Bundesgerichtshof Beschluss, 15. Aug. 2018 - 5 StR 381/18

bei uns veröffentlicht am15.08.2018

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
5 StR 381/18
vom
15. August 2018
in der Strafsache
gegen
wegen vorsätzlichen Bankrotts u.a.
ECLI:DE:BGH:2018:150818B5STR381.18.0

Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 15. August 2018 gemäß § 349 Abs. 2 und entsprechend § 354 StPO beschlossen:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Leipzig vom 6. März 2018 wird als unbegründet verworfen; jedoch wird der Schuldspruch dahingehend klargestellt, dass der Angeklagte wegen Beihilfe zum vorsätzlichen Bankrott in Tateinheit mit Beihilfe zur vorsätzlichen Insolvenzverschleppung in fünf Fällen, wegen vorsätzlicher Insolvenzverschleppung, wegen vorsätzlichen Bankrotts in Tateinheit mit vorsätzlicher Insolvenzverschleppung und wegen Falschangabe gegenüber dem Registergericht verurteilt ist.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten der „Beihilfe zum vorsätzlichen Bankrott tateinheitlich verbunden mit vorsätzlicher Insolvenzverschleppung in vier Fällen, der Beihilfe zum vorsätzlichen Bankrott in zwei tateinheitlichen Fällen (Beiseiteschaffen von Handelsbüchern/Unterlagen und Verschleierung der wirklichen geschäftlichen Verhältnisse) tateinheitlich verbunden mit vorsätzlicher Insolvenzverschleppung, der vorsätzlichen Insolvenzverschleppung, des vorsätzlichen Bankrotts in Tateinheit mit vorsätzlicher Insolvenzverschleppung und der falschen Angabe gemäß §§ 82 Absatz 1 Nr. 5, 8 Absatz 3 Satz 1 GmbHG“ schuldig gesprochen und ihn unter Einbeziehung von Strafen aus ei- nem Amtsgerichtsurteil zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Die hiergegen gerichtete und auf Beanstandung der Verletzung formellen sowie materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten ist unbegründet nach § 349 Abs. 2 StPO. Der Erörterung bedarf über die zutreffenden Ausführungen in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts hinaus nur Folgendes:
2
1. Die vom Senat vorgenommene Schuldspruchänderung dient vornehmlich der Klarstellung, dass der Angeklagte in den Fällen 1 bis 5 der Urteilsgründe auch in Bezug auf die Insolvenzverschleppung als Gehilfe verurteilt ist.
3
2. Die Inbegriffsrügen betreffend die Zeugen K. und W. sind bereits unzulässig nach § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO. Denn der Beschwerdeführer hat die Mitteilung unterlassen, dass ausweislich der sehr sorgfältigen Gegenerklärung der Staatsanwaltschaft Vernehmungsniederschriften hinsichtlich des im Zeitpunkt der Hauptverhandlung verstorbenen Zeugen K. und des schwer erkrankten Zeugen W. ordnungsgemäß zum Gegenstand der Hauptverhandlung gemacht worden sind. Entsprechendes gilt für die Beanstandung betreffend den Zeugen B. , in Bezug auf dessen Vernehmung der Verteidiger einen Beweisantrag zurückgenommen und sich mit der Verlesung eines Schreibens des Zeugen einverstanden erklärt hat.
4
3. Zum Schriftsatz vom 2. August 2018 bemerkt der Senat:
5
Es ist in der Rechtsprechung anerkannt und entspricht allgemeiner Ansicht im Schrifttum, dass die Bankrotthandlung und die Zahlungseinstellung (§ 283 Abs. 6 StGB) grundsätzlich nicht im Verhältnis von Ursache und Wir- kung stehen müssen, sondern die Bankrotthandlung der Zahlungseinstellung auch nachfolgen kann; erforderlich ist nur ein Zusammenhang zwischen ihr und der Zahlungseinstellung in dem Sinne, dass dieselben Gläubiger sowohl durch die Bankrotthandlung benachteiligt als auch von der Zahlungseinstellung betroffen werden (vgl. BGH, Urteil vom 8. Mai 1951 – 1 StR 171/51, BGHSt 1, 186, 191; MüKo-StGB/Radtke, 3. Aufl., vor § 283 Rn. 93; LK-StGB/Tiedemann, 12. Aufl., vor § 283 Rn. 100; Reinhart in Graf/Jäger/Wittig, Wirtschafts- und Steuerstrafrecht, 2. Aufl., vor § 283 StGB Rn. 43). Es ist daher entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers rechtlich irrelevant, ob die jeweilige Zahlungseinstellung vor oder nach den durch den Angeklagten verübten Verschlei- erungshandlungen im Zuge von „Firmenbestattungen“ erfolgt ist. Diese Inter- pretation trägt dem Umstand Rechnung, dass die Zahlungseinstellung nicht gleichbedeutend ist mit dem Verlust sämtlicher werthaltiger Gegenstände. Das im Vordergrund stehende Gläubigerinteresse kann deshalb auch durch Verschleierungshandlungen nach diesem Zeitpunkt beeinträchtigt werden. Dies erweist sich gerade an Konstellationen der „Firmenbestattung“ der verfahrensgegenständlichen Art.
6
Soweit der Senat über die Verletzung der Pflicht zur Aufstellung des Jahresabschlusses nach § 283 Abs. 1 Nr. 7b StGB hinaus (dazu BGH, Beschluss vom 22. Mai 1991 – 2 StR 453/90, BGHR StGB § 283 Abs. 1 Nr. 7b Zeit 1) eine Ausnahme auch für die in § 283 Abs. 1 Nr. 8 StGB bezeichneten Handlungen erwogen hat (vgl. BGH, Beschluss vom 24. März 2009 – 5 StR 353/08, NStZ 2009, 635, 636), nimmt er aus den genannten Gründen hiervon Abstand.
Mutzbauer Schneider König
Mosbacher Köhler

