Bundesgerichtshof Beschluss, 24. Jan. 2012 - 5 StR 535/11

bei uns veröffentlicht am24.01.2012

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

5 StR 535/11

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 24. Januar 2012
in der Strafsache
gegen
wegen besonders schweren Raubes
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 24. Januar 2012

beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Berlin vom 15. Juli 2011 gemäß § 349 Abs. 4 StPO im Maßregelausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
Die weitergehende Revision des Angeklagten wird nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
G r ü n d e
1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen besonders schweren Raubes zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt und seine Unterbringung in der Sicherungsverwahrung angeordnet. Die Revision des Angeklagten führt mit der Sachrüge zur Aufhebung des Maßregelausspruchs. Im Übrigen ist sie unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).
2
1. Das Landgericht hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen :
3
a) Am Tatnachmittag begab sich der vielfach – auch einschlägig – vorbestrafte, alkoholisierte Angeklagte (Blutalkoholkonzentration ca. 2,5 ‰) aufgrund eines spontanen Tatentschlusses in eine Drogeriefiliale, um sich dort unter Einsatz eines mitgeführten Küchenmessers Geld zu verschaffen. Er trat von hinten dicht an die einzige im Laden befindliche, mit der Auffüllung der Warenregale beschäftigte Verkäuferin heran, fasste sie um die Taille und hielt ihr mit der anderen Hand das Küchenmesser vor das Gesicht. Auf seine Aufforderung öffnete die Zeugin die Kasse, der der Angeklagte Geldscheine und -münzen im Wert von insgesamt 74 € entnahm. Von Passanten, die auf das Geschehen aufmerksam geworden waren, wurde er am Verlassen des Geschäfts gehindert und wenig später festgenommen.
4
b) Sachverständig beraten ist die Strafkammer davon ausgegangen, dass der 47-jährige Angeklagte, der seit 30 Jahren erheblichen Alkoholmissbrauch betreibt, unter einer Polytoxikomanie leidet und zur Tatzeit aufgrund seiner Alkoholisierung vermindert schuldfähig war (§ 21 StGB). Die dem Strafrahmen des § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB entnommene Strafe hat sie deshalb gemildert. Eine Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt hat sie mangels hinreichend konkreter Erfolgsaussicht abgelehnt; seine Alkohol- und Drogensucht ist in der Vergangenheit bereits mehrfach, unter anderem auch im Rahmen einer Unterbringung nach § 64 StGB erfolglos behandelt worden. Die Anordnung seiner Unterbringung in der Sicherungsverwahrung hat die Strafkammer auf § 66 Abs. 1 StGB (idF vom 22. Dezember 2010) gestützt, dessen formelle Voraussetzungen sie – rechtsfehlerfrei – bejaht hat. Auch die materiellen Voraussetzungen für die Anordnung der Sicherungsverwahrung nach § 66 Abs. 1 StGB und deren Verhältnismäßigkeit unter Berücksichtigung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 4. Mai 2011 (NJW 2011, 1931 Rn. 172) hat sie angenommen.
5
2. Während Schuld- und Strafausspruch frei von Rechtsfehlern sind, hält der Maßregelausspruch sachlichrechtlicher Prüfung nicht stand. Die Urteilsbegründung genügt nicht den Anforderungen an die strikte Verhältnismäßigkeitsprüfung , die im Hinblick auf die durch das Bundesverfassungsgericht festgestellte Verfassungswidrigkeit des Rechts der Sicherungsverwahrung für die Übergangszeit geboten ist. Danach muss in der Regel eine Gefahr schwerer Gewalt- oder Sexualstraftaten aus konkreten Umständen in der Person oder dem Verhalten des Betroffenen abzuleiten sein (BVerfG aaO).
6
a) Das Landgericht orientiert seine Verhältnismäßigkeitsprüfung (in Anlehnung an Mosbacher, HRRS 2011, 229, 231) alleine an der gesetzgeberisch vorgenommenen Abstufung der Anlassdelikte nach §§ 66 ff. StGB. Danach seien unter schweren Gewaltstraftaten „nach der Wertung des § 66 Abs. 3 StGB zumindest alle Verbrechen zu verstehen, die sich gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit und in schwerwiegender Weise gegen die persönliche Freiheit richteten“. Hierzu zählt das Landgericht insbesondere auch „Raub- und Erpressungsdelikte nach § 249, 250, 253, 255 StGB“, die von dem Angeklagten nach dessen bisheriger delinquenter Vorgeschichte weiterhin zu erwarten seien (UA S. 42).
7
b) Ob es sich bei prognostizierten Taten um schwere Gewalttaten im Sinne der vom Bundesverfassungsgericht gesetzten Maßstäbe handelt, ist nicht alleine anhand der gesetzgeberischen Abstufung der Anlassdelikte der Sicherungsverwahrung (vgl. die Kataloge in § 66 Abs. 1 Nr. 1, § 66 Abs. 3 Satz 1 und § 66a Abs. 2 Nr. 1 StGB nF) zu entscheiden. Diese bietet allenfalls eine erste Orientierung. Während vorsätzliche Tötungsdelikte und Vorsatzdelikte mit qualifizierender Todesfolge grundsätzlich als schwere Gewaltstraftaten anzusehen sind, gilt dies für die von der Strafkammer erwarteten Raubdelikte ungeachtet der in den Fällen der §§ 249, 250, 255 StGB hohen Strafdrohungen und der für die Tatopfer oftmals gewichtigen psychischen Auswirkungen nicht ohne Weiteres (vgl. BGH, Urteil vom 19. Oktober2011 – 2 StR 305/11). Sie können nur in Abhängigkeit vonihren – auf der Grund- lage konkreter Umstände in der Person oder dem Verhalten des Betroffenen – vorhersehbaren individuellen Umständen als schwere Gewalttaten gewertet werden (vgl. auch BGH, Beschluss vom 26. Oktober 2011 – 5 StR 267/11, NStZ-RR 2012, 9 Rn. 8). Dabei spielt naturgemäß vor allem das Ausmaß der eingesetzten oder angedrohten Gewalt bei den zu prognostizierenden Straftaten eine mitbestimmende Rolle.
8
c) Die Strafkammer hat ferner nicht berücksichtigt, dass die vom Bundesverfassungsgericht geforderte strikte Verhältnismäßigkeitsprüfung dahin zu verstehen ist, dass bei beiden Elementen der Gefährlichkeit, das heißt, nicht nur der Erheblichkeit weiterer Straftaten, sondern auch der Wahrscheinlichkeit ihrer Begehung, ein gegenüber der bisherigen Rechtsanwendung strengerer Maßstab anzulegen ist (vgl. BGH, Urteil vom 4. August 2011 – 3 StR 175/11, NStZ 2011, 692; Beschlüsse vom 13. September 2011 – 5StR 189/11, Rn. 21 und vom 26. Oktober 2011, aaO, Rn. 7). Die – gegenüber bisherigen Maßstäben – erhöhte Gefährlichkeit muss im Übrigen „aus konkreten Umständen in der Person oder dem Verhalten des Betroffenen“ abzuleiten sein. Auch dies stellt höhere Anforderungen an die bislang vom Gesetz als Beurteilungsgrundlage für die Gefährlichkeitsprognose ge- forderte „Gesamtwürdigung des Täters und seiner Taten“ (BGH, Urteil vom 4. August 2011, aaO). Diese konkreten Umstände (wie etwa Anzahl und Frequenz der Vorstrafen, Tatbilder der Vor- und Anlasstaten, psychische Störungen des Angeklagten) sind im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung zu benennen.
9
d) Der Senat hebt die Maßregelanordnung mit den Feststellungen auf, um eine umfassende Prüfung der materiellen Voraussetzungen des § 66 Abs. 1 StGB durch das neue Tatgericht zu ermöglichen.
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Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 24. Jan. 2012 - 5 StR 535/11

Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Beschluss, 24. Jan. 2012 - 5 StR 535/11

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Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

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Strafgesetzbuch - StGB | § 64 Unterbringung in einer Entziehungsanstalt


Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb

Strafgesetzbuch - StGB | § 66 Unterbringung in der Sicherungsverwahrung


(1) Das Gericht ordnet neben der Strafe die Sicherungsverwahrung an, wenn 1. jemand zu Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren wegen einer vorsätzlichen Straftat verurteilt wird, die a) sich gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die per
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(1) Auf Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren ist zu erkennen, wenn 1. der Täter oder ein anderer Beteiligter am Raub a) eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug bei sich führt,b) sonst ein Werkzeug oder Mittel bei sich führt, um den Wider

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Strafgesetzbuch - StGB | § 255 Räuberische Erpressung


Wird die Erpressung durch Gewalt gegen eine Person oder unter Anwendung von Drohungen mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben begangen, so ist der Täter gleich einem Räuber zu bestrafen.

Strafgesetzbuch - StGB | § 66a Vorbehalt der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung


(1) Das Gericht kann im Urteil die Anordnung der Sicherungsverwahrung vorbehalten, wenn 1. jemand wegen einer der in § 66 Absatz 3 Satz 1 genannten Straftaten verurteilt wird,2. die übrigen Voraussetzungen des § 66 Absatz 3 erfüllt sind, soweit diese

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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

(1) Auf Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren ist zu erkennen, wenn

1.
der Täter oder ein anderer Beteiligter am Raub
a)
eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug bei sich führt,
b)
sonst ein Werkzeug oder Mittel bei sich führt, um den Widerstand einer anderen Person durch Gewalt oder Drohung mit Gewalt zu verhindern oder zu überwinden,
c)
eine andere Person durch die Tat in die Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung bringt oder
2.
der Täter den Raub als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Raub oder Diebstahl verbunden hat, unter Mitwirkung eines anderen Bandenmitglieds begeht.

(2) Auf Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter oder ein anderer Beteiligter am Raub

1.
bei der Tat eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug verwendet,
2.
in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 eine Waffe bei sich führt oder
3.
eine andere Person
a)
bei der Tat körperlich schwer mißhandelt oder
b)
durch die Tat in die Gefahr des Todes bringt.

(3) In minder schweren Fällen der Absätze 1 und 2 ist die Strafe Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren.

Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.

(1) Das Gericht ordnet neben der Strafe die Sicherungsverwahrung an, wenn

1.
jemand zu Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren wegen einer vorsätzlichen Straftat verurteilt wird, die
a)
sich gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die persönliche Freiheit oder die sexuelle Selbstbestimmung richtet,
b)
unter den Ersten, Siebenten, Zwanzigsten oder Achtundzwanzigsten Abschnitt des Besonderen Teils oder unter das Völkerstrafgesetzbuch oder das Betäubungsmittelgesetz fällt und im Höchstmaß mit Freiheitsstrafe von mindestens zehn Jahren bedroht ist oder
c)
den Tatbestand des § 145a erfüllt, soweit die Führungsaufsicht auf Grund einer Straftat der in den Buchstaben a oder b genannten Art eingetreten ist, oder den Tatbestand des § 323a, soweit die im Rausch begangene rechtswidrige Tat eine solche der in den Buchstaben a oder b genannten Art ist,
2.
der Täter wegen Straftaten der in Nummer 1 genannten Art, die er vor der neuen Tat begangen hat, schon zweimal jeweils zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist,
3.
er wegen einer oder mehrerer dieser Taten vor der neuen Tat für die Zeit von mindestens zwei Jahren Freiheitsstrafe verbüßt oder sich im Vollzug einer freiheitsentziehenden Maßregel der Besserung und Sicherung befunden hat und
4.
die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Taten ergibt, dass er infolge eines Hanges zu erheblichen Straftaten, namentlich zu solchen, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden, zum Zeitpunkt der Verurteilung für die Allgemeinheit gefährlich ist.
Für die Einordnung als Straftat im Sinne von Satz 1 Nummer 1 Buchstabe b gilt § 12 Absatz 3 entsprechend, für die Beendigung der in Satz 1 Nummer 1 Buchstabe c genannten Führungsaufsicht § 68b Absatz 1 Satz 4.

(2) Hat jemand drei Straftaten der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 genannten Art begangen, durch die er jeweils Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verwirkt hat, und wird er wegen einer oder mehrerer dieser Taten zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt, so kann das Gericht unter der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 bezeichneten Voraussetzung neben der Strafe die Sicherungsverwahrung auch ohne frühere Verurteilung oder Freiheitsentziehung (Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und 3) anordnen.

(3) Wird jemand wegen eines die Voraussetzungen nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 Buchstabe a oder b erfüllenden Verbrechens oder wegen einer Straftat nach § 89a Absatz 1 bis 3, § 89c Absatz 1 bis 3, § 129a Absatz 5 Satz 1 erste Alternative, auch in Verbindung mit § 129b Absatz 1, den §§ 174 bis 174c, 176a, 176b, 177 Absatz 2 Nummer 1, Absatz 3 und 6, §§ 180, 182, 224, 225 Abs. 1 oder 2 oder wegen einer vorsätzlichen Straftat nach § 323a, soweit die im Rausch begangene Tat eine der vorgenannten rechtswidrigen Taten ist, zu Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt, so kann das Gericht neben der Strafe die Sicherungsverwahrung anordnen, wenn der Täter wegen einer oder mehrerer solcher Straftaten, die er vor der neuen Tat begangen hat, schon einmal zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist und die in Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 und 4 genannten Voraussetzungen erfüllt sind. Hat jemand zwei Straftaten der in Satz 1 bezeichneten Art begangen, durch die er jeweils Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren verwirkt hat und wird er wegen einer oder mehrerer dieser Taten zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt, so kann das Gericht unter den in Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 bezeichneten Voraussetzungen neben der Strafe die Sicherungsverwahrung auch ohne frühere Verurteilung oder Freiheitsentziehung (Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und 3) anordnen. Die Absätze 1 und 2 bleiben unberührt.

