Bundesgerichtshof Beschluss, 14. Okt. 2010 - IX ZR 4/10

bei uns veröffentlicht am14.10.2010
vorgehend
Landgericht Bochum, 6 O 78/07, 03.01.2008
Oberlandesgericht Hamm, 28 U 27/08, 26.11.2009

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IX ZR 4/10
vom
14. Oktober 2010
in dem Rechtsstreit
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter
Dr. Ganter und die Richter Raebel, Prof. Dr. Kayser, Prof. Dr. Gehrlein und
Grupp
am 14. Oktober 2010

beschlossen:
Die Beschwerde der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des 28. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 26. November 2009 wird zurückgewiesen.
Die Beschwerde des Beklagten zu 2 gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des 28. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 26. November 2009 wird zurückgewiesen.
Von den Gerichtskosten tragen der Kläger zu 1 allein 24 %, der Kläger zu 2 allein 30 %, die Kläger als Gesamtschuldner 4 % und der Beklagte zu 2 restliche 42 %.
Die außergerichtlichen Kosten des Klägers zu 1 tragen er selbst zu 64 % und der Beklagte zu 2 zu 36 %.
Die außergerichtlichen Kosten des Klägers zu 2 tragen er selbst zu 54 % und der Beklagte zu 2 zu 46 %.
Die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 1 tragen der Kläger zu 1 allein zu 42 %, der Kläger zu 2 allein zu 54 % und die Kläger als Gesamtschuldner zu 4 %.

Die außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 2 tragen er selbst zu 82 %, der Kläger zu 1 allein zu 6 %, der Kläger zu 2 allein zu 8 % und die Kläger als Gesamtschuldner zu 4 %.
Der Streitwert wird auf 304.536,95 € festgesetzt.

Gründe:


I.


1
Die Beschwerde der Kläger deckt keinen Zulassungsgrund auf.
2
1. Soweit das Berufungsgericht einen Primäranspruch gegen die Beklagte zu 1 als verjährt ansieht, ist die von der Beschwerde angeführte Divergenz nicht gegeben.
3
Bundesgerichtshof Der hat in dem Beschluss vom 20. Oktober 2005 (IX ZR 147/02, BRAK-Mitt. 2006, 24 Rn. 3) lediglich darauf hingewiesen, dass es keinen in der ständigen Rechtsprechung bekräftigten Grundsatz gibt, wonach sich die Vermögenslage des Auftraggebers nach einem anwaltlichen Fehlverhalten erst mit der ersten nachteiligen Gerichtentscheidung verschlechtert. Demzufolge besteht die Möglichkeit eines Verjährungsbeginns bereits vor Erlass der ersten dem Mandanten nachteiligen Entscheidung. Die Verjährung beginnt jedoch in Übereinstimmung mit der Würdigung des Berufungsgerichts spätestens mit Erlass der ersten dem Kläger nachteiligen Entscheidung zu lau- fen (BGH, Urt. v. 9. Dezember 1999 - IX ZR 129/99, WM 2000, 959, 960; v. 27. Januar 2000 - IX ZR 354/98, WM 2000, 969, 970; v. 21. Februar 2002 - IX ZR 127/00, WM 2002, 1078, 1079; Zugehör in Zugehör /Fischer/Sieg/Schlee, Handbuch der Anwaltshaftung 2. Aufl. Rn. 1347; Fahrendorf in Fahrendorf/Mennemeyer/Terbille, Anwaltshaftung 8. Aufl. Rn. 1214).
4
2. Vergeblich rügen die Kläger im Blick auf einen Sekundäranspruch eine Verletzung des Art. 103 Abs. 1 GG.
5
Ausweislich des Urteilstatbestandes hat das Berufungsgericht den von Rechtsanwalt T. nach Erlass des Ersturteils gefertigten Vermerk zur Kenntnis genommen. Das Berufungsgericht hat den Inhalt des Vermerks jedoch nicht als entscheidungserheblich erachtet und daraus nicht die von den Klägern befürworteten Rechtsfolgen hergeleitet. Das Berufungsgericht ist ersichtlich davon ausgegangen, dass Rechtsanwalt T. weder nach Erlass des erstinstanzlichen Urteils noch bei Abschluss des Vergleichs einen Anlass hatte, sein Verhalten zu überprüfen. Das Prozessgrundrecht des rechtlichen Gehörs gibt keinen Anspruch darauf, dass sich das Gericht mit Vorbringen einer Partei in der Weise auseinandersetzt, die sie selbst für richtig hielt. Aus Art. 103 Abs. 1 GG folgt auch keine Pflicht der Gerichte, der von einer Partei vertretenen Rechtsansicht zu folgen (BGH, Beschl. v. 21. Februar 2008 - IX ZR 62/07, DStRE 2009, 328 Rn. 5 m.w.N.).
6
Soweit 3. das Berufungsgericht den durch die erfolglose Inanspruchnahme des Wirtschaftsprüfers B. entstandenen Kostenschaden als unbegründet erachtet hat, scheidet ein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG aus, weil die von den Klägern vermisste Berücksichtigung der Beiakte für sich genommen nicht das rechtliche Gehör verletzt. Die Kläger haben nicht vorgetra- gen, sich in den Tatsacheninstanzen auf bestimmte Inhalte der Beiakte bezogen zu haben. Im Übrigen wäre ein Verfahrensmangel nicht entscheidungserheblich. Dadurch würde die tragende Würdigung des Berufungsgerichts nicht berührt, dass die Kläger die Beklagte zu 1 unrichtig informiert haben und eine Klage gegen den Wirtschaftsprüfer B. mangels einer Mitwirkung an der Kapitalerhöhung von vornherein aussichtslos war.

