Bundesgerichtshof Beschluss, 06. Nov. 2002 - 1 StR 363/02

bei uns veröffentlicht am06.11.2002

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 363/02
vom
6. November 2002
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
4.
wegen zu 1., 2. und 4.: schweren Raubes u.a.
zu 3.: Beihilfe zum schweren Raub u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 6. November 2002 beschlossen
:
Die Revisionen der Angeklagten gegen das Urteil des Landge-
richts Augsburg vom 27. Februar 2002 werden als unbegründet
verworfen, da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigungen
keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten
ergeben hat (§ 349 Abs. 2 StPO).
Jeder Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu
tragen. Die Angeklagen P. , R. und S. haben die
dem Nebenkläger W. im Revisionsverfahren entstandenen
notwendigen Auslagen zu tragen.
Darüber hinaus haben die Angeklagten A , P. und
S. die den Adhäsionsantragstellern L. und U. G.
im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu
tragen.
Ergänzend zum Vorbringen des Generalbundesanwalts bemerkt der Senat
:
1. Entgegen der Auffassung der Strafkammer werden die von den jeweiligen
Tätern begangenen (gefährlichen) Körperverletzungen (Schläge, Tritte,
sonstige Mißhandlungen) z. N. der Opfer der Überfälle (Eheleute G. und
W. ) nicht von den Verurteilungen wegen (schweren) Raubes kon-
sumiert, auch wenn die Körperverletzungen Mittel der Gewaltanwendungen bei
den Raubüberfällen waren. Eine Gewaltanwendung i.S.d. §§ 249 ff. StGB muß
nicht so intensiv sein, daß zugleich der Tatbestand der Körperverletzung erfüllt
ist (vgl. BGH, Beschl. vom 13. März 2002 - 1 StR 47/02 m.w.N.). Die hier vorliegenden
körperlichen Mißhandlungen der Geschädigten gehen demgegenüber
weit über das für die Verurteilung wegen Raubs erforderliche Maß der
Gewalt hinaus, enthalten zusätzliches Unrecht und werden von der Verurteilung
wegen (schweren) Raubs nicht umfaßt (vgl. BGH NStZ-RR 1999, 173, 174
m.w.N.). Von der danach gebotenen Änderung des Schuldspruchs zum Nachteil
der Angeklagten, der der Umstand, daß nur die Angeklagten Revision eingelegt
haben, nicht entgegenstünde (st. Rspr., vgl. die Nachw. bei Kuckein in
KK 4. Aufl. § 358 Rdn. 18), sieht der Senat im Hinblick auf § 265 StPO jedoch
ab.
2. Die Strafkammer hat im Rahmen eines Adhäsionsverfahrens durch
Grundurteil (unter anderem) ausgesprochen, daß die Angeklagten A. ,
P. und S. verpflichtet sind, den Eheleuten G. im Hinblick auf den
hier abgeurteilten Überfall Schmerzensgeld zu zahlen. Von der Bezifferung des
Schmerzensgeldes hat die Strafkammer abgesehen, "da für das mit ihm verbundene
Sanktionsinteresse eine entscheidende Rolle spielt, ob die drei Mittäter
rechtskräftig verurteilt werden und diese Strafe dann auch verbüßen".
Auch wenn die Verletzten gegen die Entscheidung der Strafkammer im
Adhäsionsverfahren kein Rechtsmittel einlegen können (§ 406 a Abs. 1 StPO)
und die Angeklagten hier nicht dadurch beschwert sind, daß die Strafkammer
über den Schmerzensgeldanspruch nur dem Grunde nach entschieden hat,
weist der Senat darauf hin, daß die Auffassung der Strafkammer nicht der
Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs entspricht. Danach wirkt sich bei vor-
sätzlichen Straftaten die strafgerichtliche Verurteilung und gegebenenfalls die
Verbüßung einer dabei verhängten Freiheitsstrafe auf die Bemessung des
Schmerzensgeldes nicht aus (BGH NJW 1996, 1591; BGHZ 128, 117, 121,
124). Träfe dagegen die Auffassung der Strafkammer zu, könnte im Rahmen
eines Adhäsionsverfahrens niemals der Höhe nach über einen Schmerzensgeldanspruch
entschieden werden, weil beim Erlaß des Strafurteils, in dem zugleich
über die zivilrechtlichen Ansprüche entschieden wird (§ 406 Abs. 1 Satz
1 StPO "im Urteil"), dessen Rechtskraft nicht feststeht. Wenn der den Adhäsionsanspruch
begründende Schuldspruch nicht rechtskräftig werden, sondern
im weiteren Verlauf des Verfahrens wieder entfallen sollte, ist vielmehr auch
die Adhäsionsentscheidung wieder aufzuheben (§ 406a Abs. 3 StPO; vgl. hierzu
im einzelnen Hilger in Löwe/Rosenberg StPO, 25. Aufl. § 406a Rdn. 11
m.w.N.). Käme es, wie die Strafkammer darüberhinaus meint, nicht nur auf die
Rechtskraft der Verurteilung, sondern auch auf die tatsächliche Strafverbüßung
an, hätte dies zur Folge, daß über Schmerzensgeldansprüche, die auf schwerwiegende
Straftaten zurückgehen, auf Jahre hinaus nicht abschließend entschieden
werden könnte. Mit dem Grundsatz, daß schon aus Gründen der
Verfahrensökonomie das durch die Straftat entstandene gesetzliche Schuldverhältnis
im Adhäsionsverfahren nicht zuletzt auch im Interesse des Tatopfers
möglichst abschließend erledigt werden soll (BGH, Urteil vom 21. August 2002
- 5 StR 291/02, zur Veröffentlichung in BGHSt bestimmt), wäre dies unvereinbar.
Nack Wahl Schluckebier
Kolz Elf

