Bundesgerichtshof Beschluss, 27. Nov. 2018 - 5 StR 461/18

bei uns veröffentlicht am27.11.2018

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
5 StR 461/18
(alt: 5 StR 276/17)
vom
27. November 2018
in der Strafsache
gegen
wegen versuchten Mordes u.a.
ECLI:DE:BGH:2018:271118B5STR461.18.0

Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 27. November 2018 gemäß § 349 Abs. 2 StPO beschlossen:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Neuruppin vom 16. Mai 2018 wird als unbegründet verworfen , da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.
Ergänzend bemerkt der Senat: Das Landgericht hat – wie sich auch aus der Beweiswürdigung ergibt – durchweg eigene Feststellungen zur Person des Angeklagten getroffen.
Es hat damit zwar gegen den Grundsatz der innerprozessualen Bindungswirkung der nicht aufgehobenen Feststellungen des früheren Urteils vom 25. Januar 2017 verstoßen. Danach werden dann, wenn nur ein Teil der Verurteilung mit den diesbezüglichen tatsächlichen Feststellungen aufgehoben worden ist, die übrigen Teile der Entscheidung bestandskräftig mit der Folge der Bindung des mit der zurückgewiesenen Sache befassten Tatgerichts an die ihnen zugrundeliegenden nicht aufgehobenen tatsächlichen Grundlagen. Dies gilt auch, wenn das Revisionsgericht – wie der Senat in seiner ersten Entscheidung – einen Teil des Schuldspruchs und eine der Einzelstrafen bestätigt, eine weitere Einzelstrafe und den Rechtsfolgenausspruch dagegen mit den zugehö- rigen Feststellungen aufgehoben hat. Die teilweise Aufhebung erfasste in diesem Fall die Feststellungen zu den persönlichen Verhältnissen und zu den Vorstrafen des Angeklagten nicht, weil diese Umstände zugleich für den rechtskräftig abgeschlossenen Fall von Bedeutung waren und eine Aufhebung der rechtskräftigen Einzelstrafe ihre Grundlage entzogen hätte. Bei einer solchen Fallgestaltung sind lediglich ergänzende Feststellungen zugelassen, die mit den bindend gewordenen ein einheitliches und widerspruchsfreies Ganzes bilden müssen (BGH, Urteil vom 9. April 2015 – 4 StR 585/14, NStZ 2015, 600, 601).
Das angefochtene Urteil hat gleichwohl Bestand, da das Landgericht neben ergänzenden Feststellungen mit der erneuten Beweisaufnahme dieselben Feststellungen zur Person getroffen hat, wie sie dem teilweise aufgehobenen Urteil vom 25. Januar 2017 zugrundegelegen haben.
Mutzbauer Sander Schneider Berger Mosbacher

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 27. Nov. 2018 - 5 StR 461/18

Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Beschluss, 27. Nov. 2018 - 5 StR 461/18

Referenzen - Gesetze

Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric
Bundesgerichtshof Beschluss, 27. Nov. 2018 - 5 StR 461/18 zitiert 1 §§.

Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

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BGH 4 StR 585/14

bei uns veröffentlicht am 09.04.2015

Tenor Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Essen vom 29. August 2014 wird als unbegründet verworfen.
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Bundesgerichtshof Beschluss, 27. Nov. 2019 - 5 StR 571/19

bei uns veröffentlicht am 27.11.2019

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 5 StR 571/19 (alt: 5 StR 202/18) vom 27. November 2019 in der Strafsache gegen wegen Vergewaltigung u.a. ECLI:DE:BGH:2019:271119B5STR571.19.0 Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundes

Referenzen

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

Tenor

Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Essen vom 29. August 2014 wird als unbegründet verworfen.

Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Von Rechts wegen

Gründe

1

Das Landgericht Essen hatte den Angeklagten B.     im ersten Rechtsgang am 1. Februar 2013 wegen bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in vier Fällen, Anstiftung zur gefährlichen Körperverletzung in Tateinheit mit Nötigung, Diebstahls in vier Fällen und Hehlerei unter Einbeziehung der Freiheitsstrafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Essen vom 23. Februar 2012 zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten und wegen bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in einem weiteren Fall zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten verurteilt. Der Senat hatte auf die Revision der Staatsanwaltschaft das Urteil im Strafausspruch betreffend die Fälle des bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und im Gesamtstrafenausspruch mit den Feststellungen aufgehoben. Das Landgericht hat nunmehr eine Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und drei Monaten und eine weitere Einzelstrafe von zwei Jahren und drei Monaten verhängt.

