Bundesgerichtshof Beschluss, 30. Juni 2011 - V ZB 40/11

bei uns veröffentlicht am30.06.2011
vorgehend
Landgericht Frankfurt am Main, 28 T 3/11, 26.01.2011
Amtsgericht Frankfurt am Main, 934 XIV 6/11 B, 06.01.2011

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZB 40/11
vom
30. Juni 2011
in der Abschiebungshaftsache
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 30. Juni 2011 durch den Vorsitzenden
Richter Prof. Dr. Krüger, die Richter Dr. Lemke und
Prof. Dr. Schmidt-Räntsch, die Richterin Dr. Stresemann und den Richter
Dr. Czub

beschlossen:
Der Antrag auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe wird zurückgewiesen.

Gründe:

I.

1
Die Betroffene, bei der es sich um eine syrische Staatsangehörige handeln soll, reiste im September 2000 in die Bundesrepublik Deutschland ein und beantragte unter den im Rubrum genannten Aliaspersonalien die Anerkennung als Asylberechtigte. Der ablehnende Bescheid ist seit 2003 bestandskräftig und die Betroffene vollziehbar ausreisepflichtig.
2
Eine Abschiebung konnte erst nach Inkrafttreten des Deutsch-Syrischen Rückübernahmeabkommens eingeleitet werden. Nachdem die syrische Botschaft im November 2010 Passersatzpapiere ausgestellt hatte, wurde die Betroffene am 5. Januar 2011 von der Ausländerbehörde zum Flughafen Frankfurt am Main gebracht, von wo aus sie am selben Tag nach Damaskus abgeschoben werden sollte. Sie erklärte in diesem Zusammenhang, keinesfalls nach Syrien fliegen und sich notfalls wehren zu wollen. Vor dem Abflug wurde bekannt, dass die Abschiebung wegen eines bei dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge anhängig gewordenen Asylfolgeantrags ausgesetzt worden war. Der Flug wurde daraufhin storniert und die Betroffene in Polizeigewahrsam genommen.
3
Auf Antrag der Beteiligten zu 2 hat das Amtsgericht am folgenden Tag die Haft zur Sicherung der Abschiebung der Betroffenen bis zum 17. Februar 2011 angeordnet. Die dagegen gerichtete Beschwerde ist von dem Landgericht zurückgewiesen worden. Zur Durchführung des Rechtsbeschwerdeverfahrens beantragt die am 2. Februar 2011 infolge einer Eingabe an die Härtefallkommission aus der Haft entlassene Betroffene die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe.

II.

4
Das Beschwerdegericht meint, der Haftgrund des § 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 AufenthG sei gegeben. Zwar verfüge die Betroffene über familiäre Bindungen im Bundesgebiet und sei trotz des erfolglosen Asylverfahrens nicht untergetaucht. Aus der Ankündigung, sich gegen die Abschiebung zur Wehr zu setzen, der Erklärung, in jedem Fall in Deutschland bleiben zu wollen, aus der jahrelangen Verwendung von Aliaspersonalien und aus den widersprüchlichen Angaben zur Staatsangehörigkeit ergebe sich aber in der Gesamtschau, dass die Betroffene sich einer Abschiebung nicht freiwillig stellen werde. Die Abschiebungshaft sei verhältnismäßig. Die für den 4. Februar 2011 vorgesehene Abschiebung erscheine durchführbar. Der Asylfolgeantrag sei zwischenzeitlich abgelehnt worden; über die für die Betroffene bei dem Hessischen Landtag eingereichte Petition werde voraussichtlich in der Sitzung des Petitionsausschusses vom 27. Januar 2011 entschieden.

III.

5
Die Voraussetzungen für die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe liegen nicht vor, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 76 Abs. 1 FamFG i.V.m. § 114 Satz 1 ZPO). Es ist nicht erkennbar, dass die Entscheidung des Beschwerdegerichts oder die Haftanordnung des Amtsgerichts die Rechte der Betroffenen verletzt haben.
6
1. Das Beschwerdegericht nimmt ohne Rechtsfehler an, dass der Haftgrund des § 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 AufenthG, wonach ein vollziehbar ausreisepflichtiger Ausländer zur Sicherung der Abschiebung in Haft zu nehmen ist, wenn der begründete Verdacht besteht, dass er sich der Abschiebung entziehen will, gegeben war. Die Annahme einer Entziehungsabsicht setzt konkrete Umstände, insbesondere Äußerungen oder Verhaltensweisen des Ausländers voraus, die mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit darauf hindeuten oder es nahe legen, dass der Ausländer beabsichtigt, unterzutauchen oder die Abschiebung in einer Weise zu behindern, die nicht durch einfachen, keine Freiheitsentziehung bildenden Zwang überwunden werden kann (vgl. Senat, Beschluss vom 29. April 2010 - V ZB 202/09, Rn. 12, juris; Beschluss vom 22. Juli 2010 - V ZB 29/10, InfAuslR 2011, 27, 28). Bei den von dem Beschwerdegericht für maßgeblich erachteten Erklärungen der Betroffenen, sich gegen die Abschiebung zur Wehr setzen und auf jeden Fall in Deutschland bleiben zu wollen sowie der jahrelangen Verwendung von Aliaspersonalien und den widersprüchlichen Angaben zu ihrer Staatsangehörigkeit kann es sich um solche Umstände handeln.
7
Die tatrichterliche Schlussfolgerung auf die Entziehungsabsicht unterliegt einer Rechtskontrolle nur dahin, ob die verfahrensfehlerfrei festgestellten Tatsachen eine solche Folgerung als möglich erscheinen lassen (Senat, Beschluss vom 10. Februar 2000 - V ZB 5/00, FGPrax 2000, 130; Beschluss vom 22. Juli 2010 - V ZB 29/10, InfAuslR 2011, 27, 28). Mit der Rechtsbeschwerde kann nicht geltend gemacht werden, dass die Folgerungen des Tatrichters nicht zwingend seien oder eine andere Schlussfolgerung ebenso naheliege (Senat, Beschluss vom 10. Februar 2000 - V ZB 5/00, aaO). Hieran gemessen ist die Würdigung des Beschwerdegerichts nicht fehlerhaft. Es hat auch die gegen die Entziehungsabsicht sprechenden Umstände berücksichtigt und ist - unter Berücksichtigung des Einwands der Beschwerde, die Betroffene habe erst zu einem Zeitpunkt, als der Asylfolgeantrag bereits gestellt gewesen sei, angekündigt , sich gegen die Abschiebung zu wehren - mit vertretbarer Argumentation zu einer für die Betroffene negativen Einschätzung gelangt. Der von der Beschwerde für maßgeblich erachteten Frage, ob die Betroffene syrische Staatsangehörige oder staatenlos ist und ob ihr in diesem Zusammenhang widersprüchliche Erklärungen anzulasten sind, hat das Gericht dabei keine entscheidende Bedeutung zugemessen.
8
2. Dass das Beschwerdegericht von der persönlichen Anhörung der Betroffenen abgesehen hat, ist hier nicht zu beanstanden. Zwar ist eine Anhörung in aller Regel unverzichtbar, wenn es auf die Glaubwürdigkeit des Ausländers ankommt (vgl. Senat, Beschluss vom 4. März 2010 - V ZB 184/09, FGPrax 2010, 152, 153). Das war hier aber nicht der Fall. Die Betroffene hat im Beschwerdeverfahren auch keine neuen entscheidungserheblichen Umstände vorgetragen, zu denen sie von dem Amtsgericht nicht angehört worden war.
9
3. Anordnung und Aufrechterhaltung der Abschiebungshaft waren nicht unverhältnismäßig. Die dazu notwendige Prognose, ob die Abschiebung innerhalb der nächsten drei Monate durchgeführt werden kann, ist im Rechtsbeschwerdeverfahren nur darauf zu überprüfen, ob das Beschwerdegericht die der Vorschrift des § 62 Abs. 2 Satz 4 AufenthG zugrunde liegenden Wertungs- maßstäbe zutreffend erkannt und alle für die Beurteilung wesentlichen Umstände berücksichtigt und vollständig gewürdigt hat (Senat, Beschluss vom 29. April 2010 - V ZB 202/09, Rn. 15, juris; Beschluss vom 22. Juli 2010 - V ZB 29/10, aaO).
10
Diesen Anforderungen wird die Beschwerdeentscheidung gerecht; ein etwaiger Rechtsfehler des Amtsgerichts bei der Anwendung der genannten Vorschrift wäre dadurch geheilt (vgl. Senat, Beschluss vom 10. Juni 2010 - V ZB 204/09, NVwZ 2010, 1172, 1174). Die Abschiebung war für den 4. Februar 2011 und damit keine zwei Wochen nach der Beschwerdeentscheidung vorgesehen; die von der syrischen Botschaft ausgestellten Passersatzpapiere waren noch gültig. Die Abschiebungshaft durfte trotz des am 5. Januar 2011 gestellten Asylfolgeantrags angeordnet und aufrechterhalten werden (vgl. § 71 Abs. 8 AsylVfG; vgl. Senat, Beschluss vom 22. Juli 2010 - V ZB 29/10, InfAuslR 2011, 27, 28). Das aufgrund des Asylfolgeantrags nach § 71 Abs. 5 Satz 2 AsylVfG bestehende Abschiebungshindernis muss zwar bei der Prognose berücksichtigt werden. Eine solche Prüfung war hier aber entbehrlich, nachdem die Durchführung eines weiteren Asylverfahrens von dem Bundesamt bereits am 11. Januar 2011 und damit vor Erlass der Beschwerdeentscheidung abgelehnt worden war. Rechtsfehler sind auch im Zusammenhang mit der Annahme des Beschwerdegerichts nicht erkennbar, die zugunsten der Betroffenen eingereichte Petition schließe eine Abschiebung innerhalb der Drei-Monats-Frist nach § 62 Abs. 2 Satz 4 AufenthG voraussichtlich nicht aus, da mit einer Entscheidung des Petitionsausschusses am 27. Januar 2011 zu rechnen sei.
11
4. Ob mit der Beschwerde gegen die Haftanordnung geltend gemacht werden konnte, dass die Unterbringung der Betroffenen nicht den gesetzlichen Vorgaben entsprach, bedarf keiner Entscheidung. Der in der Beschwerdeinstanz zur Begründung eines Verstoßes gegen Art. 16 Abs. 1 der Richtlinie 2008/115/EG vorgebrachte Sachverhalt war trotz anwaltlicher Vertretung der Betroffenen so ungenau geschildert, dass das Beschwerdegericht dies nicht zum Anlass von Sachverhaltsermittlungen nach § 26 FamFG nehmen musste, sondern sich auf den Hinweis beschränken konnte, dass die Richtlinie die Unterbringung von Abschiebehäftlingen und Strafgefangenen in derselben Anstalt nicht generell ausschließt (Art. 16 Abs. 1 Satz 2 RL 2008/115/EG). Krüger Lemke Schmidt-Räntsch Stresemann Czub
Vorinstanzen:
AG Frankfurt am Main, Entscheidung vom 06.01.2011 - 934 XIV 6/11 B -
LG Frankfurt am Main, Entscheidung vom 26.01.2011 - 2-28 T 3/11 -

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 30. Juni 2011 - V ZB 40/11

Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Beschluss, 30. Juni 2011 - V ZB 40/11

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Zivilprozessordnung - ZPO | § 114 Voraussetzungen


(1) Eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, erhält auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Re

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 62 Abschiebungshaft


(1) Die Abschiebungshaft ist unzulässig, wenn der Zweck der Haft durch ein milderes Mittel erreicht werden kann. Die Inhaftnahme ist auf die kürzest mögliche Dauer zu beschränken. Minderjährige und Familien mit Minderjährigen dürfen nur in besonderen

Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit - FamFG | § 26 Ermittlung von Amts wegen


Das Gericht hat von Amts wegen die zur Feststellung der entscheidungserheblichen Tatsachen erforderlichen Ermittlungen durchzuführen.

Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit - FamFG | § 76 Voraussetzungen


(1) Auf die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe finden die Vorschriften der Zivilprozessordnung über die Prozesskostenhilfe entsprechende Anwendung, soweit nachfolgend nichts Abweichendes bestimmt ist. (2) Ein Beschluss, der im Verfahrenskosten
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(1) Die Abschiebungshaft ist unzulässig, wenn der Zweck der Haft durch ein milderes Mittel erreicht werden kann. Die Inhaftnahme ist auf die kürzest mögliche Dauer zu beschränken. Minderjährige und Familien mit Minderjährigen dürfen nur in besonderen Ausnahmefällen und nur so lange in Abschiebungshaft genommen werden, wie es unter Berücksichtigung des Kindeswohls angemessen ist.

(2) Ein Ausländer ist zur Vorbereitung der Ausweisung oder der Abschiebungsanordnung nach § 58a auf richterliche Anordnung in Haft zu nehmen, wenn über die Ausweisung oder die Abschiebungsanordnung nach § 58a nicht sofort entschieden werden kann und die Abschiebung ohne die Inhaftnahme wesentlich erschwert oder vereitelt würde (Vorbereitungshaft). Die Dauer der Vorbereitungshaft soll sechs Wochen nicht überschreiten. Im Falle der Ausweisung bedarf es für die Fortdauer der Haft bis zum Ablauf der angeordneten Haftdauer keiner erneuten richterlichen Anordnung.

(3) Ein Ausländer ist zur Sicherung der Abschiebung auf richterliche Anordnung in Haft zu nehmen (Sicherungshaft), wenn

1.
Fluchtgefahr besteht,
2.
der Ausländer auf Grund einer unerlaubten Einreise vollziehbar ausreisepflichtig ist oder
3.
eine Abschiebungsanordnung nach § 58a ergangen ist, diese aber nicht unmittelbar vollzogen werden kann.
Von der Anordnung der Sicherungshaft nach Satz 1 Nummer 2 kann ausnahmsweise abgesehen werden, wenn der Ausländer glaubhaft macht, dass er sich der Abschiebung nicht entziehen will. Die Sicherungshaft ist unzulässig, wenn feststeht, dass aus Gründen, die der Ausländer nicht zu vertreten hat, die Abschiebung nicht innerhalb der nächsten drei Monate durchgeführt werden kann; bei einem Ausländer, bei dem ein Fall des § 54 Absatz 1 Nummer 1 bis 1b oder Absatz 2 Nummer 1 oder 3 vorliegt und auf den nicht das Jugendstrafrecht angewendet wurde oder anzuwenden wäre, gilt abweichend ein Zeitraum von sechs Monaten. Abweichend von Satz 3 ist die Sicherungshaft bei einem Ausländer, von dem eine erhebliche Gefahr für Leib und Leben Dritter oder bedeutende Rechtsgüter der inneren Sicherheit ausgeht, auch dann zulässig, wenn die Abschiebung nicht innerhalb der nächsten drei Monate durchgeführt werden kann.

(3a) Fluchtgefahr im Sinne von Absatz 3 Satz 1 Nummer 1 wird widerleglich vermutet, wenn

1.
der Ausländer gegenüber den mit der Ausführung dieses Gesetzes betrauten Behörden über seine Identität täuscht oder in einer für ein Abschiebungshindernis erheblichen Weise und in zeitlichem Zusammenhang mit der Abschiebung getäuscht hat und die Angabe nicht selbst berichtigt hat, insbesondere durch Unterdrückung oder Vernichtung von Identitäts- oder Reisedokumenten oder das Vorgeben einer falschen Identität,
2.
der Ausländer unentschuldigt zur Durchführung einer Anhörung oder ärztlichen Untersuchung nach § 82 Absatz 4 Satz 1 nicht an dem von der Ausländerbehörde angegebenen Ort angetroffen wurde, sofern der Ausländer bei der Ankündigung des Termins auf die Möglichkeit seiner Inhaftnahme im Falle des Nichtantreffens hingewiesen wurde,
3.
die Ausreisefrist abgelaufen ist und der Ausländer seinen Aufenthaltsort trotz Hinweises auf die Anzeigepflicht gewechselt hat, ohne der zuständigen Behörde eine Anschrift anzugeben, unter der er erreichbar ist,
4.
der Ausländer sich entgegen § 11 Absatz 1 Satz 2 im Bundesgebiet aufhält und er keine Betretenserlaubnis nach § 11 Absatz 8 besitzt,
5.
der Ausländer sich bereits in der Vergangenheit der Abschiebung entzogen hat oder
6.
der Ausländer ausdrücklich erklärt hat, dass er sich der Abschiebung entziehen will.

(3b) Konkrete Anhaltspunkte für Fluchtgefahr im Sinne von Absatz 3 Satz 1 Nummer 1 können sein:

1.
der Ausländer hat gegenüber den mit der Ausführung dieses Gesetzes betrauten Behörden über seine Identität in einer für ein Abschiebungshindernis erheblichen Weise getäuscht und hat die Angabe nicht selbst berichtigt, insbesondere durch Unterdrückung oder Vernichtung von Identitäts- oder Reisedokumenten oder das Vorgeben einer falschen Identität,
2.
der Ausländer hat zu seiner unerlaubten Einreise erhebliche Geldbeträge, insbesondere an einen Dritten für dessen Handlung nach § 96, aufgewandt, die nach den Umständen derart maßgeblich sind, dass daraus geschlossen werden kann, dass er die Abschiebung verhindern wird, damit die Aufwendungen nicht vergeblich waren,
3.
von dem Ausländer geht eine erhebliche Gefahr für Leib und Leben Dritter oder bedeutende Rechtsgüter der inneren Sicherheit aus,
4.
der Ausländer ist wiederholt wegen vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu mindestens einer Freiheitsstrafe verurteilt worden,
5.
der Ausländer hat die Passbeschaffungspflicht nach § 60b Absatz 3 Satz 1 Nummer 1, 2 und 6 nicht erfüllt oder der Ausländer hat andere als die in Absatz 3a Nummer 2 genannten gesetzlichen Mitwirkungshandlungen zur Feststellung der Identität, insbesondere die ihm nach § 48 Absatz 3 Satz 1 obliegenden Mitwirkungshandlungen, verweigert oder unterlassen und wurde vorher auf die Möglichkeit seiner Inhaftnahme im Falle der Nichterfüllung der Passersatzbeschaffungspflicht nach § 60b Absatz 3 Satz 1 Nummer 1, 2 und 6 oder der Verweigerung oder Unterlassung der Mitwirkungshandlung hingewiesen,
6.
der Ausländer hat nach Ablauf der Ausreisefrist wiederholt gegen eine Pflicht nach § 61 Absatz 1 Satz 1, Absatz 1a, 1c Satz 1 Nummer 3 oder Satz 2 verstoßen oder eine zur Sicherung und Durchsetzung der Ausreisepflicht verhängte Auflage nach § 61 Absatz 1e nicht erfüllt,
7.
der Ausländer, der erlaubt eingereist und vollziehbar ausreisepflichtig geworden ist, ist dem behördlichen Zugriff entzogen, weil er keinen Aufenthaltsort hat, an dem er sich überwiegend aufhält.

(4) Die Sicherungshaft kann bis zu sechs Monaten angeordnet werden. Sie kann in Fällen, in denen die Abschiebung aus von dem Ausländer zu vertretenden Gründen nicht vollzogen werden kann, um höchstens zwölf Monate verlängert werden. Eine Verlängerung um höchstens zwölf Monate ist auch möglich, soweit die Haft auf der Grundlage des Absatzes 3 Satz 1 Nummer 3 angeordnet worden ist und sich die Übermittlung der für die Abschiebung erforderlichen Unterlagen oder Dokumente durch den zur Aufnahme verpflichteten oder bereiten Drittstaat verzögert. Die Gesamtdauer der Sicherungshaft darf 18 Monate nicht überschreiten. Eine Vorbereitungshaft ist auf die Gesamtdauer der Sicherungshaft anzurechnen.

(4a) Ist die Abschiebung gescheitert, bleibt die Anordnung bis zum Ablauf der Anordnungsfrist unberührt, sofern die Voraussetzungen für die Haftanordnung unverändert fortbestehen.

(5) Die für den Haftantrag zuständige Behörde kann einen Ausländer ohne vorherige richterliche Anordnung festhalten und vorläufig in Gewahrsam nehmen, wenn

1.
der dringende Verdacht für das Vorliegen der Voraussetzungen nach Absatz 3 Satz 1 besteht,
2.
die richterliche Entscheidung über die Anordnung der Sicherungshaft nicht vorher eingeholt werden kann und
3.
der begründete Verdacht vorliegt, dass sich der Ausländer der Anordnung der Sicherungshaft entziehen will.
Der Ausländer ist unverzüglich dem Richter zur Entscheidung über die Anordnung der Sicherungshaft vorzuführen.

(6) Ein Ausländer kann auf richterliche Anordnung zum Zwecke der Abschiebung für die Dauer von längstens 14 Tagen zur Durchführung einer Anordnung nach § 82 Absatz 4 Satz 1, bei den Vertretungen oder ermächtigten Bediensteten des Staates, dessen Staatsangehörigkeit er vermutlich besitzt, persönlich zu erscheinen, oder eine ärztliche Untersuchung zur Feststellung seiner Reisefähigkeit durchführen zu lassen, in Haft genommen werden, wenn er

1.
einer solchen erstmaligen Anordnung oder
2.
einer Anordnung nach § 82 Absatz 4 Satz 1, zu einem Termin bei der zuständigen Behörde persönlich zu erscheinen,
unentschuldigt ferngeblieben ist und der Ausländer zuvor auf die Möglichkeit einer Inhaftnahme hingewiesen wurde (Mitwirkungshaft). Eine Verlängerung der Mitwirkungshaft ist nicht möglich. Eine Mitwirkungshaft ist auf die Gesamtdauer der Sicherungshaft anzurechnen. § 62a Absatz 1 findet entsprechende Anwendung.

(1) Auf die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe finden die Vorschriften der Zivilprozessordnung über die Prozesskostenhilfe entsprechende Anwendung, soweit nachfolgend nichts Abweichendes bestimmt ist.

(2) Ein Beschluss, der im Verfahrenskostenhilfeverfahren ergeht, ist mit der sofortigen Beschwerde in entsprechender Anwendung der §§ 567 bis 572, 127 Abs. 2 bis 4 der Zivilprozessordnung anfechtbar.

(1) Eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, erhält auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Für die grenzüberschreitende Prozesskostenhilfe innerhalb der Europäischen Union gelten ergänzend die §§ 1076 bis 1078.

(2) Mutwillig ist die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung, wenn eine Partei, die keine Prozesskostenhilfe beansprucht, bei verständiger Würdigung aller Umstände von der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung absehen würde, obwohl eine hinreichende Aussicht auf Erfolg besteht.

(1) Die Abschiebungshaft ist unzulässig, wenn der Zweck der Haft durch ein milderes Mittel erreicht werden kann. Die Inhaftnahme ist auf die kürzest mögliche Dauer zu beschränken. Minderjährige und Familien mit Minderjährigen dürfen nur in besonderen Ausnahmefällen und nur so lange in Abschiebungshaft genommen werden, wie es unter Berücksichtigung des Kindeswohls angemessen ist.

(2) Ein Ausländer ist zur Vorbereitung der Ausweisung oder der Abschiebungsanordnung nach § 58a auf richterliche Anordnung in Haft zu nehmen, wenn über die Ausweisung oder die Abschiebungsanordnung nach § 58a nicht sofort entschieden werden kann und die Abschiebung ohne die Inhaftnahme wesentlich erschwert oder vereitelt würde (Vorbereitungshaft). Die Dauer der Vorbereitungshaft soll sechs Wochen nicht überschreiten. Im Falle der Ausweisung bedarf es für die Fortdauer der Haft bis zum Ablauf der angeordneten Haftdauer keiner erneuten richterlichen Anordnung.

(3) Ein Ausländer ist zur Sicherung der Abschiebung auf richterliche Anordnung in Haft zu nehmen (Sicherungshaft), wenn

1.
Fluchtgefahr besteht,
2.
der Ausländer auf Grund einer unerlaubten Einreise vollziehbar ausreisepflichtig ist oder
3.
eine Abschiebungsanordnung nach § 58a ergangen ist, diese aber nicht unmittelbar vollzogen werden kann.
Von der Anordnung der Sicherungshaft nach Satz 1 Nummer 2 kann ausnahmsweise abgesehen werden, wenn der Ausländer glaubhaft macht, dass er sich der Abschiebung nicht entziehen will. Die Sicherungshaft ist unzulässig, wenn feststeht, dass aus Gründen, die der Ausländer nicht zu vertreten hat, die Abschiebung nicht innerhalb der nächsten drei Monate durchgeführt werden kann; bei einem Ausländer, bei dem ein Fall des § 54 Absatz 1 Nummer 1 bis 1b oder Absatz 2 Nummer 1 oder 3 vorliegt und auf den nicht das Jugendstrafrecht angewendet wurde oder anzuwenden wäre, gilt abweichend ein Zeitraum von sechs Monaten. Abweichend von Satz 3 ist die Sicherungshaft bei einem Ausländer, von dem eine erhebliche Gefahr für Leib und Leben Dritter oder bedeutende Rechtsgüter der inneren Sicherheit ausgeht, auch dann zulässig, wenn die Abschiebung nicht innerhalb der nächsten drei Monate durchgeführt werden kann.