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 06. Nov. 2002 - 1 StR 363/02

Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Beschluss, 06. Nov. 2002 - 1 StR 363/02

Referenzen - Gesetze

Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafprozeßordnung - StPO | § 265 Veränderung des rechtlichen Gesichtspunktes oder der Sachlage


(1) Der Angeklagte darf nicht auf Grund eines anderen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten Strafgesetzes verurteilt werden, ohne daß er zuvor auf die Veränderung des rechtlichen Gesichtspunktes besonders hingewiesen und ihm Gel

Strafprozeßordnung - StPO | § 406a Rechtsmittel


(1) Gegen den Beschluss, mit dem nach § 406 Abs. 5 Satz 2 von einer Entscheidung über den Antrag abgesehen wird, ist sofortige Beschwerde zulässig, wenn der Antrag vor Beginn der Hauptverhandlung gestellt worden und solange keine den Rechtszug abschl
Bundesgerichtshof Beschluss, 06. Nov. 2002 - 1 StR 363/02 zitiert 5 §§.

Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafprozeßordnung - StPO | § 265 Veränderung des rechtlichen Gesichtspunktes oder der Sachlage


(1) Der Angeklagte darf nicht auf Grund eines anderen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten Strafgesetzes verurteilt werden, ohne daß er zuvor auf die Veränderung des rechtlichen Gesichtspunktes besonders hingewiesen und ihm Gel

Strafprozeßordnung - StPO | § 406a Rechtsmittel


(1) Gegen den Beschluss, mit dem nach § 406 Abs. 5 Satz 2 von einer Entscheidung über den Antrag abgesehen wird, ist sofortige Beschwerde zulässig, wenn der Antrag vor Beginn der Hauptverhandlung gestellt worden und solange keine den Rechtszug abschl

Referenzen - Urteile

Bundesgerichtshof Beschluss, 06. Nov. 2002 - 1 StR 363/02 zitiert oder wird zitiert von 4 Urteil(en).

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Bundesgerichtshof Beschluss, 13. März 2002 - 1 StR 47/02

bei uns veröffentlicht am 13.03.2002

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 1 StR 47/02 vom 13. März 2002 in der Strafsache gegen wegen schweren Raubes Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 13. März 2002 beschlossen: Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts.

Bundesgerichtshof Beschluss, 06. Nov. 2002 - 1 StR 363/02

bei uns veröffentlicht am 06.11.2002

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 1 StR 363/02 vom 6. November 2002 in der Strafsache gegen 1. 2. 3. 4. wegen zu 1., 2. und 4.: schweren Raubes u.a. zu 3.: Beihilfe zum schweren Raub u.a. Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 6. November 2
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Bundesgerichtshof Beschluss, 06. Nov. 2002 - 1 StR 363/02

bei uns veröffentlicht am 06.11.2002

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 1 StR 363/02 vom 6. November 2002 in der Strafsache gegen 1. 2. 3. 4. wegen zu 1., 2. und 4.: schweren Raubes u.a. zu 3.: Beihilfe zum schweren Raub u.a. Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 6. November 2

