Bundesgerichtshof Beschluss, 23. Okt. 2012 - 1 StR 377/12

bei uns veröffentlicht am23.10.2012

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 377/12
vom
23. Oktober 2012
in der Strafsache
gegen
wegen Geiselnahme u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 23. Oktober 2012 beschlossen
:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts
Heidelberg vom 13. März 2012 wird als unbegründet verworfen,
da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung
keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels und die
dem Nebenkläger im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen
Auslagen zu tragen.
Ergänzend zur Antragsschrift des Generalbundesanwalts vom 16. Juli
2012 bemerkt der Senat:
1. Die Rüge, das Landgericht habe zwei am Morgen des Tages der dem
Angeklagten vorgeworfenen Entführung zwischen diesem und dem Mittäter
K. ausgetauschte SMS mit dem Text „Bin da“ bzw. „Ich in 10 min“ nicht
„formal in die Hauptverhandlung eingeführt“ und damit gegen § 261 StPO ver-
stoßen, ist zulässig erhoben. Denn die Revision trägt alle für die revisionsgerichtliche
Prüfung, ob der behauptete Verfahrensfehler vorliegt, erforderlichen
Tatsachen vor (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO). Sie teilt nicht nur mit, dass der Inhalt
der SMS weder verlesen noch in Augenschein genommen worden ist, sondern
unter Zitierung aus den - dem Senat aufgrund der zulässig erhobenen
Sachrüge ohnehin eröffneten (vgl. BGH, Urteil vom 5. Dezember 1996
- 1 StR 628/96, NStZ 1997, 378) - Urteilsgründen auch, dass über ihn der als
Zeuge gehörte KHK F. berichtet hat.
Angesichts dessen erweist sich die Rüge aber als unbegründet. Ein
Ausnahmefall, in dem der Inhalt der beiden Nachrichten etwa wegen seines
erheblichen Umfangs oder seiner Komplexität nur durch förmliche Verlesung
prozessordnungsgemäß in die Hauptverhandlung hätte eingeführt werden können
, liegt nicht vor.
2. a) Ohne Rechtsfehler hat die Strafkammer auch einen „zum Beweis
der Tatsache, dass die … vorgelegten 7 Lagen … nicht von einer Rolle Pan-
zerklebeband stammen und nicht paßgenau sind“ gestellten Beweisantrag auf
Augenschein und Einholung eines Sachverständigengutachtens abgelehnt.
Denn sie hatte das am Tatort als Agglomerat mehrerer übereinander geklebter
Lagen aufgefundene, zur Fesselung des Entführungsopfers verwendete Panzerklebeband
bereits in Augenschein genommen. Die fehlende Passgenauigkeit
hat das Landgericht daraufhin als bereits erwiesen erachtet.
Insbesondere begegnet aber auch die weitere von der Revision beanstandete
Begründung, es sei für die Entscheidung ohne Bedeutung, ob die einzelnen
Lagen von unterschiedlichen Klebebandrollen abstammten, keinen Bedenken.
Die mit dem Antrag erstrebte Feststellung, die innen gelegene vierte
Lage des Agglomerats, auf dessen Klebeseite sich ein Fingerabdruck des Angeklagten
befand, stamme von einer anderen Rolle als die äußeren Lagen, ließe
zwar den Schluss zu, dass der Angeklagte diese Lage als ehemals äußerste
Schicht einer anderen Klebebandrolle bei einer früheren Gelegenheit zufällig
berührt hatte. Dies wäre aber auch möglich gewesen, wenn alle sichergestellten
Lagen des Klebebandes von nur einer Rolle stammen würden, weil sich
gerade wegen der fehlenden Passgenauigkeit der Lagen nicht feststellen lässt,
ob die in Rede stehende vierte Lage des Agglomerats sich auf der Rolle zunächst
außen befunden hat.

b) Der Senat braucht der Frage, ob das Landgericht in den schriftlichen
Urteilsgründen vom Ablehnungsgrund der Bedeutungslosigkeit möglicherweise
abgewichen ist, nicht nachzugehen. Denn die Revision hat ihre Rüge nicht mit
dieser Angriffsrichtung erhoben (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 28. Mai 2003
- 2 StR 486/02, NStZ-RR 2003, 268; BGH, Beschluss vom 29. Juni 2006
- 3 StR 175/06), sondern allein eine fehlerhafte Ablehnung des Beweisantrages
geltend gemacht (vgl. Überschrift und Einleitungssatz auf S. 5 der Revisionsbe-
gründungsschrift, ebenso S. 7: „Die Ablehnung […] wurde […] rechtsfehlerhaft
vorgenommen.“). Ihr weiterer Vortrag, der auch die die Bedeutsamkeit der Be-
weistatsache nahelegenden Urteilsausführungen enthielt (Begründungsschrift
S. 7 f.), diente ersichtlich nur dazu, die behauptete Fehlerhaftigkeit der Ablehnungsbegründung
zu untermauern.
3. Auch mit dem Vorbringen, die Strafkammer habe ihre Aufklärungspflicht
(§ 244 Abs. 2 StPO) verletzt, dringt die Revision nicht durch.
Sie trägt vor, die Kammer habe es zu Unrecht unterlassen, die weiteren
Tatbeteiligten Z. S. , R. S. und K. als Zeugen
zu vernehmen, nachdem diese in der gegen sie wegen derselben Tat
durchgeführten Hauptverhandlung angekündigt hatten, sich bei einer eventuellen
Zeugenvernehmung in der den Angeklagten betreffenden Hauptverhandlung
auf ihr Auskunftsverweigerungsrecht (§ 55 Abs. 1 StPO) berufen zu wollen.
Der weiteren als Zeugin erschienenen Tatbeteiligten St. habe das
Landgericht wegen ihres Verlöbnisses mit Z. S. unzutreffend ein
Zeugnisverweigerungsrecht gemäß § 52 Abs. 1 Nr. 1 StPO zugebilligt. Denn
alle vier genannten Zeugen seien - wie sich aus den Urteilsgründen selbst ergebe
(UA S. 3, 11 und 12) - zum Zeitpunkt der angefochtenen Entscheidung
bereits rechtskräftig verurteilt gewesen. Keinesfalls habe sich die Kammer daher
mit der Vernehmung des an der Hauptverhandlung gegen Z. S.
, R. S. , K. und St. beteiligten Richters
Z. über deren dortige Angaben begnügen dürfen.
Die Zulässigkeit der Rüge unterstellt, wäre diese jedenfalls unbegründet.
Dies folgt betreffend Z. S. und K. bereits daraus,
dass deren Verurteilung - wie sich der Gegenerklärung der Staatsanwaltschaft
entnehmen lässt (zu deren praktischer Relevanz Drescher, NStZ 2003, 296) -
erst am 15. März 2012 rechtskräftig geworden ist. Ihnen stand mithin bis zum
Erlass des angefochtenen Urteils zwei Tage zuvor ein Auskunftsverweigerungsrecht
gemäß § 55 Abs. 1 StPO noch zu.
Soweit das Urteil sich gegen St. und R. S. richtete,
war es zwar bereits am 21. Februar 2012 bzw. 12. März 2012 rechtskräftig geworden.
Ihnen stand aber wegen des Verlöbnisses mit Z. S. bzw.
der mit diesem bestehenden Verwandtschaft ein Zeugnisverweigerungsrecht
nach § 52 Abs. 1 Nr. 1 bzw. 3 StPO und darüber hinaus aus denselben Gründen
auch ein Auskunftsverweigerungsrecht (§ 55 Abs. 1, 2. Alt. StPO) zu.
Schon deshalb brauchte sich das Landgericht nicht gedrängt zu sehen,
die vier bezeichneten Tatbeteiligten zeugenschaftlich zu hören, zumal keine
Anhaltspunkte für die Annahme bestanden, diese würden nunmehr anders als
in der gegen sie geführten Hauptverhandlung aussagen.
4. Auch die näher ausgeführte Sachrüge deckt keinen Rechtsfehler zum
Nachteil des Angeklagten auf. Insbesondere erweist sich die sorgfältige, auf
eine Vielzahl gewichtiger Indizien - z.B. die Freundschaft des Angeklagten zu
dem hinsichtlich seiner eigenen Tatbeteiligung geständigen Z. S. ,
die durch die ausgetauschten SMS-Kurznachrichten belegte Verabredung des
Angeklagten mit K. am Tattagmorgen, die auf den fast zwei Meter
großen Angeklagten passende Täterbeschreibung durch das Entführungsopfer
und weitere Zeugen, die Kombination von Opfer-DNA und Fingerabdruck
des Angeklagten auf dem Klebeband-Agglomerat - gestützte Beweiswürdigung
des Landgerichts entgegen der Ansicht der Revision als rechtsfehlerfrei.

