Bundesgerichtshof Beschluss, 31. Juli 2013 - 4 StR 270/13

bei uns veröffentlicht am31.07.2013

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 270/13
vom
31. Juli 2013
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen zu 1. Bestimmens einer Person unter 18 Jahren, als Person über
21 Jahren, zum unerlaubten Handel mit Betäubungsmitteln u.a.
zu 2. Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und der Beschwerdeführer am 31. Juli 2013 gemäß § 349 Abs. 2
und Abs. 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten K. wird das Urteil des Landgerichts Siegen vom 16. Januar 2013 mit den Feststellungen aufgehoben
a) soweit der Angeklagte K. wegen Raubes verurteilt wurde,
b) im Ausspruch über die Gesamtstrafe.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Die weiter gehende Revision des Angeklagten K. wird verworfen.
2. Die Revision des Angeklagten G. gegen das Urteil des Landgerichts Siegen vom 16. Januar 2013 wird verworfen.
Er hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten K. wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, wegen Raubes und wegen versuchter räuberischer Erpressung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt, den Angeklagten G. hat es wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit "Bestimmen einer Person unter 18 Jahren zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln" zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt; im Übrigen hat es die Angeklagten freigesprochen. Gegen dieses Urteil wenden sich die Angeklagten mit der Sachrüge, der Angeklagte K. zudem mit Verfahrensrügen. Das Rechtsmittel des Angeklagten K. hat hinsichtlich der Verurteilung wegen Raubes Erfolg; dies führt zur Aufhebung auch der Gesamtstrafe. Im Übrigen ist es, wie die Revision des Angeklagten G. insgesamt, unbegründet.
2
1. Das Rechtsmittel des Angeklagten K. hat mit der Sachrüge Erfolg, soweit es sich gegen die Verurteilung wegen Raubes (Überfall vom 17. September 2010) richtet.
3
a) Das Tatgericht hat in den Fällen, in denen es dem Gutachten eines Sachverständigen folgt, die wesentlichen Anknüpfungstatsachen und Ausführungen des Gutachters so darzulegen, dass das Rechtsmittelgericht prüfen kann, ob die Beweiswürdigung auf einer tragfähigen Tatsachengrundlage beruht und ob die Schlussfolgerungen nach den Gesetzen der Logik, den Erfahrungssätzen des täglichen Lebens und den Erkenntnissen der Wissenschaft möglich sind (vgl. BGH, Beschlüsse vom 19. August 1993 - 4 StR 627/92, BGHSt 39, 291, 296 f.; vom 21. September 2004 - 3 StR 333/04, NStZ 2005, 326). Dabei dürfen die Anforderungen, welche das Tatgericht an das Gutachten zu stellen hat, nicht mit den sachlichrechtlichen Anforderungen an den Inhalt der Urteilsgründe gleichgesetzt werden. Mögliche Fehlerquellen sind nur zu erörtern, wenn der Einzelfall dazu Veranlassung gibt (vgl. BGH, Beschluss vom 19. August 1993 - 4 StR 627/92, aaO, 297 f.; zum Ganzen: BGH, Urteil vom 21. März 2013 - 3 StR 247/12).
4
In den Fällen einer DNA-Untersuchung reicht es für das Revisionsgericht zur Überprüfung, ob das Ergebnis einer auf einer DNA-Untersuchung beruhenden Wahrscheinlichkeitsberechnung plausibel ist, im Regelfall aus, wenn das Tatgericht mitteilt, wie viele Systeme untersucht wurden, ob diese unabhängig voneinander vererbbar sind (und mithin die Produktregel anwendbar ist), ob und inwieweit sich Übereinstimmungen in den untersuchten Systemen ergeben haben und mit welcher Wahrscheinlichkeit die festgestellte Merkmalkombination zu erwarten ist; sofern der Angeklagte einer fremden Ethnie angehört, ist zudem darzulegen, inwieweit dies bei der Auswahl der Vergleichspopulation von Bedeutung war (vgl. BGH, Urteil vom 21. März 2013 - 3 StR 247/12 mwN; zu ggf. geringeren Anforderungen bei einer Vielzahl weiterer gewichtiger Indizien BGH, Beschluss vom 23. Oktober 2012 - 1 StR 377/12, NStZ 2013, 179, 180).
5
b) Den sich hieraus ergebenden Anforderungen genügen die Darlegungen in dem landgerichtlichen Urteil nicht.
6
Denn die Strafkammer stützt die Überzeugung von der (Mit-)Täterschaft des Angeklagten K. wesentlich auf das Ergebnis der Untersuchung von DNA in einer Mischspur, die an dem bei der Tat von einem der Täter getragenen Einmal-Overall gesichert worden war. Hierzu teilt das Landgericht (lediglich ) mit, dass "beim Vergleich der in der Analysedatei erfassten Vergleichswer- te …die Spur der Person A mit einer Wahrscheinlichkeit von 1 zu 53 Mrd. bei der in der Bundesrepublik lebenden Bevölkerung als Vergleichspopulation vom Angeklagten" stamme (UA S. 16).
7
c) Die Aufhebung der Verurteilung wegen Raubes hat die Aufhebung des Ausspruchs über die Gesamtfreiheitsstrafe zur Folge.
8
2. Im Übrigen hat das Rechtsmittel des Angeklagten K. , wie auch die Revision des Angeklagten G. insgesamt, aus den vom Generalbundesanwalt in der Antragsschrift vom 20. Juni 2013 dargelegten Gründen keinen Erfolg (§ 349 Abs. 2 StPO). Ergänzend bemerkt der Senat zur Revision des Angeklagten K. lediglich:
9
a) Hängt die Frage, ob der Tatrichter zur Prüfung der Täterschaft des Angeklagten ein anthropologisches Identitätsgutachten zu erholen hat, von der Qualität vorhandener Lichtbilder (hier: einer Überwachungskamera) ab, so hat er zunächst selbst zu beurteilen, ob die Tataufnahmen als Anknüpfungstatsachen für ein solches Gutachten geeignet sind (BGH, Urteil vom 15. Februar 2005 - 1 StR 91/04 [Rn. 31], NStZ 2005, 458, 460). Hat er Zweifel, muss er im Wege des Freibeweises - etwa durch Befragung eines Sachverständigen - klären , ob die Qualität der Lichtbilder für eine sachverständige Beurteilung ausreicht. Dabei ist Maßstab nicht, ob der Sachverständige sichere oder eindeutige Schlüsse ziehen kann, vielmehr ist die Erholung des Gutachtens schon dann geboten, wenn seine Folgerungen die (Nicht-)Täterschaft des Angeklagten mehr oder weniger wahrscheinlich machen und das Gutachten hierdurch unter Berücksichtigung des sonstigen Beweisergebnisses Einfluss auf die Überzeugungsbildung des Gerichts erlangen kann (vgl. BGH, Urteil vom 1. Dezember 2011 - 3 StR 284/11, StV 2013, 481, 482).
10
b) Zur Fassung des Schuldspruchs (hier der Kennzeichnung der Mittäterschaft im Urteilstenor als "gemeinschaftlich") verweist der Senat auf die Kommentierung bei Meyer-Goßer, StPO, 56. Aufl., § 260 Rn. 24.
Sost-Scheible Roggenbuck Mutzbauer
Bender Quentin

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 31. Juli 2013 - 4 StR 270/13

Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Beschluss, 31. Juli 2013 - 4 StR 270/13

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Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric
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Referenzen