(4) Im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 2 gilt eine Verurteilung zu Gesamtstrafe als eine einzige Verurteilung. Ist Untersuchungshaft oder eine andere Freiheitsentziehung auf Freiheitsstrafe angerechnet, so gilt sie als verbüßte Strafe im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 3. Eine frühere Tat bleibt außer Betracht, wenn zwischen ihr und der folgenden Tat mehr als fünf Jahre verstrichen sind; bei Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung beträgt die Frist fünfzehn Jahre. In die Frist wird die Zeit nicht eingerechnet, in welcher der Täter auf behördliche Anordnung in einer Anstalt verwahrt worden ist. Eine Tat, die außerhalb des räumlichen Geltungsbereichs dieses Gesetzes abgeurteilt worden ist, steht einer innerhalb dieses Bereichs abgeurteilten Tat gleich, wenn sie nach deutschem Strafrecht eine Straftat der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 1, in den Fällen des Absatzes 3 der in Absatz 3 Satz 1 bezeichneten Art wäre.

(1) Das Gericht kann im Urteil die Anordnung der Sicherungsverwahrung vorbehalten, wenn

1.
jemand wegen einer der in § 66 Absatz 3 Satz 1 genannten Straftaten verurteilt wird,
2.
die übrigen Voraussetzungen des § 66 Absatz 3 erfüllt sind, soweit dieser nicht auf § 66 Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 verweist, und
3.
nicht mit hinreichender Sicherheit feststellbar, aber wahrscheinlich ist, dass die Voraussetzungen des § 66 Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 vorliegen.

(2) Einen Vorbehalt im Sinne von Absatz 1 kann das Gericht auch aussprechen, wenn

1.
jemand zu einer Freiheitsstrafe von mindestens fünf Jahren wegen eines oder mehrerer Verbrechen gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die persönliche Freiheit, die sexuelle Selbstbestimmung, nach dem Achtundzwanzigsten Abschnitt oder nach den §§ 250, 251, auch in Verbindung mit § 252 oder § 255, verurteilt wird,
2.
die Voraussetzungen des § 66 nicht erfüllt sind und
3.
mit hinreichender Sicherheit feststellbar oder zumindest wahrscheinlich ist, dass die Voraussetzungen des § 66 Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 vorliegen.

(3) Über die nach Absatz 1 oder 2 vorbehaltene Anordnung der Sicherungsverwahrung kann das Gericht im ersten Rechtszug nur bis zur vollständigen Vollstreckung der Freiheitsstrafe entscheiden; dies gilt auch, wenn die Vollstreckung des Strafrestes zur Bewährung ausgesetzt war und der Strafrest vollstreckt wird. Das Gericht ordnet die Sicherungsverwahrung an, wenn die Gesamtwürdigung des Verurteilten, seiner Tat oder seiner Taten und ergänzend seiner Entwicklung bis zum Zeitpunkt der Entscheidung ergibt, dass von ihm erhebliche Straftaten zu erwarten sind, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden.

(1) Wer mit Gewalt gegen eine Person oder unter Anwendung von Drohungen mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben eine fremde bewegliche Sache einem anderen in der Absicht wegnimmt, die Sache sich oder einem Dritten rechtswidrig zuzueignen, wird mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr bestraft.

(2) In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren.

(1) Auf Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren ist zu erkennen, wenn

1.
der Täter oder ein anderer Beteiligter am Raub
a)
eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug bei sich führt,
b)
sonst ein Werkzeug oder Mittel bei sich führt, um den Widerstand einer anderen Person durch Gewalt oder Drohung mit Gewalt zu verhindern oder zu überwinden,
c)
eine andere Person durch die Tat in die Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung bringt oder
2.
der Täter den Raub als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Raub oder Diebstahl verbunden hat, unter Mitwirkung eines anderen Bandenmitglieds begeht.

(2) Auf Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter oder ein anderer Beteiligter am Raub

1.
bei der Tat eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug verwendet,
2.
in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 eine Waffe bei sich führt oder
3.
eine andere Person
a)
bei der Tat körperlich schwer mißhandelt oder
b)
durch die Tat in die Gefahr des Todes bringt.

(3) In minder schweren Fällen der Absätze 1 und 2 ist die Strafe Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren.

Wird die Erpressung durch Gewalt gegen eine Person oder unter Anwendung von Drohungen mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben begangen, so ist der Täter gleich einem Räuber zu bestrafen.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
2 StR 305/11
vom
19. Oktober 2011
in der Strafsache
gegen
wegen schwerer räuberischer Erpressung
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 19. Oktober
2011, an der teilgenommen haben:
Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Fischer
als Vorsitzender
und die Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Schmitt,
Dr. Berger,
Prof. Dr. Krehl,
Dr. Eschelbach,
Bundesanwältin beim Bundesgerichtshof
als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Gießen vom 15. März 2011 mit den Feststellungen aufgehoben, soweit darin die Unterbringung des Angeklagten in der Sicherungsverwahrung angeordnet wurde. Die Maßregel entfällt.
Die Kosten des Rechtsmittels und die notwendigen Auslagen des Angeklagten fallen der Staatskasse zur Last.

Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schwerer räuberischer Erpressung in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren und sechs Monaten verurteilt sowie seine Unterbringung in der Sicherungsverwahrung angeordnet. Dagegen richtet sich die auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten, die in der Revisionshauptverhandlung mit Zustimmung des Generalbundesanwalts auf den Maßregelausspruch beschränkt wurde. Das Rechtsmittel hat Erfolg.

I.