a) Dies gilt auch bezüglich der DNA-Spur (Kern-DNA), die einer am Tatort
gefundenen Zigarettenkippe anhaftete und mit einer biostatistischen Wahrscheinlichkeit
von 1:28 Billionen in der Vergleichspopulation vorkommt. Denn
bei der vorliegenden Fallgestaltung war es ausreichend, allein dieses Ergebnis
der Analyse im Urteil anzugeben, ohne die verwendete Untersuchungsmethodik
und die anschließende Wahrscheinlichkeitsberechnung betreffend die
Merkmalskombination darzustellen.
aa) Hinsichtlich der Methodik entspricht dies ständiger Rechtsprechung
des Bundesgerichtshofs. Wegen ihrer inzwischen anerkannten Standardisierung
bedarf die bei der DNA-Analyse verwendete Untersuchungsmethode - wie
auch diejenigen bei anderen standardisierten Untersuchungsmethoden, etwa
bei der Blutalkoholbestimmung oder der Daktyloskopie - als solche keiner näheren
Darlegung in den Urteilsgründen mehr (vgl. BGH, Beschlüsse vom 3. Mai
2012 - 3 StR 46/12 und vom 12. Oktober 2011 - 2 StR 362/11).
bb) Anders soll es sich in bestimmten Konstellationen bei der sich daran
anknüpfenden Wahrscheinlichkeitsberechnung verhalten (BGH, Beschlüsse
vom 3. Mai 2012 - 3 StR 46/12 mwN, 6. März 2012 - 3 StR 41/12 und vom
12. Oktober 2011 - 2 StR 362/11). Danach bedarf es in Fällen, in denen diese
Berechnung Besonderheiten aufweist, der Darlegung der Berechnungsgrundlagen
, um dem Revisionsgericht die Nachprüfung der Schlüssigkeit und Richtigkeit
der Berechnung zu ermöglichen (vgl. BGH, Beschluss vom 3. Mai 2012
- 3 StR 46/12). Das ist regelmäßig der Fall, wenn der Angeklagte einer fremden
Ethnie angehört (BGH, Beschluss vom 3. Mai 2012 - 3 StR 46/12) oder wenn
wegen sonstiger Besonderheiten bei der Vergleichspopulation infolge des Vorhandenseins
mehrerer DNA-Merkmale (vgl. BGH, Beschluss vom 26. Mai 2009
- 1 StR 597/08; Urteil vom 12. August 1992 - 5 StR 239/92, BGHSt 38, 320 ff.)
die Anwendung der sog. Produktregel für unabhängige Merkmale in Betracht
kommt (vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 3. Mai 2012 - 3 StR 46/12; s. auch
BGH, Beschluss vom 5. Februar 1992 - 5 StR 677/91, NStZ 1992, 601, 602).
Hier liegen derartige Besonderheiten jedoch nicht vor.

b) Nicht zu beanstanden ist ferner die von der Strafkammer vorgenommene
, für die Täterschaft des Angeklagten sprechende Würdigung des Zusammenhangs
der sichergestellten DNA-Spur mit der Tat (vgl. BGH, Beschluss
vom 12. Oktober 2011 - 2 StR 362/11). Die Kammer hat hierzu festgestellt,
dass die Zigarettenkippe in der tatörtlichen Garage aufgefunden worden war.
Sie hat insofern die Möglichkeit erörtert, dass die Kippe auch bei anderer Gelegenheit
als der Tat in der Garage hätte zurückgelassen worden sein können,
dies aber ohne Rechtsfehler auch deshalb ausgeschlossen, weil die Asche
beim Auffinden noch frisch war (UA S. 39).
Nack Wahl Graf
Jäger Sander

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 23. Okt. 2012 - 1 StR 377/12

Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Beschluss, 23. Okt. 2012 - 1 StR 377/12

Referenzen - Gesetze

Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafprozeßordnung - StPO | § 344 Revisionsbegründung


(1) Der Beschwerdeführer hat die Erklärung abzugeben, inwieweit er das Urteil anfechte und dessen Aufhebung beantrage (Revisionsanträge), und die Anträge zu begründen. (2) Aus der Begründung muß hervorgehen, ob das Urteil wegen Verletzung einer R

Strafprozeßordnung - StPO | § 244 Beweisaufnahme; Untersuchungsgrundsatz; Ablehnung von Beweisanträgen


(1) Nach der Vernehmung des Angeklagten folgt die Beweisaufnahme. (2) Das Gericht hat zur Erforschung der Wahrheit die Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken, die für die Entscheidung von Bedeutung sind.

Strafprozeßordnung - StPO | § 261 Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung


Über das Ergebnis der Beweisaufnahme entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung.
Bundesgerichtshof Beschluss, 23. Okt. 2012 - 1 StR 377/12 zitiert 7 §§.

Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

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(1) Der Beschwerdeführer hat die Erklärung abzugeben, inwieweit er das Urteil anfechte und dessen Aufhebung beantrage (Revisionsanträge), und die Anträge zu begründen. (2) Aus der Begründung muß hervorgehen, ob das Urteil wegen Verletzung einer R

Strafprozeßordnung - StPO | § 244 Beweisaufnahme; Untersuchungsgrundsatz; Ablehnung von Beweisanträgen


(1) Nach der Vernehmung des Angeklagten folgt die Beweisaufnahme. (2) Das Gericht hat zur Erforschung der Wahrheit die Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken, die für die Entscheidung von Bedeutung sind.

Strafprozeßordnung - StPO | § 261 Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung


Über das Ergebnis der Beweisaufnahme entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung.

Strafprozeßordnung - StPO | § 55 Auskunftsverweigerungsrecht


(1) Jeder Zeuge kann die Auskunft auf solche Fragen verweigern, deren Beantwortung ihm selbst oder einem der in § 52 Abs. 1 bezeichneten Angehörigen die Gefahr zuziehen würde, wegen einer Straftat oder einer Ordnungswidrigkeit verfolgt zu werden.

Strafprozeßordnung - StPO | § 52 Zeugnisverweigerungsrecht der Angehörigen des Beschuldigten


(1) Zur Verweigerung des Zeugnisses sind berechtigt 1. der Verlobte des Beschuldigten;2. der Ehegatte des Beschuldigten, auch wenn die Ehe nicht mehr besteht;2a. der Lebenspartner des Beschuldigten, auch wenn die Lebenspartnerschaft nicht mehr besteh

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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

Über das Ergebnis der Beweisaufnahme entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung.

(1) Der Beschwerdeführer hat die Erklärung abzugeben, inwieweit er das Urteil anfechte und dessen Aufhebung beantrage (Revisionsanträge), und die Anträge zu begründen.

(2) Aus der Begründung muß hervorgehen, ob das Urteil wegen Verletzung einer Rechtsnorm über das Verfahren oder wegen Verletzung einer anderen Rechtsnorm angefochten wird. Ersterenfalls müssen die den Mangel enthaltenden Tatsachen angegeben werden.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
2 StR 486/02
vom
28. Mai 2003
in der Strafsache
gegen
wegen Vergewaltigung
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 28. Mai 2003,
an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Rissing-van Saan
und die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. h. c. Detter,
Dr. Bode,
die Richterinnen am Bundesgerichtshof
Dr. Otten,
Roggenbuck,
Bundesanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Kassel vom 27. Juni 2002 wird verworfen. Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Von Rechts wegen

Gründe:

Der Angeklagte war durch Urteil des Landgerichts Darmstadt vom 2. Juni 1999 wegen sexueller Nötigung in einem besonders schweren Fall zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt worden. Das angefochtene Urteil, das nach Anordnung der Wiederaufnahme des Verfahrens ergangen ist, hat die Verurteilung durch das Landgericht Darmstadt aufrechterhalten. Dagegen wendet sich die Revision des Angeklagten mit Verfahrensrügen und der Sachrüge.
Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.

I.


