Bundesgerichtshof Beschluss, 29. Nov. 2018 - 5 StR 362/18

bei uns veröffentlicht am29.11.2018

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
5 StR 362/18
vom
29. November 2018
in der Strafsache
gegen
wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer
Menge u.a.
ECLI:DE:BGH:2018:291118B5STR362.18.0

Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 29. November 2018 gemäß § 349 Abs. 4 StPO beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Dresden vom 19. Februar 2018 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Nötigung (Tat 1) sowie wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (Tat 2) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten verurteilt. Die hiergegen gerichtete Revision des Angeklagten hat mit der Sachrüge Erfolg.
2
1. Die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen zu Tat 1 tragen lediglich den Schuldspruch wegen gefährlicher Körperverletzung (§ 224 Abs. 1 Nr. 2 und 4 StGB). Hinsichtlich der Nötigung (§ 240 Abs. 1 und 2 StGB) mangelt es an der Feststellung eines Nötigungserfolgs.
3
a) Nach dem festgestellten Sachverhalt beabsichtigte der Angeklagte, in einer von ihm genutzten Wohnung den Geschädigten F. mit körperlicher Gewalt zu zwingen, einen Diebstahl von 2.000 Euro zu seinen Lasten einzuge- stehen, „und ihnnicht eher gehen zu lassen, bis der Geschädigte einen Weg gefunden hatte, ihm den Schaden zu ersetzen“. In Umsetzung des Tatent- schlusses traktierte der Angeklagte den Zeugen F. zunächst mit schmerzhaften Faustschlägen und Tritten gegen die Beine. Außerdem schlug er mit einem Baseballschläger auf dessen Oberarme und Hände. Im weiteren Verlauf des sich über mehrere Stunden hinziehenden Geschehens veranlasste er zudem den nicht revidierenden Mitangeklagten A. dazu, den Geschädigten in schmerzhafter Weise „in den Schwitzkasten zu nehmen“. Erst nachdem es F. gelungen war, über eine SMS an seine Freundin die Polizei zu alarmieren , löste sich die Zwangslage für ihn auf (UA S. 5 f.). Der Zeuge F. erlitt infolge der Misshandlungen Rötungen am Hals und Hämatome an den Oberarmen.
4
b) Auf der Grundlage dieser Feststellungen fehlt es an einem Nötigungserfolg. Denn den Urteilsgründen ist auch in ihrem Gesamtzusammenhang nicht hinreichend zu entnehmen, dass der Geschädigte F. infolge des vom Angeklagten ausgeübten Zwangs den Diebstahl eingeräumt und einen für diesen akzeptablen Vorschlag für die Schadenswiedergutmachung gemacht hat. Zwar führt das Landgericht im Rahmen der Beweiswürdigung aus, dass der Angeklagte und der Zeuge R. von einem Eingeständnis des Diebstahls seitens des Zeugen F. berichtet haben (UA S. 7, 9). An anderer Stelle der Beweiswürdigung schildert es aber, dass der Geschädigte trotz der Schläge durchweg gegenüber dem Angeklagten beteuert habe, nichts gestohlen zu haben (UA S. 8). Letztlich hat das Landgericht „unzweifelhaft“ nur feststellen können, dass der Geschädigte verletzt und zum Verbleib in der Wohnung gezwungen wurde (UA S. 11), wobei letzteres nicht das Ziel der Nötigung war (UA S. 13). Der Senat schließt nicht aus, dass das neue Tatgericht noch Feststellungen zum Eintritt eines Nötigungserfolges treffen kann.
5
c) Es beschwert den Angeklagten nicht, dass das Landgericht den Angeklagten nicht wegen der (tateinheitlich verwirklichten) Freiheitsberaubung nach § 239 Abs. 1 StGB verurteilt hat (vgl. BGH, Urteile vom 15. März 1978 – 2 StR 699/77; vom 15. Oktober 1981 – 4 StR 461/81, BGHSt 30, 235).
6
2. Der Schuldspruch wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (Tat 2) hat keinen Bestand, weil die zum Handeltreiben des Angeklagten getroffenen Feststellungen auf einer rechtsfehlerhaften Beweiswürdigung beruhen.
7
a) Diesen zufolge verwahrte der Angeklagte am 1. Mai 2017 in der von ihm für den Konsum und Verkauf von Betäubungsmitteln genutzten Wohnung 117,09 Gramm Haschisch mit einem Wirkstoffgehalt von 14,44 Gramm Tetrahydrocannabinol und 44,43 Gramm Crystal mit einem Wirkstoffgehalt von 25,89 Gramm Metamphetaminbase, die „zum überwiegenden Teil“ für den gewinnbringenden Weiterverkauf bestimmt waren. Zur Veräußerung kam es nicht, da die Betäubungsmittel von den Polizeibeamten, die der Zeuge F. im Zusammenhang mit der Tat 1 über seine Freundin zu Hilfe gerufen hatte, sichergestellt wurden.
8
b) Die der Feststellung zur Täterschaft des Angeklagten zugrunde liegende Beweiswürdigung hält – trotz des eingeschränkten revisionsrechtlichen Prüfungsmaßstabes – der sachlich-rechtlichen Überprüfung nicht stand, da sie lückenhaft ist.
9
Das Landgericht hat seine Überzeugung davon, dass es sich bei den sichergestellten, überwiegend zum Verkauf bestimmten Betäubungsmitteln um solche des dies bestreitenden Angeklagten handelte, darauf gestützt, dass sich „die DNA des Angeklagten“ an einer Stofftasche mit acht in Folie gewickelten Haschischstäbchen und vier Faltbriefchen mit Crystal sowie an einer Cliptüte mit Crystal befand (UA S. 12). Allerdings teilt es in den Urteilsgründen weder mit, ob es sich um Mischspuren oder eindeutige Einzelspuren handelt, noch erörtert es das Gutachtenergebnis in Form der biostatistischen Wahrscheinlichkeitsaussage in numerischer Form. Damit genügt das Urteil nicht den Mindestvoraussetzungen für die Darstellung des Ergebnisses einer molekulargenetischen Vergleichsuntersuchung (vgl. BGH, Beschluss vom 31. Juli 2013 – 4 StR270/13, NStZ-RR 2014, 115, 116; zu den geringeren Anforderungen bei eindeutigen DNA-Einzelspuren vgl. BGH, Beschluss vom 28. August 2018 – 5 StR 50/17, NJW 2018, 3192, 3193 [zum Abdruck in BGHSt bestimmt]). Der Senat kann daher nicht prüfen, ob die Beweiswürdigung des Landgerichts zur Täterschaft des Angeklagten auf einer tragfähigen Tatsachengrundlage beruht und seine Schlussfolgerungen nach den Gesetzen der Logik, den Erfahrungssätzen des täglichen Lebens und den Erkenntnissen der Wissenschaft möglich sind (vgl. BGH, Beschluss vom 31. Juli 2013 – 4 StR 270/13 aaO).
10
c) Der Senat kann trotz der weiteren auf ein Handeltreiben des Angeklagten hindeutenden Indizien nicht ausschließen, dass die Verurteilung zu Tat 2 auf diesen Rechtsfehlern beruht (§ 337 Abs. 1 StPO). Das Beruhen des Urteils auf der lückenhaften Darstellung der molekulargenetischen Vergleichsuntersuchung kann auch nicht deshalb ausgeschlossen werden, weil der Angeklagte eingeräumt hat, dass ihm die als Behältnis für Teile der sichergestellten Betäubungsmittel dienende Stofftasche gehört. Denn das Landgericht hat sich maßgebend auch darauf gestützt, dass sich „die DNA des Angeklagten“ in ei- nem Fall am Verpackungsmaterial selbst – nämlich an einer Cliptüte mit Crystal – befand, die in einer anderen Tasche aufbewahrt worden war.
11
3. Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat auf Folgendes hin:
12
a) Sollte das neue Tatgericht zur Überzeugung gelangen, dass der An- geklagte den „überwiegenden“ Teil der sichergestellten Betäubungsmittel wei- terverkaufen wollte, wird es feststellen müssen, in welchem Umfang das besessene Rauschgift zum Weiterverkauf einerseits und zum Eigenverbrauch andererseits bestimmt war (vgl. BGH, Urteil vom 17. April 2014 – 3 StR 84/14, NStZ-RR 2014, 344, 345; Körner/Patzak/Volkmer, BtMG, 8. Aufl., § 29a Rn. 159).
13
b) Die strafschärfende Erwägung, dass es sich bei dem Angeklagten um einen „Bewährungsbrecher“ handelt, wird von den bislang getroffenen Feststel- lungen nicht getragen. Danach war der Angeklagte am 26. Februar 2015 wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten unter Aussetzung der Vollstreckung zur Bewährung verurteilt worden. Feststellungen zur Dauer der Bewährungszeit sind dem Urteil nicht zu entnehmen. Bei einer auf die Mindestdauer festgesetzten Bewährungszeit von zwei Jahren (vgl. § 56 Abs. 1 Satz 2 StGB) hätte der Angeklagte bei der Begehung der Taten am 1. Mai 2017 aber nicht mehr unter einer Bewährung gestanden, die er hätte „brechen“ können.
Mutzbauer Sander Schneider
König Köhler

