 des Rechtsdienstleistungsgesetzes, - 2.
§ 78 Absatz 2 und § 79 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 der Zivilprozessordnung, - 3.
§ 10 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit, - 4.
§ 11 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2, Abs. 4 Satz 3 des Arbeitsgerichtsgesetzes, - 5.
§ 73 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2, Abs. 4 Satz 3 und 4 des Sozialgerichtsgesetzes, - 6.
§ 67 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2, Abs. 4 Satz 4 der Verwaltungsgerichtsordnung, - 7.
§ 62 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2, Abs. 4 Satz 4 der Finanzgerichtsordnung, - 8.
§ 97 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 des Patentgesetzes, - 9.
§ 81 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 des Markengesetzes.
(1) Die Beteiligten können vor dem Verwaltungsgericht den Rechtsstreit selbst führen.
(2) Die Beteiligten können sich durch einen Rechtsanwalt oder einen Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, der die Befähigung zum Richteramt besitzt, als Bevollmächtigten vertreten lassen. Darüber hinaus sind als Bevollmächtigte vor dem Verwaltungsgericht vertretungsbefugt nur
- 1.
Beschäftigte des Beteiligten oder eines mit ihm verbundenen Unternehmens (§ 15 des Aktiengesetzes); Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich auch durch Beschäftigte anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen, - 2.
volljährige Familienangehörige (§ 15 der Abgabenordnung, § 11 des Lebenspartnerschaftsgesetzes), Personen mit Befähigung zum Richteramt und Streitgenossen, wenn die Vertretung nicht im Zusammenhang mit einer entgeltlichen Tätigkeit steht, - 3.
Steuerberater, Steuerbevollmächtigte, Wirtschaftsprüfer und vereidigte Buchprüfer, Personen und Vereinigungen im Sinne der §§ 3a und 3c des Steuerberatungsgesetzes im Rahmen ihrer Befugnisse nach § 3a des Steuerberatungsgesetzes, zu beschränkter geschäftsmäßiger Hilfeleistung in Steuersachen nach den §§ 3d und 3e des Steuerberatungsgesetzes berechtigte Personen im Rahmen dieser Befugnisse sowie Gesellschaften im Sinne des § 3 Satz 1 Nummer 2 und 3 des Steuerberatungsgesetzes, die durch Personen im Sinne des § 3 Satz 2 des Steuerberatungsgesetzes handeln, in Abgabenangelegenheiten, - 3a.
Steuerberater, Steuerbevollmächtigte, Wirtschaftsprüfer und vereidigte Buchprüfer, Personen und Vereinigungen im Sinne der §§ 3a und 3c des Steuerberatungsgesetzes im Rahmen ihrer Befugnisse nach § 3a des Steuerberatungsgesetzes, zu beschränkter geschäftsmäßiger Hilfeleistung in Steuersachen nach den §§ 3d und 3e des Steuerberatungsgesetzes berechtigte Personen im Rahmen dieser Befugnisse sowie Gesellschaften im Sinne des § 3 Satz 1 Nummer 2 und 3 des Steuerberatungsgesetzes, die durch Personen im Sinne des § 3 Satz 2 des Steuerberatungsgesetzes handeln, in Angelegenheiten finanzieller Hilfeleistungen im Rahmen staatlicher Hilfsprogramme zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie, wenn und soweit diese Hilfsprogramme eine Einbeziehung der Genannten als prüfende Dritte vorsehen, - 4.
berufsständische Vereinigungen der Landwirtschaft für ihre Mitglieder, - 5.
Gewerkschaften und Vereinigungen von Arbeitgebern sowie Zusammenschlüsse solcher Verbände für ihre Mitglieder oder für andere Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder, - 6.
Vereinigungen, deren satzungsgemäße Aufgaben die gemeinschaftliche Interessenvertretung, die Beratung und Vertretung der Leistungsempfänger nach dem sozialen Entschädigungsrecht oder der behinderten Menschen wesentlich umfassen und die unter Berücksichtigung von Art und Umfang ihrer Tätigkeit sowie ihres Mitgliederkreises die Gewähr für eine sachkundige Prozessvertretung bieten, für ihre Mitglieder in Angelegenheiten der Kriegsopferfürsorge und des Schwerbehindertenrechts sowie der damit im Zusammenhang stehenden Angelegenheiten, - 7.
juristische Personen, deren Anteile sämtlich im wirtschaftlichen Eigentum einer der in den Nummern 5 und 6 bezeichneten Organisationen stehen, wenn die juristische Person ausschließlich die Rechtsberatung und Prozessvertretung dieser Organisation und ihrer Mitglieder oder anderer Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder entsprechend deren Satzung durchführt, und wenn die Organisation für die Tätigkeit der Bevollmächtigten haftet.