(3a) Fluchtgefahr im Sinne von Absatz 3 Satz 1 Nummer 1 wird widerleglich vermutet, wenn

1.
der Ausländer gegenüber den mit der Ausführung dieses Gesetzes betrauten Behörden über seine Identität täuscht oder in einer für ein Abschiebungshindernis erheblichen Weise und in zeitlichem Zusammenhang mit der Abschiebung getäuscht hat und die Angabe nicht selbst berichtigt hat, insbesondere durch Unterdrückung oder Vernichtung von Identitäts- oder Reisedokumenten oder das Vorgeben einer falschen Identität,
2.
der Ausländer unentschuldigt zur Durchführung einer Anhörung oder ärztlichen Untersuchung nach § 82 Absatz 4 Satz 1 nicht an dem von der Ausländerbehörde angegebenen Ort angetroffen wurde, sofern der Ausländer bei der Ankündigung des Termins auf die Möglichkeit seiner Inhaftnahme im Falle des Nichtantreffens hingewiesen wurde,
3.
die Ausreisefrist abgelaufen ist und der Ausländer seinen Aufenthaltsort trotz Hinweises auf die Anzeigepflicht gewechselt hat, ohne der zuständigen Behörde eine Anschrift anzugeben, unter der er erreichbar ist,
4.
der Ausländer sich entgegen § 11 Absatz 1 Satz 2 im Bundesgebiet aufhält und er keine Betretenserlaubnis nach § 11 Absatz 8 besitzt,
5.
der Ausländer sich bereits in der Vergangenheit der Abschiebung entzogen hat oder
6.
der Ausländer ausdrücklich erklärt hat, dass er sich der Abschiebung entziehen will.

(3b) Konkrete Anhaltspunkte für Fluchtgefahr im Sinne von Absatz 3 Satz 1 Nummer 1 können sein:

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der Ausländer hat gegenüber den mit der Ausführung dieses Gesetzes betrauten Behörden über seine Identität in einer für ein Abschiebungshindernis erheblichen Weise getäuscht und hat die Angabe nicht selbst berichtigt, insbesondere durch Unterdrückung oder Vernichtung von Identitäts- oder Reisedokumenten oder das Vorgeben einer falschen Identität,
2.
der Ausländer hat zu seiner unerlaubten Einreise erhebliche Geldbeträge, insbesondere an einen Dritten für dessen Handlung nach § 96, aufgewandt, die nach den Umständen derart maßgeblich sind, dass daraus geschlossen werden kann, dass er die Abschiebung verhindern wird, damit die Aufwendungen nicht vergeblich waren,
3.
von dem Ausländer geht eine erhebliche Gefahr für Leib und Leben Dritter oder bedeutende Rechtsgüter der inneren Sicherheit aus,
4.
der Ausländer ist wiederholt wegen vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu mindestens einer Freiheitsstrafe verurteilt worden,
5.
der Ausländer hat die Passbeschaffungspflicht nach § 60b Absatz 3 Satz 1 Nummer 1, 2 und 6 nicht erfüllt oder der Ausländer hat andere als die in Absatz 3a Nummer 2 genannten gesetzlichen Mitwirkungshandlungen zur Feststellung der Identität, insbesondere die ihm nach § 48 Absatz 3 Satz 1 obliegenden Mitwirkungshandlungen, verweigert oder unterlassen und wurde vorher auf die Möglichkeit seiner Inhaftnahme im Falle der Nichterfüllung der Passersatzbeschaffungspflicht nach § 60b Absatz 3 Satz 1 Nummer 1, 2 und 6 oder der Verweigerung oder Unterlassung der Mitwirkungshandlung hingewiesen,
6.
der Ausländer hat nach Ablauf der Ausreisefrist wiederholt gegen eine Pflicht nach § 61 Absatz 1 Satz 1, Absatz 1a, 1c Satz 1 Nummer 3 oder Satz 2 verstoßen oder eine zur Sicherung und Durchsetzung der Ausreisepflicht verhängte Auflage nach § 61 Absatz 1e nicht erfüllt,
7.
der Ausländer, der erlaubt eingereist und vollziehbar ausreisepflichtig geworden ist, ist dem behördlichen Zugriff entzogen, weil er keinen Aufenthaltsort hat, an dem er sich überwiegend aufhält.

(4) Die Sicherungshaft kann bis zu sechs Monaten angeordnet werden. Sie kann in Fällen, in denen die Abschiebung aus von dem Ausländer zu vertretenden Gründen nicht vollzogen werden kann, um höchstens zwölf Monate verlängert werden. Eine Verlängerung um höchstens zwölf Monate ist auch möglich, soweit die Haft auf der Grundlage des Absatzes 3 Satz 1 Nummer 3 angeordnet worden ist und sich die Übermittlung der für die Abschiebung erforderlichen Unterlagen oder Dokumente durch den zur Aufnahme verpflichteten oder bereiten Drittstaat verzögert. Die Gesamtdauer der Sicherungshaft darf 18 Monate nicht überschreiten. Eine Vorbereitungshaft ist auf die Gesamtdauer der Sicherungshaft anzurechnen.

(4a) Ist die Abschiebung gescheitert, bleibt die Anordnung bis zum Ablauf der Anordnungsfrist unberührt, sofern die Voraussetzungen für die Haftanordnung unverändert fortbestehen.

(5) Die für den Haftantrag zuständige Behörde kann einen Ausländer ohne vorherige richterliche Anordnung festhalten und vorläufig in Gewahrsam nehmen, wenn

1.
der dringende Verdacht für das Vorliegen der Voraussetzungen nach Absatz 3 Satz 1 besteht,
2.
die richterliche Entscheidung über die Anordnung der Sicherungshaft nicht vorher eingeholt werden kann und
3.
der begründete Verdacht vorliegt, dass sich der Ausländer der Anordnung der Sicherungshaft entziehen will.
Der Ausländer ist unverzüglich dem Richter zur Entscheidung über die Anordnung der Sicherungshaft vorzuführen.

(6) Ein Ausländer kann auf richterliche Anordnung zum Zwecke der Abschiebung für die Dauer von längstens 14 Tagen zur Durchführung einer Anordnung nach § 82 Absatz 4 Satz 1, bei den Vertretungen oder ermächtigten Bediensteten des Staates, dessen Staatsangehörigkeit er vermutlich besitzt, persönlich zu erscheinen, oder eine ärztliche Untersuchung zur Feststellung seiner Reisefähigkeit durchführen zu lassen, in Haft genommen werden, wenn er

1.
einer solchen erstmaligen Anordnung oder
2.
einer Anordnung nach § 82 Absatz 4 Satz 1, zu einem Termin bei der zuständigen Behörde persönlich zu erscheinen,
unentschuldigt ferngeblieben ist und der Ausländer zuvor auf die Möglichkeit einer Inhaftnahme hingewiesen wurde (Mitwirkungshaft). Eine Verlängerung der Mitwirkungshaft ist nicht möglich. Eine Mitwirkungshaft ist auf die Gesamtdauer der Sicherungshaft anzurechnen. § 62a Absatz 1 findet entsprechende Anwendung.

12
b) Die Annahme des Haftgrundes nach § 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 ZPO in der anzufechtenden Entscheidung ist frei von Rechtsfehlern. Nach dieser Vorschrift ist ein vollziehbar ausreisepflichtiger Ausländer zur Sicherung der Abschiebung in Haft zu nehmen, wenn der begründete Verdacht besteht, dass er sich der Abschiebung entziehen will. Dies setzt konkrete Umstände, insbesondere Äußerungen oder Verhaltensweisen des Ausländers voraus, die mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit darauf hindeuten oder es nahe legen, dass der Ausländer beabsichtigt, unterzutauchen oder die Abschiebung in einer Weise zu behindern, die nicht durch einfachen, keine Freiheitsentziehung bildenden Zwang überwunden werden kann (vgl. Senat, BGHZ 98, 109, 112 f.; OLG München OLGR 2005, 439; Renner, Ausländerrecht, 8. Aufl., § 62 Rdn. 19 f.). Solche Umstände hat das Beschwerdegericht rechtsfehlerfrei festgestellt, weil der Betroffene durch wechselnde, falsche Angaben Behörden und Gerichte über seine Identität und Nationalität zu täuschen versucht hat, bei der Beschaffung der für seine Ausreise erforderlichen Ersatzpapiere nicht kooperiert und alles daran setzt, seine Abschiebung zu verhindern.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZB 29/10
vom
22. Juli 2010
in der Abschiebungshaftsache
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 22. Juli 2010 durch den Vorsitzenden
Richter Prof. Dr. Krüger, den Richter Dr. Lemke, die Richterin
Dr. Stresemann und die Richter Dr. Czub und Dr. Roth

beschlossen:
Dem Betroffenen wird für das Rechtsbeschwerdeverfahren Verfahrenskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt Rinkler bewilligt.
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 1. Zivilkammer des Landgerichts Aurich vom 27. Januar 2010 wird auf Kosten des Betroffenen zurückgewiesen.

Gründe:

I.

1
Der aus Guinea stammende Betroffene reiste 1997 in das Bundesgebiet ein. Er gab vor, Angehöriger des Staates Sierra Leone zu sein und keine Identitätspapiere zu besitzen. Der unter Angabe falscher Personalien gestellte Asylantrag wurde als offensichtlich unbegründet abgelehnt und der Betroffene unter Androhung der Abschiebung zur Ausreise aufgefordert. Die Abschiebung scheiterte indes an fehlenden Identitätspapieren. Der Aufenthalt des Betroffenen wurde zunächst geduldet. Im Januar 2005 tauchte er unter, wurde im November 2005 aufgegriffen und vorübergehend in Abschiebungshaft genommen. In der Folgezeit wirkte der Betroffene an der Passersatzpapierbeschaffung nicht mit und verhinderte so eine Abschiebung. Im Januar 2009 offenbarte er gegenüber dem Standesamt E. seine wahre Identität und legte seinen Nationalpass vor, weil er beabsichtigte, eine deutsche Staatsangehörige zu heiraten. Daraufhin wurde sein Aufenthalt geduldet, zuletzt befristet bis zum 28. Januar 2010. Am 3. November 2009 teilte das Standesamt mit, dass die Eheschließung in absehbarer Zeit mangels Überprüfbarkeit der Angaben des Betroffenen und der von ihm vorgelegten Unterlagen nicht erfolgen könne.
2
Auf Antrag der Beteiligten zu 2 hat das Amtsgericht am 18. November 2009 gegen den Betroffenen Haft zur Sicherung der Abschiebung bis zum 17. Februar 2010 angeordnet. Nach Eingang der sofortigen Beschwerde hat das Amtsgericht dem Landgericht die Akten ohne Abhilfeentscheidung vorgelegt. Der Betroffene wurde am 16. Dezember 2009 nach Guinea abgeschoben. Das nach der Abschiebung des Betroffenen in der Sache auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der Inhaftierung gerichtete Rechtsmittel ist ohne Erfolg geblieben. Mit der Rechtsbeschwerde beantragt er die Feststellung, dass die Anordnung der Abschiebungshaft durch das Amtsgericht sowie der Beschluss des Landgerichts und seine Inhaftierung bis zur Abschiebung rechtswidrig waren.

II.

3
Das Beschwerdegericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen auf das Vorliegen des Haftgrundes nach § 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 AufenthG gestützt. Es hat die Absicht des Betroffenen, sich der Abschiebung zu entziehen, daraus abgeleitet, dass der Betroffene jahrelang unzutreffende Angaben zu seiner Identität gemacht habe, um eine Abschiebung zu verhindern. Mit der Aufdeckung seiner wahren Identität habe er nur den Zweck verfolgt, eine deutsche Staatsangehörige zu heiraten und auf diese Weise ein Aufenthaltsrecht zu bekommen. Nachdem sich diese Hoffnung zerschlagen habe, sei mit Sicherheit anzunehmen, dass er sich der Abschiebung erneut entziehen werde.

III.

4
1. Mit der nach § 70 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3, Satz 2 FamFG, § 106 Abs. 2 Satz 1 AufenthG statthaften und auch im Übrigen grundsätzlich zulässigen (§ 71 FamFG) Rechtsbeschwerde kann der Betroffene allein die rechtliche Nachprüfung der angefochtenen Entscheidung erreichen. Soweit er mit seinem Antrag gesondert auch die Überprüfung der Haftanordnung durch das Amtsgericht erstrebt, ist das Rechtsmittel unzulässig. Zwar hat der Senat entschieden, dass bei Erledigung der Hauptsache nach Erlass der Beschwerdeentscheidung neben dieser Entscheidung auch die Rechtmäßigkeit der Haftanordnung Gegenstand des dann auf § 62 FamFG gestützten Rechtsbeschwerdeverfahrens sein kann (Beschl. v. 4. März 2010, V ZB 184/09, FGPrax 2010, 152, 154; Beschl. v. 17. Juni 2010, V ZB 13/10, Rn. 22). Das gilt aber nicht, wenn - wie hier - bereits das Beschwerdegericht über den Fortsetzungsfeststellungsantrag nach § 62 FamFG entschieden hat. Im Rechtsbeschwerdeverfahren geht es dann allein um die Rechtmäßigkeit dieser Entscheidung. Dabei ist inzident allerdings auch die Frage der Rechtmäßigkeit der Haftentscheidung zu prüfen.
5
2. Soweit zulässig, ist die Rechtsbeschwerde unbegründet.
6
a) Der Umstand, dass das Amtsgericht es an einem ordnungsgemäßen Abhilfeverfahren (§ 68 Abs. 1 FamFG) hat fehlen lassen, hat weder einen die Aufhebung rechtfertigenden Mangel des Beschwerde- noch des Ausgangsverfahrens zur Folge (Senat, Beschl. v. 17. Juni 2010, V ZB 13/10, Rn. 11, 23 m.w.N.).
7
Zur Rechtswidrigkeit der Beschwerdeentscheidung kann das Unterlassen einer (Nicht-)Abhilfeentscheidung allenfalls dann führen, wenn der Betroffene im Vertrauen auf eine mögliche Abhilfe von entscheidungserheblichem Vortrag abgesehen hat (vgl. hierzu Senat, Beschl. v. 15. Juli 2010, V ZB 10/10, Um- druck S. 9 f.). Das macht die Rechtsbeschwerde nicht geltend, und dafür gibt es auch keine Anhaltspunkte. Soweit sie in diesem Zusammenhang eine unzureichende Sachverhaltsermittlung durch das Amtsgericht rügt, berührt dies - für sich genommen - nicht die Frage der Rechtmäßigkeit der Beschwerdeentscheidung. Insbesondere führt ein unterlassenes Abhilfeverfahren nicht zu einer Verkürzung des Rechtsschutzes des Betroffenen. Das Beschwerdegericht tritt als Tatsacheninstanz an die Stelle des erstinstanzlichen Gerichts (Senat, Beschl. v. 8. März 2007, V ZB 149/06, NJW-RR 2007, 1569, 1570). Seine Aufgabe ist es, die angefochtene Entscheidung zu überprüfen. Eine unzureichende Sachaufklärung kann dort gerügt werden.
8
b) Zu Recht hat das Beschwerdegericht auch an der Tenorierung der Haftanordnung durch das Amtsgericht keinen Anstoß genommen.
9
aa) Das Amtsgericht hat die Freiheitsentziehung hinreichend bezeichnet (§ 421 Nr. 1 FamFG). Aus dem Tenor ergibt sich, dass es sich um eine Haft zur Sicherung der Abschiebung handelt. In Verbindung mit den heranzuziehenden Entscheidungsgründen (vgl. Keidel/Budde, FamFG, 16. Aufl., § 421 Rn. 2) und unter Berücksichtigung der Befristung auf drei Monate kann entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde nicht ernsthaft erwogen werden, dass die sog. "kleine" Sicherungshaft nach § 62 Abs. 2 Satz 2 AufenthG gemeint sein könnte.
10
bb) Die unzutreffende Erwähnung von § 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AufenthG als Haftgrund wirkt sich im Ergebnis ebenfalls nicht aus. Denn das Landgericht hat - rechtsfehlerfrei - den Haftgrund nach § 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 AufenthG herangezogen (s. sogleich unter d) und damit den Fehler der erstinstanzlichen Entscheidung auch im Rahmen des Fortsetzungsfeststellungsverfahrens geheilt (vgl. Senat, Beschl. v. 8. März 2007, V ZB 149/06, NJW-RR 2007, 1569, 1570; Keidel/Budde, aaO, § 62 Rn. 22 f.).
11
c) Die Haftanordnung hat den Betroffenen ferner nicht deswegen in seinen Rechten verletzt, weil sie aufgrund der bestehenden Duldung verfrüht und von daher unverhältnismäßig gewesen wäre.
12
aa) Die Duldung als zeitlich befristete Aussetzung der Abschiebung steht der Anordnung von Abschiebungshaft nicht schlechthin entgegen (vgl. BayObLGZ 1983, 138; OLG Dresden, Beschl. v. 17. Oktober 2007, 3 W 1159/07, juris, Rn. 4; OLG Frankfurt NJW 2004, 3050, 3051; OLG Hamm OLGZ 1977, 157, 159; Hailbronner, Ausländerrecht, Stand 68. Aktual. April 2010, § 62 AufenthG Rn. 23; im Ergebnis auch GK-AufenthG/Funke-Kaiser, Stand 43. Aktual. Juni 2010, § 60a Rn. 46; a.A. LG Freiburg, Beschl. v. 9. März 2004, 4 T 55/04, juris, Rn. 9).
13
Denn eine solche Duldung gibt dem Ausländer kein Recht zum Aufenthalt und lässt die Pflicht zur Ausreise unberührt (vgl. BayObLGZ 1983, 138, 142 f.; GK-AufenthG/Funke-Kaiser, aaO, § 60a Rn. 43; Hailbronner, aaO, § 60a AufenthG Rn. 83; Renner, AuslR, 8. Aufl., § 60a AufenthG Rn. 14). Sie stellt lediglich einen befristeten Verzicht der Behörde auf die an sich gebotene Durchsetzung der Ausreisepflicht dar (GK-AufenthG/Funke-Kaiser, aaO; Hailbronner, aaO). Mit Rücksicht auf die Geltungsdauer einer Duldung besteht zwar stets Anlass zu der Prüfung, ob die Abschiebung innerhalb der nächsten drei Monate erfolgen kann (§ 62 Abs. 2 Satz 4 AufenthG, vgl. GKAufenthG /Funke-Kaiser, aaO und Rn. 47.1). Schon aufgrund der Befristung bis zum 28. Januar 2010 bestehen insoweit jedoch keine rechtlichen Bedenken.
14
bb) Die Anordnung der Sicherungshaft war auch erforderlich, ohne dass es zuvor eines förmlichen Widerrufs der Duldung (§§ 77 Abs. 1 AufenthG, 49 Abs. 2 Satz 1 VwVfG) oder einer förmlichen Ankündigung des Vollzugs der Abschiebung nach § 60a Abs. 5 Satz 4 AufenthG bedurfte. Bedenken könnten sich - worauf auch die Rechtsbeschwerde abhebt - mit Blick darauf ergeben, dass die Haft bereits mehr als zwei Monate vor dem Ablauf der erteilten Duldungsfrist angeordnet worden ist. Mit der als "Nebenbestimmung" bezeichneten und als auflösende Bedingung ausgestalteten Bestimmung, dass die Duldung auch mit dem Tag der Ankündigung der Abschiebung erlischt, hat die Beteiligte zu 2 indessen zu erkennen gegeben, dass die Vollziehung der Abschiebung jederzeit, mithin auch vor Ablauf der Duldungsfrist erfolgen kann. Jedenfalls mit dem Antrag auf Anordnung der Abschiebungshaft hat sie kundgetan, den Betroffenen nunmehr abzuschieben, nachdem das Standesamt mitgeteilt hatte, der Betroffene werde bis auf weiteres nicht heiraten können. Ob neben dem Widerruf (§ 60a Abs. 5 Satz 2 AufenthG eine auflösende Bedingung zulässig (vgl. VGH Mannheim NVwZ-RR 2001, 272, 273 f.; GK-AufenthG/Funke-Kaiser, aaO, § 60a Rn. 91) und die Bedingung "Ankündigung der Abschiebung" hinreichend bestimmt ist (vgl. VGH Mannheim, aaO, S. 274, GK-AufenthG/Funke-Kaiser, aaO, Rn. 93), mit der Folge, dass die erteilte Duldung ohnehin nicht mehr wirksam wäre, kann vorliegend daher offen bleiben.
15
d) Die Annahme des Haftgrundes nach § 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 AufenthG in der angefochtenen Entscheidung ist ebenfalls frei von Rechtsfehlern. Nach dieser Vorschrift ist ein vollziehbar ausreisepflichtiger Ausländer zur Sicherung der Abschiebung in Haft zu nehmen, wenn der begründete Verdacht besteht, dass er sich der Abschiebung entziehen will. Dies setzt konkrete Umstände , insbesondere Äußerungen oder Verhaltensweisen des Ausländers voraus , die mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit darauf hindeuten oder es nahe legen, dass der Ausländer beabsichtigt, unterzutauchen oder die Abschiebung in einer Weise zu behindern, die nicht durch einfachen, keine Freiheitsentziehung bildenden Zwang überwunden werden kann (vgl. Senat, Beschl. v. 29. April 2010, V ZB 202/09, Rn. 12, juris). Solche Umstände hat das Beschwerdegericht rechtsfehlerfrei festgestellt. Der Betroffene hat durch unwahre Angaben zu seiner Identität und Herkunft über Jahre seinen Aufenthalt gesichert und alles daran gesetzt, seine Ausreise zu verhindern. Die getroffenen Feststellungen sind für den Senat nach §§ 74 Abs. 3 Satz 4 FamFG, 559 Abs. 2 ZPO bindend; Rechtsfehler zeigt die Rechtsbeschwerde nicht auf (§ 71 Abs. 3 Nr. 2b FamFG).
16
aa) Dass der Betroffene zum Zweck der Eheschließung nunmehr seine wahre Identität und Herkunft aufgedeckt hat, stellt die Wertung des Beschwerdegerichts nicht in Frage. Die tatrichterliche Schlussfolgerung unterliegt einer Rechtskontrolle nur dahin, ob die verfahrensfehlerfrei festgestellten Tatsachen eine solche Folgerung als möglich erscheinen lassen (vgl. Senat, Beschl. v. 10. Februar 2000, V ZB 5/00, FGPrax 2000, 130). So verhält es sich hier. Das Beschwerdegericht hat die angestrebte Eheschließung in den Blick genommen, diesem Umstand angesichts des - auch von der Rechtsbeschwerde nicht in Abrede gestellten - Scheiterns gegenüber den massiven Verdachtsmomenten jedoch nicht die entscheidende Bedeutung beigemessen. Soweit die Rechtsbeschwerde meint, die Voraussetzungen nach § 1309 Abs. 2 BGB für die Befreiung von der Pflicht zur Vorlage eines Ehefähigkeitszeugnisses seien gegeben gewesen, verweist sie nicht auf Vortrag dazu in den Tatsacheninstanzen. Nicht zu folgen ist ihr auch insoweit, als sie davon ausgeht, das Beschwerdegericht oder das Amtsgericht hätten den Betroffenen über die Möglichkeit der Beantragung einer Befreiung nach § 1309 Abs. 2 BGB belehren müssen. Dies erfordert der Grundsatz der Amtsermittlung, ohne dass es - wie hier - im Vorbringen des Betroffenen dafür Anhaltspunkte gibt, nicht (vgl. auch Senat, Beschl. v. 10. Juni 2010, V ZB 204/09, Umdruck S. 15).
17
bb) Unbegründet ist daher auch die in diesem Zusammenhang erhobene Rüge der Rechtsbeschwerde, das Beschwerdegericht habe den Betroffenen zu der Möglichkeit eines Befreiungsantrags nach § 1309 Abs. 2 BGB persönlich anhören müssen. Eine persönliche Anhörung ist zwar auch im Rechtsmittelverfahren grundsätzlich erforderlich (Senat, Beschl. v. 4. März 2010, V ZB 222/09, FGPrax 2010, 154, 155). Hiervon kann nach § 68 Abs. 3 Satz 2 FamFG nur abgesehen werden, wenn eine persönliche Anhör ung in erster Instanz erfolgt ist und zusätzliche Erkenntnisse durch eine erneute Anhörung nicht zu erwarten sind (Senat, Beschl. v. 4. März 2010, aaO, Beschl. v. 8. April 2010, V ZB 51/10, Rn. 19, juris). So verhält es sich aber hier. Da der Betroffene zur Begründung seiner Beschwerde zunächst nur allgemein die Annahme des Haftgrundes beanstandet und auf die fortbestehende Duldung abgestellt hat, gab es keinen Anlass für eine Anhörung zu dem Zweck, dem Betroffenen die Möglichkeit eines Befreiungsantrags nach § 1309 Abs. 2 BGB nahe zu bringen. Vielmehr durfte das Beschwerdegericht zunächst von einer persönlichen Anhörung absehen und die - erst nach der erfolgten Abschiebung eingegangene - angekündigte Beschwerdebegründung abwarten.
18
cc) Etwas anderes ergibt sich entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde auch nicht unter Berücksichtigung von Art. 6 GG.
19
(1) Soweit sich der Betroffene im Rechtsbeschwerdeverfahren auf die Möglichkeit eines Befreiungsverfahrens nach § 1309 Abs. 2 BGB stützt, wendet er sich im Kern gegen die Abschiebung selbst. Damit kann er im vorliegenden Verfahren nicht gehört werden. Es betrifft die Rechtmäßigkeit der Abschiebungsverfügung , die nicht von dem Haftrichter, sondern von den Verwaltungsgerichten zu prüfen ist (vgl. nur Senat, Beschl. v. 16. Dezember 2009, V ZB 148/09, FGPrax 2010, 50, 51).
20
(2) Der insoweit an die Entscheidung der Ausländerbehörde gebundene Haftrichter hat zwar ausnahmsweise Gesichtspunkte zu berücksichtigen, die den verfassungsrechtlichen Schutz von Ehe und Familie gem. Art. 6 GG betreffen , etwa zur Verhinderung der Schaffung vollendeter Tatsachen, wenn verwaltungsgerichtlicher Rechtsschutz nicht rechtzeitig zu erlangen ist oder durch nachträglich eingetretene Umstände die Anordnung von Abschiebungshaft als Mittel der Sicherung unnötig wird (vgl. OLG Köln OLGR 2001, 279; OLG Brandenburg FGPrax 2002, 280, 281). So liegt es hier indessen nicht. Die Eheschließung war nach dem Stand des Beschwerdeverfahrens auf absehbare Zeit nicht möglich und der bereits im erstinstanzlichen Verfahren anwaltlich vertretene Betroffene hatte hinreichend Gelegenheit, im Hinblick auf seine beabsichtigte Eheschließung verwaltungsgerichtlichen Eilschutz zu beantragen. Der Betroffene macht zudem weder geltend, noch ist ersichtlich, dass die Freiheitsentziehung vor dem Hintergrund einer gelebten Partnerschaft unverhältnismäßig ist.
21
e) Die Entscheidung hält rechtlicher Nachprüfung auch im Hinblick darauf stand, dass die Haft unzulässig ist, wenn feststeht, dass die Abschiebung, aus Gründen, die der Ausländer nicht zu vertreten hat, nicht innerhalb der nächsten drei Monate durchgeführt werden kann (§ 62 Abs. 2 Satz 4 AufenthG).
22
aa) Der Haftrichter hat seine Prognose hierzu auf alle im konkreten Fall ernsthaft in Betracht kommenden Umstände zu erstrecken, die der Abschiebung entgegenstehen oder sie verzögern können (Senat, Beschl. v. 8. Juli 2010, V ZB 89/10, Umdruck S. 4 f.). Die Entscheidung ist im Rechtsbeschwerdeverfahren darauf zu prüfen, ob das Beschwerdegericht die der Prognose zugrunde liegenden Wertungsmaßstäbe zutreffend erkannt und alle für die Beurteilung wesentlichen Umstände berücksichtigt und vollständig gewürdigt hat (Senat, aaO, S. 5). Zu der Feststellung, ob die Abschiebung innerhalb von drei Monaten möglich ist, sind konkrete Angaben zum Ablauf des Verfahrens und eine Darstellung erforderlich, in welchem Zeitraum die einzelnen Schritte unter normalen Bedingungen durchlaufen werden können. Der Tatrichter darf sich nicht auf die Wiedergabe der Einschätzung der Ausländerbehörde beschränken , die Abschiebung werde voraussichtlich innerhalb von drei Monaten stattfinden können (Senat, aaO; Beschl. v. 6. Mai 2010, V ZB 193/09, Rn. 20, juris). Soweit die Ausländerbehörde konkrete Tatsachen hierzu nicht mitteilt, hat das Gericht gemäß § 26 FamFG nachzufragen (Senat, Beschl. v. 6. Mai 2010, aaO ).
23
bb) Diesen Anforderungen wird die angefochtene Entscheidung nicht gerecht. Das Beschwerdegericht hat sich mit § 62 Abs. 2 Satz 4 AufenthG in seiner Entscheidung nicht einmal im Ansatz auseinandergesetzt. Die allgemeine Bezugnahme auf die Begründung des Amtsgerichts hilft über diese Auslassung nicht hinweg. Denn das Amtsgericht hat lediglich auf eine angebliche Mitteilung der Beteiligten zu 2 verwiesen, wonach die Abschiebung binnen drei Monaten möglich sei. Im Antrag der Beteiligten zu 2 wird jedoch nur auf die Mitteilungen des Auswärtigen Amtes und des Polizeipräsidiums Koblenz verwiesen, wonach Abschiebungen nach Guinea derzeit möglich seien. Dass die Abschiebung nach Haftanordnung unmittelbar eingeleitet würde, ist mangels genauer Darlegung ebenfalls wenig aussagekräftig.
24
cc) Diese Mängel haben sich hier aber nicht ausgewirkt. Der Ablauf der Geschehnisse lässt es als ausgeschlossen erscheinen, dass sich die Anordnung der Haft und deren Dauer unter Zugrundelegung einer sorgfältigen, alle Umstände berücksichtigenden Prognose als unangemessen erwiesen hätte. Der Betroffene ist innerhalb eines Monats seit seiner Inhaftierung abgeschoben worden. Das zeigt, dass das aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG abzuleitende Beschleunigungsgebot bei Freiheitsentziehungen (BVerfGE 20, 45, 49 f.; 46, 194, 195) beachtet worden ist. Bedenkt man, dass das Ziel einer sorgfältigen Prog- nose darin besteht, die zu erwartenden Verfahrensabläufe möglichst genau zu erfassen, so kann aus den späteren Abläufen auf den mutmaßlichen Inhalt einer gebotenen, aber unterlassenen Prognose geschlossen werden. Eine solche Prognose hätte die Haft und deren Dauer gerechtfertigt.