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 29. Nov. 2018 - 5 StR 362/18

Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Beschluss, 29. Nov. 2018 - 5 StR 362/18

Referenzen - Gesetze

Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafgesetzbuch - StGB | § 224 Gefährliche Körperverletzung


(1) Wer die Körperverletzung 1. durch Beibringung von Gift oder anderen gesundheitsschädlichen Stoffen,2. mittels einer Waffe oder eines anderen gefährlichen Werkzeugs,3. mittels eines hinterlistigen Überfalls,4. mit einem anderen Beteiligten gemeins

Strafgesetzbuch - StGB | § 56 Strafaussetzung


(1) Bei der Verurteilung zu Freiheitsstrafe von nicht mehr als einem Jahr setzt das Gericht die Vollstreckung der Strafe zur Bewährung aus, wenn zu erwarten ist, daß der Verurteilte sich schon die Verurteilung zur Warnung dienen lassen und künftig au
Bundesgerichtshof Beschluss, 29. Nov. 2018 - 5 StR 362/18 zitiert 8 §§.

Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

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Strafgesetzbuch - StGB | § 240 Nötigung


(1) Wer einen Menschen rechtswidrig mit Gewalt oder durch Drohung mit einem empfindlichen Übel zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung nötigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. (2) Rechtswidrig ist die

Strafprozeßordnung - StPO | § 337 Revisionsgründe


(1) Die Revision kann nur darauf gestützt werden, daß das Urteil auf einer Verletzung des Gesetzes beruhe. (2) Das Gesetz ist verletzt, wenn eine Rechtsnorm nicht oder nicht richtig angewendet worden ist.

Strafgesetzbuch - StGB | § 239 Freiheitsberaubung


(1) Wer einen Menschen einsperrt oder auf andere Weise der Freiheit beraubt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. (2) Der Versuch ist strafbar. (3) Auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren ist

Referenzen - Urteile

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Referenzen

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Wer die Körperverletzung

1.
durch Beibringung von Gift oder anderen gesundheitsschädlichen Stoffen,
2.
mittels einer Waffe oder eines anderen gefährlichen Werkzeugs,
3.
mittels eines hinterlistigen Überfalls,
4.
mit einem anderen Beteiligten gemeinschaftlich oder
5.
mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung
begeht, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(1) Wer einen Menschen rechtswidrig mit Gewalt oder durch Drohung mit einem empfindlichen Übel zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung nötigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Rechtswidrig ist die Tat, wenn die Anwendung der Gewalt oder die Androhung des Übels zu dem angestrebten Zweck als verwerflich anzusehen ist.

(3) Der Versuch ist strafbar.

(4) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter

1.
eine Schwangere zum Schwangerschaftsabbruch nötigt oder
2.
seine Befugnisse oder seine Stellung als Amtsträger mißbraucht.

(1) Wer einen Menschen einsperrt oder auf andere Weise der Freiheit beraubt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(3) Auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter

1.
das Opfer länger als eine Woche der Freiheit beraubt oder
2.
durch die Tat oder eine während der Tat begangene Handlung eine schwere Gesundheitsschädigung des Opfers verursacht.

(4) Verursacht der Täter durch die Tat oder eine während der Tat begangene Handlung den Tod des Opfers, so ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren.

(5) In minder schweren Fällen des Absatzes 3 ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren, in minder schweren Fällen des Absatzes 4 auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren zu erkennen.

Nachschlagewerk: ja
BGHSt : ja
Veröffentlichung : ja
Die biostatistische Wahrscheinlichkeitsberechnung ist in Bezug
auf DNA-Einzelspuren standardisiert, so dass es einer Darstellung
der Anzahl der untersuchten Merkmalssysteme und der
Anzahl der diesbezüglichen Übereinstimmungen nicht mehr
bedarf. Das Tatgericht genügt den Darlegungsanforderungen,
wenn es das Gutachtenergebnis in Form der biostatistischen
Wahrscheinlichkeitsaussage in numerischer Form mitteilt, da
diese die beiden übrigen bisherigen Anforderungen widerspiegelt.
BGH, Beschluss vom 28. August 2018 – 5 StR 50/17
LG Potsdam –
ECLI:DE:BGH:2018:280818B5STR50.17.0
BESCHLUSS 5 StR 50/17 vom 28. August 2018 in der Strafsache gegen

wegen schwerer räuberischer Erpressung

ECLI:DE:BGH:2018:280818B5STR50.17.0
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 28. August 2018 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Potsdam vom 29. Juli 2016 zu Tat 5 der Urteilsgründe aufgehoben.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
3. Im Umfang der Aufhebung wird das Urteil zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts Potsdam zurückverwiesen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den revidierenden Angeklagten wegen „besonders schweren Raubes, wegen besonders schwerer räuberischer Erpressung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung (Tat 5 der Urteilsgründe) und wegen schweren Raubes in drei Fällen“ zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwölf Jah- ren verurteilt und eine Adhäsionsentscheidung getroffen. Soweit es den Angeklagten betraf, hat der Senat das angegriffene Urteil auf die Sachrüge hin mit Beschluss vom 5. April 2017 hinsichtlich Tat 2 der Urteilsgründe sowie im Gesamtstrafenausspruch aufgehoben und die Sache insofern zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückverwiesen; das Verfah- ren betreffend die zur Tat 5 der Urteilsgründe erfolgte Verurteilung hat er abgetrennt und die weitergehende Revision des Angeklagten verworfen. Zum abgetrennten Verfahrensteil hat das Rechtsmittel den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

I.