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 15. Aug. 2018 - 5 StR 381/18

Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Beschluss, 15. Aug. 2018 - 5 StR 381/18

Referenzen - Gesetze

Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafprozeßordnung - StPO | § 354 Eigene Entscheidung in der Sache; Zurückverweisung


(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erört

Strafprozeßordnung - StPO | § 344 Revisionsbegründung


(1) Der Beschwerdeführer hat die Erklärung abzugeben, inwieweit er das Urteil anfechte und dessen Aufhebung beantrage (Revisionsanträge), und die Anträge zu begründen. (2) Aus der Begründung muß hervorgehen, ob das Urteil wegen Verletzung einer R

Strafgesetzbuch - StGB | § 283 Bankrott


(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer bei Überschuldung oder bei drohender oder eingetretener Zahlungsunfähigkeit 1. Bestandteile seines Vermögens, die im Falle der Eröffnung des Insolvenzverfahrens zur Ins
Bundesgerichtshof Beschluss, 15. Aug. 2018 - 5 StR 381/18 zitiert 5 §§.

Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafprozeßordnung - StPO | § 354 Eigene Entscheidung in der Sache; Zurückverweisung


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Bundesgerichtshof Beschluss, 24. März 2009 - 5 StR 353/08

bei uns veröffentlicht am 24.03.2009

5 StR 353/08 (alt: 5 StR 412/03) BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS vom 24. März 2009 in der Strafsache gegen wegen Bankrotts u. a. Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 24. März 2009 beschlossen: 1. Auf Antrag des Generalbundesanwalts wird

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(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erörterungen nur auf Freisprechung oder auf Einstellung oder auf eine absolut bestimmte Strafe zu erkennen ist oder das Revisionsgericht in Übereinstimmung mit dem Antrag der Staatsanwaltschaft die gesetzlich niedrigste Strafe oder das Absehen von Strafe für angemessen erachtet.

(1a) Wegen einer Gesetzesverletzung nur bei Zumessung der Rechtsfolgen kann das Revisionsgericht von der Aufhebung des angefochtenen Urteils absehen, sofern die verhängte Rechtsfolge angemessen ist. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft kann es die Rechtsfolgen angemessen herabsetzen.

