Bundesgerichtshof Urteil, 07. Feb. 2018 - 2 StR 171/17

ECLI:ECLI:DE:BGH:2018:070218U2STR171.17.0
bei uns veröffentlicht am07.02.2018

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
2 StR 171/17
vom
7. Februar 2018
in der Strafsache
gegen
wegen versuchten Mordes u.a.
ECLI:DE:BGH:2018:070218U2STR171.17.0

Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 7. Februar 2018, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof Dr. Schäfer,
Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Krehl, Zeng, Dr. Grube, Schmidt,
Staatsanwalt beim Bundesgerichtshof als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt als Verteidiger,
Rechtsanwalt als Vertreter des Nebenklägers,
Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Die Revision der Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Limburg a.d. Lahn vom 27. Dezember 2016 wird verworfen. Die Beschwerdeführerin hat die Kosten des Rechtsmittels und die dem Nebenkläger im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat die Angeklagte wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren und drei Monaten verurteilt. Es hat ihr die Fahrerlaubnis entzogen, ihren Führerschein eingezogen und die Verwaltungsbehörde angewiesen, ihr vor Ablauf von drei Jahren keine neue Fahrerlaubnis zu erteilen. Die auf die Sachrüge gestützte Revision der Angeklagten bleibt ohne Erfolg.

I.