2
Nach den Feststellungen des Landgerichts zu Tat 5 forderte der Ange- klagte in einer „Lotto-Modellbau-Post-Agentur“ unter Vorhalt einer mit Knallkar- tuschen geladenen Schreckschusspistole die Herausgabe von Bargeld. Nachdem die Angestellte ihm den Kasseninhalt – insgesamt 840 Euro – übergeben hatte, wandte sich der Angeklagte zur Flucht. Dabei schoss er aus kurzer Entfernung in Richtung des Kopfes eines Kunden, der den Überfall bemerkt und den Angeklagten durch Zuhalten der Eingangstür an der Flucht zu hindern versucht hatte. Der durch die Schusswirkung der Knallkartusche benommene Zeuge konnte den Angeklagten in der Folge nicht weiter aufhalten. Der Angeklagte flüchtete mit einem Fahrrad, an dessen Lenkergriffen DNA-Material gesichert werden konnte.
3
Das Landgericht ist „aufgrund des Ergebnisses der biologischen Unter- suchungen der am (Flucht-)Fahrrad gesicherten Spuren der Überzeugung, dass der Angeklagte (…) der Täter des Überfalls ist“. Die molekularbiologische Sachverständige habe ausgeführt, dass die am Lenkergriff festgestellte DNAMerkmalskombination mit jener im Vergleichsmaterial des Angeklagten übereinstimme und diese Merkmalskombination in der deutschen Population (bei Nichtverwandten) einmal unter ca. 150 Trilliarden Personen vorkomme. Deshalb könne mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon ausgegan- gen werden, dass es sich bei dem Angeklagten um den Verursacher der DNASpur handele.

II.