(1b) Hebt das Revisionsgericht das Urteil nur wegen Gesetzesverletzung bei Bildung einer Gesamtstrafe (§§ 53, 54, 55 des Strafgesetzbuches) auf, kann dies mit der Maßgabe geschehen, dass eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung über die Gesamtstrafe nach den §§ 460, 462 zu treffen ist. Entscheidet das Revisionsgericht nach Absatz 1 oder Absatz 1a hinsichtlich einer Einzelstrafe selbst, gilt Satz 1 entsprechend. Die Absätze 1 und 1a bleiben im Übrigen unberührt.

(2) In anderen Fällen ist die Sache an eine andere Abteilung oder Kammer des Gerichtes, dessen Urteil aufgehoben wird, oder an ein zu demselben Land gehörendes anderes Gericht gleicher Ordnung zurückzuverweisen. In Verfahren, in denen ein Oberlandesgericht im ersten Rechtszug entschieden hat, ist die Sache an einen anderen Senat dieses Gerichts zurückzuverweisen.

(3) Die Zurückverweisung kann an ein Gericht niederer Ordnung erfolgen, wenn die noch in Frage kommende strafbare Handlung zu dessen Zuständigkeit gehört.

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Der Beschwerdeführer hat die Erklärung abzugeben, inwieweit er das Urteil anfechte und dessen Aufhebung beantrage (Revisionsanträge), und die Anträge zu begründen.

(2) Aus der Begründung muß hervorgehen, ob das Urteil wegen Verletzung einer Rechtsnorm über das Verfahren oder wegen Verletzung einer anderen Rechtsnorm angefochten wird. Ersterenfalls müssen die den Mangel enthaltenden Tatsachen angegeben werden.

(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer bei Überschuldung oder bei drohender oder eingetretener Zahlungsunfähigkeit

1.
Bestandteile seines Vermögens, die im Falle der Eröffnung des Insolvenzverfahrens zur Insolvenzmasse gehören, beiseite schafft oder verheimlicht oder in einer den Anforderungen einer ordnungsgemäßen Wirtschaft widersprechenden Weise zerstört, beschädigt oder unbrauchbar macht,
2.
in einer den Anforderungen einer ordnungsgemäßen Wirtschaft widersprechenden Weise Verlust- oder Spekulationsgeschäfte oder Differenzgeschäfte mit Waren oder Wertpapieren eingeht oder durch unwirtschaftliche Ausgaben, Spiel oder Wette übermäßige Beträge verbraucht oder schuldig wird,
3.
Waren oder Wertpapiere auf Kredit beschafft und sie oder die aus diesen Waren hergestellten Sachen erheblich unter ihrem Wert in einer den Anforderungen einer ordnungsgemäßen Wirtschaft widersprechenden Weise veräußert oder sonst abgibt,
4.
Rechte anderer vortäuscht oder erdichtete Rechte anerkennt,
5.
Handelsbücher, zu deren Führung er gesetzlich verpflichtet ist, zu führen unterläßt oder so führt oder verändert, daß die Übersicht über seinen Vermögensstand erschwert wird,
6.
Handelsbücher oder sonstige Unterlagen, zu deren Aufbewahrung ein Kaufmann nach Handelsrecht verpflichtet ist, vor Ablauf der für Buchführungspflichtige bestehenden Aufbewahrungsfristen beiseite schafft, verheimlicht, zerstört oder beschädigt und dadurch die Übersicht über seinen Vermögensstand erschwert,
7.
entgegen dem Handelsrecht
a)
Bilanzen so aufstellt, daß die Übersicht über seinen Vermögensstand erschwert wird, oder
b)
es unterläßt, die Bilanz seines Vermögens oder das Inventar in der vorgeschriebenen Zeit aufzustellen, oder
8.
in einer anderen, den Anforderungen einer ordnungsgemäßen Wirtschaft grob widersprechenden Weise seinen Vermögensstand verringert oder seine wirklichen geschäftlichen Verhältnisse verheimlicht oder verschleiert.