II.


7
Die Beschwerde des Beklagten zu 2 ist ebenfalls unbegründet.
8
1. Ohne Erfolg macht der Beklagte zu 2 unter dem Gesichtspunkt der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 543 Abs. 2 Nr. 2 Altern. 2 ZPO) geltend, in dem Vorprozess nicht zu einem näheren Vortrag hinsichtlich der Übertragung der Aktien von den Klägern auf die t. AG verpflichtet gewesen zu sein.
9
a) Nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist der mit der Prozessführung betraute Rechtsanwalt seinem Mandanten gegenüber verpflichtet , dafür einzutreten, dass die zugunsten des Mandanten sprechenden tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkte so umfassend wie möglich ermittelt und bei der Entscheidung des Gerichts berücksichtigt werden. Mit Rücksicht auf das auch bei Richtern nur unvollkommene menschliche Erkenntnisvermögen und die niemals auszuschließende Möglichk eit eines Irrtums ist es Pflicht des Rechtsanwalts, nach Kräften dem Aufkommen von Irrtümern und Versehen des Gerichts entgegenzuwirken (BGH, Urt. v. 18. Dezember 2008 - IX ZR 179/07, WM 2009, 324, 325 Rn. 8 m.w.N.). Deshalb ist der Rechtsanwalt im Rahmen seines Auftrags verpflichtet, seinen Mandanten vor voraussehbaren und vermeidbaren Nachteilen zu bewahren. Er hat, wenn verschiedene Maßnahmen in Betracht kommen, den relativ sichersten Weg zu gehen (BGH, Urt. v. 17. September 2009 - IX ZR 74/08, WM 2009, 2138, 2139 Rn. 7).
10
b) Bei dieser Sachlage war der Beklagte zu 2 in dem Vorprozess gehalten , das Gericht im Einzelnen auf die streitentscheidenden tatsächlichen und rechtlichen Aspekte der Aktienübertragung von den Klägern auf die t. AG sowie auf die mangels einer Möglichkeit des gutgläubigen Erwerbs damit verbundene Enthaftung der Kläger von der Einlageschuld hinzuweisen. Die Haftung des Rechtsanwalt kann im Regelfall auch dann angenommen werden, wenn ein Fehler des Gerichts insbesondere bei der rechtlichen Prüfung des Streitfalls für den Schaden einer Partei mitursächlich geworden ist (BVerfG, 2. Kammer des Ersten Senats, Beschl. v. 22. April 2009 - 1 BvR 386/09, NJW 2009, 2945, 2946 Rn. 16). Wie das Bundesverfassungsgericht in dem vorbezeichneten Beschluss ausgeführt hat (aaO Rn. 17), kann aus dem von der Nichtzulassungsbeschwerde angeführten Beschluss vom 12. August 2002 (BVerfG, 2. Kammer des Ersten Senats - 1 BvR 399/02, NJW 2002, 2937, 2938) nicht hergeleitet werden, dass die haftungsrechtliche Verantwortung von Verfassungs wegen ausschließlich den Gerichten übertragen sein soll. Im vorliegenden Fall ergab sich die dargestellte Verpflichtung es Beklagten zu 2 insbesondere daraus, dass er als Berufungsanwalt das anzufechtende Urteil der Vorinstanz zu überprüfen und etwaige Fehler dem Berufungsgericht aufzuzeigen hatte. Bei Erfüllung dieser Pflichten hätte er darauf stoßen müssen, dass bereits das Landgericht die Enthaftung der Kläger von der Einlagepflicht übersehen hatte, und seinen Berufungsangriff darauf stützen müssen.
11
2. Im Blick auf die von den Beklagten zu 2 beanstandete Schadensberechnung greift ebenfalls ein Zulassungsgrund nicht durch.
12
Da die Kläger im Vergleichsweg den offenen Einlagebetrag im Wesentlichen an den Insolvenzverwalter nachentrichtet haben, stehen sie wirtschaftlich nicht günstiger, wie wenn die Pflichtverletzung des Beklagten zu 2 nicht stattgefunden hätte. Tatsächlich wurden die Kläger damit einer Einlagepflicht unterworfen , obwohl nach Veräußerung ihrer Aktien eine Enthaftung eingetreten war.
Ganter Raebel Kayser
Gehrlein Grupp

