Bundesgerichtshof Beschluss, 28. Nov. 2012 - X ZB 6/11

bei uns veröffentlicht am28.11.2012

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
X ZB 6/11
vom
28. November 2012
in der Rechtsbeschwerdesache
betreffend das deutsche Patent 102 49 336
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Sorbitol
Selbst wenn der Schwerpunkt der Verhandlung im Einspruchsverfahren auf einem
bestimmten Widerrufsgrund gelegen hat, weil das Patentgericht zunächst
einem Widerruf des Streitpatents aus diesem Grund zuneigte, darf der Patentinhaber
nicht annehmen, allein dieser Widerrufsgrund sei entscheidungserheblich.
BGH, Beschluss vom 28. November 2012 - X ZB 6/11 - Bundespatentgericht
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 28. November 2012
durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Meier-Beck, die Richter Gröning,
Dr. Grabinski und Hoffmann sowie die Richterin Schuster

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 15. Senats (Technischen Beschwerdesenats) des Bundespatentgerichts vom 14. März 2011 wird auf Kosten der Patentinhaberin zurückgewiesen. Der Wert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 50.000 € festgesetzt.

Gründe:


I. Die Rechtsbeschwerdeführerin ist Inhaberin des deutschen Patents
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102 49 336 (Streitpatents), das ein Verfahren zur Herstellung von sprühgetrocknetem Sorbitol und Trocknung der Sorbitolpartikel auf einem nachgeschalteten Fließbett und sprühgetrockneten Sorbitol betrifft. Das Streitpatent umfasst neun Patentansprüche. Patentanspruch 1 lautet: "Verfahren zur Herstellung von sprühgetrocknetem Sorbitol durch Versprühen einer 65 bis 75%igen Sorbitollösung mittels eines Rotationszerstäubers in einem Sprühturm im Gleichstrom mit feinverteiltem Sorbitol-Kreislaufkristallisat unter Zuführung von Warmluft und einem nachgeschalteten Fließbett zur weiteren Trocknung der Sorbitolpartikel, dadurch gekennzeichnet, dass die Sorbitollösung vor der Zuführung zu dem Zerstäuber auf eine Viskosität von 8 bis 50 mPa·s eingestellt wird, der Zerstäuber mit einer Drehzahl von 5000 bis 15000 U/min betrieben wird, Kreislaufkristallisat in einer Menge von 3 bis 4 kg/kg Endprodukt zugeführt wird und am Sprühturmaustritt die Temperatur der Abluft kontinuierlich gemessen und über eine Regelstrecke die Temperatur der zugeführten Warmluft in einem Bereich von 105 bis 150ºC verändert wird, derart , dass die Ablufttemperatur auf einem konstanten Wert von 55 bis 57ºC gehalten wird, wobei Warmluft in einer Menge von 14 bis 22 m³ im Normzustand/kg Endprodukt zugeführt wird, und anschließend am Sprühturmaustritt anfallender Sorbitol direkt dem nachgeschalteten Fließbett zugeführt, mittels Warmluft mit einer Temperatur von 85 bis 90ºC getrocknet und abschließend mit entfeuchteter Kaltluft auf eine Temperatur von 20 bis 40 ºC abgekühlt wird." Die Einsprechende hat geltend gemacht, dem Patentgegenstand fehle es
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an der erforderlichen Neuheit und erfinderischen Tätigkeit. Sie hat sich hierzu auf zahlreiche Entgegenhaltungen gestützt. Darüber hinaus hat sie mangelnde Offenbarung und Ausführbarkeit der patentgemäßen Lehre geltend gemacht. Das Patentgericht hat das Streitpatent widerrufen.
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Mit der nicht zugelassenen Rechtsbeschwerde rügt die Patentinhaberin,
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der angefochtene Beschluss beruhe auf einer Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör. II. Die Rechtsbeschwerde ist statthaft, da mit ihr der Beschwerdegrund
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der Verletzung rechtlichen Gehörs (§ 100 Abs. 3 Nr. 3 PatG) geltend gemacht wird, und auch im Übrigen zulässig. Sie bleibt in der Sache ohne Erfolg, da der geltend gemachte Beschwerdegrund nicht vorliegt. 1. Das Patentgericht hat ausgeführt, die Lehren des Streitpatents könn6 ten nachgearbeitet werden und seien damit ausführbar. Der in Patentanspruch 8 geschützte Sorbitol sowie das Herstellungsverfahren gemäß Patentanspruch 1 beruhten mit Blick auf die deutsche Offenlegungsschrift 32 45 170 sowie die DDR-Wirtschaftspatente 252 003 und 277 176 jedoch nicht auf erfinderischer Tätigkeit. 2. Die Rechtsbeschwerde sieht durch den Widerruf des Patents den
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Anspruch der Patentinhaberin auf rechtliches Gehör verletzt. Der Widerruf des Streitpatents aufgrund mangelnder erfinderischer Tätigkeit stehe im Widerspruch zu der in der mündlichen Verhandlung geäußerten Auffassung des Patentgerichts. Dieses habe der Meinung zugeneigt, das beanspruchte Verfahren sei aufgrund mangelnder Offenbarung nicht ausführbar. Aufgrund dieses Hinweises habe sich der gesamte Vortrag der Verfahrensbeteiligten auf Fragen zur Offenbarung und Ausführbarkeit konzentriert. Das Patentgericht habe diesen Schwerpunkt durch entsprechende Nachfragen bestätigt. Für die Beteiligten sei insgesamt der Eindruck entstanden, allein die Ausführbarkeit sei entscheidungserheblich. Vertiefte Ausführungen zur Patentfähigkeit seien daher nicht geboten gewesen. Aus diesem Grund habe die Patentinhaberin davon abgesehen , ergänzend zur erfinderischen Tätigkeit vorzutragen und vorbereitete Hilfsanträge zu stellen. Von der in der mündlichen Verhandlung geäußerten Rechtsauffassung sei das Patentgericht in seinem Beschluss überraschend abgewichen. Darin werde die Frage der Ausführbarkeit nur am Rande behandelt, während der Widerruf des Streitpatents auf mangelnde erfinderische Tätigkeit gestützt werde. Das Patentgericht habe folglich einen Umstand als entscheidungserheblich angesehen, zu dem sich die Parteien in der mündlichen Verhandlung nicht hätten äußern können; deshalb sei vor der Entscheidung ein richterlicher Hinweis erforderlich gewesen. Die Änderung der Auffassung des Patentgerichts sei offenbar erst durch Zusendung der Entscheidung "Klammernahtgerät" des Bundesgerichtshofs veranlasst worden. Diese Entscheidung habe der Verfahrensbevollmächtigte der Patentinhaberin im Nachgang zur mündlichen Verhandlung dem Vorsitzenden des Technischen Beschwerdesenats persönlich übersandt. Der angefochtene Beschluss beruhe auch auf dem ge- schilderten Gehörsverstoß, da die Patentinhaberin bei Erteilung des gebotenen Hinweisesergänzend zur erfinderischen Tätigkeit vorgetragen und vorbereitete Hilfsanträge gestellt hätte. 3. Die Rüge ist unbegründet.
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a) Der Rechtsbeschwerdegrund des § 100 Abs. 3 Nr. 3 PatG trägt der
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Bedeutung des verfassungsrechtlich gewährleisteten Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) für ein rechtsstaatliches Verfahren Rechnung, in dem jeder Verfahrensbeteiligte seine Rechte wirksam wahrnehmen kann. Der Anspruch auf rechtliches Gehör gibt jedem Verfahrensbeteiligten das Recht, sich zu dem der Entscheidung zugrundeliegenden Sachverhalt zu äußern und dem Gericht seine Auffassung zu den erheblichen Rechtsfragen darzulegen. Das Gericht ist verpflichtet, das tatsächliche und rechtliche Vorbringen der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen und auf seine sachlich-rechtliche und verfahrensrechtliche Entscheidungserheblichkeit zu prüfen. Es darf ferner keine Erkenntnisse verwerten, zu denen sich die Verfahrensbeteiligten nicht äußern konnten (st. Rspr., BVerfG, Beschluss vom 19. Mai 1992 - 1 BvR 986/91, BVerfGE 86, 133; Beschluss vom 10. Februar 1995 - 2 BvR 893/93, NJW 1995, 2095; Beschlüsse vom 2. Mai 1995 - 1 BvR 2174/94, 1 BvR 2220/94, NJW 1995, 2095, 2096; BGH, Beschluss vom 27. Juni 2007 - X ZB 6/05, BGHZ 173, 47 - Informationsübermittlungsverfahren II; Beschluss vom 27. Februar 2008 - X ZB 10/07, GRUR-RR 2008, 456 - Installiereinrichtung; Beschluss vom 22. September 2009 - Xa ZB 36/08, GRUR 2010, 87 - Schwingungsdämpfer; Beschluss vom 15. April 2010 - Xa ZB 10/09, GRUR 2010, 950 - Walzenformgebungsmaschine ; Beschluss vom 12. April 2011 - X ZB 1/10, GRUR 2011, 656 - Modularer Fernseher; Beschluss vom 16. Juni 2011 - X ZB 3/10, GRUR 2011, 851 - Werkstück).
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Das Gericht muss aber den Parteien nicht mitteilen, wie es den die Grundlage seiner Entscheidung bildenden Sachverhalt voraussichtlich würdigen wird. Es reicht in der Regel aus, wenn die Sach- und Rechtslage erörtert und den Beteiligten dadurch aufgezeigt wird, welche Gesichtspunkte für die Entscheidung voraussichtlich von Bedeutung sein werden (BGH, Beschluss vom 16. September 2008 - X ZB 29/07, GRUR 2009, 21 - Antennenhalter; BGH, aaO - Walzenformgebungsmaschine). Eine Gehörsverletzung kann jedoch vorliegen , wenn die Verfahrensbeteiligten bei Anwendung der von ihnen zu erwartenden Sorgfalt nicht erkennen konnten, auf welches Vorbringen es für die Entscheidung des Gerichts ankommen kann und wird (BGH, Beschluss vom 8. September 2009 - X ZB 35/08, GRUR 2009, 1192 - Polyolefinfolie mwN).
b) Nach diesen Grundsätzen ist im Streitfall eine Verletzung rechtlichen
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Gehörs nicht zu erkennen. In dem Einspruchsverfahren vor dem Patentgericht haben beide Beteilig12 te schriftsätzlich ausführlich sowohl zum Widerrufsgrund der mangelnden Ausführbarkeit als auch zum Widerrufsgrund der mangelnden Patentfähigkeit Stellung genommen, und zwar sowohl in der Einspruchsbegründung und der Einspruchserwiderung als auch in den kurz vor der mündlichen Verhandlung eingereichten Schriftsätzen vom 17. Februar und 2. März 2011. In der mündlichen Verhandlung hat der Vorsitzende - wie sich aus der Sitzungsniederschrift ergibt - den wesentlichen Inhalt der Akten und damit auch den jeweiligen Beteiligtenvortrag referiert. Im Anschluss daran wurde die Sach- und Rechtslage mit den Beteiligten erörtert. Danach waren beide Widerrufsgründe Gegenstand der Verhandlung; auch die Rechtsbeschwerde stellt nicht in Abrede, dass der Widerrufsgrund der mangelnden Patentfähigkeit angesprochen wurde. Selbst wenn der Schwerpunkt der Verhandlung auf der Frage der Aus13 führbarkeit gelegen hat, weil das Patentgericht möglicherweise zunächst einem Widerruf des Streitpatents wegen mangelnder Ausführbarkeit zuneigte, durfte die Patentinhaberin entgegen der Rechtsbeschwerde nicht annehmen, allein die Ausführbarkeit sei entscheidungserheblich. Denn allein entscheidungserheblich konnte die Ausführbarkeit der Erfindung nur dann sein, wenn das Patentgericht das Streitpatent aus diesem Grund widerrief. Solange die Patentinhaberin der vom Patentgericht hierzu vorläufig geäußerten Auffassung entgegentrat und keinen - von der Rechtsbeschwerde auch nicht aufgezeigten - Anlass zu der Annahme hatte, mit ihren Argumenten keinesfalls durchzudringen, musste sie damit rechnen, dass sich das Patentgericht auch der Frage der Patentfähigkeit zuwenden würde. Insoweit zeigt die Rechtsbeschwerde jedoch gleichfalls keine Umstände
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auf, aufgrund deren die Patentinhaberin hätte davon ausgehen dürfen, es bedürfe desjenigen Vortrags nicht, den sie nach dem Rechtsbeschwerdevorbringen ergänzend zur erfinderischen Tätigkeit gehalten hätte. Dies wäre nur dann in Betracht gekommen, wenn entweder das Patentgericht zu erkennen gegeben hätte, der Gegenstand des Streitpatents sei nach seiner Auffassung ohne Zweifel patentfähig oder wenn das Patentgericht die mangelnde Patentfähigkeit in dem angefochtenen Beschluss mit Erwägungen begründet hätte, mit denen die Patentinhaberin auch bei sorgfältiger Verfahrensführung und Auseinandersetzung mit den Argumenten der Einsprechenden nicht rechnen musste. Weder für das eine noch für das andere ist von der Rechtsbeschwerde etwas dargetan. Die Patentinhaberin war deshalb gehalten, alle Gesichtspunkte von sich aus in Betracht zu ziehen, die die Patentfähigkeit gegebenenfalls zusätzlich stützen konnten, ihren Vortrag auf eine mögliche Berücksichtigung des weiteren Widerrufsgrunds auszurichten und mittels der nach dem Rechtsbeschwerdevorbringen vorbereiteten Hilfsanträge das Streitpatent auch beschränkt zu verteidigen (vgl. BVerfG NJW 1998, 2515, 2523; BGH, Beschluss vom 8. Mai 2007 - VIII ZR 235/06, NJW 2007, 2117). Wenn die Patentinhaberin grundsätzlich eine (hilfsweise) beschränkte Verteidigung des Streitpatents erwog, gebot es ohnehin eine sorgfältige Verfahrensführung, geänderte Haupt- oder Hilfsanträge rechtzeitig vor der mündlichen Verhandlung einzureichen, um dem Gericht und der Gegnerin eine Einarbeitung zu ermöglichen und eine Vertagung zu vermeiden. Hierzu war sie mit der Ladung zur mündlichen Verhandlung vor dem Patentgericht ausdrücklich aufgefordert worden. Die Vermutung der Rechtsbeschwerde, das Patentgericht habe die ver15 kündete Entscheidung nachträglich mit mangelnder Patentfähigkeit begründet, nachdem der Verfahrensbevollmächtigte der Patentinhaberin den Vorsitzenden des Technischen Beschwerdesenats nach der mündlichen Verhandlung auf die Entscheidung "Klammernahtgerät" (BGH, Urteil vom 13. Juli 2010 - Xa ZR 126/07, GRUR 2010, 916) hingewiesen habe, die ihm, dem Verfahrensbevollmächtigten , bei der Einspruchsverhandlung noch nicht bekannt gewesen sei, ist unerheblich und im Übrigen ohne jeden tatsächlichen Anhalt. Es ist weder ersichtlich, warum die zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung bereits seit mehreren Monaten veröffentlichte Entscheidung des Bundesgerichtshofs dem Patentgericht unbekannt gewesen sein sollte, noch warum das Patentgericht erst in Kenntnis dieser Entscheidung die Verteidigung der Erfindung als ausführbar offenbart als zutreffend zu erkennen in der Lage gewesen sein sollte. III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 109 Abs. 1 Satz 2 PatG.
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IV. Eine mündliche Verhandlung hat der Senat nicht für erforderlich gehalten (§ 107 Abs. 1 Halbsatz 2 PatG). Meier-Beck Gröning Grabinski Hoffmann Schuster
Vorinstanz:
Bundespatentgericht, Entscheidung vom 14.03.2011 - 15 W(pat) 341/06 -