4
Der Schuldspruch betreffend die Tat 5 der Urteilsgründe hat keinen Bestand , da die Voraussetzungen des § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB nicht belegt sind.
5
1. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs unterfällt eine geladene Schreckschusspistole nur dann dem Waffenbegriff des § 250 StGB, wenn feststeht, dass beim Abfeuern der Waffe der Explosionsdruck aus dem Lauf nach vorn austritt und die Waffe deshalb nach ihrer Beschaffenheit geeignet ist, erhebliche Verletzungen hervorzurufen. Dies ist bei Schreckschusswaffen nicht selbstverständlich (vgl. BGH, Beschlüsse vom 4. Februar 2003 – GSSt 2/02, BGHSt 48, 197, 201; vom 10. Mai 2017 – 4 StR 167/17, jeweils mwN).
6
Entsprechende Feststellungen zur Beschaffenheit der verwendeten Schreckschusspistole enthält das Urteil nicht. Der Senat kann daher nicht prüfen , ob der Angeklagte den vom Landgericht angenommenen Qualifikationstatbestand oder lediglich denjenigen des § 250 Abs. 1 Nr. 1 lit. b StGB verwirklicht hat. Nur insoweit bedarf es neuer tatgerichtlicher Verhandlung und Entscheidung. Die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen bleiben bestehen (§ 353 Abs. 2 StPO).
7
2. Im Übrigen hält das Urteil rechtlicher Prüfung stand. Insbesondere erweist sich die Beweiswürdigung zur Täterschaft des Angeklagten als rechtsfehlerfrei. Der Erörterung bedarf allein die vom Tatgericht vorgenommene Darstellung der Ergebnisse des molekulargenetischen Gutachtens. Insofern ist es aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden, dass sich das Landgericht auf die Mitteilung beschränkt hat, dass die an der Tatortspur nachgewiesene DNAMerkmalskombination mit jener beim Angeklagten übereinstimmt und der diesbezügliche Wahrscheinlichkeitsquotient 1:150 Trilliarden beträgt.
8
a) Grundsätzlich hat das Tatgericht in Fällen, in denen es dem Gutachten eines Sachverständigen folgt, dessen wesentlichen Anknüpfungstatsachen und Ausführungen so darzulegen, dass das Rechtsmittelgericht prüfen kann, ob die Beweiswürdigung auf einer tragfähigen Tatsachengrundlage beruht und die Schlussfolgerungen nach den Gesetzen der Logik, den Erfahrungssätzen des täglichen Lebens und den Erkenntnissen der Wissenschaft möglich sind (vgl. BGH, Beschluss vom 31. Juli 2013 – 4 StR 270/13, NStZ-RR 2014, 115, 116 mwN). Liegt dem Gutachten jedoch ein allgemein anerkanntes und weithin standardisiertes Verfahren zugrunde, wie dies etwa beim daktyloskopischen Gutachten, der Blutalkoholanalyse oder der Bestimmung von Blutgruppen der Fall ist, so genügt die bloße Mitteilung des erzielten Ergebnisses (vgl. BGH, Beschluss vom 15. September 2010 – 5 StR 345/10 Rn. 9 mwN).
9
b) Nach diesen Grundsätzen wurde zwar bereits das in der forensischen Praxis gebräuchliche PCR-Verfahren zur Feststellung von Übereinstimmungen zwischen Spuren- und Vergleichsmaterial von der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs als derart standardisiert eingestuft, dass es im Urteil nicht näher erläutert werden muss. Anderes galt allerdings für die sich anschließende Berechnung der biostatistischen Wahrscheinlichkeit, da diese als von wertenden Entscheidungen des Sachverständigen abhängig angesehen wurde (vgl. BGH, Urteil vom 3. Mai 2012 – 3 StR 46/12, NStZ 2013, 177, 178). Insoweit wurde – den allgemeinen Darlegungsanforderungen folgend – von den Tatgerichten verlangt, in den Urteilsgründen mitzuteilen, wie viele Systeme un- tersucht wurden, ob und inwieweit sich Übereinstimmungen in den untersuch- ten Systemen ergaben und mit welcher „Wahrscheinlichkeit“ die festgestellte Merkmalskombination zu erwarten ist (vgl. BGH, Urteile vom 24. März 2016 – 2 StR 112/14, NStZ 2016, 490; vom 21. Juli 2016 – 2 StR 383/15 Rn. 35; vom 9. Februar 2017 – 3 StR 415/16 Rn. 25; Beschlüsse vom 25. Februar 2015 – 4 StR 39/15 Rn. 10; vom 1. Dezember 2015 – 4 StR 397/15 Rn. 4; vom 22. Februar 2017 – 5 StR 606/16 Rn. 11; vom 18. Januar 2018 – 4 StR 377/17).
10
c) An den beiden erstgenannten Darlegungsanforderungen hält der Senat für die in der Praxis vorkommenden Regelfälle der DNA-Vergleichsuntersuchungen , die sich auf eindeutige Einzelspuren beziehen und keine Besonderheiten in der forensischen Fragestellung aufweisen, nicht fest. Denn nach dem erreichten wissenschaftlichen Stand der forensischen Molekulargenetik ist die biostatistische Wahrscheinlichkeitsberechnung in Fällen eindeutiger Einzelspuren soweit vereinheitlicht, dass es einer Darstellung der Anzahl der untersuchten Merkmalssysteme und der Anzahl der Übereinstimmungen in den untersuchten Merkmalssystemen nicht mehr bedarf. Vielmehr genügt die Mitteilung des Gutachtenergebnisses in Form der biostatistischen Wahrscheinlichkeitsaussage in numerischer Form, da diese die beiden übrigen bisherigen Anforderungen widerspiegelt.
11
Der Senat hat insbesondere zu der Frage, ob die molekulargenetische Begutachtung von eindeutigen Einzelspuren in Deutschland in der Weise standardisiert ist, dass unterschiedliche Sachverständige (gegebenenfalls auch un- ter Anwendung verschiedener Methoden) in „Normalfällen“ – in denen als Spu- renleger nicht mehrere miteinander verwandte Personen in Betracht kommen – bei der biostatistischen Bewertung zu gleichwertigen Ergebnissen gelangen, eine gutachterliche Stellungnahme des Sachverständigen S. vom Institut für Rechtsmedizin der Universität Köln eingeholt. Danach kann nunmehr auch die biostatistische Wahrscheinlichkeitsbewertung im Rahmen von molekulargenetischen Sachverständigengutachten als weithin standardisiert gelten.
12
aa) Die biostatistische Bewertung von DNA-Spuren beruht auf der Häufigkeitsschätzung des festgestellten DNA-Profils in der entsprechenden Referenzbevölkerung. Es können dabei zwei für die Ergebnisaussage gleichwertige Ansätze verfolgt werden: Zum einen ist die Benennung der zufälligen Trefferwahrscheinlichkeit üblich, bei der angegeben wird, unter wie vielen beliebigen Personen die beobachtete Merkmalskombination einmal vorgefunden werden kann. Zum anderen kann ein Wahrscheinlichkeitsquotient (Likelihood-Ratio) bezeichnet werden, mit dem zum Ausdruck gebracht wird, wie viel wahrscheinlicher es ist, dass das Spurenmaterial von der Vergleichsperson stammt, als dass es von einer unbekannten, mit der Vergleichsperson nicht verwandten Person herrührt. Bei – wie im vorliegenden Fall – eindeutigen Einzelspuren entspricht der Zahlenwert des Wahrscheinlichkeitsquotienten jenem der zufälligen Trefferwahrscheinlichkeit.
13
Maßgeblich für die Häufigkeitseinschätzung in Bezug auf das jeweilige DNA-Profil ist unabhängig von dem gewählten Ansatz einerseits die Anzahl der im (anerkannt standardisierten) PCR-Verfahren ermittelten Übereinstimmungen zwischen Spuren- und Vergleichsmaterial. Andererseits hängt die biostatistische Wahrscheinlichkeitsaussage davon ab, mit welcher Häufigkeit die einzelnen STR-Systeme (und in der Folge die Merkmalskombination) in der Referenzbevölkerung vorkommen. Maßgebliche Grundlage der Häufigkeitsaussa- gen zu den einzelnen Merkmalen sind in populationsgenetischen Studien veröffentlichte Daten.
14
bb) Für die stets auf diesen Grundlagen fußende Bewertung der biostatistischen Wahrscheinlichkeit bestehen in der molekulargenetischen Wissenschaft nach der Einschätzung des Sachverständigen, denen der Senat folgt, anerkannte Standards, die zu zuverlässigen und gleichwertigen Ergebnissen führen. Jedenfalls seit der Veröffentlichung der „GemeinsamenEmpfehlungen der Projektgruppe ‚biostatistische DNA-Berechnungen‘ und der Spurenkommis- sion zur biostatistischen Bewertung von DNA-analytischen Befunden“ (Ulbrich et al. NStZ 2017, 135) sind Standards für die biostatistische Wahrscheinlichkeitsberechnung formuliert, die von Gutachtern lege artis zu beachten sind. Diese betreffen ausdrücklich (auch) die Bewertung von Einzelspuren und insbesondere die Verwendung bestimmter populationsgenetischer Daten und damit die maßgeblichen Grundlagen der gutachterlichen Häufigkeitseinschätzung. In Zusammenschau mit dem Umstand, dass von allen Sachverständigen dieselbe , auf dem sogenannten Hardy-Weinberg-Gesetz beruhende und umfassend wissenschaftlich begründete Berechnungsweise angewandt wird, handelt es sich bei der biostatistischen Bewertung von DNA-Einzelspuren – die aus molekulargenetischer Sicht unstrittig ist und klare und belastbare Aussagen zur Spurenlegereigenschaft ermöglicht – um ein wissenschaftlich anerkanntes und verbindlich eingeführtes Berechnungsverfahren, dessen Anwendung stets zu gleichwertigen Ergebnissen führt.
15
cc) Für die Ersetzung einer biostatistischen Wahrscheinlichkeitsaussage durch eine bloße Mitteilung des erzielten Ergebnisses in verbalisierter Form gibt es derzeit noch keine einheitliche Skala. Der Sachverständige hat zusammenfassend darauf hingewiesen, dass es in Bezug auf eindeutige Einzelspuren ei- nen Konsens gibt, auf eine zahlenmäßige Aufschlüsselung und Dokumentation bei LR-Werten von mehr als 30 Milliarden zu verzichten und dies mit der Beur- teilung „es besteht kein begründeter Zweifel, dass die Merkmale der Spur von Person A stammen“ zu verbinden.
16
d) Die bisherige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs – insbesondere die genannte Entscheidung des 3. Strafsenats (BGH, Urteil vom 3. Mai 2012 – 3 StR 46/12, NStZ 2013, 177) – steht dieser Entscheidung nicht entgegen. Es liegt keine eine Rechtsfrage betreffende Divergenz im Sinne von § 132 Abs. 2 GVG vor. Der Senat hat auf der Grundlage der in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs entwickelten Maßstäbe zur Darstellung von Sachverständigengutachten in tatgerichtlichen Urteilen lediglich eine im Tatsächlichen abweichende Bewertung des fortgeschrittenen wissenschaftlichen Stands der biostatistischen Wahrscheinlichkeitsberechnung im Rahmen molekulargenetischer Sachverständigengutachten vorgenommen (vgl. BGH, Urteil vom 5. Juni 2014 – 4 StR 439/13, NJW 2014, 2454, 2456).
17
3. Anlass für eine Kompensationsentscheidung wegen sogenannter rechtsstaatswidriger Verfahrensverzögerung besteht nicht, zumal die Verurteilung des Angeklagten wegen schweren Raubes in drei Fällen zu Einzelfreiheitsstrafen von vier Jahren, fünf Jahren sowie fünf Jahren und sechs Monaten rechtskräftig ist. Die überdurchschnittliche Länge des Revisionsverfahrens hat ihre Ursache neben mehreren Beratungen des Senats vor allem in dem Erfordernis , das Gutachten eines Sachverständigen einzuholen (vgl. BGH, Urteil vom 17. Januar 2018 – 2 StR 334/15 Rn. 28 ff.).
Mutzbauer Sander Schneider
Berger Mosbacher