Das Landgericht hat folgendes festgestellt:
Der Angeklagte lernte Ende 1996 die Zeugin H.-P., das spätere Tatopfer kennen und bezog mit ihr im August 1997 eine gemeinsame Wohnung. Da sich das Zusammenleben aber nicht befriedigend gestaltete, trennte sich die Zeugin von ihm nach ca. drei bis vier Monaten und suchte sich eine eigene Wohnung. Der Angeklagte akzeptierte die Trennung nicht. Er verfolgte die Zeugin mit Anrufen , suchte sie in ihrer neuen Wohnung auf und drohte ihr, sie und ihre Tochter umzubringen. Er belästigte die Zeugin auch, wenn sie sich in der Wohnung ihrer Schwester aufhielt. Dennoch verbrachte die Zeugin mit ihm im April/Mai 1998 einen Urlaub in der Türkei. Während sie anschließend für einige Monate ihr Heimatland Iran besuchte, befreundete sich der Angeklagte mit seiner jetzigen Lebensgefährtin, einer Niederländerin, bei der er auch den Juli 1998 verbrachte. Trotz dieser neuen Beziehung rief er die Schwester der Zeugin mehrfach an, um sich nach der Rückkehr der Zeugin zu erkundigen, und nach deren Rückkehr am 10. August 1998 auch diese selbst, um mit ihr zu reden und sich mit ihr zu verabreden. Am 24. August 1998 ließ er der Zeugin, die sich zu diesem Zeitpunkt in der Wohnung ihrer Schwester aufhielt, durch diese ausrichten, daß sie herunterkommen solle. Als sie daraufhin das Fenster der Wohnung öffnete und heraussah, beschimpfte er sie und drohte ihr, sie umzubringen , wenn sie nicht komme. Zwei Tage später suchte er die Wohnung der Zeugin auf und forderte sie auf, zu einem letzten Gespräch herunterzukommen. Um Aufsehen in der Nachbarschaft zu vermeiden, folgte die Zeugin der Aufforderung und setzte sich in das Auto des Angeklagten. Unvermittelt fuhr der Angeklagte los. Er drohte ihr, sie umzubringen, wenn sie nicht mit zu ihm nach Hause komme. In der von ihm gemeinsam mit dem Zeugen H. bewohnten Wohnung ging er mit der Zeugin in sein Zimmer, wo man sich zunächst unterhielt. Der Angeklagte drückte plötzlich die auf dem Bett des Angeklagten sitzende Zeugin nach hinten, hielt ihre Hände mit der linken Hand fest, zog ihr mit
Gewalt Leggings und Slip herunter und vollzog gegen ihren Willen mit ihr den Geschlechtsverkehr. Als die Zeugin die Leggings danach wieder anziehen wollte, zerriß er diese, um sie am Weggehen zu hindern, auch nahm er der Zeugin die von ihr mitgebrachten 50,-- DM weg, um ihr kein Geld für die Heimfahrt zu lassen. Der Zeugin gelang jedoch die Flucht, als der Angeklagte ins Bad ging. Er folgte ihr noch, erreichte sie aber nicht mehr. Die Zeugin berichtete unmittelbar danach ihrer Schwester von dem Geschehenen, die ihr zur Anzeige riet. Da die Zeugin aber Angst vor dem Angeklagten hatte, ging sie erst fünf Tage später zur Polizei, als der Angeklagte sie weiterhin nicht in Ruhe ließ.
Der Angeklagte hat die Tat bestritten. Nicht er, sondern die Zeugin habe die Trennung nicht akzeptiert und ihn des öfteren angerufen. So habe sie ihn auch am Tattag angerufen und sich mit ihm zum Essen verabredet. Während des Essens habe er ihr erklärt, daß er neu liiert und die Beziehung mit ihr beendet sei. Sie habe dies hingenommen und sei dann mit in seine Wohnung gegangen, um noch Kleidungsstücke aus seiner Wohnung zu holen. Dort sei es auf ihre Initiative zum einverständlichen Geschlechtsverkehr gekommen. Sie sei dann noch eine Stunde geblieben und habe bei ihm übernachten wollen, was er abgelehnt habe. Sie sei dann gegen 19.00 Uhr gegangen. Er sei ihr nach 10 bis 15 Minuten gefolgt und habe sie an der S-Bahn stehen sehen. Sie habe ihn auch danach mehrfach angerufen und ihm erklärt, als er auf der Trennung beharrte, daß das Folgen haben werde.
Diese Einlassung hat das Landgericht insbesondere auf Grund der glaubhaften Aussage der Zeugin als widerlegt angesehen und das Geschehen als Vergewaltigung nach § 177 Abs. 1 Nr. 1 und 3, Abs. 2 Nr. 1 StGB gewertet.

II.


1. Die Verfahrensrügen sind, soweit sie nicht unzulässig sind, jedenfalls unbegründet. Näherer Erörterung bedarf nur die Rüge, daß das Landgericht sich in den Urteilsgründen nicht mit Tatsachen auseinandergesetzt habe, die es aufgrund eines Beweisantrags der Verteidigung als wahr unterstellt habe, was hier im Hinblick auf die Glaubwürdigkeit der Zeugin H.-P. erforderlich gewesen wäre.
Auch diese Rüge hat keinen Erfolg.
Allerdings war die Ablehnung des Beweisantrags nicht rechtsbedenkenfrei. Das Landgericht hatte die Beweisbehauptungen als wahr unterstellt und in der Beschlußbegründung weiter ausgeführt, daß davon abgesehen die behaupteten Tatsachen für die Entscheidung nicht von Bedeutung seien. Der Ablehnungsgrund der Wahrunterstellung, der nur bei einer erheblichen Tatsache in Betracht kommt, und der Ablehnungsgrund der Bedeutungslosigkeit schließen einander aber aus. Die Angriffsrichtung der Rüge (vgl. auch BGH NStZ 1998, 636 f.) geht aber nicht auf den in der fehlerhaften Ablehnung des Beweisantrags liegenden Verfahrensmangel, sondern sieht einen Verfahrensfehler in der fehlenden Auseinandersetzung des Urteils mit den als wahr unterstellten Tatsachen im Hinblick auf die Glaubwürdigkeit der Zeugin H.-P. Dabei erscheint schon zweifelhaft, ob angesichts der Widersprüchlichkeit der Beschlußbegründung hier überhaupt von der Zusage einer Wahrunterstellung ausgegangen werden konnte. Jedenfalls liegt der von der Revision beanstandete Erörterungsmangel nicht vor. In der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist anerkannt, daß es einer Auseinandersetzung mit den als wahr unter-
stellten Tatsachen in den Urteilsgründen nur dann bedarf, wenn sie sich angesichts der im übrigen gegebenen Beweislage aufdrängt und die Beweislage sich sonst als lückenhaft erwiese (BGH BGHR StPO § 244 Abs. 3). Ein solcher Fall war hier entgegen der Auffassung der Revision nicht gegeben, denn zur Glaubwürdigkeit der Zeugin H.-P. brachten die von dem Zeugen K. zu bekundenden Tatsachen, soweit sie nicht diese Zeugin sondern deren Schwester betrafen, keine weitergehenden Erkenntnisse. Soweit sie eine allgemeine Warnung des Zeugen K. vor der ganzen Familie der Zeugin H.-P. einschließlich dieser Zeugin selbst zum Inhalt hatten, handelte es sich um eine durch keine Tatsachen belegte Meinungsäußerung.
2. Auch die Sachrüge ist unbegründet, insbesondere weist die Beweiswürdigung keine den Bestand des Urteils gefährdende Rechtsfehler auf. Zu erörtern ist auch hier nur folgendes:
Das Landgericht hat die Überzeugung von der Schuld des Angeklagten auf die ausführlich gewürdigte Aussage der Zeugin H.-P. gestützt, die jedenfalls in Randbereichen von der Schwester der Zeugin bestätigt worden ist. Eine Beweissituation, in der Aussage gegen Aussage steht, lag daher nicht vor. Die Abweichungen in der Aussage der Zeugin vor der Kammer gegenüber ihren Angaben in der früheren Hauptverhandlung vor dem Landgericht Darmstadt, teilweise auch vor der Polizei, die sämtlich nicht das Kerngeschehen betreffen, hat das Landgericht gesehen und erörtert. Seine Auffassung, daß es sich dabei zum Teil um nur scheinbare Abweichungen (Telefonat nach Iran, das die Zeugin auch nach den Angaben des Angeklagten von seiner Wohnung aus geführt hat), teilweise um Mißverständnisse in der Hauptverhandlung vor dem Landgericht Darmstadt (Sprechanlage am Haus der Schwester) und teilweise um Erin-
nerungsfehler - Farbe des am Tattag getragenen Shirts, Tragen einer kleinen Handtasche oder Mitsichführen des Geldes lose in einer Tasche des Shirts, Begrüßung durch den Zeugen H. - gehandelt habe, ist nachvollziehbar. Unter diesen Umständen ist die Würdigung des Landgerichts, daß die Abweichungen in den Aussagen der Zeugin nicht geeignet seien, ihre Glaubwürdigkeit zu erschüttern, nicht zu beanstanden.
Frau Vors.RiinBGH Detter Bode Dr. Rissing-van Saan ist aufgrund Urlaubs verhindert, ihre Unterschrift zu leisten. Detter Otten Roggenbuck

(1) Nach der Vernehmung des Angeklagten folgt die Beweisaufnahme.

(2) Das Gericht hat zur Erforschung der Wahrheit die Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken, die für die Entscheidung von Bedeutung sind.