IV.

25
Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 FamFG. Krüger Lemke Stresemann Richter am BGH Dr. Czub und Dr. Roth sind wegen Urlaubs verhindert zu unterschreiben. Krüger
Vorinstanzen:
AG Emden, Entscheidung vom 18.11.2009 - 1 XIV 158/09 B -
LG Aurich, Entscheidung vom 27.01.2010 - 1 T 539/09 -

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZB 5/00
vom
10. Februar 2000
in der Abschiebungshaftsache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
-----------------------------------
AuslG § 57 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5; FGG § 27 Abs. 1
Die Feststellung eines begründeten Verdachts, der Ausländer wolle sich der Abschiebung
entziehen, ist eine auf der Grundlage relevanter Anknüpfungstatsachen
gezogene tatrichterliche Schlußfolgerung, die auf weitere Beschwerde nur einer
Rechtskontrolle dahin unterliegt, ob die verfahrensfehlerfrei festgestellten Tatsachen
eine solche Folgerung als möglich erscheinen lassen.
BGH, Beschl. v. 10. Februar 2000 - V ZB 5/00 - OLG Düsseldorf
LG Kleve
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 10. Februar 2000 durch
die Richter Dr. Vogt, Tropf, Schneider, Prof. Dr. Krüger und Dr. Klein

beschlossen:
Die sofortige weitere Beschwerde gegen den Beschluß der 4. Zivilkammer des Landgerichts Kleve vom 22. Dezember 1999 wird auf Kosten des Betroffenen zurückgewiesen. Eine Erstattung außergerichtlicher Kosten erfolgt nicht.

Gründe:

I.

Der Betroffene wurde am 28. November 1999 dem Bundesgrenzschutz überstellt, nachdem er ohne gültige Papiere aus dem Bundesgebiet in die Niederlande auszureisen versuchte. Nach seinen Angaben war er ca. eine Woche zuvor mit Hilfe eines Schleusers aus Indien über Moskau in die Bundesrepublik Deutschland eingereist. Das Amtsgericht hat gegen den Betroffenen Abschiebehaft nach § 57 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 AuslG bis längstens zum 28. Februar 2000 angeordnet. Mit Schreiben vom 9. Dezember 1999 stellte er aus der Haft heraus einen Asylantrag. Seine sofortige Beschwerde gegen die Abschiebehaft hat das Landgericht zurückgewiesen.
Der sofortigen weiteren Beschwerde des Betroffenen möchte das Oberlandesgericht Düsseldorf stattgeben. Es sieht sich daran jedoch durch den
Beschluß des Bayerischen Obersten Landesgerichts vom 30. April 1999 (InfAuslR 1999, 464) gehindert und hat die Sache dem Bundesgerichtshof zur Entscheidung vorgelegt. Das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge hat mit Bescheid vom 5. Dezember 1999, zugestellt am 12. Januar 2000, den Asylantrag als offensichtlich unbegründet abgelehnt und die Abschiebung des Betroffenen angeordnet.

II.


Die Vorlage ist statthaft (§ 103 Abs. 2 Satz 1 AuslG, § 3 Satz 2 FreihEntzG, § 28 Abs. 2 Satz 1 FGG). Das vorlegende Gericht ist der Ansicht, die Aufrechterhaltung der Sicherungshaft , die sich allein auf § 57 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AuslG stützen lasse, komme nach einem aus der Haft gestellten Asylantrag nur dann in Betracht, wenn der Ausländer sich nach der unerlaubten Einreise länger als einen Monat ohne Aufenthaltsgenehmigung im Bundesgebiet aufgehalten habe (§ 14 Abs. 4 Satz 1 Nr. 4 AsylVfG). Demgegenüber hat das Bayerische Oberste Landesgericht im genannten Beschluß die Auffassung vertreten, unabhängig von der Dauer des Aufenthalts nach einer unerlaubten Einreise in das Bundesgebiet stehe ein Asylantrag aus der Haft heraus der Aufrechterhaltung von Abschiebehaft nach § 57 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AuslG nicht entgegen. Von dieser Entscheidung will das vorlegende Gericht abweichen. Das trägt die Vorlage.

III.


Die sofortige weitere Beschwerde ist zulässig (§§ 22 Abs. 1, 27, 29 FGG; § 103 Abs. 2 AuslG, § 3 Satz 2 FreihEntzG); sie bleibt in der Sache aber ohne Erfolg.
Das vorlegende Oberlandesgericht verneint entgegen der Auffassung des Amts- und Landgerichts einen Haftgrund nach § 57 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 AuslG. Diese Beurteilung ist für den Senat nur bindend, soweit die Zulässigkeit der Vorlage in Rede steht (vgl. BGHZ 7, 339, 341 und seither in st. Rspr.; Keidel/Kahl, FGG 14. Aufl. § 28 Rdn. 32 m.w.N.), sie hindert ihn jedoch nicht, den Fall bei der von ihm zu treffenden Sachentscheidung in jeder Richtung hin zu prüfen. Auf die Entscheidung der Vorlagefrage kommt es für das sachliche Ergebnis nicht an, weil das Landgericht in dem angefochtenen Beschluß die Voraussetzungen eines Haftgrundes nach § 57 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 AuslG rechtsfehlerfrei bejaht hat und in diesem Fall ein aus der Haft heraus gestellter Asylantrag der Aufrechterhaltung von Abschiebehaft nicht entgegensteht (§ 14 Abs. 4 Satz 1 Nr. 5 AsylVfG). § 57 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 AuslG rechtfertigt die Sicherungshaft, wenn "der begründete Verdacht besteht, daß der Ausländer sich der Abschiebung entziehen will". Richtig ist der Ausgangspunkt des Oberlandesgerichts, daß dieser Haftgrund die Feststellung konkreter Umstände voraussetzt, die einen solchen Verdacht zu rechtfertigen vermögen, mithin allgemeine Vermutungen nicht genügen. Andererseits geht es allein um den aus konkreten äußeren Umständen des Einzelfalles zu begründenden Verdacht auf einen Entziehungswillen. Die-
ser ergibt sich immer nur aus einer Schlußfolgerung, die zunächst dem Tatrichter obliegt und die im Rahmen einer weiteren Beschwerde nur einer Rechtskontrolle unterliegt (§ 27 Abs. 1 FGG). Zu Unrecht vermißt das Oberlandesgericht die Feststellung konkreter einzelfallbezogener Umstände. Amtsund Landgericht haben vielmehr eine Reihe von Anhaltspunkten festgestellt und das Verhalten des Betroffenen insgesamt gewürdigt. Danach ist der Betroffene mit Hilfe eines Schleusers in die Bundesrepublik eingereist. Nach allgemeiner Erfahrung werden solche Dienste nur gegen Zahlung erheblicher Geldbeträge geleistet (auch der Betroffene räumt solche Zahlungen ein, will deren Höhe aber nicht wissen), die der Betroffene nicht vergeblich aufgewendet haben will, wie es bei einer Abschiebung der Fall wäre. Er hat ohne Meldung bei Behörden der Bundesrepublik versucht, in die Niederlande auszureisen , um - wie er selbst angegeben hat - in einer großen Stadt wie Rotterdam "irgendwie unterzukommen". Soweit das Oberlandesgericht meint, dies könne den erforderlichen Verdacht nur rechtfertigen, wenn er es vor dem Hintergrund einer angedrohten Abschiebung getan hätte, verlangt es rechtsirrtümlich im Ergebnis die Voraussetzung eines besonderen anderen Haftgrundes nach § 57 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 AuslG, bei dem sich der Betroffene einer Abschiebung schon entzogen haben muß. Über Ausweispapiere verfügt der Betroffene nicht und hat zudem versucht , insoweit die Behörden zu täuschen, indem er zunächst angab, der Schleuser habe ihm seinen Paß abgenommen. Er hat weder soziale Bindungen , noch verfügt er über finanzielle Mittel. Diese Feststellungen über äußere Umstände und das Verhalten des Betroffenen zieht die weitere Beschwerde nicht in Zweifel, sie macht lediglich pauschal geltend, der Verdacht nach § 57 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 AuslG werde
"unzutreffend" angenommen und "nicht ausreichend begründet". Mit der Rechtsbeschwerde kann aber nicht geltend gemacht werden, die Folgerungen des Tatrichters seien nicht zwingend oder eine andere Schlußfolgerung liege ebenso nahe (vgl. Keidel/Kahl, FGG, aaO § 27 Rdn. 42 m.w.N.). Die Feststellung des Tatrichters ist vielmehr rechtsfehlerfrei, wenn sie - wie hier - vom richtigen rechtlichen Ausgangspunkt aus auf der Grundlage bestimmter Tatsachen als möglich erscheint. Danach vermag der Senat einen Rechtsfehler nicht erkennen. Von entscheidender Bedeutung ist dabei auch, daß es sich um eine Gesamtwürdigung handelt, so daß offen bleiben kann, ob nur einzelne der oben angeführten Tatsachen für sich genommen ebenfalls den Verdacht auf einen Entziehungswillen rechtfertigen könnten (vgl. dazu auch die Zusammenstellung Renner, Ausländerrecht, 7. Aufl. § 57 AuslG Rdn. 19 und 20 m.w.N.).
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 14, 16 FreihEntzG.
Vogt Tropf Schneider Krüger Klein

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZB 29/10
vom
22. Juli 2010
in der Abschiebungshaftsache
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 22. Juli 2010 durch den Vorsitzenden
Richter Prof. Dr. Krüger, den Richter Dr. Lemke, die Richterin
Dr. Stresemann und die Richter Dr. Czub und Dr. Roth

beschlossen:
Dem Betroffenen wird für das Rechtsbeschwerdeverfahren Verfahrenskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt Rinkler bewilligt.
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 1. Zivilkammer des Landgerichts Aurich vom 27. Januar 2010 wird auf Kosten des Betroffenen zurückgewiesen.

Gründe:

I.

1
Der aus Guinea stammende Betroffene reiste 1997 in das Bundesgebiet ein. Er gab vor, Angehöriger des Staates Sierra Leone zu sein und keine Identitätspapiere zu besitzen. Der unter Angabe falscher Personalien gestellte Asylantrag wurde als offensichtlich unbegründet abgelehnt und der Betroffene unter Androhung der Abschiebung zur Ausreise aufgefordert. Die Abschiebung scheiterte indes an fehlenden Identitätspapieren. Der Aufenthalt des Betroffenen wurde zunächst geduldet. Im Januar 2005 tauchte er unter, wurde im November 2005 aufgegriffen und vorübergehend in Abschiebungshaft genommen. In der Folgezeit wirkte der Betroffene an der Passersatzpapierbeschaffung nicht mit und verhinderte so eine Abschiebung. Im Januar 2009 offenbarte er gegenüber dem Standesamt E. seine wahre Identität und legte seinen Nationalpass vor, weil er beabsichtigte, eine deutsche Staatsangehörige zu heiraten. Daraufhin wurde sein Aufenthalt geduldet, zuletzt befristet bis zum 28. Januar 2010. Am 3. November 2009 teilte das Standesamt mit, dass die Eheschließung in absehbarer Zeit mangels Überprüfbarkeit der Angaben des Betroffenen und der von ihm vorgelegten Unterlagen nicht erfolgen könne.
2
Auf Antrag der Beteiligten zu 2 hat das Amtsgericht am 18. November 2009 gegen den Betroffenen Haft zur Sicherung der Abschiebung bis zum 17. Februar 2010 angeordnet. Nach Eingang der sofortigen Beschwerde hat das Amtsgericht dem Landgericht die Akten ohne Abhilfeentscheidung vorgelegt. Der Betroffene wurde am 16. Dezember 2009 nach Guinea abgeschoben. Das nach der Abschiebung des Betroffenen in der Sache auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der Inhaftierung gerichtete Rechtsmittel ist ohne Erfolg geblieben. Mit der Rechtsbeschwerde beantragt er die Feststellung, dass die Anordnung der Abschiebungshaft durch das Amtsgericht sowie der Beschluss des Landgerichts und seine Inhaftierung bis zur Abschiebung rechtswidrig waren.

II.

3
Das Beschwerdegericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen auf das Vorliegen des Haftgrundes nach § 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 AufenthG gestützt. Es hat die Absicht des Betroffenen, sich der Abschiebung zu entziehen, daraus abgeleitet, dass der Betroffene jahrelang unzutreffende Angaben zu seiner Identität gemacht habe, um eine Abschiebung zu verhindern. Mit der Aufdeckung seiner wahren Identität habe er nur den Zweck verfolgt, eine deutsche Staatsangehörige zu heiraten und auf diese Weise ein Aufenthaltsrecht zu bekommen. Nachdem sich diese Hoffnung zerschlagen habe, sei mit Sicherheit anzunehmen, dass er sich der Abschiebung erneut entziehen werde.

III.