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 28. Nov. 2012 - X ZB 6/11

Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Beschluss, 28. Nov. 2012 - X ZB 6/11

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(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör. (2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde. (3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafge

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(1) Gegen die Beschlüsse der Beschwerdesenate des Patentgerichts, durch die über eine Beschwerde nach § 73 oder über die Aufrechterhaltung oder den Widerruf eines Patents nach § 61 Abs. 2 entschieden wird, findet die Rechtsbeschwerde an den Bundesger

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(1) Sind an dem Verfahren über die Rechtsbeschwerde mehrere Personen beteiligt, so kann der Bundesgerichtshof bestimmen, daß die Kosten, die zur zweckentsprechenden Erledigung der Angelegenheit notwendig waren, von einem Beteiligten ganz oder teilwei
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Referenzen

(1) Gegen die Beschlüsse der Beschwerdesenate des Patentgerichts, durch die über eine Beschwerde nach § 73 oder über die Aufrechterhaltung oder den Widerruf eines Patents nach § 61 Abs. 2 entschieden wird, findet die Rechtsbeschwerde an den Bundesgerichtshof statt, wenn der Beschwerdesenat die Rechtsbeschwerde in dem Beschluß zugelassen hat.

(2) Die Rechtsbeschwerde ist zuzulassen, wenn

1.
eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu entscheiden ist oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs erfordert.

(3) Einer Zulassung zur Einlegung der Rechtsbeschwerde gegen Beschlüsse der Beschwerdesenate des Patentgerichts bedarf es nicht, wenn einer der folgenden Mängel des Verfahrens vorliegt und gerügt wird:

1.
wenn das beschließende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war,
2.
wenn bei dem Beschluß ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen oder wegen Besorgnis der Befangenheit mit Erfolg abgelehnt war,
3.
wenn einem Beteiligten das rechtliche Gehör versagt war,
4.
wenn ein Beteiligter im Verfahren nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten war, sofern er nicht der Führung des Verfahrens ausdrücklich oder stillschweigend zugestimmt hat,
5.
wenn der Beschluß auf Grund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt worden sind, oder
6.
wenn der Beschluß nicht mit Gründen versehen ist.

(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.

(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
X ZB 6/05
vom
27. Juni 2007
in der Rechtsbeschwerdesache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ : ja
BGHR : ja
Informationsübermittlungsverfahren II
Das Patent darf im Einspruchs(beschwerde)verfahren nur dann insgesamt widerrufen
werden, wenn die Widerrufsgründe sämtliche selbständigen Patentansprüche
betreffen oder der Patentinhaber die Aufrechterhaltung des Patents nur
im Umfang eines Anspruchssatzes begehrt, der zumindest einen nicht rechtsbeständigen
Patentanspruch enthält (Fortführung des Sen.Beschl. v. 26.9.1996
- X ZB 18/95, GRUR 1997, 120 - elektrisches Speicherheizgerät).
BGH, Beschl. v. 27. Juni 2007 - X ZB 6/05 - Bundespatentgericht
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 27. Juni 2007 durch
den Vorsitzenden Richter Dr. Melullis und die Richter Scharen, Keukenschrijver,
Prof. Dr. Meier-Beck und Gröning

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 20. Senats (Technischen Beschwerdesenats) des Bundespatentgerichts vom 10. Januar 2005 wird auf Kosten der Rechtsbeschwerdeführerin zurückgewiesen.
Der Wert des Gegenstands der Rechtsbeschwerde wird auf 50.000,-- € festgesetzt.

Gründe:


1
I. Die Rechtsbeschwerdeführerin ist Inhaberin des am 29. Oktober 1999 angemeldeten deutschen Patents 199 54 032 (Streitpatents), das ein Verfahren und eine Vorrichtung zum Übermitteln von Informationen betrifft und neun Patentansprüche umfasst. Die Veröffentlichung der Patenterteilung ist am 8. August 2002 erfolgt. Die Patentansprüche 1 und 9 lauten wie folgt: "1. Verfahren zum Übermitteln von Informationen von einem Sender zu wenigstens einem Empfänger, wobei sendeseitig eine aus wenigstens zwei zusammengehörigen, nicht identi- schen Symbolen (Bildsequenzen) bestehende Bilderfolge ausgewählt wird, zu jedem der wenigstens zwei Symbole sendeseitig eine Zeichenfolge ermittelt wird, die den Symbolen zugeordneten Zeichenfolgen dem Empfänger gesendet werden und empfangsseitig die Zeichenfolgen in die zugehörigen Symbole gewandelt werden und die Symbole nacheinander als Bilderfolge auf einer Anzeigeeinrichtung angezeigt werden und gleichzeitig wenigstens eine der Bilderfolge zugeordnete Tonfolge akustisch wiedergegeben wird.
9. Vorrichtung zum Übermitteln von Informationen von einem Sender zu wenigstens einem Empfänger, wobei dem Sender und dem wenigstens einen Empfänger ein Mikroprozessor, der mit wenigstens einem Speichermittel zusammenwirkt, zugeordnet sind, und in dem wenigstens einen Speichermittel eine vorgebbare Anzahl von zusammengehörigen, nicht identischen Symbolen (Bildsequenzen) mit ihren zugehörigen Zeichenfolgen sowie wenigstens eine den Symbolen zugeordnete Tonfolge abgelegt sind, und mit einer Anzeigeeinrichtung zum Anzeigen der Symbole sowie mit einer akustischen Wiedergabeeinrichtung zum Wiedergeben der wenigstens einen Tonfolge, und mit einer Sende- und Empfangseinrichtung zum Übermitteln der Zeichenfolgen."
2
Die Einsprechende hat geltend gemacht, der Gegenstand des Patents sei nicht patentfähig.
3
Die Patentinhaberin hat beantragt, das Streitpatent in vollem Umfang aufrechtzuerhalten, hilfsweise mit Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag, überreicht in der mündlichen Verhandlung.
4
In der Fassung dieses Hilfsantrags lautet Patentanspruch 1 (Änderung kursiv): "Verfahren zum Übermitteln von Informationen von einem Sender zu wenigstens einem Empfänger, wobei sendeseitig eine aus wenigstens zwei zusammengehörigen, nicht identischen Symbolen (Bildsequenzen) bestehende Bilderfolge, die in zeitlich ver- setzter Darstellung ein bewegtes Bild ergeben, ausgewählt wird, zu jedem der wenigstens zwei Symbole sendeseitig eine Zeichenfolge ermittelt wird, die den Symbolen zugeordneten Zeichenfolgen dem Empfänger gesendet werden und empfangsseitig die Zeichenfolgen in die zugehörigen Symbole gewandelt werden und die Symbole nacheinander als Bilderfolge auf einer Anzeigeeinrichtung angezeigt werden und gleichzeitig wenigstens eine der Bilderfolge zugeordnete Tonfolge akustisch wiedergegeben wird."
5
Das Bundespatentgericht hat das Streitpatent widerrufen.
6
Mit der - nicht zugelassenen - Rechtsbeschwerde rügt die Patentinhaberin , der angefochtene Beschluss sei nicht mit Gründen versehen und verletze ihren Anspruch auf rechtliches Gehör. Darüber hinaus macht sie geltend, die Zuständigkeitsregelung des § 147 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 PatG in der Fassung vom 13. Dezember 2001 sei verfassungswidrig und nichtig.
7
II. Die Rechtsbeschwerde ist, da sie das Bundespatentgericht nicht zugelassen hat, nur insoweit statthaft, als die Rechtsbeschwerdegründe des § 100 Abs. 3 Nrn. 3 und 6 PatG geltend gemacht werden.
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Gegen den Beschluss des Bundespatentgerichts, mit dem über den Einspruch entschieden wurde, findet nach § 147 Abs. 3 Satz 5 PatG in der Fassung vom 19. Juli 2002 die Rechtsbeschwerde "nach § 100" statt. Diese Regelung eröffnet die Rechtsbeschwerde, wenn sie, wie § 100 PatG bestimmt, vom Patentgericht zugelassen oder auf die Rüge eines der in § 100 Abs. 3 PatG aufgeführten Verfahrensmängel gestützt ist.
9
Es kann dahinstehen, ob es geboten wäre, die Bestimmung des § 147 Abs. 3 Satz 5 PatG verfassungskonform dahin auszulegen, dass es bei einer Einspruchsentscheidung des Bundespatentgerichts der Zulassung der Rechtsbeschwerde nicht bedarf, wenn nur auf diese Weise verhindert werden könnte, dass sich aus der Übertragung des Einspruchsverfahrens auf das Bundespatentgericht für die Zeit vom 1. Januar 2002 bis zum 30. Juni 2006 ein verfassungswidriger Zustand ergäbe. Denn entgegen der von der Patentinhaberin in ihrer gegen die angefochtene Entscheidung eingelegten Verfassungsbeschwerde vertretenen Auffassung ist § 147 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 PatG in der Fassung vom 13. Dezember 2001 nicht verfassungswidrig (Sen.Beschl. v. 17.4.2007 - X ZB 9/06, Tz. 26 ff. - Informationsübermittlungsverfahren I, für BGHZ vorgesehen ).
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Weder ist, wie der Senat in dem genannten Beschluss näher ausgeführt hat, die Rechtsweggarantie des Art. 19 Abs. 4 GG verletzt, noch bestehen gegen die zeitweise Suspendierung des Einspruchsverfahrens vor der Patentabteilung Bedenken im Hinblick auf den Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG). Dass die Zuständigkeit des Bundespatentgerichts davon abhängt, ob die Einspruchs- frist vor oder - wie im Streitfall - nach dem 1. Januar 2002 begonnen hat, liegt in der Natur einer verfahrensrechtlichen Regelung, die notwendigerweise einen Zeitpunkt bestimmen muss, von dem an sie Geltung beansprucht, und damit Sachverhalte, die in den einen Zeitraum fallen, anders behandeln muss als diejenigen , die den für den anderen Zeitraum geltenden Regeln unterliegen. Art. 3 Abs. 1 GG schützt jedoch nicht vor jeder Ungleichbehandlung, sondern nur vor der ungerechtfertigten Verschiedenbehandlung. Der allgemeine Gleichheitssatz ist verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten (BVerfGE 55, 72, 88; 88, 87, 96 f.; 101, 239, 269; st. Rspr.). Dass der Patentanmelder keinen oder nur begrenzten Einfluss darauf hat, wann die Einspruchsfrist gegen das ihm erteilte Patent beginnt , begründet keinen sachlichen Einwand gegen den vom Gesetzgeber gewählten Stichtag. Es war vielmehr sachgerecht und naheliegend, die Zuständigkeit des Bundespatentgerichts davon abhängig zu machen, zu welchem Zeitpunkt ein Patent mit dem Einspruch angegriffen werden konnte. Nach dem allgemeinen verfahrensrechtlichen Grundsatz der perpetuatio fori, der in § 261 Abs. 3 Nr. 2 ZPO Ausdruck gefunden hat und von dem abweichen zu wollen auch der Gesetzgeber des Gesetzes zur Änderung des patentrechtlichen Einspruchsverfahrens und des Patentkostengesetzes vom 21. Juni 2006 nicht hat erkennen lassen, besteht eine solche vor dem 1. Juli 2006 begründete gerichtliche Zuständigkeit - entgegen der Auffassung des 11. Senats des Bundespatentgerichts (Beschl. v. 12.4.2007 - 11 W (pat) 383/06) - unbeschadet dessen fort, dass sie infolge der Aufhebung des § 147 Abs. 3 PatG nach dem 30. Juni 2006 nicht mehr auf der Grundlage dieser Vorschrift begründet werden kann.
11
III. Soweit die Rechtsbeschwerde hiernach zulässig ist, bleibt sie in der Sache ohne Erfolg, weil die angefochtene Entscheidung weder im Sinne des § 100 Abs. 3 Nr. 6 PatG nicht mit Gründen versehen ist, noch dem Patentinhaber das rechtliche Gehör versagt worden ist (§ 100 Abs. 3 Nr. 3 PatG).
12
1. Das Bundespatentgericht hat ausgeführt, der Gegenstand des Streitpatents sei sowohl in der erteilten Fassung des Anspruchs 1 als auch in dessen mit dem Hilfsantrag verteidigten engeren Fassung durch den Stand der Technik in Verbindung mit dem Fachwissen nahegelegt und stelle keine patentfähige Erfindung dar. Aus der US-Patentschrift 5 784 001 sei bekannt, eine graphische Botschaft dadurch zu übermitteln, dass auf Seiten des Senders eine Zeichenfolge, die aus bestimmten, nicht identischen Codes bestehe, ausgewählt und an den Empfänger gesendet werde. Beim Empfänger würden die Codes entsprechend einer graphischen Tabelle (Fig. 2 der US-Patentschrift 5 784 001) in die zugehörigen, nicht identischen Symbole umgewandelt und auf einer Anzeigeeinrichtung angezeigt. Es liege nahe, dieses Verfahren so weiterzuentwickeln , dass sich damit auch bewegte Bilder auswählen und auf Seiten des Empfängers darstellen ließen. Die internationale Patentanmeldung WO 97/35280 beschreibe die Möglichkeit, von einem Sender zu einem Empfänger zusammengehörige, nicht identische Symbole zu übertragen, die in zeitlich versetzter Darstellung ein bewegtes graphisches Bild ergäben, und dieses auf einer Anzeigeeinrichtung wiederzugeben. Bei Übertragung dieses Gedankens auf das Verfahren nach der US-Patentschrift 5 784 001 müssten die empfangenen Codes jeweils zusammengehörige, nicht identische Symbole repräsentieren , die als Bildsequenzen in der graphischen Tabelle abgelegt seien und durch die Reihenfolge der zeitlich nacheinander eintreffenden Codes als bewegtes Bild ausgelesen und dargestellt würden. Für den Fachmann liege der dann noch erforderliche Schritt zum Gegenstand des Streitpatents auf der Hand. Damit der Absender möglichst anschaulich unter den zur Verfügung stehenden festgelegten Bilderfolgen auswählen könne, lasse man im Sender den umgekehrten Vorgang ablaufen: Nach Auswahl einer bestimmten Bilderfolge ermittle man die zugehörige Codefolge der einzelnen Bildsequenzen und übertrage die Codes zum Empfänger. Aus der Beschreibung der internationalen Patentanmeldung WO 97/35280 (S. 17 Z. 12 f.) ergebe sich weiter die Anregung, der Bilderfolge eine Tonfolge zuzuordnen. Die US-Patentschrift 5 784 001 rege an (Sp. 7 Z. 55-57), die Tonfolge zusätzlich zu den einzelnen Bildsequenzen als wichtige Information zumindest beim Empfänger abzuspeichern und sie gleichzeitig mit der Anzeige der Bilderfolge abzuspielen.
13
2. Diese Ausführungen beanstandet die Rechtsbeschwerde als solche nicht. Sie meint, der angefochtene Beschluss sei deshalb nicht mit Gründen versehen, weil er keine Begründung für die Annahme mangelnder Patentfähigkeit des von den Verfahrensansprüchen unabhängigen Vorrichtungsanspruchs 9 enthalte, der einem selbständigen Angriffs- oder Verteidigungsmittel mit der Folge gleichzuachten sei, dass für den Widerruf eines solchen Nebenanspruchs eine eigene Begründung gegeben werden müsse. Die Patentinhaberin sei deshalb auch in ihrem Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt. In ihrer Einspruchserwiderung habe sie darauf hingewiesen, dass Patentanspruch 9 insbesondere im Hinblick auf die US-Patentschrift 5 784 001 neu sei und auch auf erfinderischer Tätigkeit beruhe. Der Umstand, dass Patentanspruch 9 weder in der Sachdarstellung noch in der Entscheidungsbegründung des angefochtenen Beschlusses Erwähnung finde, lasse vermuten, dass das Patentgericht diesen Sachvortrag nicht zur Kenntnis genommen habe.
14
3. Die Rügen der Rechtsbeschwerde sind nicht begründet.
15
a) Die zulassungsfreie Rechtsbeschwerde nach § 100 Abs. 3 Nr. 6 PatG ermöglicht keine Richtigkeitskontrolle der Entscheidungen des Bundespatentgerichts. Sie dient ausschließlich der Sicherung der Verpflichtung des Gerichts , seine Entscheidung zu begründen. Für die unterlegene Partei muss aus den schriftlichen Gründen der Entscheidung erkennbar sein, welche rechtlichen oder tatsächlichen Gesichtspunkte nach dem Willen des Bundespatentgerichts die getroffene Entscheidung tragen sollen (Sen.Beschl. v. 30.3.2005 - X ZB 8/04, GRUR 2005, 572, 573 - Vertikallibelle; Sen.Beschl. v. 12.7.2006 - X ZB 33/05, GRUR 2006, 929 Tz. 9 - Rohrleitungsprüfverfahren; st. Rspr.).
16
Daraus ergibt sich einerseits, dass eine sachlich fehlerhafte, unvollständige oder unschlüssige Begründung die zulassungsfreie Rechtsbeschwerde nicht rechtfertigt (Sen.Beschl. "Rohrleitungsprüfverfahren" aaO Tz. 10). Andererseits genügt es dem Begründungszwang noch nicht, dass die Entscheidung formal überhaupt Gründe enthält. Eine Entscheidung ist vielmehr u.a. dann "nicht mit Gründen versehen", wenn eines von mehreren selbständigen Angriffs - oder Verteidigungsmitteln bei der Begründung übergangen ist (Sen.Beschl. v. 26.9.1996 - X ZB 18/95, GRUR 1997, 120, 122 - elektrisches Speicherheizgerät; Sen.Beschl. v. 22.4.1998 - X ZB 5/97, GRUR 1998, 907 - Alkyläther; Sen.Beschl. v. 12.1.1999 - X ZB 7/98, GRUR 1999, 573, 574 - Staatsgeheimnis; st. Rspr.).
17
Ein solcher Fall liegt hier jedoch nicht vor. Mit der gegebenen Begründung hat das Bundespatentgericht vielmehr das Rechtsschutzbegehren der Patentinhaberin vollständig beschieden.
18
aa) Im Patenterteilungsverfahren ist der einzelne Patentanspruch kein selbständiges Angriffs- oder Verteidigungsmittel, das notwendig einer besonderen Erörterung bedürfte, wenn die Patenterteilung versagt wird. Zur Entscheidung steht vielmehr der gesamte Antrag auf Erteilung eines Patents. Dem liegt der Grundsatz zugrunde, dass ein Patent nur so erteilt oder aufrechterhalten werden darf, wie es vom Patentanmelder oder -inhaber (zumindest hilfsweise) beantragt ist. Es obliegt allein dem Anmelder, anzugeben, was als patentfähig unter Schutz gestellt werden soll (§ 34 Abs. 3 Nr. 3 PatG). Er kann dabei innerhalb seiner Anmeldung mehrere Begehren im Eventualverhältnis verfolgen. Hingegen darf das Patent nicht in einer Fassung erteilt werden, die der Anmelder nicht gebilligt hat. Ohne seine Zustimmung darf daher das Patent auch nicht mit einzelnen Patentansprüchen aus einem vom Anmelder zur Entscheidung gestellten Anspruchssatz erteilt werden.
19
bb) Dieser Grundsatz gilt im Einspruchs- und Einspruchsbeschwerdeverfahren nicht uneingeschränkt. Das Patent ist zu widerrufen, wenn sich ein Widerrufsgrund im Sinne des § 21 Abs. 1 PatG ergibt. Betreffen die Widerrufsgründe nur einen Teil des Patents, so wird es mit einer entsprechenden Beschränkung aufrechterhalten (§ 21 Abs. 2 PatG). Das Patent darf daher grundsätzlich nur insoweit widerrufen werden, als die Widerrufsgründe reichen.
20
Auch insoweit steht es allerdings dem Patentinhaber frei, das Patent nur mit bestimmten Ansprüchen (Anspruchssätzen) zu verteidigen. Patentamt und Patentgericht dürfen sich daher bei Änderungen des Patents, zu denen auch der Widerruf im Umfang einzelner Patentansprüche gehört, auch im Einspruchs - oder Einspruchsbeschwerdeverfahren nicht in Widerspruch zum Willen des Patentinhabers setzen.
21
cc) Enthält ein Patent zwei oder mehrere selbständige Ansprüche, von denen sich einer als nicht rechtsbeständig erweist, darf das Patent nicht schon deshalb in vollem Umfang widerrufen werden. Da der Patentinhaber nicht gehalten ist, im Einspruchsverfahren einen Antrag zu stellen, darf allein aus dem Umstand, dass der Patentinhaber nicht ausdrücklich auch die Aufrechterhaltung des Patents im Umfang einzelner Patentansprüche begehrt, nicht geschlossen werden, er sei nicht (hilfsweise) auch mit der Aufrechterhaltung im Umfang dieser selbständigen Ansprüche einverstanden.
22
Beantragt hingegen der Patentinhaber, das Patent in beschränktem Umfang mit einem bestimmten Anspruchssatz oder bestimmten Anspruchssätzen aufrechtzuerhalten, so ist dieser Antrag des Patentinhabers maßgeblich. In einem solchen Fall rechtfertigt es grundsätzlich den Widerruf des Patents, wenn sich auch nur der Gegenstand eines Patentanspruchs aus dem vom Patentinhaber verteidigten Anspruchssatz als nicht patentfähig erweist (Sen.Beschl. v. 26.9.1996 - X ZB 18/95, GRUR 1997, 120, 122 - elektrisches Speicherheizgerät

).


