Bundesgerichtshof Beschluss, 29. Okt. 2009 - 1 StR 501/09

bei uns veröffentlicht am29.10.2009

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 501/09
vom
29. Oktober 2009
in der Strafsache
gegen
wegen Steuerhinterziehung u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 29. Oktober 2009 beschlossen
:
Die Revision der Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts
Münster vom 28. April 2009 wird als unbegründet verworfen.
Die Beschwerdeführerin hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat die Angeklagte wegen Vorenthaltens von Arbeitsentgelt und wegen Lohnsteuerhinterziehung jeweils in 22 Fällen sowie wegen Umsatzsteuerhinterziehung in 17 Fällen (Schaden insgesamt: 1.278.498,76 €) zu der Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und drei Monaten verurteilt. Der hiergegen gerichteten, auf die Sach- und eine Formalrüge gestützten Revision bleibt aus den vom Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift vom 17. September 2009 dargelegten und durch die Gegenerklärung des Verteidigers nicht entkräfteten Gründen der Erfolg versagt. Die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO).
2
Ergänzend zu bemerken ist Folgendes:
3
1. Die Strafkammer legte ihrer Berechnung der nicht abgeführten Steuern und Sozialabgaben zugrunde, dass die Angeklagte "mindestens 70 Prozent" der "schwarz" erzielten Umsätze für Lohnzahlungen verwendet hatte. Dies beinhaltet keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten. Die entsprechenden Feststellungen folgerte die Strafkammer aus der umfassenden Einlassung der Angeklagten zu ihrer Geschäftstätigkeit, bestätigt durch Angaben früherer Mitangeklagter. Danach lag der Lohnanteil sogar bei 75 %.
4
Die Angeklagte - gelernte Kauffrau im Groß- und Außenhandel - war seit 2001 als Angestellte in verschiedenen Unternehmen der Gerüstbaubranche tätig. Bei einigen konnte sie beobachten, dass ein Teil der Aufträge durch "Schwarzarbeit" erledigt wurde. Die Löhne der entsprechenden Gerüstbauer wurden dem Finanzamt und den Sozialkassen nicht gemeldet oder nur in wesentlich geringerem Umfang als tatsächlich bezahlt. Die Angeklagte erkannte, dass mit der Einsparung dieser Lohnnebenkosten ein erheblicher Wettbewerbsvorteil gegenüber steuer- und abgabenehrlichen Unternehmen zu erzielen war; "man konnte günstigere Preise am Markt anbieten".
5
Bei ihrer Einlassung in der Hauptverhandlung hatte die Angeklagte dies einleitend wie folgt erläutert: "Die Lohnnebenkosten sind zu hoch. Daher organisiert man sich eine Kolonne von Schwarzarbeitern. Die Arbeiter sind meist hochverschuldete Personen, für die es sich nicht lohnt, offiziell zu arbeiten, da ihnen das Gehalt bis zur Freigrenze gepfändet wird. Diese Arbeiter gibt es wie Sand am Meer."
6
In den Jahren 2003 und 2004 war sie erstmals selbst in die Organisation des Einsatzes der Schwarzarbeiterkolonnen bei ihrem damaligen Arbeitgeber einbezogen. Spätestens Ende 2005 machte sich die Angeklagte als Arbeitgeberin von Schwarzarbeiterkolonnen selbständig. Sie hatte sich in der Branche bereits einen Namen gemacht. Viele wollten bei ihr arbeiten, da sie sich um ihre Arbeitnehmer kümmerte. Zahlreiche Gerüstbauunternehmen sprachen sie gezielt auf die Übernahme von Nachunternehmeraufträgen an.
7
Zur Rechnungsstellung an die Auftraggeber schaltete die Angeklagte sukzessive verschiedene allein hierzu bestimmte Unternehmen ein, besetzt mit Strohleuten. In dem hier maßgeblichen Zeitraum von Juli 2006 bis April 2008 waren dies das Einzelunternehmen K. , anschließend die D. GmbH und schließlich - nur noch geringfügig - das Einzelunternehmen A. . Zu diesen Unternehmen standen die von der Angeklagten angestellten Arbeitnehmer in keinem Dienstverhältnis. Sie unterlagen ausschließlich den Weisungen der Angeklagten, die auch die Barlöhne ausbezahlte. Die Auftraggeber verhandelten ausschließlich mit ihr. Sie war deren Vertragspartner. Es störte die Auftraggeber nicht, dass die Rechnungsstellung über Dritte erfolgte, an die auch die fälligen Zahlungen zu überweisen waren.
