BGH 4 StR 585/14

bei uns veröffentlicht am09.04.2015

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

Tenor

Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Essen vom 29. August 2014 wird als unbegründet verworfen.

Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Von Rechts wegen

Gründe

1

Das Landgericht Essen hatte den Angeklagten B.     im ersten Rechtsgang am 1. Februar 2013 wegen bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in vier Fällen, Anstiftung zur gefährlichen Körperverletzung in Tateinheit mit Nötigung, Diebstahls in vier Fällen und Hehlerei unter Einbeziehung der Freiheitsstrafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Essen vom 23. Februar 2012 zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten und wegen bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in einem weiteren Fall zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten verurteilt. Der Senat hatte auf die Revision der Staatsanwaltschaft das Urteil im Strafausspruch betreffend die Fälle des bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und im Gesamtstrafenausspruch mit den Feststellungen aufgehoben. Das Landgericht hat nunmehr eine Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und drei Monaten und eine weitere Einzelstrafe von zwei Jahren und drei Monaten verhängt.

2

Die Revision des Angeklagten gegen dieses Urteil hat keinen Erfolg. Die Strafzumessung der Strafkammer weist keinen durchgreifenden Rechtsfehler auf. Auch die Gesamtstrafenbildung begegnet entgegen der Auffassung des Generalbundesanwalts keinen Bedenken.

3

Die Bemessung der neu festgesetzten Strafen in den Fällen des bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in fünf Fällen und der Gesamtstrafe beruht auf einer tragfähigen Grundlage. Das Landgericht brauchte nicht nochmals die im Ersturteil mitgeteilten Feststellungen zur Person und zu den Vorstrafen des Angeklagten zu treffen, weil infolge der Bestätigung der wegen Anstiftung zur gefährlichen Körperverletzung in Tateinheit mit Nötigung, Diebstahls in vier Fällen und Hehlerei verhängten Einzelstrafen auch die diese tragenden Feststellungen zur Person und zu den Vorstrafen bestehen geblieben sind.

4

Das Revisionsgericht muss bei jeder aufhebenden Entscheidung prüfen, ob und inwieweit die gefundene Gesetzesverletzung auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen einwirkt; in diesem Umfange müssen auch die Feststellungen aufgehoben werden (BGH, Urteil vom 27. November 1959 - 4 StR 394/59, BGHSt 14, 30, 34). Wird nur ein Teil der Verurteilung mit den diesbezüglichen tatsächlichen Feststellungen aufgehoben, werden die übrigen Teile der Entscheidung bestandskräftig mit der Folge der Bindung des mit der zurückgewiesenen Sache befassten Tatrichters an die ihnen zugrunde liegenden nicht aufgehobenen tatsächlichen Grundlagen. Dies gilt auch, wenn das Revisionsgericht - wie der Senat in seiner ersten Entscheidung - den Schuldspruch und einen Teil der Einzelstrafen bestätigt, weitere Einzelstrafen (sowie die Gesamtstrafe) dagegen mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben hat. Die teilweise Aufhebung erfasste in diesem Fall die Feststellungen zu den persönlichen Verhältnissen und zu den Vorstrafen des Angeklagten nicht, weil diese Umstände zugleich für die rechtskräftig abgeschlossenen Fälle von Bedeutung waren und eine Aufhebung den rechtskräftigen Einzelstrafen ihre Grundlage entzogen hätte (offen gelassen von BGH, Urteil vom 13. Oktober 1981 - 1 StR 471/81, BGHSt 30, 225, 227). Bei einer solchen Fallgestaltung sind lediglich ergänzende Feststellungen zugelassen, die mit den bindend gewordenen ein einheitliches und widerspruchsfreies Ganzes bilden müssen.