2
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts beging der Angeklagte am 26. August 1982 in A. , am 15. September 1982 in L. , am 25. Februar 1985 in M. , am 3. Juli 1989 in B. und am 28. Au- gust 1989 in H. jeweils einen Banküberfall unter Drohung mit einer Scheinwaffe und versuchte am 10. Oktober 1989 in E. eine weitere derartige Tat. Er wurde wegen der ersten beiden Verbrechen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren, wegen der dritten Tat zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren und wegen der letzten dieser Taten zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren und sechs Monaten sowie zur anschließenden Unterbringung in der Sicherungsverwahrung verurteilt. Es kam ferner zu zwei Verurteilungen wegen Betäubungsmitteldelikten. Ab Juni 2003 wurde die Sicherungsverwahrung des Angeklagten vollzogen; seine Entlassung aus dem Maßregelvollzug erfolgte am 5. Mai 2010. Der Angeklagte konnte danach nicht im Berufsleben Fuß fassen. Nachdem auch seine alkoholkranke Lebensgefährtin in finanzielle Schwierigkeiten geriet, entschloss sich der Angeklagte erneut dazu, eine Bank zu überfallen.
3
2. Der Angeklagte ging wieder nach dem gewohnten Muster vor.
4
a) Am 19. Oktober 2010 fuhr er nach G. , trank sich in einer Gaststätte Mut an, erwarb - wie in allen Fällen zuvor - in einem Kaufhaus eine Spielzeugpistole und beging gegen 13.00 Uhr einen Überfall auf die Filiale der S. - Bank. Dort bedrohte er die Bankmitarbeiter Ma. , O. und Bu. sowie eine Kundin, die Zeugin R. . Er erklärte dabei: „Dies ist ein Überfall“, hielt die Scheinwaffe in Richtung der Bankangestellten Ma. sowie der Zeugin R. und forderte die Herausgabe von Bargeld. Da seine Aufforderung zu- nächst nicht ernst genommen wurde, sagte er: „Wenn Sie mir kein Geld geben, muss ich die Frau erschießen“. Damit war die Zeugin O. gemeint,doch be- zog die Zeugin R. die Drohung auf sich, verspürte Todesangst und geriet in Panik. Der Angeklagte erzwang schließlich die Herausgabe von 3.000 Euro Bargeld. Die Zeugin R. hat das Geschehen bis heute nicht verarbeitet und wagt es kaum noch, alleine in die Stadt zu gehen.
5
b) Nachdem die Beute aus dem Überfall in G. rasch verbraucht war, fuhr der Angeklagte nach Ha. und traf dort den Sohn seiner Lebensgefährtin ebenfalls in desolaten wirtschaftlichen Verhältnissen an. Daraufhin entschloss er sich abermals zu einem Banküberfall, zumal er glaubte, dass es darauf „nicht mehr ankomme“. Am 26. Oktober 2010 fuhr er nach E. , trank in einer Gaststätte zur Beruhigung Bier, erwarb in einem Kaufhaus wieder eine Spielzeugpistole und suchte gegen 14.15 Uhr die Filiale der C. bank in der Innenstadt auf. Er begab sich zum Kassenschalter, richtete den Lauf der halb in seiner Jackentasche verdeckten Spielzeugpistole auf die BankangestellteRa. und erklärte: „Das ist ein Überfall“. Die Zeugin Ra. nahm dies zunächst nicht ernst und lachte ihrer Kollegin Ge. zu, die aber schon einen Alarmknopf drückte. Der Aufforderung des Angeklagten, das Bargeld herauszugeben, widerstand die Zeugin Ra. zunächst mit der Bemerkung, dass dies wegen einer Ausgabesperre nicht rasch möglich sei. Sie versuchte den Angeklagten in ein Gespräch zu verwickeln. Der hinzu kommende Bankangestellte K. wurde vom Angeklagten ebenfalls in Schach gehalten. Da die Herausgabe von Geld auf sich warten ließ und Kunden die Bank betraten, betonte der Angeklagte: „Wenn nicht gleich Geld kommt, muss ich von der Waffe Gebrauch machen“. Die Zeugin Ra. holte daraufhin 600 Euro in Papiergeld und Münzrollen hervor, steckte dieses Geld in eine Plastiktasche und übergab es dem Angeklagten , der mit der Beute floh.
6
3. Das Landgericht hat die Taten als schwere räuberische Erpressung in zwei Fällen bewertet und den Angeklagten zu Einzelstrafen von je fünf Jahren und sechs Monaten verurteilt, die es zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren und sechs Monaten zusammengezogen hat. Ferner hat es nach § 66 Abs. 1 StGB in der bis zum 31. Dezember 2010 geltenden Fassung die Unterbringung des Angeklagten in der Sicherungsverwahrung angeordnet. Es hat ausgeführt, der Angeklagte sei wegen eines Hanges zur Begehung gleicharti- ger Taten im Sinne der §§ 253, 255, 250 Abs. 1 Nr. 1 b StGB, für die aufgrund des eingeschliffenen Verhaltensmusters eine hohe Rückfallgefahr bestehe, für die Allgemeinheit gefährlich. Die Maßregelanordnung sei verhältnismäßig, da durch künftige Taten gleicher Art erhebliche psychische Beeinträchtigungen von Bankangestellten und Kunden zu befürchten seien.

II.