2
Nach den vom Landgericht getroffenen Feststellungen wurde anlässlich von Erdarbeiten im Frühjahr 2015 bekannt, dass der tatsächliche Grenzverlauf zwischen dem Grundstück der Angeklagten und dem benachbarten Grundstück der Zeugin S. nicht den katasterrechtlichen Vorgaben entsprach. Die Pflasterung auf dem Grundstück der Angeklagten überschritt den katastermäßigen Grenzverlauf um etwa 30 cm in Richtung des Grundstücks von S. . Nachdem das Amt für Bodenmanagement der zuständigen Gemeinde den Überbau bestätigt hatte, forderte S. , die mit der Angeklagten seit mehreren Jahren in Streitigkeiten lebte, den Rückbau, setzte Fristen und kündigte an, den Überbau selbst zu beseitigen. Im Gegenzug verbat sich die Angeklagte ein Betreten ihres Grundstücks. Ende April 2016 beauftragte S. den Nebenkläger , den Rückbau vorzunehmen. Der Nebenkläger führte die Arbeiten am Tattag aus, wobei er teilweise mit einem Teil der Gummikette eines Minibaggers die Pflasterfläche des Grundstücks der Angeklagten befuhr. Als der Nebenkläger den Minibagger wieder auf den Anhänger seines Fahrzeugs verladen hatte, bog die Angeklagte, die zuvor von ihren beiden Söhnen telefonisch über die Rückbauarbeiten informiert worden war, mit ihrem Fahrzeug in die von ihr bewohnte Straße ein.
3
Der Nebenkläger bemerkte das Fahrzeug der Angeklagten und trat einen Schritt auf den gepflasterten Weg zur Haustür des von der Angeklagten bewohnten Hauses, um dieser die problemlose Durchfahrt auf der an dieser Stelle durch parkende Fahrzeuge verengten Straße zu ermöglichen. Die Angeklagte entschloss sich in diesem Moment aus Wut über den Rückbau, den Nebenkläger mit ihrem Fahrzeug anzufahren. Sie steuerte zielgerichtet mit einer Geschwindigkeit von 30 km/h auf den Nebenkläger zu, wobei sie davon ausging, dass sie diesen erheblich verletzen werde. Gleichzeitig nahm sie billigend in Kauf, dass diese Verletzungen tödlich sein könnten. Sein Ableben war ihr gleichgültig. Ferner erkannte sie, dass der Nebenkläger davon ausging, dass sie mit ihrem Fahrzeug dem Straßenverlauf folgen werde und dieser nicht damit rechnete, dass sie ihn anfahren wolle. Diesen Umstand wollte sie ausnutzen.
4
Als die Angeklagte noch circa acht bis neun Meter vom Nebenkläger entfernt war, erkannte dieser, dass die Angeklagte das Fahrzeug auf ihn lenkte. Er wich einen Schritt nach rechts aus, so dass er von dem Fahrzeug allenfalls gestreift und aus dem Gleichgewicht gebracht wurde.
5
Die Angeklagte, die bei dem Fahrmanöver gegen einen an der Grundstücksgrenze stehenden Baum geprallt war, wollte ihr Ziel, den Nebenkläger anzufahren, wobei sie dessen tödliche Verletzungen jedenfalls in Kauf nahm, weiterverfolgen. Sie setzte ihr Fahrzeug bis auf die Straße zurück, legte den Vorwärtsgang ein und fuhr erneut zielgerichtet auf den Nebenkläger zu. Dieser versuchte nochmals auszuweichen. Die Angeklagte folgte der Ausweichbewegung und nahm den Nebenkläger auf der Motorhaube auf. Mit dem Nebenkläger auf der Motorhaube fuhr sie über die Pflasterfläche vor ihrem Haus und sodann einen hinter der Pflasterfläche liegenden Abhang hinunter. Am Fuße des Abhangs rutschte der Nebenkläger von der Motorhaube und gelangte unterhalb des Fahrzeugs vor den linken Radkasten. Das Fahrzeug schob den Nebenkläger vor sich her, wobei der Nebenkläger im linken Radkasten eingeklemmt wurde. Es entstand eine sechs Meter lange tiefe Schürfspur. Durch den in die Wiese eintretenden Körper des Nebenklägers wurde das mit einem Automatikgetriebe ausgestattete Fahrzeug der Angeklagten schließlich bis zum Stillstand abgebremst, ohne dass die Angeklagte die Bremse betätigt hatte. Die Angeklagte wusste nicht, ob der Nebenkläger verstorben oder gegebenenfalls tödlich verletzt war. Sie machte sich insoweit keine Vorstellungen.