4
1. Mit der nach § 70 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3, Satz 2 FamFG, § 106 Abs. 2 Satz 1 AufenthG statthaften und auch im Übrigen grundsätzlich zulässigen (§ 71 FamFG) Rechtsbeschwerde kann der Betroffene allein die rechtliche Nachprüfung der angefochtenen Entscheidung erreichen. Soweit er mit seinem Antrag gesondert auch die Überprüfung der Haftanordnung durch das Amtsgericht erstrebt, ist das Rechtsmittel unzulässig. Zwar hat der Senat entschieden, dass bei Erledigung der Hauptsache nach Erlass der Beschwerdeentscheidung neben dieser Entscheidung auch die Rechtmäßigkeit der Haftanordnung Gegenstand des dann auf § 62 FamFG gestützten Rechtsbeschwerdeverfahrens sein kann (Beschl. v. 4. März 2010, V ZB 184/09, FGPrax 2010, 152, 154; Beschl. v. 17. Juni 2010, V ZB 13/10, Rn. 22). Das gilt aber nicht, wenn - wie hier - bereits das Beschwerdegericht über den Fortsetzungsfeststellungsantrag nach § 62 FamFG entschieden hat. Im Rechtsbeschwerdeverfahren geht es dann allein um die Rechtmäßigkeit dieser Entscheidung. Dabei ist inzident allerdings auch die Frage der Rechtmäßigkeit der Haftentscheidung zu prüfen.
5
2. Soweit zulässig, ist die Rechtsbeschwerde unbegründet.
6
a) Der Umstand, dass das Amtsgericht es an einem ordnungsgemäßen Abhilfeverfahren (§ 68 Abs. 1 FamFG) hat fehlen lassen, hat weder einen die Aufhebung rechtfertigenden Mangel des Beschwerde- noch des Ausgangsverfahrens zur Folge (Senat, Beschl. v. 17. Juni 2010, V ZB 13/10, Rn. 11, 23 m.w.N.).
7
Zur Rechtswidrigkeit der Beschwerdeentscheidung kann das Unterlassen einer (Nicht-)Abhilfeentscheidung allenfalls dann führen, wenn der Betroffene im Vertrauen auf eine mögliche Abhilfe von entscheidungserheblichem Vortrag abgesehen hat (vgl. hierzu Senat, Beschl. v. 15. Juli 2010, V ZB 10/10, Um- druck S. 9 f.). Das macht die Rechtsbeschwerde nicht geltend, und dafür gibt es auch keine Anhaltspunkte. Soweit sie in diesem Zusammenhang eine unzureichende Sachverhaltsermittlung durch das Amtsgericht rügt, berührt dies - für sich genommen - nicht die Frage der Rechtmäßigkeit der Beschwerdeentscheidung. Insbesondere führt ein unterlassenes Abhilfeverfahren nicht zu einer Verkürzung des Rechtsschutzes des Betroffenen. Das Beschwerdegericht tritt als Tatsacheninstanz an die Stelle des erstinstanzlichen Gerichts (Senat, Beschl. v. 8. März 2007, V ZB 149/06, NJW-RR 2007, 1569, 1570). Seine Aufgabe ist es, die angefochtene Entscheidung zu überprüfen. Eine unzureichende Sachaufklärung kann dort gerügt werden.
8
b) Zu Recht hat das Beschwerdegericht auch an der Tenorierung der Haftanordnung durch das Amtsgericht keinen Anstoß genommen.
9
aa) Das Amtsgericht hat die Freiheitsentziehung hinreichend bezeichnet (§ 421 Nr. 1 FamFG). Aus dem Tenor ergibt sich, dass es sich um eine Haft zur Sicherung der Abschiebung handelt. In Verbindung mit den heranzuziehenden Entscheidungsgründen (vgl. Keidel/Budde, FamFG, 16. Aufl., § 421 Rn. 2) und unter Berücksichtigung der Befristung auf drei Monate kann entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde nicht ernsthaft erwogen werden, dass die sog. "kleine" Sicherungshaft nach § 62 Abs. 2 Satz 2 AufenthG gemeint sein könnte.
10
bb) Die unzutreffende Erwähnung von § 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AufenthG als Haftgrund wirkt sich im Ergebnis ebenfalls nicht aus. Denn das Landgericht hat - rechtsfehlerfrei - den Haftgrund nach § 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 AufenthG herangezogen (s. sogleich unter d) und damit den Fehler der erstinstanzlichen Entscheidung auch im Rahmen des Fortsetzungsfeststellungsverfahrens geheilt (vgl. Senat, Beschl. v. 8. März 2007, V ZB 149/06, NJW-RR 2007, 1569, 1570; Keidel/Budde, aaO, § 62 Rn. 22 f.).
11
c) Die Haftanordnung hat den Betroffenen ferner nicht deswegen in seinen Rechten verletzt, weil sie aufgrund der bestehenden Duldung verfrüht und von daher unverhältnismäßig gewesen wäre.
12
aa) Die Duldung als zeitlich befristete Aussetzung der Abschiebung steht der Anordnung von Abschiebungshaft nicht schlechthin entgegen (vgl. BayObLGZ 1983, 138; OLG Dresden, Beschl. v. 17. Oktober 2007, 3 W 1159/07, juris, Rn. 4; OLG Frankfurt NJW 2004, 3050, 3051; OLG Hamm OLGZ 1977, 157, 159; Hailbronner, Ausländerrecht, Stand 68. Aktual. April 2010, § 62 AufenthG Rn. 23; im Ergebnis auch GK-AufenthG/Funke-Kaiser, Stand 43. Aktual. Juni 2010, § 60a Rn. 46; a.A. LG Freiburg, Beschl. v. 9. März 2004, 4 T 55/04, juris, Rn. 9).
13
Denn eine solche Duldung gibt dem Ausländer kein Recht zum Aufenthalt und lässt die Pflicht zur Ausreise unberührt (vgl. BayObLGZ 1983, 138, 142 f.; GK-AufenthG/Funke-Kaiser, aaO, § 60a Rn. 43; Hailbronner, aaO, § 60a AufenthG Rn. 83; Renner, AuslR, 8. Aufl., § 60a AufenthG Rn. 14). Sie stellt lediglich einen befristeten Verzicht der Behörde auf die an sich gebotene Durchsetzung der Ausreisepflicht dar (GK-AufenthG/Funke-Kaiser, aaO; Hailbronner, aaO). Mit Rücksicht auf die Geltungsdauer einer Duldung besteht zwar stets Anlass zu der Prüfung, ob die Abschiebung innerhalb der nächsten drei Monate erfolgen kann (§ 62 Abs. 2 Satz 4 AufenthG, vgl. GKAufenthG /Funke-Kaiser, aaO und Rn. 47.1). Schon aufgrund der Befristung bis zum 28. Januar 2010 bestehen insoweit jedoch keine rechtlichen Bedenken.
14
bb) Die Anordnung der Sicherungshaft war auch erforderlich, ohne dass es zuvor eines förmlichen Widerrufs der Duldung (§§ 77 Abs. 1 AufenthG, 49 Abs. 2 Satz 1 VwVfG) oder einer förmlichen Ankündigung des Vollzugs der Abschiebung nach § 60a Abs. 5 Satz 4 AufenthG bedurfte. Bedenken könnten sich - worauf auch die Rechtsbeschwerde abhebt - mit Blick darauf ergeben, dass die Haft bereits mehr als zwei Monate vor dem Ablauf der erteilten Duldungsfrist angeordnet worden ist. Mit der als "Nebenbestimmung" bezeichneten und als auflösende Bedingung ausgestalteten Bestimmung, dass die Duldung auch mit dem Tag der Ankündigung der Abschiebung erlischt, hat die Beteiligte zu 2 indessen zu erkennen gegeben, dass die Vollziehung der Abschiebung jederzeit, mithin auch vor Ablauf der Duldungsfrist erfolgen kann. Jedenfalls mit dem Antrag auf Anordnung der Abschiebungshaft hat sie kundgetan, den Betroffenen nunmehr abzuschieben, nachdem das Standesamt mitgeteilt hatte, der Betroffene werde bis auf weiteres nicht heiraten können. Ob neben dem Widerruf (§ 60a Abs. 5 Satz 2 AufenthG eine auflösende Bedingung zulässig (vgl. VGH Mannheim NVwZ-RR 2001, 272, 273 f.; GK-AufenthG/Funke-Kaiser, aaO, § 60a Rn. 91) und die Bedingung "Ankündigung der Abschiebung" hinreichend bestimmt ist (vgl. VGH Mannheim, aaO, S. 274, GK-AufenthG/Funke-Kaiser, aaO, Rn. 93), mit der Folge, dass die erteilte Duldung ohnehin nicht mehr wirksam wäre, kann vorliegend daher offen bleiben.
15
d) Die Annahme des Haftgrundes nach § 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 AufenthG in der angefochtenen Entscheidung ist ebenfalls frei von Rechtsfehlern. Nach dieser Vorschrift ist ein vollziehbar ausreisepflichtiger Ausländer zur Sicherung der Abschiebung in Haft zu nehmen, wenn der begründete Verdacht besteht, dass er sich der Abschiebung entziehen will. Dies setzt konkrete Umstände , insbesondere Äußerungen oder Verhaltensweisen des Ausländers voraus , die mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit darauf hindeuten oder es nahe legen, dass der Ausländer beabsichtigt, unterzutauchen oder die Abschiebung in einer Weise zu behindern, die nicht durch einfachen, keine Freiheitsentziehung bildenden Zwang überwunden werden kann (vgl. Senat, Beschl. v. 29. April 2010, V ZB 202/09, Rn. 12, juris). Solche Umstände hat das Beschwerdegericht rechtsfehlerfrei festgestellt. Der Betroffene hat durch unwahre Angaben zu seiner Identität und Herkunft über Jahre seinen Aufenthalt gesichert und alles daran gesetzt, seine Ausreise zu verhindern. Die getroffenen Feststellungen sind für den Senat nach §§ 74 Abs. 3 Satz 4 FamFG, 559 Abs. 2 ZPO bindend; Rechtsfehler zeigt die Rechtsbeschwerde nicht auf (§ 71 Abs. 3 Nr. 2b FamFG).
16
aa) Dass der Betroffene zum Zweck der Eheschließung nunmehr seine wahre Identität und Herkunft aufgedeckt hat, stellt die Wertung des Beschwerdegerichts nicht in Frage. Die tatrichterliche Schlussfolgerung unterliegt einer Rechtskontrolle nur dahin, ob die verfahrensfehlerfrei festgestellten Tatsachen eine solche Folgerung als möglich erscheinen lassen (vgl. Senat, Beschl. v. 10. Februar 2000, V ZB 5/00, FGPrax 2000, 130). So verhält es sich hier. Das Beschwerdegericht hat die angestrebte Eheschließung in den Blick genommen, diesem Umstand angesichts des - auch von der Rechtsbeschwerde nicht in Abrede gestellten - Scheiterns gegenüber den massiven Verdachtsmomenten jedoch nicht die entscheidende Bedeutung beigemessen. Soweit die Rechtsbeschwerde meint, die Voraussetzungen nach § 1309 Abs. 2 BGB für die Befreiung von der Pflicht zur Vorlage eines Ehefähigkeitszeugnisses seien gegeben gewesen, verweist sie nicht auf Vortrag dazu in den Tatsacheninstanzen. Nicht zu folgen ist ihr auch insoweit, als sie davon ausgeht, das Beschwerdegericht oder das Amtsgericht hätten den Betroffenen über die Möglichkeit der Beantragung einer Befreiung nach § 1309 Abs. 2 BGB belehren müssen. Dies erfordert der Grundsatz der Amtsermittlung, ohne dass es - wie hier - im Vorbringen des Betroffenen dafür Anhaltspunkte gibt, nicht (vgl. auch Senat, Beschl. v. 10. Juni 2010, V ZB 204/09, Umdruck S. 15).
17
bb) Unbegründet ist daher auch die in diesem Zusammenhang erhobene Rüge der Rechtsbeschwerde, das Beschwerdegericht habe den Betroffenen zu der Möglichkeit eines Befreiungsantrags nach § 1309 Abs. 2 BGB persönlich anhören müssen. Eine persönliche Anhörung ist zwar auch im Rechtsmittelverfahren grundsätzlich erforderlich (Senat, Beschl. v. 4. März 2010, V ZB 222/09, FGPrax 2010, 154, 155). Hiervon kann nach § 68 Abs. 3 Satz 2 FamFG nur abgesehen werden, wenn eine persönliche Anhör ung in erster Instanz erfolgt ist und zusätzliche Erkenntnisse durch eine erneute Anhörung nicht zu erwarten sind (Senat, Beschl. v. 4. März 2010, aaO, Beschl. v. 8. April 2010, V ZB 51/10, Rn. 19, juris). So verhält es sich aber hier. Da der Betroffene zur Begründung seiner Beschwerde zunächst nur allgemein die Annahme des Haftgrundes beanstandet und auf die fortbestehende Duldung abgestellt hat, gab es keinen Anlass für eine Anhörung zu dem Zweck, dem Betroffenen die Möglichkeit eines Befreiungsantrags nach § 1309 Abs. 2 BGB nahe zu bringen. Vielmehr durfte das Beschwerdegericht zunächst von einer persönlichen Anhörung absehen und die - erst nach der erfolgten Abschiebung eingegangene - angekündigte Beschwerdebegründung abwarten.
18
cc) Etwas anderes ergibt sich entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde auch nicht unter Berücksichtigung von Art. 6 GG.
19
(1) Soweit sich der Betroffene im Rechtsbeschwerdeverfahren auf die Möglichkeit eines Befreiungsverfahrens nach § 1309 Abs. 2 BGB stützt, wendet er sich im Kern gegen die Abschiebung selbst. Damit kann er im vorliegenden Verfahren nicht gehört werden. Es betrifft die Rechtmäßigkeit der Abschiebungsverfügung , die nicht von dem Haftrichter, sondern von den Verwaltungsgerichten zu prüfen ist (vgl. nur Senat, Beschl. v. 16. Dezember 2009, V ZB 148/09, FGPrax 2010, 50, 51).
20
(2) Der insoweit an die Entscheidung der Ausländerbehörde gebundene Haftrichter hat zwar ausnahmsweise Gesichtspunkte zu berücksichtigen, die den verfassungsrechtlichen Schutz von Ehe und Familie gem. Art. 6 GG betreffen , etwa zur Verhinderung der Schaffung vollendeter Tatsachen, wenn verwaltungsgerichtlicher Rechtsschutz nicht rechtzeitig zu erlangen ist oder durch nachträglich eingetretene Umstände die Anordnung von Abschiebungshaft als Mittel der Sicherung unnötig wird (vgl. OLG Köln OLGR 2001, 279; OLG Brandenburg FGPrax 2002, 280, 281). So liegt es hier indessen nicht. Die Eheschließung war nach dem Stand des Beschwerdeverfahrens auf absehbare Zeit nicht möglich und der bereits im erstinstanzlichen Verfahren anwaltlich vertretene Betroffene hatte hinreichend Gelegenheit, im Hinblick auf seine beabsichtigte Eheschließung verwaltungsgerichtlichen Eilschutz zu beantragen. Der Betroffene macht zudem weder geltend, noch ist ersichtlich, dass die Freiheitsentziehung vor dem Hintergrund einer gelebten Partnerschaft unverhältnismäßig ist.
21
e) Die Entscheidung hält rechtlicher Nachprüfung auch im Hinblick darauf stand, dass die Haft unzulässig ist, wenn feststeht, dass die Abschiebung, aus Gründen, die der Ausländer nicht zu vertreten hat, nicht innerhalb der nächsten drei Monate durchgeführt werden kann (§ 62 Abs. 2 Satz 4 AufenthG).
22
aa) Der Haftrichter hat seine Prognose hierzu auf alle im konkreten Fall ernsthaft in Betracht kommenden Umstände zu erstrecken, die der Abschiebung entgegenstehen oder sie verzögern können (Senat, Beschl. v. 8. Juli 2010, V ZB 89/10, Umdruck S. 4 f.). Die Entscheidung ist im Rechtsbeschwerdeverfahren darauf zu prüfen, ob das Beschwerdegericht die der Prognose zugrunde liegenden Wertungsmaßstäbe zutreffend erkannt und alle für die Beurteilung wesentlichen Umstände berücksichtigt und vollständig gewürdigt hat (Senat, aaO, S. 5). Zu der Feststellung, ob die Abschiebung innerhalb von drei Monaten möglich ist, sind konkrete Angaben zum Ablauf des Verfahrens und eine Darstellung erforderlich, in welchem Zeitraum die einzelnen Schritte unter normalen Bedingungen durchlaufen werden können. Der Tatrichter darf sich nicht auf die Wiedergabe der Einschätzung der Ausländerbehörde beschränken , die Abschiebung werde voraussichtlich innerhalb von drei Monaten stattfinden können (Senat, aaO; Beschl. v. 6. Mai 2010, V ZB 193/09, Rn. 20, juris). Soweit die Ausländerbehörde konkrete Tatsachen hierzu nicht mitteilt, hat das Gericht gemäß § 26 FamFG nachzufragen (Senat, Beschl. v. 6. Mai 2010, aaO ).
23
bb) Diesen Anforderungen wird die angefochtene Entscheidung nicht gerecht. Das Beschwerdegericht hat sich mit § 62 Abs. 2 Satz 4 AufenthG in seiner Entscheidung nicht einmal im Ansatz auseinandergesetzt. Die allgemeine Bezugnahme auf die Begründung des Amtsgerichts hilft über diese Auslassung nicht hinweg. Denn das Amtsgericht hat lediglich auf eine angebliche Mitteilung der Beteiligten zu 2 verwiesen, wonach die Abschiebung binnen drei Monaten möglich sei. Im Antrag der Beteiligten zu 2 wird jedoch nur auf die Mitteilungen des Auswärtigen Amtes und des Polizeipräsidiums Koblenz verwiesen, wonach Abschiebungen nach Guinea derzeit möglich seien. Dass die Abschiebung nach Haftanordnung unmittelbar eingeleitet würde, ist mangels genauer Darlegung ebenfalls wenig aussagekräftig.
24
cc) Diese Mängel haben sich hier aber nicht ausgewirkt. Der Ablauf der Geschehnisse lässt es als ausgeschlossen erscheinen, dass sich die Anordnung der Haft und deren Dauer unter Zugrundelegung einer sorgfältigen, alle Umstände berücksichtigenden Prognose als unangemessen erwiesen hätte. Der Betroffene ist innerhalb eines Monats seit seiner Inhaftierung abgeschoben worden. Das zeigt, dass das aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG abzuleitende Beschleunigungsgebot bei Freiheitsentziehungen (BVerfGE 20, 45, 49 f.; 46, 194, 195) beachtet worden ist. Bedenkt man, dass das Ziel einer sorgfältigen Prog- nose darin besteht, die zu erwartenden Verfahrensabläufe möglichst genau zu erfassen, so kann aus den späteren Abläufen auf den mutmaßlichen Inhalt einer gebotenen, aber unterlassenen Prognose geschlossen werden. Eine solche Prognose hätte die Haft und deren Dauer gerechtfertigt.

IV.

25
Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 FamFG. Krüger Lemke Stresemann Richter am BGH Dr. Czub und Dr. Roth sind wegen Urlaubs verhindert zu unterschreiben. Krüger
Vorinstanzen:
AG Emden, Entscheidung vom 18.11.2009 - 1 XIV 158/09 B -
LG Aurich, Entscheidung vom 27.01.2010 - 1 T 539/09 -

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZB 5/00
vom
10. Februar 2000
in der Abschiebungshaftsache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
-----------------------------------
AuslG § 57 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5; FGG § 27 Abs. 1
Die Feststellung eines begründeten Verdachts, der Ausländer wolle sich der Abschiebung
entziehen, ist eine auf der Grundlage relevanter Anknüpfungstatsachen
gezogene tatrichterliche Schlußfolgerung, die auf weitere Beschwerde nur einer
Rechtskontrolle dahin unterliegt, ob die verfahrensfehlerfrei festgestellten Tatsachen
eine solche Folgerung als möglich erscheinen lassen.
BGH, Beschl. v. 10. Februar 2000 - V ZB 5/00 - OLG Düsseldorf
LG Kleve
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 10. Februar 2000 durch
die Richter Dr. Vogt, Tropf, Schneider, Prof. Dr. Krüger und Dr. Klein

beschlossen:
Die sofortige weitere Beschwerde gegen den Beschluß der 4. Zivilkammer des Landgerichts Kleve vom 22. Dezember 1999 wird auf Kosten des Betroffenen zurückgewiesen. Eine Erstattung außergerichtlicher Kosten erfolgt nicht.

Gründe:

I.

Der Betroffene wurde am 28. November 1999 dem Bundesgrenzschutz überstellt, nachdem er ohne gültige Papiere aus dem Bundesgebiet in die Niederlande auszureisen versuchte. Nach seinen Angaben war er ca. eine Woche zuvor mit Hilfe eines Schleusers aus Indien über Moskau in die Bundesrepublik Deutschland eingereist. Das Amtsgericht hat gegen den Betroffenen Abschiebehaft nach § 57 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 AuslG bis längstens zum 28. Februar 2000 angeordnet. Mit Schreiben vom 9. Dezember 1999 stellte er aus der Haft heraus einen Asylantrag. Seine sofortige Beschwerde gegen die Abschiebehaft hat das Landgericht zurückgewiesen.
Der sofortigen weiteren Beschwerde des Betroffenen möchte das Oberlandesgericht Düsseldorf stattgeben. Es sieht sich daran jedoch durch den
Beschluß des Bayerischen Obersten Landesgerichts vom 30. April 1999 (InfAuslR 1999, 464) gehindert und hat die Sache dem Bundesgerichtshof zur Entscheidung vorgelegt. Das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge hat mit Bescheid vom 5. Dezember 1999, zugestellt am 12. Januar 2000, den Asylantrag als offensichtlich unbegründet abgelehnt und die Abschiebung des Betroffenen angeordnet.

II.


Die Vorlage ist statthaft (§ 103 Abs. 2 Satz 1 AuslG, § 3 Satz 2 FreihEntzG, § 28 Abs. 2 Satz 1 FGG). Das vorlegende Gericht ist der Ansicht, die Aufrechterhaltung der Sicherungshaft , die sich allein auf § 57 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AuslG stützen lasse, komme nach einem aus der Haft gestellten Asylantrag nur dann in Betracht, wenn der Ausländer sich nach der unerlaubten Einreise länger als einen Monat ohne Aufenthaltsgenehmigung im Bundesgebiet aufgehalten habe (§ 14 Abs. 4 Satz 1 Nr. 4 AsylVfG). Demgegenüber hat das Bayerische Oberste Landesgericht im genannten Beschluß die Auffassung vertreten, unabhängig von der Dauer des Aufenthalts nach einer unerlaubten Einreise in das Bundesgebiet stehe ein Asylantrag aus der Haft heraus der Aufrechterhaltung von Abschiebehaft nach § 57 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AuslG nicht entgegen. Von dieser Entscheidung will das vorlegende Gericht abweichen. Das trägt die Vorlage.

III.


Die sofortige weitere Beschwerde ist zulässig (§§ 22 Abs. 1, 27, 29 FGG; § 103 Abs. 2 AuslG, § 3 Satz 2 FreihEntzG); sie bleibt in der Sache aber ohne Erfolg.
Das vorlegende Oberlandesgericht verneint entgegen der Auffassung des Amts- und Landgerichts einen Haftgrund nach § 57 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 AuslG. Diese Beurteilung ist für den Senat nur bindend, soweit die Zulässigkeit der Vorlage in Rede steht (vgl. BGHZ 7, 339, 341 und seither in st. Rspr.; Keidel/Kahl, FGG 14. Aufl. § 28 Rdn. 32 m.w.N.), sie hindert ihn jedoch nicht, den Fall bei der von ihm zu treffenden Sachentscheidung in jeder Richtung hin zu prüfen. Auf die Entscheidung der Vorlagefrage kommt es für das sachliche Ergebnis nicht an, weil das Landgericht in dem angefochtenen Beschluß die Voraussetzungen eines Haftgrundes nach § 57 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 AuslG rechtsfehlerfrei bejaht hat und in diesem Fall ein aus der Haft heraus gestellter Asylantrag der Aufrechterhaltung von Abschiebehaft nicht entgegensteht (§ 14 Abs. 4 Satz 1 Nr. 5 AsylVfG). § 57 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 AuslG rechtfertigt die Sicherungshaft, wenn "der begründete Verdacht besteht, daß der Ausländer sich der Abschiebung entziehen will". Richtig ist der Ausgangspunkt des Oberlandesgerichts, daß dieser Haftgrund die Feststellung konkreter Umstände voraussetzt, die einen solchen Verdacht zu rechtfertigen vermögen, mithin allgemeine Vermutungen nicht genügen. Andererseits geht es allein um den aus konkreten äußeren Umständen des Einzelfalles zu begründenden Verdacht auf einen Entziehungswillen. Die-
ser ergibt sich immer nur aus einer Schlußfolgerung, die zunächst dem Tatrichter obliegt und die im Rahmen einer weiteren Beschwerde nur einer Rechtskontrolle unterliegt (§ 27 Abs. 1 FGG). Zu Unrecht vermißt das Oberlandesgericht die Feststellung konkreter einzelfallbezogener Umstände. Amtsund Landgericht haben vielmehr eine Reihe von Anhaltspunkten festgestellt und das Verhalten des Betroffenen insgesamt gewürdigt. Danach ist der Betroffene mit Hilfe eines Schleusers in die Bundesrepublik eingereist. Nach allgemeiner Erfahrung werden solche Dienste nur gegen Zahlung erheblicher Geldbeträge geleistet (auch der Betroffene räumt solche Zahlungen ein, will deren Höhe aber nicht wissen), die der Betroffene nicht vergeblich aufgewendet haben will, wie es bei einer Abschiebung der Fall wäre. Er hat ohne Meldung bei Behörden der Bundesrepublik versucht, in die Niederlande auszureisen , um - wie er selbst angegeben hat - in einer großen Stadt wie Rotterdam "irgendwie unterzukommen". Soweit das Oberlandesgericht meint, dies könne den erforderlichen Verdacht nur rechtfertigen, wenn er es vor dem Hintergrund einer angedrohten Abschiebung getan hätte, verlangt es rechtsirrtümlich im Ergebnis die Voraussetzung eines besonderen anderen Haftgrundes nach § 57 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 AuslG, bei dem sich der Betroffene einer Abschiebung schon entzogen haben muß. Über Ausweispapiere verfügt der Betroffene nicht und hat zudem versucht , insoweit die Behörden zu täuschen, indem er zunächst angab, der Schleuser habe ihm seinen Paß abgenommen. Er hat weder soziale Bindungen , noch verfügt er über finanzielle Mittel. Diese Feststellungen über äußere Umstände und das Verhalten des Betroffenen zieht die weitere Beschwerde nicht in Zweifel, sie macht lediglich pauschal geltend, der Verdacht nach § 57 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 AuslG werde
"unzutreffend" angenommen und "nicht ausreichend begründet". Mit der Rechtsbeschwerde kann aber nicht geltend gemacht werden, die Folgerungen des Tatrichters seien nicht zwingend oder eine andere Schlußfolgerung liege ebenso nahe (vgl. Keidel/Kahl, FGG, aaO § 27 Rdn. 42 m.w.N.). Die Feststellung des Tatrichters ist vielmehr rechtsfehlerfrei, wenn sie - wie hier - vom richtigen rechtlichen Ausgangspunkt aus auf der Grundlage bestimmter Tatsachen als möglich erscheint. Danach vermag der Senat einen Rechtsfehler nicht erkennen. Von entscheidender Bedeutung ist dabei auch, daß es sich um eine Gesamtwürdigung handelt, so daß offen bleiben kann, ob nur einzelne der oben angeführten Tatsachen für sich genommen ebenfalls den Verdacht auf einen Entziehungswillen rechtfertigen könnten (vgl. dazu auch die Zusammenstellung Renner, Ausländerrecht, 7. Aufl. § 57 AuslG Rdn. 19 und 20 m.w.N.).
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 14, 16 FreihEntzG.
Vogt Tropf Schneider Krüger Klein

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZB 184/09
vom
4. März 2010
in der Abschiebehaftsache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja

a) Bei der persönlichen Anhörung des Betroffenen, der der deutschen Sprache
nicht mächtig ist, muss sich der Richter vor der Anordnung der Freiheitsentziehung
vergewissern, dass der hinzugezogene Dolmetscher und der Betroffene
in derselben Sprache miteinander kommunizieren.

b) Ob das einem Haftgrund entgegenstehende Beschwerdevorbringen glaubhaft
ist, kann nur aufgrund einer persönlichen Anhörung des Betroffenen hinreichend
sicher beantwortet werden.

c) In Freiheitsentziehungssachen kann mit der Rechtsbeschwerde, wenn sich
die angefochtene Entscheidung des Beschwerdegerichts in der Hauptsache
erledigt hat, auch die Feststellung verlangt werden, dass die Entscheidung
des erstinstanzlichen Gerichts den Rechtsbeschwerdeführer in seinen Rechten
verletzt hat.
BGH, Beschluss vom 4. März 2010 - V ZB 184/09 - LG Flensburg
AG Flensburg
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 4. März 2010 durch den Vorsitzenden
Richter Prof. Dr. Krüger, die Richter Dr. Lemke und Dr. SchmidtRäntsch
, die Richterin Dr. Stresemann und den Richter Dr. Czub

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird festgestellt, dass der Beschluss der 5. Zivilkammer des Landgerichts Flensburg vom 19. Oktober 2009 und der Beschluss des Amtsgerichts Flensburg vom 10. Oktober 2009 den Betroffenen in seinen Rechten verletzt haben.
Gerichtskosten werden nicht erhoben. Die zweckentsprechenden notwendigen Auslagen des Betroffenen werden der Bundesrepublik Deutschland auferlegt.
Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 3.000 €.

Gründe:


I.

1
Der Betroffene, ein irakischer Staatsangehöriger, reiste am 9. Oktober 2009 ohne gültige Ausweispapiere aus Schweden in die Bundesrepublik Deutschland ein. Auf Antrag der Bundespolizeiinspektion Flensburg ordnete das Amtsgericht Flensburg am 10. Oktober 2009 die Haft zur Sicherung der Zurückschiebung bis längstens 8. Dezember 2009 und die sofortige Wirksamkeit der Entscheidung an. Die dagegen gerichtete Beschwerde, mit der der Betroffene u.a. geltend gemacht hat, er wolle sich der Zurückschiebung nicht entziehen, hat das Beschwerdegericht mit Beschluss vom 19. Oktober 2009 ohne vorherige Anhörung des Betroffenen zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde, mit der der Betroffene die Feststellung erreichen will, dass die Beschlüsse des Amtsgerichts und des Beschwerdegerichts ihn in seinen Rechten verletzt haben.

II.

2
Das Beschwerdegericht hat seine Entscheidung auf den in § 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AufenthG genannten Haftgrund gestützt und ausgeführt, der Betroffene habe nicht glaubhaft gemacht, dass er sich der Zurückschiebung nicht habe entziehen wollen. Er habe sich bereits einer Abschiebung durch die schwedischen Behörden entzogen. Sein Vorbringen, er habe den von dem Amtsgericht hinzugezogenen Dolmetscher nicht verstanden und sei deshalb von dem Amtsgericht nicht ordnungsgemäß angehört worden, sei als Schutzbehauptung durch die von dem Amtsgericht eingeholte Stellungnahme widerlegt. Nach Einschätzung der Haftrichterin habe eine Kommunikation zwischen Dolmetscher und Betroffenem stattgefunden. Es könne überdies davon ausgegangen werden, dass der Dolmetscher Verständigungsprobleme dem Gericht mitgeteilt hätte.

III.