Bundesgerichtshof Beschluss, 17. März 2005 - 5 StR 57/05

bei uns veröffentlicht am 17.03.2005

5 StR 57/05 BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS vom 17. März 2005 in der Strafsache gegen wegen schwerer räuberischer Erpressung u. a. Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 17. März 2005 beschlossen: 1. Auf die Revision des Angeklagten wird

Referenzen

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 47/02
vom
13. März 2002
in der Strafsache
gegen
wegen schweren Raubes
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 13. März 2002 beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 18. September 2001 mit den Feststellungen aufgehoben, soweit von der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt abgesehen ist. Die weitergehende Revision wird verworfen. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:


Der Angeklagte wurde wegen schweren Raubes (§§ 249, 250 Abs. 1 Nr. 1 b StGB) zu einer Freiheitsstrafe verurteilt. Seine auf die Sachrüge gestützte Revision bleibt zum Schuldspruch und zum Strafausspruch erfolglos (§ 349 Abs. 2 StPO), führt jedoch zur Aufhebung des Urteils, soweit von einer Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) abgesehen wurde (§ 349 Abs. 4 StPO; vgl. BGHSt 37, 5).

I.

1. Die Strafkammer hat festgestellt: Um Geld aus einer Ladenkasse zu entwenden, spritzte der Angeklagte der Kassiererin mit einem zu diesem Zweck mitgeführten Deo-Spray aus etwa 60 cm Entfernung gezielt in das Gesicht. Als diese, wie von ihm beabsichtigt, daraufhin in Folge des "Lidschlußreflexes" die Augen schloß, entnahm er Geldscheine aus der offenen Kasse. Die Kassiererin, die alsbald wieder die Augen öffnete, versuchte letztlich vergeblich, den Angeklagten noch festzuhalten. Er riß sich los und entkam mit einer Beute von 1.380 DM. Wie auch vom Angeklagten erwartet, war das Deo nach der konkreten Art seiner Verwendung ungeeignet, körperliche Beeinträchtigungen herbeizuführen. 2. Diese Feststellungen tragen den Schuldspruch:
a) Der Angeklagte hat dadurch Gewalt im Sinne des § 249 StGB ausgeübt , daß er der Kassiererin die Deodorantflüssigkeit in das Gesicht gespritzt hat. Gewalt im Sinne dieser Vorschrift liegt auch dann vor, wenn durch physische Einwirkung auf den Körper eines anderen bei diesem eine physische Reaktion herbeigeführt wird, die dazu geeignet und nach dem Willen des Täters dazu bestimmt ist, den von ihm erwarteten Widerstand gegen die von ihm beabsichtigte Wegnahme zu verhindern. Dabei genügt es auch, wenn der Täter zur Einwirkung auf den Körper des Opfers ein Mittel - sei es fest, flüssig oder gasförmig (zur Beibringung eines Schlaf- oder Beruhigungsmittels vgl. BGHR StGB § 249 Abs. 1 Gewalt 6 m. w. N.) - verwendet, ohne daß es darauf ankäme, welche naturwissenschaftlichen (z.B. mechanische oder chemische) Gesetzmäßigkeiten daraufhin letztlich die körperliche Reaktion des Opfers her-
vorgerufen haben (vgl. zusammenfassend Herdegen in LK 11. Aufl. § 249 Rdn. 6, 7 m. w. N.).