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
3 StR 247/12
vom
21. März 2013
in der Strafsache
gegen
wegen besonders schweren Raubes u.a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung am 21. März 2013,
an der teilgenommen haben:
Präsident des Bundesgerichtshofs
Prof. Dr. Tolksdorf
als Vorsitzender,
die Richter am Bundesgerichtshof
Pfister,
Dr. Schäfer,
Mayer,
Gericke
als beisitzende Richter,
Staatsanwältin
als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Duisburg vom 2. März 2012 wird verworfen. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen besonders schweren Raubes in Tateinheit mit Körperverletzung unter Einbeziehung der Strafen aus drei früheren Urteilen und Auflösung dort gebildeter Gesamtstrafen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und zehn Monaten verurteilt. Die hiergegen gerichtete, auf die allgemeine Sachbeschwerde gestützte Revision des Angeklagten hat keinen Erfolg.
2
I. Das Landgericht hat im Wesentlichen die folgenden Feststellungen und Wertungen getroffen:
3
Der Angeklagte suchte am Morgen des 6. Mai 2009 einen Autohandel in Duisburg auf, um dessen Inhaber T. unter Verwendung eines Elektroschockgeräts zu berauben. Während vermeintlicher Verkaufsverhandlungen ging der Angeklagte auf den halb abgewandt stehenden T. zu und führte das eingeschaltete Elektroschockgerät in dessen Richtung. Da der Angegriffene sich wehrte, versetzte ihm der Angeklagte im Rahmen eines Kampfes schließlich Kniestöße ins Gesicht, die zu Frakturen des Nasenbeins sowie der Nasenhöhle führten und den Geschädigten kampfunfähig machten. Der Angeklagte entnahm sodann aus dessen Hosentaschen 3.600 €. Zudem nahm er die Jacke des Opfers an sich, in der sich ein Portemonnaie mit Bargeld befand.
4
Der Angeklagte hat sich zum Tatvorwurf nicht eingelassen. Zu seiner Täterschaft hat das Landgericht im Urteil ausgeführt, dass diese sich aus den DNA-Spuren ergebe, die an der Nylonschlaufe und der Batterie des vom Täter mitgebrachten Elektroschockgeräts sowie an einem vom Täter berührten Autoschlüssel festgestellt worden seien. Nach näherer Darstellung der jeweils acht untersuchten Merkmalsysteme hat die Strafkammer den Schluss gezogen, dass der Angeklagte der Spurenverursacher gewesen sei, da das für ihn bestimmte DNA-Identifizierungsmuster statistisch unter mehr als zehn Milliarden Personen kein zweites Mal vorkomme.
5
II. Die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Der näheren Erörterung bedarf, dass das Landgericht seine Überzeugung von der Täterschaft des Angeklagten allein auf die Übereinstimmung von DNA-Merkmalen gestützt hat.
6
Die Würdigung der Beweise ist vom Gesetz dem Tatgericht übertragen (§ 261 StPO), das sich unter dem umfassenden Eindruck der Hauptverhandlung ein Urteil über die Schuld oder Unschuld des Angeklagten zu bilden hat. Dazu kann es zu seiner Überzeugungsbildung auch allein ein Beweisanzeichen heranziehen (vgl. hinsichtlich Fingerabdrücken bereits BGH, Urteil vom 11. Juni 1952 - 3 StR 229/52, juris Rn. 4 ff.; zu Schriftsachverständigengutachten BGH, Beschluss vom 24. Juni 1982 - 4 StR 183/82, NJW 1982, 2882, 2883). Das Revisionsgericht ist demgegenüber auf die Prüfung beschränkt, ob die Beweiswürdigung des Tatrichters mit Rechtsfehlern behaftet ist, etwa weil sie Lücken oder Widersprüche aufweist, mit den Denkgesetzen oder gesichertem Erfahrungswissen nicht in Einklang steht oder sich so weit von einer festen Tatsachengrundlage entfernt, dass die gezogenen Schlussfolgerungen sich letztlich als reine Vermutungen erweisen (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteile vom 6. Dezember 2007 - 3 StR 342/07, NStZ-RR 2008, 146, 147 mwN; vom 26. Juli 1990 - 4 StR 301/90, BGHR StGB § 306 Beweiswürdigung 3 mwN). Dabei gehören von gesicherten Tatsachenfeststellungen ausgehende statistische Wahrscheinlichkeitsrechnungen zu den Mitteln der logischen Schlussfolgerung, welche dem Tatrichter grundsätzlich ebenso offenstehen wie andere mathematische Methoden (BGH, Urteil vom 14. Dezember 1989 - 4 StR 419/89, BGHSt 36, 320, 325). Nach diesen Prüfungsmaßstäben ist die Beweiswürdigung nicht zu beanstanden.
7
1. Die hier festgestellte Übereinstimmung zwischen den Allelen des Angeklagten und auf Tatortspuren festgestellten Allelen in den acht untersuchten Systemen bietet angesichts der statistischen Häufigkeit des beim Angeklagten gegebenen DNA-Identifizierungsmusters eine ausreichende Tatsachengrundlage für die Überzeugungsbildung des Tatgerichts.
8
Dabei ist davon auszugehen, dass es sich bei der Merkmalswahrscheinlichkeit (oder Identitätswahrscheinlichkeit) lediglich um einen statistischen Wert handelt. Dieser gibt keine empirische Auskunft darüber, wie viele Menschen tatsächlich eine identische Merkmalkombination aufweisen, sondern sagt lediglich etwas dazu aus, mit welcher Wahrscheinlichkeit aufgrund statistischer, von einer beschränkten Datenbasis ausgehender Berechnungen zu erwarten ist, dass eine weitere Person die gleiche Merkmalkombination aufweist. Diese Wahrscheinlichkeit lässt sich für die Bewertung einer festgestellten Merkmalsübereinstimmung heranziehen. Je geringer die Wahrscheinlichkeit ist, dass zufällig eine andere Person identische Merkmale aufweist, desto höher kann das Tatgericht den Beweiswert einer Übereinstimmung einordnen und sich - gegebenenfalls allein aufgrund der Übereinstimmung - von der Täterschaft überzeugen (vgl. einerseits BGH, Urteil vom 12. August 1992 - 5 StR 239/92, BGHSt 38, 320, 324: Wahrscheinlichkeit von 1 : 6.937 reicht allein zum Nachweis der Täterschaft nicht aus; andererseits BGH, Beschluss vom 21. Januar 2009 - 1 StR 722/08, NJW 2009, 1159: Seltenheitswert im Millionenbereich, im konkreten Fall 1 : 256 Billiarden, kann ausreichen; vgl. dazu auch BGH, Beschluss vom 12. Oktober 2011 - 2 StR 362/11, NStZ 2012, 403, 404; zur Vaterschaftsfeststellung BGH, Urteil vom 12. Januar 1994 - XII ZR 155/92, NJW 1994, 1348, 1349).
9
Dass sich auch bei einer sehr geringen Wahrscheinlichkeit (selbst im Milliarden - oder Billionenbereich) wegen der statistischen Herangehensweise die Spurenverursachung durch eine andere Person niemals völlig ausschließen lässt, hindert das Tatgericht nicht daran, seine Überzeugungsbildung gegebenenfalls allein auf die DNA-Spur zu stützen; denn eine mathematische, jede andere Möglichkeit ausschließende Gewissheit ist für die Überzeugungsbildung nicht erforderlich (vgl. BGH, Beschluss vom 24. Januar 2012 - VI ZR 132/10, juris Rn. 8; Urteil vom 20. September 2011 - 1 StR 120/11, NStZ-RR 2012, 72, 73 mwN). Vielmehr genügt ein nach der Lebenserfahrung ausreichendes Maß an Sicherheit, das vernünftige Zweifel nicht aufkommen lässt. Ob sich das Tatgericht allein aufgrund einer Merkmalübereinstimmung mit einer entsprechenden Wahrscheinlichkeit von der Täterschaft zu überzeugen vermag, ist mithin vorrangig - wie die Beweiswürdigung ansonsten auch - ihm selbst überlassen (vgl. allgemein zur Bewertung des Beweiswerts einer DNA-Analyse durch das Tatgericht BVerfG, Beschluss vom 18. September 1995 - 2 BvR 103/92, NJW 1996, 771, 773 mwN; weitergehend zum Beweiswert BVerfG, Beschluss vom 14. Dezember 2000 - 2 BvR 1741/99 u.a., BVerfGE 103, 21, 32). Im Einzelfall kann es revisionsrechtlich sowohl hinzunehmen sein, dass sich das Tatgericht eine entsprechende Überzeugung bildet, als auch, dass es sich dazu aufgrund vernünftiger Zweifel nicht in der Lage sieht.
10
Dem stehen die Urteile des 5. Strafsenats vom 21. August 1990 (5 StR 145/90, BGHSt 37, 157, 159) und 12. August 1992 (5 StR 239/92, BGHSt 38, 320, 322 ff.) nicht entgegen. Zum einen gingen die Entscheidungen insbesondere hinsichtlich der Anzahl der (damals lediglich drei) untersuchten Merkmale und des Stands der Untersuchungsabläufe von anderen Grundlagen aus. Zum anderen ist ihnen kein allgemeiner Rechtssatz zu entnehmen, dass das Ergebnis einer DNA-Analyse niemals allein zur Überzeugungsbildung von der Täterschaft ausreichen könne. Vielmehr weisen die Urteile darauf hin, dass einem Analyseergebnis kein unumstößlicher Beweiswert zukomme, der eine Gesamtschau der gegebenenfalls weiter vorhandenen be- und entlastenden Indizien entbehrlich mache. Dass dem Tatgericht generell versagt ist, dem als bedeutsames Indiz zu wertenden Untersuchungsergebnis die maßgebliche oder alleinige Bedeutung bei der Überzeugungsbildung beizumessen, ergibt sich daraus nicht. Hiervon ist auch der Senat in einer früheren Entscheidung (BGH, Beschluss vom 6. März 2012 - 3 StR 41/12, BGHR StPO § 261 Identifizierung 21) nicht ausgegangen. Vielmehr hat er im Anschluss an die vorgenannte Rechtsprechung hervorgehoben, dass das Ergebnis eines DNAVergleichsgutachtens lediglich ein Indiz darstelle, das jedoch hinsichtlich der Spurenverursachung keinen zwingenden Schluss erlaube. Dies allein hindert indes das Tatgericht nicht, aus dem Ergebnis einen möglichen Schluss auf die Spurenverursachung und die Täterschaft zu ziehen.
11
2. Das Landgericht hat die Grundlagen zur Berechnung der Wahrscheinlichkeit in einer Weise dargelegt, die dem Revisionsgericht eine Überprüfung der Berechnung auf ihre Plausibilität ermöglicht (vgl. BGH, Beschluss vom 6. März 2012 - 3 StR 41/12, BGHR StPO § 261 Identifizierung 21 mwN). Dazu sind in den Urteilsgründen tabellarisch die acht untersuchten Merkmalsysteme und die Anzahl der Wiederholungen im Einzelnen aufgeführt worden. Der Senat sieht insofern - auch zur Klarstellung und Präzisierung seiner bisherigen Rechtsprechung (vgl. BGH, Beschlüsse vom 6. März 2012 - 3 StR 41/12, aaO; vom 3. Mai 2012 - 3 StR 46/12, BGHR StPO § 261 Identifizierung 23; vom 15. Mai 2012 - 3 StR 164/12) - Anlass zu dem Hinweis, dass eine solche umfangreiche Darstellung grundsätzlich nicht erforderlich ist.
12
Das Tatgericht hat in den Fällen, in dem es dem Gutachten eines Sachverständigen folgt, die wesentlichen Anknüpfungstatsachen und Ausführungen des Gutachters so darzulegen, dass das Rechtsmittelgericht prüfen kann, ob die Beweiswürdigung auf einer tragfähigen Tatsachengrundlage beruht und ob die Schlussfolgerungen nach den Gesetzen, den Erfahrungssätzen des täglichen Lebens und den Erkenntnissen der Wissenschaft möglich sind (vgl. BGH, Beschlüsse vom 19. August 1993 - 4 StR 627/92, BGHSt 39, 291, 296 f.; vom 21. September 2004 - 3 StR 333/04, NStZ 2005, 326). Dabei dürfen die Anforderungen , welche das Tatgericht an das Gutachten zu stellen hat, nicht mit den sachlichrechtlichen Anforderungen an den Inhalt der Urteilsgründe gleichgesetzt werden. Mögliche Fehlerquellen sind nur zu erörtern, wenn der Einzelfall dazu Veranlassung gibt (vgl. BGH, Beschluss vom 19. August 1993 - 4 StR 627/92, aaO, 297 f.). Dies beeinträchtigt die Rechtsposition des Angeklagten nicht, da er etwaige Fehler des Sachverständigengutachtens sowohl in der Hauptverhandlung als auch mit der Verfahrensrüge im Revisionsverfahren geltend machen kann.
13
Danach reicht es für das Revisionsgericht zur Überprüfung, ob das Ergebnis einer auf einer DNA-Untersuchung beruhenden Wahrscheinlichkeitsberechnung plausibel ist, im Regelfall aus, wenn das Tatgericht mitteilt, wie viele Systeme untersucht wurden, ob diese unabhängig voneinander vererbbar sind (und mithin die Produktregel anwendbar ist), ob und inwieweit sich Übereinstimmungen in den untersuchten Systemen ergeben haben und mit welcher Wahrscheinlichkeit die festgestellte Merkmalkombination zu erwarten ist (vgl. BGH, Beschlüsse vom 12. Oktober 2011 - 2 StR 362/11, NStZ 2012, 403, 404; vom 7. November 2012 - 5 StR 517/12, NStZ 2013, 179; zu ggf. geringeren Anforderungen bei einer Vielzahl weiterer gewichtiger Indizien BGH, Beschluss vom 23. Oktober 2012 - 1 StR 377/12, NStZ 2013, 179, 180). Sofern der Angeklagte einer fremden Ethnie angehört, ist zudem darzulegen, inwieweit dies bei der Auswahl der Vergleichspopulation von Bedeutung war.
14
3. Die weitere Darstellung der Beweiswürdigung ist hier nicht lückenhaft, auch wenn die Urteilsgründe keine ausdrückliche Gesamtwürdigung aller beweiserheblichen Umstände enthalten. Zwar hat das Tatgericht zu beachten, dass die (durch eine DNA-Analyse ermittelte) hohe Wahrscheinlichkeit einer Spurenverursachung durch den Angeklagten eine Würdigung aller Beweisumstände gerade mit Blick auf die bloß statistische Aussagekraft nicht überflüssig macht (vgl. BGH, Urteile vom 27. Juli 1994 - 3 StR 225/94, NStZ 1994, 554, 555; vom 12. August 1992 - 5 StR 239/92, BGHSt 38, 320, 324; zur Vaterschaftsfeststellung BGH, Urteil vom 3. Mai 2006 - XII ZR 195/03, BGHZ 168, 79, 82 f.). Allerdings hängt das Maß der gebotenen Darlegung in den Urteilsgründen von der jeweiligen Beweislage und insoweit von den Umständen des Einzelfalles ab; dieser kann so beschaffen sein, dass sich die Erörterung bestimmter einzelner Beweisumstände erübrigt (etwa BGH, Urteil vom 16. März 2004 - 5 StR 490/03, juris Rn. 11). Nach den konkreten Umständen sind keine Gesichtspunkte ersichtlich, welche den Beweiswert der Merkmalübereinstim- mung schmälern oder allgemein gegen die Täterschaft des Angeklagten sprechen könnten und daher in der Beweiswürdigung näher zu erörtern gewesen wären.
15
4. Schließlich hat das Landgericht den Zusammenhang zwischen den DNA-Spuren und der Tat ausreichend dargelegt (vgl. BGH, Beschlüsse vom 12. Oktober 2011 - 2 StR 362/11, NStZ 2012, 403, 404; vom 23. Oktober 2012 - 1 StR 377/12, NStZ 2013, 179, 180).
PräsBGH Prof. Dr. Tolksdorf Pfister Schäfer ist urlaubsbedingt an der Unterschriftsleistung gehindert. Pfister Mayer Gericke