6
Noch bevor sie aussteigen konnte, stand der ebenfalls an den Rückbauarbeiten beteiligte Zeuge M. neben ihrem Fahrzeug und beschimpfte sie als „Mörderin“. In diesem Moment kam der ältere Sohn der Angeklagten mit zwei Beilen in der Hand aus dem Haus und lief auf M. zu. Es kam zu einem Gerangel, in dessen Folge M. durch ein Beil am Hals verletzt wurde. Währenddessen war auch die Angeklagte ausgestiegen. Sie trat an ihren Sohn heran und bat ihn, die Beile loszulassen und ins Haus zu gehen. Inzwischen war auch der jüngere Sohn der Angeklagten aus dem Haus gekommen und hatte auf Aufforderung von M. das Fahrzeug zwei Meter nach hinten gefahren. M. erkannte die erheblichen Verletzungen des Nebenklägers, wählte den Notruf und meldete den Vorfall. Sodann wandte er sich wieder dem Nebenkläger zu.
7
Der Nebenkläger hatte einen siebenfachen Beckentrümmerbruch, eine Fraktur des oberen Schambeinastes, zahlreiche Prellungen, Hautrötungen, teilweise Hautablösungen sowie eine Verstauchung des Handgelenks erlitten. Durch einen glücklichen Zufall war es zu keiner Verletzung von inneren Blutgefäßen gekommen, so dass die Verletzungen nicht tödlich waren.
8
In diesem Moment näherte sich auch die Angeklagte dem Nebenkläger. M. verhinderte die Annäherung, weil er befürchtete, die Angeklagte könne dem Nebenkläger weiter schaden. Er schrie die Angeklagte an, sie solle sich entfernen, und trat zwischen die Angeklagte und den Nebenkläger. Es kam zu einer körperlichen Berührung, möglicherweise einem Schubsen. Nunmehr kam der Zeuge B. hinzu. Aufgrund der Schreierei waren auch die beiden Söhne der Angeklagten wieder aus dem Haus gekommen. Der ältere Sohn trug eine Axt, der jüngere Sohn einen Baseballschläger. Auf Aufforderung der Angeklagten kehrten beide ins Haus zurück. B. bot derweil an, einen Krankenwagen zu rufen und erhielt von M. die Antwort, ein Krankenwagen sei bereits unterwegs.
9
Der Angeklagten wurde nunmehr bewusst, welche Konsequenzen ihr Handeln haben könne. Sie erklärte, sie habe den Nebenkläger aus Versehen angefahren. Sie entschloss sich schließlich, ins Haus zu gehen. M. versorgte den Nebenkläger mit einer Decke, rief erneut bei der Notrufzentrale an und wiederholte seine Bitte um Übersendung eines Rettungswagens bzw. Notarztes. Im Haus tätigte die Angeklagte von ihrem Festnetz drei Anrufe, wobei die Reihenfolge nicht festgestellt werden konnte. Sie rief die Erzieherin ihres jüngsten Sohnes, ihren Rechtsanwalt sowie die Notrufzentrale an. Dieser teilte sie mit, es sei schon ein Notruf abgesetzt worden, sie wolle gleichwohl sichergehen und nochmals mitteilen, dass ein Mann angefahren worden sei und ein Rettungswagen und Notarzt erforderlich seien. Ihr war bekannt, dass M. bereits mit der Leitstelle gesprochen und ein Rettungswagen bzw. Notarzt angefordert waren. Während die Angeklagte im Haus war, trafen Rettungswagen und Notarzt ein.