b) All dies liegt hier vor. Der Angeklagte hat Flüssigkeit in die Augen der Kassiererin gespritzt. Das dadurch hervorgerufene Schlieûen ihrer Augen hat ihre Widerstandsmöglichkeiten gegen die Wegnahme des Geldes beeinträchtigt und dem Angeklagten das Ergreifen der Geldscheine erleichtert. 3. Die Revision macht demgegenüber geltend, die Tat sei von List und Schnelligkeit gekennzeichnet. Eine Handlung, die lediglich zu einem kurzen reflexartigen Schlieûen der Augen führe, sei nicht mit Gewalt vorgenommen. Schlieûlich sei auch die Abwehrfähigkeit der Kassiererin nicht nennenswert beeinträchtigt worden. Dies zeige sich daran, daû die Kassiererin alsbald die Augen wieder geöffnet und sie, wenn auch letztlich vergeblich, den Angeklagten jedenfalls vorübergehend festgehalten habe. Keiner dieser Einwände greift durch.
a) Allerdings erfüllt eine allein durch Schnelligkeit und List gekennzeichnete Wegnahme wie z. B. das überraschende, aber nicht mit besonderer Kraftanwendung verbundene Wegreiûen einer Handtasche nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht den Raubtatbestand (BGHSt 18, 329 ff., BGHR StGB § 249 Abs. 1 Gewalt 1, 2 und 4). Hier hat der Angeklagte jedoch nicht die Überraschung der Kassiererin ausgenutzt, sondern ihre physische Reaktion, die von einer für sie überraschenden physischen Einwirkung auf ihren Körper ausgelöst wurde. Insoweit gilt nichts anderes als bei der zur Ermöglichung einer Wegnahme erfolgten Beibringung eines Schlaf- oder Beruhigungsmittels , die ebenfalls als Gewalt im Sinne des § 249 StGB zu werten ist,
auch wenn das Opfer ahnungslos ist und der Täter keine besondere Kraft aufwenden muû (BGHR StGB § 249 Abs. 1 Gewaltanwendung 6 m. w. N.).
b) Es führt auch zu keinem anderen Ergebnis, daû die vom Angeklagten herbeigeführte physische Reaktion der Kassiererin erwartungsgemäû nur kurz andauerte und dementsprechend nur ebenso kurz vom Angeklagten genutzt werden konnte. Entscheidend ist auch in diesem Zusammenhang, daû die Wegnahme auf Grund der physischen Reaktion erfolgte und nicht, welcher Zeitraum hierfür zur Verfügung stand. Daher ist auch ohne Bedeutung, daû der Angeklagte in dieser Zeitspanne die Tat zwar durch Ergreifen des Geldes vollenden , sie aber nicht auch beenden konnte, sondern sich losreiûen muûte, nachdem ihn die Kassiererin festhalten wollte.
c) Schlieûlich ist für den Schuldspruch ohne Bedeutung, daû die Folge des Handelns des Angeklagten bei der Kassiererin, ein kurzfristiges Schlieûen der Augen, für sich genommen geringfügig ist. Gewalt gegen eine Person muû keine gegenwärtige Leibes- oder Lebensgefahr bewirken (BGHSt 18, 75, 76). Es genügt, wenn beim Opfer eine von dessen Willen unabhängige physische Reaktion eintritt, die seine Widerstandsmöglichkeiten gegen die Wegnahme beeinträchtigt (vgl. Herdegen aaO). Dies ist hier der Fall. Die Kassiererin konnte nicht verhindern, daû sie die Augen schloû, als ihr der Angeklagte gezielt ins Gesicht spritzte. Dadurch konnte er in die Kasse greifen. 4. Nach alledem hat der Angeklagte Gewalt im Sinne des § 249 StGB angewandt. Da er hierzu das von ihm zu diesem Zwecke mitgeführte DeoSpray verwendete, hat die Strafkammer zutreffend einen schweren Raub gemäû § 250 Abs. 1 Nr. 1 b StGB bejaht (vgl. BGH StV 1998, 660; Boetticher/ Sander NStZ 1999, 292, 294 f. m. w. N.).
5. Der Strafausspruch hält rechtlicher Überprüfung stand. Insoweit verweist der Senat auf die Ausführungen im Antrag des Generalbundesanwalts vom 14. Februar 2002.