5

Dies folgt auch aus dem Grundsatz der Einheitlichkeit (inneren Einheit) und damit notwendigen Widerspruchsfreiheit der Entscheidung, der unabhängig davon Gültigkeit beansprucht, ob ein Urteil über die Schuld- und Straffrage gleichzeitig entscheidet, oder ob nach rechtskräftigem Schuldspruch die Strafe aufgrund einer zum Strafausspruch erfolgreichen Revision neu festgesetzt wird. Der Grundsatz der Einheitlichkeit des Urteils verbietet selbst dann widersprüchliche Feststellungen zur Person des Angeklagten und seinen Vorstrafen, wenn von der Teilaufhebung prozessual selbständige Taten betroffen waren (vgl. zu den Tatfeststellungen BGH, Beschluss vom 28. März 2007 - 2 StR 62/07, NJW 2007, 1540, 1541; Urteil vom 10. Mai 2007 - 4 StR 11/07). Der neue Tatrichter muss die bestehen gebliebenen Feststellungen weder wiederholen noch hierauf Bezug nehmen (BGH, Beschluss vom 13. Mai 2003 - 1 StR 133/03, StraFo 03, 384).

6

Das Landgericht durfte daher die aus dem früheren Urteil - wörtlich in Anführungsstriche gesetzt - wiedergegebenen Feststellungen zur Person des Angeklagten, die auch die für die Gesamtstrafenbildung notwendigen Angaben zu der einzubeziehenden Verurteilung enthalten, bei der eigenen Strafzumessung berücksichtigen. Darüber hinaus hat es eigene ergänzende Feststellungen zur Person des Angeklagten im Rahmen der Strafzumessung getroffen und hierbei die positive Entwicklung des Angeklagten nach der Entlassung aus der Untersuchungshaft berücksichtigt.

Sost-Scheible                                   Roggenbuck                                    Franke