2

Die Revision des Angeklagten gegen dieses Urteil hat keinen Erfolg. Die Strafzumessung der Strafkammer weist keinen durchgreifenden Rechtsfehler auf. Auch die Gesamtstrafenbildung begegnet entgegen der Auffassung des Generalbundesanwalts keinen Bedenken.

3

Die Bemessung der neu festgesetzten Strafen in den Fällen des bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in fünf Fällen und der Gesamtstrafe beruht auf einer tragfähigen Grundlage. Das Landgericht brauchte nicht nochmals die im Ersturteil mitgeteilten Feststellungen zur Person und zu den Vorstrafen des Angeklagten zu treffen, weil infolge der Bestätigung der wegen Anstiftung zur gefährlichen Körperverletzung in Tateinheit mit Nötigung, Diebstahls in vier Fällen und Hehlerei verhängten Einzelstrafen auch die diese tragenden Feststellungen zur Person und zu den Vorstrafen bestehen geblieben sind.

4

Das Revisionsgericht muss bei jeder aufhebenden Entscheidung prüfen, ob und inwieweit die gefundene Gesetzesverletzung auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen einwirkt; in diesem Umfange müssen auch die Feststellungen aufgehoben werden (BGH, Urteil vom 27. November 1959 - 4 StR 394/59, BGHSt 14, 30, 34). Wird nur ein Teil der Verurteilung mit den diesbezüglichen tatsächlichen Feststellungen aufgehoben, werden die übrigen Teile der Entscheidung bestandskräftig mit der Folge der Bindung des mit der zurückgewiesenen Sache befassten Tatrichters an die ihnen zugrunde liegenden nicht aufgehobenen tatsächlichen Grundlagen. Dies gilt auch, wenn das Revisionsgericht - wie der Senat in seiner ersten Entscheidung - den Schuldspruch und einen Teil der Einzelstrafen bestätigt, weitere Einzelstrafen (sowie die Gesamtstrafe) dagegen mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben hat. Die teilweise Aufhebung erfasste in diesem Fall die Feststellungen zu den persönlichen Verhältnissen und zu den Vorstrafen des Angeklagten nicht, weil diese Umstände zugleich für die rechtskräftig abgeschlossenen Fälle von Bedeutung waren und eine Aufhebung den rechtskräftigen Einzelstrafen ihre Grundlage entzogen hätte (offen gelassen von BGH, Urteil vom 13. Oktober 1981 - 1 StR 471/81, BGHSt 30, 225, 227). Bei einer solchen Fallgestaltung sind lediglich ergänzende Feststellungen zugelassen, die mit den bindend gewordenen ein einheitliches und widerspruchsfreies Ganzes bilden müssen.

5

Dies folgt auch aus dem Grundsatz der Einheitlichkeit (inneren Einheit) und damit notwendigen Widerspruchsfreiheit der Entscheidung, der unabhängig davon Gültigkeit beansprucht, ob ein Urteil über die Schuld- und Straffrage gleichzeitig entscheidet, oder ob nach rechtskräftigem Schuldspruch die Strafe aufgrund einer zum Strafausspruch erfolgreichen Revision neu festgesetzt wird. Der Grundsatz der Einheitlichkeit des Urteils verbietet selbst dann widersprüchliche Feststellungen zur Person des Angeklagten und seinen Vorstrafen, wenn von der Teilaufhebung prozessual selbständige Taten betroffen waren (vgl. zu den Tatfeststellungen BGH, Beschluss vom 28. März 2007 - 2 StR 62/07, NJW 2007, 1540, 1541; Urteil vom 10. Mai 2007 - 4 StR 11/07). Der neue Tatrichter muss die bestehen gebliebenen Feststellungen weder wiederholen noch hierauf Bezug nehmen (BGH, Beschluss vom 13. Mai 2003 - 1 StR 133/03, StraFo 03, 384).

6

Das Landgericht durfte daher die aus dem früheren Urteil - wörtlich in Anführungsstriche gesetzt - wiedergegebenen Feststellungen zur Person des Angeklagten, die auch die für die Gesamtstrafenbildung notwendigen Angaben zu der einzubeziehenden Verurteilung enthalten, bei der eigenen Strafzumessung berücksichtigen. Darüber hinaus hat es eigene ergänzende Feststellungen zur Person des Angeklagten im Rahmen der Strafzumessung getroffen und hierbei die positive Entwicklung des Angeklagten nach der Entlassung aus der Untersuchungshaft berücksichtigt.

Sost-Scheible                                   Roggenbuck                                    Franke

                            Mutzbauer                                       Quentin