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 377/12
vom
23. Oktober 2012
in der Strafsache
gegen
wegen Geiselnahme u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 23. Oktober 2012 beschlossen
:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts
Heidelberg vom 13. März 2012 wird als unbegründet verworfen,
da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung
keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels und die
dem Nebenkläger im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen
Auslagen zu tragen.
Ergänzend zur Antragsschrift des Generalbundesanwalts vom 16. Juli
2012 bemerkt der Senat:
1. Die Rüge, das Landgericht habe zwei am Morgen des Tages der dem
Angeklagten vorgeworfenen Entführung zwischen diesem und dem Mittäter
K. ausgetauschte SMS mit dem Text „Bin da“ bzw. „Ich in 10 min“ nicht
„formal in die Hauptverhandlung eingeführt“ und damit gegen § 261 StPO ver-
stoßen, ist zulässig erhoben. Denn die Revision trägt alle für die revisionsgerichtliche
Prüfung, ob der behauptete Verfahrensfehler vorliegt, erforderlichen
Tatsachen vor (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO). Sie teilt nicht nur mit, dass der Inhalt
der SMS weder verlesen noch in Augenschein genommen worden ist, sondern
unter Zitierung aus den - dem Senat aufgrund der zulässig erhobenen
Sachrüge ohnehin eröffneten (vgl. BGH, Urteil vom 5. Dezember 1996
- 1 StR 628/96, NStZ 1997, 378) - Urteilsgründen auch, dass über ihn der als
Zeuge gehörte KHK F. berichtet hat.
Angesichts dessen erweist sich die Rüge aber als unbegründet. Ein
Ausnahmefall, in dem der Inhalt der beiden Nachrichten etwa wegen seines
erheblichen Umfangs oder seiner Komplexität nur durch förmliche Verlesung
prozessordnungsgemäß in die Hauptverhandlung hätte eingeführt werden können
, liegt nicht vor.
2. a) Ohne Rechtsfehler hat die Strafkammer auch einen „zum Beweis
der Tatsache, dass die … vorgelegten 7 Lagen … nicht von einer Rolle Pan-
zerklebeband stammen und nicht paßgenau sind“ gestellten Beweisantrag auf
Augenschein und Einholung eines Sachverständigengutachtens abgelehnt.
Denn sie hatte das am Tatort als Agglomerat mehrerer übereinander geklebter
Lagen aufgefundene, zur Fesselung des Entführungsopfers verwendete Panzerklebeband
bereits in Augenschein genommen. Die fehlende Passgenauigkeit
hat das Landgericht daraufhin als bereits erwiesen erachtet.
Insbesondere begegnet aber auch die weitere von der Revision beanstandete
Begründung, es sei für die Entscheidung ohne Bedeutung, ob die einzelnen
Lagen von unterschiedlichen Klebebandrollen abstammten, keinen Bedenken.
Die mit dem Antrag erstrebte Feststellung, die innen gelegene vierte
Lage des Agglomerats, auf dessen Klebeseite sich ein Fingerabdruck des Angeklagten
befand, stamme von einer anderen Rolle als die äußeren Lagen, ließe
zwar den Schluss zu, dass der Angeklagte diese Lage als ehemals äußerste
Schicht einer anderen Klebebandrolle bei einer früheren Gelegenheit zufällig
berührt hatte. Dies wäre aber auch möglich gewesen, wenn alle sichergestellten
Lagen des Klebebandes von nur einer Rolle stammen würden, weil sich
gerade wegen der fehlenden Passgenauigkeit der Lagen nicht feststellen lässt,
ob die in Rede stehende vierte Lage des Agglomerats sich auf der Rolle zunächst
außen befunden hat.