                            Mutzbauer                                       Quentin

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
4 StR 11/07
vom
10. Mai 2007
in der Strafsache
gegen
wegen Mordes u. a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 10. Mai 2007,
an der teilgenommen haben:
Richter am Bundesgerichtshof
Maatz
als Vorsitzender,
Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Kuckein,
Athing,
Dr. Ernemann,
Richterin am Bundesgerichtshof
Sost-Scheible
als beisitzende Richter,
Staatsanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Rechtsanwältin
als Nebenkläger-Vertreterin,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Dortmund vom 4. Juli 2006 mit den Feststellungen aufgehoben
a) soweit der Angeklagte wegen Mordes verurteilt wurde; von der Aufhebung ausgenommen sind die Feststellungen zum Tatvor- und -nachgeschehen und zur Schuldfähigkeitsbeurteilung, die bestehen bleiben;
b) im Ausspruch über die Gesamtstrafe. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere als Schwurgericht zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Mordes (Einzelstrafe: lebenslange Freiheitsstrafe) und wegen gefährlicher Körperverletzung (Einzelstrafe : vier Jahre Freiheitsstrafe) zu lebenslanger Freiheitsstrafe als Gesamtstrafe verurteilt. Mit seiner Revision gegen dieses Urteil rügt der Angeklagte - ohne nähere Ausführungen - die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Das Rechtsmittel hat mit der Sachrüge weitgehend Erfolg.
2
1. Das Landgericht hat im Wesentlichen folgende Feststellungen getroffen :
3
Der Angeklagte stand seit dem Jahre 2002 mit den späteren Tatopfern, den beiden polnischen Brüdern Tomasz H. und Piotr He. in Kontakt. Beide suchten Abnehmer für nach Deutschland zu schmuggelnde Zigaretten. Der Angeklagte machte sie mit Janus K. bekannt, der sich auf das Geschäft einließ. Für seine "Vermittlung" wurde der Angeklagte von den Brüdern möglicherweise damit belohnt, dass er - als an Waffen Interessierter - eine funktionsfähige halbautomatische Selbstladepistole FN, Kaliber 7,65 mm Browning, erhielt.
4
Der Angeklagte hatte ein gutes Verhältnis zu den späteren Tatopfern, die ihn in Abständen in Dortmund besuchten. Mehrfach kam es auch dazu, dass er seine Wohnung zur Übernachtung der beiden oder ihrer Begleitung zur Verfügung stellte. Den Brüdern ging es bei ihren Aufenthalten in Deutschland regelmäßig um die Durchführung krimineller Machenschaften.
5
Am Morgen des 21. Oktober 2005, einem Freitag, erschienen beide in Begleitung des Tadeusz M. , um das Wochenende in Dortmund zu verbringen und wiederum kriminelle Geschäfte zu tätigen. Der Angeklagte empfing sie herzlich und übergab ihnen einen Schlüssel für die Wohnung. Im Verlaufe des Samstag kam es jedoch zwischen dem Angeklagten und den Besuchern zu Spannungen und es war die Rede davon, dass sie am Abend bzw. in der Nacht wieder abreisen sollten. Sie verbrachten die Nacht außerhalb der Wohnung und kehrten am Sonntagmorgen zum Angeklagten zurück. Sie waren nun - wie sie merkten - nicht mehr willkommen, was sie aber nicht hinderte, "wie selbstverständlich zu bleiben". Sie wollten vor ihrer Abfahrt erst in der Wohnung des Angeklagten schlafen. Als die Partnerin des Angeklagten zum Ausdruck brachte, dass sie mit dem Besuch nicht einverstanden war, beleidigten die Brüder sie und He. überschüttete sie in ihrem Bett mit einem Topf voll Wasser. Der Angeklagte war über dieses Verhalten "überaus zornig", ihm war aber klar, dass er körperlich gegen die Besucher nichts ausrichten konnte. Als sich He. noch über ihn lustig machte, wurde er noch zorniger. Sein Versuch, telefonisch die