(2) Ebenso wird bestraft, wer durch eine der in Absatz 1 bezeichneten Handlungen seine Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit herbeiführt.

(3) Der Versuch ist strafbar.

(4) Wer in den Fällen

1.
des Absatzes 1 die Überschuldung oder die drohende oder eingetretene Zahlungsunfähigkeit fahrlässig nicht kennt oder
2.
des Absatzes 2 die Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit leichtfertig verursacht,
wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(5) Wer in den Fällen

1.
des Absatzes 1 Nr. 2, 5 oder 7 fahrlässig handelt und die Überschuldung oder die drohende oder eingetretene Zahlungsunfähigkeit wenigstens fahrlässig nicht kennt oder
2.
des Absatzes 2 in Verbindung mit Absatz 1 Nr. 2, 5 oder 7 fahrlässig handelt und die Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit wenigstens leichtfertig verursacht,
wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(6) Die Tat ist nur dann strafbar, wenn der Täter seine Zahlungen eingestellt hat oder über sein Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet oder der Eröffnungsantrag mangels Masse abgewiesen worden ist.

5 StR 353/08
(alt: 5 StR 412/03)

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 24. März 2009
in der Strafsache
gegen
wegen Bankrotts u. a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 24. März 2009

beschlossen:
1. Auf Antrag des Generalbundesanwalts wird das Verfahren nach § 154 Abs. 2 StPO eingestellt, soweit der Angeklagte wegen Bankrotts in vier Fällen und wegen Betrugs zu Lasten der Arbeitnehmer Ka. und S. sowie zu Lasten des Arbeitnehmers F. verurteilt worden ist; insoweit trägt die Staatskasse die Kosten des Verfahrens und die dem Angeklagten entstandenen notwendigen Auslagen.
2. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Rostock vom 30. Oktober 2007 demgemäß nach § 349 Abs. 4 StPO dahin abgeändert, dass der Angeklagte wegen Betrugs und wegen vorsätzlichen Verstoßes gegen die Konkursantragspflicht zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von neun Monaten verurteilt ist, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wird.
3. Die weitergehende Revision wird nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
4. Der Angeklagte hat die verbleibenden Kosten des Rechtsmittels zu tragen.
G r ü n d e
1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Betrugs in drei Fällen, wegen (vorsätzlichen) Verstoßes gegen die Insolvenzantragspflicht (richtig: Konkursantragspflicht) und wegen Bankrotts in vier Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und zwei Monaten verurteilt und die Vollstreckung dieser Gesamtfreiheitsstrafe zur Bewährung ausgesetzt. Dabei waren die der Verurteilung wegen Betrugs zugrunde liegenden Fälle bereits Gegenstand des Senatsbeschlusses vom 7. Juli 2004 – 5 StR 412/03 (wistra 2004, 429) gewesen. Die Vorwürfe der Steuerhinterziehung, die ebenfalls Gegenstand des vorgenannten Senatsbeschlusses gewesen waren , sind im neuen Rechtsgang nach § 154 Abs. 2 StPO aus dem Verfahren ausgeschieden worden. Nach weiterer Teileinstellung im Revisionsverfahren ist auf die mit Verfahrensrügen und der Sachrüge geführte Revision des Angeklagten die Gesamtfreiheitsstrafe auf neun Monate herabzusetzen. Das weitergehende Rechtsmittel ist aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Zur Verfahrenseinstellung haben folgende Erwägungen Anlass gegeben :
3
a) Bezüglich der Verurteilung nach § 283 Abs. 1 Nr. 8 StGB teilt der Senat die Bedenken des Generalbundesanwalts, der insoweit ursprünglich Freispruch beantragt hat, zwar nicht. Um jedoch eine hier in Betracht zu ziehende Zurückverweisung zu vermeiden, ist dieser Fall einzustellen.
4