23
Dabei ist zu berücksichtigen, dass wie in jedem Verfahren zur Auslegung des Antrags das gesamte Vorbringen des Patentinhabers zu berücksichtigen ist. Sofern sich aus der Fassung des Antrags oder dem zu seiner Begründung Vorgebrachten Zweifel an seinem prozessualen Begehren ergeben, hat die Patentabteilung oder das Patentgericht auf eine Klarstellung hinzuwirken, in welchem Umfang der Patentinhaber das Patent (hilfsweise) verteidigen will.
24
dd) Hiernach war das Bundespatentgericht im Streitfall nicht gehalten, auf die Patentfähigkeit des Gegenstands des Patentanspruchs 9 gesondert einzugehen. Dem Antrag der Patentinhaberin und der für diesen Antrag gegebenen Begründung war nicht zu entnehmen, dass die Patentinhaberin das Streit- patent nicht nur in der erteilten Fassung und in der Fassung seines Hilfsantrages , sondern auch im Umfang lediglich des Patentanspruchs 9 verteidigen wollte.
25
Die Patentinhaberin hat beantragt, das Patent in vollem Umfang aufrechtzuerhalten , hilfsweise mit Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag. Der als Anlage zur Sitzungsniederschrift genommene Hilfsantrag macht dabei deutlich, dass das prozessuale Begehren der Patentinhaberin dahin zu verstehen war, dass das Streitpatent in der erteilten Fassung aufrechterhalten werden sollte, hilfsweise in einer Fassung, bei der dem beschränkten Patentanspruch 1 die weiteren Patentansprüche folgen sollten, wobei Rückbeziehungen auf Patentanspruch 1 dessen beschränkte Fassung betreffen sollten. Die Aufrechterhaltung des Streitpatents (nur) im Umfang des Patentanspruchs 9 war hiernach nicht begehrt.
26
Für ein (stillschweigendes) Begehren dieses Inhalts ergeben sich keine Anhaltspunkte und macht auch die Rechtsbeschwerde nichts geltend. Wie die Rechtsbeschwerdeerwiderung der Einsprechenden zutreffend ausführt, wird in Patentanspruch 9 diejenige Lösung des technischen Problems, die in Patentanspruch 1 in Gestalt eines Verfahrens beansprucht ist, als Vorrichtungsanspruch formuliert. Die Einsprechende hat demgemäß zu der von ihr geltend gemachten mangelnden Patentfähigkeit des Gegenstands des Patentanspruchs 9 u.a. ausgeführt , sie ergebe sich "in Analogie" zu den Ausführungen zu Patentanspruch 1, und die diesbezüglichen Ausführungen der Patentinhaberin folgen - angepasst an den Wortlaut des Patentanspruchs 9 - ihrerseits im Kern den entsprechenden Ausführungen zum Patentanspruch 1. Soweit die Rechtsbeschwerde sich darauf beruft, die Patentinhaberin habe auf Patentanspruch 9 "sogar ausdrücklich hingewiesen" und dargelegt, dass dieser Anspruch insbesondere gegenüber der US-Patentschrift 5 784 001 neu sei und auf erfinderi- scher Tätigkeit beruhe, ändert dies nichts an diesem Gleichklang und demgemäß nichts daran, dass es an jedem Anhaltspunkt dafür fehlt, dass die Patentinhaberin einen für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit auch nur möglicherweise relevanten Unterschied zwischen den Gegenständen der Patentansprüche 1 und 9 gesehen hätte, der die Annahme nahelegen könnte, die Patentinhaberin wolle hilfsweise auch auf eine Aufrechterhaltung des Streitpatents im Umfang nur des Patentanspruchs 9 antragen.
27
Das Bundespatentgericht hat nach alledem seine Entscheidung im Sinne des § 100 Abs. 3 Nr. 6 PatG hinreichend begründet.
28
ee) Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem von der Rechtsbeschwerde herangezogenen Beschluss des Senats vom 5. Oktober 1982 (X ZB 26/81, GRUR 1983, 63 - Streckenvortrieb). Dieser Entscheidung lag ein Fall zugrunde, in welchem das Bundespatentgericht im Einspruchsbeschwerdeverfahren - alten Rechts - unter Zurückweisung der weitergehenden Beschwerde der Einsprechenden das Patent mit in der mündlichen Verhandlung überreichten Patentansprüchen 1 und 2 erteilt hatte, von denen Patentanspruch 2 in den Gründen der Entscheidung als Unteranspruch formuliert war, für dessen Patentfähigkeit demgemäß eine gesonderte Begründung nicht gegeben worden war. Sodann hatte das Bundespatentgericht seine Entscheidung dadurch berichtigt , dass Patentanspruch 2 ein anderer Wortlaut gegeben wurde, der diesen Patentanspruch nunmehr als Nebenanspruch auswies. Damit fehlte der die Patentfähigkeit des Gegenstands des Patentanspruchs 2 bejahenden Entscheidung eine Begründung, welche sich nach der Berichtigung nicht mehr aus den für die Patentfähigkeit des Gegenstands des Patentanspruchs 1 angeführten Erwägungen ergab. Für die im Streitfall vorliegende umgekehrte Konstellation verneinter Patentfähigkeit eines Patentanspruchs lässt sich daraus nichts herleiten.
29
b) Das Patentgericht hat auch nicht den Anspruch der Patentinhaberin auf rechtliches Gehör verletzt.
30
Der Rechtsbeschwerdegrund des § 100 Abs. 3 Nr. 3 PatG trägt der Bedeutung des verfassungsrechtlich gewährleisteten Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) für ein rechtsstaatliches Verfahren Rechnung, in dem jeder Verfahrensbeteiligte seine Rechte wirksam wahrnehmen kann. Dies setzt voraus, dass das Gericht das tatsächliche und rechtliche Vorbringen der Beteiligten zur Kenntnis nimmt und auf seine sachlich-rechtliche und verfahrensrechtliche Entscheidungserheblichkeit prüft und ferner keine Erkenntnisse verwertet, zu denen die Verfahrensbeteiligten sich nicht äußern konnten (Sen.Beschl. v. 11.6.2002 - X ZB 27/01, GRUR 2002, 957 - Zahnstruktur, m.w.N.).
31
Art. 103 Abs. 1 GG ist verletzt, wenn im Einzelfall deutlich wird, dass Vorbringen überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder doch bei der Entscheidung nicht erwogen worden ist (BVerfGE 65, 293, 295; 70, 288, 293; 86, 133, 145 f.; st. Rspr.). Dabei ist grundsätzlich davon auszugehen, dass das Gericht das von ihm entgegengenommene Parteivorbringen auch zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen hat, ohne dass das Gericht verpflichtet wäre, sich in den Gründen seiner Entscheidung mit jedem Vorbringen ausdrücklich zu befassen. Geht das Gericht indessen auf den wesentlichen Kern des Tatsachenvortrags einer Partei zu einer Frage, die für das Verfahren von besonderer Bedeutung ist, nicht ein, lässt dies auf die Nichtberücksichtigung des Vortrags schließen, sofern er nicht nach dem Rechtsstandpunkt des Gerichts unerheblich oder aber offensichtlich unsubstantiiert war (BVerfGE 86, 133, 146).
32
Hiernach kann die Rechtsbeschwerde die Rüge der Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör nicht mit Erfolg darauf stützen, dass der Wortlaut des Patentanspruchs 9 in den Beschlussgründen nicht wiedergegeben ist und das Bundespatentgericht sich mit diesem Anspruch und dem Vorbringen der Patentinhaberin hierzu auch inhaltlich nicht auseinandergesetzt hat. Denn hierauf kam es, wie ausgeführt, nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht an. Zwar erwähnt das Bundespatentgericht weder diese Rechtsprechung noch führt es - was insbesondere angesichts seiner Zuständigkeit als einzige Instanz des Einspruchsverfahrens zweckmäßig gewesen wäre - aus, dass es auf die Patentfähigkeit der von ihm nicht abgehandelten Patentansprüche nicht ankomme. Gleichwohl spricht nichts dafür, dass das Bundespatentgericht seiner Entscheidung einen anderen Rechtsstandpunkt zugrunde gelegt und gleichwohl Patentanspruch 9 und das Vorbringen der Patentinhaberin hierzu unerwähnt gelassen hätte.
33
Bei dieser Sachlage wäre nur noch denkbar, dass das Bundespatentgericht der Patentinhaberin einen Hinweis hätte erteilen müssen, wenn es der Auffassung gewesen wäre, dass das Streitpatent zwar nicht im erteilten und auch nicht im hilfsweise verteidigten Umfang aufrechterhalten werden könne, jedoch im Umfang des Patentanspruchs 9 Bestand haben könne. Eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör durch einen unterbliebenen Hinweis wird von der Rechtsbeschwerde jedoch nicht gerügt. Zudem bestehen nach dem Vorstehenden keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass das Bundespatentgericht bei Patentanspruch 9 eine andere Beurteilung der Patentfähigkeit in Erwägung gezogen hat.
34
IV. Die Rechtsbeschwerde ist hiernach mit der Kostenfolge des § 109 Abs. 1 Satz 2 PatG zurückzuweisen.
35
Eine mündliche Verhandlung hat der Senat nicht für erforderlich gehalten.
Melullis Scharen Keukenschrijver
Meier-Beck Gröning
Vorinstanz:
Bundespatentgericht, Entscheidung vom 10.01.2005 - 20 W(pat) 342/02 -

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
X ZB 1/10
vom
12. April 2011
in dem Rechtsbeschwerdeverfahren
betreffend das deutsche Patent 197 57 493
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Modularer Fernseher
Hält das Patentgericht den Gegenstand eines mit dem Einspruch angegriffenen
Patents im Hinblick auf eine Entgegenhaltung für nahegelegt, die bereits im Erteilungsverfahren
berücksichtigt worden ist und in der Einspruchsbegründung
zwar angeführt, aber eher beiläufig behandelt wird, reicht es zur Wahrung des
Anspruchs auf rechtliches Gehör grundsätzlich aus, wenn dem Patentinhaber in
der mündlichen Verhandlung ein entsprechender Hinweis erteilt wird.
BGH, Beschluss vom 12. April 2011 - X ZB 1/10 - Bundespatentgericht
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 12. April 2011 durch den
Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Meier-Beck, den Richter Keukenschrijver, die
Richterin Mühlens und die Richter Dr. Grabinski und Dr. Bacher

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 20. Senats (Technischen Beschwerdesenats) des Bundespatentgerichts vom 3. März 2010 wird auf Kosten der Patentinhaberin zurückgewiesen.
Der Beschwerdewert wird auf 50.000,00 Euro festgesetzt.

Gründe:


1
I. Die Rechtsbeschwerdeführerin ist Inhaberin des deutschen Patents 197 57 493 (Streitpatents), das am 23. Dezember 1997 unter Inanspruchnahme der Priorität einer koreanischen Anmeldung vom 23. Dezember 1996 angemeldet worden ist. Das Streitpatent betrifft einen modularen Fernseher und ein Steuerungsverfahren dafür. Die Patentansprüche 1 und 2 lauten wie folgt: "1. Modularer Fernseher, der umfasst: - einen Mikrocomputer (4; 20) zur Steuerung von Funktionskarten (1219 ), die in dem modularen Fernseher angebracht sind, und zur Überprüfung , ob die Funktionskarten in Übereinstimmung mit abgespeicherten Modultypdaten angebracht sind, - einen Speicher (21), der mit dem Mikrocomputer verbunden ist, zum Speichern der Modultypdaten, welche den aktuell gewählten Modultyp kennzeichnen, und von Daten über funktionale Zustände des modularen Fernsehers und der darin enthaltenen Funktionskarten, - einen I²C-BUS (22), der die Komponenten des Fernsehers miteinander verbindet - eine Verbindungseinheit (23), über die eine externe Steuerungsvorrichtung (24) an den I²C-BUS angeschlossen werden kann, wobei mittels der externen Steuerungsvorrichtung Modultypdaten, welche den aktuell gewählten Modultyp kennzeichnen, eingegeben und in dem Speicher abgespeichert werden können.
2. Steuerungsverfahren für einen modularen Fernseher, das umfasst: - Speichern von Modultypdaten, welche einen gewählten Modultyp kennzeichnen, an einer bestimmten Adresse in einem Speicher (21), wobei - diese Daten mittels einer externen Steuerungsvorrichtung (24), die mit einem I²C-BUS (22) des Fernsehers verbunden ist, eingegeben werden , - Überprüfen, ob die in dem Fernseher angebrachten Funktionskarten (12-19) mit den gespeicherten Modultypdaten übereinstimmen, durch einen Mikroprozessor (4; 20) des Fernsehers, - wenn im vorgenannten Schritt Übereinstimmung festgestellt wurde, Durchführung von vorgegebenen Steuerungsroutinen zur Steuerung der angebrachten Funktionskarten (12-19) durch den Mikroprozessor (4; 20)."
2
Die weiteren Patentansprüche sind auf Patentanspruch 2 zurückbezogen.
3
Die Rechtsbeschwerdegegnerin hat gegen das Streitpatent Einspruch erhoben. Sie hat geltend gemacht, der Gegenstand des Streitpatents beruhe nicht auf erfinderischer Tätigkeit. Die Patentinhaberin hat das Schutzrecht in erster Linie in der erteilten Fassung und hilfsweise in geänderter Fassung verteidigt.
4
Das Patentgericht hat das Streitpatent mit der angefochtenen Entscheidung widerrufen. Dagegen richtet sich die nicht zugelassene Rechtsbeschwerde der Patentinhaberin, der die Einsprechende entgegentritt.
5
II. Das form- und fristgerecht eingelegte Rechtsmittel ist statthaft, weil die Patentinhaberin einen Zulassungsgrund im Sinne von § 100 Abs. 3 Nr. 3 PatG geltend macht. Es ist jedoch unbegründet. Das Patentgericht hat den Anspruch der Patentinhaberin auf rechtliches Gehör nicht verletzt.
6
1. Der Rechtsbeschwerdegrund des § 100 Abs. 3 Nr. 3 PatG trägt der Bedeutung des verfassungsrechtlich gewährleisteten Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) für ein rechtsstaatliches Verfahren Rechnung, in dem jeder Verfahrensbeteiligte seine Rechte wirksam wahrnehmen kann. Dies setzt voraus, dass das Gericht das tatsächliche und rechtliche Vorbringen der Beteiligten zur Kenntnis nimmt und auf seine sachlich-rechtliche und verfahrensrechtliche Entscheidungserheblichkeit prüft und ferner keine Erkenntnisse verwertet, zu denen die Verfahrensbeteiligten sich nicht äußern konnten (BGH, Beschluss vom 27. Juni 2007 - X ZB 6/05, BGHZ 173, 47 Rn. 30 - Informationsübermittlungsverfahren II; Beschluss vom 22. September 2009 - Xa ZB 36/08, GRUR 2010, 87 Rn. 12 - Schwingungsdämpfer).
7
Unter dem zuletzt genannten Aspekt kommt eine Verletzung von Art. 103 Abs. 1 GG insbesondere dann in Betracht, wenn das Gericht bei seiner Entscheidung Tatsachen zu Grunde gelegt hat, zu denen ein Beteiligter nicht mehr Stellung nehmen konnte. Der Anspruch auf rechtliches Gehör gebietet allerdings nicht, dass das Patentgericht darauf hinweist, welchen Offenbarungsgehalt es einer in der mündlichen Verhandlung erörterten Veröffentlichung entnimmt. Art. 103 Abs. 1 GG ist jedoch verletzt, wenn das Patentgericht die Patentfähigkeit unter Berufung auf eine zum Stand der Technik gehörende Veröffentlichung verneint, die der Einsprechende nur beiläufig in Zusammenhang mit einem (neben der fehlenden Patentfähigkeit) zusätzlich geltend gemachten Widerrufsgrund erwähnt hat, ohne zuvor den Patentinhaber darauf hinzuweisen, dass diese Veröffentlichung der Patentfähigkeit entgegenstehen könnte (BGH, Beschluss vom 8. September 2009 - X ZB 35/08, GRUR 2009, 1192 Rn. 16 - Polyolefinfolie).
8
2. Im Streitfall ist das Patentgericht den sich daraus ergebenden Anforderungen gerecht geworden.
9
a) Das Patentgericht war gehalten, die Patentinhaberin darauf hinzuweisen , dass der Gegenstand des Streitpatents durch die US-Patentschrift 5 274 455 nahegelegt sein könnte. Die Einsprechende hatte diese Entgegenhaltung zwar als Anlage D3 in das Verfahren eingeführt und auch im Zusammenhang mit dem Widerrufsgrund der fehlenden Patentfähigkeit erwähnt, ihre Argumentation aber im Wesentlichen auf andere Entgegenhaltungen gestützt.
10
Dieser Hinweispflicht hat das Patentgericht genügt, indem es, wie beide Beteiligten übereinstimmend vortragen, zu Beginn der mündlichen Verhandlung über den Einspruch darauf hingewiesen hat, dass es gegenüber der Entgegenhaltung D3 keine erfinderische Tätigkeit sehe.
11
b) Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde war das Patentgericht nicht gehalten, einen Hinweis dieses Inhalts bereits vor der mündlichen Verhandlung zu erteilen.
12
Ein in der mündlichen Verhandlung erteilter Hinweis ist zur Wahrung des Anspruchs auf rechtliches Gehör allerdings nicht ausreichend, wenn der Beteiligte keine angemessene Möglichkeit hat, im Rahmen der Verhandlung zu dem Hinweis Stellung zu nehmen. Hat das Gericht in solchen Konstellationen den Hinweis nicht bereits in angemessenem zeitlichem Abstand vor der mündlichen Verhandlung erteilt, ist es von Verfassungs wegen gehalten, die Verhandlung zu vertagen oder dem Beteiligten ein Schriftsatzrecht einzuräumen (BVerfG, Beschluss vom 18. August 2010 - 1 BvR 3268/07, LKV 2010, 468 Rn. 28 ff.).
13
Diese Voraussetzungen lagen im Streitfall indes nicht vor. Die Patentinhaberin hatte in der mündlichen Verhandlung auch ohne einen schon im Vorfeld erteilten Hinweis ausreichend Gelegenheit, zum Offenbarungsgehalt der Entgegenhaltung D3 und den sich daraus ergebenden Schlussfolgerungen für die Patentfähigkeit des Gegenstands des Streitpatents Stellung zu nehmen. Die genannte Entgegenhaltung wird in der Beschreibung des Streitpatents ausdrücklich erwähnt (Abs. 21) und ist ausweislich des Vermerks auf der ersten Seite der Streitpatentschrift im Erteilungsverfahren für die Beurteilung der Patentfähigkeit in Betracht gezogen worden. Auch die Einsprechende hat diese Veröffentlichung in ihrer Einspruchsbegründung als eine von vier Entgegenhaltungen aufgeführt. Vor diesem Hintergrund durfte das Patentgericht davon ausgehen , dass die Patentinhaberin in der mündlichen Verhandlung auch ohne vorherigen Hinweis zu dieser Entgegenhaltung Stellung nehmen kann. Besondere Umstände, die zu einer anderen Beurteilung führen könnten, sind nicht ersichtlich und werden auch von der Rechtsbeschwerde nicht geltend gemacht.
14
c) Ob die Einsprechende die Entgegenhaltung D3 zusammen mit der Einspruchsbegründung in Kopie zur Gerichtsakte gereicht hat und ob eine Abschrift davon an die Patentinhaberin übermittelt worden ist, bedarf keiner Aufklärung. Selbst wenn diese Entgegenhaltung anders als alle übrigen Veröffentlichungen , auf die die Einsprechende Bezug genommen hatte, nicht als Anlage eingereicht worden wäre, war die Patentinhaberin ohne weiteres in der Lage, auf diese Patentschrift zuzugreifen, sofern sie ihr nicht ohnehin noch aus dem Erteilungsverfahren zur Verfügung stand. Das Patentgericht brauchte sich vor diesem Hintergrund im Vorfeld der mündlichen Verhandlung nicht eigens zu vergewissern, ob der Patentinhaberin eine Kopie der Entgegenhaltung übermittelt worden war.
15
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 109 Abs. 1 Satz 2 PatG, die Festsetzung des Beschwerdewerts auf § 51 Abs. 1 GKG.
16
IV. Eine mündliche Verhandlung hat der Senat nicht für erforderlich gehalten (§ 107 Abs. 1 Halbsatz 2 PatG).
Meier-Beck Keukenschrijver Mühlens
Grabinski Bacher
Vorinstanz:
Bundespatentgericht, Entscheidung vom 03.03.2010 - 20 W(pat) 339/05 -