8
Die Angeklagte rechnete mit ihren Auftraggebern mit einem Stundenverrechnungssatz in Höhe von 20,-- € ab. Sie bezahlte an die Arbeitnehmer 15,-- € je Arbeitsstunde, also 75 % des Verrechnungssatzes. In der Schwarzarbeiterbranche im Gerüstbau seien das die üblichen Sätze gewesen. Die Angeklagte erzielte in den hier relevanten 22 Monaten einen Umsatz in Höhe von 2.032.531,-- €, also durchschnittlich 92.387,77 € in jedem Monat. Nach Bezahlung der Löhne und sonstiger Unkosten verblieben der Angeklagten nach ihrer Einlassung monatlich nur drei- bis viertausend €, also 3,25 bis 4,3 Prozent des Umsatzes.
9
Neben den Löhnen (75 % bzw. mindestens 70 % des Umsatzes wie die Strafkammer zugunsten der Angeklagten rechnete) fielen folgende Unkosten an:
10
Das Einzelunternehmen K. und die D. GmbH erhielten als Entgelt 10 %, das Einzelunternehmen A. 12,5 % des Umsatzes. Hieraus mussten diese jedoch die Büromiete sowie Telefon- und Fahrtkosten bestreiten. Bei der D. GmbH übernahm die Angeklagte zusätzlich die Kosten des Steuerberaters und des pro forma eingestellten Betriebsleiters. "Die Anmeldung und Zahlung von Lohn- und Umsatzsteuer sowie von Sozialabgaben sei in ihrem System nicht vorgesehen gewesen."
11
Die D. GmbH sollte dauerhaft betrieben werden und daher einen "seriösen Anstrich" erhalten. Auf Anraten eines tatbeteiligten Unternehmensberaters wurden deshalb einige Arbeitnehmer bei den Kassen und beim Finanzamt angemeldet , jedoch unter Angabe wesentlich geringerer als der tatsächlich bezahlten Löhne. Während der Tatzeit wurden insgesamt Löhne in Höhe von 227.499,-- € angemeldet. Dies sind 16 % der Gesamtlohnsumme in Höhe von 1.422.772,-- € (= 70 % des Umsatzes in Höhe von 2.032.531,-- €. Bei einem Lohnanteil von 75 % des Umsatzes ergibt sich eine Gesamtlohnsumme in Höhe von 1.524.398,-- €. Die angemeldeten Löhne sind hiervon noch 14,9 %). Die angemeldeten Lohnanteile wurden den Arbeitnehmern überwiesen. Den hierauf entfallenden Arbeitgeberanteil zu den Sozialabgaben trug die Angeklagte. Ganz überwiegend wurden die Löhne bar - ohne Abzüge - ausbezahlt.
12
Zudem wurden bei der D. GmbH, um nicht aufzufallen, Umsatzsteuervoranmeldungen abgegeben. Das Entstehen von Zahllasten wurde allerdings durch das Einbuchen von Scheineingangsrechnungen mit gesondertem Umsatzsteuerausweis vermieden. Die Kosten der Beschaffung dieser Abdeckrechnungen "habe sie ebenfalls aus ihrem Anteil genommen und insoweit nicht die Löhne gekürzt".
13
Über die genannten Posten hinaus hatte die Angeklagte keine größeren Ausgaben. Eigenes Gerüstmaterial benötigte sie als Subunternehmerin nicht. Dieses stellten die Auftaggeber zur Verfügung. Ein eigenes Büro unterhielt sie nicht. Sie hielt sich im Wesentlichen bei ihren Auftraggebern auf und nutzte de- ren Betrieb mit. Eine Buchhaltung führte die Angeklagte nicht. Anfallende Stundenzettel und andere Belege vernichtete sie möglichst rasch.
14
Bei der Angeklagten ergab sich nach allem etwa folgende Kostenstruktur : Löhne: 70 bis 75 % Fixbetrag Strohmannfirmen 10 %1 Gewinn der Angeklagten: 3,25 bis 4,3 % ----------------------- verbleiben für sonstige Unkosten2 16,75 bis 10,7 %
15
Der Senat verkennt nicht, dass die Angeklagte das ihr Verbliebene (3.000,-- bis 4.000,-- € pro Monat) möglicherweise zu gering ansetzte und deshalb in den - ohnehin zu hoch erscheinenden - sonstigen Unkosten (9.885,-- € bis 15.475,-- € pro Monat) eine weitere Gewinnmarge steckt. Dass die Angeklagte zu hohe Löhne nannte, kann nach den Feststellungen des Landgerichts ausgeschlossen werden.
16
Mit der Annahme eines Lohnanteils von 70 Prozent des Umsatzes, wie dies die Strafkammer ihren Berechnungen zugrunde legte, ist die Angeklagte nach allem sicherlich nicht beschwert.
17
2. Zur Strafzumessung ist zu bemerken:

1

Das Einzelunternehmen A. wurde nur noch bei den letzten drei Aufträgen mit einem Ge- samtumsatz in Höhe von 9.526,45 € einbezogen. Die hier um 2,5 % höher bezahlte Vergütung muss daher bei der Gesamtbetrachtung unberücksichtigt bleiben.

2

insbesondere weitere Kosten bei der D. GmbH, wie Abdeckrechnungen, Arbeitgeberanteil, pro forma Betriebsleiter, Steuerberater, Arbeitgeberanteil soweit Löhne gemeldet.
18
Die Strafkammer meint, die Angeklagte habe nicht aus grobem Eigennutz im Sinne des § 266a Abs. 4 Satz 2 Nr. 1 StGB gehandelt, sie habe sich bei den Taten nicht in besonders anstößigem Maß vom Streben nach dem eigenen Vorteil leiten lassen. Dabei sei insbesondere zu sehen, dass die Arbeiter der Schwarzarbeit gewollt nachgegangen seien und die Beteiligten insoweit im allseitigen Einverständnis gehandelt hätten.
19
Dies hält rechtlicher Überprüfung zwar nicht stand, beschwert die Angeklagte aber nicht.
20
Geschütztes Rechtsgut der Absätze 1 und 2 des § 266a StGB ist in erster Linie das Interesse der Solidargemeinschaft an der Sicherstellung des Aufkommens der Mittel für die Sozialversicherungen (vgl. BGH, Beschl. vom 21. September 2005 - 5 StR 263/05; Saliger in Satzger/Schmitt/Widmaier StGB § 266a Rdn. 2 m.w.N.). Kollusives Zusammenwirken von Arbeitnehmern und Arbeitgebern zu Lasten der Solidargemeinschaft - und mittelbar zum Nachteil abgaben- und steuerehrlicher Unternehmer - entlastet deshalb nicht, sondern ergibt ein Tatbild, das durch ein gesteigertes Ausmaß an krimineller Energie geprägt ist. Nack Wahl Hebenstreit Jäger Sander

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 29. Okt. 2009 - 1 StR 501/09

Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Beschluss, 29. Okt. 2009 - 1 StR 501/09

Referenzen - Gesetze

Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafgesetzbuch - StGB | § 266a Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt


(1) Wer als Arbeitgeber der Einzugsstelle Beiträge des Arbeitnehmers zur Sozialversicherung einschließlich der Arbeitsförderung, unabhängig davon, ob Arbeitsentgelt gezahlt wird, vorenthält, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldst
Bundesgerichtshof Beschluss, 29. Okt. 2009 - 1 StR 501/09 zitiert 4 §§.

Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafgesetzbuch - StGB | § 266a Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt


(1) Wer als Arbeitgeber der Einzugsstelle Beiträge des Arbeitnehmers zur Sozialversicherung einschließlich der Arbeitsförderung, unabhängig davon, ob Arbeitsentgelt gezahlt wird, vorenthält, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldst

Referenzen - Urteile

Bundesgerichtshof Beschluss, 29. Okt. 2009 - 1 StR 501/09 zitiert oder wird zitiert von 2 Urteil(en).