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 270/13
vom
31. Juli 2013
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen zu 1. Bestimmens einer Person unter 18 Jahren, als Person über
21 Jahren, zum unerlaubten Handel mit Betäubungsmitteln u.a.
zu 2. Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und der Beschwerdeführer am 31. Juli 2013 gemäß § 349 Abs. 2
und Abs. 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten K. wird das Urteil des Landgerichts Siegen vom 16. Januar 2013 mit den Feststellungen aufgehoben
a) soweit der Angeklagte K. wegen Raubes verurteilt wurde,
b) im Ausspruch über die Gesamtstrafe.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Die weiter gehende Revision des Angeklagten K. wird verworfen.
2. Die Revision des Angeklagten G. gegen das Urteil des Landgerichts Siegen vom 16. Januar 2013 wird verworfen.
Er hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten K. wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, wegen Raubes und wegen versuchter räuberischer Erpressung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt, den Angeklagten G. hat es wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit "Bestimmen einer Person unter 18 Jahren zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln" zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt; im Übrigen hat es die Angeklagten freigesprochen. Gegen dieses Urteil wenden sich die Angeklagten mit der Sachrüge, der Angeklagte K. zudem mit Verfahrensrügen. Das Rechtsmittel des Angeklagten K. hat hinsichtlich der Verurteilung wegen Raubes Erfolg; dies führt zur Aufhebung auch der Gesamtstrafe. Im Übrigen ist es, wie die Revision des Angeklagten G. insgesamt, unbegründet.
2
1. Das Rechtsmittel des Angeklagten K. hat mit der Sachrüge Erfolg, soweit es sich gegen die Verurteilung wegen Raubes (Überfall vom 17. September 2010) richtet.
3
a) Das Tatgericht hat in den Fällen, in denen es dem Gutachten eines Sachverständigen folgt, die wesentlichen Anknüpfungstatsachen und Ausführungen des Gutachters so darzulegen, dass das Rechtsmittelgericht prüfen kann, ob die Beweiswürdigung auf einer tragfähigen Tatsachengrundlage beruht und ob die Schlussfolgerungen nach den Gesetzen der Logik, den Erfahrungssätzen des täglichen Lebens und den Erkenntnissen der Wissenschaft möglich sind (vgl. BGH, Beschlüsse vom 19. August 1993 - 4 StR 627/92, BGHSt 39, 291, 296 f.; vom 21. September 2004 - 3 StR 333/04, NStZ 2005, 326). Dabei dürfen die Anforderungen, welche das Tatgericht an das Gutachten zu stellen hat, nicht mit den sachlichrechtlichen Anforderungen an den Inhalt der Urteilsgründe gleichgesetzt werden. Mögliche Fehlerquellen sind nur zu erörtern, wenn der Einzelfall dazu Veranlassung gibt (vgl. BGH, Beschluss vom 19. August 1993 - 4 StR 627/92, aaO, 297 f.; zum Ganzen: BGH, Urteil vom 21. März 2013 - 3 StR 247/12).
4
In den Fällen einer DNA-Untersuchung reicht es für das Revisionsgericht zur Überprüfung, ob das Ergebnis einer auf einer DNA-Untersuchung beruhenden Wahrscheinlichkeitsberechnung plausibel ist, im Regelfall aus, wenn das Tatgericht mitteilt, wie viele Systeme untersucht wurden, ob diese unabhängig voneinander vererbbar sind (und mithin die Produktregel anwendbar ist), ob und inwieweit sich Übereinstimmungen in den untersuchten Systemen ergeben haben und mit welcher Wahrscheinlichkeit die festgestellte Merkmalkombination zu erwarten ist; sofern der Angeklagte einer fremden Ethnie angehört, ist zudem darzulegen, inwieweit dies bei der Auswahl der Vergleichspopulation von Bedeutung war (vgl. BGH, Urteil vom 21. März 2013 - 3 StR 247/12 mwN; zu ggf. geringeren Anforderungen bei einer Vielzahl weiterer gewichtiger Indizien BGH, Beschluss vom 23. Oktober 2012 - 1 StR 377/12, NStZ 2013, 179, 180).
5
b) Den sich hieraus ergebenden Anforderungen genügen die Darlegungen in dem landgerichtlichen Urteil nicht.
6
Denn die Strafkammer stützt die Überzeugung von der (Mit-)Täterschaft des Angeklagten K. wesentlich auf das Ergebnis der Untersuchung von DNA in einer Mischspur, die an dem bei der Tat von einem der Täter getragenen Einmal-Overall gesichert worden war. Hierzu teilt das Landgericht (lediglich ) mit, dass "beim Vergleich der in der Analysedatei erfassten Vergleichswer- te …die Spur der Person A mit einer Wahrscheinlichkeit von 1 zu 53 Mrd. bei der in der Bundesrepublik lebenden Bevölkerung als Vergleichspopulation vom Angeklagten" stamme (UA S. 16).
7
c) Die Aufhebung der Verurteilung wegen Raubes hat die Aufhebung des Ausspruchs über die Gesamtfreiheitsstrafe zur Folge.
8
2. Im Übrigen hat das Rechtsmittel des Angeklagten K. , wie auch die Revision des Angeklagten G. insgesamt, aus den vom Generalbundesanwalt in der Antragsschrift vom 20. Juni 2013 dargelegten Gründen keinen Erfolg (§ 349 Abs. 2 StPO). Ergänzend bemerkt der Senat zur Revision des Angeklagten K. lediglich:
9
a) Hängt die Frage, ob der Tatrichter zur Prüfung der Täterschaft des Angeklagten ein anthropologisches Identitätsgutachten zu erholen hat, von der Qualität vorhandener Lichtbilder (hier: einer Überwachungskamera) ab, so hat er zunächst selbst zu beurteilen, ob die Tataufnahmen als Anknüpfungstatsachen für ein solches Gutachten geeignet sind (BGH, Urteil vom 15. Februar 2005 - 1 StR 91/04 [Rn. 31], NStZ 2005, 458, 460). Hat er Zweifel, muss er im Wege des Freibeweises - etwa durch Befragung eines Sachverständigen - klären , ob die Qualität der Lichtbilder für eine sachverständige Beurteilung ausreicht. Dabei ist Maßstab nicht, ob der Sachverständige sichere oder eindeutige Schlüsse ziehen kann, vielmehr ist die Erholung des Gutachtens schon dann geboten, wenn seine Folgerungen die (Nicht-)Täterschaft des Angeklagten mehr oder weniger wahrscheinlich machen und das Gutachten hierdurch unter Berücksichtigung des sonstigen Beweisergebnisses Einfluss auf die Überzeugungsbildung des Gerichts erlangen kann (vgl. BGH, Urteil vom 1. Dezember 2011 - 3 StR 284/11, StV 2013, 481, 482).
10
b) Zur Fassung des Schuldspruchs (hier der Kennzeichnung der Mittäterschaft im Urteilstenor als "gemeinschaftlich") verweist der Senat auf die Kommentierung bei Meyer-Goßer, StPO, 56. Aufl., § 260 Rn. 24.
Sost-Scheible Roggenbuck Mutzbauer
Bender Quentin

(1) Die Revision kann nur darauf gestützt werden, daß das Urteil auf einer Verletzung des Gesetzes beruhe.