II.


10
Die Revision der Angeklagten ist unbegründet.
11
1. Der Schuldspruch wegen versuchten Mordes aus Heimtücke und niedrigen Beweggründen in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung ist rechtsfehlerfrei. Der Erörterung bedarf allein die Frage eines strafbefreienden Rücktritts. Das Landgericht ist von einem beendeten Versuch ausgegangen und hat einen strafbefreienden Rücktritt der Angeklagten mangels ernsthaften Bemühens um die Erfolgsabwendung verneint. Dies hält rechtlicher Prüfung stand.
12
a) Zutreffend ist das Landgericht davon ausgegangen, dass der Tötungsversuch beendet war.
13
aa) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kommt es für die Abgrenzung des unbeendeten vom beendeten Versuch und damit für die Voraussetzungen des strafbefreienden Rücktritts darauf an, ob der Täter nach der letzten von ihm konkret vorgenommenen Ausführungshandlung den Eintritt des tatbestandsmäßigen Erfolgs für möglich hält (BGH, Beschluss vom 19. Mai 1993 – GSSt 1/93, BGHSt 39, 221, 227). Macht der Täter sich nach der letzten Ausführungshandlung keine Vorstellung über die Folgen seines Tuns oder ist ihm der Erfolg gleichgültig, ist ein beendeter Versuch anzunehmen (st. Rspr.; Senat, Urteil vom 2. November 1994 – 2 StR 449/94, BGHSt 40, 304, 306; BGH, Urteil vom 16. April 2015 – 3 StR 645/14, NStZ 2015, 509 mwN).
14
bb) Nach diesen Maßstäben hat das Landgericht zutreffend einen beendeten Versuch angenommen. Denn nach den rechtsfehlerfreienFeststellungen wusste die Angeklagte, nachdem ihr Fahrzeug zum Stillstand gekommen war, nicht, ob der unter das Fahrzeug geratene Nebenkläger verstorben oder gegebenenfalls tödlich verletzt war. Sie hatte bemerkt, dass der Nebenkläger von der Motorhaube gerutscht und über eine Strecke von mehreren Metern unter ihr rund 1600 Kilogramm schweres Fahrzeug geraten war. Ob der Nebenkläger verstorben oder jedenfalls tödlich verletzt war, war ihr in diesem Moment gleichgültig.
15
cc) Entgegen der Ansicht der Revision war die Strafkammer auch nicht gehalten, sich mit der Frage auseinanderzusetzen, ob die Angeklagte möglicherweise nach dem Verlassen des Fahrzeugs von ihrem Tötungsvorsatz Abstand genommen hat. Denn eine in engen Grenzen mögliche Korrektur ihres Rücktrittshorizontes (vgl. Senat, Urteil vom 19. Juli 1989 – 2 StR 270/89, BGHSt 36, 224, 226) scheitert bereits daran, dass der Angeklagten zu diesem Zeitpunkt auch nach ihrer Vorstellung die weitere Tatvollendung (vgl. BGH, Urteil vom 19. Oktober 2004 – 1 StR 254/04, NStZ 2005, 151) nicht mehr möglich war. Der Nebenkläger war nämlich durch M. hinreichend geschützt. Für die Angeklagte war damit die maßgebliche Zeitspanne, ob aus ihrer Sicht ein beendeter oder unbeendeter Versuch vorlag, abgelaufen (vgl. Senat, Urteil vom 3. Dezember 1982 – 2 StR 550/82, BGHSt 31, 170, 176; Urteil vom 19. Juli 1989 – 2 StR 270/89, aaO).
16
b) Die weitere Annahme des Landgerichts, ein strafbefreiender Rücktritt der Angeklagten scheitere an ihrem fehlenden ernsthaften Bemühen, den Erfolgseintritt zu verhindern, ist ebenfalls nicht zu beanstanden.
17
aa) Bleibt – wie hier – der Erfolg ohne Zutun des Täters aus, kommt ein strafbefreiender Rücktritt nur in Betracht, wenn der Täter sich freiwillig und ernsthaft bemüht hat, die Vollendung zu verhindern (§ 24 Abs. 1 Satz 2 StGB). Danach ist für einen strafbefreienden Rücktritt vom Versuch erforderlich,dass der Täter das Rettungsmittel einsetzt, das er selbst für am besten geeignet hält, um die Tatvollendung zu verhindern (Senat, Beschluss vom 4. August 2011 – 2 StR 219/11, NStZ 2012, 28, 29; BGH, Urteil vom 20. Mai 2010 – 3 StR 78/10, NStZ-RR 2010, 276, 277). Er muss nach seiner Vorstellung eine neue Kausalkette in Gang setzen, die für die Nichtvollendung zumindest mitursächlich wird (BGH, Urteil vom 20. Mai 2010 – 3 StR 78/10, NStZ-RR 2010, 276, 277; Urteil vom 13. März 2008 – 4 StR 610/07, NStZ 2008, 508, 509; Urteil vom 22. August 1985 – 4 StR 326/85, BGHSt 33, 295, 301). Der Täter muss alles, was in seiner Kraft steht und was nach seiner Überzeugung zur Erfolgsabwendung erforderlich ist, unternehmen. Stehen Menschenleben auf dem Spiel, sind hohe Anforderungen zu stellen. In diesem Fall muss sich der Täter um die bestmögliche Maßnahme für die Erfolgsabwendung bemühen (Senat, Beschluss vom 4. August 2011 – 2 StR 219/11, aaO; BGH, Urteil vom 20. Mai 2010 – 3 StR 78/10, aaO; Urteil vom 13. März 2008 – 4 StR 610/07, aaO; Beschluss vom 3. Februar 1999 – 5 StR 645/98, NStZ-RR 2000, 41, 42; Beschluss vom 22. August 1985 – 4 StR 326/85, BGHSt 33, 295, 301 f.).
18
bb) Nach diesen Maßstäben scheitert ein strafbefreiender Rücktritt der Angeklagten unter mehreren Gesichtspunkten.
19
(1) Obwohl nach der Vorstellung der Angeklagten ein Menschenleben auf dem Spiel stand, hat sie nicht die bestmögliche Rettungsmöglichkeit ergriffen. Denn dies wäre jedenfalls ein ihr möglicher zeitnaher Notruf gewesen, wie ihn der Zeuge M. getätigt und der Zeuge B. angeboten hat. Dies gilt umso mehr, als der Nebenkläger offensichtlich schwer verletzt worden war. Die Angeklagte hat ihre Bemühungen jedoch auf einen nachträglichen und nochmaligen Anruf bei der Notrufzentrale beschränkt, ohne ihrerseits nach dem Nebenkläger zu sehen oder sich zu vergewissern, dass dem Nebenkläger die notwendigen Sofortmaßnahmen durch den Zeugen M. zu Teil wurden. Stattdessen ist sie bis zum Eintreffen des Notarztes im Haus verblieben.
20
(2) Der Notruf der Angeklagten setzte nach ihrem Vorstellungsbild auch keine neue Kausalkette zur Rettung des Nebenklägers in Gang. Denn sie wusste , dass der Zeuge M. bereits die Notrufzentrale verständigt hatte. Sie wollte lediglich sichergehen, dass ärztliche Hilfe unterwegs ist. Die Urteilsfeststellungen bieten demgegenüber keinen Ansatz für die Annahme, dass die Angeklagte die Vorstellung gehabt haben könnte, die Rettungschancen des Nebenklägers durch ihren Anruf zu steigern.
21
2. Der Strafausspruch sowie die angeordnete Maßregel weisen keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten aus.
Schäfer Krehl Zeng
Grube Schmidt