3
Die nach § 70 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3, Satz 2 FamFG, § 106 Abs. 2 Satz 1 AufenthG statthafte und auch im Übrigen zulässige (§ 71 FamFG) Rechtsbeschwerde ist begründet.
4
1. An der Statthaftigkeit des Rechtsmittels ändert der im Laufe des Rechtsbeschwerdeverfahrens eingetretene Ablauf der Haftdauer nichts. Zwar hat sich dadurch die Hauptsache erledigt. Aber die Regelung in § 62 FamFG, nach der in einem solchen Fall das Beschwerdegericht auf Antrag ausspricht, dass die Entscheidung des erstinstanzlichen Gerichts den Beschwerdeführer in seinen Rechten verletzt hat, wenn er an der Feststellung ein berechtigtes Interesse hat, gilt im Rechtsbeschwerdeverfahren entsprechend (Senat, Beschl. v. 25. Februar 2010, V ZB 172/09 - zur Veröffentlichung bestimmt). Das berechtigte Interesse des Betroffenen an dieser Feststellung ergibt sich daraus, dass die Freiheitsentziehung ein schwerwiegender Grundrechtseingriff im Sinne von § 62 Abs. 2 Nr. 1 FamFG ist.
5
2. Die Entscheidung des Beschwerdegerichts hält einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
6
a) Fehlerhaft hat es festgestellt, der Betroffene habe nicht glaubhaft gemacht , dass er sich der Zurückschiebung nicht entziehen werde (vgl. § 62 Abs. 2 Satz 3 AufenthG).
7
aa) Zutreffend macht der Betroffene geltend, das Beschwerdegericht habe ihn nach Art. 103 Abs. 1 GG, §§ 68 Abs. 3 Satz 1, 420 Abs. 1 Satz 1 FamFG anhören müssen. Zwar kann nach § 68 Abs. 3 Satz 2 FamFG im Beschwerdeverfahren von der Anhörung abgesehen werden, wenn diese bereits im ersten Rechtszug durchgeführt wurde und von einer erneuten Anhörung keine zusätzlichen Erkenntnisse zu erwarten sind. Aber an der zuletzt genannten Voraussetzung fehlt es, wenn das Beschwerdevorbringen eine weitere Sachaufklärung erwarten lässt (Senat, Beschl. v. 11. Mai 1995, V ZB 13/95, NJW 1995, 2226, insoweit nicht in BGHZ 129, 383 abgedruckt); auch darf das Beschwerdegericht die Glaubwürdigkeit des Betroffenen nur beurteilen, wenn es sich von ihm bei einer Anhörung einen persönlichen Eindruck verschafft hat (BayObLG NVwZ 1992, 814, 815). Danach musste das Beschwerdegericht den Betroffenen erneut anhören.
8
(1) Dessen Einwand, es habe trotz Einschaltung eines Dolmetschers eine ordnungsgemäße erstinstanzliche Anhörung nicht stattgefunden, durfte es nicht ohne weitere Sachaufklärung als Schutzbehauptung abtun. Es hätte sich vielmehr durch eine persönliche Anhörung unter Hinzuziehung eines Dolmetschers , der die Muttersprache des Betroffenen spricht, ein eigenes Bild von der Kommunikationswilligkeit und -fähigkeit des Betroffenen machen müssen. Denn aus dem Vermerk des Amtsrichters, auf den das Beschwerdegericht seine Entscheidung gestützt hat, geht lediglich die auf ihrem persönlichen Eindruck beruhende Einschätzung der Haftrichterin hervor, dass zwischen dem Dolmetscher und dem Betroffenen eine Kommunikation stattgefunden habe. Abgesehen davon, dass ihr Inhalt weder festgestellt noch sonst ersichtlich ist, besagt dies nichts zu der maßgeblichen Frage, ob zwischen der Haftrichterin und dem Betroffenen eine Verständigung möglich gewesen is t.
9
(2) Darüber hinaus hätte das Beschwerdegericht den der Entziehungsabsicht und damit dem Haftgrund entgegenstehenden (vgl. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 13. Juni 2006, I-3 Wx 140/06, juris, Tz. 18; OLG Schleswig OLGR 2006, 142, 143; vgl. auch BVerfG InfAuslR 1994, 342, 344), erstmals in der Beschwerdeinstanz erhobenen Vortrag, sich für die Zurückschiebung bereithalten zu wollen, durch die Verschaffung eines persönlichen Eindrucks von dem Betroffenen würdigen müssen .
10
(3) Ob das Beschwerdevorbringen glaubhaft ist, kann nur aufgrund einer persönlichen Anhörung des Betroffenen hinreichend sicher beantwortet werden. Es ist eine unverzichtbare Voraussetzung des rechtsstaatlichen Verfahrens, dass Entscheidungen, die den Entzug der persönlichen Freiheit betreffen, auf einer hinreichenden richterlichen Sachaufklärung beruhen und eine in tatsächlicher Hinsicht genügende Grundlage haben, die der Bedeutung der Freiheitsgarantie entspricht (BVerfG NJW 2009, 2659, 2660 m.w.N.). Zwar hat das Beschwerdegericht - unangegriffen und damit für den Senat bindend (§ 74 Abs. 3 Satz 4 FamFG, § 559 Abs. 2 ZPO) - festgestellt, der Betroffene habe sich der drohenden Abschiebung durch die schwedischen Behörden entzogen. Dieses Verhalten rechtfertigte jedoch nicht ohne weiteres den Schluss, er werde sich auch der Zurückschiebung entziehen. Vielmehr ist es nicht ausgeschlossen, dass der Betroffene bei der Anhörung durch das Beschwerdegericht die sich aus der unerlaubten Einreise in die Bundesrepublik Deutschland ergebende Vermutung, er werde seiner Ausreisepflicht nicht freiwillig nachkommen (Hailbronner, Ausländerrecht, Stand 65. Aktual. 2009, § 62 AufenthG Rdn. 39; Renner, Ausländerrecht, 8. Aufl. § 62 AufenthG Rdn. 15), hätte widerlegen können (§ 62 Abs. 2 Satz 3 AufenthG). Dabei wäre zu prüfen gewesen, ob der Betroffene wegen Verständigungsproblemen mit dem Dolmetscher der erstinstanzlichen Anhörung wirklich nicht hat folgen und daher seine Absicht, sich der Zurückschiebung nicht entziehen zu wollen, erst im Beschwerdeverfahren hat vorbringen können. Die Ermittlung der hinreichenden Tatsachengrundlage war somit ohne Verschaffung eines persönlichen Eindrucks durch das Beschwerdegericht unzureichend.
11
bb) Mit Erfolg rügt der Betroffene einen weiteren Verstoß des Beschwerdegerichts gegen das Gebot rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG). Denn es hat sich mit seinem Vorbringen, er wolle sich für die Zurückschiebung in einer entsprechenden Einrichtung bereithalten, nicht auseinandergesetzt. Art. 103 Abs. 1 GG ist zwar erst verletzt, wenn sich im Einzelfall klar ergibt, dass das Gericht seiner Pflicht zur Gewährung rechtlichen Gehörs nicht nachgekommen ist. Denn grundsätzlich ist davon auszugehen, dass die Gerichte das von ihnen entgegengenommene Vorbringen zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen haben. Sie sind nicht verpflichtet, sich mit jedem Vorbringen in den Entscheidungsgründen ausdrücklich zu befassen. Deshalb müssen im Einzelfall besondere Umstände deutlich machen, dass tatsächliches Vorbringen oder Rechtsausführungen eines Beteiligten entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder doch bei der Entscheidung nicht erwogen worden sind (siehe nur BVerfG NJW-RR 1995, 1033, 1034; Senat, BGHZ 154, 288, 300). So liegt es hier. Dass das Beschwerdegericht das wesentliche Beschwerdevorbringen im Rahmen der nach § 62 Abs. 2 Satz 3 AufenthG gebotenen Prüfung berücksichtigt hat, lässt sich der angefochtenen Entscheidung nicht entnehmen. Da das Beschwerdegericht bereits den Einwand des Betroffenen, er habe den Dolmetscher in dem erstinstanzlichen Verfahren nicht verstanden, als bloße Schutzbehauptung angesehen hat, spricht alles dafür, dass es den weiteren Einwand unberücksichtigt gelassen hat.
12
cc) Wegen der Verstöße gegen das Gebot rechtlichen Gehörs hat die Entscheidung des Beschwerdegerichts den Betroffenen in seinen Rechten verletzt (vgl. § 62 Abs. 1 FamFG). Denn das Unterlassen der mündlichen Anhörung drückt wegen deren grundlegender Bedeutung der gleichwohl angeordneten Haft zur Sicherung der Zurückschiebung den Makel einer rechtswidrigen Freiheitsentziehung auf, der durch die Nachholung der Maßnahme rückwirkend nicht mehr zu tilgen ist; dementsprechend verbietet sich bei der nachträglichen gerichtlichen Überprüfung einer Freiheitsentziehung die Untersuchung, ob diese auf dem Unterbleiben der mündlichen Anhörung beruht (BVerfG InfAuslR 2006, 462, 464).
13
b) Die Haftanordnung durch das Amtsgericht vom 10. Oktober 2009 hat den Betroffenen ebenfalls in seinen Rechten verletzt.
14
aa) Entsprechend dem Feststellungsantrag ist neben der Beschwerdeentscheidung auch die Entscheidung über die Haftanordnung Gegenstand des Rechtsbeschwerdeverfahrens. Denn die Gewährung von Rechtsschutz bei der Feststellung der Rechtswidrigkeit einer Inhaftierung nach der Erledigung der Maßnahme hängt weder von dem konkreten Ablauf des Verfahrens und dem Zeitpunkt der Erledigung der Maßnahme noch davon ab, ob Rechtsschutz typischerweise noch vor der Beendigung der Haft erlangt werden kann (BVerfGE 104, 220, 235 f.); deshalb muss das Rechtsschutzinteresse des Betroffenen an der Feststellung der Rechtswidrigkeit der Freiheitsentziehung auch für einen Zeitraum vor der Einlegung der Rechtsbeschwerde bejaht werden (vgl. BVerfGK 6, 303, 311; Keidel/Budde, FamFG, 16. Aufl., § 62 Rdn. 32). Überdies hat der Betroffene bereits mit seinem Beschwerdevorbringen über die Frage der Haftfortdauer hinaus auch die Rechtmäßigkeit der ursprünglichen Haftanordnung und die darauf beruhende Vollziehung der Haft zum Beschwerdegegenstand erhoben.
15
bb) Die amtsgerichtliche Entscheidung ist verfahrensfehlerhaft ergangen, denn es hat keine ordnungsgemäße Anhörung stattgefunden. Aus dem Inhalt des der Beschwerdeentscheidung zugrunde liegenden Vermerks des Amtsrichters folgt, dass die Haftrichterin in dem Anhörungstermin keine eigenen Erkenntnisse davon gewonnen hat, dass zwischen ihr und dem Betroffenen unter Mitwirkung des Dolmetschers eine Verständigung möglich gewesen ist. Vielmehr hat sie sich mit ihrem persönlichen Eindruck begnügt, zwischen dem Betroffenen und dem Dolmetscher habe eine Kommunikation stattgefunden. Das reicht für eine ordnungsgemäße Anhörung (§ 420 Abs. 1 Satz 1 FamFG) nicht aus. Ihr Zweck besteht darin, dem Betroffenen den Sachverhalt und die sich daraus ergebende Rechtsfolge bekannt zu geben und ihm die Möglichkeit zu eröffnen, dazu Stellung zu nehmen und seine Sichtweise bestimmter Vorgänge darzustellen. Der Richter soll sich einen unmittelbaren Eindruck von dem Be- troffenen verschaffen, um seine Kontrollfunktion im Hinblick auf das Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen für die Freiheitsentziehung wahrnehmen zu können (vgl. BVerfG NJW 1990, 2309, 2310). Dem kommt in Abschiebungshaftsachen eine besondere Bedeutung zu, weil derHaftrichter u.a. klären muss, ob der begründete Verdacht besteht, der Betroffene wolle sich der Abschiebung entziehen (§ 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 AufenthG), und ob er glaubhaft macht, diesen Willen nicht zu haben (§ 62 Abs. 2 Satz 3 AufenthG). Die Klärung kann regelmäßig nur durch ein Gespräch zwischen Richter und Betroffenem erfolgen. Ist dieser der deutschen Sprache nicht mächtig, muss ein Dolmetscher hinzugezogen werden. Seine Aufgabe besteht darin, das Gespräch zwischen Richter und Betroffenem zu ermöglichen. Dazu ist er von dem Richter anzuhalten. Dieser muss sich vergewissern, dass Dolmetscher und Betroffener in derselben Sprache miteinander kommunizieren. Keinesfalls darf er sich damit begnügen, Zuhörer eines Gesprächs zwischen Betroffenem und Dolmetscher zu sein. In diese Rolle hat sich die Haftrichterin jedoch nach dem Vermerk des Amtsrichters begeben.
16
cc) Wie bereits vorstehend unter 2. a) cc) ausgeführt, drückt das Unterlassen der mündlichen Anhörung der gleichwohl angeordneten Haft den Makel einer rechtswidrigen Freiheitsentziehung auf. Dasselbe gilt, wenn - wie hier - zwar ein Anhörungstermin, nicht aber eine Kommunikation zwischen Richter und Betroffenem stattgefunden hat.

IV.

17
Die Kostenentscheidung beruht auf § 128c KostO und § 430 FamFG.
Krüger Lemke Schmidt-Räntsch
Stresemann Czub Vorinstanzen:
AG Flensburg, Entscheidung vom 10.10.2009 - 48 XIV 2730 B -
LG Flensburg, Entscheidung vom 19.10.2009 - 5 T 268/09 -

(1) Die Abschiebungshaft ist unzulässig, wenn der Zweck der Haft durch ein milderes Mittel erreicht werden kann. Die Inhaftnahme ist auf die kürzest mögliche Dauer zu beschränken. Minderjährige und Familien mit Minderjährigen dürfen nur in besonderen Ausnahmefällen und nur so lange in Abschiebungshaft genommen werden, wie es unter Berücksichtigung des Kindeswohls angemessen ist.

(2) Ein Ausländer ist zur Vorbereitung der Ausweisung oder der Abschiebungsanordnung nach § 58a auf richterliche Anordnung in Haft zu nehmen, wenn über die Ausweisung oder die Abschiebungsanordnung nach § 58a nicht sofort entschieden werden kann und die Abschiebung ohne die Inhaftnahme wesentlich erschwert oder vereitelt würde (Vorbereitungshaft). Die Dauer der Vorbereitungshaft soll sechs Wochen nicht überschreiten. Im Falle der Ausweisung bedarf es für die Fortdauer der Haft bis zum Ablauf der angeordneten Haftdauer keiner erneuten richterlichen Anordnung.

(3) Ein Ausländer ist zur Sicherung der Abschiebung auf richterliche Anordnung in Haft zu nehmen (Sicherungshaft), wenn

1.
Fluchtgefahr besteht,
2.
der Ausländer auf Grund einer unerlaubten Einreise vollziehbar ausreisepflichtig ist oder
3.
eine Abschiebungsanordnung nach § 58a ergangen ist, diese aber nicht unmittelbar vollzogen werden kann.
Von der Anordnung der Sicherungshaft nach Satz 1 Nummer 2 kann ausnahmsweise abgesehen werden, wenn der Ausländer glaubhaft macht, dass er sich der Abschiebung nicht entziehen will. Die Sicherungshaft ist unzulässig, wenn feststeht, dass aus Gründen, die der Ausländer nicht zu vertreten hat, die Abschiebung nicht innerhalb der nächsten drei Monate durchgeführt werden kann; bei einem Ausländer, bei dem ein Fall des § 54 Absatz 1 Nummer 1 bis 1b oder Absatz 2 Nummer 1 oder 3 vorliegt und auf den nicht das Jugendstrafrecht angewendet wurde oder anzuwenden wäre, gilt abweichend ein Zeitraum von sechs Monaten. Abweichend von Satz 3 ist die Sicherungshaft bei einem Ausländer, von dem eine erhebliche Gefahr für Leib und Leben Dritter oder bedeutende Rechtsgüter der inneren Sicherheit ausgeht, auch dann zulässig, wenn die Abschiebung nicht innerhalb der nächsten drei Monate durchgeführt werden kann.

(3a) Fluchtgefahr im Sinne von Absatz 3 Satz 1 Nummer 1 wird widerleglich vermutet, wenn

1.
der Ausländer gegenüber den mit der Ausführung dieses Gesetzes betrauten Behörden über seine Identität täuscht oder in einer für ein Abschiebungshindernis erheblichen Weise und in zeitlichem Zusammenhang mit der Abschiebung getäuscht hat und die Angabe nicht selbst berichtigt hat, insbesondere durch Unterdrückung oder Vernichtung von Identitäts- oder Reisedokumenten oder das Vorgeben einer falschen Identität,
2.
der Ausländer unentschuldigt zur Durchführung einer Anhörung oder ärztlichen Untersuchung nach § 82 Absatz 4 Satz 1 nicht an dem von der Ausländerbehörde angegebenen Ort angetroffen wurde, sofern der Ausländer bei der Ankündigung des Termins auf die Möglichkeit seiner Inhaftnahme im Falle des Nichtantreffens hingewiesen wurde,
3.
die Ausreisefrist abgelaufen ist und der Ausländer seinen Aufenthaltsort trotz Hinweises auf die Anzeigepflicht gewechselt hat, ohne der zuständigen Behörde eine Anschrift anzugeben, unter der er erreichbar ist,
4.
der Ausländer sich entgegen § 11 Absatz 1 Satz 2 im Bundesgebiet aufhält und er keine Betretenserlaubnis nach § 11 Absatz 8 besitzt,
5.
der Ausländer sich bereits in der Vergangenheit der Abschiebung entzogen hat oder
6.
der Ausländer ausdrücklich erklärt hat, dass er sich der Abschiebung entziehen will.

(3b) Konkrete Anhaltspunkte für Fluchtgefahr im Sinne von Absatz 3 Satz 1 Nummer 1 können sein:

1.
der Ausländer hat gegenüber den mit der Ausführung dieses Gesetzes betrauten Behörden über seine Identität in einer für ein Abschiebungshindernis erheblichen Weise getäuscht und hat die Angabe nicht selbst berichtigt, insbesondere durch Unterdrückung oder Vernichtung von Identitäts- oder Reisedokumenten oder das Vorgeben einer falschen Identität,
2.
der Ausländer hat zu seiner unerlaubten Einreise erhebliche Geldbeträge, insbesondere an einen Dritten für dessen Handlung nach § 96, aufgewandt, die nach den Umständen derart maßgeblich sind, dass daraus geschlossen werden kann, dass er die Abschiebung verhindern wird, damit die Aufwendungen nicht vergeblich waren,
3.
von dem Ausländer geht eine erhebliche Gefahr für Leib und Leben Dritter oder bedeutende Rechtsgüter der inneren Sicherheit aus,
4.
der Ausländer ist wiederholt wegen vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu mindestens einer Freiheitsstrafe verurteilt worden,
5.
der Ausländer hat die Passbeschaffungspflicht nach § 60b Absatz 3 Satz 1 Nummer 1, 2 und 6 nicht erfüllt oder der Ausländer hat andere als die in Absatz 3a Nummer 2 genannten gesetzlichen Mitwirkungshandlungen zur Feststellung der Identität, insbesondere die ihm nach § 48 Absatz 3 Satz 1 obliegenden Mitwirkungshandlungen, verweigert oder unterlassen und wurde vorher auf die Möglichkeit seiner Inhaftnahme im Falle der Nichterfüllung der Passersatzbeschaffungspflicht nach § 60b Absatz 3 Satz 1 Nummer 1, 2 und 6 oder der Verweigerung oder Unterlassung der Mitwirkungshandlung hingewiesen,
6.
der Ausländer hat nach Ablauf der Ausreisefrist wiederholt gegen eine Pflicht nach § 61 Absatz 1 Satz 1, Absatz 1a, 1c Satz 1 Nummer 3 oder Satz 2 verstoßen oder eine zur Sicherung und Durchsetzung der Ausreisepflicht verhängte Auflage nach § 61 Absatz 1e nicht erfüllt,
7.
der Ausländer, der erlaubt eingereist und vollziehbar ausreisepflichtig geworden ist, ist dem behördlichen Zugriff entzogen, weil er keinen Aufenthaltsort hat, an dem er sich überwiegend aufhält.

(4) Die Sicherungshaft kann bis zu sechs Monaten angeordnet werden. Sie kann in Fällen, in denen die Abschiebung aus von dem Ausländer zu vertretenden Gründen nicht vollzogen werden kann, um höchstens zwölf Monate verlängert werden. Eine Verlängerung um höchstens zwölf Monate ist auch möglich, soweit die Haft auf der Grundlage des Absatzes 3 Satz 1 Nummer 3 angeordnet worden ist und sich die Übermittlung der für die Abschiebung erforderlichen Unterlagen oder Dokumente durch den zur Aufnahme verpflichteten oder bereiten Drittstaat verzögert. Die Gesamtdauer der Sicherungshaft darf 18 Monate nicht überschreiten. Eine Vorbereitungshaft ist auf die Gesamtdauer der Sicherungshaft anzurechnen.

(4a) Ist die Abschiebung gescheitert, bleibt die Anordnung bis zum Ablauf der Anordnungsfrist unberührt, sofern die Voraussetzungen für die Haftanordnung unverändert fortbestehen.

(5) Die für den Haftantrag zuständige Behörde kann einen Ausländer ohne vorherige richterliche Anordnung festhalten und vorläufig in Gewahrsam nehmen, wenn

1.
der dringende Verdacht für das Vorliegen der Voraussetzungen nach Absatz 3 Satz 1 besteht,
2.
die richterliche Entscheidung über die Anordnung der Sicherungshaft nicht vorher eingeholt werden kann und
3.
der begründete Verdacht vorliegt, dass sich der Ausländer der Anordnung der Sicherungshaft entziehen will.
Der Ausländer ist unverzüglich dem Richter zur Entscheidung über die Anordnung der Sicherungshaft vorzuführen.

(6) Ein Ausländer kann auf richterliche Anordnung zum Zwecke der Abschiebung für die Dauer von längstens 14 Tagen zur Durchführung einer Anordnung nach § 82 Absatz 4 Satz 1, bei den Vertretungen oder ermächtigten Bediensteten des Staates, dessen Staatsangehörigkeit er vermutlich besitzt, persönlich zu erscheinen, oder eine ärztliche Untersuchung zur Feststellung seiner Reisefähigkeit durchführen zu lassen, in Haft genommen werden, wenn er

1.
einer solchen erstmaligen Anordnung oder
2.
einer Anordnung nach § 82 Absatz 4 Satz 1, zu einem Termin bei der zuständigen Behörde persönlich zu erscheinen,
unentschuldigt ferngeblieben ist und der Ausländer zuvor auf die Möglichkeit einer Inhaftnahme hingewiesen wurde (Mitwirkungshaft). Eine Verlängerung der Mitwirkungshaft ist nicht möglich. Eine Mitwirkungshaft ist auf die Gesamtdauer der Sicherungshaft anzurechnen. § 62a Absatz 1 findet entsprechende Anwendung.

12
b) Die Annahme des Haftgrundes nach § 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 ZPO in der anzufechtenden Entscheidung ist frei von Rechtsfehlern. Nach dieser Vorschrift ist ein vollziehbar ausreisepflichtiger Ausländer zur Sicherung der Abschiebung in Haft zu nehmen, wenn der begründete Verdacht besteht, dass er sich der Abschiebung entziehen will. Dies setzt konkrete Umstände, insbesondere Äußerungen oder Verhaltensweisen des Ausländers voraus, die mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit darauf hindeuten oder es nahe legen, dass der Ausländer beabsichtigt, unterzutauchen oder die Abschiebung in einer Weise zu behindern, die nicht durch einfachen, keine Freiheitsentziehung bildenden Zwang überwunden werden kann (vgl. Senat, BGHZ 98, 109, 112 f.; OLG München OLGR 2005, 439; Renner, Ausländerrecht, 8. Aufl., § 62 Rdn. 19 f.). Solche Umstände hat das Beschwerdegericht rechtsfehlerfrei festgestellt, weil der Betroffene durch wechselnde, falsche Angaben Behörden und Gerichte über seine Identität und Nationalität zu täuschen versucht hat, bei der Beschaffung der für seine Ausreise erforderlichen Ersatzpapiere nicht kooperiert und alles daran setzt, seine Abschiebung zu verhindern.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZB 29/10
vom
22. Juli 2010
in der Abschiebungshaftsache
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 22. Juli 2010 durch den Vorsitzenden
Richter Prof. Dr. Krüger, den Richter Dr. Lemke, die Richterin
Dr. Stresemann und die Richter Dr. Czub und Dr. Roth

beschlossen:
Dem Betroffenen wird für das Rechtsbeschwerdeverfahren Verfahrenskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt Rinkler bewilligt.
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 1. Zivilkammer des Landgerichts Aurich vom 27. Januar 2010 wird auf Kosten des Betroffenen zurückgewiesen.

Gründe:

I.

1
Der aus Guinea stammende Betroffene reiste 1997 in das Bundesgebiet ein. Er gab vor, Angehöriger des Staates Sierra Leone zu sein und keine Identitätspapiere zu besitzen. Der unter Angabe falscher Personalien gestellte Asylantrag wurde als offensichtlich unbegründet abgelehnt und der Betroffene unter Androhung der Abschiebung zur Ausreise aufgefordert. Die Abschiebung scheiterte indes an fehlenden Identitätspapieren. Der Aufenthalt des Betroffenen wurde zunächst geduldet. Im Januar 2005 tauchte er unter, wurde im November 2005 aufgegriffen und vorübergehend in Abschiebungshaft genommen. In der Folgezeit wirkte der Betroffene an der Passersatzpapierbeschaffung nicht mit und verhinderte so eine Abschiebung. Im Januar 2009 offenbarte er gegenüber dem Standesamt E. seine wahre Identität und legte seinen Nationalpass vor, weil er beabsichtigte, eine deutsche Staatsangehörige zu heiraten. Daraufhin wurde sein Aufenthalt geduldet, zuletzt befristet bis zum 28. Januar 2010. Am 3. November 2009 teilte das Standesamt mit, dass die Eheschließung in absehbarer Zeit mangels Überprüfbarkeit der Angaben des Betroffenen und der von ihm vorgelegten Unterlagen nicht erfolgen könne.
2
Auf Antrag der Beteiligten zu 2 hat das Amtsgericht am 18. November 2009 gegen den Betroffenen Haft zur Sicherung der Abschiebung bis zum 17. Februar 2010 angeordnet. Nach Eingang der sofortigen Beschwerde hat das Amtsgericht dem Landgericht die Akten ohne Abhilfeentscheidung vorgelegt. Der Betroffene wurde am 16. Dezember 2009 nach Guinea abgeschoben. Das nach der Abschiebung des Betroffenen in der Sache auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der Inhaftierung gerichtete Rechtsmittel ist ohne Erfolg geblieben. Mit der Rechtsbeschwerde beantragt er die Feststellung, dass die Anordnung der Abschiebungshaft durch das Amtsgericht sowie der Beschluss des Landgerichts und seine Inhaftierung bis zur Abschiebung rechtswidrig waren.

II.

3
Das Beschwerdegericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen auf das Vorliegen des Haftgrundes nach § 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 AufenthG gestützt. Es hat die Absicht des Betroffenen, sich der Abschiebung zu entziehen, daraus abgeleitet, dass der Betroffene jahrelang unzutreffende Angaben zu seiner Identität gemacht habe, um eine Abschiebung zu verhindern. Mit der Aufdeckung seiner wahren Identität habe er nur den Zweck verfolgt, eine deutsche Staatsangehörige zu heiraten und auf diese Weise ein Aufenthaltsrecht zu bekommen. Nachdem sich diese Hoffnung zerschlagen habe, sei mit Sicherheit anzunehmen, dass er sich der Abschiebung erneut entziehen werde.

III.