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Bundesgerichtshof Beschluss, 21. Sept. 2005 - 5 StR 263/05

bei uns veröffentlicht am 21.09.2005

5 StR 263/05 BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS vom 21. September 2005 in der Strafsache gegen wegen Steuerhinterziehung u. a. Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 21. September 2005 beschlossen: 1. Auf die Revision des Angeklagten wird da
1 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Bundesgerichtshof Beschluss, 29. Okt. 2009 - 1 StR 501/09.

Bundesgerichtshof Beschluss, 10. Nov. 2009 - 1 StR 283/09

bei uns veröffentlicht am 10.11.2009

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 1 StR 283/09 vom 10. November 2009 in der Strafsache gegen wegen Steuerhinterziehung u.a. Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 10. November 2009 beschlossen : 1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urt

Referenzen

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Wer als Arbeitgeber der Einzugsstelle Beiträge des Arbeitnehmers zur Sozialversicherung einschließlich der Arbeitsförderung, unabhängig davon, ob Arbeitsentgelt gezahlt wird, vorenthält, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Ebenso wird bestraft, wer als Arbeitgeber

1.
der für den Einzug der Beiträge zuständigen Stelle über sozialversicherungsrechtlich erhebliche Tatsachen unrichtige oder unvollständige Angaben macht oder
2.
die für den Einzug der Beiträge zuständige Stelle pflichtwidrig über sozialversicherungsrechtlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis lässt
und dadurch dieser Stelle vom Arbeitgeber zu tragende Beiträge zur Sozialversicherung einschließlich der Arbeitsförderung, unabhängig davon, ob Arbeitsentgelt gezahlt wird, vorenthält.

(3) Wer als Arbeitgeber sonst Teile des Arbeitsentgelts, die er für den Arbeitnehmer an einen anderen zu zahlen hat, dem Arbeitnehmer einbehält, sie jedoch an den anderen nicht zahlt und es unterlässt, den Arbeitnehmer spätestens im Zeitpunkt der Fälligkeit oder unverzüglich danach über das Unterlassen der Zahlung an den anderen zu unterrichten, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Satz 1 gilt nicht für Teile des Arbeitsentgelts, die als Lohnsteuer einbehalten werden.

(4) In besonders schweren Fällen der Absätze 1 und 2 ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter

1.
aus grobem Eigennutz in großem Ausmaß Beiträge vorenthält,
2.
unter Verwendung nachgemachter oder verfälschter Belege fortgesetzt Beiträge vorenthält,
3.
fortgesetzt Beiträge vorenthält und sich zur Verschleierung der tatsächlichen Beschäftigungsverhältnisse unrichtige, nachgemachte oder verfälschte Belege von einem Dritten verschafft, der diese gewerbsmäßig anbietet,
4.
als Mitglied einer Bande handelt, die sich zum fortgesetzten Vorenthalten von Beiträgen zusammengeschlossen hat und die zur Verschleierung der tatsächlichen Beschäftigungsverhältnisse unrichtige, nachgemachte oder verfälschte Belege vorhält, oder
5.
die Mithilfe eines Amtsträgers ausnutzt, der seine Befugnisse oder seine Stellung missbraucht.

(5) Dem Arbeitgeber stehen der Auftraggeber eines Heimarbeiters, Hausgewerbetreibenden oder einer Person, die im Sinne des Heimarbeitsgesetzes diesen gleichgestellt ist, sowie der Zwischenmeister gleich.

(6) In den Fällen der Absätze 1 und 2 kann das Gericht von einer Bestrafung nach dieser Vorschrift absehen, wenn der Arbeitgeber spätestens im Zeitpunkt der Fälligkeit oder unverzüglich danach der Einzugsstelle schriftlich

1.
die Höhe der vorenthaltenen Beiträge mitteilt und
2.
darlegt, warum die fristgemäße Zahlung nicht möglich ist, obwohl er sich darum ernsthaft bemüht hat.
Liegen die Voraussetzungen des Satzes 1 vor und werden die Beiträge dann nachträglich innerhalb der von der Einzugsstelle bestimmten angemessenen Frist entrichtet, wird der Täter insoweit nicht bestraft. In den Fällen des Absatzes 3 gelten die Sätze 1 und 2 entsprechend.