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
3 S t R 6 4 5 / 1 4
vom
16. April 2015
in der Strafsache
gegen
wegen gefährlicher Körperverletzung
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 16. April
2015, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Becker,
die Richter am Bundesgerichtshof
Hubert,
Dr. Schäfer,
Mayer,
Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Spaniol
als beisitzende Richter,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizobersekretärin
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Koblenz vom 21. Juli 2014 mit den Feststellungen aufgehoben, ausgenommen die Feststellungen zum objektiven Tatgeschehen; diese bleiben aufrechterhalten. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat die Angeklagte wegen gefährlicher Körperverletzung zu der Freiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt und deren Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet. Die auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision der Staatsanwaltschaft erstrebt eine Verurteilung der Angeklagten auch wegen versuchten Mordes. Das Landgericht habe zu Unrecht einen strafbefreienden Rücktritt der Angeklagten vom Versuch eines Tötungsdelikts angenommen (§ 24 Abs. 1 StGB). Das Rechtsmittel hat in dem aus der Urteilsformel ersichtlichen Umfang Erfolg.
2
1. Nach den Feststellungen suchte die alkoholisierte Angeklagte - Blutalkoholkonzentration 2,61 ‰ - den mit ihr bekannten Nebenkläger in dessen Wohnung auf. Neben ihm auf der Couch sitzend rief sie nach kurzer Zeit ohne erkennbaren Anlass in dessen Richtung: "Du Kinderficker", zog ein in der Jackentasche verdeckt mitgeführtes Küchenmesser hervor und stieß es dem überraschten Nebenkläger in Tötungsabsicht so in die linke Halsseite, dass die Gesichtsschlagader durchtrennt wurde. Während sich der Nebenkläger die spritzende Halswunde zuhielt, stach die Angeklagte erneut zu und traf dabei dessen erhobenen linken Arm. Dem Nebenkläger gelang es darauf zunächst, die rechte Hand der Angeklagten, in der diese das Messer hielt, zu ergreifen und festzuhalten. Die Angeklagte nahm das Messer jedoch in ihre freie linke Hand und versetzte dem Nebenkläger einen dritten Stich in die Herzgegend, der aber am Brustbein abprallte. Darauf fiel der Nebenkläger zu Boden und blieb dort liegen. Der Angeklagten rief er zu: "Dann mach mich doch richtig tot!".
3
Aus dieser Äußerung und aus dem Umstand, dass sich der Blutverlust aus der Halswunde infolge des Abdrückens verringerte, schloss die Angeklagte, dass sie den Nebenkläger entgegen ihrer Absicht noch nicht lebensgefährlich verletzt hatte. Sie wollte die Tat nun nicht mehr weiter ausführen, verließ die Wohnung, ohne sich weiter um den am Boden Liegenden zu kümmern, und begab sich zu der in der Nähe wohnenden Zeugin B., der sie erklärte: "Ich wollte das Schwein abschlachten".
4
Der Nebenkläger befand sich infolge des Blutverlusts und einer beginnenden Verlegung der Atemwege durch Einblutungen in das Halsgewebe in akuter Lebensgefahr. Er konnte einen Wohnungsnachbarn auf sich aufmerksam machen und wurde durch eine Notoperation gerettet.