4
1. Mit der nach § 70 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3, Satz 2 FamFG, § 106 Abs. 2 Satz 1 AufenthG statthaften und auch im Übrigen grundsätzlich zulässigen (§ 71 FamFG) Rechtsbeschwerde kann der Betroffene allein die rechtliche Nachprüfung der angefochtenen Entscheidung erreichen. Soweit er mit seinem Antrag gesondert auch die Überprüfung der Haftanordnung durch das Amtsgericht erstrebt, ist das Rechtsmittel unzulässig. Zwar hat der Senat entschieden, dass bei Erledigung der Hauptsache nach Erlass der Beschwerdeentscheidung neben dieser Entscheidung auch die Rechtmäßigkeit der Haftanordnung Gegenstand des dann auf § 62 FamFG gestützten Rechtsbeschwerdeverfahrens sein kann (Beschl. v. 4. März 2010, V ZB 184/09, FGPrax 2010, 152, 154; Beschl. v. 17. Juni 2010, V ZB 13/10, Rn. 22). Das gilt aber nicht, wenn - wie hier - bereits das Beschwerdegericht über den Fortsetzungsfeststellungsantrag nach § 62 FamFG entschieden hat. Im Rechtsbeschwerdeverfahren geht es dann allein um die Rechtmäßigkeit dieser Entscheidung. Dabei ist inzident allerdings auch die Frage der Rechtmäßigkeit der Haftentscheidung zu prüfen.
5
2. Soweit zulässig, ist die Rechtsbeschwerde unbegründet.
6
a) Der Umstand, dass das Amtsgericht es an einem ordnungsgemäßen Abhilfeverfahren (§ 68 Abs. 1 FamFG) hat fehlen lassen, hat weder einen die Aufhebung rechtfertigenden Mangel des Beschwerde- noch des Ausgangsverfahrens zur Folge (Senat, Beschl. v. 17. Juni 2010, V ZB 13/10, Rn. 11, 23 m.w.N.).
7
Zur Rechtswidrigkeit der Beschwerdeentscheidung kann das Unterlassen einer (Nicht-)Abhilfeentscheidung allenfalls dann führen, wenn der Betroffene im Vertrauen auf eine mögliche Abhilfe von entscheidungserheblichem Vortrag abgesehen hat (vgl. hierzu Senat, Beschl. v. 15. Juli 2010, V ZB 10/10, Um- druck S. 9 f.). Das macht die Rechtsbeschwerde nicht geltend, und dafür gibt es auch keine Anhaltspunkte. Soweit sie in diesem Zusammenhang eine unzureichende Sachverhaltsermittlung durch das Amtsgericht rügt, berührt dies - für sich genommen - nicht die Frage der Rechtmäßigkeit der Beschwerdeentscheidung. Insbesondere führt ein unterlassenes Abhilfeverfahren nicht zu einer Verkürzung des Rechtsschutzes des Betroffenen. Das Beschwerdegericht tritt als Tatsacheninstanz an die Stelle des erstinstanzlichen Gerichts (Senat, Beschl. v. 8. März 2007, V ZB 149/06, NJW-RR 2007, 1569, 1570). Seine Aufgabe ist es, die angefochtene Entscheidung zu überprüfen. Eine unzureichende Sachaufklärung kann dort gerügt werden.
8
b) Zu Recht hat das Beschwerdegericht auch an der Tenorierung der Haftanordnung durch das Amtsgericht keinen Anstoß genommen.
9
aa) Das Amtsgericht hat die Freiheitsentziehung hinreichend bezeichnet (§ 421 Nr. 1 FamFG). Aus dem Tenor ergibt sich, dass es sich um eine Haft zur Sicherung der Abschiebung handelt. In Verbindung mit den heranzuziehenden Entscheidungsgründen (vgl. Keidel/Budde, FamFG, 16. Aufl., § 421 Rn. 2) und unter Berücksichtigung der Befristung auf drei Monate kann entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde nicht ernsthaft erwogen werden, dass die sog. "kleine" Sicherungshaft nach § 62 Abs. 2 Satz 2 AufenthG gemeint sein könnte.
10
bb) Die unzutreffende Erwähnung von § 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AufenthG als Haftgrund wirkt sich im Ergebnis ebenfalls nicht aus. Denn das Landgericht hat - rechtsfehlerfrei - den Haftgrund nach § 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 AufenthG herangezogen (s. sogleich unter d) und damit den Fehler der erstinstanzlichen Entscheidung auch im Rahmen des Fortsetzungsfeststellungsverfahrens geheilt (vgl. Senat, Beschl. v. 8. März 2007, V ZB 149/06, NJW-RR 2007, 1569, 1570; Keidel/Budde, aaO, § 62 Rn. 22 f.).
11
c) Die Haftanordnung hat den Betroffenen ferner nicht deswegen in seinen Rechten verletzt, weil sie aufgrund der bestehenden Duldung verfrüht und von daher unverhältnismäßig gewesen wäre.
12
aa) Die Duldung als zeitlich befristete Aussetzung der Abschiebung steht der Anordnung von Abschiebungshaft nicht schlechthin entgegen (vgl. BayObLGZ 1983, 138; OLG Dresden, Beschl. v. 17. Oktober 2007, 3 W 1159/07, juris, Rn. 4; OLG Frankfurt NJW 2004, 3050, 3051; OLG Hamm OLGZ 1977, 157, 159; Hailbronner, Ausländerrecht, Stand 68. Aktual. April 2010, § 62 AufenthG Rn. 23; im Ergebnis auch GK-AufenthG/Funke-Kaiser, Stand 43. Aktual. Juni 2010, § 60a Rn. 46; a.A. LG Freiburg, Beschl. v. 9. März 2004, 4 T 55/04, juris, Rn. 9).
13
Denn eine solche Duldung gibt dem Ausländer kein Recht zum Aufenthalt und lässt die Pflicht zur Ausreise unberührt (vgl. BayObLGZ 1983, 138, 142 f.; GK-AufenthG/Funke-Kaiser, aaO, § 60a Rn. 43; Hailbronner, aaO, § 60a AufenthG Rn. 83; Renner, AuslR, 8. Aufl., § 60a AufenthG Rn. 14). Sie stellt lediglich einen befristeten Verzicht der Behörde auf die an sich gebotene Durchsetzung der Ausreisepflicht dar (GK-AufenthG/Funke-Kaiser, aaO; Hailbronner, aaO). Mit Rücksicht auf die Geltungsdauer einer Duldung besteht zwar stets Anlass zu der Prüfung, ob die Abschiebung innerhalb der nächsten drei Monate erfolgen kann (§ 62 Abs. 2 Satz 4 AufenthG, vgl. GKAufenthG /Funke-Kaiser, aaO und Rn. 47.1). Schon aufgrund der Befristung bis zum 28. Januar 2010 bestehen insoweit jedoch keine rechtlichen Bedenken.
14
bb) Die Anordnung der Sicherungshaft war auch erforderlich, ohne dass es zuvor eines förmlichen Widerrufs der Duldung (§§ 77 Abs. 1 AufenthG, 49 Abs. 2 Satz 1 VwVfG) oder einer förmlichen Ankündigung des Vollzugs der Abschiebung nach § 60a Abs. 5 Satz 4 AufenthG bedurfte. Bedenken könnten sich - worauf auch die Rechtsbeschwerde abhebt - mit Blick darauf ergeben, dass die Haft bereits mehr als zwei Monate vor dem Ablauf der erteilten Duldungsfrist angeordnet worden ist. Mit der als "Nebenbestimmung" bezeichneten und als auflösende Bedingung ausgestalteten Bestimmung, dass die Duldung auch mit dem Tag der Ankündigung der Abschiebung erlischt, hat die Beteiligte zu 2 indessen zu erkennen gegeben, dass die Vollziehung der Abschiebung jederzeit, mithin auch vor Ablauf der Duldungsfrist erfolgen kann. Jedenfalls mit dem Antrag auf Anordnung der Abschiebungshaft hat sie kundgetan, den Betroffenen nunmehr abzuschieben, nachdem das Standesamt mitgeteilt hatte, der Betroffene werde bis auf weiteres nicht heiraten können. Ob neben dem Widerruf (§ 60a Abs. 5 Satz 2 AufenthG eine auflösende Bedingung zulässig (vgl. VGH Mannheim NVwZ-RR 2001, 272, 273 f.; GK-AufenthG/Funke-Kaiser, aaO, § 60a Rn. 91) und die Bedingung "Ankündigung der Abschiebung" hinreichend bestimmt ist (vgl. VGH Mannheim, aaO, S. 274, GK-AufenthG/Funke-Kaiser, aaO, Rn. 93), mit der Folge, dass die erteilte Duldung ohnehin nicht mehr wirksam wäre, kann vorliegend daher offen bleiben.
15
d) Die Annahme des Haftgrundes nach § 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 AufenthG in der angefochtenen Entscheidung ist ebenfalls frei von Rechtsfehlern. Nach dieser Vorschrift ist ein vollziehbar ausreisepflichtiger Ausländer zur Sicherung der Abschiebung in Haft zu nehmen, wenn der begründete Verdacht besteht, dass er sich der Abschiebung entziehen will. Dies setzt konkrete Umstände , insbesondere Äußerungen oder Verhaltensweisen des Ausländers voraus , die mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit darauf hindeuten oder es nahe legen, dass der Ausländer beabsichtigt, unterzutauchen oder die Abschiebung in einer Weise zu behindern, die nicht durch einfachen, keine Freiheitsentziehung bildenden Zwang überwunden werden kann (vgl. Senat, Beschl. v. 29. April 2010, V ZB 202/09, Rn. 12, juris). Solche Umstände hat das Beschwerdegericht rechtsfehlerfrei festgestellt. Der Betroffene hat durch unwahre Angaben zu seiner Identität und Herkunft über Jahre seinen Aufenthalt gesichert und alles daran gesetzt, seine Ausreise zu verhindern. Die getroffenen Feststellungen sind für den Senat nach §§ 74 Abs. 3 Satz 4 FamFG, 559 Abs. 2 ZPO bindend; Rechtsfehler zeigt die Rechtsbeschwerde nicht auf (§ 71 Abs. 3 Nr. 2b FamFG).
16
aa) Dass der Betroffene zum Zweck der Eheschließung nunmehr seine wahre Identität und Herkunft aufgedeckt hat, stellt die Wertung des Beschwerdegerichts nicht in Frage. Die tatrichterliche Schlussfolgerung unterliegt einer Rechtskontrolle nur dahin, ob die verfahrensfehlerfrei festgestellten Tatsachen eine solche Folgerung als möglich erscheinen lassen (vgl. Senat, Beschl. v. 10. Februar 2000, V ZB 5/00, FGPrax 2000, 130). So verhält es sich hier. Das Beschwerdegericht hat die angestrebte Eheschließung in den Blick genommen, diesem Umstand angesichts des - auch von der Rechtsbeschwerde nicht in Abrede gestellten - Scheiterns gegenüber den massiven Verdachtsmomenten jedoch nicht die entscheidende Bedeutung beigemessen. Soweit die Rechtsbeschwerde meint, die Voraussetzungen nach § 1309 Abs. 2 BGB für die Befreiung von der Pflicht zur Vorlage eines Ehefähigkeitszeugnisses seien gegeben gewesen, verweist sie nicht auf Vortrag dazu in den Tatsacheninstanzen. Nicht zu folgen ist ihr auch insoweit, als sie davon ausgeht, das Beschwerdegericht oder das Amtsgericht hätten den Betroffenen über die Möglichkeit der Beantragung einer Befreiung nach § 1309 Abs. 2 BGB belehren müssen. Dies erfordert der Grundsatz der Amtsermittlung, ohne dass es - wie hier - im Vorbringen des Betroffenen dafür Anhaltspunkte gibt, nicht (vgl. auch Senat, Beschl. v. 10. Juni 2010, V ZB 204/09, Umdruck S. 15).
17
bb) Unbegründet ist daher auch die in diesem Zusammenhang erhobene Rüge der Rechtsbeschwerde, das Beschwerdegericht habe den Betroffenen zu der Möglichkeit eines Befreiungsantrags nach § 1309 Abs. 2 BGB persönlich anhören müssen. Eine persönliche Anhörung ist zwar auch im Rechtsmittelverfahren grundsätzlich erforderlich (Senat, Beschl. v. 4. März 2010, V ZB 222/09, FGPrax 2010, 154, 155). Hiervon kann nach § 68 Abs. 3 Satz 2 FamFG nur abgesehen werden, wenn eine persönliche Anhör ung in erster Instanz erfolgt ist und zusätzliche Erkenntnisse durch eine erneute Anhörung nicht zu erwarten sind (Senat, Beschl. v. 4. März 2010, aaO, Beschl. v. 8. April 2010, V ZB 51/10, Rn. 19, juris). So verhält es sich aber hier. Da der Betroffene zur Begründung seiner Beschwerde zunächst nur allgemein die Annahme des Haftgrundes beanstandet und auf die fortbestehende Duldung abgestellt hat, gab es keinen Anlass für eine Anhörung zu dem Zweck, dem Betroffenen die Möglichkeit eines Befreiungsantrags nach § 1309 Abs. 2 BGB nahe zu bringen. Vielmehr durfte das Beschwerdegericht zunächst von einer persönlichen Anhörung absehen und die - erst nach der erfolgten Abschiebung eingegangene - angekündigte Beschwerdebegründung abwarten.
18
cc) Etwas anderes ergibt sich entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde auch nicht unter Berücksichtigung von Art. 6 GG.
19
(1) Soweit sich der Betroffene im Rechtsbeschwerdeverfahren auf die Möglichkeit eines Befreiungsverfahrens nach § 1309 Abs. 2 BGB stützt, wendet er sich im Kern gegen die Abschiebung selbst. Damit kann er im vorliegenden Verfahren nicht gehört werden. Es betrifft die Rechtmäßigkeit der Abschiebungsverfügung , die nicht von dem Haftrichter, sondern von den Verwaltungsgerichten zu prüfen ist (vgl. nur Senat, Beschl. v. 16. Dezember 2009, V ZB 148/09, FGPrax 2010, 50, 51).
20
(2) Der insoweit an die Entscheidung der Ausländerbehörde gebundene Haftrichter hat zwar ausnahmsweise Gesichtspunkte zu berücksichtigen, die den verfassungsrechtlichen Schutz von Ehe und Familie gem. Art. 6 GG betreffen , etwa zur Verhinderung der Schaffung vollendeter Tatsachen, wenn verwaltungsgerichtlicher Rechtsschutz nicht rechtzeitig zu erlangen ist oder durch nachträglich eingetretene Umstände die Anordnung von Abschiebungshaft als Mittel der Sicherung unnötig wird (vgl. OLG Köln OLGR 2001, 279; OLG Brandenburg FGPrax 2002, 280, 281). So liegt es hier indessen nicht. Die Eheschließung war nach dem Stand des Beschwerdeverfahrens auf absehbare Zeit nicht möglich und der bereits im erstinstanzlichen Verfahren anwaltlich vertretene Betroffene hatte hinreichend Gelegenheit, im Hinblick auf seine beabsichtigte Eheschließung verwaltungsgerichtlichen Eilschutz zu beantragen. Der Betroffene macht zudem weder geltend, noch ist ersichtlich, dass die Freiheitsentziehung vor dem Hintergrund einer gelebten Partnerschaft unverhältnismäßig ist.
21
e) Die Entscheidung hält rechtlicher Nachprüfung auch im Hinblick darauf stand, dass die Haft unzulässig ist, wenn feststeht, dass die Abschiebung, aus Gründen, die der Ausländer nicht zu vertreten hat, nicht innerhalb der nächsten drei Monate durchgeführt werden kann (§ 62 Abs. 2 Satz 4 AufenthG).
22
aa) Der Haftrichter hat seine Prognose hierzu auf alle im konkreten Fall ernsthaft in Betracht kommenden Umstände zu erstrecken, die der Abschiebung entgegenstehen oder sie verzögern können (Senat, Beschl. v. 8. Juli 2010, V ZB 89/10, Umdruck S. 4 f.). Die Entscheidung ist im Rechtsbeschwerdeverfahren darauf zu prüfen, ob das Beschwerdegericht die der Prognose zugrunde liegenden Wertungsmaßstäbe zutreffend erkannt und alle für die Beurteilung wesentlichen Umstände berücksichtigt und vollständig gewürdigt hat (Senat, aaO, S. 5). Zu der Feststellung, ob die Abschiebung innerhalb von drei Monaten möglich ist, sind konkrete Angaben zum Ablauf des Verfahrens und eine Darstellung erforderlich, in welchem Zeitraum die einzelnen Schritte unter normalen Bedingungen durchlaufen werden können. Der Tatrichter darf sich nicht auf die Wiedergabe der Einschätzung der Ausländerbehörde beschränken , die Abschiebung werde voraussichtlich innerhalb von drei Monaten stattfinden können (Senat, aaO; Beschl. v. 6. Mai 2010, V ZB 193/09, Rn. 20, juris). Soweit die Ausländerbehörde konkrete Tatsachen hierzu nicht mitteilt, hat das Gericht gemäß § 26 FamFG nachzufragen (Senat, Beschl. v. 6. Mai 2010, aaO ).
23
bb) Diesen Anforderungen wird die angefochtene Entscheidung nicht gerecht. Das Beschwerdegericht hat sich mit § 62 Abs. 2 Satz 4 AufenthG in seiner Entscheidung nicht einmal im Ansatz auseinandergesetzt. Die allgemeine Bezugnahme auf die Begründung des Amtsgerichts hilft über diese Auslassung nicht hinweg. Denn das Amtsgericht hat lediglich auf eine angebliche Mitteilung der Beteiligten zu 2 verwiesen, wonach die Abschiebung binnen drei Monaten möglich sei. Im Antrag der Beteiligten zu 2 wird jedoch nur auf die Mitteilungen des Auswärtigen Amtes und des Polizeipräsidiums Koblenz verwiesen, wonach Abschiebungen nach Guinea derzeit möglich seien. Dass die Abschiebung nach Haftanordnung unmittelbar eingeleitet würde, ist mangels genauer Darlegung ebenfalls wenig aussagekräftig.
24
cc) Diese Mängel haben sich hier aber nicht ausgewirkt. Der Ablauf der Geschehnisse lässt es als ausgeschlossen erscheinen, dass sich die Anordnung der Haft und deren Dauer unter Zugrundelegung einer sorgfältigen, alle Umstände berücksichtigenden Prognose als unangemessen erwiesen hätte. Der Betroffene ist innerhalb eines Monats seit seiner Inhaftierung abgeschoben worden. Das zeigt, dass das aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG abzuleitende Beschleunigungsgebot bei Freiheitsentziehungen (BVerfGE 20, 45, 49 f.; 46, 194, 195) beachtet worden ist. Bedenkt man, dass das Ziel einer sorgfältigen Prog- nose darin besteht, die zu erwartenden Verfahrensabläufe möglichst genau zu erfassen, so kann aus den späteren Abläufen auf den mutmaßlichen Inhalt einer gebotenen, aber unterlassenen Prognose geschlossen werden. Eine solche Prognose hätte die Haft und deren Dauer gerechtfertigt.

IV.

25
Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 FamFG. Krüger Lemke Stresemann Richter am BGH Dr. Czub und Dr. Roth sind wegen Urlaubs verhindert zu unterschreiben. Krüger
Vorinstanzen:
AG Emden, Entscheidung vom 18.11.2009 - 1 XIV 158/09 B -
LG Aurich, Entscheidung vom 27.01.2010 - 1 T 539/09 -

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZB 204/09
vom
10. Juni 2010
in der Freiheitsentziehungssache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja

a) Gerichtliche Entscheidungen, die eine Abschiebehaft anordnen, bestätigen oder
verlängern, sind nicht allein deshalb aufzuheben, weil sie ohne Beiziehung der
Ausländerakte ergangen sind.

b) Die unterlassene Beiziehung der Ausländerakte kann sich jedoch als eine Verletzung
der besonderen Amtsermittlungspflicht des Gerichts (§ 26 FamfG) in Freiheitsentziehungssachen
darstellen.
BGH, Beschluss vom 10. Juni 2010 - V ZB 204/09 - LG Bonn
AG Siegburg
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 10. Juni 2010 durch den Vorsitzenden
Richter Prof. Dr. Krüger, den Richter Dr. Schmidt-Räntsch, die Richterin
Dr. Stresemann und die Richter Dr. Czub und Dr. Roth

beschlossen:
Dem Betroffenen wird unter Beiordnung von Rechtsanwalt Rinkler Verfahrenskostenhilfe für die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 4. Zivilkammer des Landgerichts Bonn vom 6. November 2009 bewilligt. Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird - unter Zurückweisung des Rechtsmittels im Übrigen - der Beschluss der 4. Zivilkammer des Landgerichts Bonn vom 6. November 2009 aufgehoben. Die Sache wird zur anderweitigen Behandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Beschwerdegericht zurückverwiesen. Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 3.000 €.

Gründe:


I.

1
Der Betroffene reiste am 23. April 2007 ohne gültigen Pass und unter Umgehung der Einreise- und Visumsbestimmungen in das Bundesgebiet ein.
Ein von ihm gestellter Asylantrag wurde am 6. November 2007 abgelehnt, die Androhung der Abschiebung ist seit dem 21. November 2007 vollziehbar. Er reiste jedoch nicht aus, sondern tauchte im Mai 2008 im Bundesgebiet unter und wurde von der Zentralen Rückführungsstelle Nordbayern zur Festnahme ausgeschrieben. Am 22. September 2009 wurde er anlässlich einer Kontrolle des Hauptzollamts in einer Pizzeria in Sankt Augustin arbeitend angetroffen und festgenommen.
2
Auf Antrag der Ausländerbehörde am Aufgriffsort (Beteiligte zu 2) hat das Amtsgericht am 23. September 2009 die Haft zur Sicherung der Abschiebung bis zum 22. Dezember 2009 angeordnet. Die hiergegen gerichtete Beschwerde ist erfolglos geblieben. Mit der Rechtsbeschwerde beantragt der - am 1. Februar 2010 aus der Haft entlassene - Betroffene festzustellen, dass die Anordnung der Abschiebehaft durch das Amtsgericht und die Inhaftierung des Betroffenen rechtswidrig waren.

II.

3
Das Beschwerdegericht hält die Haftgründe des § 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 und Nr. 5 AufenthG für gegeben. Die Regelung in § 62 Abs. 2 Satz 4 AufenthG stehe der Inhaftierung des Betroffenen nicht entgegen. Aus den Angaben der für die Abschiebung zuständigen Zentralen Ausländerbehörde Bielefeld ergebe sich, dass eine Abschiebung nach Indien innerhalb von drei Monaten erfolgen könne. Die Vorführung des Betroffenen bei der indischen Botschaft sei für die kommende (46.) Kalenderwoche vorgesehen, was darauf schließen lasse, dass das Abschiebungsverfahren zügig betrieben werde.

III.

4
Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
5
1. Die form- und fristgerecht eingelegte Rechtsbeschwerde ist ungeachtet der Erledigung der Hauptsache durch den Ablauf der angeordneten Haftdauer statthaft (§ 70 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3, Satz 2 FamFG, § 106 Abs. 2 Satz 1 AufenthG). Die Rechtsbeschwerde bleibt zulassungsfrei, da sie sich weiterhin gegen einen Beschluss richtet, durch den eine freiheitsentziehende Maßnahme anordnet worden ist (vgl. Senat, Beschl. v. 25. Februar 2010, V ZB 172/09, juris

).