b) Der Senat braucht der Frage, ob das Landgericht in den schriftlichen
Urteilsgründen vom Ablehnungsgrund der Bedeutungslosigkeit möglicherweise
abgewichen ist, nicht nachzugehen. Denn die Revision hat ihre Rüge nicht mit
dieser Angriffsrichtung erhoben (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 28. Mai 2003
- 2 StR 486/02, NStZ-RR 2003, 268; BGH, Beschluss vom 29. Juni 2006
- 3 StR 175/06), sondern allein eine fehlerhafte Ablehnung des Beweisantrages
geltend gemacht (vgl. Überschrift und Einleitungssatz auf S. 5 der Revisionsbe-
gründungsschrift, ebenso S. 7: „Die Ablehnung […] wurde […] rechtsfehlerhaft
vorgenommen.“). Ihr weiterer Vortrag, der auch die die Bedeutsamkeit der Be-
weistatsache nahelegenden Urteilsausführungen enthielt (Begründungsschrift
S. 7 f.), diente ersichtlich nur dazu, die behauptete Fehlerhaftigkeit der Ablehnungsbegründung
zu untermauern.
3. Auch mit dem Vorbringen, die Strafkammer habe ihre Aufklärungspflicht
(§ 244 Abs. 2 StPO) verletzt, dringt die Revision nicht durch.
Sie trägt vor, die Kammer habe es zu Unrecht unterlassen, die weiteren
Tatbeteiligten Z. S. , R. S. und K. als Zeugen
zu vernehmen, nachdem diese in der gegen sie wegen derselben Tat
durchgeführten Hauptverhandlung angekündigt hatten, sich bei einer eventuellen
Zeugenvernehmung in der den Angeklagten betreffenden Hauptverhandlung
auf ihr Auskunftsverweigerungsrecht (§ 55 Abs. 1 StPO) berufen zu wollen.
Der weiteren als Zeugin erschienenen Tatbeteiligten St. habe das
Landgericht wegen ihres Verlöbnisses mit Z. S. unzutreffend ein
Zeugnisverweigerungsrecht gemäß § 52 Abs. 1 Nr. 1 StPO zugebilligt. Denn
alle vier genannten Zeugen seien - wie sich aus den Urteilsgründen selbst ergebe
(UA S. 3, 11 und 12) - zum Zeitpunkt der angefochtenen Entscheidung
bereits rechtskräftig verurteilt gewesen. Keinesfalls habe sich die Kammer daher
mit der Vernehmung des an der Hauptverhandlung gegen Z. S.
, R. S. , K. und St. beteiligten Richters
Z. über deren dortige Angaben begnügen dürfen.
Die Zulässigkeit der Rüge unterstellt, wäre diese jedenfalls unbegründet.
Dies folgt betreffend Z. S. und K. bereits daraus,
dass deren Verurteilung - wie sich der Gegenerklärung der Staatsanwaltschaft
entnehmen lässt (zu deren praktischer Relevanz Drescher, NStZ 2003, 296) -
erst am 15. März 2012 rechtskräftig geworden ist. Ihnen stand mithin bis zum
Erlass des angefochtenen Urteils zwei Tage zuvor ein Auskunftsverweigerungsrecht
gemäß § 55 Abs. 1 StPO noch zu.
Soweit das Urteil sich gegen St. und R. S. richtete,
war es zwar bereits am 21. Februar 2012 bzw. 12. März 2012 rechtskräftig geworden.
Ihnen stand aber wegen des Verlöbnisses mit Z. S. bzw.
der mit diesem bestehenden Verwandtschaft ein Zeugnisverweigerungsrecht
nach § 52 Abs. 1 Nr. 1 bzw. 3 StPO und darüber hinaus aus denselben Gründen
auch ein Auskunftsverweigerungsrecht (§ 55 Abs. 1, 2. Alt. StPO) zu.
Schon deshalb brauchte sich das Landgericht nicht gedrängt zu sehen,
die vier bezeichneten Tatbeteiligten zeugenschaftlich zu hören, zumal keine
Anhaltspunkte für die Annahme bestanden, diese würden nunmehr anders als
in der gegen sie geführten Hauptverhandlung aussagen.
4. Auch die näher ausgeführte Sachrüge deckt keinen Rechtsfehler zum
Nachteil des Angeklagten auf. Insbesondere erweist sich die sorgfältige, auf
eine Vielzahl gewichtiger Indizien - z.B. die Freundschaft des Angeklagten zu
dem hinsichtlich seiner eigenen Tatbeteiligung geständigen Z. S. ,
die durch die ausgetauschten SMS-Kurznachrichten belegte Verabredung des
Angeklagten mit K. am Tattagmorgen, die auf den fast zwei Meter
großen Angeklagten passende Täterbeschreibung durch das Entführungsopfer
und weitere Zeugen, die Kombination von Opfer-DNA und Fingerabdruck
des Angeklagten auf dem Klebeband-Agglomerat - gestützte Beweiswürdigung
des Landgerichts entgegen der Ansicht der Revision als rechtsfehlerfrei.

a) Dies gilt auch bezüglich der DNA-Spur (Kern-DNA), die einer am Tatort
gefundenen Zigarettenkippe anhaftete und mit einer biostatistischen Wahrscheinlichkeit
von 1:28 Billionen in der Vergleichspopulation vorkommt. Denn
bei der vorliegenden Fallgestaltung war es ausreichend, allein dieses Ergebnis
der Analyse im Urteil anzugeben, ohne die verwendete Untersuchungsmethodik
und die anschließende Wahrscheinlichkeitsberechnung betreffend die
Merkmalskombination darzustellen.
aa) Hinsichtlich der Methodik entspricht dies ständiger Rechtsprechung
des Bundesgerichtshofs. Wegen ihrer inzwischen anerkannten Standardisierung
bedarf die bei der DNA-Analyse verwendete Untersuchungsmethode - wie
auch diejenigen bei anderen standardisierten Untersuchungsmethoden, etwa
bei der Blutalkoholbestimmung oder der Daktyloskopie - als solche keiner näheren
Darlegung in den Urteilsgründen mehr (vgl. BGH, Beschlüsse vom 3. Mai
2012 - 3 StR 46/12 und vom 12. Oktober 2011 - 2 StR 362/11).
bb) Anders soll es sich in bestimmten Konstellationen bei der sich daran
anknüpfenden Wahrscheinlichkeitsberechnung verhalten (BGH, Beschlüsse
vom 3. Mai 2012 - 3 StR 46/12 mwN, 6. März 2012 - 3 StR 41/12 und vom
12. Oktober 2011 - 2 StR 362/11). Danach bedarf es in Fällen, in denen diese
Berechnung Besonderheiten aufweist, der Darlegung der Berechnungsgrundlagen
, um dem Revisionsgericht die Nachprüfung der Schlüssigkeit und Richtigkeit
der Berechnung zu ermöglichen (vgl. BGH, Beschluss vom 3. Mai 2012
- 3 StR 46/12). Das ist regelmäßig der Fall, wenn der Angeklagte einer fremden
Ethnie angehört (BGH, Beschluss vom 3. Mai 2012 - 3 StR 46/12) oder wenn
wegen sonstiger Besonderheiten bei der Vergleichspopulation infolge des Vorhandenseins
mehrerer DNA-Merkmale (vgl. BGH, Beschluss vom 26. Mai 2009
- 1 StR 597/08; Urteil vom 12. August 1992 - 5 StR 239/92, BGHSt 38, 320 ff.)
die Anwendung der sog. Produktregel für unabhängige Merkmale in Betracht
kommt (vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 3. Mai 2012 - 3 StR 46/12; s. auch
BGH, Beschluss vom 5. Februar 1992 - 5 StR 677/91, NStZ 1992, 601, 602).
Hier liegen derartige Besonderheiten jedoch nicht vor.

b) Nicht zu beanstanden ist ferner die von der Strafkammer vorgenommene
, für die Täterschaft des Angeklagten sprechende Würdigung des Zusammenhangs
der sichergestellten DNA-Spur mit der Tat (vgl. BGH, Beschluss
vom 12. Oktober 2011 - 2 StR 362/11). Die Kammer hat hierzu festgestellt,
dass die Zigarettenkippe in der tatörtlichen Garage aufgefunden worden war.
Sie hat insofern die Möglichkeit erörtert, dass die Kippe auch bei anderer Gelegenheit
als der Tat in der Garage hätte zurückgelassen worden sein können,
dies aber ohne Rechtsfehler auch deshalb ausgeschlossen, weil die Asche
beim Auffinden noch frisch war (UA S. 39).
Nack Wahl Graf
Jäger Sander

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 91/04
vom
15. Februar 2005
in der Strafsache
gegen
wegen schwerer räuberischer Erpressung
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der am
25. Januar 2005 begonnenen Hauptverhandlung in der Sitzung vom 15. Februar
2005, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Nack
und die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Wahl,
Dr. Boetticher,
Dr. Kolz,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Elf,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt in der Sitzung vom 25. Januar 2005,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte ,
Justizangestellte in der Sitzung vom 15. Februar 2005
als Urkundsbeamtinnen der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Memmingen vom 23. September 2003 wird verworfen. 2. Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Von Rechts wegen

Gründe:


Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schwerer räub erischer Erpressung zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt. Die hiergegen gerichtete Revision des Angeklagten, die die Verletzung formellen und materiellen Rechts beanstandet, bleibt ohne Erfolg.

I.