Vorinstanzen:
LG Bochum, Entscheidung vom 03.01.2008 - 6 O 78/07 -
OLG Hamm, Entscheidung vom 26.11.2009 - I-28 U 27/08 -

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 14. Okt. 2010 - IX ZR 4/10

Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Beschluss, 14. Okt. 2010 - IX ZR 4/10

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Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 103


(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör. (2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde. (3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafge
Bundesgerichtshof Beschluss, 14. Okt. 2010 - IX ZR 4/10 zitiert 3 §§.

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BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL IX ZR 179/07 Verkündet am: 18. Dezember 2008 Bürk Justizhauptsekretärin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja BGB §§ 249 Bb, 675

Referenzen

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IX ZR 354/98 Verkündet am:
27. Januar 2000
Preuß
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BRAO § 51 a.F. (§ 51 b F.: 2. September 1994)

a) Die sekundäre Hinweispflicht des Rechtsanwalts, der sich gegenüber dem
Mandanten möglicherweise schadensersatzpflichtig gemacht hat, hat sich
zumindest in allgemeiner Form auf die kurze Verjährung des § 51 BRAO a.F.
(§ 51 b BRAO n.F.) zu erstrecken.

b) Der Umstand allein, daß der Mandant den Rechtsanwalt um Verzicht auf die
Einrede der Verjährung bittet, läßt nicht den Schluß zu, der Mandant brauche
über die kurze Verjährungsfrist des § 51 BRAO a.F. (§ 51 b BRAO n.F.) nicht
belehrt zu werden.
BGH, Urteil vom 27. Januar 2000 - IX ZR 354/98 - OLG München
LG München I
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 27. Januar 2000 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Paulusch und die
Richter Kirchhof, Dr. Fischer, Dr. Zugehör und Dr. Ganter