6
2. Die Rechtsbeschwerde ist begründet, soweit der Betroffene die Feststellung erstrebt, dass die Zurückweisung der sofortigen Beschwerde ihn in seinen Rechten verletzt hat (§ 72 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 62 Abs. 1 FamFG).
7
a) Ohne Erfolg macht der Rechtsbeschwerdeführer allerdings geltend, dass die Entscheidung des Beschwerdegerichts schon wegen eines Verstoßes gegen die Pflicht zur Vorlage der Ausländerakte (§ 417 Abs. 2 Satz 3 FamFG) rechtswidrig sei. Gerichtliche Entscheidungen, die eine Abschiebehaft anordnen , bestätigen oder verlängern, sind in einem Rechtsmittelverfahren nicht allein deshalb aufzuheben, weil sie ohne Beiziehung der Ausländerakte ergangen sind.
8
Gegen einen derartigen Aufhebungsgrund spricht bereits der Umstand, dass die Verpflichtung der Behörde zur Vorlage der Ausländerakte (§ 417 Abs. 2 Satz 3 FamFG) als Sollvorschrift bestimmt worden ist. Damit sollte klargestellt sein, dass die Aktenvorlage nicht eine Voraussetzung für die Zulässigkeit des Haftantrags ist (Beschlussempfehlung zum FamFG, BT-Drucks. 16/9733, S. 299).
9
Aus demselben Grund kann auch die Beiziehung der Akten durch das Gericht nicht als eine in jedem Stadium des Verfahrens zu prüfende Zulässigkeitsvoraussetzung angesehen werden. Es liefe nämlich dem mit der Bestimmung der Aktenvorlage durch die Behörde als Sollvorschrift verfolgten Zweck zuwider, wenn bei einer für die Entscheidung über den Haftantrag eindeutigen Tatsachengrundlage die Behörde zwar von der Übersendung der Ausländerakte absehen dürfte, das Gericht gleichwohl aber deren Vorlage anordnen müsste, um seiner Verpflichtung zu eigenständiger Ermittlung der Voraussetzungen der Haftanordnung zu genügen.
10
b) Die - auf die Nichtvorlage der Ausländerakte gestützte - Rüge einer Verletzung der Amtsermittlungspflicht (§ 26 FamFG) durch das Beschwerdegericht ist im Ergebnis dennoch begründet. Das Beschwerdegericht hat nicht alle Voraussetzungen der Rechtmäßigkeit der Haftanordnung verfahrensfehlerfrei festgestellt.
11
aa) Zutreffend bejaht hat das Beschwerdegericht die Haftgründe des § 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 und Nr. 5 AufenthG, weil die dem Betroffenen gesetzte Ausreisepflicht abgelaufen ist und er seinen Aufenthaltsort gewechselt hat, ohne der Ausländerbehörde seine Anschrift anzugeben, und weil infolge seines Untertauchens der begründete Verdacht besteht, er wolle sich der Abschiebung entziehen. Die Rechtsbeschwerde erhebt insoweit auch keine Einwendungen.
12
bb) Im Ergebnis mit Erfolg wendet sich die Rechtsbeschwerde gegen die Annahme des Beschwerdegerichts, dass die Haft nicht nach § 62 Abs. 2 Satz 4 AufenthG unzulässig sei, weil nicht feststehe, dass die Abschiebung nicht binnen drei Monaten erfolgen könne.
13
(1) Nicht zu beanstanden ist die Entscheidung des Beschwerdegerichts allerdings, soweit sie sich auf die Anordnung der Sicherungshaft bezieht.
14
(a) Das Beschwerdegericht hat die notwendige, vom Amtsgericht unterlassene Prognose nachgeholt, das übersehen hatte, dass für die Anordnung von Sicherungshaft nur Raum ist, wenn die Sachverhaltsermittlung und -bewertung ergibt, dass entweder eine Abschiebung innerhalb der nächsten drei Monate prognostiziert oder eine zuverlässige Prognose zunächst nicht getroffen werden kann (vgl. BVerfG, NJW 2009, 2659, 2660; Senat, Beschl. v. 25. März 2010, V ZA 9/10, Rdn. 17, juris).
15
(b) Die Prognose des Beschwerdegerichts, dass bei Anordnung der Haft eine Abschiebung des Betroffenen innerhalb von drei Monaten nicht unmöglich erschienen habe, lässt keinen Rechtsfehler erkennen. Das Beschwerdegericht durfte sich hierzu auf die bundesweite Fallsammlung der Zentralen Ausländerbehörden über die Ausstellung von Personalersatzpapieren durch das indische Generalkonsulat oder die indische Botschaft stützen, wonach im Jahr 2009 in Einzelfällen eine Abschiebung innerhalb von drei Monaten durchgeführt werden konnte. Dass es sich hierbei um nur wenige Fälle handelt, ist unschädlich, da die Haftanordnung nach § 62 Abs. 2 Satz 4 AufenthG nur zu unterbleiben hat, wenn feststeht, dass die Abschiebung innerhalb von drei Monaten nicht möglich sein wird (vgl. OLG Hamm JMBl NRW 2007, 177, 178).
16
Die Prognose des Beschwerdegerichts beruht entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde nicht auf einer Verletzung von Art. 103 Abs. 1 GG. Zwar enthalten die Gründe des angefochtenen Beschlusses keine Auseinandersetzung mit dem Schreiben der Zentralen Ausländerbehörde der Stadt Bielefeld vom 6. März 2008, welches der Betroffene vorgelegt hat und in dem es heißt, dass die Passersatzpapierbeschaffung für einen näher bezeichneten indischen Staatsangehörigen etwa sechs Monate in Anspruch nehmen werde. Da ein Gericht nicht verpflichtet ist, sich mit jedem Vorbringen in den Entscheidungsgründen ausdrücklich zu befassen, folgt hieraus für sich genommen keine Verlet- zung des Anspruchs auf rechtliches Gehör. Eine solche kann erst festgestellt werden, wenn im Einzelfall besondere Umstände deutlich machen, dass das Vorbringen eines Beteiligten überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder bei der Entscheidung jedenfalls nicht erwogen worden ist (vgl. BVerfG NJW-RR 1995, 1033, 1034). Hieran fehlt es. Insbesondere lässt die Feststellung in dem angefochtenen Beschluss, die statistische Auswertung von Abschiebefällen der Zentralen Ausländerbehörden Köln und Bielefeld sei unwidersprochen geblieben , nicht den Schluss zu, dass das Gericht das Schreiben der Zentralen Ausländerbehörde Bielefeld vom 6. März 2008 unter Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG übergangen hat. Da es nicht den der Prognose zugrunde gelegten Zeitraum vom 1. November 2008 bis zum 31. Oktober 2009 betrifft, ist vielmehr davon auszugehen, dass es von dem Beschwerdegericht zwar zur Kenntnis genommen , aber - ebenso wie die von dem Betroffenen vorgelegten Gerichtsentscheidungen - als nicht aussagekräftig angesehen worden ist, weil es nicht aus jüngster Zeit stammt.
17
(2) Verfahrensfehlerhaft ist die Entscheidung jedoch, soweit das Beschwerdegericht an der Prognose auch nach den im Zeitpunkt seiner Entscheidung vorliegenden Umständen festgehalten hat.
18
(a) Ob die Abschiebung des Ausländers innerhalb des Zeitraumes von drei Monaten durchgeführt werden kann, ist auch nach den Gegebenheiten im Zeitpunkt der Entscheidung über die Beschwerde zu beurteilen. Ein die Freiheitsentziehung anordnender Beschluss ist nämlich in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen darauf zu untersuchen, ob der Grund für die Freiheitsentziehung entfallen ist (vgl. § 426 Abs. 1 Satz 1 FamFG sowie Senat, Beschl. v. 25. Februar 2010, V ZB 172/09, juris, Rdn. 27). Vor der Zurückweisung einer Beschwerde, die sich gegen eine Sicherungshaftanordnung richtet, müssen deshalb die Voraussetzungen des § 62 Abs. 2 Satz 4 AufenthG unter Berück- sichtigung des im Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung erkennbaren Verlaufs des Abschiebungsverfahrens erneut geprüft werden. Erscheint eine Abschiebung aus Gründen, die der Betroffene nicht zu vertreten hat, nicht mehr innerhalb von drei Monaten (gerechnet ab Anordnung der Sicherungshaft) möglich, darf die Haft nicht aufrechterhalten werden.
19
(b) Das hat das Beschwerdegericht zwar im Ansatz erkannt. Seine Annahme , es stehe derzeit nicht fest, dass die Abschiebung nicht binnen drei Monaten erfolgen könne, ist angesichts der getroffenen Feststellungen aber nicht nachvollziehbar und damit rechtsfehlerhaft. Nachdem bis zu der (geplanten) Vorführung des Betroffenen bei der indischen Botschaft sieben Wochen vergangen waren, konnte das Beschwerdegericht ohne nähere Sachaufklärung (§ 26 FamFG) nicht annehmen, dass es innerhalb der verbleibenden Zeit von etwa sechs Wochen zu der Ausstellung von Passersatzpapieren kommen würde. Wenn das Verfahren von der Ausländerbehörde tatsächlich zügig betrieben worden ist, wäre die lange Zeitspanne von der Inhaftierung des Betroffenen bis zu seiner Vorführung auf Unzulänglichkeiten bei der indischen Botschaft zurückzuführen. Sie ließe dann erwarten, dass auch die von der Botschaft zu veranlassende Ausstellung der Passersatzpapiere wochenlang dauern und nicht rechtzeitig vor Ablauf der Drei-Monats-Frist des § 62 Abs. 2 Satz 4 AufenthG erfolgen würde. Das Beschwerdegericht war deshalb gehalten aufzuklären, ob angesichts der bereits verstrichenen Zeit im konkreten Fall noch Aussicht bestand , die Abschiebung bis zum 22. Dezember 2009 durchzuführen; sofern dies aus von dem Betroffenen nicht zu vertretenden Gründen nicht möglich erschien, hätte es ihn aus der Haft entlassen müssen.
20
cc) Rechtlicher Prüfung ebenfalls nicht stand hält die Annahme , die sieben Wochen nach der Inhaftierung vorgesehene Vorführung des Betroffenen bei der Botschaft lasse darauf schließen, dass das Abschiebeverfahren zügig betrieben werde.
21
(1) Das Beschwerdegericht hat sich zu vergewissern, ob die Abschiebung zügig durchgeführt wird. Auf Grund der Zweckbindung der Abschiebehaft, die nach § 62 Abs. 2 Satz 1 AufenthG nur zur Sicherung der zwangsweisen Ausreise und zu keinem anderen Zweck angeordnet werden darf, muss die Freiheitsentziehung zu jedem Zeitpunkt ihrer Dauer von der gesetzlichen Ermächtigung gedeckt sein (BVerfG NVwZ 2007, 1296, 1297). Das aus Art. 2 Abs. 2 GG abzuleitende Beschleunigungsgebot bei Freiheitsentziehungen (vgl. BVerfGE 46, 194, 195) verpflichtet die die Abschiebung betreibende Ausländerbehörde zudem dazu, alle notwendigen Anstrengungen zu unternehmen, um die für die Abschiebung erforderlichen Passersatzpapiere zu beschaffen, damit der Vollzug der Abschiebehaft auf eine möglichst kurze Zeit beschränkt werden kann (Senat, BGHZ 133, 235, 239). Das Beschwerdegericht darf deshalb die Sicherungshaft nur aufrechterhalten, wenn die Behörde die Abschiebung des Betroffenen ernstlich betreibt und zwar, gemäß dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit , mit der größtmöglichen Beschleunigung (vgl. BayObLG, Beschl. v. 6. November 1998, 3Z BR 274/98, juris, Rdn. 9; OLG Schleswig OLGR 2008, 304, 306).
22
Daran ändert sich nichts, wenn der Betroffene seine Mitwirkung im Verfahren verweigert. Die Ausländerbehörde ist dann gehalten, die Reisedokumente entweder ohne dessen Mitwirkung zu erlangen oder diese mit den gemäß der Rechtsordnung hierfür zur Verfügung stehenden Mitteln zu erzwingen (BayObLG , Beschl. v. 6. November 1998, 3Z BR 274/98, aaO). Dazu gehört die Abschiebehaft jedoch nicht, da sie sonst entgegen ihrer allein wesenseigenen Sicherungsfunktion zu einer Beugehaft mit repressivem Charakter würde, und als solche weder angeordnet noch aufrechterhalten werden darf (BayObLG, Beschl. v. 6. November 1998, 3Z BR 274/98, aaO; OLG Saarbrücken NVwZ 1997, Beilage Nr. 1, 3; OLG Dresden OLG-NL 2001, 189, 190; OLG Schleswig OLGR 2008, 304, 305).
23
(2) Hier kann nicht davon ausgegangen werden, dass das Abschiebungsverfahren dem Zweck der Haft entsprechend mit der gebotenen Beschleunigung betrieben worden ist.
24
(a) Die entgegenstehende Wertung des Beschwerdegerichts ist rechtsfehlerhaft. Sie beruht allein auf dem kurz vor der Entscheidung eingegangenen Schreiben der Beteiligten zu 2 an das Beschwerdegericht, in dem der Vorführungstermin in der Botschaft mitgeteilt und über einen erforderlichen angemessenen "Einwirkungszeitraum" für die Mitarbeiter der Zentralen Ausländerbehörde berichtet worden ist, um im Sinne einer "Ausreiseberatung" erfolgreich zu sein. Der Inhalt der Mitteilung der Beteiligten zu 2 trägt die Annahme einer zügigen Durchführung der Abschiebung nicht, sondern gibt eher Anlass, an einem dem Zweck der Abschiebehaft entsprechenden Vorgehen der Behörden zu zweifeln.
25
(b) Vor allem aber durfte das Beschwerdegericht seine Auffassung nicht allein auf diese Mitteilung stützten. Die Rechtsbeschwerde sieht darin zu Recht eine Verletzung der durch Art. 2 Abs. 2 GG i.V.m. Art. 104 GG bestimmten Anforderungen an die Amtsermittlungspflicht des Gerichts (§ 26 FamFG).
26
Entscheidungen, die den Entzug der persönlichen Freiheit betreffen, müssen nämlich auf zureichender richterlicher Sachaufklärung beruhen und eine in tatsächlicher Hinsicht genügende Grundlage haben, die der Bedeutung der Freiheitsgarantie entspricht (BVerfGE 58, 208, 222; 70, 297, 308; NJW 1998, 1774, 1775; InfAuslR 2008, 358, 360; NJW 2009, 2659, 2662). Nach Art. 104 Abs. 2 Satz 1 GG hat der Richter die Verantwortung für das Vorliegen der Voraussetzungen der von ihm angeordneten oder bestätigten Haft zu übernehmen (BVerfGE 10, 302, 310; 83, 24, 33). Dazu muss er selbst die Tatsachen feststellen, die die Freiheitsentziehung rechtfertigen (BVerfGE 83, 24, 33), wofür in Abschiebehaftsachen in der Regel die Beiziehung der Ausländerakte erforderlich ist (BVerfG InfAuslR 2008, 358, 360; NVwZ 2008, 304, 305; NJW 2009, 2659, 2662).
27
Ein geeignetes Mittel des Gerichts, sich über die Maßnahmen der Behörde kundig zu machen, wäre auch hier die Beiziehung der Akten gewesen. Von deren Vorlage kann zwar abgesehen werden, wenn sich der festzustellende Sachverhalt aus den vorgelegten Teilen der Akte vollständig ergibt und die nicht vorgelegten Teile keine weiteren Erkenntnisse versprechen (Senat, Beschl. v. 4. März 2010, V ZB 222/09, Rdn. 19, juris). Davon kann hier keine Rede sein, weil die Beteiligte zu 2 nicht vorgetragen hat, was sie in den sieben Wochen seit der Inhaftierung des Betroffenen zur Durchführung der Abschiebung unternommen hat.
28
3. Der Senat kann über den Feststellungsantrag nicht in der Sache selbst entscheiden, weil die Beurteilung, ob der Vollzug und die Aufrechterhaltung der Sicherungshaft den Betroffenen in seinen Rechten verletzt haben, weitere Sachverhaltsermittlungen erfordert. Die Sache ist daher an das Beschwerdegericht zurückzuverweisen (§ 74 Abs. 6 Satz 2 FamFG).

IV.

29
Die Rechtsbeschwerde ist dagegen unbegründet, soweit mit ihr die Feststellung beantragt wird, dass schon die Haftanordnung des Amtsgerichts den Betroffenen in seinen Rechten verletzt hat.
30
Mit Recht rügt die Rechtsbeschwerde allerdings auch hier einen Verstoß gegen den Amtsermittlungsgrundsatz (§ 26 FamFG).
31
1. Die Haftanordnung des Amtsgerichts genügte insgesamt nicht dem sich aus Art. 2 Abs. 2 GG i.V.m. Art. 104 GG ergebenden Anforderungen an die Sachverhaltsermittlung. Dem die Haft anordnenden Beschluss ist zu den Grundlagen der Sachverhaltsfeststellung und der richterlichen Überzeugungsbildung überhaupt nichts zu entnehmen, obwohl die Tatsachengrundlage nicht eindeutig war.
32
Einzige Grundlage für die Haftanordnung war der Antrag der Beteiligten zu 2, der sich in einer schlagwortartigen, allgemeinen Schilderung des Sachverhalts und der Bitte an das Amtsgericht, die beantragte Haft zur Sicherstellung der Abschiebung für drei Monate anzuordnen, erschöpfte, verbunden mit Hinweisen auf eine Erklärung der Zentralen Ausländerbehörde zur Beschaffbarkeit eines Passersatzpapieres in diesem Zeitraum und das Einvernehmen der Staatsanwaltschaft nach § 72 AufenthG. Die Ausländerakte war entgegen der Sollvorschrift in § 417 Abs. 2 Satz 2 AufenthG ohne Angabe von Gründen von der Behörde nicht vorgelegt und von dem Gericht auch nicht beigezogen worden. Dasselbe gilt für die in dem Haftantrag zitierte Ausschreibung zur Festnahme (§ 50 Abs. 7 Satz 1 AufenthG), die nicht durch die Beteiligte zu 2, sondern durch die für den bisherigen Aufenthaltsort des Betroffenen örtlich zuständige Ausländerbehörde erfolgt war (zur Zuständigkeit der Ausländerbehörden: Senat, Beschl. v. 18. März 2010, V ZB 194/09, Rdn. 12 ff., juris). Der Betroffene hat das tatsächliche Vorbringen der Beteiligten zu 2 in dem Haftantrag auch nicht dadurch bestätigt, dass er im Anhörungstermin geschwiegen hat.
33
Dringende Verdachtsgründe für das Vorliegen der Voraussetzungen einer Freiheitsentziehung sowie ein Bedürfnis für ein sofortiges Tätigwerden des Gerichts, die sich aus den Angaben der Beteiligten zu 2 in ihrem Haftantrag ergaben, hätten zwar eine einstweilige Anordnung nach § 427 Abs. 1 FamfG zugelassen, rechtfertigten aber nicht die Haftanordnung für drei Monate, die eine richterliche Gewissheit von dem Vorliegen der Haftgründe erfordert (vgl. Senat, Beschl. v. 18. März 2010, V ZB 194/09, Rdn. 24, juris).
34
2. Der darin liegende Verfahrensfehler des Amtsgerichts rechtfertigt jedoch nicht die beantragte Feststellung des Betroffenen, durch die Haftanordnung in seinen Rechten verletzt worden zu sein.
35
a) Allerdings kann die allein auf einem Verfahrensfehler beruhende Anordnung der Haft den Betroffenen in seinen Rechten verletzen, selbst wenn der Verfahrensfehler später behoben wird und sich die Anordnung danach als in der Sache richtig darstellt. Voraussetzung dafür ist jedoch ein grundlegender Verfahrensfehler , der - wie das Unterlassen der nach § 420 Abs. 1 FamFG vorgeschriebenen persönlichen Anordnung - einer gleichwohl angeordneten Haft zur Sicherung der Abschiebung den Makel der rechtswidrigen Freiheitsentziehung aufdrückt, und der auch durch die Nachholung der Maßnahme nicht mehr zu tilgen ist (BVerfG InfAuslR 2006, 462, 464; Senat, Beschl. v. 4. März 2010, V ZB 184/09, Rdn. 12, 16, juris). Ein solcher Verstoß gegen die Anhörungspflicht liegt hier jedoch nicht vor.
36
b) Bei anderen Verfahrensmängeln muss der Betroffene dagegen eine bis zu dem erledigenden Ereignis tatsächlich erfolgte Heilung - insbesondere in einem Beschwerdeverfahren - hinnehmen (Senat, Beschl. v. 8. März 2007, V ZB 149/06, NJW-RR 2007, 1569, 1570; Beschl. v. 25. März 2010, V ZA 9/10, Rdn. 23, juris; Keidel/Budde, aaO, § 62 Rdn. 22). Das Verfahrensergebnis ist für ihn dann kein anderes, als wenn bereits das Amtsgericht das Verfahren fehlerfrei durchgeführt hätte (Senat, Beschl. v. 25. März 2010, V ZA 9/10, Rdn. 23, juris; Keidel/Budde, aaO, § 62 Rdn. 23).
37
So ist es hier. Der Mangel des amtsgerichtlichen Verfahrens ist durch die von dem Beschwerdegericht nachgeholte Prognose nach § 62 Abs. 2 Satz 4 AufenthG geheilt worden (dazu oben III.2.b) bb) (1)). Für die Prüfung der Rechtmäßigkeit der amtsgerichtlichen Haftanordnung bedurfte es hier - entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde - weiterer Ermittlungen angesichts des Umstands nicht mehr, dass der im Beschwerdeverfahren anwaltlich vertretene Betroffene ausdrücklich den Haftgrund zugestanden und seine Angriffe auf die Unverhältnismäßigkeit der Haftanordnung mit dem Hinweis darauf beschränkt hatte, dass eine Abschiebung nach Indien innerhalb der Frist von drei Monaten nicht durchführbar sei.
38
Vor dem Hintergrund des Vorbringens des Betroffenen in der Beschwerdebegründung durfte das Beschwerdegericht davon ausgehen, dass die die Haftanordnung begründenden Feststellungen den Tatsachen entsprachen. Das Beschwerdegericht muss nämlich nicht allen denkbaren Möglichkeiten nachgehen. Seine Pflicht zur Ermittlung der entscheidungserheblichen Tatsachen von Amts wegen geht nur so weit, wie das Vorbringen der Beteiligten zu weiteren Erkundigungen Anlass gibt (vgl. OLG München, Beschl. v. 8. Oktober 2009, 34 Wx 64/09, juris, Rz. 24). Krüger Schmidt-Räntsch Stresemann Czub Roth
Vorinstanzen:
AG Siegburg, Entscheidung vom 23.09.2009 - 241 XIV 16/09 B -
LG Bonn, Entscheidung vom 06.11.2009 - 4 T 454/09 -

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZB 29/10
vom
22. Juli 2010
in der Abschiebungshaftsache
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 22. Juli 2010 durch den Vorsitzenden
Richter Prof. Dr. Krüger, den Richter Dr. Lemke, die Richterin
Dr. Stresemann und die Richter Dr. Czub und Dr. Roth

beschlossen:
Dem Betroffenen wird für das Rechtsbeschwerdeverfahren Verfahrenskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt Rinkler bewilligt.
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 1. Zivilkammer des Landgerichts Aurich vom 27. Januar 2010 wird auf Kosten des Betroffenen zurückgewiesen.

Gründe:

I.

1
Der aus Guinea stammende Betroffene reiste 1997 in das Bundesgebiet ein. Er gab vor, Angehöriger des Staates Sierra Leone zu sein und keine Identitätspapiere zu besitzen. Der unter Angabe falscher Personalien gestellte Asylantrag wurde als offensichtlich unbegründet abgelehnt und der Betroffene unter Androhung der Abschiebung zur Ausreise aufgefordert. Die Abschiebung scheiterte indes an fehlenden Identitätspapieren. Der Aufenthalt des Betroffenen wurde zunächst geduldet. Im Januar 2005 tauchte er unter, wurde im November 2005 aufgegriffen und vorübergehend in Abschiebungshaft genommen. In der Folgezeit wirkte der Betroffene an der Passersatzpapierbeschaffung nicht mit und verhinderte so eine Abschiebung. Im Januar 2009 offenbarte er gegenüber dem Standesamt E. seine wahre Identität und legte seinen Nationalpass vor, weil er beabsichtigte, eine deutsche Staatsangehörige zu heiraten. Daraufhin wurde sein Aufenthalt geduldet, zuletzt befristet bis zum 28. Januar 2010. Am 3. November 2009 teilte das Standesamt mit, dass die Eheschließung in absehbarer Zeit mangels Überprüfbarkeit der Angaben des Betroffenen und der von ihm vorgelegten Unterlagen nicht erfolgen könne.
2
Auf Antrag der Beteiligten zu 2 hat das Amtsgericht am 18. November 2009 gegen den Betroffenen Haft zur Sicherung der Abschiebung bis zum 17. Februar 2010 angeordnet. Nach Eingang der sofortigen Beschwerde hat das Amtsgericht dem Landgericht die Akten ohne Abhilfeentscheidung vorgelegt. Der Betroffene wurde am 16. Dezember 2009 nach Guinea abgeschoben. Das nach der Abschiebung des Betroffenen in der Sache auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der Inhaftierung gerichtete Rechtsmittel ist ohne Erfolg geblieben. Mit der Rechtsbeschwerde beantragt er die Feststellung, dass die Anordnung der Abschiebungshaft durch das Amtsgericht sowie der Beschluss des Landgerichts und seine Inhaftierung bis zur Abschiebung rechtswidrig waren.

II.

3
Das Beschwerdegericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen auf das Vorliegen des Haftgrundes nach § 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 AufenthG gestützt. Es hat die Absicht des Betroffenen, sich der Abschiebung zu entziehen, daraus abgeleitet, dass der Betroffene jahrelang unzutreffende Angaben zu seiner Identität gemacht habe, um eine Abschiebung zu verhindern. Mit der Aufdeckung seiner wahren Identität habe er nur den Zweck verfolgt, eine deutsche Staatsangehörige zu heiraten und auf diese Weise ein Aufenthaltsrecht zu bekommen. Nachdem sich diese Hoffnung zerschlagen habe, sei mit Sicherheit anzunehmen, dass er sich der Abschiebung erneut entziehen werde.

III.