(2) Das Gesetz ist verletzt, wenn eine Rechtsnorm nicht oder nicht richtig angewendet worden ist.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
3 S t R 8 4 / 1 4
vom
17. April 2014
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen zu 1.: Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a.
zu 2.: Beihilfe zur Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 17. April
2014, an der teilgenommen haben:
Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Schäfer
als Vorsitzender,
die Richter am Bundesgerichtshof
Pfister,
Mayer,
Gericke,
Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Spaniol
als beisitzende Richter,
Staatsanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten G. ,
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Trier vom 29. August 2013 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten A. wegen Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu der Freiheitsstrafe von sechs Jahren und den Angeklagten G. wegen Beihilfe zur Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge sowie wegen Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu der Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt. Hiergegen richtet sich die auf die Sachrüge gestützte Revision der Staatsanwaltschaft, mit der sie hinsichtlich des Angeklagten A. eine Verurteilung wegen tateinheitlichen täterschaftlichen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und hinsichtlich des Angeklagten G. die Verurteilung wegen jeweils täterschaftlicher Einfuhr von Betäubungsmitteln in Tateinheit mit Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in jeweils nicht geringer Menge und in weiterer Tateinheit mit Handeltreiben mit Betäubungsmitteln (in nicht geringer Menge) (Tat II.1. der Urteilsgründe) sowie wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (Tat II.2. der Urteilsgründe) erstrebt. Darüber hinaus rügt sie, dass hinsichtlich des Angeklagten G. die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt nicht geprüft worden ist. Das Rechtsmittel hat Erfolg und führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung.
2
Nach den Feststellungen verabredete der Angeklagte A. mit einem Drogenhändler, sich am Transport größerer Mengen Amphetamin aus den Niederlanden nach Deutschland zu beteiligen. Der Angeklagte sollte die Betäubungsmittel auf einem Parkplatz in Belgien übernehmen und in Saarbrücken einem Abnehmer übergeben, wobei ihm der Übergabeort in etwa vorgegeben war, Informationen zum Empfänger aber erst kurz vor der Ankunft telefonisch übermittelt werden sollten. Noch in Amsterdam lernte der Angeklagte A. in einem "Coffee-Shop" den Angeklagten G. kennen. Im Laufe des Gesprächs , das sich bald um Drogen drehte, konnte der Angeklagte A. den Angeklagten G. als Beifahrer für den beabsichtigten Betäubungsmitteltransport gewinnen. Eine gemeinsame Fahrt erschien ihm vorteilhaft, weil seiner Meinung nach Fahrer und Beifahrer bei einer etwaigen Zollkontrolle weniger auffallen und "vier Augen mehr sehen würden als zwei". Der Angeklagte G. erklärte sich gegen eine Entlohnung von 500 g Amphetamin zur Mitfahrt bereit. Das Rauschmittel wollte er teilweise zum Eigengebrauch, teilweise zum gewinnbringenden Weiterverkauf nutzen. Nachdem der Auftraggeber des Angeklagten A. , bei dem sich der Angeklagte G. vorstellen musste, diesem Plan zugestimmt hatte, begaben sich die beiden Angeklagten mit dem PKW nach Belgien, wo dem Angeklagten A. zwei große Sporttaschen und ein mittelgroßer Karton mit Betäubungsmitteln übergeben wurde. Die Sporttaschen enthielten insgesamt rund 29,4 kg Amphetamin mit einem Amphetaminbasegehalt von rund 6,6 kg. In dem Karton befanden sich neben 5 g Haschisch und Cannabissamen 44 g in kleine Kunststoffbeutel abgepacktes Marihuana mit einem THC-Gehalt von 6,3 g. Der Angeklagte A. wusste, dass es sich bei dem transportierten Rauschgift um größere Mengen Amphetamin handelte. Der Angeklagte G. hatte keine Kenntnis von der Art der Betäubungsmittel; er erkannte bei Übergabe der Sporttaschen und des Kartons allerdings, dass es sich um größere Mengen von Rauschgift handelte, und ging - wie auch der Angeklagte A. - davon aus, dass dieses für den gewinnbringenden Weiterverkauf in Deutschland bestimmt war. Wann der Angeklagte G. das versprochene Amphetamin erhalten sollte, war im Einzelnen nicht besprochen worden. Er ging allerdings davon aus, es alsbald nach der Ankunft am Zielort zu erhalten (Tat II.1. der Urteilsgründe). Bei einer kurz nach seiner Festnahme erfolgten Durchsuchung der Wohnung des Angeklagten G. wurden 59,8 g Kokain mit einem Wirkstoffgehalt von 95,9 %, 4,6 g Amphetamin und 13,3 g Marihuana gefunden, die für den Eigengebrauch des Angeklagten G. bestimmt waren. Einen Eimer mit 5,4 kg Coffein bewahrte er für einen befreundeten Drogendealer auf (Tat II.2. der Urteilsgründe).
3
1. Das Urteil hält hinsichtlich des unter II.1. der Urteilsgründe festgestellten Verhaltens der Angeklagten sachlich-rechtlicher Überprüfung nicht stand.
4
a) Entgegen der Auffassung der Revisionsführerin werden die Feststellungen allerdings von einer rechtsfehlerfreien Beweiswürdigung getragen.
5
Die Revisionsführerin macht insoweit geltend, die Beweiswürdigung sei lückenhaft und verstoße gegen Denk- und Erfahrungssätze. Deshalb habe das Landgericht rechtsfehlerhaft keine Feststellungen getroffen, die für beide Ange- klagte ein tateinheitliches täterschaftliches Einführen von und Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge begründen. Mit diesen Beanstandungen dringt sie nicht durch
6
aa) Die Beweiswürdigung ist Sache des Tatrichters, dem es obliegt, das Ergebnis der Hauptverhandlung festzustellen und zu würdigen. Die revisionsgerichtliche Überprüfung ist darauf beschränkt, ob dem Tatrichter Rechtsfehler unterlaufen sind. Dies ist in sachlich-rechtlicher Hinsicht der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist, gegen Denk- oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt oder wenn das Tatgericht zu hohe Anforderungen an die Überzeugungsbildung stellt (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 10. Dezember 1986 - 3 StR 500/86, BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung 2). Liegen solche Rechtsfehler nicht vor, hat das Revisionsgericht die tatrichterliche Überzeugung auch dann hinzunehmen, wenn eine abweichende Würdigung der Beweise möglich gewesen wäre.
7
bb) Das Landgericht hat den Feststellungen zum Tatgeschehen die geständigen Einlassungen beider Angeklagter, deren übereinstimmenden und als glaubhaft bewerteten Angaben es gefolgt ist, zugrunde gelegt. Die weitere Beweisaufnahme habe keine Hinweise erbracht, dass die Angeklagten das Betäubungsmittel auf eigene Rechnung und in der Absicht eingeführt hätten, diese gewinnbringend weiter zu verkaufen. Dabei hat das Landgericht berücksichtigt , dass ein SMS-Verkehr des Angeklagten A. vom 14. Oktober 2012 und 25. Januar 2013 ein "szenetypisches Verhandeln über Drogenmengen und Preise" nahelegt, insoweit aber keinen Zusammenhang mit der abgeurteilten Tat vom 17. Februar 2013 erkennen können. Einen Hinweis auf eine eigene Handelstätigkeit hat es auch dem Umstand nicht zu entnehmen vermocht, dass der Angeklagte A. bei der Zollkontrolle zunächst angegeben hatte, der Angeklagte G. sei ein Freund, der ihn für zwei Tage in den Niederlanden besucht habe. Die in sich schlüssigen Erwägungen des Landgerichts lassen Rechtsfehler nicht erkennen. Aus dem Umstand, dass der Angeklagte A. in den Monaten vor der hier abgeurteilten Tat möglicherweise selbst Betäubungsmittelhandel betrieben hat, dessen nähere Umstände hinsichtlich der gehandelten Menge und Art der Betäubungsmittel nicht bekannt sind, muss nicht zwingend gefolgert werden, dass der Angeklagte auch die transportierten Betäubungsmittel selbst gewinnbringend veräußern wollte. Vielmehr ist es möglich und vom Revisionsgericht hinzunehmen, dass das Landgericht diesen Schluss nicht gezogen hat. Auch hinsichtlich des Angeklagten G. begegnet die Beweiswürdigung keinen rechtlichen Bedenken. Die Beweisführung ist auch nicht deshalb lückenhaft, weil das Landgericht nicht erwogen hat, dass der Angeklagte G. bereits wegen Betäubungsmittelhandels vorbestraft ist. Denn dieser Umstand stellt hier für die Frage, welche Rolle dem Angeklagten bei der vorliegenden Einfuhrfahrt zukam, allenfalls ein untergeordnetes Indiz für ein täterschaftliches Handeln dar.
8
b) Das Urteil kann dennoch keinen Bestand haben. Nach § 264 StPO muss das Gericht die in der Anklage bezeichnete Tat so, wie sie sich nach dem Ergebnis der Hauptverhandlung darstellt, im Urteil unter allen rechtlichen Gesichtspunkten aburteilen. Es ist verpflichtet, den Unrechtsgehalt der Tat voll auszuschöpfen (BGH, Beschluss vom 9. November 1972 - 4 StR 457/71, BGHSt 25, 72, 75; Urteil vom 15. September 1983 - 4 StR 535/83, BGHSt 32, 84, 85). Dieser Verpflichtung ist das Landgericht nicht nachgekommen.
9
aa) Hinsichtlich des Angeklagten G. hat das Landgericht bei der rechtlichen Würdigung den Umstand außer Acht gelassen, dass der Angeklagte das ihm als Kurierlohn zugesagte Amphetamin jedenfalls teilweise verkaufen wollte. Insoweit lag aber eine Verurteilung wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln nahe.