(3) Ein Beweisantrag liegt vor, wenn der Antragsteller ernsthaft verlangt, Beweis über eine bestimmt behauptete konkrete Tatsache, die die Schuld- oder Rechtsfolgenfrage betrifft, durch ein bestimmt bezeichnetes Beweismittel zu erheben und dem Antrag zu entnehmen ist, weshalb das bezeichnete Beweismittel die behauptete Tatsache belegen können soll. Ein Beweisantrag ist abzulehnen, wenn die Erhebung des Beweises unzulässig ist. Im Übrigen darf ein Beweisantrag nur abgelehnt werden, wenn

1.
eine Beweiserhebung wegen Offenkundigkeit überflüssig ist,
2.
die Tatsache, die bewiesen werden soll, für die Entscheidung ohne Bedeutung ist,
3.
die Tatsache, die bewiesen werden soll, schon erwiesen ist,
4.
das Beweismittel völlig ungeeignet ist,
5.
das Beweismittel unerreichbar ist oder
6.
eine erhebliche Behauptung, die zur Entlastung des Angeklagten bewiesen werden soll, so behandelt werden kann, als wäre die behauptete Tatsache wahr.

(4) Ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Sachverständigen kann, soweit nichts anderes bestimmt ist, auch abgelehnt werden, wenn das Gericht selbst die erforderliche Sachkunde besitzt. Die Anhörung eines weiteren Sachverständigen kann auch dann abgelehnt werden, wenn durch das frühere Gutachten das Gegenteil der behaupteten Tatsache bereits erwiesen ist; dies gilt nicht, wenn die Sachkunde des früheren Gutachters zweifelhaft ist, wenn sein Gutachten von unzutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen ausgeht, wenn das Gutachten Widersprüche enthält oder wenn der neue Sachverständige über Forschungsmittel verfügt, die denen eines früheren Gutachters überlegen erscheinen.

(5) Ein Beweisantrag auf Einnahme eines Augenscheins kann abgelehnt werden, wenn der Augenschein nach dem pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts zur Erforschung der Wahrheit nicht erforderlich ist. Unter derselben Voraussetzung kann auch ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Zeugen abgelehnt werden, dessen Ladung im Ausland zu bewirken wäre. Ein Beweisantrag auf Verlesung eines Ausgangsdokuments kann abgelehnt werden, wenn nach pflichtgemäßem Ermessen des Gerichts kein Anlass besteht, an der inhaltlichen Übereinstimmung mit dem übertragenen Dokument zu zweifeln.

(6) Die Ablehnung eines Beweisantrages bedarf eines Gerichtsbeschlusses. Einer Ablehnung nach Satz 1 bedarf es nicht, wenn die beantragte Beweiserhebung nichts Sachdienliches zu Gunsten des Antragstellers erbringen kann, der Antragsteller sich dessen bewusst ist und er die Verschleppung des Verfahrens bezweckt; die Verfolgung anderer verfahrensfremder Ziele steht der Verschleppungsabsicht nicht entgegen. Nach Abschluss der von Amts wegen vorgesehenen Beweisaufnahme kann der Vorsitzende eine angemessene Frist zum Stellen von Beweisanträgen bestimmen. Beweisanträge, die nach Fristablauf gestellt werden, können im Urteil beschieden werden; dies gilt nicht, wenn die Stellung des Beweisantrags vor Fristablauf nicht möglich war. Wird ein Beweisantrag nach Fristablauf gestellt, sind die Tatsachen, die die Einhaltung der Frist unmöglich gemacht haben, mit dem Antrag glaubhaft zu machen.

(1) Jeder Zeuge kann die Auskunft auf solche Fragen verweigern, deren Beantwortung ihm selbst oder einem der in § 52 Abs. 1 bezeichneten Angehörigen die Gefahr zuziehen würde, wegen einer Straftat oder einer Ordnungswidrigkeit verfolgt zu werden.

(2) Der Zeuge ist über sein Recht zur Verweigerung der Auskunft zu belehren.

(1) Zur Verweigerung des Zeugnisses sind berechtigt

1.
der Verlobte des Beschuldigten;
2.
der Ehegatte des Beschuldigten, auch wenn die Ehe nicht mehr besteht;
2a.
der Lebenspartner des Beschuldigten, auch wenn die Lebenspartnerschaft nicht mehr besteht;
3.
wer mit dem Beschuldigten in gerader Linie verwandt oder verschwägert, in der Seitenlinie bis zum dritten Grad verwandt oder bis zum zweiten Grad verschwägert ist oder war.

(2) Haben Minderjährige wegen mangelnder Verstandesreife oder haben Minderjährige oder Betreute wegen einer psychischen Krankheit oder einer geistigen oder seelischen Behinderung von der Bedeutung des Zeugnisverweigerungsrechts keine genügende Vorstellung, so dürfen sie nur vernommen werden, wenn sie zur Aussage bereit sind und auch ihr gesetzlicher Vertreter der Vernehmung zustimmt. Ist der gesetzliche Vertreter selbst Beschuldigter, so kann er über die Ausübung des Zeugnisverweigerungsrechts nicht entscheiden; das gleiche gilt für den nicht beschuldigten Elternteil, wenn die gesetzliche Vertretung beiden Eltern zusteht.

(3) Die zur Verweigerung des Zeugnisses berechtigten Personen, in den Fällen des Absatzes 2 auch deren zur Entscheidung über die Ausübung des Zeugnisverweigerungsrechts befugte Vertreter, sind vor jeder Vernehmung über ihr Recht zu belehren. Sie können den Verzicht auf dieses Recht auch während der Vernehmung widerrufen.

(1) Jeder Zeuge kann die Auskunft auf solche Fragen verweigern, deren Beantwortung ihm selbst oder einem der in § 52 Abs. 1 bezeichneten Angehörigen die Gefahr zuziehen würde, wegen einer Straftat oder einer Ordnungswidrigkeit verfolgt zu werden.