5 StR 263/05

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 21. September 2005
in der Strafsache
gegen
wegen Steuerhinterziehung u. a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 21. September 2005

beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Münster vom 31. Januar 2005 gemäß § 349 Abs. 4 StPO aufgehoben
a) im Strafausspruch in den Fällen 13 bis 24 der Urteilsgründe ,
b) im Ausspruch über die Gesamtstrafe.
2. Die weitergehende Revision wird nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
G r ü n d e Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Steuerhinte rziehung in zwölf Fällen und wegen Vorenthaltens von Arbeitsentgelt in zwölf Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten verurteilt. Seine hiergegen gerichtete, mit Verfahrensrügen und der näher ausgeführten Sachrüge geführte Revision hat nur in dem aus dem Beschlusstenor ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist sie unbegründet gemäß § 349 Abs. 2 StPO.
1. Die gegen den Schuldspruch vorgebrachten Einzelbeansta ndungen sind aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwaltes vom 3. August 2005, die durch die Gegenerklärung nicht entkräftet werden, unbegründet ; auch im Übrigen hat die Überprüfung des Urteils zum Schuldspruch keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.
Das Landgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass innerhalb derselben Tatzeiträume zwischen der Lohnsteuerhinterziehung (§ 370 AO) einerseits und dem Vorenthalten von Arbeitsentgelt (§ 266a StGB) andererseits Tatmehrheit gemäß § 53 StGB vorliegt (vgl. BGHSt 35, 14; BGH wistra 1990, 235). Soweit in der Literatur teilweise die Ansicht vertreten wird (vgl. Rolletschke wistra 2005, 211; Vogelberg PStR 2004, 90, 95), der Senat hätte in seiner Entscheidung vom 12. Februar 2003 – 5 StR 165/02 (wistra 2003, 262, 266) diese Rechtsprechung aufgeben wollen, beruht dies auf einem unzutreffenden Verständnis des Beschlusses. Der dort (im letzten Absatz) gegebene Hinweis betraf nicht das Konkurrenzverhältnis zwischen (Lohn-) Steuerhinterziehung und Vorenthalten von Arbeitsentgelt. Vielmehr wird ausgeführt, dass es für die Meldepflichten des Arbeitgebers – gegenüber der sozialversicherungsrechtlichen Einzugsstelle einerseits und dem Finanzamt andererseits – unerheblich ist, ob sie aus einem vertraglich bestehenden oder aus einem nach § 10 Abs. 1 AÜG fingierten Arbeitsverhältnis herrühren; damit hat der Senat lediglich klargestellt, dass allein der Umstand, dass ein Arbeitgeber den Meldepflichten sowohl für seine (vertraglichen) Arbeitnehmer als auch für die Arbeitnehmer, die zu ihm aufgrund gesetzlicher Fiktion in einem Arbeitsverhältnis stehen, nicht nachkommt, konkurrenzrechtlich für sich genommen und jenseits der sonstigen Voraussetzungen nicht zur Annahme von Tatmehrheit führt.
2. Zum Strafausspruch hat die Revision nur teilweise Er folg. Der Generalbundesanwalt hat insoweit ausgeführt: „Die Strafzumessung in den Fällen 13 bis 24 der Urteil sgründe kann … keinen Bestand haben. Das Urteil lässt nicht erkennen, ob das Landgericht berücksichtigt hat, dass der Angeklagte Beiträge von Kommanditisten zur freiwilligen Krankenversicherung an die Krankenkassen abgeführt hat.
Allerdings ist eine erschöpfende Aufzählung aller in Be tracht kommenden Strafzumessungserwägungen weder vorgeschrieben noch möglich. Daraus, dass ein für die Strafzumessung bedeutsamer Umstand nicht ausdrücklich angeführt worden ist, kann nicht ohne weiteres geschlossen werden , der Tatrichter habe ihn überhaupt nicht gesehen oder nicht gewertet (st. Rspr.; vgl. Senat in BGHR StGB § 46 Abs. 2 Tatumstände 17 und Urteil vom 12. Mai 2005 – 5 StR 86/05). Dies gilt grundsätzlich auch für den von der Revision angeführten Umstand der ‚arbeitgeberischen Fürsorge?.