5
2. Die Annahme des Landgerichts, die Angeklagte sei mit strafbefreiender Wirkung vom unbeendeten Versuch eines Tötungsdelikts zurückgetreten (§ 24 Abs. 1 StGB), begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
6
a) Die Abgrenzung zwischen unbeendetem und beendetem Versuch bestimmt sich nach dem Vorstellungsbild des Täters nach dem Abschluss der letzten von ihm vorgenommenen Ausführungshandlung, dem sogenannten Rücktrittshorizont. Bei einem Tötungsdelikt liegt demgemäß ein unbeendeter Versuch, bei dem allein der Abbruch der begonnenen Tathandlung zum strafbefreienden Rücktritt führt, dann vor, wenn der Täter zu diesem Zeitpunkt noch nicht alles getan hat, was nach seiner Vorstellung zur Herbeiführung des Todes erforderlich oder zumindest ausreichend ist. Ein Tötungsversuch, bei dem der Täter für einen strafbefreienden Rücktritt vom Versuch den Tod des Opfers durch eigene Rettungsbemühungen verhindern oder sich darum zumindest freiwillig und ernsthaft bemühen muss, ist hingegen nicht nur dann anzunehmen , wenn der Täter den Eintritt des Todes bereits für möglich hält, sondern auch dann, wenn er sich keine Vorstellungen über die Folgen seines Handelns macht, weil ihm ein Tod des Opfers gleichgültig ist (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteile vom 19. März 2013 - 1 StR 647/12, NStZ-RR 2013, 273, 274; vom 12. Juni 2014 - 3 StR 154/14, NStZ 2014, 507, 509).
7
b) Danach entbehrt bereits die Feststellung des Landgerichts, die Angeklagte sei beim Verlassen der Wohnung davon ausgegangen, sie habe den Nebenkläger entgegen ihrer ursprünglichen Absicht noch nicht lebensgefährlich verletzt, einer dies tragenden lückenlosen und widerspruchsfreien Würdigung der Beweise. Das Landgericht hat auch festgestellt, dass die Angeklagte den in der Wohnung der Zeugin B. anwesenden Zeugen M. jedenfalls nach dessen polizeilicher Aussage aufforderte, er solle zum Nebenkläger gehen um zu sehen , ob sie diesem "den Hals durchgeschnitten" habe. Soweit es hieraus bei der Würdigung der Beweise "allenfalls" den Schluss ziehen will, dass "die Angeklagte im Unklaren darüber war, welche Folgen ihre Stiche für den Nebenkläger gehabt hatten", steht dies gerade im Widerspruch zur Annahme eines inneren Vorstellungsbilds der Angeklagten, noch nicht alles getan zu haben, was zur Herbeiführung des Todes erforderlich oder zumindest ausreichend ist.
8
c) Hinzu kommt, dass das Landgericht bei der Prüfung, ob der angenommene Versuch eines Tötungsdelikts im Sinne von § 24 Abs. 1 StGB beendet war, unzureichende rechtliche Maßstäbe angelegt hat; auch deshalb hat es die Beweise nur lückenhaft gewürdigt und ist so zu unvollständigen Feststellungen gelangt.
9
Das Landgericht hat nur geprüft, ob die Angeklagte den Tod des Nebenklägers für möglich hielt. Dem Landgericht ist deshalb aus dem Blick geraten, dass wesentliche im Urteil festgestellte Beweisanzeichen auch dafür sprechen können, dass sich die Angeklagte, als sie die Wohnung verließ, keine Vorstellungen über die Folgen ihres Handelns machte, weil ihr das weitere Schicksal des Nebenklägers gleichgültig blieb. Dies gilt nicht nur für die oben beschriebene Aufforderung an den Zeugen M.. So bezeichnete die Angeklagte den Nebenkläger gegenüber der Zeugin B. auch unmittelbar nach der Tat als "Schwein"; auf deren Nachfrage, ob mit dem Nebenkläger etwas Schlimmes passiert sei, antwortete sie: "Ich weiß es nicht". Ein weiteres Indiz hierfür kann sich aus der bei der Prüfung des Rücktrittshorizonts insgesamt außer Acht gelassenen erheblichen Alkoholisierung der Angeklagten zur Tatzeit ergeben.
10
3. Die Feststellungen zum objektiven Tathergang werden von dem Rechtsfehler nicht berührt und können deshalb aufrechterhalten bleiben.
11
4. Soweit das Landgericht die Unterbringung der Angeklagten in einer Entziehungsanstalt angeordnet hat (§ 64 StGB), weist der Senat für die neue Hauptverhandlung darauf hin, dass die Annahme eines symptomatischen Zusammenhangs zwischen Hang und Anlasstat ebenso wie die Annahme der Gefahr neuer erheblicher rechtswidriger Taten einer dies tragenden Beweiswürdigung bedarf.
Becker RiBGH Hubert befindet sich Schäfer im Urlaub und ist daher gehindert zu unterschreiben. Becker Mayer Spaniol