Polizei herbeizurufen, beeindruckte die Brüder nicht. Einer von ihnen erklärte ihm, sie würden der Polizei sagen, seine Partnerin habe 2 kg Rauschgift in ihrer Scheide geschmuggelt; möglicherweise kündigten sie dem Angeklagten auch an, ihn beim Erscheinen der Polizei der Unterschlagung zu bezichtigen. Der Angeklagte machte daraufhin, um eine weitere Eskalation des Geschehens zu vermeiden, keinen weiteren Versuch, die Polizei herbeizurufen. Nach weiteren groben Beleidigungen der Partnerin des Angeklagten - auch in Gegenwart eines vom Angeklagten zur "Entspannung" der Situation herbeigerufenen Ehepaars, das Wodka mitbrachte, wovon getrunken wurde - legten sich die Besucher schlafen; alle drei waren übermüdet.
6
Die Wut und der Zorn des Angeklagten über die Beleidigungen seiner Partnerin und damit auch seiner Person hatten jetzt ein solches Maß erreicht, dass er es nicht mehr hinnehmen wollte, dass die Brüder in der Wohnung blieben. Er holte die bereits genannte Pistole, in deren Magazin sich mindestens drei Patronen befanden, lud sie durch und gab einen Schuss über die auf der Schlafcouch im Wohnzimmer schlafenden H. und M. hinweg in Richtung der in Leichtbauweise erstellten Wand ab. Das Geschoss durchschlug die Wand und blieb im Türblatt der Wohnungstür stecken. Hierdurch wachten Tadeusz M. und möglicherweise auch kurz H. auf. Falls Letzterer “kurz wach“ wurde und äußerte, dass ihm der Angeklagte ruhig ins Gesäß schießen könne, “so hatte er das Geschehen in seiner Schlaftrunkenheit nicht ernst genommen. Er ging in diesem Fall nicht davon aus, dass ihm ein Angriff gegen Leib und Leben seitens des Angeklagten drohe“ (UA 17 f.). He. schlief wei- ter. Der Angeklagte sagte dem Tadeusz M. , der aufgestanden war, sie hätten noch eine Viertelstunde Zeit; "wenn sie bis dahin nicht aufgestanden seien, werde er die anderen abknallen". M. nahm diese Ankündigung nicht ernst. Er ging ins Bad und kehrte dann wieder auf die Schlafcouch zurück, wo er möglicherweise im Sitzen "döste".
7
Der Angeklagte wartete die festgesetzte Viertelstunde ab. Wut und Zorn beherrschten ihn weiterhin. Er empfand es als zusätzliche Demütigung vor seiner Freundin, dass die Brüder trotz des von ihm abgegebenen Schusses nicht reagiert hatten. In dieser Gemütsverfassung entschloss er sich, sich für die Kränkungen und Demütigungen sowohl seiner Partnerin als auch ihm gegenüber zu rächen, indem er die Schusswaffe gegen die Brüder einsetzte, um dadurch gleichzeitig zu demonstrieren, dass man so nicht mit ihm umspringen könne und dass er nicht der Mann sei, der leere Drohungen ausstößt. Er hielt sein beabsichtigtes Handeln nicht für erlaubt. Ihm war bewusst, dass H. den abgegebenen Schuss nicht als ernstzunehmende Warnung vor einem Angriff gegen Leib und Leben verstanden hatte. Er wusste auch, dass beide Männer , weil sie schliefen, einem Angriff gegenüber “hilflos“ sein würden. Er wollte dies zur Tatbegehung ausnutzen.
8
In Ausführung seines Vorhabens feuerte er aus 40 bis 60 cm Entfernung einen Schuss auf den Unterkörper des auf einem Klappbett in der Küche liegenden He. ab, wobei er es für möglich hielt, dass dieser dadurch zu Tode kommen würde. He. erlitt schwere Verletzungen. Der Angeklagte ging sodann in das Wohnzimmer, trat an den auf der Couch liegenden “nicht handlungsfähigen“ H. heran und schoss mit bedingtem Tötungsvorsatz aus 20 bis 40 cm Entfernung auf dessen Oberkörper, wobei der Geschädigte einen Herzdurchschuss erlitt, an dem er binnen kurzem verstarb.
9