Es liegt jedoch ein sachlichrechtlicher Fehler vor, wenn in den Urteilsgründen Umstände außer Acht gelassen werden, die für die Beurteilung des Unrechts- und Schuldgehalts und damit der Schwere der Tat von besonderer Bedeutung sind, deren Einbeziehung in die Strafzumessungserwägungen deshalb nahe lag (vgl. BGH, Urteile vom 24. Juni 1982 – 4 StR 218/82 – und vom 7. Juli 1983 – 4 StR 222/83; Tröndle/Fischer, StGB, 52. Aufl. § 46 Rdn. 106). So liegt der Fall hier.
§ 266a StGB schützt in erster Linie das Interesse der Sol idargemeinschaft an der Sicherstellung des Aufkommens der Mittel für die Sozialversicherung (vgl. BT-Drs. 10/5058 S. 31; BVerfG, NJW 2003, 961; BGH, NJW 2000, 2993, 2994; Martens, wistra 1986, 154, 155).
Da dieses Aufkommen nicht gefährdet ist, soweit Dritte – z. B. Subunternehmer – aufgrund einer mit dem Arbeitgeber getroffenen Vereinbarung die betroffenen Arbeitnehmer bei den zuständigen Kassen angemeldet und fristgerecht Beiträge an die zuständige Einzugsstelle abgeführt haben, können diese Zahlungen dem Arbeitgeber zugute kommen, obwohl er selbst keine Beiträge abgeführt hat (vgl. BGH, wistra 2001, 464, 465; insoweit nicht abgedruckt in BGHR StGB § 266a Arbeitgeber 2 und Sozialabgaben 5). Solche Zahlungen lagen hier zwar nicht vor. Sorgt aber – wie hier – der Arbeitgeber dafür, dass die Arbeitnehmer als freiwillige Mitglieder in der gesetzlichen Krankenversicherung (vgl. § 9 SGB V) versichert werden, und zahlt er absprachegemäß die Krankenversicherungsbeiträge für die freiwillige Mitgliedschaft , indem er die Beiträge vom Lohn der Arbeitnehmer einbehält und an die Krankenkasse abführt, ist das Aufkommen der Mittel für die Sozialversicherung in Höhe der Krankenversicherungsbeiträge ebenfalls nicht gefährdet , denn zuständige Einzugsstelle für den Gesamtsozialversicherungsbeitrag ist die Krankenkasse, von der die Krankenversicherung durchgeführt wird (vgl. § 28i SGB IV). Die Tatsache, dass der Arbeitgeber gemäß § 28e Abs. 1 SGB IV erst im Rückgriff seine Leistungen vom Bruttoarbeitslohn des Arbeitnehmers abziehen darf (vgl. Senat, NJW 2002, 2480), ändert an diesem Ergebnis nichts.
Die Krankenkassenbeiträge machen einen erheblichen Teil der Arbeitnehmerbeiträge zur Sozialversicherung im Sinne des § 266a Abs. 1 StGB aus. Vom Arbeitgeber veranlasste Beitragszahlungen für die freiwillige Mitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung sind daher für die Beurteilung des Unrechts- und Schuldgehalts und damit der Schwere der Tat von erheblicher Bedeutung. Da das Landgericht hier die Strafzumessung ausdrücklich an der ‚Schadenshöhe im Einzelfall’ orientiert (UA S. 60) und dabei die Arbeitnehmerbeiträge zur Sozialversicherung einschließlich des Anteils für die Krankenversicherung herangezogen hat, stellt die Nichterörterung des Umstandes, dass der Angeklagte für ‚einen Teil der Beschäftigten? absprachegemäß die Krankenversicherungsbeiträge an die jeweiligen Krankenkassen abgeführt und hierdurch ‚wie ein Arbeitgeber zum Versicherungsschutz der Arbeitnehmer? beigetragen hat (UA S. 17), einen Erörterungsmangel dar.
Es kann letztlich nicht ausgeschlossen werden, dass das Urteil auf diesem Rechtsfehler beruht (§ 337 StPO), denn den Urteilsgründen ist nicht zu entnehmen, in welcher Höhe der Angeklagte, der ‚in zahlreichen Fällen? dafür gesorgt hatte, dass die Kommanditisten als freiwillige Mitglieder krankenversichert waren (UA S. 17), für diese Krankenkassenbeiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung abgeführt hat. Aus demselben Grund kann auch nicht beurteilt werden, ob die verhängten Einzelstrafen trotz des Rechtsfehlers im Sinne von § 354 Abs. 1a Satz 1 StPO angemessen sind.“ Dem schließt sich der Senat an. Die somit gebotene Aufh ebung der in den Fällen 13 bis 24 der Urteilsgründe verhängten Einzelstrafen zieht die Aufhebung der Gesamtfreiheitsstrafe nach sich.
Harms Häger Gerhardt Brause Schaal