7
Die Revision des Angeklagten ist wirksam auf den Maßregelausspruch beschränkt worden (vgl. schon BGH, Urteil vom 27. Januar 1955 - 4 StR 594/54, BGHSt 7, 101, 102 f.). Sie ist begründet, denn der Maßregelausspruch kann keinen Bestand haben.
8
Das Landgericht hat an sich rechtsfehlerfrei die formellen und materiellen Voraussetzungen nach § 66 Abs. 1 StGB a.F. bejaht. Die Änderung der Norm durch das Gesetz zur Neuordnung des Rechts der Sicherungsverwahrung und zu begleitenden Regelungen vom 22. Dezember 2010 (BGBl. I S. 2300), das am 1. Januar 2011 in Kraft getreten ist, ergibt auch unter Beachtung des Meistbegünstigungsprinzips aus Art. 316e Abs. 2 EGStGB keine andere Bewertung zugunsten des Angeklagten. Jedoch sind beide Fassungen des § 66 Abs. 1 StGB nach der Feststellung des Bundesverfassungsgerichts in seinem Urteil vom 4. Mai 2011 derzeit wegen Verstoßes gegen Art. 2 Abs. 2 Satz 2 und Art. 104 Abs. 1 GG verfassungswidrig; die Vorschrift gilt vorläufig nur unter eingeschränkten Voraussetzungen weiter (BVerfG, Urteil vom 4. Mai 2011 - 2 BvR 2365/09 u.a., NJW 2011, 1931, 1945).
9
Die Weitergeltungsanordnung des Bundesverfassungsgerichts bildet in der Übergangszeit die Rechtsgrundlage für Eingriffsmaßnahmen (vgl. Bethge in Maunz/Schmidt-Bleibtreu/Klein/Bethge, BVerfGG, 2011, § 31 Rn. 227) in das Freiheitsrecht des Angeklagten. Sie tritt dabei vorläufig an die Stelle eines Ge- setzes im Sinne von Art. 2 Abs. 2 Satz 3, 104 Abs. 1 GG (krit. Hillgruber JZ 2011, 861, 863) und enthält eine außerordentliche Eingriffsermächtigung, die eng auszulegen ist.
10
Während der Dauer der Weitergeltung von § 66 Abs. 1 StGB muss der Tatsache Rechnung getragen werden, dass es sich bei der Sicherungsverwahrung um einen verfassungswidrigen Eingriff in das Freiheitsrecht handelt. Der hohe Wert dieses Grundrechts beschränkt das übergangsweise zulässige Eingriffsspektrum. Danach dürfen Eingriffe nur soweit reichen, wie sie unerlässlich sind, um die Ordnung des betroffenen Lebensbereichs aufrechtzuerhalten. Die Sicherungsverwahrung darf derzeit nur nach Maßgabe einer besonders strengen Verhältnismäßigkeitsprüfung angewandt werden. Nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts wird ihre Anordnung in der Regel nur verhält- nismäßig sein, „wenn eine Gefahr schwerer Gewalt- oder Sexualstraftaten aus konkreten Umständen in der Person oder in dem Verhalten des Betroffenen abzuleiten ist“ (BVerfG aaO).Danach sind erhöhte Anforderungen sowohl an die Konkretisierung der Rückfallprognose als auch an den Wert der gefährdeten Rechtsgüter zu stellen (vgl. BGH, Beschluss vom 2. August 2011 - 3 StR 208/11; Beschluss vom 4. August 2011 - 3 StR 235/11; Beschluss vom 13. September 2011 - 5 StR 189/11; s.a. Senat, Urteil vom 7. Juli 2011 - 2 StR 184/11). Im Hinblick auf die Eigenschaft der Maßregel als Sicherungsmittel kommt es bei der auf den Einzelfall bezogenen Verhältnismäßigkeitsprüfung, anders als bei der gesetzgeberischen Vorbewertung durch den Katalog tauglicher Vor- und Anlasstaten, prinzipiell nicht auf die Bezeichnung des Straftatbestands an, dessen Verletzung für die Zukunft droht, auch nicht auf den durch gesetzliche Strafrahmen im Voraus gewichteten Schuldumfang, sondern auf die Bedeutung des vor Rückfalltaten des Angeklagten zu schützenden Rechtsguts , ferner auf den Grad der Wahrscheinlichkeit einer künftigen Rechtsgutsverletzung und gegebenenfalls auf die mögliche Verletzungsintensität.
11
Der Grad der Wahrscheinlichkeit gleichartiger Rückfalltaten ist im vorliegenden Fall vom Landgericht rechtsfehlerfrei als hoch eingeschätzt worden. Die von dem Angeklagten ausgehenden Gefahren rechtfertigen es unter den besonderen Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten der Weitergeltungsanordnung allerdings nicht, gegen ihn die Sicherungsverwahrung anzuordnen.
12
Der Staat hat die Aufgabe, die Rechtsgüter potentieller Tatopfer vor Verletzungen durch Straftaten zu schützen. Je existentieller die betroffenen Güter für den Einzelnen sind, desto intensiver muss der staatliche Schutz vor Beeinträchtigungen sein (vgl. BVerfG, Urteil vom 5. Februar 2004 - 2 BvR 2029/01, BVerfGE 109, 133, 186). Für die Anwendung des § 66 StGB sind aufgrund der Weitergeltungsanordnung des Bundesverfassungsgerichts als zu schützende Rechtsgüter das Leben (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG), die körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG) und die sexuelle Selbstbestimmung potenzieller Tatopfer (Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG) von Bedeutung. Die Gewichtung dieser Rechtsgüter durch das Bundesverfassungsgericht ist bei der strikten Verhältnismäßigkeitsprüfung einer Maßregelanordnung in der Übergangszeit zu beachten. Danach reichen etwa Betäubungsmitteldelikte regelmäßig nicht als Maßregelanlass aus (vgl. BGH, Urteil vom 7. Juli 2011 - 2 StR 184/11; Beschluss vom 11. August 2011 - 4 StR 279/11); andererseits genügen schwerer sexueller Missbrauch von Kindern (vgl. BGH, Beschluss vom 2. August 2011 - 3 StR 208/11; Beschluss vom 11. August 2011 - 3 StR 221/11) oder Vergewaltigung (vgl. BGH, Urteil vom 4. August 2011 - 3 StR 175/11).
13
Raubdelikte im Sinne des zwanzigsten Abschnitts des Strafgesetzbuchs (vgl. § 66 Abs. 1 Nr. 2 StGB n.F.) können schwere Gewalttaten im Sinne der Weitergeltungsanordnung sein. Das gilt aber nicht ausnahmslos. Einfacher Raub oder räuberische Erpressung unter Anwendung von physischer Gewalt gegen Personen, schwerer oder besonders schwerer Raub sowie schwere oder besonders schwere räuberische Erpressung unter Anwendung von physischer Gewalt oder Einsatz objektiv gefährlicher Tatmittel zählen unzweifelhaft zu den „schweren Gewalttaten“. Werden dagegen zur Tatbegehung ausschließlich Drohungen ausgesprochen, die der Täter tatsächlich nicht realisieren will, und ist angesichts objektiv ungefährlicher Tatmittel keinesfalls mit einer Gewalteskalation zu rechnen, die Leib oder Leben von Opfern konkret gefährdet, dann wird durch zukünftige Taten kein Rechtsgut bedroht, dessen Schutz die Anwendung der verfassungswidrigen Norm auch in der Übergangszeit rechtfertigen könnte. Verbrechen nach § 250 Abs. 1 Nr. 1 b StGB stellen, wenn aufgrund konkreter Umstände mit hoher Wahrscheinlichkeit allein der Einsatz objektiv ungefährlicher Scheinwaffen zu erwarten ist, daher für sich genommen in der Regel keine ausreichend schweren Prognosetaten für die Anordnung der Sicherungsverwahrung aufgrund der Weitergeltungsanordnung dar. Eine allein psychische Beeinträchtigung reicht in der Regel nicht aus.
14
Der Senat schließt im vorliegenden Einzelfall mit Blick auf die stets gleichartigen Vor- und Anlasstaten des Angeklagten eine hohe Wahrscheinlichkeit der konkreten Gefährdung von Leib oder Leben künftiger Tatopfer durch vergleichbare Rückfalltaten aus. Der Angeklagte hatte bei allen Vor- und Anlasstaten stets die Anwendung von Gewalt angedroht, diese aber nie angewendet oder dies auch nur versucht. Die von ihm verwendeten Mittel waren durchweg objektiv ungefährliche Spielzeugpistolen. Es gibt derzeit keine konkreten Hinweise darauf, dass künftige Rückfalltaten vom Angeklagten mit größerem Gewaltpotential begangen werden könnten als die bisherigen Taten. Deshalb ist die Maßregelanordnung nach dem Maßstab des Übergangsrechts hier unverhältnismäßig und muss entfallen.
15