(2) Der Zeuge ist über sein Recht zur Verweigerung der Auskunft zu belehren.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
3 StR 46/12
vom
3. Mai 2012
in der Strafsache
gegen
wegen Totschlags
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 3. Mai 2012,
an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Becker,
die Richter am Bundesgerichtshof
Pfister,
Hubert,
Mayer,
Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Menges
als beisitzende Richter,
Staatsanwältin
als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom 8. November 2011 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Totschlags zu der Freiheitsstrafe von dreizehn Jahren verurteilt. Die Revision des Angeklagten rügt die Verletzung sachlichen Rechts und beanstandet das Verfahren. Das Rechtsmittel hat mit der Sachrüge Erfolg; auf die Verfahrensrügen kommt es deshalb nicht an.
2
Das Urteil hat keinen Bestand, denn die Annahme des Landgerichts, der Angeklagte sei der Täter, entbehrt einer sie tragenden rechtsfehlerfreien Beweiswürdigung.
3
1. Nach den Feststellungen unterhielten der Angeklagte und die später getötete E. , in Spanien eine Beziehung, die Frau E. aber schließlich beendete. Im November 2010 übersiedelte sie nach Düsseldorf. Der Angeklagte wollte die Trennung nicht akzeptieren und versuchte mehrfach, auch unter Drohungen, Frau E. zur Fortsetzung der Beziehung zu bewegen. Spätestens am 17. Februar 2011 reiste er nach Düsseldorf, machte dort ihren Aufenthalt ausfindig und wartete am Abend des Folgetags auf der Straße vor ihrer Wohnung auf ihre Heimkehr. Frau E. erschien gegen 20.00 Uhr. Der Angeklagte trat auf sie zu und begann, neben ihr her zu gehen. Als sie ihn zum Weggehen aufforderte, ergriff er ihren Oberarm. Frau E. begann zu schreien und versuchte, sich dem Zugriff des Angeklagten zu entwinden. Dabei geriet sie in eine knieende Position vor dem Angeklagten, der ihr darauf mit Wucht in das Gesicht trat. Sie fiel nach hinten auf den Rücken und blieb auf der Straße liegen. Nun zog der Angeklagte ein mitgeführtes Küchenmesser hervor, "rammte" es Frau E. , um sie zu töten, in den rechten Unterbauch und ergriff sodann die Flucht. Der Stich eröffnete die große rechte Beckenvene, weshalb Frau E. wenig später infolge Verblutens verstarb. Der Angeklagte wurde wegen der Tat später in Spanien festgenommen und am 28. März 2011 an die Bundesrepublik Deutschland ausgeliefert.
4
2. Aussagen mehrerer Tatzeugen ergaben keine Hinweise auf die Identität des Täters. Das Landgericht hat sich von der Täterschaft des Angeklagten überzeugt aufgrund einer Gesamtschau der nachfolgenden Beweisanzeichen:
5
Am Griff des Tatmessers sowie an der von Frau E. getragenen Jacke sei nach den Ausführungen der angehörten Sachverständigen Spurenmaterial isoliert worden, das "in allen 16 untersuchten Systemen" mit den molekulargenetischen Eigenschaften des Angeklagten übereinstimme. "Unter An- wendung biostatistischer Berechnungsmethoden" ergebe sich "so" eine Wahrscheinlichkeit von eins zu mehr als zehn Milliarden, dass die Spuren vom Angeklagten herrührten. Desweiteren habe der Angeklagte am Morgen des Tattages Frau E. am Telefon (erneut) damit gedroht, sie umzubringen, wenn sie nicht zu ihm zurückkomme, und geäußert, heute sei ihr "letzter Tag". Schließlich hätten auch mehrere Zeugen bestätigt, dass der Angeklagte am Tattag in Düsseldorf gewesen sei und sich (allerdings insoweit erfolglos) nach dem Aufenthalt von Frau E. erkundigt habe.
6
3. Diese der Feststellung der Täterschaft des Angeklagten zugrunde liegende Beweiswürdigung enthält wesentliche Darlegungsmängel, die durchgreifende rechtliche Bedenken gegen ihre Tragfähigkeit begründen.
7
a) Das Urteil verhält sich nicht hinreichend zu den Berechnungsgrundlagen , aus denen abzuleiten ist, dass das am Tatort gesicherte Spurenmaterial mit einer Wahrscheinlichkeit von mehr als 1 : 10 Milliarden vom Angeklagten herrührt.
8
aa) Ist dem Tatrichter mangels Sachkunde eine eigene Auseinandersetzung mit dem Inhalt des Gutachtens eines Sachverständigen nicht möglich, so genügt es allerdings, dass er sich von der Sachkunde des Gutachters überzeugt und sich danach dem Ergebnis des Gutachtens anschließt (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschluss vom 7. Mai 1996 - 1 StR 170/96, NStZ-RR 1996, 258). Jedoch muss er in diesem Falle die wesentlichen Anknüpfungspunkte und Schlussfolgerungen des Sachverständigen im Urteil so wiedergeben, wie dies zum Verständnis des Gutachtens und zur Beurteilung seiner Schlüssigkeit und sonstiger Rechtsfehlerfreiheit erforderlich ist (BGH aaO; Beschluss vom 2. Oktober 2007 - 3 StR 412/07, NStZ-RR 2008, 39; Beschluss vom 8. April 2003 - 3 StR 79/03, NStZ-RR 2003, 232; Urteil vom 15. Januar 2003 - 5 StR 223/02, NStZ 2003, 307). Der Umfang der Darlegungspflicht richtet sich dabei nach der jeweiligen Beweislage und der Bedeutung, die der Beweisfrage für die Entscheidung zukommt (BGH, Beschluss vom 7. Mai 1996 - 1 StR 170/96, NStZRR 1996, 258).
9
Für DNA-Vergleichsgutachten gilt nichts anderes. Zwar ist das in der forensischen Praxis gebräuchliche PCR-Verfahren, das dazu dient, aus der Probe sowie aus der Vergleichsprobe jeweils eine bestimmte Anzahl in der KernDNA auftretender Systeme (sog. short tandem repeats; STR) eindeutig zu identifizieren , um so (zunächst) Übereinstimmungen festzustellen, inzwischen in seinen Abläufen so weit standardisiert, dass es im Urteil keiner näheren Darlegungen hierzu bedarf. Kein in diesem Sinne standardisiertes Verfahren ist aber die im zweiten Schritt an die so gewonnenen Daten anknüpfende Wahrscheinlichkeitsberechnung , denn die Aussage darüber, mit welcher statistischen Häufigkeit ein bestimmtes Merkmal oder eine bestimmte Merkmalskombination auftritt , hängt zunächst von einer wertenden Entscheidung des Gutachters ab, welche Vergleichspopulation er ausgehend von der genetischen Herkunft des Täters heranzieht und inwieweit er aufgrund voneinander unabhängiger Vererbung der übereinstimmenden Merkmale die sog. Produktregel anwendet. Um dem Revisionsgericht eine Überprüfung der Wahrscheinlichkeitsberechnung auf ihre Plausibilität zu ermöglichen, verlangt der Bundesgerichtshof deshalb in ständiger Rechtsprechung die Mitteilung ihrer Grundlagen im Urteil (Beschluss vom 6. März 2012 - 3 StR 41/12; Beschluss vom 12. Oktober 2011 - 2 StR 362/11, NStZ-RR 2012, 53; Beschluss vom 21. Januar 2009 - 1 StR 722/08, NJW 2009, 1159; Beschluss vom 5. Februar 1992 - 5 StR 677/91, NStZ 1992, 601; Urteil vom 12. August 1992 - 5 StR 239/92, BGHSt 38, 320). Hierzu gehören - zumindest wenn der Angeklagte einer fremden Ethnie angehört - eine hin- reichend deutliche Umschreibung der zum Vergleich herangezogenen Bevölkerungsgruppe sowie jedenfalls die Häufigkeit der einzelnen als übereinstimmend festgestellten Merkmale in dieser Vergleichspopulation sowie eine Aussage dazu, inwieweit in wissenschaftlich zulässiger Weise die sog. Produktregel zur Anwendung kam.
10
bb) Diesen Maßstäben wird hier die bloße Mitteilung im Urteil, unter Anwendung biostatistischer Berechnungsmethoden ergebe sich eine Wahrscheinlichkeit von eins zu mehr als zehn Milliarden, nicht gerecht. Weder werden die Faktoren erkennbar, auf denen dieses rechnerische Ergebnis beruht, noch wird ersichtlich, inwieweit der Gutachter bei der Auswahl der Vergleichspopulation mögliche aus der ethnischen Herkunft des Angeklagten - eines marokkanischen Staatsangehörigen - herrührende Besonderheiten berücksichtigt hat.
11
b) Auf dem Rechtsfehler beruht das Urteil.
12
Allerdings ergibt sich allein schon aus der Aussage der Sachverständigen , die am Tatort gesicherte DNA stimme in allen 16 untersuchten Systemen mit der des Angeklagten überein, ein deutliches - wenngleich gegenüber der rechtsfehlerfreien Feststellung auch der biostatistischen Häufigkeit der ermittelten Merkmale in seiner Aussagekraft eingeschränktes - Beweisanzeichen für die Täterschaft des Angeklagten. Der Senat hat daher erwogen, ob das Landgericht bei der Würdigung der Beweise auch dann zu keinem anderen Ergebnis gelangt wäre, wenn es statt der für die Urheberschaft des Angeklagten als Spurenleger sprechenden biostatistischen Häufigkeit der Merkmalskombination lediglich die von der Sachverständigen bekundeten Übereinstimmungen in den untersuchten Systemen berücksichtigt hätte.

13
Jedoch hielte die Beweiswürdigung für diesen Fall aus anderen Gründen der revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand; denn jedenfalls angesichts des geringeren Beweiswerts einer bloßen Übereinstimmung des jeweiligen DNA-Materials in den untersuchten Systemen käme es dann maßgeblich auf die anderen vom Landgericht herangezogenen Indizien an. Soweit sich das Landgericht indes tragend auch darauf stützt, der Angeklagte habe Frau E. am Morgen des Tattages telefonisch mit dem Tode bedroht, bleibt die Beweiswürdigung ihrerseits lückenhaft. Wie es zu dieser Feststellung gelangt ist, teilt das Landgericht nicht mit. Insbesondere beruht sie ersichtlich nicht auf den von der Zeugin H. wiedergegebenen Äußerungen von Frau E. , der Angeklagte trachte ihr nach dem Leben, denn nach dem Gesamtzusammenhang des Urteils fand das geschilderte - überdies wohl eher allgemein gehaltene - Gespräch bereits etwa zwei Wochen vor der Tat statt.
Becker Pfister Hubert
Mayer Menges