aa) Es ist durchaus erwägenswert, die Veräußerung der Geschäftsanteile an der A. I. K. G. (AIG), die Umfirmierung, die Sitzverlegung und das Abberufen des Angeklagten vom Amt als Geschäftsführer am 22. Dezember 1998 unter die Vorschrift des § 283 Abs. 1 Nr. 8 zweite Alternative, gegebenenfalls vorrangig unter § 283 Abs. 1 Nr. 4 StGB zu subsumieren. Der Begriff der „geschäftlichen Verhältnisse“ ist bislang vom Bundesgerichtshof nicht ausgelegt worden. Vor allem soll dieses Tatbestandsmerkmal Umstände erfassen, die für die Beurteilung der Kreditwürdigkeit (Bonität) des in der Krise befindlichen Schuldners erheblich sind (Hoyer in SK-StGB 7. Aufl. [März 2002] § 283 Rdn. 94; Tiede- mann in LK 11. Aufl. § 283 Rdn. 172; Radtke in MünchKomm-StGB § 283 Rdn. 67). Der Auffangtatbestand des § 283 Abs. 1 Nr. 8 StGB ist jedenfalls mit Blick auf die Gläubigerinteressen auszulegen: Bei der Tathandlung des Verheimlichens muss der Täter die Gläubiger oder den Insolvenzverwalter über Zugriffsmöglichkeiten auf das Schuldnervermögen in Unkenntnis setzen oder halten; bei der Tathandlung des Verschleierns geht es um die unrichtige Darstellung insbesondere der Vermögensverhältnisse.
5
Hier hat sich der Angeklagte eine Option auf Rückkauf der Gesellschaftsanteile an der AIG einräumen lassen; darüber hinaus war er aufgrund einer Vollmacht zur umfassenden Vertretung der umbenannten GmbH weiterhin befugt. Dies könnte dafür sprechen, dass es sich bei der Abtretung der Anteile und dem Wechsel in der Geschäftsführung um Scheingeschäfte (§ 117 BGB) handelte; solches würde zumindest die Annahme einer Treuhänderschaft sowie einer faktischen Geschäftsführung nahe legen. Sofern der Angeklagte damit tatsächlich weiterhin bestimmenden Einfluss auf die in I. GmbH umfirmierte AIG nahm, könnte er die Fremdgläubiger über die tatsächlichen Beteiligungsverhältnisse und die faktisch ausgeübte Geschäftsführung einschließlich des Firmensitzes getäuscht haben. Dies hätte zwar keine verbesserte Darstellung der Bonität der AIG zur Folge. Gleichwohl wird durch diese „Firmenbestattung“ die Position der Gläubiger verschlechtert (vgl. Raik Kilper, „Firmenbestattung“, Hamburg, 2009). Diese könnten durch die verschleiernden Maßnahmen davon abgehalten worden sein, in Vermögensgegenstände der AIG zu vollstrecken oder gar den Angeklagten wegen der Konkursverschleppung etwa nach § 826 BGB in Regress zu nehmen. Die sogenannte Interessentheorie dürfte auf § 283 Abs. 1 Nr. 8 zweite Alternative StGB keine Anwendung finden (vgl. allerdings BGH wistra 2000, 136 für § 283 Abs. 1 Nr. 8 erste Alternative StGB; vgl. auch Ogiermann, wistra 2000, 250, 251).
6
Von § 283 Abs. 1 Nr. 8 zweite Alternative StGB könnten sogar auch solche im Rahmen der „Firmenbestattung“ vorgenommenen Rechtsgeschäfte erfasst sein, bei denen die Rechtsfolgen von den Beteiligten tatsächlich gewollt sind. Die Übertragung der Anteile und das Abberufen vom Amt des Geschäftsführers wären dann zwar nicht als Scheingeschäfte (§ 117 BGB) zu werten. Gleichwohl könnten die Rechtsgeschäfte wegen der beabsichtigten Gläubigerbenachteiligung und der Umgehung der insolvenzrechtlichen Pflicht zur Antragstellung zivilrechtlich unwirksam sein (BGHR StGB § 266a Abs. 1 Vorsatz 2, insoweit in BGHSt 48, 307 nicht abgedruckt; vgl. auch § 15a Abs. 3 InsO n.F.). Dann hätte der bisherige Geschäftsführer sein Amt behalten und die Fremdgläubiger wären über die tatsächlichen geschäftlichen Verhältnisse der Gesellschaft getäuscht worden.
7
bb) Einer Verurteilung könnte indes entgegenstehen, dass – ungeachtet noch pfändbarer (allerdings geringer) Bankguthaben – nach dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe für Dezember 1998 von Zahlungseinstellung (§ 283 Abs. 6 StGB) auszugehen sein könnte. Jedenfalls für die Verletzung der Pflicht zur Aufstellung des Jahresabschlusses ist entschieden, dass der Tatbestand des Bankrotts nicht mehr verwirklicht werden kann, wenn – was dann näherer Auklärung bedürfte – die objektive Bedingung der Strafbarkeit bereits eingetreten ist (BGHR StGB § 283 Abs. 1 Nr. 7b Zeit 1 m.w.N.). Entsprechendes könnte für § 283 Abs. 1 Nr. 8 StGB gelten. Diese wie auch die vorgenannten Fragen bedürfen wegen der Verfahrenseinstellung nicht der Vertiefung.
8