(1) Wer als Arbeitgeber der Einzugsstelle Beiträge des Arbeitnehmers zur Sozialversicherung einschließlich der Arbeitsförderung, unabhängig davon, ob Arbeitsentgelt gezahlt wird, vorenthält, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Ebenso wird bestraft, wer als Arbeitgeber

1.
der für den Einzug der Beiträge zuständigen Stelle über sozialversicherungsrechtlich erhebliche Tatsachen unrichtige oder unvollständige Angaben macht oder
2.
die für den Einzug der Beiträge zuständige Stelle pflichtwidrig über sozialversicherungsrechtlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis lässt
und dadurch dieser Stelle vom Arbeitgeber zu tragende Beiträge zur Sozialversicherung einschließlich der Arbeitsförderung, unabhängig davon, ob Arbeitsentgelt gezahlt wird, vorenthält.

(3) Wer als Arbeitgeber sonst Teile des Arbeitsentgelts, die er für den Arbeitnehmer an einen anderen zu zahlen hat, dem Arbeitnehmer einbehält, sie jedoch an den anderen nicht zahlt und es unterlässt, den Arbeitnehmer spätestens im Zeitpunkt der Fälligkeit oder unverzüglich danach über das Unterlassen der Zahlung an den anderen zu unterrichten, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Satz 1 gilt nicht für Teile des Arbeitsentgelts, die als Lohnsteuer einbehalten werden.

(4) In besonders schweren Fällen der Absätze 1 und 2 ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter

1.
aus grobem Eigennutz in großem Ausmaß Beiträge vorenthält,
2.
unter Verwendung nachgemachter oder verfälschter Belege fortgesetzt Beiträge vorenthält,
3.
fortgesetzt Beiträge vorenthält und sich zur Verschleierung der tatsächlichen Beschäftigungsverhältnisse unrichtige, nachgemachte oder verfälschte Belege von einem Dritten verschafft, der diese gewerbsmäßig anbietet,
4.
als Mitglied einer Bande handelt, die sich zum fortgesetzten Vorenthalten von Beiträgen zusammengeschlossen hat und die zur Verschleierung der tatsächlichen Beschäftigungsverhältnisse unrichtige, nachgemachte oder verfälschte Belege vorhält, oder
5.
die Mithilfe eines Amtsträgers ausnutzt, der seine Befugnisse oder seine Stellung missbraucht.

(5) Dem Arbeitgeber stehen der Auftraggeber eines Heimarbeiters, Hausgewerbetreibenden oder einer Person, die im Sinne des Heimarbeitsgesetzes diesen gleichgestellt ist, sowie der Zwischenmeister gleich.

(6) In den Fällen der Absätze 1 und 2 kann das Gericht von einer Bestrafung nach dieser Vorschrift absehen, wenn der Arbeitgeber spätestens im Zeitpunkt der Fälligkeit oder unverzüglich danach der Einzugsstelle schriftlich

1.
die Höhe der vorenthaltenen Beiträge mitteilt und
2.
darlegt, warum die fristgemäße Zahlung nicht möglich ist, obwohl er sich darum ernsthaft bemüht hat.
Liegen die Voraussetzungen des Satzes 1 vor und werden die Beiträge dann nachträglich innerhalb der von der Einzugsstelle bestimmten angemessenen Frist entrichtet, wird der Täter insoweit nicht bestraft. In den Fällen des Absatzes 3 gelten die Sätze 1 und 2 entsprechend.