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 362/11
vom
12. Oktober 2011
in der Strafsache
gegen
wegen besonders schweren Raubes
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 12. Oktober 2011 gemäß
§ 349 Abs. 4 StPO beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Aachen vom 14. April 2011 mit den Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts Aachen zurückverwiesen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schweren Raubes zu einer Einzelfreiheitsstrafe von sieben Jahren und unter Einbeziehung der Einzelstrafen aus einem Urteil des Landgerichts Essen vom 29. Mai 2009 zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von neun Jahren und sechs Monaten verurteilt. Hiergegen richtet sich die Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung formellen und sachlichen Rechts rügt. Das Rechtsmittel hat mit der Sachrüge Erfolg.
2
1. Gegenstand der Verurteilung ist ein Überfall am 16. Januar 2003 auf ein Juweliergeschäft in Aachen, bei dem fünf zum Teil mit scharfen Pistolen bewaffnete Täter Schmuck und Uhren im Wert von knapp 100.000 Euro erbeuteten. Am Tatort ließen die Täter u.a. eine Umhängetasche zurück, an deren auf den Tragriemen aufgesetzter Handytasche eine DNA-Spur festgestellt wurde , "die dem Angeklagten zugeordnet werden konnte" (UA 9).
3
2. Der Angeklagte hat die Tat bestritten. Für die DNA-Spur auf der Umhängetasche habe er keine Erklärung. Er habe sich 2002/2003 überwiegend im belgischen Raum aufgehalten, sei lediglich ein Mal im August/September 2002 am Aachener Hauptbahnhof umgestiegen, jedoch nicht in die Stadt gegangen.
4
Das Landgericht hält die Beteiligung des Angeklagten an dem Überfall für erwiesen. Es stützt sich dabei vor allem auf die DNA-Spur auf der Handytasche. Der Einlassung des Angeklagten, der das Entstehen der Spur nicht habe erklären können und wollen, sei als Schutzbehauptung zu werten. Nach der "festen Überzeugung der Kammer" könne der Angeklagte, wäre er nicht am Überfall beteiligt gewesen, das Vorhandensein der Spur durchaus erklären; auf Erinnerungslücken oder auf Nichtwissen könne er sich nicht berufen. Darüber hinaus sprächen weitere Indizien für die Beteiligung des Angeklagten an dem Überfall. So habe er sich zur fraglichen Zeit nach seiner eigenen Einlassung immerhin in der Aachener Grenzregion aufgehalten, spreche die russische Sprache - nach Zeugenangaben hätten die Täter mit einem russischen bzw. osteuropäischen Dialekt gesprochen - und die Täter hätten insbesondere auch Uhren der Marke "Vacheron Constantin" entwendet, die "in Osteuropa besonders beliebt" seien. Schließlich sei der Angeklagte wegen eines gleichartigen Delikts - Überfall unter Waffeneinsatz auf einen Juwelier in Aalst im Mai 2003 - in Belgien zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilt worden.
5
3. Die vom Revisionsführer und dem Generalbundesanwalt gleichermaßen beanstandete Beweiswürdigung hält revisionsrechtlicher Überprüfung nicht stand. Zwar ist die Beweiswürdigung Sache des Tatrichters. Ihm allein obliegt es, das Ergebnis der Hauptverhandlung festzustellen und zu würdigen. Seine Schlussfolgerungen brauchen nicht zwingend zu sein, es genügt, dass sie möglich sind (BGHSt 29, 18, 20). Die revisionsrechtliche Prüfung beschränkt sich darauf, ob dem Tatrichter Rechtsfehler unterlaufen sind. Das ist in sachlichrechtlicher Hinsicht der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist oder gegen die Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt (BGH 4 StR 285/10 vom 28. Oktober 2010; st. Rspr.).
6
Legt man dies zugrunde, stellt sich die Beweiswürdigung hier in mehrfacher Hinsicht als lückenhaft dar. Zunächst rügt die Revision zu Recht, dass das Landgericht zur Begründung seiner Feststellung, es habe sich eine DNA-Spur des Angeklagten auf der Handytasche der Umhängetasche befunden, pauschal auf ein "Gutachten des Landeskriminalamtes Nordrhein-Westfalen vom 30.3.2011 in Verbindung mit dessen Mitteilung vom 3.2.2009" verweist (UA 11). Zwar handelt es sich bei der molekulargenetischen Untersuchung von DNASpurenträgern um ein standardisiertes Verfahren, bei dem die Darlegungsanforderungen in den Urteilsgründen geringer sind, als dies normalerweise bei Sachverständigengutachten der Fall ist, und es insbesondere keiner Darlegung der Untersuchungsmethode bedarf. Um dem Revisionsgericht die Nachprüfung zu ermöglichen, ob die auf das Gutachten gestützte Überzeugung des Landgerichts auf rechtsfehlerfreier Grundlage beruht, hätte es gleichwohl in den Urteilsgründen neben der Berechnungsgrundlage zumindest der Mitteilung bedurft , mit welcher Wahrscheinlichkeit der Angeklagte als Spurenleger in Betracht kommt. Denn was das Ergebnis der DNA-Analyse betrifft, bedarf es regelmäßig jedenfalls eines Seltenheitswertes im Millionenbereich, um die Überzeugung des Tatrichters zu begründen, dass eine bestimmte Spur vom Angeklagten herrührt (BGH NStZ 2009, 285).
7
Die Beweiswürdigung ist aber auch deshalb lückenhaft, weil das Landgericht sich nicht ausreichend mit der für die Täterschaft des Angeklagten ent- scheidenden Frage auseinandersetzt, ob zwischen der DNA-Spur und der Tat ein Zusammenhang besteht. Ein solcher Zusammenhang verstand sich angesichts von Gegenstand und Ort, an dem die Spur sichergestellt wurde, nicht von selbst. Das Landgericht stützt sich dabei entscheidend auf die Erwägung, dass der Angeklagte das Vorhandensein der Spur nicht plausibel erklären "konnte bzw. wollte" (UA 11). Insoweit kann dahinstehen, ob dies - wie der Generalbundesanwalt in seiner Zuschrift ausgeführt hat - bereits deshalb als rechtsfehlerhaft zu beurteilen ist, weil die im Urteil wiedergegebenen Angaben des Angeklagten nicht als Teileinlassung, sondern als pauschales Bestreiten zu werten sind, mithin das Landgericht unzulässigerweise aus seinem Schweigen für ihn nachteilige Schlüsse gezogen hat (vgl. etwa BGH NStZ 2007, 417; 2009, 705).
8
Jedenfalls hätte sich das Landgericht mit Rücksicht auf den allenfalls geringen Beweiswert des von ihm für ausschlaggebend erachteten Umstandes damit auseinandersetzen müssen, ob und inwieweit die Spur möglicherweise auf andere Weise als durch unmittelbare Beteiligung des Angeklagten an dem Überfall an die Umhängetasche gelangt sein konnte. Dazu hätte es weiterer Feststellungen und Erörterungen im Urteil bedurft. Um dem Revisionsgericht die Prüfung zu ermöglichen, ob die Schlussfolgerung des Landgerichts auf einer tragfähigen Grundlage beruht, hätte die Kammer - worauf der Generalbundesanwalt zutreffend hinweist - etwa mitteilen müssen, um welche Art von Spurenträger es sich handelt und an welcher Stelle der Tasche diese gesichert wurde. Namentlich die Feststellung des Spurenträgers - z.B. Fingerspur oder Haar des Angeklagten - hätte indiziell dafür sein können, ob die DNA-Spur auf die Anwesenheit des Angeklagten am Tatort hinweist oder auch ohne Verbindung zum Tatgeschehen dorthin gelangt sein konnte. Für die Frage des Zusammenhangs zwischen der DNA-Spur und der Tat konnte schließlich von Bedeutung sein, ob an der Tasche weitere DNA-Spuren von anderen Personen gefunden wurden.
9
4. Das Urteil beruht auf den erörterten Lücken bei der Beweiswürdigung. Das Landgericht hat den weiteren von ihm angegebenen Indizien für die Anwesenheit des Angeklagten zur Tatzeit am Tatort, die zudem sämtlich nur einen schwachen Beweiswert besitzen, ausdrücklich nur ergänzende und keine entscheidende Bedeutung beigemessen (UA 12).
Fischer Appl Schmitt Krehl Eschelbach