II.

Die Erwägungen, aus denen heraus die Strafkammer von einer Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt abgesehen hat, halten dagegen rechtlicher Überprüfung nicht stand: 1. Der Angeklagte ist heroinabhängig. Er war bereits 1997 wegen schweren Raubs zu Freiheitsstrafe verurteilt und in einer Entziehungsanstalt untergebracht worden, weil er eine Spielhalle überfallen hatte, um sich Geld für Drogen zu beschaffen. Die Reststrafe und der weitere Vollzug der Maûregel wurden dann bis 2004 zur Bewährung ausgesetzt. Der Angeklagte war von 1997 bis 2000 drogenfrei, wurde dann aber wieder rückfällig. 2. Auch die hier abgeurteilte Tat geht auf die Betäubungsmittelabhängigkeit des Angeklagten zurück, der sich Geld für Drogen beschaffen wollte. Nach sachverständiger Beratung geht die Strafkammer davon aus, daû die Schuldfähigkeit des Angeklagten bei der Tat im Hinblick auf drohende Entzugserscheinungen erheblich vermindert (§ 21 StGB) war. 3. Gleichwohl ist die Strafkammer der naheliegenden Möglichkeit einer Unterbringungsanordnung gemäû § 64 StGB nicht näher nachgegangen. Sie hält dies im Hinblick auf die frühere Unterbringungsanordnung nicht für erforderlich. Die dem Angeklagten insoweit zugebilligte Aussetzung zur Bewährung könne widerrufen werden. Aus § 67f StGB ergibt sich jedoch, daû von einer an sich gebotenen Unterbringungsanordnung nicht deshalb abgesehen werden kann, weil eine bereits früher angeordnete und noch vollstreckbare Unterbrin-
gungsanordnung besteht. Vielmehr ist mit der Rechtskraft der späteren Anordnung die frühere erledigt (vgl. BGH NStZ 1992, 432; Beschluû vom 17. Juli 1997 - 4 StR 314/97; Tröndle/Fischer StGB 50. Aufl. § 64 Rdn. 15, § 67f Rdn. 1 m. w. N.). Daher muû hier über die Möglichkeit einer Unterbringung neu befunden werden. 4. Im Einzelfall kann auch ein für sich genommen rechtsfehlerfreier Strafausspruch (vgl. oben I. 5.) bei einer zu Unrecht unterbliebenen Unterbringungsanordnung aufzuheben sein, sofern nicht auszuschlieûen ist, daû bei einer Unterbringungsanordnung eine niedrigere Strafe verhängt worden wäre. Dies ist hier jedoch nicht der Fall, da die Strafkammer von der Möglichkeit der Vollstreckung einer anderweitig erfolgten Unterbringungsanordnung ausgeht. Schäfer Nack Wahl Boetticher Kolz

(1) Der Angeklagte darf nicht auf Grund eines anderen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten Strafgesetzes verurteilt werden, ohne daß er zuvor auf die Veränderung des rechtlichen Gesichtspunktes besonders hingewiesen und ihm Gelegenheit zur Verteidigung gegeben worden ist.

(2) Ebenso ist zu verfahren, wenn

1.
sich erst in der Verhandlung vom Strafgesetz besonders vorgesehene Umstände ergeben, welche die Strafbarkeit erhöhen oder die Anordnung einer Maßnahme oder die Verhängung einer Nebenstrafe oder Nebenfolge rechtfertigen,
2.
das Gericht von einer in der Verhandlung mitgeteilten vorläufigen Bewertung der Sach- oder Rechtslage abweichen will oder
3.
der Hinweis auf eine veränderte Sachlage zur genügenden Verteidigung des Angeklagten erforderlich ist.

(3) Bestreitet der Angeklagte unter der Behauptung, auf die Verteidigung nicht genügend vorbereitet zu sein, neu hervorgetretene Umstände, welche die Anwendung eines schwereren Strafgesetzes gegen den Angeklagten zulassen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten oder die zu den in Absatz 2 Nummer 1 bezeichneten gehören, so ist auf seinen Antrag die Hauptverhandlung auszusetzen.

(4) Auch sonst hat das Gericht auf Antrag oder von Amts wegen die Hauptverhandlung auszusetzen, falls dies infolge der veränderten Sachlage zur genügenden Vorbereitung der Anklage oder der Verteidigung angemessen erscheint.

(1) Gegen den Beschluss, mit dem nach § 406 Abs. 5 Satz 2 von einer Entscheidung über den Antrag abgesehen wird, ist sofortige Beschwerde zulässig, wenn der Antrag vor Beginn der Hauptverhandlung gestellt worden und solange keine den Rechtszug abschließende Entscheidung ergangen ist. Im Übrigen steht dem Antragsteller ein Rechtsmittel nicht zu.

(2) Soweit das Gericht dem Antrag stattgibt, kann der Angeklagte die Entscheidung auch ohne den strafrechtlichen Teil des Urteils mit dem sonst zulässigen Rechtsmittel anfechten. In diesem Falle kann über das Rechtsmittel durch Beschluss in nichtöffentlicher Sitzung entschieden werden. Ist das zulässige Rechtsmittel die Berufung, findet auf Antrag des Angeklagten oder des Antragstellers eine mündliche Anhörung der Beteiligten statt.

(3) Die dem Antrag stattgebende Entscheidung ist aufzuheben, wenn der Angeklagte unter Aufhebung der Verurteilung wegen der Straftat, auf welche die Entscheidung über den Antrag gestützt worden ist, weder schuldig gesprochen noch gegen ihn eine Maßregel der Besserung und Sicherung angeordnet wird. Dies gilt auch, wenn das Urteil insoweit nicht angefochten ist.