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
X ZB 3/10
vom
16. Juni 2011
in der Rechtsbeschwerdesache
betreffend das Gebrauchsmuster 201 22 563
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Werkstück
Von einer in einem gerichtlichen Hinweis geäußerten Rechtsauffassung darf
das Gericht in der Endentscheidung nur abweichen, wenn für die Verfahrensbeteiligten
- sei es durch den Verlauf der mündlichen Verhandlung, sei es durch
einen ausdrücklichen weiteren Hinweis des Gerichts - erkennbar wird, dass sich
entweder die Grundlage verändert hat, auf der das Gericht den ursprünglichen
Hinweis erteilt hat, oder dass das Gericht bei unveränderter Entscheidungsgrundlage
nunmehr eine andere rechtliche Beurteilung in Erwägung zieht als
den Beteiligten angekündigt.
BGH, Beschluss vom 16. Juni 2011 - X ZB 3/10 - Bundespatentgericht
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 16. Juni 2011 durch
den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Meier-Beck, die Richterin Mühlens, die Richter
Gröning und Dr. Bacher sowie die Richterin Schuster

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde der Antragsgegnerin wird der am 27. April 2010 verkündete Beschluss des 35. Senats (Gebrauchsmuster -Beschwerdesenats) des Bundespatentgerichts aufgehoben. Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an das Bundespatentgericht zurückverwiesen.
Der Wert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 125.000,00 Euro festgesetzt.

Gründe:


1
I. Die Antragsgegnerin ist Inhaberin des Gebrauchsmusters 201 22 563, das am 11. Mai 2006 in das beim Deutschen Patent- und Markenamt geführte Gebrauchsmusterregister eingetragen worden ist. Es betrifft ein Werkstück mit sehr hohen mechanischen Eigenschaften und umfasst zehn Schutzansprüche, von denen die Ansprüche 1 bis 3 nebengeordnet und die Schutzansprüche 4 bis 10 in unterschiedlichem Umfang auf die Nebenansprüche 1 bis 3 rückbezogen sind. Schutzanspruch 1 lautet wie folgt: "Werkstück mit sehr hohen mechanischen Eigenschaften, bestehend aus einem mit einer intermetallischen Legierungsverbindung beschichteten, tiefgezogenen Blechzuschnitt, der durch Zuschneiden eines gewalzten, insbesondere warmgewalzten Bandstahlblechs entstanden ist, wobei das Bandstahlblech mit einem Metall oder einer metallischen Legierung beschichtet ist, welche einen Schutz der Oberfläche und des Stahls sicherstellen, die intermetallische Legierungsverbindung aus einer Transformation der Beschichtung aus dem Metall oder der Metalllegierung vor oder nach dem Tiefziehen hervorgegangen ist, die intermetallische Legierungsverbindung an der Oberfläche durch die durch eine Temperaturerhöhung über 700° C realisierte Transformation gebildet ist und einen Schutz gegen die Korrosion und gegen die Entkohlung des Stahls sicherstellt sowie eine Schmierfunktion bewirkt, wobei das Metall oder die metallische Legierung der Beschichtung Zink oder eine Legierung auf der Basis von Zink ist."
2
Auf den Löschungsantrag der Antragstellerin hat die Gebrauchsmusterabteilung des Deutschen Patent- und Markenamts das Streitgebrauchsmuster gelöscht, soweit es über die Schutzansprüche 1 bis 9 gemäß Hilfsantrag vom 12. Juni 2008 hinausgeht. Gegen diesen Beschluss haben sowohl die Antragstellerin als auch die Antragsgegnerin Beschwerde eingelegt. Im Beschwerdeverfahren hat die Antragsgegnerin das Gebrauchsmuster hauptsächlich im Umfang der eingetragenen Schutzansprüche 1 bis 10, hilfsweise im Umfang der Schutzansprüche 1 bis 9 vom 21. Januar 2010 und weiter hilfsweise mit den Schutzansprüchen 1 bis 9 vom 12. Juni 2008 verteidigt.
3
Das Patentgericht hat mit Verfügung vom 11. Februar 2010 Verhandlungstermin auf den 27. April 2010 bestimmt. Die Ladung enthält folgenden Zusatz : "Auf Anordnung des Vorsitzenden werden die Beteiligten zur Vorbereitung der mündlichen Verhandlung darauf hingewiesen, dass der Senat aufgrund des bisherigen schriftsätzlichen Vorbringens dazu neigt, den von beiden Seiten angefochtenen Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamts im Ergebnis zu bestätigen, d.h. derzeit ist mit einer Zurückweisung beider Beschwerden zu rechnen."
4
Das Patentgericht hat das Streitgebrauchsmuster in vollem Umfang gelöscht. Die Beschwerde der Antragsgegnerin hat es zurückgewiesen.
5
Hiergegen richtet sich die nicht zugelassene Rechtsbeschwerde der Antragsgegnerin , der die Antragstellerin entgegentritt.
6
II. Die Rechtsbeschwerde ist statthaft, da mit ihr der Beschwerdegrund der Verletzung rechtlichen Gehörs (§ 18 Abs. 4 GebrMG i.V.m. § 100 Abs. 3 Nr. 3 PatG) geltend gemacht wird, und auch im Übrigen zulässig. Sie hat auch in der Sache Erfolg, da der geltend gemachte Beschwerdegrund vorliegt.
7
1. Das Patentgericht hat ausgeführt, dass die Gegenstände der Schutzansprüche 1 bis 3 nach Hauptantrag sowie der Schutzansprüche 1 bis 3 nach den Hilfsanträgen 1 und 2 mit Blick auf die europäische Patentanmeldung 971 044 (Anlage D1) und die japanische Patentanmeldung Sho 62-23975 (An- lage DJ, deutsche Übersetzung) nicht auf einem erfinderischen Schritt beruhten und deshalb nicht schutzfähig seien.
8
2. Die Rechtsbeschwerde sieht durch die Löschung des Gebrauchsmusters den Anspruch der Antragsgegnerin auf rechtliches Gehör verletzt. Aufgrund des schriftlichen Hinweises in der Terminsladung vom 11. Februar 2010 habe der Antragsgegnervertreter davon abgesehen, sechs bereits vorbereitete weitere Hilfsanträge und zusätzliche Unterlagen bei Gericht einzureichen. Der Vorsitzende des Gebrauchsmustersenats habe darüber hinaus in zwei Telefonaten mit dem Antragsgegnervertreter - eines der Telefongespräche habe einen Tag vor der mündlichen Verhandlung stattgefunden - und auch zu Beginn der mündlichen Verhandlung darauf hingewiesen, dass der Senat die Zurückweisung beider Beschwerden beabsichtige. Eine sachliche Begründung dieser Sichtweise sei bei keinem der Gespräche und auch nicht zu Beginn der Verhandlung gegeben worden. Die Antragsgegnerin meint, sie sei durch diese Verfahrensweise gehindert gewesen, die vorbereiteten Hilfsanträge zur Verteidigung des Gebrauchsmusters zu stellen. Die auf die Verhandlung ergangene Entscheidung sei eine Überraschungsentscheidung und verletze ihren Anspruch auf rechtliches Gehör, da die Vorlage und Berücksichtigung der weiteren Hilfsanträge gegebenenfalls zu einer anderen Beurteilung der Schutzfähigkeit des Gebrauchsmusters geführt hätte.
9
3. Die Rüge ist begründet.
10
a) Der Rechtsbeschwerdegrund des § 100 Abs. 3 Nr. 3 PatG trägt der Bedeutung des verfassungsrechtlich gewährleisteten Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) für ein rechtsstaatliches Verfahren Rechnung, in dem jeder Verfahrensbeteiligte seine Rechte wirksam wahrnehmen kann. Der Anspruch auf rechtliches Gehör gibt jedem Verfahrensbeteiligten das Recht, sich zu dem der Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt zu äußern und dem Gericht seine Auffassung zu den erheblichen Rechtsfragen darzulegen. Das Gericht ist verpflichtet, das tatsächliche und rechtliche Vorbringen der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen und auf seine sachlich-rechtliche und verfahrensrechtliche Entscheidungserheblichkeit zu prüfen. Es darf ferner keine Erkenntnisse verwerten, zu denen sich die Verfahrensbeteiligten nicht äußern konnten (st. Rspr., BVerfG, Beschluss vom 19. Mai 1992 - 1 BvR 986/91, BVerfGE 86, 133; Beschluss vom 10. Februar 1995 - 2 BvR 893/93, NJW 1995, 2095; Beschluss vom 2. Mai 1995 - 1 BvR 2174/94, 1 BvR 2220/94, NJW 1995, 2095, 2096; BGH, Beschluss vom 27. Juni 2007 - X ZB 6/05, BGHZ 173, 47 - Informationsübermittlungsverfahren II; Beschluss vom 27. Februar 2008 - X ZB 10/07, GRUR RR 2008, 456 - Installiereinrichtung; Beschluss vom 22. September 2009 - Xa ZB 36/08, GRUR 2010, 87 - Schwingungsdämpfer; Beschluss vom 15. April 2010 - Xa ZB 10/09, GRUR 2010, 950 - Walzenformgebungsmaschine ; Beschluss vom 12. April 2011 - X ZB 1/10, zur Veröffentlichung vorgesehen - Modularer Fernseher). Das Gericht muss aber den Parteien nicht mitteilen, wie es den die Grundlage seiner Entscheidung bildenden Sachverhalt voraussichtlich würdigen wird (Senatsbeschluss vom 16. September 2008 - X ZB 29/07, GRUR 2009, 91 - Antennenhalter).
11
b) Das Patentgericht ist von seiner vor der Entscheidung schriftlich und mündlich geäußerten vorläufigen Meinung ohne erneuten Hinweis abgewichen. Darin liegt unter den Umständen des Streitfalls eine Verletzung des Anspruchs der Antragsgegnerin auf rechtliches Gehör.
12
aa) Das Bundesverfassungsgericht (Beschluss vom 15. August 1996 - 2 BvR 2600/95, NJW 1996, 3202) hat eine Verletzung rechtlichen Gehörs an- genommen, wenn das Gericht einen rechtlichen Hinweis zu einer entscheidungserheblichen Frage erteilt und im Urteil entgegengesetzt entscheidet, ohne die Verfahrensbeteiligten auf die Änderung der rechtlichen Beurteilung hingewiesen und ihnen Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben zu haben. In dem so entschiedenen Fall war für den Ausgang einer Zahlungsklage entscheidend, ob ein Zurückbehaltungsrecht geltend gemacht werden konnte. Nach dem vom Amtsgericht schriftlich erteilten Hinweis durfte der Kläger davon ausgehen, dass das Gericht die Geltendmachung des Zurückbehaltungsrechts durch den Beklagten als nicht zulässig ansehen würde. Das Amtsgericht hat jedoch seiner Entscheidung ohne erneuten Hinweis die entgegengesetzte Rechtsauffassung zugrunde gelegt. In einem weiteren vom Bundesverfassungsgericht entschiedenen Fall konnte der Beschwerdeführer im Hinblick auf eindeutig formulierte Ausführungen in einem Hinweisbeschluss des Oberlandesgerichts auf die Zulassung der Revision vertrauen (BVerfG, Beschluss vom 7. Oktober 2003 - 1 BvR 10/99, BVerfGE 108, 341).
13
bb) In diesen Fällen war der gerichtliche Hinweis mit einer sachlichen Begründung versehen, die den Parteien die Ansicht des Gerichts zu einer konkreten Rechtsfrage vermittelt hat. Im Streitfall enthielten der schriftliche Ladungszusatz und - nach unangegriffenem Vorbringen der Rechtsbeschwerde - auch die (fern)mündlichen Hinweise keine inhaltlichen Ausführungen etwa dahingehend , welche Entgegenhaltungen in welchem Umfang der Schutzfähigkeit der Erfindung entgegenstünden und aus welchen Gründen dies der Fall sei. Beiden Beteiligten wurde lediglich mehrfach die Erfolglosigkeit des jeweiligen Rechtsmittels in Aussicht gestellt. Gleichwohl vermittelte der Hinweis, die Zurückweisung beider Beschwerden sei beabsichtigt, den Beteiligten die Meinung des Gerichts, die Vorinstanz habe jedenfalls im Ergebnis zutreffend entschieden und es sei nicht mit einer Beurteilung des Streitstoffs zu rechnen, nach der sich der Löschungsantrag als in vollem Umfang begründet oder insgesamt unbegründet darstellte. Die vollständige Löschung des Gebrauchsmusters war deshalb aus Sicht der Antragsgegnerin überraschend. Daran ändert nichts, dass das Patentgericht durch die sprachlich einschränkende Formulierung des Hinweises nur seine vorläufige Meinung kundgetan und nicht ausdrücklich einen bestimmten Prozessausgang als sicher dargestellt hat (vgl. BGH, Beschluss vom 3. Juli 2003 - I ZB 36/00, GRUR 2003, 901 - MAZ).
14
cc) Von einer in einem gerichtlichen Hinweis geäußerten Rechtsauffassung , die - will sich das Gericht nicht dem Vorwurf der Voreingenommenheit aussetzen - stets eine vorläufige sein wird, darf das Gericht in der Endentscheidung nur abweichen, wenn für die Verfahrensbeteiligten - sei es durch den Verlauf der mündlichen Verhandlung, sei es durch einen ausdrücklichen weiteren Hinweis des Gerichts - erkennbar wird, dass sich entweder die Grundlage verändert hat, auf der das Gericht den ursprünglichen Hinweis erteilt hat, oder dass das Gericht bei unveränderter Entscheidungsgrundlage nunmehr eine andere rechtliche Beurteilung in Erwägung zieht als den Beteiligten angekündigt. Hinweise des Gerichts sollen einem fairen Verfahren und der Gewinnung des richtigen Prozessergebnisses dienen. Sie sind von den Verfahrensbeteiligten zu beachten, die die ihnen darin auferlegten Verpflichtungen oder Vorgaben erfüllen sollen, und von denen das Gericht erwartet, dass sie in der mündlichen Verhandlung keinen Vortrag halten, dessen es nach dem Hinweis des Gerichts nicht bedarf, um das nach der vorläufigen Auffassung des Gerichts erwartbare Verfahrensergebnis herbeizuführen. Die Verfahrensbeteiligten dürfen sich ihrerseits aber auch auf den gerichtlichen Hinweis verlassen, gleichgültig, ob er einmal oder mehrmals erteilt wird, ob er sachlich-rechtlichen Inhalts ist oder eine verfahrensrechtliche Vorgehensweise betrifft. Andernfalls wäre der Hinweis funktionslos oder gar irreführend.