Das Landgericht hat folgende Feststellungen getroffen:
Am 27. Februar 2003 betrat der Angeklagte um 23.22 Uhr den Verkaufsraum einer Tankstelle in M. , bedrohte die dort tätige Angestellte B. mit einer Pistole und forderte sie zur Herausgabe des sich in der Kasse befindlichen Geldes auf. Die Zeugin glaubte zunächst an einen Scherz, sah dem Angeklagten aber mehrere Sekunden lang ins Gesicht und merkte,
daß er es ernst meinte. Unter dem Eindruck der auf sie gerichteten Pistole, von der das Landgericht zugunsten des Angeklagten davon ausging, daß es sich um eine Spielzeugpistole handelte, gab die Zeugin dem Angeklagten 1.340 Euro. Danach führte der Angeklagte die Zeugin in einen Bereich der Tankstelle , von dem aus sie nicht beobachten konnte, in welche Richtung der Angeklagte das Tankstellengelände verließ. Der Überfall dauerte höchstens fünf Minuten.
Aufgrund des Fahndungsfotos in der örtlichen Zeitung a m 4. März 2003 erkannten die in einer Spielothek tätigen Zeuginnen K. und He. den Angeklagten als einen ihrer Stammgäste wieder. Bei dem Fahndungsfoto handelte es sich um den Abdruck eines der von den in der Tankstelle installierten Überwachungskameras gefertigten Fotos. Nach einem Hinweis der ZeuginK. erfolgte die Festnahme am 11. März 2003 in der Spielothek.
Der Angeklagte hat die Tat bestritten. Er sei die gan ze Nacht zuhause in der elterlichen Wohnung gewesen. Wegen seiner Drogenprobleme sei es ihm untersagt gewesen, abends die Wohnung zu verlassen.
Die Strafkammer hat ihre Überzeugung von der Täterschaf t des Angeklagten vor allem auf die Zeugin B. gestützt. Die Zeugin habe ihn bei der am 12. März 2003 erfolgten Wahllichtbildvorlage wiedererkannt. Daß sie hierfür eine Wahrscheinlichkeit von 80 Prozent angegeben habe, sei "vorsorglich" geschehen. In Wirklichkeit sei sie schon damals ziemlich sicher gewesen. Wiedererkannt habe sie den Angeklagten an dem dunkelbraunen Oberlippenund Kinnbart und dem Drei-Tage-Bart an den Wangen sowie an der schlanken
Figur und der ungewöhnlich großen, vorne spitz zulaufenden Nase. Bereits in ihrer ersten polizeilichen Vernehmung am 28. Februar 2003 habe sie den Täter als 25 bis 26 Jahre und 170 bis 180 cm groß beschrieben. Tatsächlich sei der Angeklagte zur Tatzeit 26 Jahre alt gewesen und 171 cm groß. Die Täterbeschreibung stimme überdies mit den von den Überwachungskameras gefertigten Bildern überein. Auch die Strafkammer stellte eine sehr starke Ähnlichkeit des Angeklagten mit den Fotos fest. Ein weiteres Indiz sei das Wiedererkennen durch die Zeugin B. bei der sequentiellen Videowahlgegenüberstellung am 23. Juli 2003. Der Angeklagte wurde nach Rücksprache mit dem Verteidiger als dritte von insgesamt sechs auf dem Videoband befindlichen Personen bestimmt. Die Zeugin mußte sich nach Ansicht jeweils einer Person sofort entscheiden. Beim Anblick des Angeklagten sei sie deutlich sichtbar zusammengezuckt , aufgeregt, ängstlich und den Tränen nahe gewesen. Den Angeklagten habe sie mit fast 100%iger Sicherheit als Täter wiedererkannt. Geringfügige Zweifel hätten sich nur aufgrund der kürzeren Bartlänge auf den Videoaufnahmen ergeben. Daraufhin wurde die Videowahlgegenüberstellung abgebrochen. Das Landgericht bemerkte, es sei sich der Problematik des wiederholten Wiedererkennens durchaus bewußt ebenso wie bei der eindeutigen Identifizierung in der Hauptverhandlung. Diese spiele gegenüber den bisherigen Identifizierungen auch nur eine unwesentliche Rolle. Daß die Zeugin den Angeklagten an der Stimme erkannt habe, spreche nur insoweit für die Täterschaft des Angeklagten, als Übereinstimmung bestehe mit der bei der ersten Vernehmung erfolgten Beschreibung, der Täter spreche gutes Deutsch mit leichtem türkischen Akzent. Ein weiteres Indiz für die Täterschaft ergebe sich aus dem Gutachten des Sachverständigen Dipl.-Ing.-Fotowesen KHK L. vom Bayerischen Landeskriminalamt, der die Körpergröße des von den Überwachungskameras aufgenommenen Täters auf 170 cm bis 180 cm bestimmte.
Gewichtig komme hinzu, daß die Zeuginnen K. und He. den Angeklagten auf dem Fahndungsfoto als ihren Stammgast in der Spielothek wiedererkannt hätten. Die Eltern und Geschwister hätten nicht dartun können, daß der Angeklagte zum Tatzeitpunkt zuhause gewesen sei. Die Überwachung des Angeklagten wegen seiner Drogenproblematik sei keineswegs lückenlos gewesen. Er hätte die nur ca. zwei Kilometer von der Tankstelle entfernt liegende Wohnung verlassen, den Raubüberfall begehen und wieder zurückkehren können, ohne daß dies von der Familie bemerkt worden wäre.
Die Strafkammer ist auch entgegen den Angaben des Ange klagten nicht davon ausgegangen, daß derZeuge S. der Täter des Überfalles war, nachdem die ZeuginB. diesen als Täter bei der Gegenüberstellung in der Hauptverhandlung mit Sicherheit ausgeschlossen hatte.

II.


Die Überprüfung des Urteils aufgrund der Sachrüge hat keinen den Angeklagten beschwerenden Rechtsfehler ergeben. Die Verfahrensrüge, die allein der Erörterung bedarf, ist unbegründet.
1. Der Rüge liegt folgender Verfahrensablauf zugrund e:
Vor Eröffnung des Hauptverfahrens hatte der Angeklagte die Einholung eines anthropologischen Identitätsgutachtens beantragt. Zuvor schon hatte die Kriminalpolizeiinspektion M. das Bayerische Landeskriminalamt (zu-
künftig LKA) mit einer anthropologischen Vergleichsuntersuchung beauftragt. Daraufhin hatte die Sachverständige Dr. St. der Kriminalpolizeiinspektion mitgeteilt, daß aufgrund der Abbildungsunschärfe die Überwachungsaufnahmen für anthropologische Vergleichsuntersuchungen nicht geeignet seien. Anatomische Merkmale des Gesichts, die zur Feststellung der Identität oder Nichtidentität mit einer Vergleichsperson herangezogen würden, seien auf den Aufnahmen nicht beurteilbar. Nachdem dem Verteidiger das Schreiben des LKA zur Kenntnis gebracht worden war, nahm er in der Hauptverhandlung seinen Beweisantrag auf Einholung eines anthropologischen Identitätsgutachtens zurück.
2. Mit der Aufklärungsrüge macht die Revision unter Bezu gnahme auf ein von ihr vorgelegtes Schreiben von Prof. Dr. R. vom 30. Januar 2004 geltend, die Auskunft der Sachverständigen zum Beweiswert der Fotos sei objektiv unzutreffend gewesen. Das vorhandene Bildmaterial sei durchaus für sachverständige Vergleichsuntersuchungen geeignet. Die Strafkammer wäre deshalb gehalten gewesen, ein anthropologisches Identitätsgutachten einzuholen. Wenn die Lichtbilder so aussagekräftig seien, daß die Zeugin K. den Angeklagten sicher als den auf dem Fahndungsfoto abgebildeten Täter erkannt habe, könne nicht zugleich die fachlichwissenschaftliche Überprüfbarkeit der Lichtbilder in Abrede gestellt werden. Das Gutachten hätte zumindest zu dem Ergebnis geführt, daß eine Nichtidentität wahrscheinlich sei. Der wahrscheinliche Ausschluß des Angeklagten als Täter wäre ein entlastendes Indiz gewesen. Auf dieser unterbliebenen Sachaufklärung beruhe das Urteil.
3. Wären die Fotos für ein solches Gutachten geeignet g ewesen, hätte die Erhebung eines weiteren Gutachtens - ungeachtet der Auskunft der Sachverständigen - in Betracht kommen können (vgl. generell zu dem Gericht nicht bekannten neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen BGHSt 39, 49, 53). Deshalb hat der Senat in Übereinstimmung mit der Anregung des Generalbundesanwalts , der zuvor eine Stellungnahme des Bundeskriminalamts eingeholt hatte , vorsorglich zu der Frage Beweis erhoben, ob die von den Überwachungskameras gefertigten Tatfotos als zureichende Anknüpfungstatsachen für ein anthropologisches Identitätsgutachten geeignet sind. Er hat dazu schriftliche Gutachten von den Sachverständigen Prof. Dr.R. und Kriminalhauptkommissar V. vom Bundeskriminalamt (zukünftig BKA) eingeholt. Der Verteidiger hat am 14. Februar 2005 ein schriftliches Gutachten von Prof. Dr. H. vorgelegt.
Sachverständig beraten gelangt der Senat zu dem Ergebn is, daß die Strafkammer hier nicht gedrängt war, ein anthropologisches Identitätsgutachten einzuholen. Im Hinblick auf die Qualität der Fotos der Überwachungskameras und die sowohl vom Angeklagten selbst eingestandene als auch vom Landgericht festgestellte "verblüffende Ähnlichkeit" des Angeklag ten mit dem Täter war durch ein weiteres Sachverständigengutachten keine beweisrelevante Identitätsaussage - auch nicht zum Identitätsausschluß - zu erwarten.