Im Anschluss daran informierte der Angeklagte telefonisch die Einsatzleitstelle der Feuerwehr von dem Geschehen, die den Notruf an die Polizei weiterleitete. He. konnte daraufhin notärztlich versorgt und sein Leben konnte gerettet werden. Zur Tatzeit war der Angeklagte nur unerheblich alkoholisiert.
10
2. Das Landgericht hat das Geschehen als Heimtücke-Mord (§ 211 Abs. 2 StGB) zum Nachteil des Tomasz H. und als gefährliche Körperverletzung (§ 224 Abs. 1 Nrn. 2 und 5 StGB) zum Nachteil des Geschädigten He. gewertet.
11
Es hat dahinstehen lassen, ob hinsichtlich des Mordmerkmals "Heimtücke" einer normativen Beschränkung des Anwendungsbereichs auf Fälle berechtigter Arglosigkeit zu folgen sei (vgl. BGHSt 48, 207, 211); denn die Brüder hätten, als sie sich schlafen legten - bzw. bezüglich des Geschädigten H. im Falle seines kurzen Erwachens und Weiterschlafens - nicht mit einem Angriff gegen Leib und Leben während des Schlafs rechnen müssen. Bei der Tat zum Nachteil des He. sei der Angeklagte vom Tötungsversuch strafbefreiend zurückgetreten. Auf Notwehr wegen der Missachtung seines Hausrechts durch die Brüder könne er sich nicht berufen, weil er nicht mit Verteidigungswillen gehandelt habe. Im Hinblick auf die Beleidigungen seien die Angriffe bereits abgeschlossen gewesen und ihre Wiederholung habe auch nicht unmittelbar bevorgestanden.
12
3. Diese rechtliche Bewertung begegnet, soweit das Mordmerkmal der Heimtücke bejaht wurde, im Hinblick auf die Tat zum Nachteil des Tomasz H. durchgreifenden rechtlichen Bedenken, weil sie auf einer unzureichend festgestellten Tatsachengrundlage beruht.
13
a) Das Landgericht geht im Ansatz zutreffend davon aus, dass in der Regel “heimtückisch“ handelt, wer einen Schlafenden tötet; denn der Schlafen- de ist regelmäßig arg- und wehrlos. Er überlässt sich dem Schlaf im Vertrauen darauf, dass ihm nichts geschehen werde, und in diesem Vertrauen überliefert er sich der Wehrlosigkeit (BGHSt 23, 119, 120; 32, 382, 386; BGH NStZ 2006, 338, 339). Allerdings macht die Rechtsprechung seit jeher von diesem Grundsatz Ausnahmen: So wird es etwa als zweifelhaft angesehen, ob Heimtücke vorliegt, wenn das Opfer gegen seinen Willen vom Schlaf übermannt wurde (vgl. BGHSt 23, 119, 121; BGH, Urteil vom 21. Juni 1967 – 4 StR 199/67) oder wenn es auf Grund sonstiger Umstände - und nicht wegen seiner Arglosigkeit - nicht in der Lage war, die (Angriffs-) Absicht des Täters zu erkennen und dessen Angriff wirksam entgegenzutreten (vgl. BGH NStZ 1997, 490, 491: auf Grund seiner “gesundheitlichen Konstitution“; MünchKomm-Schneider § 211 Rdn. 133 m.w.N.). Maßgeblich sind jeweils die Umstände des konkreten Falles (BGHSt 48, 207, 210).
14
Der vom Landgericht gezogene Schluss, Tomasz H. sei arglos gewesen, als er (wieder) einschlief, ist durch die bisherigen Feststellungen nicht rechtsfehlerfrei belegt; denn mit den Besonderheiten des Falles setzt sich das Schwurgericht nicht auseinander (UA 48 f.): Der Angeklagte hatte, bevor er den Tötungsvorsatz fasste, mit der späteren Tatwaffe einen Warnschuss abgegeben. Es bleibt nach den Feststellungen offen, warum H. nach dem Schuss möglicherweise nur “kurz“ aufwachte und er sofort wieder einschlief. Beruhte dies darauf, dass er infolge Übermüdung (UA 17) und Alkoholisierung (UA 15) vom Schlaf übermannt worden war, so könnte das seiner Arglosigkeit entgegenstehen; denn dann hätte er möglicherweise nur sein körperliches Unvermögen zur Abwehr eines Angriffs, nicht aber seine Arglosigkeit mit in den Schlaf genommen.
15