15
dd) Weder die Entscheidung des Patentgerichts noch die Niederschrift über die mündliche Verhandlung lassen erkennen, dass für die Antragsgegnerin erkennbar geworden ist, dass das Patentgericht an seiner vorläufigen Rechtsauffassung nicht festhalten wollte. Hierfür bringt auch die Antragstellerin nichts vor.
16
Es kann daher nicht ausgeschlossen werden, dass die Antragsgegnerin aufgrund des Hinweises von der Vorlage weiterer, bereits vorbereiteter Hilfsanträge abgesehen hat, die sie vorgelegt hätte, wenn ihr deutlich geworden wäre, dass das Patentgericht nunmehr die vollständige Löschung des Gebrauchsmusters erwog. Auch wenn sie gehalten war, ihren Vortrag auf alle relevanten sachlichen und rechtlichen Gesichtspunkte auszurichten, durfte sie damit rechnen , dass das Patentgericht - jedenfalls mangels Erteilung eines anderslautenden Hinweises - die Entscheidung wie angekündigt treffen würde.
17
4. Die angefochtene Entscheidung ist in vollem Umfang aufzuheben, da die endgültige Fassung des Gebrauchsmusters erst feststeht bzw. seine vollständige oder teilweise Löschung erst ausgesprochen werden kann, wenn die Antragsgegnerin Gelegenheit erhalten hat, das Schutzrecht weiter eingeschränkt zu verteidigen und die (hilfsweise) verteidigten Fassungen der Schutzansprüche vom Patentgericht überprüft worden sind.

18
III. Die Festsetzung des Beschwerdewerts beruht auf § 51 Abs. 1GKG. Eine mündliche Verhandlung hat der Senat nicht für erforderlich gehalten (§ 18 Abs. 4 Satz 2 GebrMG i.V.m. § 107 Abs. 1 Halbsatz 2 PatG).
Meier-Beck Mühlens Gröning Bacher Schuster
Vorinstanz:
Bundespatentgericht, Entscheidung vom 27.04.2010 - 35 W(pat) 458/08 -

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
X ZB 29/07
vom
16. September 2008
in der Rechtsbeschwerdesache
betreffend das Gebrauchsmuster 202 19 274
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Antennenhalter
Der Anspruch auf rechtliches Gehör gibt den Parteien kein Recht darauf, vor
der gerichtlichen Entscheidung zu erfahren, wie das Gericht den die Grundlage
seiner Entscheidung bildenden Sachverhalt (voraussichtlich) würdigen wird.
Der Anspruch auf rechtliches Gehör ist daher nicht schon dann verletzt, wenn
das Patentgericht nicht darauf hinweist, welchen Offenbarungsgehalt es einer
in der mündlichen Verhandlung erörterten Veröffentlichung entnimmt.
BGH, Beschl. v. 16. September 2008 - X ZB 29/07 - Bundespatentgericht
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 16. September 2008
durch die Richter Scharen und Keukenschrijver, die Richterin Mühlens und die
Richter Prof. Dr. Meier-Beck und Asendorf

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den am 19. Juni 2006 verkündeten Beschluss des 5. Senats (Gebrauchsmuster-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts wird auf Kosten der Antragsgegner zurückgewiesen.
Der Wert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 100.000,-- € festgesetzt.

Gründe:


I.


1
Die Antragsgegner sind Inhaber des Gebrauchsmusters 202 19 274 (Streitgebrauchsmuster), das einen Antennenhalter betrifft, aus der deutschen Patentanmeldung 101 60 697.4 mit Anmeldetag vom 11. Dezember 2001 abgezweigt ist und 22 Schutzansprüche umfasst. Der eingetragene Schutzanspruch 1 lautet: "Antennenhalter (10) mit einer Montagebasis (18), einem Antennenmast (12, 52, 52´) und Haltemitteln (14, 16; 54, 64; 54´, 64´) zur Befestigung des Antennenmastes an der Montagebasis, wobei die Montagebasis Mittel (20, 22) zur Veränderung ihrer Längsausdehnung umfasst, dadurch gekennzeichnet, dass die Montagebasis (18) Befestigungselemente (24, 26) aufweist, mittels welcher sie auf zwei benachbarte Dachsparren oder Dachlatten befestigbar ist."
2
Wegen der weiteren Schutzansprüche wird auf das Gebrauchsmuster verwiesen.
3
Auf den Teillöschungsantrag der Antragsteller hat die Gebrauchsmusterabteilung des Deutschen Patent- und Markenamts das Streitgebrauchsmuster im Umfang der Schutzansprüche 1 bis 6, 10 und 12 bis 14 gelöscht, soweit es über den von den Antragsgegnern hilfsweise verteidigten, die eingetragenen Schutzansprüche 1 bis 4 umfassenden Schutzanspruch 23 vom 20. Februar 2006 hinausgeht. Auf die Beschwerde der Antragsteller hat das Bundespatentgericht das Streitgebrauchsmuster im Umfang der Ansprüche 1 bis 6, 9, 10 und 12 bis 14 gelöscht; die Beschwerde der Antragsgegner, mit der diese im Wesentlichen die Klarstellung begehrt haben, dass die Löschung die Schutzansprüche 10 und 12 bis 14 nur betrifft, soweit diese auf die Schutzansprüche 1 bis 6 und 10 rückbezogen sind, hat das Patentgericht zurückgewiesen.
4
Hiergegen richtet sich die nicht zugelassene Rechtsbeschwerde der Antragsgegner , der die Antragsteller entgegengetreten sind.

II.


5
Die Rechtsbeschwerde ist statthaft, da mit ihr der Beschwerdegrund der Verletzung rechtlichen Gehörs (§§ 18 Abs. 3 Satz 1 GebrMG, 100 Abs. 3 Nr. 3 PatG) geltend gemacht wird, und auch im Übrigen zulässig. In der Sache bleibt sie ohne Erfolg, da der geltend gemachte Beschwerdegrund nicht vorliegt.
6
1. Das Bundespatentgericht hat ausgeführt, es könne dahingestellt bleiben , ob das Streitgebrauchsmuster in der Fassung des Anspruchs 23 nach Hauptantrag zulässig verteidigt werden könne, denn dessen Gegenstand möge zwar neu sein, beruhe jedoch nicht auf einem erfinderischen Schritt. Dies hat das Bundespatentgericht aus den Druckschriften 1 und 4 sowie aus dem Kathrein -Katalog für Satelliten-Empfangsantennen (Druckschrift 5) hergeleitet und ausgeführt, aus diesem Katalog sei ein Mast-Abstandhalter … als Haltemittel für (Antennen-)Masten bekannt, mit dem ein Antennenmast offensichtlich in verschienenen Winkelstellungen festlegbar sei. Dieses Haltemittel sei ersichtlich zur Befestigung eines Antennenmastes an einer als Rundrohr ausgebildeten Montagebasis ausgelegt. Es liege daher auf der Hand, die in Anspruch 7 der Druckschrift 1 nicht näher festgelegten teleskopierbaren Rohre der Montagebasis ebenfalls als Rundrohr auszubilden, um die Festlegung des Antennenmastes in verschiedenen Winkelstellungen zu ermöglichen. Aus diesem Grunde hat das Bundespatentgericht die Schutzansprüche auch in der Fassung des Hilfsantrags der Antragsgegner nicht für schutzfähig gehalten.
7
2. Die Antragsgegner sehen ihren Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt , weil das Gericht sie nicht auf die von ihm angenommene Maßgeblichkeit gerade des Mast-Abstandhalters … hingewiesen habe, obwohl für sie die Relevanz dieser Technik für die Schutzfähigkeit des Gegenstands des Ge- brauchsmusters nicht erkennbar gewesen sei. In dem Katalog seien vier verschiedene Produkte abgebildet, nämlich Dachabdeckbleche, Abdeckkragen, der Mast-Schuh … sowie der Mast-Abstandhalter … . Die Antragsteller hätten als Entgegenhaltung lediglich den Mast-Schuh … in das Verfahren eingeführt, nicht dagegen den Mast-Abstandhalter … . Aus dem Protokoll über die mündliche Verhandlung ergebe sich zwar, dass der Senatsvorsitzende den Akteninhalt vorgetragen habe. Da die Antragsteller nur den MastSchuh angesprochen hätten, sei damit aber die besondere Relevanz des MastAbstandhalters nicht angesprochen gewesen. Es möge zwar sein, dass - wie die Antragsteller behaupten - die Druckschrift mit den vier genannten Produkten Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sei. Es sei aber nicht deutlich geworden, dass das Gericht den Offenbarungsgehalt in dem im angefochtenen Beschluss dargelegten - unzutreffenden - Sinne verstehen würde.
8
3. Mit diesem Vorbringen legt die Rechtsbeschwerde eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör nicht dar.
9
a) Der Anspruch auf rechtliches Gehör gibt jedem Verfahrensbeteiligten das Recht, sich zu dem der Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt zu äußern und dem Gericht die eigene Auffassung zu den erheblichen Rechtsfragen darzulegen. Das Gericht ist verpflichtet, dieses Vorbringen zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen (st. Rspr., BVerfG NJW 1995, 2095, 2096 m.w.N.; BVerfGE 86, 133, 144; BGHZ 173, 47 Tz. 30 - Informationsübermittlungsverfahren II; Sen.Beschl. v. 19.5.1999 - X ZB 13/98, GRUR 1999, 919 - Zugriffsinformation; Sen.Beschl. v. 30.3.2005 - X ZB 8/04, GRUR 2005, 572 - Vertikallibelle). Zwar schließt das Gebot der Gewährung rechtlichen Gehörs im Sinne des § 100 Abs. 3 Nr. 3 PatG keine allgemeine Pflicht zu Hinweisen an die Parteien im Sinne der §§ 139, 238 ZPO, § 91 PatG ein. Ein solcher Hinweis kann aber im Hinblick auf das Gebot der Gewährung rechtlichen Gehörs dann geboten sein, wenn für die Parteien auch bei sorgfältiger Prozessführung nicht vorhersehbar ist, auf welche Erwägungen das Gericht seine Entscheidung stützen wird (Sen.Beschl. v. 25.1.2000 - X ZB 7/99, GRUR 2000, 792 - Spiralbohrer

).