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
3 StR 46/12
vom
3. Mai 2012
in der Strafsache
gegen
wegen Totschlags
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 3. Mai 2012,
an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Becker,
die Richter am Bundesgerichtshof
Pfister,
Hubert,
Mayer,
Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Menges
als beisitzende Richter,
Staatsanwältin
als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom 8. November 2011 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Totschlags zu der Freiheitsstrafe von dreizehn Jahren verurteilt. Die Revision des Angeklagten rügt die Verletzung sachlichen Rechts und beanstandet das Verfahren. Das Rechtsmittel hat mit der Sachrüge Erfolg; auf die Verfahrensrügen kommt es deshalb nicht an.
2
Das Urteil hat keinen Bestand, denn die Annahme des Landgerichts, der Angeklagte sei der Täter, entbehrt einer sie tragenden rechtsfehlerfreien Beweiswürdigung.
3
1. Nach den Feststellungen unterhielten der Angeklagte und die später getötete E. , in Spanien eine Beziehung, die Frau E. aber schließlich beendete. Im November 2010 übersiedelte sie nach Düsseldorf. Der Angeklagte wollte die Trennung nicht akzeptieren und versuchte mehrfach, auch unter Drohungen, Frau E. zur Fortsetzung der Beziehung zu bewegen. Spätestens am 17. Februar 2011 reiste er nach Düsseldorf, machte dort ihren Aufenthalt ausfindig und wartete am Abend des Folgetags auf der Straße vor ihrer Wohnung auf ihre Heimkehr. Frau E. erschien gegen 20.00 Uhr. Der Angeklagte trat auf sie zu und begann, neben ihr her zu gehen. Als sie ihn zum Weggehen aufforderte, ergriff er ihren Oberarm. Frau E. begann zu schreien und versuchte, sich dem Zugriff des Angeklagten zu entwinden. Dabei geriet sie in eine knieende Position vor dem Angeklagten, der ihr darauf mit Wucht in das Gesicht trat. Sie fiel nach hinten auf den Rücken und blieb auf der Straße liegen. Nun zog der Angeklagte ein mitgeführtes Küchenmesser hervor, "rammte" es Frau E. , um sie zu töten, in den rechten Unterbauch und ergriff sodann die Flucht. Der Stich eröffnete die große rechte Beckenvene, weshalb Frau E. wenig später infolge Verblutens verstarb. Der Angeklagte wurde wegen der Tat später in Spanien festgenommen und am 28. März 2011 an die Bundesrepublik Deutschland ausgeliefert.
4
2. Aussagen mehrerer Tatzeugen ergaben keine Hinweise auf die Identität des Täters. Das Landgericht hat sich von der Täterschaft des Angeklagten überzeugt aufgrund einer Gesamtschau der nachfolgenden Beweisanzeichen:
5
Am Griff des Tatmessers sowie an der von Frau E. getragenen Jacke sei nach den Ausführungen der angehörten Sachverständigen Spurenmaterial isoliert worden, das "in allen 16 untersuchten Systemen" mit den molekulargenetischen Eigenschaften des Angeklagten übereinstimme. "Unter An- wendung biostatistischer Berechnungsmethoden" ergebe sich "so" eine Wahrscheinlichkeit von eins zu mehr als zehn Milliarden, dass die Spuren vom Angeklagten herrührten. Desweiteren habe der Angeklagte am Morgen des Tattages Frau E. am Telefon (erneut) damit gedroht, sie umzubringen, wenn sie nicht zu ihm zurückkomme, und geäußert, heute sei ihr "letzter Tag". Schließlich hätten auch mehrere Zeugen bestätigt, dass der Angeklagte am Tattag in Düsseldorf gewesen sei und sich (allerdings insoweit erfolglos) nach dem Aufenthalt von Frau E. erkundigt habe.
6
3. Diese der Feststellung der Täterschaft des Angeklagten zugrunde liegende Beweiswürdigung enthält wesentliche Darlegungsmängel, die durchgreifende rechtliche Bedenken gegen ihre Tragfähigkeit begründen.
7
a) Das Urteil verhält sich nicht hinreichend zu den Berechnungsgrundlagen , aus denen abzuleiten ist, dass das am Tatort gesicherte Spurenmaterial mit einer Wahrscheinlichkeit von mehr als 1 : 10 Milliarden vom Angeklagten herrührt.
8
aa) Ist dem Tatrichter mangels Sachkunde eine eigene Auseinandersetzung mit dem Inhalt des Gutachtens eines Sachverständigen nicht möglich, so genügt es allerdings, dass er sich von der Sachkunde des Gutachters überzeugt und sich danach dem Ergebnis des Gutachtens anschließt (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschluss vom 7. Mai 1996 - 1 StR 170/96, NStZ-RR 1996, 258). Jedoch muss er in diesem Falle die wesentlichen Anknüpfungspunkte und Schlussfolgerungen des Sachverständigen im Urteil so wiedergeben, wie dies zum Verständnis des Gutachtens und zur Beurteilung seiner Schlüssigkeit und sonstiger Rechtsfehlerfreiheit erforderlich ist (BGH aaO; Beschluss vom 2. Oktober 2007 - 3 StR 412/07, NStZ-RR 2008, 39; Beschluss vom 8. April 2003 - 3 StR 79/03, NStZ-RR 2003, 232; Urteil vom 15. Januar 2003 - 5 StR 223/02, NStZ 2003, 307). Der Umfang der Darlegungspflicht richtet sich dabei nach der jeweiligen Beweislage und der Bedeutung, die der Beweisfrage für die Entscheidung zukommt (BGH, Beschluss vom 7. Mai 1996 - 1 StR 170/96, NStZRR 1996, 258).
9
Für DNA-Vergleichsgutachten gilt nichts anderes. Zwar ist das in der forensischen Praxis gebräuchliche PCR-Verfahren, das dazu dient, aus der Probe sowie aus der Vergleichsprobe jeweils eine bestimmte Anzahl in der KernDNA auftretender Systeme (sog. short tandem repeats; STR) eindeutig zu identifizieren , um so (zunächst) Übereinstimmungen festzustellen, inzwischen in seinen Abläufen so weit standardisiert, dass es im Urteil keiner näheren Darlegungen hierzu bedarf. Kein in diesem Sinne standardisiertes Verfahren ist aber die im zweiten Schritt an die so gewonnenen Daten anknüpfende Wahrscheinlichkeitsberechnung , denn die Aussage darüber, mit welcher statistischen Häufigkeit ein bestimmtes Merkmal oder eine bestimmte Merkmalskombination auftritt , hängt zunächst von einer wertenden Entscheidung des Gutachters ab, welche Vergleichspopulation er ausgehend von der genetischen Herkunft des Täters heranzieht und inwieweit er aufgrund voneinander unabhängiger Vererbung der übereinstimmenden Merkmale die sog. Produktregel anwendet. Um dem Revisionsgericht eine Überprüfung der Wahrscheinlichkeitsberechnung auf ihre Plausibilität zu ermöglichen, verlangt der Bundesgerichtshof deshalb in ständiger Rechtsprechung die Mitteilung ihrer Grundlagen im Urteil (Beschluss vom 6. März 2012 - 3 StR 41/12; Beschluss vom 12. Oktober 2011 - 2 StR 362/11, NStZ-RR 2012, 53; Beschluss vom 21. Januar 2009 - 1 StR 722/08, NJW 2009, 1159; Beschluss vom 5. Februar 1992 - 5 StR 677/91, NStZ 1992, 601; Urteil vom 12. August 1992 - 5 StR 239/92, BGHSt 38, 320). Hierzu gehören - zumindest wenn der Angeklagte einer fremden Ethnie angehört - eine hin- reichend deutliche Umschreibung der zum Vergleich herangezogenen Bevölkerungsgruppe sowie jedenfalls die Häufigkeit der einzelnen als übereinstimmend festgestellten Merkmale in dieser Vergleichspopulation sowie eine Aussage dazu, inwieweit in wissenschaftlich zulässiger Weise die sog. Produktregel zur Anwendung kam.
10
bb) Diesen Maßstäben wird hier die bloße Mitteilung im Urteil, unter Anwendung biostatistischer Berechnungsmethoden ergebe sich eine Wahrscheinlichkeit von eins zu mehr als zehn Milliarden, nicht gerecht. Weder werden die Faktoren erkennbar, auf denen dieses rechnerische Ergebnis beruht, noch wird ersichtlich, inwieweit der Gutachter bei der Auswahl der Vergleichspopulation mögliche aus der ethnischen Herkunft des Angeklagten - eines marokkanischen Staatsangehörigen - herrührende Besonderheiten berücksichtigt hat.
11
b) Auf dem Rechtsfehler beruht das Urteil.
12
Allerdings ergibt sich allein schon aus der Aussage der Sachverständigen , die am Tatort gesicherte DNA stimme in allen 16 untersuchten Systemen mit der des Angeklagten überein, ein deutliches - wenngleich gegenüber der rechtsfehlerfreien Feststellung auch der biostatistischen Häufigkeit der ermittelten Merkmale in seiner Aussagekraft eingeschränktes - Beweisanzeichen für die Täterschaft des Angeklagten. Der Senat hat daher erwogen, ob das Landgericht bei der Würdigung der Beweise auch dann zu keinem anderen Ergebnis gelangt wäre, wenn es statt der für die Urheberschaft des Angeklagten als Spurenleger sprechenden biostatistischen Häufigkeit der Merkmalskombination lediglich die von der Sachverständigen bekundeten Übereinstimmungen in den untersuchten Systemen berücksichtigt hätte.