(3) Das Gericht weist Bevollmächtigte, die nicht nach Maßgabe des Absatzes 2 vertretungsbefugt sind, durch unanfechtbaren Beschluss zurück. Prozesshandlungen eines nicht vertretungsbefugten Bevollmächtigten und Zustellungen oder Mitteilungen an diesen Bevollmächtigten sind bis zu seiner Zurückweisung wirksam. Das Gericht kann den in Absatz 2 Satz 2 Nr. 1 und 2 bezeichneten Bevollmächtigten durch unanfechtbaren Beschluss die weitere Vertretung untersagen, wenn sie nicht in der Lage sind, das Sach- und Streitverhältnis sachgerecht darzustellen.
(4) Vor dem Bundesverwaltungsgericht und dem Oberverwaltungsgericht müssen sich die Beteiligten, außer im Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht oder einem Oberverwaltungsgericht eingeleitet wird. Als Bevollmächtigte sind nur die in Absatz 2 Satz 1 bezeichneten Personen zugelassen. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich durch eigene Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt oder durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen. Vor dem Bundesverwaltungsgericht sind auch die in Absatz 2 Satz 2 Nr. 5 bezeichneten Organisationen einschließlich der von ihnen gebildeten juristischen Personen gemäß Absatz 2 Satz 2 Nr. 7 als Bevollmächtigte zugelassen, jedoch nur in Angelegenheiten, die Rechtsverhältnisse im Sinne des § 52 Nr. 4 betreffen, in Personalvertretungsangelegenheiten und in Angelegenheiten, die in einem Zusammenhang mit einem gegenwärtigen oder früheren Arbeitsverhältnis von Arbeitnehmern im Sinne des § 5 des Arbeitsgerichtsgesetzes stehen, einschließlich Prüfungsangelegenheiten. Die in Satz 5 genannten Bevollmächtigten müssen durch Personen mit der Befähigung zum Richteramt handeln. Vor dem Oberverwaltungsgericht sind auch die in Absatz 2 Satz 2 Nr. 3 bis 7 bezeichneten Personen und Organisationen als Bevollmächtigte zugelassen. Ein Beteiligter, der nach Maßgabe der Sätze 3, 5 und 7 zur Vertretung berechtigt ist, kann sich selbst vertreten.
(5) Richter dürfen nicht als Bevollmächtigte vor dem Gericht auftreten, dem sie angehören. Ehrenamtliche Richter dürfen, außer in den Fällen des Absatzes 2 Satz 2 Nr. 1, nicht vor einem Spruchkörper auftreten, dem sie angehören. Absatz 3 Satz 1 und 2 gilt entsprechend.
(6) Die Vollmacht ist schriftlich zu den Gerichtsakten einzureichen. Sie kann nachgereicht werden; hierfür kann das Gericht eine Frist bestimmen. Der Mangel der Vollmacht kann in jeder Lage des Verfahrens geltend gemacht werden. Das Gericht hat den Mangel der Vollmacht von Amts wegen zu berücksichtigen, wenn nicht als Bevollmächtigter ein Rechtsanwalt auftritt. Ist ein Bevollmächtigter bestellt, sind die Zustellungen oder Mitteilungen des Gerichts an ihn zu richten.
(7) In der Verhandlung können die Beteiligten mit Beiständen erscheinen. Beistand kann sein, wer in Verfahren, in denen die Beteiligten den Rechtsstreit selbst führen können, als Bevollmächtigter zur Vertretung in der Verhandlung befugt ist. Das Gericht kann andere Personen als Beistand zulassen, wenn dies sachdienlich ist und hierfür nach den Umständen des Einzelfalls ein Bedürfnis besteht. Absatz 3 Satz 1 und 3 und Absatz 5 gelten entsprechend. Das von dem Beistand Vorgetragene gilt als von dem Beteiligten vorgebracht, soweit es nicht von diesem sofort widerrufen oder berichtigt wird.
(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.
(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.
(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.
(4) In Verfahren
- 1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro, - 2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro, - 3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und - 4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.
(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert
- 1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist, - 2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.
(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.