b) Zum subjektiven Tatbestand einer “heimtückisch“ begangenen Tötung gehört, dass der Täter die Arg- und Wehrlosigkeit des Opfers bewusst zur Tat ausnutzt (vgl. BGHSt 50, 16, 28; BGH NStZ 2005, 688, 689). Die Überzeugung des Landgerichts, dass der Angeklagte dies getan hat, ist durch die bisherigen Feststellungen ebenfalls nicht rechtsfehlerfrei belegt. Nicht fernliegend ist nämlich , dass der Angeklagte lediglich die durch den Schlaf bewirkte Wehrlosigkeit des Tatopfers ausnutzen wollte (vgl. UA 19, 54: Ausnutzen der Hilflosigkeit). Das reichte aber zur Verurteilung wegen Heimtücke-Mordes nicht aus (vgl. BGHSt 19, 321; 32, 382, 388). Auch insofern bedarf es weiterer Feststellungen.
16
4. Die Verurteilung wegen Mordes hat daher keinen Bestand. Dagegen begegnen der Schuldspruch wegen tatmehrheitlich begangener (vgl. BGHSt 16, 397 f.) gefährlicher Körperverletzung zum Nachteil des Piotr He. und die insoweit verhängte Freiheitsstrafe von vier Jahren keinen rechtlichen Bedenken. Dies selbst dann, wenn der Tötungsversuch, von dem der Angeklagte strafbefreiend zurückgetreten ist, nicht “heimtückisch“ begangen wurde; denn insoweit beruhte das Urteil nicht auf der entsprechenden rechtsfehlerhaften Bewertung.
17
5. Im Hinblick auf die Verurteilung wegen Mordes müssen die Urteilsfeststellungen aufgehoben werden. Dasselbe gilt für die Gesamtstrafe. Die Feststellungen zum Tatvor- und -nachgeschehen (UA 7 letzter Absatz bis UA 17 Ende des ersten Absatzes, UA 20 zweiter Absatz bis UA 31 Ende des ersten Absatzes) sind von den aufgezeigten Rechtsfehlern jedoch nicht berührt; sie können daher bestehen bleiben. Das gilt auch für die rechtsfehlerfrei festgestellte uneingeschränkte Schuldfähigkeit des Angeklagten (UA 57 bis UA 58 Ende des Absatzes vor VI.). Ergänzende Feststellungen sind insoweit möglich, sofern sie den bestehen bleibenden nicht widersprechen.
18
Soweit Feststellungen aufgehoben wurden, wird der nunmehr entscheidende Tatrichter neue Feststellungen zu treffen haben, und zwar unabhängig von den Tatsachenfeststellungen, die dem in Rechtskraft erwachsenen Urteilsteil im Hinblick auf die Tat zum Nachteil des Piotr He. zugrunde liegen.
19
6. Für die neue Hauptverhandlung bemerkt der Senat:
20
Falls die nunmehr entscheidende Schwurgerichtskammer dieselben Feststellungen trifft wie bisher, sie rechtsfehlerfrei feststellt, dass Thomasz H. arglos war, als er (wieder) einschlief, und der Angeklagte die Argund Wehrlosigkeit des Tatopfers bewusst zur Tat ausnutzte, stünde die in BGHSt 48, 207 abgedruckte Entscheidung des Bundesgerichtshofs einer Verurteilung wegen Heimtücke-Mordes nicht entgegen. Der Senat hat bereits Zweifel, ob er mit Blick auf möglicherweise entgegenstehende Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. BGHSt 30, 105, 114 [GS] [Kritik an einer “normativen Restriktion“ des Begriffs der Arglosigkeit]; 33, 363, 364 f. [3. Strafsenat] [Arglosigkeit wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass das Opfer mit einem Angriff hätte rechnen müssen]; BGH GA 1967, 244, 245 [4. Strafsenat] [Arglosigkeit auch, wenn das Opfer mit einem Angriff hätte rechnen müssen]) der in BGHSt 48, 207, 209, 211 vom 1. Strafsenat geäußerten Rechtsauffassung folgen könnte , das Mordmerkmal der Heimtücke sei einer “normativ orientierten einschränkenden Auslegung zugänglich“ mit der Folge, dass - für den dort entschiedenen Fall - der Annahme heimtückischen Handelns entgegensteht, dass der später Getötete mit Gegenwehr hätte rechnen müssen (kritisch auch BGH NStZ 2005, 688, 689 [2. Strafsenat]). Der Senat muss hierzu nicht abschließend Stellung nehmen; denn die in BGHSt 48, 207 für den Fall eines gegenwärtigen erpresserischen Angriffs durch den später Getöteten bejahte Einschränkung des Begriffs der Arglosigkeit ist auf eine Fallgestaltung wie hier nicht übertragbar (vgl. auch BGHSt 48, 207, 212). Maatz Kuckein Athing Ernemann Sost-Scheible