10
(1) Das Handeltreiben mit Betäubungsmitteln im Sinne des § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BtMG umfasst jede eigennützige, auf den Umsatz von Betäubungsmitteln gerichtete Tätigkeit (st. Rspr.; BGH, Beschluss vom 26. Oktober 2005 - GSSt 1/05, BGHSt 50, 252, 256 mwN). Damit genügt für ein Handeltreiben jede absatzorientierte Beschaffung des Rauschmittels. Der Tatbestand ist schon dann erfüllt, wenn der Täter einen Dritten ernsthaft verpflichtet hat, ihm die zur Veräußerung bestimmten Betäubungsmittel zu liefern (BGH, Urteil vom 13. August 2009 - 3 StR 224/09, juris Rn. 27).
11
(2) Indem er sich für die Begleitung des Angeklagten A. auf der Fahrt 500 g Amphetamin als Lohn versprechen ließ, hat der Angeklagte G. diese Voraussetzungen erfüllt. Auch wenn die genauen Umstände der Entlohnung nicht abgesprochen waren, so rechnete der Angeklagte G. doch mit der - auch vom Hintermann des Angeklagten A. gebilligten - Übergabe des Rauschgifts am Ende der Fahrt. Da er einen Anteil des Amphetamins gewinnbringend weiterverkaufen wollte, erfüllt bereits die Erlangung dieser Zusage den Tatbestand des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln. Hinter dieses täterschaftliche Handeltreiben tritt die mit der Begleitung bei der Schmuggelfahrt geleistete Beihilfe zum Handeltreiben nicht zurück, weil sich die Teilnahmehandlungen - je nachdem, ob die versprochenen 500 g Amphetamin der eingeführten Menge entnommen oder gesondert beschafft werden sollten - auf eine andere Betäubungsmittelmenge bzw. einen anderen Teil der Betäubungsmittelmenge bezogen. Vielmehr besteht insgesamt Tateinheit (BGH, Urteil vom 13. August 2009 - 3 StR 224/09, juris Rn. 40). Eine Ergänzung des Schuldspruchs durch den Senat kommt allerdings bereits deshalb nicht in Be- tracht, da die Urteilsgründe sich nicht dazu verhalten, welcher Anteil des Betäubungsmittels zum Weiterverkauf bestimmt war, so dass aufgrund der Feststellungen nicht beurteilt werden kann, ob sich der Angeklagte insoweit wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln nach § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BtMG oder wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge nach § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG strafbar gemacht hat.
12
(3) Die aufgezeigten Rechtsfehler führen bezüglich des Angeklagten G. zur Aufhebung des gesamten Urteils im Fall II.1. der Urteilsgründe. Zwar hat das Landgericht für sich betrachtet rechtsfehlerfrei die Beihilfe zur Einfuhr von Betäubungsmitteln in Tateinheit mit Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in jeweils nicht geringer Menge festgestellt; diese Delikte stehen jedoch wie gezeigt in Tateinheit mit dem nicht ausgeurteilten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln (in nicht geringer Menge), so dass sich die Urteilsaufhebung auf sie zu erstrecken hat (vgl. BGH, Beschluss vom 13. September 2011 - 3 StR 231/11, NJW 2012, 325, 328 mwN).
13
bb) Auch im Schuldspruch hinsichtlich des Angeklagten A. hat die Strafkammer rechtsfehlerhaft nicht berücksichtigt, dass er sich daran beteiligen wollte, dem Angeklagten G. 500 g Amphetamin zu verschaffen, die dieser jedenfalls teilweise gewinnbringend verkaufen wollte. Dabei ergeben die getroffenen Feststellungen nicht, ob sein Verhalten insoweit als täterschaftliches Handeltreiben oder als Anstiftung oder Beihilfe hierzu zu bewerten ist. Der Kognitionspflicht des Landgerichts unterlag es jedoch, den Beitrag des Angeklagten A. zum Betäubungsmittelhandel des Angeklagten G. in objektiver und subjektiver Hinsicht aufzuklären und einer rechtlichen Bewertung zu unterziehen. Dies bedingt auch bei ihm die Aufhebung des Schuldspruchs und lässt die - von diesem Rechtsfehler nicht betroffene - Verurteilung wegen Einfuhr von Betäubungsmitteln in Tateinheit mit Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in jeweils nicht geringer Menge entfallen.
14
2. Hinsichtlich der Tat II.2. der Urteilsgründe kann das Urteil ebenfalls keinen Bestand haben. Insoweit erweist sich die Beweiswürdigung als rechtsfehlerhaft. Das Landgericht stützt die Feststellung, dass die bei dem Angeklagte G. sichergestellten Beweismittel ausschließlich dem Eigengebrauch dienen sollten, ohne weitere Erwägungen allein auf die Einlassung des Angeklagten. Dies ist hier auch unter Berücksichtigung der oben dargelegten beschränkten Überprüfung der Beweiswürdigung durch das Revisionsgericht rechtsfehlerhaft.
15
a) Entlastende Angaben eines Angeklagten, für die keine zureichenden Anhaltspunkte bestehen und deren Wahrheitsgehalt fraglich ist, darf der Tatrichter nicht ohne Weiteres seiner Entscheidung zugrunde legen, nur weil es für das Gegenteil keine unmittelbaren Beweise gibt. Die Zurückweisung einer Einlassung erfordert auch nicht, dass sich ihr Gegenteil positiv feststellen lässt. Vielmehr muss sich der Tatrichter aufgrund einer Gesamtwürdigung des Ergebnisses der Beweisaufnahme seine Überzeugung von der Richtigkeit oder Unrichtigkeit der Einlassung bilden (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteile vom 30. Oktober 2008 - 3 StR 416/08, juris Rn. 6; vom 18. Januar 2011 - 1 StR 600/10, NStZ 2011, 302, 303). Dies gilt umso mehr, wenn objektive Beweisanzeichen festgestellt sind, die mit Gewicht gegen die Richtigkeit der Einlassung des Angeklagten sprechen.
16
b) Die danach gebotene Überprüfung der Einlassung des Angeklagten G. hat das Landgericht nicht vorgenommen. Es hat es vielmehr unterlassen , sich mit einer Reihe von Beweisanzeichen zu befassen, die gegen die Richtigkeit dieser Angaben und dafür sprechen, dass das aufgefundene Rausch- und Streckmittel nicht ausschließlich dem Eigenkonsum diente, sondern gewinnbringend weitergegeben werden sollte. So hat sich die Strafkammer mit dem Umstand, dass der Angeklagten G. über eine erhebliche Menge, nämlich 59,8 g Kokain in hoher Dosierung - der Wirkstoffgehalt betrug 95,9 % - verfügte, sowie mit dem gleichzeitigen Auffinden von 5,4 kg Coffein, das als Streckmittel für Kokain dienen kann, nicht auseinandergesetzt. Der Frage, warum der Angeklagte für einen befreundeten unbekannten Dealer den Eimer mit dem Streckmittel aufbewahren sollte, ist das Landgericht nicht nachgegangen. Dem Angeklagten liegt der Handel mit Betäubungsmitteln auch nicht fern, wie nicht nur die frühere Verurteilung, sondern auch der Umstand zeigt, dass er auch das für die Hilfestellung bei der Einfuhr erwartete Amphetamin jedenfalls teilweise verkaufen wollte.
17
c) Dass § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG für die Aburteilung des Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge den gleichen Strafrahmen wie für das Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge vorsieht, entbindet das Gericht nicht von der Notwendigkeit zu klären, ob und in welchem Umfang das besessene Rauschgift zum Weiterverkauf einerseits und zum Eigenverbrauch andererseits bestimmt war. Im Verhältnis zu anderen Begehungsformen des § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG, die ihrerseits Verbrechen sind, weist der Besitz einen geringeren Unrechtsgehalt auf (BGH, Urteil vom 13. August 2009 - 3 StR 224/09, juris Rn. 40). Auch wirken sich die für den Eigenkonsum einerseits und für den Weiterverkauf andererseits bestimmten Teilmengen und ihr Verhältnis zueinander sowohl bei der rechtlichen Einordnung als auch bei der Gewichtung der Taten im Rahmen der Strafzumessung aus (vgl. BGH, Beschlüsse vom 27. April 2004 - 3 StR 116/04, StV 2004, 602, 603; vom 9. Januar 2008 - 2 StR 531/07, NStZ-RR 2008, 153). Selbst wenn der Angeklagte nur einen die Grenze zur nicht geringen Menge unterschreitenden Teil des Kokains hätte gewinnbringend absetzen wollen, träte der dann verwirklichte § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BtMG nicht hinter den Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge nach § 29a Abs. 1 Nr. 3 BtMG zurück, sondern stünde hierzu in Tateinheit (BGH, Beschluss vom 24. September 2009 - 3 StR 280/09, BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1 Konkurrenzen 10).
18
3. Das Urteil muss deshalb insgesamt aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen werden. Der neue Tatrichter wird auch Gelegenheit haben, die Voraussetzungen der Unterbringung des Angeklagten G. in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StPO) zu prüfen. Nach den Feststellungen konsumiert der Angeklagte G. seit dem Alter von zweiundzwanzig Jahren Betäubungsmittel. Insbesondere nach seiner Haftentlassung im Mai 2012 stieg der Konsum auf zuletzt fünf bis sieben Gramm Cannabis täglich und ein Gramm Kokain fast täglich an. Auch vor der abgeurteilten Tat hatte der "ausgesprochen drogengewohnte" Angeklagte Cannabis in unbekannter Menge konsumiert. Sollte die neue Beweisaufnahme diese Feststellungen bestätigen, wird das Landgericht unter Zuziehung eines Sachverständigen (§ 246a StPO) prüfen und entscheiden müssen, ob die Voraussetzungen für die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt gegeben sind.
Schäfer RiBGH Pfister ist wegen Urlaubs Mayer an der Unterschrift gehindert. Schäfer Gericke Spaniol