10
b) Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze hat die Rechtsbeschwerde eine Verletzung des Anspruchs der Antragsgegner auf rechtliches Gehör nicht dargetan.
11
Der Rechtsbeschwerde ist nicht zu entnehmen, dass das Patentgericht in der mündlichen Verhandlung den Mast-Abstandhalter mit den Parteien nicht erörtert hat. Vielmehr wird in der Rechtsbeschwerdebegründung lediglich gerügt , das Patentgericht habe die Parteien nicht darauf hingewiesen, dass es dem Mast-Abstandhalter … im Rahmen seiner Prüfung "eine besondere Relevanz beimessen" werde. Zum Vortrag in der Rechtsbeschwerdeerwiderung , der Vorsitzende des Beschwerdesenats habe in der ausführlichen mündlichen Verhandlung "natürlich" auch den Mast-Abstandhalter und dessen Relevanz für die Frage der Schutzfähigkeit angesprochen, führt die Rechtsbeschwerde in der Replik aus, den Antragsgegnern sei nicht deutlich geworden, dass das Beschwerdegericht den Offenbarungsgehalt der Druckschrift 5 in einem unzutreffenden Sinne verstehen werde. Zwar möge diese Druckschrift Gegenstand der mündlichen Verhandlung geworden sein; aufgrund der schriftsätzlichen Äußerungen der Antragsteller hätten die Antragsgegner jedoch davon ausgehen dürfen, dass lediglich Ausführungen zum Mast-Schuh … erforderlich seien.
12
Hiernach macht die Rechtsbeschwerde nicht geltend, der MastAbstandhalter sei in der mündlichen Verhandlung nicht zur Sprache gekommen , sondern lediglich, den Antragsgegnern sei nicht deutlich geworden, welche Bedeutung dem Mast-Abstandhalter in der in dem angefochtenen Beschluss gegebenen Begründung für die fehlende Schutzfähigkeit zukommen werde. Der Anspruch auf rechtliches Gehör gibt den Parteien jedoch kein Recht darauf, vor der gerichtlichen Entscheidung zu erfahren, wie das Gericht den die Grundlage seiner Entscheidung bildenden Sachverhalt (voraussichtlich) würdigen wird. Vielmehr müssen sie nur Gelegenheit haben, sich zu diesem Sachverhalt zu äußern. Diese Gelegenheit war den Antragsgegnern eröffnet, wenn - was der Beschwerdevortrag nicht ausschließt - der Mast-Abstandhalter in der mündlichen Verhandlung angesprochen worden ist und die Antragsgegner somit erkennen konnten, dass dieser für die zu treffende Entscheidung Bedeutung erlangen konnte.
13
4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 109 PatG. Eine mündliche Verhandlung hat der Senat nicht für erforderlich gehalten (§ 107 Abs. 1 PatG).
Scharen Keukenschrijver Mühlens
Meier-Beck Asendorf
Vorinstanz:
Bundespatentgericht, Entscheidung vom 19.06.2007 - 5 W(pat) 418/06 -

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
X ZB 35/08
vom
8. September 2009
in dem Rechtsbeschwerdeverfahren
betreffend das Patent 100 51 495
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Polyolefinfolie

a) Es verletzt den Anspruch auf rechtliches Gehör, wenn das Patentgericht die
Patentfähigkeit eines Patents unter Berufung auf eine Veröffentlichung verneint
, die der Einsprechende nur beiläufig in Zusammenhang mit einem (neben
der fehlenden Patentfähigkeit) zusätzlich geltend gemachten Widerrufsgrund
erwähnt hat, ohne zuvor den Patentinhaber darauf hinzuweisen, dass
diese Veröffentlichung der Patentfähigkeit des Patents entgegenstehen
könnte.

b) Dabei ist unerheblich, ob die getroffene Entscheidung nach mündlicher Verhandlung
oder im schriftlichen Verfahren ergangen ist.
BGH, Beschluss vom 8. September 2009 - X ZB 35/08 - Bundespatentgericht
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 8. September 2009
durch den Vorsitzenden Richter Scharen und die Richter Keukenschrijver,
Asendorf, Dr. Berger und Dr. Grabinski

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde der Patentinhaberin wird der Beschluss des 15. Senats (Technischen Beschwerdesenats) des Bundespatentgerichts vom 21. Juli 2008 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Bundespatentgericht zurückverwiesen.
Beschwerdewert: 25.000,-- €

Gründe:


1
I. Die Rechtsbeschwerdeführerin ist eingetragene Inhaberin des am 25. September 2003 veröffentlichten Patents 100 51 495 mit der Bezeichnung "Verwendung einer teiltransparenten Polyolefinfolie" (Streitpatent).
2
Die eingetragenen Patentansprüche haben folgenden Wortlaut: "1. Verwendung einer teiltransparenten Polyolefinfolie mit einer Foliendicke zwischen 5 und 250 μm, an deren Folienoberfläche durch ein- oder beidseitige Oberflächenbehandlung sauerstoffhaltige Gruppen angelagert sind und welche durch eine nachfolgende, elektrostatische Aufladung oberflächenpolarisiert ist, wobei die elektrostatische Haftkraft durch Bemessung der Oberflächenpolarisation so auf das Flächengewicht der Folie abgestimmt ist, dass die Folie mit der behandelten Seite auf einer sauberen, getrockneten und planen Floatglasfläche in jeder Lage haften bleibt, als Flip-Chart-Folie, die beschreibbar ist und einen Haftgrund für eine klebstofffreie Fixierung von Papierblättern und Fotos bildet. 2. Verwendung einer Polyolefinfolie nach Anspruch 1, mit der Maßgabe, dass die Foliendicke einen Wert zwischen 10 und 100 μm aufweist. 3. Verwendung einer Polyolefinfolie nach Anspruch 1 oder 2, mit der Maßgabe, dass die Folie zwei oder drei durch Coextrusion hergestellte Schichten aufweist. 4. Verwendung einer Polyolefinfolie nach einem der Ansprüche 1 bis 3, mit der Maßgabe, dass die Folie ein oder mehrere anorganische Füllmaterialien aus der Gruppe Calciumcarbonat, Titandioxid, Talkum und Kreide enthält, wobei der Anteil der Füllmaterialien bis zu 45 Gew.-%, bezogen auf die Endmischung, beträgt. 5. Verwendung einer Polyolefinfolie nach einem der Ansprüche 1 bis 4, mit der Maßgabe, dass eine Folienseite mit einem Raster bedruckt ist."
3
Gegen das Streitpatent ist am 23. Dezember 2003 Einspruch erhoben worden. In ihrer Begründung hat die Einsprechende geltend gemacht, dass der Gegenstand der Streitpatents nicht neu sei und nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe und sich insoweit auf eine offenkundige Vorbenutzung sowie als druckschriftlichen Entgegenhaltungen auf die vorveröffentlichten USPS 5 638 249 (D 1) und WO 96/08318 (D 2) berufen. Außerdem hat sich die Einsprechende auf eine widerrechtliche Entnahme gestützt und in diesem Zusammenhang ein Telefax der M. GmbH vom 19. Juni 1998 an die Einsprechende vorgelegt. In dem Telefax ist vermerkt, dass mit diesem das US-Patent 5 010 671 überreicht werde. Der als Anlage von der Einsprechenden eingereichten Ablichtung des Telefax war eine solche des US-Patents beigefügt.
4
Die Patentinhaberin hat dem Einspruchsvorbringen widersprochen und das Streitpatent unbeschränkt, hilfsweise mit geänderten Ansprüchen verteidigt. Später hat die Einsprechende ihren Einspruch zurückgenommen. Nach entsprechenden Anträgen der Einsprechenden und der Patentinhaberin hat das Patentgericht den vor der Rücknahme des Einspruchs anberaumten Verhandlungstermin von Amts wegen wieder aufgehoben.
5
Ohne weitere Hinweise erteilt zu haben, hat das Patentgericht das Streitpatent an dem ursprünglich vorgesehenen Verhandlungstermin widerrufen. Gegen die Entscheidung richtet sich die vom Patentgericht nicht zugelassene Rechtsbeschwerde.
6
II. Die Rechtsbeschwerde ist zulässig, weil mit ihr der nicht zulassungsgebundene Rechtsbeschwerdegrund des § 100 Abs. 3 Nr. 3 PatG geltend gemacht wird, und hat auch in der Sache Erfolg.
7
1. Das Patentgericht hat Patentanspruch 1 des Streitpatents wie folgt gegliedert:
1) Verwendung einer Polyolefinfolie, 1.1) die teiltransparent ist, 1.2) mit einer Foliendicke zwischen 5 und 250 μm, 1.3) an deren Folienoberfläche durch ein- oder beidseitige Oberflächenbehandlung sauerstoffhaltige Gruppen angelagert sind, 1.4) die Folienoberfläche ist durch eine nachfolgende, elektrostatische Aufladung oberflächenpolarisiert, 1.5) die elektrostatische Haftkraft ist durch Bemessung der Oberflächenpolarisation so auf das Flächengewicht der Folie abgestimmt , dass die Folie mit der behandelten Seite auf einer sauberen , getrockneten und planen Floatglasfläche in jeder Lage haften bleibt,
2) als Flip-Chart-Folie, 2.1) die beschreibbar ist und 2.2) einen Haftgrund für eine klebstofffreie Fixierung von Papierblättern und Fotos bildet. und seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:
8
Es könne dahinstehen, ob die mit dem Streitpatent beanspruchte Verwendung einer teil-transparenten Polyolefinfolie neu sei, weil sie jedenfalls nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe. Aus der D 1 gehe hervor, dass als Polymerfolien, auf welchen Papierposter reversibel angebracht werden können, Polyethylen- oder Polypropylenfolien mit einer Dicke von umgerechnet 25,4 µm bis 12,7 µm, nach elektrischer Aufladung durch Corona-Behandlung, in einem System Wand-Folie-Papier besonders geeignet seien, womit die Merkmale 1, 1.2, 1.3 sowie 2.2 des erteilten Patentanspruchs 1 offenbart seien. Die Ausbildung sauerstoffhaltiger funktioneller Gruppen an der Folienoberfläche durch Corona-Behandlung sei dem Fachmann, einem mit der Herstellung und Anwendung von Polymerfolien befassten und vertrauten Diplom-Chemiker, geläufig , so dass sich daraus das Merkmal 1.4 unmittelbar erschließe. Zur Frage der Transparenz der Polyolefinfolie sei der D 1 lediglich zu entnehmen, dass eine weitere transparente Folie mit vergleichbarer Haftkraft als Schutzschicht über das Papierposter angebracht werden könne (Merkmal 1.1). Konkrete Angaben über die Beschreibbarkeit der Polyolefinfolien fehlten in der D 1 ebenso wie ein Hinweis auf die spezielle Anwendung als Flip-Chart-Folie (Merkmale 2.1 und 2). Die Verwendung von statisch aufladbaren, beschreibbaren und teiltransparen- ten Polyolefinfolien als Flip-Chart-Folien und damit die Merkmale 1.1, 2 und 2.1 würden sich für den Fachmann jedoch aus dem gattungsgleichen US-Patent 5 010 671 ergeben. Die reversibel aneinander haftenden Blätter des darin offenbarten Flip-Chart-Blocks könnten auch auf einer anderen Oberfläche allein aufgrund ihrer statischen Ladung sicher und reversibel haftend angebracht werden und seien zudem beschreibbar. Der Druckschrift könne zudem entnommen werden, dass die Blätter auch auf transparenten Oberflächen wie Glas anhaften und dabei aufgrund ihrer nur teilweisen Durchlässigkeit für sichtbares Licht (vgl. den Handelsnamen "Oppalyte") auch in beschriebenen Zustand als Datenträger dienen könnten (Merkmal 1.1). Aus der in dem US-Patent beschriebenen Anwendbarkeit auf Glas als Oberfläche ergebe sich für den Fachmann das in Merkmal 1.5 enthaltene Erfordernis der Abstimmung der elektrostatischen Haftkraft auf das Flächengewicht der Folie durch Bemessung der Oberflächenpolarisation von selbst. Damit erschließe sich die streitpatentgemäße Verwendung der Polyolefinfolie als Flip-Chart-Folie aus den beiden genannten Druckschriften in naheliegender Weise. Das gelte auch für den Gegenstand des Hilfsantrags, der keine tatsächliche Einschränkung gegenüber dem Hauptantrag enthalte.
9
2. Die Rechtsbeschwerde rügt, dass der Patentinhaberin rechtliches Gehör versagt worden sei. Diese habe nicht damit rechnen müssen, dass sich das Patentgericht für seine Beurteilung maßgeblich auf das genannte US-Patent stützen werde, weil jenes von der Einsprechenden nur als Beifügung zu dem Telefax der M. GmbH vom 19. Juni 1998 vorgelegt worden sei. Das Berufungsgericht sei deshalb gehalten gewesen, der Patentinhaberin einen entsprechenden Hinweis zu erteilen und Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Mit dem Telefax habe die Einsprechende eine Firmenverwandtschaft zwischen der M. GmbH und der N. AG, der früheren Inhaberin des Streitpatents, nachweisen wollen, um den Widerrufsgrund der widerrechtlichen Entnahme zu stützen. Das dem Telefax als Anlage beigefügte, als Fax-Kopie unleserliche US-Patent sei dabei lediglich Gegenstand eines Hinweises auf die patentrechtliche Situation in den USA gewesen , die zu überprüfen gewesen sei. Die Einsprechende habe an keiner Stelle ihres Vorbringens das US-Patent als für die Schutzfähigkeit relevant anzusehenden Stand der Technik angeführt.
10
Der Verstoß gegen den Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs sei auch entscheidungserheblich, weil nicht auszuschließen sei, dass die angefochtene Entscheidung darauf beruhe. Denn die Patentinhaberin hätte auf einen richterlichen Hinweis vorgetragen, dass die D 1 keine Teiltransparenz der Folie lehre (Merkmal 1.1), nicht offenbare, dass an der Folienoberfläche durch ein- oder beidseitige Oberflächenbehandlung sauerstoffhaltige Gruppen angelagert seien (Merkmal 1.4), nicht aufzeige, die elektrostatische Haftkraft gemäß Merkmal 1.5 zu bemessen, und dieser auch nicht zu entnehmen sei, die Folie als beschreibbare Flip-Chart-Folie zu verwenden (Merkmale 2 und 2.1). Das US-Patent 5 010 671 offenbare ebenfalls keine Teiltransparenz der Folie (Merkmal 1.1), beschreibe keine ein- oder beidseitige Oberflächenbehandlung, bei der sauerstoffhaltige Gruppen angelagert würden (Merkmal 1.3), offenbare keine Bemessung der elektrostatischen Haftkraft gemäß Merkmal 1.5 und zeige nicht, die Flip-Chart-Folie auch als Haftgrund für eine klebstofffreie Fixierung von Papierblättern und Fotos auszugestalten (Merkmal 2.2). Eine Zusammenschau der D 1 und des US-Patents stehe einer erfinderischen Tätigkeit nicht entgegen, weil auch beide Druckschriften nicht die Kombination von auf der Flip-Chart-Folie fixierten Fotos und neben den Fotos angeordneter Schrift nahe legen würden (Merkmale 2, 2.1 und 2.2). Aus den beiden Entgegenhaltungen gehe auch nicht hervor, dass die Eigenschaften der Folie nur durch die Kombination der Merkmale 1.3 und 1.4 erreicht werde.
11
Wäre der Patentinhaberin rechtliches Gehör gewährt worden, hätte diese zudem die Hilfsanträge 1 bis 5 gestellt.
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In Hilfsantrag 1 hätte sie beantragt, das Streitpatent dadurch beschränkt aufrecht zu erhalten, dass Anspruch 1 des erteilten Patents durch den neuen Anspruch 1 ersetzt wird, wobei dieser die teiltransparente Polyolefinfolie weiter dahin definiert, dass deren Transparenz zwischen 10 und 90 % liegt.
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In Hilfsantrag 2 hätte sie beantragt, das Streitpatent dadurch beschränkt aufrecht zu erhalten, dass die Ansprüche 1 bis 5 des erteilten Patents durch die neuen Ansprüche 1 bis 4 ersetzt werden, wobei sich die beiden Anspruchsfassungen dadurch unterscheiden, dass Anspruch 1 und Anspruch 3 des erteilten Patents in Anspruch 1 des 2. Hilfsantrags kombiniert werden und dadurch in Hilfsantrag 2 Anspruch 3 als Unteranspruch wegfällt und Ansprüche 4 und 5 des erteilten Patents zu Ansprüchen 3 und 4 des 2. Hilfsantrags werden.
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Als Hilfsantrag 3 wären die Ansprüche des Hauptantrags, als Hilfsantrag 4 wären die Ansprüche des Hilfsantrags 1 und als Hilfsantrag 5 wären die Ansprüche des Hilfsantrags 2 weiterverfolgt worden, jedoch jeweils mit der Maßgabe, dass in Anspruch 1 das Merkmal "als Flip-Chart-Folie, die beschreibbar ist und einen Haftgrund für eine klebstofffreie Fixierung von Papierblättern und Fotos bildet" durch das Merkmal "als zu beschreibende Flip-ChartFolie und als Haftgrund für eine klebstofffreie Fixierung von Papierblättern und Fotos" ersetzt wird.
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3. Die Rechtsbeschwerde beanstandet zu Recht, dass das Patentgericht seiner Verpflichtung zur Gewährung rechtlichen Gehörs gegenüber der Patentinhaberin nicht nachgekommen ist.
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Mit der Rüge der Verletzung rechtlichen Gehörs kann nicht nur geltend gemacht werden, dass das entscheidende Gericht Vorbringen nicht zur Kenntnis genommen oder in seiner Entscheidung nicht in Erwägung gezogen hat, sondern auch, dass es Erkenntnisse verwertet hat, zu denen ein Verfahrensbeteiligter nicht Stellung nehmen konnte. Der letztgenannte Fall kommt in Betracht , wenn der Verfahrensbeteiligte gar nicht zu Wort gekommen ist oder das Gericht bei seiner Entscheidung Tatsachen zugrunde gelegt hat, zu denen der Beteiligte nicht mehr Stellung nehmen konnte. Gleiches gilt, wenn der Verfahrensbeteiligte bei Anwendung der von ihm zu erwartenden Sorgfalt nicht erkennen konnte, auf welches Vorbringen es für die Entscheidung des Gerichts ankommen kann und wird (Sen.Beschl. v. 25.1.2000 - X ZB 7/99, GRUR 2000, 792 - Spiralbohrer; Beschl. v. 16.9.2008 - X ZB 29/07, GRUR 2009, 91, 92 - Antennenhalter ). Da die Parteien kein Recht darauf haben, vor der gerichtlichen Entscheidung zu erfahren, wie das Gericht den die Grundlage seiner Entscheidung bildenden Sachverhalt (voraussichtlich) würdigen wird, ist der Anspruch auf rechtliches Gehör allerdings nicht schon dann verletzt, wenn das Patentgericht nicht darauf hinweist, welchen Offenbarungsgehalt es einer in der mündlichen Verhandlung erörterten Veröffentlichung entnimmt (Sen., aaO - Antennenhalter ). Es verletzt den Anspruch auf rechtliches Gehör jedoch, wenn das Patentgericht die Patentfähigkeit eines Patents unter Berufung auf eine zum Stand der Technik gehörende Veröffentlichung verneint, die der Einsprechende nur beiläufig in Zusammenhang mit einem (neben der fehlenden Patentfähigkeit) zusätzlich geltend gemachten Widerrufsgrund erwähnt hat, ohne zuvor den Pa- tentinhaber darauf hinzuweisen, dass diese Veröffentlichung der Patentfähigkeit des Patentes entgegenstehen könnte.
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Ein solcher Fall ist hier gegeben. Die Patentinhaberin konnte bei Anwendung der von ihr zu erwartenden Sorgfalt nicht damit rechnen, dass das Patentgericht bei der Beurteilung der Patentfähigkeit des Streitpatents auch das US-Patent 5 010 671 als entscheidungserhebliche Entgegenhaltung heranziehen würde. Die Druckschrift wurde zwar bereits mit dem Einspruch vorgelegt. Dies erfolgte jedoch nicht im Hinblick auf das Vorbringen der Einsprechenden zur Patentfähigkeit des Streitpatents. Insoweit hat die Einsprechende ihren Angriff allein auf die Entgegenhaltungen D 1 und D 2 gestützt. Auch im weiteren Verlauf des Einspruchsverfahrens hat sich keiner der Verfahrensbeteiligten in Zusammenhang mit der Patentfähigkeit des Streitpatents auf das US-Patent berufen.
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Dieses wurde vielmehr lediglich hinsichtlich des Einspruchsgrundes der widerrechtlichen Entnahme zusammen mit dem als Anlage 15 vorgelegten Telefax der M. GmbH vom 19. Juni 1998 von der Einsprechenden in einer nahezu unleserlichen Ablichtung eingereicht. Bei der M. GmbH hat es sich um eine mit der damaligen Anmelderin konzernverbundene Gesellschaft gehandelt. Unter anderem mit der Vorlage dieses Telefax wollte die Einsprechende darlegen, dass die (mutmaßlichen) Erfinder des Streitpatents vor dessen Anmeldetag die Folie und deren Verwendung in Gesprächen mit der Einsprechenden kennen gelernt hatten. Vor diesem Hintergrund musste die Patentinhaberin nicht damit rechnen, dass das Bundespatentgericht nach der Rücknahme des Einspruchs seine Erwägungen zur Patentfähigkeit des Streitpatents maßgeblich auch auf das US-Patent stützen werde.
19
Dem steht nicht entgegen, dass die Einsprechende in der Einspruchsbegründung ausgeführt hat, dass die M. GmbH sie mit dem als Anlage 15 vorgelegten Telefax im Juni 1998 "auf ein gegebenenfalls zu beachtendes US-Patent hinweise". Damit war erkennbar nur ein Hinweis an die M. GmbH gemeint, dass das US-Patent gegebenenfalls beachtet werden müsse, wenn der US-Markt durch Tätigkeiten der Einsprechenden berührt werde. Die Ausführungen der Einsprechenden konnten also sinnvollerweise nicht so verstanden werden, dass das US-Patent auch bei der Patentfähigkeit des Streitpatents zu beachten sei.
20
Auch der Umstand, dass die Aufhebung des ursprünglich anberaumten Verhandlungstermins nach einem entsprechenden Antrag der Patentinhaberin erfolgt ist, hat das Patentgericht nicht von seiner Hinweispflicht entbunden. Denn die Verpflichtung des Patentgerichts, Verfahrensbeteiligte im Beschwerdeverfahren nach § 73 ff. PatG oder im Einspruchsverfahren nach § 147 Abs. 3 PatG a.F. auf Entgegenhaltungen hinzuweisen, von denen sie auch bei Anwendung der von ihnen zu erwartenden Sorgfalt nicht erkennen können, dass diese als entscheidungsrelevant berücksichtigt werden könnten, besteht unabhängig davon, ob die Entscheidung nach mündlicher Verhandlung ergeht oder im schriftlichen Verfahren getroffen wird. Daran ändert sich selbst dann nichts, wenn - wie hier - der Aufhebung der zunächst vom Patentgericht anberaumten mündlichen Verhandlung ein entsprechender Antrag eines Verfahrensbeteiligten vorausgegangen ist.
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4. Die Verletzung des Anspruchs auf Wahrung rechtlichen Gehörs setzt weiterhin voraus, dass die beanstandete Entscheidung auf dem behaupteten Mangel beruht oder beruhen kann, es also nicht ausgeschlossen werden kann, dass die ordnungsgemäße Gewährung rechtlichen Gehörs zu einer der Partei günstigeren Entscheidung geführt hätte (Sen.Beschl. v. 14.3.2006 - X ZB 28/04 Rdn. 8 m.N. aus der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung; vgl. auch BGH, Beschl. v. 30.1.1997 - I ZB 3/95, GRUR 1997, 637 638 - Top Selection, zu § 83 Abs. 3 Nr. 3 MarkenG). Demgegenüber ist die Versagung rechtlichen Gehörs unschädlich, wenn sie sich allein auf Feststellungen bezieht, die für die Entscheidung unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt erheblich gewesen sind (BGH, aaO - Top Selection; Benkard/Rogge, 10. Aufl., 2006, § 100 PatG Rdn. 28; Busse/Keukenschrijver, 6. Aufl., 2003, § 100 PatG Rdn. 50).
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Im Streitfall ist der Patentinhaberin rechtliches Gehör im Hinblick auf entscheidungsrelevante Feststellungen versagt worden.
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Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass die ordnungsgemäße Gewährung rechtlichen Gehörs durch einen Hinweis auf die Absicht des Patentgerichts , das US-Patent 5 010 671 als relevanten Stand der Technik zu berücksichtigen , zu einer der Patentinhaberin günstigeren Entscheidung geführt hätte. Das gilt jedenfalls, soweit die Patentinhaberin bei Erteilung eines solchen Hinweises entsprechend den Darlegungen der Rechtsbeschwerde geltend gemacht hätte, dass das US-Patent nicht offenbart, dass die Polyolefinfolie teiltransparent ist und die elektrostatische Haftkraft durch Bemessung der Oberflächenpolarisation so auf das Flächengewicht der Folie abgestimmt ist, dass diese mit der behandelten Seite auf einer sauberen, getrockneten und planen Floatglasfläche in jeder Lage haften bleibt (Merkmale 1.1 und 1.5) und auch einer Zusammenschau der Entgegenhaltung D 1 und des US-Patents nicht die Kombination der Merkmale zu entnehmen gewesen wäre, dass die Flip-ChartFolie zugleich beschreibbar ist und einen Haftgrund für eine klebstofffreie Fixierung von Papierblättern und Fotos bildet (Merkmale 2, 2.1 und 2.2), und dass jedenfalls das Streitpatent beschränkt im Umfang der Hilfsanträge 1 bis 5 auf- recht zu erhalten gewesen wäre. Denn zumindest bei diesen Einwendungen handelt es sich einerseits um Darlegungen der Patentinhaberin, von denen anzunehmen ist, das sie allein deshalb nicht vorgebracht worden sind, weil das Patentgericht pflichtwidrig den Hinweis unterlassen hatte, dass es auf das USPatent 5 010 671 bei der Beurteilung der Patentfähigkeit des Streitpatents ankommen könnte, und geht es andererseits um Tatsachen, die vom Patentgericht in dem angegriffenen Beschluss als entscheidungsrelevant angesehen worden sind.
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5. Die Rechtsbeschwerde führt danach zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Patentgericht (§ 108 Abs. 1 PatG). Die Zurückverweisung an einen anderen Senat des Patentgerichts ist - entgegen der Anregung der Rechtsbeschwerde - nicht veranlasst (vgl. BGH, Beschl. v. 28.8.2003 - I ZB 26/01, GRUR 2004, 77, 79 - PARK & BIKE).
Eine mündliche Verhandlung hat der Senat nicht für erforderlich gehalten (§ 107 Abs. 1 PatG).
Scharen Keukenschrijver Asendorf
Berger Grabinski
Vorinstanz:
Bundespatentgericht, Entscheidung vom 21.07.2008 - 15 W(pat) 325/04 -

(1) Sind an dem Verfahren über die Rechtsbeschwerde mehrere Personen beteiligt, so kann der Bundesgerichtshof bestimmen, daß die Kosten, die zur zweckentsprechenden Erledigung der Angelegenheit notwendig waren, von einem Beteiligten ganz oder teilweise zu erstatten sind, wenn dies der Billigkeit entspricht. Wird die Rechtsbeschwerde zurückgewiesen oder als unzulässig verworfen, so sind die durch die Rechtsbeschwerde veranlaßten Kosten dem Beschwerdeführer aufzuerlegen. Hat ein Beteiligter durch grobes Verschulden Kosten veranlaßt, so sind ihm diese aufzuerlegen.

(2) Dem Präsidenten des Deutschen Patent- und Markenamts können Kosten nur auferlegt werden, wenn er die Rechtsbeschwerde eingelegt oder in dem Verfahren Anträge gestellt hat.

(3) Im übrigen gelten die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über das Kostenfestsetzungsverfahren und die Zwangsvollstreckung aus Kostenfestsetzungsbeschlüssen entsprechend.