für Recht erkannt:
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des 21. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 10. Juli 1998 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Revisionsverfahrens - an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Der Kläger beauftragte den verklagten Rechtsanwalt mit der Durchführung der Berufung gegen ein Urteil des Landgerichts München I, mit dem eine Schadensersatzklage des Klägers überwiegend abgewiesen worden war. Der Beklagte versäumte die am 24. Mai 1994 ablaufende Berufungsbegründungsfrist. Seinen Wiedereinsetzungsantrag lehnte das Oberlandesgericht München mit Beschluß vom 27. Juni 1994 ab; gleichzeitig verwarf es die Berufung. Der Beschluß wurde dem Kläger am 7. Juli 1994 zugestellt. Dessen sofortige Beschwerde wies der Bundesgerichtshof mit Beschluß vom 8. November 1994
zurück. Bereits mit Schreiben vom 19. Juli 1994 hatte der Beklagte dem Kläger folgendes mitgeteilt:
"Pflichtgemäß mache ich Sie darauf aufmerksam, daß Sie mich wegen eines etwaigen Schadens, der durch ein Verschulden der Kanzlei entstehen sollte, haftbar machen können." Mit der am 14. Juli 1997 eingereichten und am 23. Juli 1997 zugestellten Klage hat der Kläger den Beklagten auf Schadensersatz wegen der Verletzung anwaltlicher Pflichten in Anspruch genommen. Landgericht und Oberlandesgericht haben die Klage wegen Verjährung abgewiesen. Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner Revision.

Entscheidungsgründe:


Das Rechtsmittel führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und Zurückverweisung der Sache.

I.


Das Berufungsgericht hat ausgeführt, der primäre Schadensersatzanspruch des Klägers wegen Schlechterfüllung des Anwaltsvertrags sei gemäß § 51 b BRAO (in der Fassung des Gesetzes zur Neuordnung des Berufsrechts der Rechtsanwälte und der Patentanwälte vom 2. September 1994) verjährt.
Mit Ablauf der Wiedereinsetzungsfrist des § 234 Abs. 1 ZPO, spätestens aber mit der am 7. Juli 1994 erfolgten Zustellung des die Wiedereinsetzung versagenden Beschlusses des Oberlandesgerichts, sei der geltend gemachte Schaden entstanden und habe der Lauf der Verjährungsfrist begonnen. Drei Jahre später, am 7. Juli 1997, sei Verjährung eingetreten. Die Klageerhebung sei zu spät gekommen. Ein Sekundäranspruch, der gegebenenfalls den Beklagten daran hindere, die Einrede der Verjährung zu erheben, stehe dem Kläger nicht zu. Denn der Beklagte habe in seinem Schreiben vom 19. Juli 1994 den Kläger darauf aufmerksam gemacht, daß er ihm möglicherweise wegen Anwaltsverschuldens haftbar sei. Damit sei der Kläger ausreichend über seine Rechte unterrichtet gewesen. Einer von ihm selbst - "zur Vermeidung der Verjährung" - eingereichten "Klage" vom 30. Dezember 1995 und der am 3. März 1997 telefonisch geäußerten Bitte, auf die Einrede der Verjährung zu verzichten, habe sich immerhin entnehmen lassen, daß dem Kläger die Verjährungsproblematik als solche bekannt gewesen sei. Ein Hinweis auf die Dauer der Verjährungsfrist sei nicht erforderlich gewesen.

II.


Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Überprüfung in wesentlichen Punkten nicht stand.
1. Unbegründet sind allerdings die von der Revision erhobenen Bedenken gegen die Annahme, der Primäranspruch sei verjährt.
Im vorliegenden Fall ist der Schaden in jedem Falle vor der Beendigung des dem Beklagten erteilten Mandats eingetreten. Zwar ist nicht festgestellt, wann das Mandat geendet hat. Es hat aber jedenfalls bei der Zurückweisung der sofortigen Beschwerde durch Beschluß des Bundesgerichtshofs vom 8. November 1994 noch bestanden, weil der Beklagte im Rubrum dieses Beschlusses als Bevollmächtigter des Klägers aufgeführt ist [Anl. K 3 zu GA 1/21]. Gemäß § 51 BRAO a.F. verjährte der Primäranspruch deshalb in drei Jahren von dem Zeitpunkt an, in dem der Schaden entstanden ist.
Nach Meinung der Revision ist der Schaden erst mit der Zurückweisung der sofortigen Beschwerde gegen die Verwerfung der Berufung eingetreten. Dieser Meinung kann nicht gefolgt werden. Die früher geäußerte Meinung, daß durch ein fehlerhaftes Prozeßverhalten eines Rechtsanwalts, das zu einer für den Mandanten nachteiligen Gerichtsentscheidung führe, ein Schaden regelmäßig nicht eintrete, solange eine Ä nderung der Entscheidung in einem weiteren Rechtszug zugunsten des Mandanten nicht auszuschließen sei (BGH, Urt. v. 9. Juli 1992 - IX ZR 50/91, NJW 1992, 2828, 2829), hat der Senat aufgegeben. Er hat vielmehr angenommen, daß sich die Vermögenslage des Auftraggebers in der Regel bereits mit der ersten ihm nachteiligen Gerichtsentscheidung infolge des Fehlverhaltens seines Beraters verschlechtere. Eine Unsicherheit , ob der Schaden bestehenbleibe und endgültig werde, sei dafür unerheblich (so zur Steuerberaterhaftung: BGH, Urt. v. 12. Februar 1998 - IX ZR 190/97, WM 1998, 786, 788; zur Anwaltshaftung: Urt. v. 9. Dezember 1999 - IX ZR 129/99, z.V.b.). Es spricht viel dafür, daß im vorliegenden Fall ein Schaden des Klägers bereits mit dem Ablauf der Berufungsbegründungsfrist eingetreten ist (dafür OLG Karlsruhe MDR 1990, 336, 337; Zugehör, Handbuch der Anwaltshaftung 1999 Rdnr. 1236; Borgmann/Haug, Anwaltshaftung 3. Aufl.
Kap. X Rdnr. 17, 19 u. 20; Feuerich/Braun, BRAO 4. Aufl. § 51 b Rdnr. 20; Henssler/Prütting, BRAO § 51 b Rdnr. 43; vgl. auch für die Versäumung der Frist zum Einspruch gegen ein Versäumnisurteil BGH, Urt. v. 21. September 1995 - IX ZR 228/94, NJW 1996, 48, 50). Das braucht hier aber nicht entschieden zu werden. Bei der gebotenen wertenden Betrachtung ist der Kläger spätestens geschädigt worden, als die Berufung mit Beschluß vom 27. Juni 1994 verworfen wurde. Diese Schädigung entfiel nicht wegen der Möglichkeit, daß der sofortigen Beschwerde gegen die Ablehnung des Wiedereinsetzungsantrags stattgegeben werden konnte (vgl. BGH, Urt. v. 9. Dezember 1999 - IX ZR 129/99, z.V.b. m.w.N.).
Die ab 7. Juli 1994 (Tag der Zustellung des Verwerfungsbeschlusses) laufende Verjährungsfrist ist nicht durch die "Klage" vom 30. Dezember 1995 unterbrochen worden. Es handelte sich nicht um eine wirksame Klage, weil sie weder einen bestimmten Antrag enthielt, noch den Klagegrund erkennen ließ, noch - weil der Kläger auch keinen Vorschuß einzahlte - der Gegenseite zugestellt wurde.
2. Zu Recht rügt die Revision die Ablehnung eines Sekundäranspruchs als rechtsfehlerhaft.

a) Das Berufungsgericht hat nicht verkannt, daß der Beklagte vor Beendigung des Mandats spätestens aufgrund der Zurückweisung des Wiedereinsetzungsgesuchs und der Verwerfung der Berufung begründeten Anlaß hatte zu prüfen, ob er durch eine Pflichtverletzung den Kläger geschädigt hat, und diesen entsprechend zu informieren.