Rechtsprechung anderer Senate (vgl. BGH, Beschluss vom 27. September 2011 - 4 StR 362/11) steht dem nicht entgegen. Soweit im Beschluss des 3. Strafsenats vom 4. August 2011 - 3 StR 235/11 - eine andere Wertung anklingt, war diese für die dortige Entscheidung nicht tragend. Fischer Schmitt Berger Herr RiBGH Prof. Dr. Krehl ist wegen Erholungsurlaub an der Unterschriftsleistung gehindert. Fischer Eschelbach
8
Taten des schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern gemäß § 176a Abs. 2 Nr. 1 StGB können im Hinblick auf die hohe Strafdrohung und die für die Tatopfer oftmals gewichtigen psychischen Auswirkungen grundsätzlich – abhängig von den Umständen des Einzelfalls – als schwere Sexualstraftaten im vorgenannten Sinn bewertet werden (vgl. zur Vergewaltigung BGH, Urteil vom 4. August 2011 – 3 StR 175/11). Ob die Gefahr künftiger Begehung gerade solcher Taten aus konkreten Umständen in der Person oder dem Verhalten des Angeklagten abzuleiten ist, wird das neue Tatgericht namentlich unter Berücksichtigung der langen Dauer der Untersuchungshaft sowie der erstmaligen Verhängung einer erheblichen Freiheitsstrafe sorgsam zu prüfen haben.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
3 StR 175/11
vom
4. August 2011
in der Strafsache
gegen
wegen Vergewaltigung u.a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 4. August
2011, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Becker,
die Richter am Bundesgerichtshof
Pfister,
Dr. Schäfer,
Mayer,
Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Menges
als beisitzende Richter,
Staatsanwalt (GL)
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten,
Rechtsanwältin
als Vertreterin der Nebenklägerin,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Aurich vom 25. Januar 2011 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben,
a) soweit von der Anordnung der Sicherungsverwahrung abgesehen worden ist
b) sowie zu Gunsten des Angeklagten im Strafausspruch. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels und die dem Angeklagten und der Nebenklägerin dadurch entstandenen notwendigen Auslagen, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Vergewaltigung in drei Fällen sowie wegen vorsätzlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Nötigung und Bedrohung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren und sechs Monaten verurteilt.
2
Die hiergegen gerichtete, auf zwei Verfahrensrügen und die Sachrüge gestützte Revision der Staatsanwaltschaft ist auf die Nichtanordnung der Maßregel der Sicherungsverwahrung beschränkt. Zwar hat die Staatsanwaltschaft am Ende ihrer Ausführungen die (uneingeschränkte) Aufhebung des Urteils und die Zurückverweisung der Sache an eine andere Strafkammer zur erneuten Verhandlung beantragt. Dies steht jedoch mit dem übrigen Inhalt der Revisionsbegründungsschrift nicht in Einklang. Daraus ergibt sich, dass die Revisionsführerin das Urteil nur deshalb für fehlerhaft hält, weil das Landgericht von der Anordnung der Sicherungsverwahrung zu Unrecht abgesehen habe. Somit widersprechen sich Revisionsantrag und Inhalt der Revisionsbegründung. In einem solchen Fall ist nach ständiger Rechtsprechung das Angriffsziel des Rechtsmittels durch Auslegung zu ermitteln. Nach dem insoweit maßgeblichen und hier eindeutigen Sinn der Revisionsbegründung ist deshalb allein die Nichtanordnung der Maßregel angefochten und das Urteil im Übrigen vom Rechtsmittelangriff ausgenommen. Der Senat bemerkt jedoch, dass, zumal bei einer Revision der Staatsanwaltschaft, der Revisionsantrag deckungsgleich mit dem Inhalt der Revisionsbegründung sein sollte. Das Revisionsverfahren wird unnötig belastet, wenn der Umfang der Anfechtung erst durch Auslegung ermittelt werden muss (BGH, Urteil vom 7. Mai 2009 - 3 StR 122/09 mwN).
3
Die Beschränkung der Revision ist indes unwirksam, soweit der Strafausspruch vom Rechtsmittelangriff ausgenommen wird. Dieser steht hier in einem nicht trennbaren Zusammenhang mit der Maßregelanordnung.
4
Das vom Generalbundesanwalt vertretene Rechtsmittel führt auf die Sachrüge zur Aufhebung der Entscheidung über die Sicherungsverwahrung und - insoweit nur zu Gunsten des Angeklagten (§ 301 StPO) - des gesamten Strafausspruchs. Auf die Verfahrensrügen kommt es deshalb nicht an.
5
1. Gegenstand der Verurteilung sind vier Taten des Angeklagten zum Nachteil seiner früheren Lebensgefährtin.
6
a) Nach den Feststellungen des Landgerichts zwang der Angeklagte die Nebenklägerin in der Nacht zum 5. Mai 2009 durch erhebliche, zum Verlust von Zähnen führende Gewalt zuerst zum Oralverkehr und sodann zum Geschlechtsverkehr. Am Abend des Vortages hatte die Nebenklägerin dem Angeklagten mitgeteilt, die Beziehung zu ihm beenden zu wollen, und ihn aufgefordert , spätestens am nächsten Tag ihre Wohnung zu verlassen.
7
b) Nachdem es im Dezember 2009 zu einer Versöhnung und erneutem Zusammenleben gekommen war, trennte sich die Nebenklägerin Anfang Mai 2010 ein weiteres Mal vom Angeklagten. Dieser "passte" sie daraufhin Ende Mai / Anfang Juni in den Abendstunden auf einem Spaziergang "ab" und zwang sie unter Todesdrohungen und Einsatz einfacher körperlicher Gewalt in einem Waldstück zum Geschlechtsverkehr.
8
c) Am 24. Juli 2010 überraschte der Angeklagte die Nebenklägerin erneut auf einem Abendspaziergang. Er zwang sie, indem er sie bis zur Luftnot würgte und mit dem Tod bedrohte, zur Herausgabe ihres Mobiltelefons und verbrachte sie auf den Rücksitz ihres Autos.
9
d) Im Anschluss daran fuhr der Angeklagte mit ihr zu seiner Wohnung. Dort schlug er sie mehrfach ins Gesicht, zerrte an ihren Haaren, riss ihren Kopf nach hinten und nötigte sie damit zum Oralverkehr. Sodann zwang er sie mit weiteren Schlägen, sich auszuziehen und sich selbst zu befriedigen, was der Angeklagte mit einer Kamera filmte. Danach nötigte er die Nebenklägerin mit Gewalt insgesamt zweimal zum Geschlechtsverkehr.
10
2. Das Landgericht hat hierfür Einzelstrafen von vier Jahren, drei Jahren und sechs Monaten, neun Monaten sowie von sechs Jahren verhängt und dar- aus eine Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren und sechs Monaten gebildet. Von der Anordnung der Sicherungsverwahrung hat es abgesehen und dazu ausgeführt: Es bestehe aufgrund der dissozialen Persönlichkeitsstörung des Angeklagten zwar eine eher hohe Rückfallgefahr, indes könne bei dem Angeklagten ein Hang zu erheblichen Straftaten (§ 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB aF) nicht festgestellt werden. Die dissoziale Persönlichkeitsstörung weise keine sadistischen Anteile auf; die Merkmale der "Psychopathy" seien nur im "unteren Bereich" zu bejahen; antisoziale Denkstile seien beim Angeklagten nicht festzustellen ; eine progrediente Entwicklung der Straftaten sei nicht zu erkennen; zwischen den früheren Straftaten lägen teilweise lange Zeitabschnitte; es könne "bei keiner der Vergewaltigungstaten festgestellt werden, dass der Angeklagte nicht lediglich sich ihm bietende Gelegenheiten zu sexuellen Handlungen wahrgenommen" habe.
11
3. Die Begründung, mit der das Landgericht beim Angeklagten einen Hang zu erheblichen Straftaten verneint hat, hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Sie geht in Teilen von falschen Maßstäben aus oder steht im Widerspruch zu den Feststellungen.
12