a) Für ein anthropologisches Identitätsgutachten anhand von Tatfotos gilt allgemein:
aa) Beim anthropologischen Identitätsgutachten werden anhand von Lichtbildern der Raumüberwachungskamera eine bestimmbare Zahl deskripti-
ver morphologischer Merkmale (z. B. Nasenfurche, Nasenkrümmung etc.) oder von Körpermaßen des Täters herausgearbeitet und mit den entsprechenden Merkmalen des Tatverdächtigen verglichen (BGHR StPO § 267 Abs. 1 Satz 2 StPO Beweisergebnis 4 m.w.N.). Anders als bei Gutachten zur Blutalkoholanalyse oder zur Bestimmung von Blutgruppen handelt es sich um kein standardisiertes Verfahren (BGH aaO; Schoreit in KK 5. Aufl. § 261 Rdn. 32). Die morphologischen Merkmale sind nicht eindeutig bestimmbar (Schwarzfischer in Kube, Störzer, Timm [Hrsg.], Kriminalistik Bd. I 1992 S. 735, 743; Knußmann in Knußmann [Hrsg.], Anthropologie Bd. I S. 368, 389; ders. StV 1983, 127, 128). Zwischen den Klassifizierungen von Einzelmerkmalen besteht ein gleitender Übergang, weswegen in der Regel keine genauen Angaben über die Häufigkeit der Merkmale in der Bevölkerung, der die zu identifizierende Person angehört, gemacht werden können (Schwarzfischer aaO; Knußmann NStZ 1991, 175, 176). Weitere Beeinträchtigungen des Beweiswerts können u.a. durch Vermummung , Grimassierung oder Bartbildung erfolgen (Schwarzfischer aaO; Knußmann in Knußmann aaO S. 388 f.). Aufgrund dieser "weichen" Kriterien ist die Abschätzung der Beweiswertigkeit nach der persönlichen Erfahrung eines Sachverständigen subjektiv; graduelle Abweichungen sind zwischen verschiedenen Sachverständigen möglich (Schwarzfischer aaO S. 744; vgl. auch Knußmann NStZ 1991, 175, 176). Dabei läßt sich der Identitätsausschluß leichter als der Identitätsnachweis erreichen, weil dafür bereits ein besonders prägnantes Gesichtsmerkmal ausreicht (Knußmann in Knußmann aaO S. 386 f.; ders. StV 1983, 127, 129; ders. NStZ 1991, 175).
bb) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs müssen die Lichtbilder eine gewisse Qualität aufweisen, um als Identifizierungsgrundlage dienen zu können (vgl. BGH NStZ 1991, 596; BGHR StPO § 244 Abs. 3 Satz 2
Ungeeignetheit 16). Das bestätigt auch die Fachwissenschaft. Eine fehlerhafte Beeinträchtigung des Bildmaterials könne durch Beleuchtung, Schattengebung, Tiefenschärfe, Retusche, Entwicklung und Filmmaterial bedingt sein (Schwarzfischer aaO S. 745). So könnten Reliefmerkmale verschwinden und damit Unähnlichkeiten vorgetäuscht werden, bei zu starker Vergrößerung und grober Körnung könnten Konturen unkenntlich werden. Aufnahmen von hoch installierten Überwachungskameras seien oft wenig geeignet. Auch die Arbeitsgruppe für die anthropologische Identifikation lebender Personen aufgrund von Bilddokumenten weist in ihren "Standards" darauf hin, daß Bilddokumente, die mit starker Kameraüberhöhung gewonnen werden, die bildvergleichenden Untersuchungen erschweren (NStZ 1999, 230, 231). Die Erkennbarkeit von Merkmalen werde durch schlechte Aufnahmen beeinträchtigt. Ebenso betont Knußmann eine mögliche Beeinträchtigung durch fototechnische Umstände wie Beleuchtungsverhältnisse und perspektivische Verzerrungen (Knußmann in Knußmann aaO S. 390; Knußmann StV 1983, 127, 128).

b) Die Sachverständigen kommen hinsichtlich der Frage, ob im vorliegenden Fall ein beweisrelevantes Identitätsgutachten möglich ist, und der zu beurteilenden Qualität der Tataufnahmen der Raumüberwachungsanlage, bei der ein digitales Aufzeichnungsverfahren eingesetzt wurde, zu unterschiedlichen Ergebnissen:
aa) Der Sachverständige KHK V. hält bei einem g roßen Teil der Tataufnahmen keine Vergleichsarbeiten für möglich, weil aufgrund der ungenügenden Bildqualität individuelle anatomische Merkmale des Gesichtsbereichs nicht oder nur schemenhaft erkennbar seien. Die Auflösung sei zu gering, die Bilder seien unscharf, der Abbildungsmaßstab des Gesichts- und Kopfbereichs
sei zu klein. Einige Tataufnahmen wiesen aufgrund der sehr geringen Auflösung , des Konturenausrisses und der ungeeigneten Aufnahmeperspektive zwar keine ungenügende, aber eine sehr schlechte Bildqualität auf. Da individuelle anatomische Einzelmerkmale auch auf diesen nicht klar erkennbar seien, könnten keine detaillierten, sondern allenfalls allgemeine Vergleichsarbeiten bezogen auf Merkmalspartien und Einzelmerkmale in ihrer Grobstruktur (z.B. hohe oder niedrige Nase; breite oder schmale Gesichtspartie) durchgeführt werden. Deswegen sei auch keine Wahrscheinlichkeitsaussage in bezug auf einen Identitätsnachweis möglich, sondern lediglich eine tendenzielle Aussage. Das gleiche gelte für den Identitätsausschluß. Eine Wahrscheinlichkeitsaussage komme nur in Betracht, wenn trotz der schlechten oder mangelhaften Bildqualität Merkmalspartien oder Einzelmerkmale in ihrer Grobstruktur stark (eklatant) voneinander abwichen und diese Abweichungen nicht durch die bei den betreffenden Aufnahmen vorliegenden Bildqualitätsmängel erklärbar seien.
Dieses Ergebnis deckt sich mit den Ausführungen des Sachverstä ndigen Dipl.-Ing.-Fotowesen KHK L. , der ein schriftliches Körpergrößengutachten vom 26. Mai 2003 erstellt hat und wegen der schlechten Auflösung die Körpergröße nicht genau ablesen konnte. Die Auflösung bei dem verwendeten digitalen Aufzeichnungsverfahren betrage 696 x 576 Pixel interpoliert. Bei Überwachungssystemen , die mit digitaler Technik direkt auf Festplatte speichern, würden Halbbilder mit 768 x 288 Bildpunkten (ca. 0,2 Mio. Pixel) gespeichert. Hinzu komme im vorliegenden Fall die sehr starke Bilddatenkompression.
bb) Demgegenüber bejaht der Sachverständige Prof. Dr. R. die Frage , ob die Fotos für ein Identitätsgutachten geeignet seien, uneingeschränkt. Wegen der Größe der Bilder von 696 x 576 Pixeln sei eine Verzerrung zu ver-
muten. Diese sei jedoch nicht ausgeglichen worden, weil es nicht um die Realitätsnähe von Merkmalen und Formen gehe, sondern um deren Zahl und Erkennbarkeit. Die Bilder seien für die sehr große abgedeckte Fläche noch gut. Die Qualität der Bilder reiche zwar für eine sichere Identifizierung nicht aus, wohl aber für ein Wahrscheinlichkeitsprädikat auf niedrigerer Stufe. Beim Identitätsausschluß sei bei Widersprüchen ein starkes negatives Wahrscheinlichkeitsprädikat zu erwarten. Prof. Dr. R. hat aus einer Gesamtliste von etwa 160 Merkmalen auf den Tatfotos 57 Merkmale erkannt.
cc) Prof. Dr.H. kommt ebenfalls zu dem Ergebn is, daß die Tatortbilder trotz erkennbarer Mängel für einen morphognostischen Bildvergleich für Zwecke der Identifizierung durch einen erfahrenen Sachverständigen uneingeschränkt geeignet seien. Die Ausführungen des LKA bezeichnet er als irreführend und falsch. Die offensichtlichen Qualitätsmängel hinsichtlich Bildschärfe und Bildauflösung eines Teils der Bilder würden dadurch wettgemacht, daß der Täter in zahlreichen unterschiedlichen Positionen abgebildet sei. Aus den von den zwei Überwachungskameras gefertigten 27 Bildern hatte Prof. Dr. H. 16 Motive ausgewählt und die gefertigten Ausschnittvergrößerungen hinsichtlich Helligkeit und Kontrast bearbeitet sowie die querverlaufenden Videozeilen durch Anwendung eines Weichzeichners abgeschwächt.

c) Die Stellungnahme der Sachverständigen Dr. St. deckt sich im wesentlichen mit dem Gutachten des Sachverständigen KHK V. . Die Sachverständige Dr. S. hat allerdings zwischen dem Identitätsnachweis und dem -ausschluß insofern nicht differenziert, als daß bei starker Abweichung von Merkmalspartien oder Einzelmerkmalen in ihrer Grobstruktur eine Wahrscheinlichkeitsaussage dennoch getroffen werden könne. Deswegen
sind die Feststellungen aber nicht unzulänglich. Denn an der Beurteilung der Qualität der Lichtbilder als schlecht oder gar mangelhaft bezogen auf die fehlende klare Erkennbarkeit von Einzelmerkmalen ändert dies nichts.