b) Nicht gefolgt werden kann dem Berufungsgericht indes in der Ansicht, mit der Bemerkung in dem Schreiben vom 19. Juli 1994 habe der Beklagte seiner sekundären Hinweispflicht genügt. Zur Erfüllung dieser Pflicht gehört nicht nur, daß der Rechtsanwalt offenlegt, er habe möglicherweise seine Pflichten verletzt und könne von dem Mandanten deswegen in Anspruch genommen werden. Der Anwalt schuldet auch einen Hinweis darauf, daß der Anspruch einer Verjährungsfrist von drei Jahren, gerechnet ab Schadensentstehung, unterliegt (BGHZ 94, 380, 386; BGH, Urt. v. 20. Mai 1975 - VI ZR 138/74, NJW 1975, 1655, 1656 f; v. 18. September 1986 - IX ZR 204/85, NJW 1987, 326; v. 14. November 1991 - IX ZR 31/91, NJW 1992, 836, 837; v. 21. September 1995 - IX ZR 228/94, aaO). Ob der Rechtsanwalt regelmäßig gehalten ist oder zumindest im Einzelfall gehalten sein kann, nähere Angaben zum Beginn oder Ende der Verjährung zu machen (vgl. dazu BGH, Urt. v. 18. September 1986 - IX ZR 204/85, aaO S. 327; Zugehör, aaO Rdnr. 1253), braucht im vorliegenden Fall nicht entschieden zu werden. Denn hier ist der Beklagte auf die Verjährungsfrist überhaupt nicht eingegangen.
Zwar entfällt die Pflicht zum Hinweis auf die kurze Verjährungsfrist, wenn der Anwalt davon ausgehen darf, daß der Mandant die entsprechende Kenntnis hat (BGH, Urt. v. 21. September 1995 - IX ZR 228/94, aaO; v. 15. April 1999 - IX ZR 328/97, WM 1999, 1330, 1335 f). Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts hatte der Beklagte aber keine ausreichenden Anhaltspunkte für die Annahme, daß der Kläger über die Verjährung des Schadensersatzanspruchs Bescheid wisse. Aus der Einreichung der "Klageschrift" vom 30. Dezember 1995 - die zeitlich später liegt als das Schreiben vom 19. Juli 1994, die also für den vom Beklagten bei Abfassung dieses Schreibens zu berücksichtigenden Kenntnisstand des Klägers unmittelbar nicht von Bedeutung ist -
ergibt sich mit hinlänglicher Sicherheit nur, daß der Kläger damit rechnete, sein Ersatzanspruch unterliege grundsätzlich einer Verjährung. Daß er die Kürze der Verjährungsfrist gekannt habe, folgt daraus nicht. Nach Ansicht des Berufungsgerichts läßt die versuchte Klageerhebung des Klägers erkennen, er habe "sogar mit einer kürzeren Verjährungsfrist, als in § 51 b BRAO bestimmt", gerechnet; dieser Ansicht ist jedoch nicht zuzustimmen, weil allein das Datum des Klageversuchs keine sicheren Rückschlüsse auf den Kenntnisstand des Klägers erlaubt und dieser im folgenden auch untätig geblieben ist. Die Kenntnis des Klägers von der kurzen Verjährung folgte aus der Sicht des Beklagten ferner nicht aus der am 3. März 1997 - also wiederum erst nach dem Schreiben vom 19. Juli 1994 - telefonisch geäußerten Bitte, auf die Einrede der Verjährung zu verzichten. Daß der Kläger nach Erhalt des abschlägigen Schreibens des Beklagten vom 4. März 1997 nicht sogleich die notwendigen rechtlichen Schritte einleitete, legte vielmehr das Gegenteil nahe. Der Bildungsstand des Klägers, eines Diplom-Chemikers, durfte - entgegen der Annahme des Berufungsgerichts - dem Beklagten ebenfalls nicht die Überzeugung vermitteln, jener sei über die Verjährungsregelung des § 51 BRAO a.F. im Bilde.
Für die Verletzung der sekundären Hinweispflicht genügt jedes Verschulden , also auch leichte Fahrlässigkeit (BGHZ 94, 380, 387). Von ihr ist auszugehen: Dem Beklagten mußte Bestehen und Umfang seiner Hinweispflicht bekannt sein. Bei Anwendung pflichtgemäßer Sorgfalt hätte er zudem erkennen können, daß das Verhalten des Klägers keine sicheren Rückschlüsse auf seine Kenntnis von der kurzen Verjährungsfrist zuließ. Unter solchen Umständen entfällt der Sekundäranspruch des Mandanten nicht schon dann, wenn dieser nach seinen - hier nicht einmal festgestellten - Rechtskenntnissen den Zeitpunkt der Verjährung hätte erkennen können; das würde
nicht einmal für die Annahme eines Mitverschuldens ausreichen (BGH, Urt. v. 15. April 1999 - IX ZR 328/97, aaO S. 1336 m.w.N.).