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 133/03
vom
13. Mai 2003
in der Strafsache
gegen
wegen Mordes
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 13. Mai 2003 beschlossen:
1. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landge- richts München I vom 24. Oktober 2002 wird als unbegründet verworfen. 2. Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:


Dem Angeklagten liegt zur Last, seine Ehefrau aus Habgier getötet zu haben, um die von ihm befürchteten wirtschaftlichen Nachteile der angedrohten Scheidung und die Auswirkungen auf sein Leben mit seiner Geliebten zu verhindern. Das Landgericht hatte ihn deshalb mit Urteil vom 6. Februar 2001 wegen Mordes zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt. Es hatte darüber hinaus die besondere Schwere der Schuld festgestellt; insoweit hat der Senat mit Beschluß vom 9. August 2001 (StraFo 2001, 390) das Urteil des Landgerichts aufgehoben. Die Feststellungen hierzu konnten bestehen bleiben, weil nur ein Wertungsfehler vorgelegen hatte. In diesem Umfang hatte der Senat die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine andere als Schwurgericht zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. Das Landgericht hat nunmehr durch Urteil vom 24. Oktober 2002 wiederum die besondere Schwere der Schuld festgestellt. Gegen dieses Urteil wendet sich der Ange-
klagte erneut mit seiner auf eine Verfahrensrüge und die Sachrüge gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg (§ 349 Abs. 2 StPO).