(1) Bei der Verurteilung zu Freiheitsstrafe von nicht mehr als einem Jahr setzt das Gericht die Vollstreckung der Strafe zur Bewährung aus, wenn zu erwarten ist, daß der Verurteilte sich schon die Verurteilung zur Warnung dienen lassen und künftig auch ohne die Einwirkung des Strafvollzugs keine Straftaten mehr begehen wird. Dabei sind namentlich die Persönlichkeit des Verurteilten, sein Vorleben, die Umstände seiner Tat, sein Verhalten nach der Tat, seine Lebensverhältnisse und die Wirkungen zu berücksichtigen, die von der Aussetzung für ihn zu erwarten sind.

(2) Das Gericht kann unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 auch die Vollstreckung einer höheren Freiheitsstrafe, die zwei Jahre nicht übersteigt, zur Bewährung aussetzen, wenn nach der Gesamtwürdigung von Tat und Persönlichkeit des Verurteilten besondere Umstände vorliegen. Bei der Entscheidung ist namentlich auch das Bemühen des Verurteilten, den durch die Tat verursachten Schaden wiedergutzumachen, zu berücksichtigen.

(3) Bei der Verurteilung zu Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten wird die Vollstreckung nicht ausgesetzt, wenn die Verteidigung der Rechtsordnung sie gebietet.

(4) Die Strafaussetzung kann nicht auf einen Teil der Strafe beschränkt werden. Sie wird durch eine Anrechnung von Untersuchungshaft oder einer anderen Freiheitsentziehung nicht ausgeschlossen.