d) Es ist Sache des Tatgerichts zu beurteilen, ob eklatant e Abweichungen von Merkmalspartien und Einzelmerkmalen in ihrer Grobstruktur vorliegen. Wenn es dabei zu dem Ergebnis kommt, eine derartige Abweichung liege nicht vor, bindet dies grundsätzlich das Revisionsgericht. Eine eigene Überprüfung durch den Senat liefe auf eine Rekonstruktion der Beweisaufnahme hinaus (vgl. BGHSt 29, 18, 22; 41, 376, 380; Hanack in Löwe/Rosenberg, StPO 25. Aufl. § 337 Rdn. 107; Meyer-Goßner, StPO 47. Aufl. § 337 Rdn. 15). Demzufolge brauchte auch dem in der Revisionshauptverhandlung am 25. Januar 2005 gestellten Antrag der Verteidigung nicht nachgegangen zu werden, den Sachverständigen KHK V. ergänzend dazu zu hören, daß unter "Einzelmerkmalen in ihrer Grobstruktur" auch eine im vorderen Bereich "sprungschanzenähnlich" ganz leicht nach oben gebogene Nase zu verstehen sei, zumal gerade hinsichtlich der Nase der Sachverständige KHK V. aufgrund der unterschiedlichen Perspektiven der Überwachungskameras scheinbar gänzlich andere Ausformungen feststellte. Schließlich hat der Verteidiger nach Ansicht des Videobands, auf dem der Angeklagte abgebildet ist, eingeräumt, daß eine derart ausgeformte Nase nicht zu erkennen sei. Auch Prof. Dr. H. betont, daß eklatante Abweichungen bei der Einschätzung einer verblüffenden Ähnlichkeit selbstverständlich nicht zu erwarten seien.
Hier hat die Strafkammer eine sehr starke Ähnlichkeit de s Angeklagten mit den von den Überwachungskameras aufgezeichneten Fotos und eine Übereinstimmung mit der Täterbeschreibung durch die ZeuginB. fest-
gestellt. Sogar der Angeklagte hat zugegeben, daß ihm die Bilder verblüffend ähnlich sähen. Diese Feststellungen sowie der Umstand, daß das Gericht ein wichtiges Indiz darin gesehen hat, daß die Zeuginnen K. und He. den Angeklagten auf dem Fahndungsfoto als ihren Stammgast wiedererkannt haben, sind auch kein Widerspruch zu der Aussage des Sachverständigen KHK V. , daß die Fotos für Vergleichsuntersuchungen nicht geeignet sind. Es gibt zwei Wege der Erkenntnis der Personenidentität. Die vergleichende morphologische Analyse von Abbildern des Täters und des Tatverdächtigen ist eine Möglichkeit, die Identität nachzuweisen oder auszuschließen. Das Wiedererkennen aufgrund einer komplexen Erinnerung ist der andere Weg (Knußmann in Anthropologie aaO. S. 386; ders. StV 1983, 127; Standards NStZ 1999, 230). Diese Identifikation erfolgt ganzheitlich und rasch mit einer Tendenz zur Prägnanz zwischen Identität und Nichtidentität (Standards NStZ 1999, 230). Zwar haben die Zeuginnen K. und He. den Angeklagten nicht in der Tatsituation beobachtet, beiden ist er aber als nahezu täglicher Besucher der Spielothek seit vielen Jahren bestens bekannt.

e) Die unterschiedlichen Ergebnisse der Gutachten zeigen, daß von einem gesicherten Stand der Wissenschaft im Bereich der anthropologischen Identitätsgutachten nicht die Rede sein kann. Der von KHK V. vom BKA angewandte Maßstab der klaren Erkennbarkeit von individuellen anatomischen Gesichtsmerkmalen und die sich daran anknüpfende Beurteilung der Tataufnahmen ist nachvollziehbar und plausibel. Das auf dieser Grundlage von der Sachverständigen Dr. St0. vom LKA erstattete Gutachten ist nicht falsch. Die Gutachten von Prof. Dr. R. und Prof. Dr. H. lassen nicht erkennen, daß sie über bessere wissenschaftlich anerkannte Verfahren verfügen.

Ausgangspunkt sämtlicher Vergleichsuntersuchungen sind die w ährend der Tatbegehung gefertigten Aufnahmen des Täters. Diese gilt es auszuwerten und mit dem Tatverdächtigen zu vergleichen.
aa) KHK V. berücksichtigt ausschließlich diejenigen individuellen anatomischen Gesichtsmerkmale, die klar erkennbar sind. Ließen sich solche Einzelmerkmale nicht erkennen, seien die Tatfotos nicht für Bildvergleichsarbeiten geeignet. Der Lichtbildqualität der Tataufnahmen mißt er eine zentrale Rolle bei. Die Fähigkeit eines Gutachters, die Bildqualität und deren Verbesserungsmöglichkeiten und -grenzen zu analysieren, sei neben der Fähigkeit, Körpermerkmale auszuwerten, von entscheidender Bedeutung.
bb) Prof. Dr.R. geht davon aus, daß grundsätzli ch unabhängig von der Bildqualität der Sachverständige die Bewertung vorzunehmen hat. Gutachten sollten auch auf der Grundlage von schlechten Bildern erstattet werden. Auch eine nur kleine oder mittlere Zahl schwer erkennbarer Merkmale könne im Gesamtgefüge der Beweiswürdigung eine gewisse Rolle spielen. Das Vorkommen von Bildartefakten diene nicht dem Ausschluß der Beurteilungsmöglichkeit , sondern werde benannt und in seiner Wirkung diskutiert. Die Behauptung , die Bilder seien für eine Identifikation nicht geeignet, sei eine vorweggegriffene Beurteilung darüber, ob das Identitätsgutachten im Verfahren nütze oder nicht. Die Bewertung der Beweiskraft solle der Sachverständige dem Gericht überlassen.
cc) Prof. Dr. H. hält qualitativ schlechte Lich tbilder als Anknüpfungspunkte - gegebenenfalls nach einer entsprechenden Bearbeitung - für
Zwecke des Identitätsnachweises und des Identitätsausschlusses gleichermaßen für ausreichend, wenn der Täter in verschiedenen Positionen dargestellt ist.
dd) Werden Gutachten unabhängig von der klaren Erkennb arkeit der individuellen anatomischen Merkmale erstellt, besagt dies nichts über deren Beweiswert. Wie Prof. Dr. R. selbst ausführt, hat dies eine breitere Verteilung von Wahrscheinlichkeitsprädikaten zur Folge auch in Richtung der unentscheidbaren Fälle. Im vorliegenden Fall sind von den 57 auf den Tatfotos von ihm erkannten Merkmalen noch nicht einmal die Hälfte von sehr guter bis noch guter Erkennbarkeit. Es kann aber keinen Unterschied machen, ob ein Gutachten wegen der mangelhaften Bildqualität nicht erstattet wird oder ob das Ergebnis des Gutachtens nicht aussagekräftig ist. In diesen Fällen wird der Tatrichter grundsätzlich keinen Anlaß sehen, ein anthropologisches Identitätsgutachten in Auftrag zu geben. Denn in der Regel kann er selbst beurteilen, ob die Tataufnahmen als Anknüpfungstatsachen für die Begutachtung geeignet sind (vgl. BGHR StPO § 244 Abs. 3 Satz 2 Ungeeignetheit 16; BGH NStZ 1991, 596). Die Behauptung, die Gefahr bei der von KHK V. angewandten Vorgehensweise bestehe darin, daß leicht ein Entlastungsindiz übersehen werde, ist nicht belegt. Der von Prof. Dr. H. betonte Umstand, daß durch eine Vielzahl von Täterfotos der Qualitätsmangel wettgemacht werden könne, ändert nichts an der mangelnden oder schlechten Erkennbarkeit von Einzelmerkmalen , und diese wird dadurch auch nicht ausgeglichen. Details unterhalb der Pixelgröße werden von vornherein nicht aufgenommen und können somit auf allen Bildern unabhängig von deren Anzahl nicht sichtbar gemacht werden. Bei einer verlustbehafteten Bilddatenkompression werden auf sämtlichen Bildern Details in Form von Strukturen, Linien und Mustern dargestellt, die in Wirklich-
keit gar nicht vorhanden sind. Diese Artefakte können auch bei einer Dekomprimierung nicht wieder beseitigt werden, weil diese auf der Basis der Kompressionsdaten erfolgt. Mit der in der Regel bei Raumüberwachungskameras verwendeten höheren Kameraposition ist eine Perspektive verbunden, die die Person ebenfalls auf allen Bildern von oben zeigt, wodurch individuelle anatomische Gesichtsmerkmale verloren gehen. Mit der Möglichkeit, mittels trigonometrischer Berechnungen die Perspektive zu verändern (vgl. Knußmann in Knußmann aaO S. 396), können fehlende Gesichtsmerkmale nicht sichtbar gemacht werden. Das Ergebnis von Prof. Dr. H. , daß eine beträchtliche Anzahl der im vorliegenden Fall erfaßbaren Merkmale es dem erfahrenen Sachverständigen erlauben dürfte, eine sichere Aussage zur Identität oder Nichtidentität des Täters mit dem Angeklagten zu machen, wird durch die Ausführungen im Gutachten nicht gestützt.
4. Der Senat weist auf folgendes hin:
Um den Beweiswert von anthropologischen Identitätsgutach ten zu erhöhen , bedarf es einer verbesserten Qualität der Tataufnahmen. Der Senat entnimmt der Literatur (vgl. Schwarzfischer aaO S. 745; Knußmann in Knußmann aaO S. 390; Knußmann StV 1983, 127, 128), daß bestimmte technische Anforderungen an die Qualität der Lichtbilder beachtet werden sollten, ohne damit Mindeststandards aufzustellen.
Je höher die Auflösung der Tataufnahmen ist, desto det ailreicher ist die Wiedergabe. Diese wird durch die Kameraoptik bestimmt. Ebenso sind die Brennweite und das Objektiv von Bedeutung. Durch die verlustbehaftete Bilddatenkompression werden Bildartefakte wie tatsächlich nicht vorhandene Li-
nien und Muster erzeugt. Je stärker die Bilddaten komprimiert werden, um möglichst viele Bilder auf der Festplatte archivieren zu können, desto geringer ist die Erkennbarkeit. Die Perspektive bei Raumüberwachungskameras von oben ist von
vornherein wenig geeignet für Vergleichsuntersuchungen, weil wesentliche Informationen durch die Verzerrung verloren gehen. Allgemein gilt: Je mehr dieser Kriterien beachtet werden, desto höher ist die Qualität der Bilder und desto größer die Chance auf ein aussagekräftiges Gutachten. Nack Wahl Boetticher Kolz Elf

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
3 StR 284/11
vom
1. Dezember 2011
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen schwerer räuberischer Erpressung
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 1. Dezember
2011, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Becker,
die Richter am Bundesgerichtshof
von Lienen,
Dr. Schäfer,
Mayer,
Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Menges
als beisitzende Richter,
Staatsanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten C. L. ,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil der auswärtigen großen Strafkammer des Landgerichts Kleve in Moers vom 31. Januar 2011 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels und die den Angeklagten dadurch entstandenen notwendigen Auslagen, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat die Angeklagten aus tatsächlichen Gründen von dem Vorwurf der gemeinschaftlichen schweren räuberischen Erpressung freigesprochen. Die hiergegen gerichtete und vom Generalbundesanwalt vertretene Revision der Staatsanwaltschaft, die das Verfahren beanstandet und mit der Sachrüge die Beweiswürdigung angreift, ist begründet.