I.

1. Die Revision macht einen Verfahrensfehler nach § 261 StPO geltend, weil das Landgericht in seiner Entscheidung zur besonderen Schuldschwere im Sinne von § 57a Abs. 1 Satz1 Nr. 2 StGB tatsächliche Feststellungen zugrunde gelegt habe, die nicht Gegenstand der Hauptverhandlung gewesen seien. Der Rüge liegt folgender Verfahrensablauf zugrunde: Der Senat hatte in seinem Beschluß vom 9. August 2001 ausgeführt, das Landgericht habe es mit Recht als gewichtige Umstände für die besondere Schuldschwere angesehen, daß der Angeklagte die Tötung seiner Ehefrau bis ins Kleinste geplant und dabei eine ungewöhnlich hohe kriminelle Energie aufgewandt habe. Dazu habe es auch zählen können, daß der Angeklagte seine Geliebte, eine kenianische Staatsangehörige, wiederholt zu falschen Angaben gegenüber Ermittlungsbehörden verleitet habe. Dagegen hatte der Senat beanstandet , daß das Landgericht es als „besonders verwerflich angesehen" hatte, der Angeklagte habe das Andenken des Tatopfers dadurch verunglimpft, daß er seine Geliebte zu einer schriftlichen Erklärung veranlaßt habe, wahrheitswidrig zu behaupten, das Tatopfer habe sich bei ihrem Aufenthalt in Kenia gegenüber einheimischen jungen Männern sexuell sehr freizügig verhalten. Nach den Urteilsgründen sei es dem Angeklagten mit dieser - in der Hauptverhandlung widerrufenen Behauptung - nicht in erster Linie um eine Herabsetzung des Tatopfers, sondern um seine Verteidigung gegangen, mit der er seine Tatversion von einer Affekttat habe stützen wollen.
In der nach Zurückverweisung der Sache durchgeführten Hauptverhandlung am 24. Oktober 2002 verlas die Strafkammer den Tenor des Senatsbeschlusses vom 9. August 2001 sowie die Abschnitte A. und B. (persönliche Verhältnisse des Angeklagten, Sachverhaltsfeststellungen) aus dem teilweise aufgehobenen Urteil des Landgerichts vom 6. Februar 2001. Die Revision behauptet, der Angeklagte habe sich in seiner Einlassung ausschließlich zu dem Thema der Verunglimpfung des Tatopfers geäußert. Nachdem er noch pauschal erklärt habe, die Feststellungen des Ersturteils vom 6. Februar 2001 zum Tatgeschehen seien zutreffend, sei seine Vernehmung abgeschlossen worden. In der Beweisaufnahme sei dann nur noch der Sachverständige vernommen worden. Die Revision rügt, das Landgericht habe für seine neue Bewertung der Schuldschwere den Umstand, daß der Angeklagte „nicht davor zurück[geschreckt sei], seine Geliebte zu falschen Angaben gegenüber Ermittlungsbehörden zu verleiten“, herangezogen, ohne daß dazu Feststellungen in der Hauptverhandlung getroffen worden seien. In den verlesenen Abschnitten des Ersturteils werde nur mitgeteilt, der Angeklagte sei nach der Tatbegehung von seiner Geliebten abgeholt worden und habe ihr erzählt, „seine Frau sei infolge eines tragischen Unfalls zu Tode gekommen. Er bat sie, im Falle einer polizeilichen Vernehmung ein Alibi zu geben. Sie sollte aussagen , daß er die ganze Zeit über in Kenia gewesen wäre und eine Magenverstimmung auskuriert habe“. Weitere Ausführungen enthalte das aufgehobene Urteil vom 6. Februar 2001 nur in der nicht verlesenen Beweiswürdigung. Die Revision ist der Ansicht, das Landgericht habe in der neuen Beweisaufnahme nicht die Anforderungen des § 261 StPO eingehalten, denn der nunmehr die besondere Schuldschwere tragende Umstand der Verleitung der
Geliebten zu falschen Angaben gegenüber Ermittlungsbehörden sei nicht aus dem Inbegriff der Hauptverhandlung geschöpft worden. Dies trifft nicht zu. 2. Der Senat braucht nicht zu entscheiden, ob und wie im Falle einer Aufhebung und Zurückverweisung die bestehen gebliebenen Feststellungen zum Inbegriff der neuen Verhandlung zu machen sind und ob insoweit eine auf § 261 StPO gestützte Verfahrensrüge überhaupt möglich ist. Zwar erwachsen die bestehen gebliebenen Feststellungen nicht in Rechtskraft, weil das begrifflich nur beim Urteilsspruch, nicht aber bei den Feststellungen der Fall ist. Sie sind aber für das weitere Verfahren bindend geworden. Sie bilden zusammen mit dem neuen Urteil die einheitliche instanzabschließende Entscheidung. Der neue Tatrichter muß diese Feststellungen weder wiederholen noch hierauf Bezug nehmen (BGH NStZ-RR 2002, 233; BGH, Beschluß vom 19. September 2001 – 3 StR 339/01 m. w. Nachw.; vgl. auch BGH StV 2002, 599; Hanack in LR StPO 25.Aufl. § 353 Rdn. 28; Kuckein in KK StPO 4. Aufl. § 353 Rdn. 34).
Hier trägt die Revision selbst vor, das Landgericht habe die Feststellungen zum Tatablauf durch Verlesen des aufgehobenen Urteils vom 9. Februar 2001 bekannt gemacht. Dazu gehörte auch die Feststellung, der Angeklagte habe seine Geliebte aufgefordert, ihm ein falsches Alibi zu verschaffen. Einer erneuten Beweisaufnahme über diese Tatsachen bedurfte es nicht, da das Landgericht an die dazu getroffenen Feststellungen gebunden war.
Hinzu kommt, daß sich aus den im Rahmen der Gegenerklärungen der Staatsanwaltschaft eingeholten dienstlichen Erklärungen des Sitzungsvertreters der Staatsanwaltschaft und der Berufsrichter der Kammer ergibt, daß so-
wohl die Anstiftung des Angeklagten zur Falschaussage als auch die konkrete Reaktion der Geliebten und die spätere Korrektur ihrer Aussage vor der Ermittlungsrichterin Gegenstand der Einlassung des Angeklagten waren. Dieser habe insbesondere erklärt, daß seine Geliebte auf seine Aufforderung hin die falsche Aussage gemacht habe und er ihr erst in einem Gespräch vor der ermittlungsrichterlichen Vernehmung in München erklärt habe, daß er kein Alibi mehr benötige, worauf diese dann eine korrigierte Aussage gemacht habe.

II.

Die Überprüfung der Entscheidung über die besondere Schwere der Schuld § 57a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StGB aufgrund der Sachrüge hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten aufgedeckt. Nack Boetticher Schluckebier Kolz Hebenstreit