4
1. Mit der nach § 70 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3, Satz 2 FamFG, § 106 Abs. 2 Satz 1 AufenthG statthaften und auch im Übrigen grundsätzlich zulässigen (§ 71 FamFG) Rechtsbeschwerde kann der Betroffene allein die rechtliche Nachprüfung der angefochtenen Entscheidung erreichen. Soweit er mit seinem Antrag gesondert auch die Überprüfung der Haftanordnung durch das Amtsgericht erstrebt, ist das Rechtsmittel unzulässig. Zwar hat der Senat entschieden, dass bei Erledigung der Hauptsache nach Erlass der Beschwerdeentscheidung neben dieser Entscheidung auch die Rechtmäßigkeit der Haftanordnung Gegenstand des dann auf § 62 FamFG gestützten Rechtsbeschwerdeverfahrens sein kann (Beschl. v. 4. März 2010, V ZB 184/09, FGPrax 2010, 152, 154; Beschl. v. 17. Juni 2010, V ZB 13/10, Rn. 22). Das gilt aber nicht, wenn - wie hier - bereits das Beschwerdegericht über den Fortsetzungsfeststellungsantrag nach § 62 FamFG entschieden hat. Im Rechtsbeschwerdeverfahren geht es dann allein um die Rechtmäßigkeit dieser Entscheidung. Dabei ist inzident allerdings auch die Frage der Rechtmäßigkeit der Haftentscheidung zu prüfen.
5
2. Soweit zulässig, ist die Rechtsbeschwerde unbegründet.
6
a) Der Umstand, dass das Amtsgericht es an einem ordnungsgemäßen Abhilfeverfahren (§ 68 Abs. 1 FamFG) hat fehlen lassen, hat weder einen die Aufhebung rechtfertigenden Mangel des Beschwerde- noch des Ausgangsverfahrens zur Folge (Senat, Beschl. v. 17. Juni 2010, V ZB 13/10, Rn. 11, 23 m.w.N.).
7
Zur Rechtswidrigkeit der Beschwerdeentscheidung kann das Unterlassen einer (Nicht-)Abhilfeentscheidung allenfalls dann führen, wenn der Betroffene im Vertrauen auf eine mögliche Abhilfe von entscheidungserheblichem Vortrag abgesehen hat (vgl. hierzu Senat, Beschl. v. 15. Juli 2010, V ZB 10/10, Um- druck S. 9 f.). Das macht die Rechtsbeschwerde nicht geltend, und dafür gibt es auch keine Anhaltspunkte. Soweit sie in diesem Zusammenhang eine unzureichende Sachverhaltsermittlung durch das Amtsgericht rügt, berührt dies - für sich genommen - nicht die Frage der Rechtmäßigkeit der Beschwerdeentscheidung. Insbesondere führt ein unterlassenes Abhilfeverfahren nicht zu einer Verkürzung des Rechtsschutzes des Betroffenen. Das Beschwerdegericht tritt als Tatsacheninstanz an die Stelle des erstinstanzlichen Gerichts (Senat, Beschl. v. 8. März 2007, V ZB 149/06, NJW-RR 2007, 1569, 1570). Seine Aufgabe ist es, die angefochtene Entscheidung zu überprüfen. Eine unzureichende Sachaufklärung kann dort gerügt werden.
8
b) Zu Recht hat das Beschwerdegericht auch an der Tenorierung der Haftanordnung durch das Amtsgericht keinen Anstoß genommen.
9
aa) Das Amtsgericht hat die Freiheitsentziehung hinreichend bezeichnet (§ 421 Nr. 1 FamFG). Aus dem Tenor ergibt sich, dass es sich um eine Haft zur Sicherung der Abschiebung handelt. In Verbindung mit den heranzuziehenden Entscheidungsgründen (vgl. Keidel/Budde, FamFG, 16. Aufl., § 421 Rn. 2) und unter Berücksichtigung der Befristung auf drei Monate kann entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde nicht ernsthaft erwogen werden, dass die sog. "kleine" Sicherungshaft nach § 62 Abs. 2 Satz 2 AufenthG gemeint sein könnte.
10
bb) Die unzutreffende Erwähnung von § 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AufenthG als Haftgrund wirkt sich im Ergebnis ebenfalls nicht aus. Denn das Landgericht hat - rechtsfehlerfrei - den Haftgrund nach § 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 AufenthG herangezogen (s. sogleich unter d) und damit den Fehler der erstinstanzlichen Entscheidung auch im Rahmen des Fortsetzungsfeststellungsverfahrens geheilt (vgl. Senat, Beschl. v. 8. März 2007, V ZB 149/06, NJW-RR 2007, 1569, 1570; Keidel/Budde, aaO, § 62 Rn. 22 f.).
11
c) Die Haftanordnung hat den Betroffenen ferner nicht deswegen in seinen Rechten verletzt, weil sie aufgrund der bestehenden Duldung verfrüht und von daher unverhältnismäßig gewesen wäre.
12
aa) Die Duldung als zeitlich befristete Aussetzung der Abschiebung steht der Anordnung von Abschiebungshaft nicht schlechthin entgegen (vgl. BayObLGZ 1983, 138; OLG Dresden, Beschl. v. 17. Oktober 2007, 3 W 1159/07, juris, Rn. 4; OLG Frankfurt NJW 2004, 3050, 3051; OLG Hamm OLGZ 1977, 157, 159; Hailbronner, Ausländerrecht, Stand 68. Aktual. April 2010, § 62 AufenthG Rn. 23; im Ergebnis auch GK-AufenthG/Funke-Kaiser, Stand 43. Aktual. Juni 2010, § 60a Rn. 46; a.A. LG Freiburg, Beschl. v. 9. März 2004, 4 T 55/04, juris, Rn. 9).
13
Denn eine solche Duldung gibt dem Ausländer kein Recht zum Aufenthalt und lässt die Pflicht zur Ausreise unberührt (vgl. BayObLGZ 1983, 138, 142 f.; GK-AufenthG/Funke-Kaiser, aaO, § 60a Rn. 43; Hailbronner, aaO, § 60a AufenthG Rn. 83; Renner, AuslR, 8. Aufl., § 60a AufenthG Rn. 14). Sie stellt lediglich einen befristeten Verzicht der Behörde auf die an sich gebotene Durchsetzung der Ausreisepflicht dar (GK-AufenthG/Funke-Kaiser, aaO; Hailbronner, aaO). Mit Rücksicht auf die Geltungsdauer einer Duldung besteht zwar stets Anlass zu der Prüfung, ob die Abschiebung innerhalb der nächsten drei Monate erfolgen kann (§ 62 Abs. 2 Satz 4 AufenthG, vgl. GKAufenthG /Funke-Kaiser, aaO und Rn. 47.1). Schon aufgrund der Befristung bis zum 28. Januar 2010 bestehen insoweit jedoch keine rechtlichen Bedenken.
14
bb) Die Anordnung der Sicherungshaft war auch erforderlich, ohne dass es zuvor eines förmlichen Widerrufs der Duldung (§§ 77 Abs. 1 AufenthG, 49 Abs. 2 Satz 1 VwVfG) oder einer förmlichen Ankündigung des Vollzugs der Abschiebung nach § 60a Abs. 5 Satz 4 AufenthG bedurfte. Bedenken könnten sich - worauf auch die Rechtsbeschwerde abhebt - mit Blick darauf ergeben, dass die Haft bereits mehr als zwei Monate vor dem Ablauf der erteilten Duldungsfrist angeordnet worden ist. Mit der als "Nebenbestimmung" bezeichneten und als auflösende Bedingung ausgestalteten Bestimmung, dass die Duldung auch mit dem Tag der Ankündigung der Abschiebung erlischt, hat die Beteiligte zu 2 indessen zu erkennen gegeben, dass die Vollziehung der Abschiebung jederzeit, mithin auch vor Ablauf der Duldungsfrist erfolgen kann. Jedenfalls mit dem Antrag auf Anordnung der Abschiebungshaft hat sie kundgetan, den Betroffenen nunmehr abzuschieben, nachdem das Standesamt mitgeteilt hatte, der Betroffene werde bis auf weiteres nicht heiraten können. Ob neben dem Widerruf (§ 60a Abs. 5 Satz 2 AufenthG eine auflösende Bedingung zulässig (vgl. VGH Mannheim NVwZ-RR 2001, 272, 273 f.; GK-AufenthG/Funke-Kaiser, aaO, § 60a Rn. 91) und die Bedingung "Ankündigung der Abschiebung" hinreichend bestimmt ist (vgl. VGH Mannheim, aaO, S. 274, GK-AufenthG/Funke-Kaiser, aaO, Rn. 93), mit der Folge, dass die erteilte Duldung ohnehin nicht mehr wirksam wäre, kann vorliegend daher offen bleiben.
15
d) Die Annahme des Haftgrundes nach § 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 AufenthG in der angefochtenen Entscheidung ist ebenfalls frei von Rechtsfehlern. Nach dieser Vorschrift ist ein vollziehbar ausreisepflichtiger Ausländer zur Sicherung der Abschiebung in Haft zu nehmen, wenn der begründete Verdacht besteht, dass er sich der Abschiebung entziehen will. Dies setzt konkrete Umstände , insbesondere Äußerungen oder Verhaltensweisen des Ausländers voraus , die mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit darauf hindeuten oder es nahe legen, dass der Ausländer beabsichtigt, unterzutauchen oder die Abschiebung in einer Weise zu behindern, die nicht durch einfachen, keine Freiheitsentziehung bildenden Zwang überwunden werden kann (vgl. Senat, Beschl. v. 29. April 2010, V ZB 202/09, Rn. 12, juris). Solche Umstände hat das Beschwerdegericht rechtsfehlerfrei festgestellt. Der Betroffene hat durch unwahre Angaben zu seiner Identität und Herkunft über Jahre seinen Aufenthalt gesichert und alles daran gesetzt, seine Ausreise zu verhindern. Die getroffenen Feststellungen sind für den Senat nach §§ 74 Abs. 3 Satz 4 FamFG, 559 Abs. 2 ZPO bindend; Rechtsfehler zeigt die Rechtsbeschwerde nicht auf (§ 71 Abs. 3 Nr. 2b FamFG).
16
aa) Dass der Betroffene zum Zweck der Eheschließung nunmehr seine wahre Identität und Herkunft aufgedeckt hat, stellt die Wertung des Beschwerdegerichts nicht in Frage. Die tatrichterliche Schlussfolgerung unterliegt einer Rechtskontrolle nur dahin, ob die verfahrensfehlerfrei festgestellten Tatsachen eine solche Folgerung als möglich erscheinen lassen (vgl. Senat, Beschl. v. 10. Februar 2000, V ZB 5/00, FGPrax 2000, 130). So verhält es sich hier. Das Beschwerdegericht hat die angestrebte Eheschließung in den Blick genommen, diesem Umstand angesichts des - auch von der Rechtsbeschwerde nicht in Abrede gestellten - Scheiterns gegenüber den massiven Verdachtsmomenten jedoch nicht die entscheidende Bedeutung beigemessen. Soweit die Rechtsbeschwerde meint, die Voraussetzungen nach § 1309 Abs. 2 BGB für die Befreiung von der Pflicht zur Vorlage eines Ehefähigkeitszeugnisses seien gegeben gewesen, verweist sie nicht auf Vortrag dazu in den Tatsacheninstanzen. Nicht zu folgen ist ihr auch insoweit, als sie davon ausgeht, das Beschwerdegericht oder das Amtsgericht hätten den Betroffenen über die Möglichkeit der Beantragung einer Befreiung nach § 1309 Abs. 2 BGB belehren müssen. Dies erfordert der Grundsatz der Amtsermittlung, ohne dass es - wie hier - im Vorbringen des Betroffenen dafür Anhaltspunkte gibt, nicht (vgl. auch Senat, Beschl. v. 10. Juni 2010, V ZB 204/09, Umdruck S. 15).
17
bb) Unbegründet ist daher auch die in diesem Zusammenhang erhobene Rüge der Rechtsbeschwerde, das Beschwerdegericht habe den Betroffenen zu der Möglichkeit eines Befreiungsantrags nach § 1309 Abs. 2 BGB persönlich anhören müssen. Eine persönliche Anhörung ist zwar auch im Rechtsmittelverfahren grundsätzlich erforderlich (Senat, Beschl. v. 4. März 2010, V ZB 222/09, FGPrax 2010, 154, 155). Hiervon kann nach § 68 Abs. 3 Satz 2 FamFG nur abgesehen werden, wenn eine persönliche Anhör ung in erster Instanz erfolgt ist und zusätzliche Erkenntnisse durch eine erneute Anhörung nicht zu erwarten sind (Senat, Beschl. v. 4. März 2010, aaO, Beschl. v. 8. April 2010, V ZB 51/10, Rn. 19, juris). So verhält es sich aber hier. Da der Betroffene zur Begründung seiner Beschwerde zunächst nur allgemein die Annahme des Haftgrundes beanstandet und auf die fortbestehende Duldung abgestellt hat, gab es keinen Anlass für eine Anhörung zu dem Zweck, dem Betroffenen die Möglichkeit eines Befreiungsantrags nach § 1309 Abs. 2 BGB nahe zu bringen. Vielmehr durfte das Beschwerdegericht zunächst von einer persönlichen Anhörung absehen und die - erst nach der erfolgten Abschiebung eingegangene - angekündigte Beschwerdebegründung abwarten.
18
cc) Etwas anderes ergibt sich entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde auch nicht unter Berücksichtigung von Art. 6 GG.
19
(1) Soweit sich der Betroffene im Rechtsbeschwerdeverfahren auf die Möglichkeit eines Befreiungsverfahrens nach § 1309 Abs. 2 BGB stützt, wendet er sich im Kern gegen die Abschiebung selbst. Damit kann er im vorliegenden Verfahren nicht gehört werden. Es betrifft die Rechtmäßigkeit der Abschiebungsverfügung , die nicht von dem Haftrichter, sondern von den Verwaltungsgerichten zu prüfen ist (vgl. nur Senat, Beschl. v. 16. Dezember 2009, V ZB 148/09, FGPrax 2010, 50, 51).
20
(2) Der insoweit an die Entscheidung der Ausländerbehörde gebundene Haftrichter hat zwar ausnahmsweise Gesichtspunkte zu berücksichtigen, die den verfassungsrechtlichen Schutz von Ehe und Familie gem. Art. 6 GG betreffen , etwa zur Verhinderung der Schaffung vollendeter Tatsachen, wenn verwaltungsgerichtlicher Rechtsschutz nicht rechtzeitig zu erlangen ist oder durch nachträglich eingetretene Umstände die Anordnung von Abschiebungshaft als Mittel der Sicherung unnötig wird (vgl. OLG Köln OLGR 2001, 279; OLG Brandenburg FGPrax 2002, 280, 281). So liegt es hier indessen nicht. Die Eheschließung war nach dem Stand des Beschwerdeverfahrens auf absehbare Zeit nicht möglich und der bereits im erstinstanzlichen Verfahren anwaltlich vertretene Betroffene hatte hinreichend Gelegenheit, im Hinblick auf seine beabsichtigte Eheschließung verwaltungsgerichtlichen Eilschutz zu beantragen. Der Betroffene macht zudem weder geltend, noch ist ersichtlich, dass die Freiheitsentziehung vor dem Hintergrund einer gelebten Partnerschaft unverhältnismäßig ist.
21
e) Die Entscheidung hält rechtlicher Nachprüfung auch im Hinblick darauf stand, dass die Haft unzulässig ist, wenn feststeht, dass die Abschiebung, aus Gründen, die der Ausländer nicht zu vertreten hat, nicht innerhalb der nächsten drei Monate durchgeführt werden kann (§ 62 Abs. 2 Satz 4 AufenthG).
22
aa) Der Haftrichter hat seine Prognose hierzu auf alle im konkreten Fall ernsthaft in Betracht kommenden Umstände zu erstrecken, die der Abschiebung entgegenstehen oder sie verzögern können (Senat, Beschl. v. 8. Juli 2010, V ZB 89/10, Umdruck S. 4 f.). Die Entscheidung ist im Rechtsbeschwerdeverfahren darauf zu prüfen, ob das Beschwerdegericht die der Prognose zugrunde liegenden Wertungsmaßstäbe zutreffend erkannt und alle für die Beurteilung wesentlichen Umstände berücksichtigt und vollständig gewürdigt hat (Senat, aaO, S. 5). Zu der Feststellung, ob die Abschiebung innerhalb von drei Monaten möglich ist, sind konkrete Angaben zum Ablauf des Verfahrens und eine Darstellung erforderlich, in welchem Zeitraum die einzelnen Schritte unter normalen Bedingungen durchlaufen werden können. Der Tatrichter darf sich nicht auf die Wiedergabe der Einschätzung der Ausländerbehörde beschränken , die Abschiebung werde voraussichtlich innerhalb von drei Monaten stattfinden können (Senat, aaO; Beschl. v. 6. Mai 2010, V ZB 193/09, Rn. 20, juris). Soweit die Ausländerbehörde konkrete Tatsachen hierzu nicht mitteilt, hat das Gericht gemäß § 26 FamFG nachzufragen (Senat, Beschl. v. 6. Mai 2010, aaO ).
23
bb) Diesen Anforderungen wird die angefochtene Entscheidung nicht gerecht. Das Beschwerdegericht hat sich mit § 62 Abs. 2 Satz 4 AufenthG in seiner Entscheidung nicht einmal im Ansatz auseinandergesetzt. Die allgemeine Bezugnahme auf die Begründung des Amtsgerichts hilft über diese Auslassung nicht hinweg. Denn das Amtsgericht hat lediglich auf eine angebliche Mitteilung der Beteiligten zu 2 verwiesen, wonach die Abschiebung binnen drei Monaten möglich sei. Im Antrag der Beteiligten zu 2 wird jedoch nur auf die Mitteilungen des Auswärtigen Amtes und des Polizeipräsidiums Koblenz verwiesen, wonach Abschiebungen nach Guinea derzeit möglich seien. Dass die Abschiebung nach Haftanordnung unmittelbar eingeleitet würde, ist mangels genauer Darlegung ebenfalls wenig aussagekräftig.
24
cc) Diese Mängel haben sich hier aber nicht ausgewirkt. Der Ablauf der Geschehnisse lässt es als ausgeschlossen erscheinen, dass sich die Anordnung der Haft und deren Dauer unter Zugrundelegung einer sorgfältigen, alle Umstände berücksichtigenden Prognose als unangemessen erwiesen hätte. Der Betroffene ist innerhalb eines Monats seit seiner Inhaftierung abgeschoben worden. Das zeigt, dass das aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG abzuleitende Beschleunigungsgebot bei Freiheitsentziehungen (BVerfGE 20, 45, 49 f.; 46, 194, 195) beachtet worden ist. Bedenkt man, dass das Ziel einer sorgfältigen Prog- nose darin besteht, die zu erwartenden Verfahrensabläufe möglichst genau zu erfassen, so kann aus den späteren Abläufen auf den mutmaßlichen Inhalt einer gebotenen, aber unterlassenen Prognose geschlossen werden. Eine solche Prognose hätte die Haft und deren Dauer gerechtfertigt.

IV.

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Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 FamFG. Krüger Lemke Stresemann Richter am BGH Dr. Czub und Dr. Roth sind wegen Urlaubs verhindert zu unterschreiben. Krüger
Vorinstanzen:
AG Emden, Entscheidung vom 18.11.2009 - 1 XIV 158/09 B -
LG Aurich, Entscheidung vom 27.01.2010 - 1 T 539/09 -

(1) Die Abschiebungshaft ist unzulässig, wenn der Zweck der Haft durch ein milderes Mittel erreicht werden kann. Die Inhaftnahme ist auf die kürzest mögliche Dauer zu beschränken. Minderjährige und Familien mit Minderjährigen dürfen nur in besonderen Ausnahmefällen und nur so lange in Abschiebungshaft genommen werden, wie es unter Berücksichtigung des Kindeswohls angemessen ist.

(2) Ein Ausländer ist zur Vorbereitung der Ausweisung oder der Abschiebungsanordnung nach § 58a auf richterliche Anordnung in Haft zu nehmen, wenn über die Ausweisung oder die Abschiebungsanordnung nach § 58a nicht sofort entschieden werden kann und die Abschiebung ohne die Inhaftnahme wesentlich erschwert oder vereitelt würde (Vorbereitungshaft). Die Dauer der Vorbereitungshaft soll sechs Wochen nicht überschreiten. Im Falle der Ausweisung bedarf es für die Fortdauer der Haft bis zum Ablauf der angeordneten Haftdauer keiner erneuten richterlichen Anordnung.

(3) Ein Ausländer ist zur Sicherung der Abschiebung auf richterliche Anordnung in Haft zu nehmen (Sicherungshaft), wenn

1.
Fluchtgefahr besteht,
2.
der Ausländer auf Grund einer unerlaubten Einreise vollziehbar ausreisepflichtig ist oder
3.
eine Abschiebungsanordnung nach § 58a ergangen ist, diese aber nicht unmittelbar vollzogen werden kann.
Von der Anordnung der Sicherungshaft nach Satz 1 Nummer 2 kann ausnahmsweise abgesehen werden, wenn der Ausländer glaubhaft macht, dass er sich der Abschiebung nicht entziehen will. Die Sicherungshaft ist unzulässig, wenn feststeht, dass aus Gründen, die der Ausländer nicht zu vertreten hat, die Abschiebung nicht innerhalb der nächsten drei Monate durchgeführt werden kann; bei einem Ausländer, bei dem ein Fall des § 54 Absatz 1 Nummer 1 bis 1b oder Absatz 2 Nummer 1 oder 3 vorliegt und auf den nicht das Jugendstrafrecht angewendet wurde oder anzuwenden wäre, gilt abweichend ein Zeitraum von sechs Monaten. Abweichend von Satz 3 ist die Sicherungshaft bei einem Ausländer, von dem eine erhebliche Gefahr für Leib und Leben Dritter oder bedeutende Rechtsgüter der inneren Sicherheit ausgeht, auch dann zulässig, wenn die Abschiebung nicht innerhalb der nächsten drei Monate durchgeführt werden kann.

(3a) Fluchtgefahr im Sinne von Absatz 3 Satz 1 Nummer 1 wird widerleglich vermutet, wenn

1.
der Ausländer gegenüber den mit der Ausführung dieses Gesetzes betrauten Behörden über seine Identität täuscht oder in einer für ein Abschiebungshindernis erheblichen Weise und in zeitlichem Zusammenhang mit der Abschiebung getäuscht hat und die Angabe nicht selbst berichtigt hat, insbesondere durch Unterdrückung oder Vernichtung von Identitäts- oder Reisedokumenten oder das Vorgeben einer falschen Identität,
2.
der Ausländer unentschuldigt zur Durchführung einer Anhörung oder ärztlichen Untersuchung nach § 82 Absatz 4 Satz 1 nicht an dem von der Ausländerbehörde angegebenen Ort angetroffen wurde, sofern der Ausländer bei der Ankündigung des Termins auf die Möglichkeit seiner Inhaftnahme im Falle des Nichtantreffens hingewiesen wurde,
3.
die Ausreisefrist abgelaufen ist und der Ausländer seinen Aufenthaltsort trotz Hinweises auf die Anzeigepflicht gewechselt hat, ohne der zuständigen Behörde eine Anschrift anzugeben, unter der er erreichbar ist,
4.
der Ausländer sich entgegen § 11 Absatz 1 Satz 2 im Bundesgebiet aufhält und er keine Betretenserlaubnis nach § 11 Absatz 8 besitzt,
5.
der Ausländer sich bereits in der Vergangenheit der Abschiebung entzogen hat oder
6.
der Ausländer ausdrücklich erklärt hat, dass er sich der Abschiebung entziehen will.

(3b) Konkrete Anhaltspunkte für Fluchtgefahr im Sinne von Absatz 3 Satz 1 Nummer 1 können sein:

1.
der Ausländer hat gegenüber den mit der Ausführung dieses Gesetzes betrauten Behörden über seine Identität in einer für ein Abschiebungshindernis erheblichen Weise getäuscht und hat die Angabe nicht selbst berichtigt, insbesondere durch Unterdrückung oder Vernichtung von Identitäts- oder Reisedokumenten oder das Vorgeben einer falschen Identität,
2.
der Ausländer hat zu seiner unerlaubten Einreise erhebliche Geldbeträge, insbesondere an einen Dritten für dessen Handlung nach § 96, aufgewandt, die nach den Umständen derart maßgeblich sind, dass daraus geschlossen werden kann, dass er die Abschiebung verhindern wird, damit die Aufwendungen nicht vergeblich waren,
3.
von dem Ausländer geht eine erhebliche Gefahr für Leib und Leben Dritter oder bedeutende Rechtsgüter der inneren Sicherheit aus,
4.
der Ausländer ist wiederholt wegen vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu mindestens einer Freiheitsstrafe verurteilt worden,
5.
der Ausländer hat die Passbeschaffungspflicht nach § 60b Absatz 3 Satz 1 Nummer 1, 2 und 6 nicht erfüllt oder der Ausländer hat andere als die in Absatz 3a Nummer 2 genannten gesetzlichen Mitwirkungshandlungen zur Feststellung der Identität, insbesondere die ihm nach § 48 Absatz 3 Satz 1 obliegenden Mitwirkungshandlungen, verweigert oder unterlassen und wurde vorher auf die Möglichkeit seiner Inhaftnahme im Falle der Nichterfüllung der Passersatzbeschaffungspflicht nach § 60b Absatz 3 Satz 1 Nummer 1, 2 und 6 oder der Verweigerung oder Unterlassung der Mitwirkungshandlung hingewiesen,
6.
der Ausländer hat nach Ablauf der Ausreisefrist wiederholt gegen eine Pflicht nach § 61 Absatz 1 Satz 1, Absatz 1a, 1c Satz 1 Nummer 3 oder Satz 2 verstoßen oder eine zur Sicherung und Durchsetzung der Ausreisepflicht verhängte Auflage nach § 61 Absatz 1e nicht erfüllt,
7.
der Ausländer, der erlaubt eingereist und vollziehbar ausreisepflichtig geworden ist, ist dem behördlichen Zugriff entzogen, weil er keinen Aufenthaltsort hat, an dem er sich überwiegend aufhält.

(4) Die Sicherungshaft kann bis zu sechs Monaten angeordnet werden. Sie kann in Fällen, in denen die Abschiebung aus von dem Ausländer zu vertretenden Gründen nicht vollzogen werden kann, um höchstens zwölf Monate verlängert werden. Eine Verlängerung um höchstens zwölf Monate ist auch möglich, soweit die Haft auf der Grundlage des Absatzes 3 Satz 1 Nummer 3 angeordnet worden ist und sich die Übermittlung der für die Abschiebung erforderlichen Unterlagen oder Dokumente durch den zur Aufnahme verpflichteten oder bereiten Drittstaat verzögert. Die Gesamtdauer der Sicherungshaft darf 18 Monate nicht überschreiten. Eine Vorbereitungshaft ist auf die Gesamtdauer der Sicherungshaft anzurechnen.

(4a) Ist die Abschiebung gescheitert, bleibt die Anordnung bis zum Ablauf der Anordnungsfrist unberührt, sofern die Voraussetzungen für die Haftanordnung unverändert fortbestehen.

(5) Die für den Haftantrag zuständige Behörde kann einen Ausländer ohne vorherige richterliche Anordnung festhalten und vorläufig in Gewahrsam nehmen, wenn

1.
der dringende Verdacht für das Vorliegen der Voraussetzungen nach Absatz 3 Satz 1 besteht,
2.
die richterliche Entscheidung über die Anordnung der Sicherungshaft nicht vorher eingeholt werden kann und
3.
der begründete Verdacht vorliegt, dass sich der Ausländer der Anordnung der Sicherungshaft entziehen will.
Der Ausländer ist unverzüglich dem Richter zur Entscheidung über die Anordnung der Sicherungshaft vorzuführen.

(6) Ein Ausländer kann auf richterliche Anordnung zum Zwecke der Abschiebung für die Dauer von längstens 14 Tagen zur Durchführung einer Anordnung nach § 82 Absatz 4 Satz 1, bei den Vertretungen oder ermächtigten Bediensteten des Staates, dessen Staatsangehörigkeit er vermutlich besitzt, persönlich zu erscheinen, oder eine ärztliche Untersuchung zur Feststellung seiner Reisefähigkeit durchführen zu lassen, in Haft genommen werden, wenn er

1.
einer solchen erstmaligen Anordnung oder
2.
einer Anordnung nach § 82 Absatz 4 Satz 1, zu einem Termin bei der zuständigen Behörde persönlich zu erscheinen,
unentschuldigt ferngeblieben ist und der Ausländer zuvor auf die Möglichkeit einer Inhaftnahme hingewiesen wurde (Mitwirkungshaft). Eine Verlängerung der Mitwirkungshaft ist nicht möglich. Eine Mitwirkungshaft ist auf die Gesamtdauer der Sicherungshaft anzurechnen. § 62a Absatz 1 findet entsprechende Anwendung.

Das Gericht hat von Amts wegen die zur Feststellung der entscheidungserheblichen Tatsachen erforderlichen Ermittlungen durchzuführen.