I.


2
Mit der unverändert zur Hauptverhandlung zugelassenen Anklageschrift hat die Staatsanwaltschaft den Angeklagten zur Last gelegt, am 10. November 2005 gemeinschaftlich mittels Vorhalt einer ungeladenen Gaspistole eine in einer Tankstelle tätige Verkäufern dazu veranlasst zu haben, ihnen einen Geldbetrag von 420 € zu übergeben.
3
Die Angeklagten haben sich in der Hauptverhandlung nicht zur Sache eingelassen.
4
Das Landgericht hat in den Urteilsgründen ausgeführt, von dem in der Anklageschrift geschilderten Geschehen, nicht aber von der Täterschaft der Angeklagten überzeugt zu sein. Weder anhand der Aussage der als Zeugin vernommenen Verkäuferin noch anhand des bei der Tat gewonnenen und in der Hauptverhandlung in Augenschein genommenen Bildmaterials habe es diese Überzeugung gewinnen können.

II.


5
Die Revision der Staatsanwaltschaft hat mit der Verfahrensrüge Erfolg. Denn das Landgericht hat den auf Einholung eines anthropologischen Identitätsgutachtens gerichteten Beweisantrag der Staatsanwaltschaft unter Verstoß gegen § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO abgelehnt.
6
1. Dem liegt folgender Verfahrensgang zugrunde:
7
Die Staatsanwaltschaft hat in der Hauptverhandlung den Antrag gestellt, zum Beweis der Tatsache, dass es sich bei den zur Tatzeit mittels einer Überwachungskamera im Verkaufsraum der Tankstelle aufgezeichneten männlichen Personen um die Angeklagten handele, ein anthropologisches Identitätsgutachten einzuholen. Das Landgericht hat den Antrag mit der Begründung abgelehnt, es handele sich um ein "ungeeignetes Beweismittel" im Sinne des § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO, weil es nicht möglich sei, dem Sachverständigen neben dem aus den Aufzeichnungen der Überwachungskamera stammenden "Videomaterial" das für die Begutachtung erforderliche "Vergleichsmaterial" zu verschaffen. Entsprechendes Material könne nur mittels eines Nachstellens der Tat unter Mitwirkung der Angeklagten gewonnen werden. Dazu seien diese nicht bereit.
8
2. Diese Begründung trägt die Ablehnung des Beweisantrags nicht; sie ist mit § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO nicht vereinbar.
9
a) Ein Beweismittel ist völlig ungeeignet im Sinne des § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO, wenn ungeachtet des bisher gewonnenen Beweisergebnisses nach sicherer Lebenserfahrung feststeht, dass sich mit ihm das im Beweisantrag in Aussicht gestellte Ergebnis nicht erreichen lässt und die Erhebung des Beweises sich deshalb in einer reinen Förmlichkeit erschöpfen müsste (BGH, Beschluss vom 13. März 1997 - 4 StR 45/97, BGHR StPO § 244 Abs. 3 Satz 2 Ungeeignetheit 16; Beschluss vom 15. März 2007 - 4 StR 66/07, NStZ 2007, 476, 477; Beschluss vom 7. August 2008 - 3 StR 274/08, NStZ 2009, 48 f.).
10
Wird eine Beweiserhebung durch Einholung eines Sachverständigengutachtens beantragt, kommt dies in Betracht, wenn es nicht möglich ist, dem Sachverständigen die tatsächlichen Grundlagen zu verschaffen, deren er für sein Gutachten bedarf. Umgekehrt ist ein Sachverständiger nicht schon dann ein völlig ungeeignetes Beweismittel, wenn er absehbar aus den Anknüpfungstatsachen keine sicheren und eindeutigen Schlüsse zu ziehen vermag. Als Beweismittel eignet er sich vielmehr schon dann, wenn seine Folgerungen die unter Beweis gestellte Behauptung als mehr oder weniger wahrscheinlich erscheinen lassen und hierdurch unter Berücksichtigung des sonstigen Beweisergebnisses Einfluss auf die Überzeugungsbildung des Gerichts erlangen können (BGH, Beschluss vom 13. März 1997 - 4 StR 45/97, BGHR StPO § 244 Abs. 3 Satz 2 Ungeeignetheit 16; Beschluss vom 7. August 2008 - 3 StR 274/08, NStZ 2009, 48, 49 mwN).
11
Ob eine sachverständige Begutachtung auf der verfügbaren tatsächlichen Grundlage zur Klärung der Beweisbehauptung nach diesen Maßstäben geeignet ist, kann und muss der Tatrichter in Zweifelsfällen im Wege des Freibeweises - etwa durch eine Befragung des Sachverständigen zu den von ihm für eine Begutachtung benötigten Anknüpfungstatsachen - klären (BGH, Beschluss vom 31. Mai 1994 - 1 StR 86/94, BGHR StPO § 244 Abs. 3 Satz 2 Ungeeignetheit 14; Beschluss vom 9. März 1999 - 1 StR 693/98, BGHR StPO § 244 Abs. 3 Satz 2 Ungeeignetheit 20; Beschluss vom 15. März 2007 - 4 StR 66/07, NStZ 2007, 476, 477).
12
b) Danach vermag die vom Landgericht gegebene Begründung die Ablehnung des Beweisantrags nicht zu rechtfertigen.
13
Sie stützt sich allein darauf, es fehle an dem notwendigen Vergleichsbildmaterial , das ohne Mitwirkung der Angeklagten auch nicht beschafft werden könne. Damit ist aber nicht belegt, dass ein anthropologischer Sachverständiger nicht in der Lage wäre, aus einem Vergleich des vorhandenen Bildmaterials mit den in der Hauptverhandlung anwesenden Angeklagten sowie mit Lichtbil- dern und Messungen, deren Herstellung die Angeklagten gemäß § 81b StPO zu dulden haben, nicht zumindest Wahrscheinlichkeitsaussagen zur Identität der Angeklagten mit den durch die Überwachungskamera gefilmten Tätern zu treffen. Auch verhält sich der Ablehnungsbeschluss nicht dazu, ob das vorhandene Bildmaterial trotz seiner nur mäßigen Qualität nach den maßgeblichen Kriterien (vgl. dazu BGH, Urteil vom 15. Februar 2005 - 1 StR 91/04, BGHR StPO § 244 Abs. 2 Sachverständiger 19) nicht doch hinreichende morphologische Merkmale der Täter erkennen lässt, die mit denen der Angeklagten abgeglichen werden könnten. Eine freibeweisliche Klärung dieser Fragen durch Anhörung eines kompetenten Sachverständigen hat das Landgericht nicht vorgenommen.
14
3. Auf der fehlerhaften Ablehnung des Beweisantrags beruht das Urteil, weil nicht ausgeschlossen werden kann, dass das Landgericht nach Einholung eines anthropologischen Sachverständigengutachtens zu einer anderen Beurteilung gekommen wäre. Die Voraussetzungen, unter denen in Fällen der fehlerhaft begründeten Ablehnung eines Beweisantrags ausnahmsweise ein Beruhen ausgeschlossen werden kann (BGH, Beschluss vom 12. Januar 2010 - 3 StR 519/09, NStZ-RR 2010, 211, 212 f.), liegen nicht vor.

III.


15
Auf die von der Staatsanwaltschaft erhobene Sachrüge kommt es mithin nicht mehr an. Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat darauf hin, dass die Annahme eines Beweisverwertungsverbotes bezüglich der vom Angeklagten C. L. bei der Polizei gemachten Aussage die sichere Feststellung voraussetzt, dieser habe die ihm vor seiner Vernehmung erteilte Belehrung nach § 163a Abs. 4 Satz 2, § 136 Abs. 1 Satz 2 StPO wegen einer akuten psychotischen Störung nicht verstanden (BGH, Urteil vom 12. Oktober 1993 - 1 StR 475/93, BGHSt 39, 349, 351 f.; vgl. auch BGH, Beschluss vom 27. Februar 1992 - 5 StR 190/91, BGHSt 38, 214, 224; Urteil vom 20. Juni 1997 - 2 StR 130/97, NStZ 1997, 609, 610). Dem Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 8. November 2006 (1 StR 454/06, BGHR StPO § 136 Belehrung 14) liegt entgegen Stimmen in der Literatur (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 54. Aufl., § 136 Rn. 20; LR/Gleß, StPO, 26. Aufl., § 136a Rn. 78) kein anderer rechtlicher Maßstab zugrunde. Vielmehr gelangte der Bundesgerichtshof dort zu einem Beweisverwertungsverbot , weil der Verstoß gegen § 163a Abs. 4 Satz 2, § 136 Abs. 1 Satz 2 StPO mangels jeglicher Anhaltspunkte für eine Belehrung feststand.
Becker von Lienen Schäfer Mayer Menges