a) Das Landgericht hat das Fehlen sadistischer Anteile in der Persönlichkeitsstörung des Angeklagten fehlerhaft bewertet. Nach ständiger Rechtsprechung kommt es auf die Ursache für die fest eingewurzelte Neigung zu Straftaten nicht an (BGH, Urteil vom 12. Dezember 1979 - 3 StR 436/79, NJW 1980, 1055 mwN). Ein Hang zur Begehung von erheblichen, gewalttätigen Sexualdelikten kann auch dann vorliegen, wenn der Täter in der Verletzung oder Demütigung seines Opfers nicht die hauptsächliche Quelle der Erregung oder der Befriedigung findet (vgl. zum Sadismus Elsner/Leygraf in Kröber u.a., Handbuch der forensischen Psychiatrie Bd. 2, 1. Aufl., S. 472, 485).
13
b) Entgegen der Auffassung des Landgerichts verläuft die Kriminalitätsentwicklung des Angeklagten nach den getroffenen Feststellungen durchaus progredient. Unzutreffend ist zudem die Einschätzung, es habe sich bei den Straftaten des Angeklagten jeweils um Gelegenheitstaten gehandelt.
14
Die Vergewaltigung, die der Angeklagte im Alter von 23 Jahren zum Nachteil der Ehefrau eines Freundes begangen hatte und wegen der er 1985 zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt worden war, war zwar noch eine Spontantat. Dagegen hat der Angeklagte im Jahr 2003 die Vergewaltigung und Körperverletzung seiner damaligen Ehefrau, für die 2004 eine Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren gegen ihn verhängt worden ist, begangen , nachdem er sein Opfer mittels einer Finte ins Haus gelockt hatte. Die Tat zog sich zudem über einen längeren Zeitraum hin und war von einer besonderen Erniedrigung geprägt. Die nunmehr abgeurteilten Taten zeigen sowohl in der Intensität der Gewaltausübung als auch der abgenötigten Handlungen eine weitere Steigerung. Zudem verkürzten sich die Abstände zwischen den Übergriffen deutlich. Zwei von ihnen beruhten zuletzt auf planvollem Vorgehen des Angeklagten.
15
4. Die Aufhebung des angefochtenen Urteils, soweit die Anordnung der Sicherungsverwahrung abgelehnt worden ist, führt hier auch zur Aufhebung des Strafausspruches. Denn es lässt sich nicht ausschließen, dass die Einzelstrafen und die Gesamtstrafe niedriger ausgefallen wären, wenn das Landgericht zugleich auf Sicherungsverwahrung erkannt hätte (vgl. BGH, Urteil vom 12. Dezember 1979 - 3 StR 436/79, NJW 1980, 1055 mwN; Urteil vom 3. Februar 2011 - 3 StR 466/10, NStZ-RR 2011, 172).
16
5. Für das weitere Verfahren weist der Senat auf Folgendes hin:
17
a) Durch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 4. Mai 2011 (2 BvR 2365/09 u.a., NJW 2011, 1931) sind u.a. die hier anzuwendenden Bestimmungen über die Sicherungsverwahrung als mit Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG i.V.m. Art. 104 Abs. 1 GG unvereinbar erklärt worden. Das Bundesverfassungsgericht hat aber angeordnet, dass die Vorschriften bis zu einer Neuregelung durch den Gesetzgeber - längstens bis 31. Mai 2013 - nach Maßgabe der Gründe seiner Entscheidung weiter anwendbar bleiben. Danach bedarf es wegen der derzeit verfassungswidrigen Ausgestaltung der Sicherungsverwahrung einer "strikten Verhältnismäßigkeitsprüfung", wenn sie gleichwohl angeordnet werden soll. In der Regel wird die Anordnung nur verhältnismäßig sein, wenn "eine Gefahr schwerer Gewalt- oder Sexualstraftaten aus konkreten Umständen in der Person oder dem Verhalten des Betroffenen abzuleiten ist" (BVerfG aaO Rn. 172).
18
Der Senat versteht die vom Bundesverfassungsgericht geforderte "strikte Verhältnismäßigkeitsprüfung" dahin, dass bei beiden Elementen der Gefährlichkeit - mithin der Erheblichkeit weiterer Straftaten und der Wahrscheinlichkeit ihrer Begehung (vgl. auch BGH, Beschluss vom 25. Mai 2011 - 4 StR 164/11) - ein gegenüber der bisherigen Rechtsanwendung strengerer Maßstab anzulegen ist. Hierzu im Einzelnen:
19
(1) Hinsichtlich der Erheblichkeit weiterer Straftaten kommen regelmäßig nur "schwere Gewalt- oder Sexualstraftaten" in Betracht. Hierin liegt, ansonsten wäre die genannte Maßgabe ohne Inhalt, eine Einschränkung gegenüber den Taten, die nach bisher geltendem Recht Voraussetzungen für die Anordnung der Sicherungsverwahrung darstellen. Dies gilt sowohl für die Straftatenkataloge als auch für die Beschreibung der Taten, auf die sich der Hang beziehen muss. Nicht alle "erheblichen Straftaten", durch welche die Opfer "seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden" (vgl. § 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB aF bzw. § 66 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 StGB), sind auch "schwere Gewalt- oder Sexualstraftaten" im Sinne der Maßgabe des Bundesverfassungsgerichts zur Weitergeltung von § 66 StGB.
20
Nach Ansicht des Senats sind Vergewaltigungen (§ 177 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 StGB) wegen der dafür im Regelfall angedrohten Mindeststrafe von zwei Jahren sowie der für die Tatopfer damit regelmäßig verbundenen psychischen Auswirkungen grundsätzlich als "schwere Sexualstraftaten" im vorstehenden Sinn anzusehen.
21
(2) Die Wahrscheinlichkeit der Begehung solcher Taten muss "aus konkreten Umständen in der Person oder dem Verhalten des Betroffenen abzuleiten" sein. Auch dies stellt höhere Anforderungen als die bislang vom Gesetz als Beurteilungsgrundlage für die Gefährlichkeitsprognose geforderte "Gesamtwürdigung des Täters und seiner Taten". Das Landgericht hat - aus seiner Sicht folgerichtig - zur Gefahrenprognose lediglich ausgeführt, die Rückfallgefahr sei "eher hoch" und die Gefährlichkeit des Angeklagten würde "bejaht". Solche verkürzten Darlegungen würden selbst den hergebrachten Anforderungen nicht genügen. Der neue Tatrichter wird ggf. die Gefährlichkeit aus konkreten Umständen herleiten und sich dabei insbesondere damit auseinandersetzen müssen , dass die Taten des Angeklagten aus dem situativen Zusammenhang einer Beziehungskrise begangen worden und zwischen den abgeurteilten Taten und den früheren Vergewaltigungen Zeiträume von fünfeinhalb bzw. 19 Jahre verstrichen sind.
22
b) Die Anordnung der Sicherungsverwahrung könnte, sofern der neue Tatrichter einen Hang zu erheblichen Straftaten und eine auf ihm beruhende Gefährlichkeit des Angeklagten bejahen sollte, nur auf § 66 Abs. 2 oder Abs. 3 Satz 2 StGB aF gestützt werden. § 66 Abs. 1 StGB aF kommt als Grundlage dafür nicht in Betracht, da die Verurteilung des Angeklagten wegen Vergewaltigung aus dem Jahr 1985 auf Grund der eingetretenen "Rückfallverjährung" (§ 66 Abs. 4 Satz 3 StGB aF) als Vorverurteilung ausscheidet und deshalb die formelle Voraussetzung einer zweiten Vorstrafe fehlt.
23
c) Die Anordnung läge sodann im pflichtgemäßen Ermessen des Tatrichters. Dieser soll die Möglichkeit haben, sich ungeachtet der festgestellten hangbedingten Gefährlichkeit des Angeklagten zum Zeitpunkt der Urteilsfällung auf die Verhängung einer Freiheitsstrafe zu beschränken, sofern erwartet werden kann, dass sich der Täter schon die Strafe hinreichend zur Warnung dienen lässt. Damit wird dem Ausnahmecharakter der Vorschrift Rechnung getragen, der sich daraus ergibt, dass § 66 Abs. 2 und Abs. 3 Satz 2 StGB - im Gegensatz zu Absatz 1 der Vorschrift - eine frühere Verurteilung und eine frühere Strafverbüßung des Täters nicht voraussetzen. Die maßgeblichen Gründe für seine Ermessensentscheidung muss der Tatrichter nachvollziehbar darlegen, um dem Revisionsgericht die Nachprüfung der Ermessensentscheidung zu ermöglichen (Urteil vom 3. Februar 2011 - 3 StR 466/10, NStZ-RR 2011, 172 mwN).
VRiBGH Becker befindet Pfister Schäfer sich im Urlaub und ist daher gehindert zu unterschreiben. Pfister
Mayer Menges