13
Jedoch hielte die Beweiswürdigung für diesen Fall aus anderen Gründen der revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand; denn jedenfalls angesichts des geringeren Beweiswerts einer bloßen Übereinstimmung des jeweiligen DNA-Materials in den untersuchten Systemen käme es dann maßgeblich auf die anderen vom Landgericht herangezogenen Indizien an. Soweit sich das Landgericht indes tragend auch darauf stützt, der Angeklagte habe Frau E. am Morgen des Tattages telefonisch mit dem Tode bedroht, bleibt die Beweiswürdigung ihrerseits lückenhaft. Wie es zu dieser Feststellung gelangt ist, teilt das Landgericht nicht mit. Insbesondere beruht sie ersichtlich nicht auf den von der Zeugin H. wiedergegebenen Äußerungen von Frau E. , der Angeklagte trachte ihr nach dem Leben, denn nach dem Gesamtzusammenhang des Urteils fand das geschilderte - überdies wohl eher allgemein gehaltene - Gespräch bereits etwa zwei Wochen vor der Tat statt.
Becker Pfister Hubert
Mayer Menges

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 362/11
vom
12. Oktober 2011
in der Strafsache
gegen
wegen besonders schweren Raubes
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 12. Oktober 2011 gemäß
§ 349 Abs. 4 StPO beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Aachen vom 14. April 2011 mit den Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts Aachen zurückverwiesen.

Gründe:

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Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schweren Raubes zu einer Einzelfreiheitsstrafe von sieben Jahren und unter Einbeziehung der Einzelstrafen aus einem Urteil des Landgerichts Essen vom 29. Mai 2009 zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von neun Jahren und sechs Monaten verurteilt. Hiergegen richtet sich die Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung formellen und sachlichen Rechts rügt. Das Rechtsmittel hat mit der Sachrüge Erfolg.
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1. Gegenstand der Verurteilung ist ein Überfall am 16. Januar 2003 auf ein Juweliergeschäft in Aachen, bei dem fünf zum Teil mit scharfen Pistolen bewaffnete Täter Schmuck und Uhren im Wert von knapp 100.000 Euro erbeuteten. Am Tatort ließen die Täter u.a. eine Umhängetasche zurück, an deren auf den Tragriemen aufgesetzter Handytasche eine DNA-Spur festgestellt wurde , "die dem Angeklagten zugeordnet werden konnte" (UA 9).
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2. Der Angeklagte hat die Tat bestritten. Für die DNA-Spur auf der Umhängetasche habe er keine Erklärung. Er habe sich 2002/2003 überwiegend im belgischen Raum aufgehalten, sei lediglich ein Mal im August/September 2002 am Aachener Hauptbahnhof umgestiegen, jedoch nicht in die Stadt gegangen.
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Das Landgericht hält die Beteiligung des Angeklagten an dem Überfall für erwiesen. Es stützt sich dabei vor allem auf die DNA-Spur auf der Handytasche. Der Einlassung des Angeklagten, der das Entstehen der Spur nicht habe erklären können und wollen, sei als Schutzbehauptung zu werten. Nach der "festen Überzeugung der Kammer" könne der Angeklagte, wäre er nicht am Überfall beteiligt gewesen, das Vorhandensein der Spur durchaus erklären; auf Erinnerungslücken oder auf Nichtwissen könne er sich nicht berufen. Darüber hinaus sprächen weitere Indizien für die Beteiligung des Angeklagten an dem Überfall. So habe er sich zur fraglichen Zeit nach seiner eigenen Einlassung immerhin in der Aachener Grenzregion aufgehalten, spreche die russische Sprache - nach Zeugenangaben hätten die Täter mit einem russischen bzw. osteuropäischen Dialekt gesprochen - und die Täter hätten insbesondere auch Uhren der Marke "Vacheron Constantin" entwendet, die "in Osteuropa besonders beliebt" seien. Schließlich sei der Angeklagte wegen eines gleichartigen Delikts - Überfall unter Waffeneinsatz auf einen Juwelier in Aalst im Mai 2003 - in Belgien zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilt worden.
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3. Die vom Revisionsführer und dem Generalbundesanwalt gleichermaßen beanstandete Beweiswürdigung hält revisionsrechtlicher Überprüfung nicht stand. Zwar ist die Beweiswürdigung Sache des Tatrichters. Ihm allein obliegt es, das Ergebnis der Hauptverhandlung festzustellen und zu würdigen. Seine Schlussfolgerungen brauchen nicht zwingend zu sein, es genügt, dass sie möglich sind (BGHSt 29, 18, 20). Die revisionsrechtliche Prüfung beschränkt sich darauf, ob dem Tatrichter Rechtsfehler unterlaufen sind. Das ist in sachlichrechtlicher Hinsicht der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist oder gegen die Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt (BGH 4 StR 285/10 vom 28. Oktober 2010; st. Rspr.).
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Legt man dies zugrunde, stellt sich die Beweiswürdigung hier in mehrfacher Hinsicht als lückenhaft dar. Zunächst rügt die Revision zu Recht, dass das Landgericht zur Begründung seiner Feststellung, es habe sich eine DNA-Spur des Angeklagten auf der Handytasche der Umhängetasche befunden, pauschal auf ein "Gutachten des Landeskriminalamtes Nordrhein-Westfalen vom 30.3.2011 in Verbindung mit dessen Mitteilung vom 3.2.2009" verweist (UA 11). Zwar handelt es sich bei der molekulargenetischen Untersuchung von DNASpurenträgern um ein standardisiertes Verfahren, bei dem die Darlegungsanforderungen in den Urteilsgründen geringer sind, als dies normalerweise bei Sachverständigengutachten der Fall ist, und es insbesondere keiner Darlegung der Untersuchungsmethode bedarf. Um dem Revisionsgericht die Nachprüfung zu ermöglichen, ob die auf das Gutachten gestützte Überzeugung des Landgerichts auf rechtsfehlerfreier Grundlage beruht, hätte es gleichwohl in den Urteilsgründen neben der Berechnungsgrundlage zumindest der Mitteilung bedurft , mit welcher Wahrscheinlichkeit der Angeklagte als Spurenleger in Betracht kommt. Denn was das Ergebnis der DNA-Analyse betrifft, bedarf es regelmäßig jedenfalls eines Seltenheitswertes im Millionenbereich, um die Überzeugung des Tatrichters zu begründen, dass eine bestimmte Spur vom Angeklagten herrührt (BGH NStZ 2009, 285).
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Die Beweiswürdigung ist aber auch deshalb lückenhaft, weil das Landgericht sich nicht ausreichend mit der für die Täterschaft des Angeklagten ent- scheidenden Frage auseinandersetzt, ob zwischen der DNA-Spur und der Tat ein Zusammenhang besteht. Ein solcher Zusammenhang verstand sich angesichts von Gegenstand und Ort, an dem die Spur sichergestellt wurde, nicht von selbst. Das Landgericht stützt sich dabei entscheidend auf die Erwägung, dass der Angeklagte das Vorhandensein der Spur nicht plausibel erklären "konnte bzw. wollte" (UA 11). Insoweit kann dahinstehen, ob dies - wie der Generalbundesanwalt in seiner Zuschrift ausgeführt hat - bereits deshalb als rechtsfehlerhaft zu beurteilen ist, weil die im Urteil wiedergegebenen Angaben des Angeklagten nicht als Teileinlassung, sondern als pauschales Bestreiten zu werten sind, mithin das Landgericht unzulässigerweise aus seinem Schweigen für ihn nachteilige Schlüsse gezogen hat (vgl. etwa BGH NStZ 2007, 417; 2009, 705).
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Jedenfalls hätte sich das Landgericht mit Rücksicht auf den allenfalls geringen Beweiswert des von ihm für ausschlaggebend erachteten Umstandes damit auseinandersetzen müssen, ob und inwieweit die Spur möglicherweise auf andere Weise als durch unmittelbare Beteiligung des Angeklagten an dem Überfall an die Umhängetasche gelangt sein konnte. Dazu hätte es weiterer Feststellungen und Erörterungen im Urteil bedurft. Um dem Revisionsgericht die Prüfung zu ermöglichen, ob die Schlussfolgerung des Landgerichts auf einer tragfähigen Grundlage beruht, hätte die Kammer - worauf der Generalbundesanwalt zutreffend hinweist - etwa mitteilen müssen, um welche Art von Spurenträger es sich handelt und an welcher Stelle der Tasche diese gesichert wurde. Namentlich die Feststellung des Spurenträgers - z.B. Fingerspur oder Haar des Angeklagten - hätte indiziell dafür sein können, ob die DNA-Spur auf die Anwesenheit des Angeklagten am Tatort hinweist oder auch ohne Verbindung zum Tatgeschehen dorthin gelangt sein konnte. Für die Frage des Zusammenhangs zwischen der DNA-Spur und der Tat konnte schließlich von Bedeutung sein, ob an der Tasche weitere DNA-Spuren von anderen Personen gefunden wurden.
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4. Das Urteil beruht auf den erörterten Lücken bei der Beweiswürdigung. Das Landgericht hat den weiteren von ihm angegebenen Indizien für die Anwesenheit des Angeklagten zur Tatzeit am Tatort, die zudem sämtlich nur einen schwachen Beweiswert besitzen, ausdrücklich nur ergänzende und keine entscheidende Bedeutung beigemessen (UA 12).
Fischer Appl Schmitt Krehl Eschelbach