b) Bei den drei übrigen Bankrottdelikten stehen die Schuldsprüche in Frage, weil das Landgericht etwaige Auswirkungen einer Durchsuchung und Beschlagnahme von Geschäftsunterlagen im Juni 1997 auch mit Blick auf die damals anhängigen Ermittlungsverfahren nicht weiter aufgeklärt hat. Zudem fehlt es ebenso wie bei zwei Betrugsfällen an der nach § 47 Abs. 1 StGB gebotenen Begründung für die Verhängung kurzer Freiheitsstrafen. Mit Blick auf die lange Verfahrensdauer erscheint die Einstellung nach § 154 Abs. 2 StPO als angemessene Verfahrenserledigung. Dies ermöglicht, das Verfahren nunmehr rechtskräftig abzuschließen.
9
2. Das Urteil hält in dem nach Teileinstellung verbleibenden Umfang der rechtlichen Nachprüfung stand.
10
a) Soweit der Angeklagte wegen Betrugs verurteilt worden ist, werden die Feststellungen des Landgerichts den Vorgaben aus dem Senatsbeschluss vom 7. Juli 2004 (vgl. auch BGHSt 1, 262, 264; BGHR StGB § 263 Abs. 1 Vermögensschaden 39; BGH wistra 1986, 170) gerecht. Dem Urteil ist hinreichend deutlich zu entnehmen, dass der geschädigten Arbeitnehmerin R. im Dezember 1998 die Vollstreckung in ein Bankguthaben in Höhe von rund 11.600 DM noch möglich gewesen wäre und sie sich – wie auch die übrigen Arbeitnehmer – nur deswegen von der Beitreibung der Forderung hat abhalten lassen, weil sie auf die Erfüllung der Stundungs- und Ratenzahlungsvereinbarung vertraute, zumal der Angeklagte persönlich mit der Bürgschaft einzustehen versprach. Eines weiteren Eingehens auf die subjektive Tatseite bedurfte es bei dieser Sachlage nicht.
11
b) Im Rahmen der Konkursverschleppung (§ 84 Abs. 1 Nr. 2, 64 Abs. 1 GmbHG a.F.; jetzt, insoweit ohne inhaltliche Änderungen, § 15a Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 InsO n.F., § 2 Abs. 2, Abs. 3 StGB), die nicht verjährt ist (vgl. dazu insbesondere BGH wistra 2009, 117, 119, zur Veröffentlichung in BGHSt bestimmt), belegen die Feststellungen sowohl die Überschuldung als auch die Zahlungsunfähigkeit der AIG. Insoweit bemerkt der Senat ergänzend zu den Ausführungen des Generalbundesanwalts zur Aufklärungsrüge des Beschwerdeführers, die den etwaigen, angeblich vom Sachverständigen nicht berücksichtigten Rangrücktritt des Angeklagten zum Gegenstand hat (S. 25 bis 41 aus der Revisionsbegründung vom 12. Februar 2008):
12
Die – auch in der Sache insbesondere hinsichtlich des Konkursgrundes der Zahlungsunfähigkeit ersichtlich aussichtslose – Aufklärungsrüge ist bereits deswegen unzulässig (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO), weil sie keine konkret bestimmten aufklärungsbedürftigen Tatsachen bezeichnet. Es wird nur in den Raum gestellt, dass der Angeklagte in Höhe seiner Gesellschafterforderung von rund 11,6 Mio. DM einen Rangrücktritt erklärt habe, ohne dies nach Ort, Zeit und den weiteren Umständen zu konkretisieren. Einer solchen Präzisierung hätte es insbesondere auch deswegen bedurft, weil die AIG Zinszahlungen auf das Gesellschafterdarlehen leistete, was eindeutig gegen einen Rangrücktritt spricht.
13
c) Der Senat schließt aus, dass die für die Konkursverschleppung verhängte Einzelfreiheitsstrafe von acht Monaten und die für den Betrugsfall zu Lasten der Arbeitnehmerin R. verhängte Einzelfreiheitsstrafe von sechs Monaten durch die Straffindung in den übrigen Fällen beeinflusst worden sein könnten. Auch führt der Umstand, dass das Landgericht Art und Ausmaß der von ihm festgestellten rechtsstaatswidrigen Verzögerung rechtsfehlerhaft nicht bestimmt hat, hier zu keinem durchgreifenden Strafzumessungsfehler. Noch mildere Einzelfreiheitsstrafen hätte das Landgericht angesichts des Umstandes, dass der Angeklagte im Dezember 1998 die eine „Firmenbestattung“ betrieb und die Geschädigte R. als langjährige vertraute Angestellte über Jahre hinweg von dem Einfordern ihrer Lohnforderungen abhielt , ersichtlich nicht verhängt. Dass es die Einzelstrafen nach der so genannten mittlerweile überholten (BGHSt [GS] 52, 124) Strafabschlagslösung gemindert hat, beschwert den Angeklagten nicht (vgl. BGH wistra 2008, 348,