III.


Das Berufungsurteil ist somit aufzuheben (§ 564 Abs. 1 ZPO). Die Sache ist an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 565 Abs. 1 Satz 1 ZPO), damit nunmehr geprüft wird, ob der Klageanspruch begründet ist.
Paulusch Kirchhof Fischer Zugehör Ganter

(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.

(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.

5
b) Bei dieser Sachlage ist den Anforderungen des Art. 103 Abs. 1 GG genügt. Das Prozessgrundrecht gibt keinen Anspruch darauf, dass sich das Gericht mit Vorbringen einer Partei in der Weise auseinandersetzt, die sie selbst für richtig hält (BVerfGE 80, 269, 286). Aus Art. 103 Abs. 1 GG folgt auch keine Pflicht der Gerichte, der von einer Partei vertretenen Rechtsansicht zu folgen (BVerfGE 87, 1, 33).

(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.

(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.

8
a) Nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist der mit der Prozessführung betraute Rechtsanwalt seinem Mandanten gegenüber verpflichtet , dafür einzutreten, dass die zugunsten des Mandanten sprechenden tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkte so umfassend wie möglich ermittelt und bei der Entscheidung des Gerichts berücksichtigt werden (BGH, Urt. v. 24. März 1988 - IX ZR 114/87, NJW 1988, 3013, 3016; v. 4. Juni 1996 - IX ZR 51/95, NJW 1996, 2648, 2650; v. 24. Mai 2007 - IX ZR 142/05, WM 2007, 1425, 1426 f Rn. 14; Beschl. v. 19. Juni 2008 - IX ZR 111/05, ZMR 2008, 602; Zugehör NJW 2003, 3225, 3226 unter 2a). Zwar weist die Zivilprozessordnung die Entscheidung und damit die rechtliche Beurteilung des Streitfalles dem Gericht zu; dieses trägt für sein Urteil die volle Verantwortung. Es widerspräche jedoch der rechtlichen und tatsächlichen Stellung der Prozessbevollmächtigten in den Tatsacheninstanzen, würde man ihre Aufgabe allein in der Beibringung des Tatsachenmaterials sehen. Der Möglichkeit, auf die rechtliche Beurteilung des Gerichts Einfluss zu nehmen, entspricht im Verhältnis zum Mandanten die Pflicht, diese Möglichkeit zu nutzen (BGH, Urt. v. 4. Juni 1996, aaO). Mit Rücksicht auf das auch bei Richtern nur unvollkommene menschliche Erkenntnisvermögen und die niemals auszuschließende Möglichkeit eines Irrtums ist es Pflicht des Rechtsanwalts, nach Kräften dem Aufkommen von Irrtümern und Versehen des Gerichts entgegenzuwirken (BGHZ 174, 205, 210 Rn. 15; BGH, Urt. v. 25. Juni 1974 - VI ZR 18/73, NJW 1974, 1865, 1866). Dies entspricht auch dem Selbstverständnis der Anwaltschaft (§ 1 Abs. 3 BORA).
7
Nach a) ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist der Rechtsanwalt im Rahmen seines Auftrags verpflichtet, seinen Mandanten vor voraussehbaren und vermeidbaren Nachteilen zu bewahren. Er hat deshalb, wenn verschiedene Maßnahmen in Betracht kommen, den relativ sichersten Weg zu gehen. Der mit der Prozessführung betraute Rechtsanwalt ist mit Rücksicht auf das auch bei Richtern nur unvollkommene menschliche Erkenntnisvermögen und die niemals auszuschließende Möglichkeit eines Irrtums verpflichtet , nach Kräften dem Aufkommen von Irrtümern und Versehen des Gerichts entgegenzuwirken (BGH, Urt. v. 25. Juni 1974 - VI ZR 18/73, NJW 1974, 1865, 1866; v. 24. März 1988 - IX ZR 114/87, NJW 1988, 3013, 3015 f; v. 18. Dezember 2008 - IX ZR 179/07, WM 2009, 324, 325 Rn. 8).