(1) Das Gericht ordnet neben der Strafe die Sicherungsverwahrung an, wenn

1.
jemand zu Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren wegen einer vorsätzlichen Straftat verurteilt wird, die
a)
sich gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die persönliche Freiheit oder die sexuelle Selbstbestimmung richtet,
b)
unter den Ersten, Siebenten, Zwanzigsten oder Achtundzwanzigsten Abschnitt des Besonderen Teils oder unter das Völkerstrafgesetzbuch oder das Betäubungsmittelgesetz fällt und im Höchstmaß mit Freiheitsstrafe von mindestens zehn Jahren bedroht ist oder
c)
den Tatbestand des § 145a erfüllt, soweit die Führungsaufsicht auf Grund einer Straftat der in den Buchstaben a oder b genannten Art eingetreten ist, oder den Tatbestand des § 323a, soweit die im Rausch begangene rechtswidrige Tat eine solche der in den Buchstaben a oder b genannten Art ist,
2.
der Täter wegen Straftaten der in Nummer 1 genannten Art, die er vor der neuen Tat begangen hat, schon zweimal jeweils zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist,
3.
er wegen einer oder mehrerer dieser Taten vor der neuen Tat für die Zeit von mindestens zwei Jahren Freiheitsstrafe verbüßt oder sich im Vollzug einer freiheitsentziehenden Maßregel der Besserung und Sicherung befunden hat und
4.
die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Taten ergibt, dass er infolge eines Hanges zu erheblichen Straftaten, namentlich zu solchen, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden, zum Zeitpunkt der Verurteilung für die Allgemeinheit gefährlich ist.
Für die Einordnung als Straftat im Sinne von Satz 1 Nummer 1 Buchstabe b gilt § 12 Absatz 3 entsprechend, für die Beendigung der in Satz 1 Nummer 1 Buchstabe c genannten Führungsaufsicht § 68b Absatz 1 Satz 4.

(2) Hat jemand drei Straftaten der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 genannten Art begangen, durch die er jeweils Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verwirkt hat, und wird er wegen einer oder mehrerer dieser Taten zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt, so kann das Gericht unter der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 bezeichneten Voraussetzung neben der Strafe die Sicherungsverwahrung auch ohne frühere Verurteilung oder Freiheitsentziehung (Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und 3) anordnen.

(3) Wird jemand wegen eines die Voraussetzungen nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 Buchstabe a oder b erfüllenden Verbrechens oder wegen einer Straftat nach § 89a Absatz 1 bis 3, § 89c Absatz 1 bis 3, § 129a Absatz 5 Satz 1 erste Alternative, auch in Verbindung mit § 129b Absatz 1, den §§ 174 bis 174c, 176a, 176b, 177 Absatz 2 Nummer 1, Absatz 3 und 6, §§ 180, 182, 224, 225 Abs. 1 oder 2 oder wegen einer vorsätzlichen Straftat nach § 323a, soweit die im Rausch begangene Tat eine der vorgenannten rechtswidrigen Taten ist, zu Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt, so kann das Gericht neben der Strafe die Sicherungsverwahrung anordnen, wenn der Täter wegen einer oder mehrerer solcher Straftaten, die er vor der neuen Tat begangen hat, schon einmal zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist und die in Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 und 4 genannten Voraussetzungen erfüllt sind. Hat jemand zwei Straftaten der in Satz 1 bezeichneten Art begangen, durch die er jeweils Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren verwirkt hat und wird er wegen einer oder mehrerer dieser Taten zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt, so kann das Gericht unter den in Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 bezeichneten Voraussetzungen neben der Strafe die Sicherungsverwahrung auch ohne frühere Verurteilung oder Freiheitsentziehung (Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und 3) anordnen. Die Absätze 1 und 2 bleiben unberührt.

(4) Im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 2 gilt eine Verurteilung zu Gesamtstrafe als eine einzige Verurteilung. Ist Untersuchungshaft oder eine andere Freiheitsentziehung auf Freiheitsstrafe angerechnet, so gilt sie als verbüßte Strafe im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 3. Eine frühere Tat bleibt außer Betracht, wenn zwischen ihr und der folgenden Tat mehr als fünf Jahre verstrichen sind; bei Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung beträgt die Frist fünfzehn Jahre. In die Frist wird die Zeit nicht eingerechnet, in welcher der Täter auf behördliche Anordnung in einer Anstalt verwahrt worden ist. Eine Tat, die außerhalb des räumlichen Geltungsbereichs dieses Gesetzes abgeurteilt worden ist, steht einer innerhalb dieses Bereichs abgeurteilten Tat gleich, wenn sie nach deutschem Strafrecht eine Straftat der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 1, in den Fällen des Absatzes 3 der in Absatz 3 Satz 1 bezeichneten Art wäre.