349).


14
3. Der Senat hat – entsprechend dem Antrag des Generalbundesanwalts – die erneut erforderliche Gesamtstrafenbildung selbst vorgenommen, indem er die Einsatzstrafe um einen Monat erhöht hat. Eine noch geringere Erhöhung nach Wochen kam ersichtlich nicht in Betracht. Die so gebildete Gesamtfreiheitsstrafe berücksichtigt unter Beachtung der einer Verfahrensrüge zu entnehmenden für die Verfahrensverzögerung maßgeblichen Anknüpfungstatsachen und angesichts der bereits vom Landgericht gewährten Strafabschläge sowie der Verfahrenseinstellungen in weit ausreichendem Maße die rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung. Ein „echter“ Härte- ausgleich mit Blick auf die Erledigung der Geldstrafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Tiergarten in Berlin vom 17. September 1998 war bereits deswegen nicht zu gewähren, weil insoweit für die verbliebenen abgeurteilten Taten zu keinem Zeitpunkt, insbesondere nicht im hierfür maßgeblichen ersten Urteil vom 23. Dezember 2002, eine Gesamtstrafenkonstellation (§ 55 Abs. 1 Sätze 1 und 2 StGB) vorlag. Die Konkursverschleppung war jedenfalls nicht vor dem 22. Dezember 1998 beendet (vgl. BGHR StGB § 55 Abs. 1 Begehung 1; BGH NJW 1997, 750, 751, insoweit in BGHSt 42, 268 nicht abgedruckt ; BGH wistra 1996, 144, 145); der Betrug zu Lasten der Arbeitnehmerin R. begann sogar erst Ende Oktober 1998.
15
Das Tatgericht wird über den gegenstandslos gewordenen Bewährungszeit - und Pflichtenbeschluss (§ 268a StPO) neu zu befinden haben.
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