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 254/04
vom
19. Oktober 2004
in der Strafsache
gegen
wegen schwerer Körperverletzung
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 19. Oktober
2004, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Nack
und die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Kolz,
Hebenstreit,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Elf,
der Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Graf,
Bundesanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt und Rechtsanwältin
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 1. Dezember 2003 mit den Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels der Staatsanwaltschaft, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 2. Die Revision des Angeklagten gegen das oben benannte Urteil wird verworfen. Der Angeklagte trägt die Kosten seines Rechtsmittels und die hierdurch dem Nebenkläger entstandenen notwendigen Auslagen.

Von Rechts wegen

Gründe:


I.

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schwerer Körperverletzung gemäß § 226 Abs. 1 Nr. 3 StGB zu der Freiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. An einem Schuldspruch wegen versuchten Totschlags sah sich die Straf-
kammer wegen Rücktritts des Angeklagten gehindert. Die Darlegungen hierzu beanstandet die Staatsanwaltschaft unter Erhebung der Sachrüge mit Erfolg. Der Angeklagte rügt ebenfalls die Verletzung materiellen Rechts. Die Strafkammer habe insbesondere zu Unrecht davon abgesehen, bei dem zur Tatzeit alkoholbedingt nicht ausschließbar erheblich vermindert schuldfähigen Angeklagten den Strafrahmen gemäß §§ 21, 49 Abs. 1 StGB herabzusetzen. Der Revision des Angeklagten bleibt der Erfolg versagt.

II.


Die Strafkammer hat festgestellt:
Am Abend des 23. Dezember 2002 begab sich der damals 39jährige Angeklagte nach dem Besuch einer Pilsbar in Nürnberg nach R. in die ihm vertraute Gaststätte "F. " und "nervte" dort die Gäste mit seinen Sprüchen. Mit dem späteren Geschädigten, dem Zeugen W. , den er lange kannte und neben den er sich schließlich gesetzt hatte, unterhielt er sich über alte Zeiten. Dabei - es war inzwischen 23.30 Uhr geworden - bezeichnete der Angeklagte den Zeugen W. wegen eines ca. zwanzig Jahre zurückliegenden Vorfalls in der Jugendgruppe, der beide angehörten, als Verräter, ohne daß der Zeuge W. dies jedoch sonderlich ernst nahm. Da der Angeklagte der Aufforderung, damit aufzuhören, nicht nachkam, und stattdessen weiter insistierte, drehte sich W. mit den Worten "laß mich doch in Ruhe" und mit einer abwehrenden Handbewegung, die das Gesicht des Angeklagten streifte, einfach weg. Über dieses Desinteresse geriet der Angeklagte in Wut. Er nahm W. , zunächst noch sitzend, mit dem linken Arm in den "Schwitzkasten", aus dem dieser sich vergeblich herauszuwinden versuchte. Als der Angeklagte im
Verlauf der Rangelei mit dem Geschädigten im Arm aufstand, fiel - auch - das Weizenbierglas des Angeklagten um und zerbrach. Schließlich zog der Angeklagte den nach wie vor im "Schwitzkastengriff" gehaltenen, wegen Ausrutschens kurzzeitig weggesackten Geschädigten mit dem linken Arm unter dem Kinn erneut hoch - dessen Hals war deshalb gestreckt -, ergriff mit der rechten Hand den scharfkantigen Fuß des zerbrochenen Weizenbierglases und stieß ihm den Glasstumpf von unten mit Wucht vorne in die freie Halsregion. Der Angeklagte fügte dem Zeugen W. eine tiefe, 15 cm lange und stark blutende Stich-Schnittverletzung zu. Dies hätte, obwohl kein großes Halsgefäß verletzt wurde, ohne schnellen Wundverschluß zu einem tödlichen Blutverlust führen können. "Ohne daß er von dem Geschädigten durch Abwehrbewegungen oder durch die anderen Anwesenden oder sonst durch einen Umstand am weiteren Zustechen gehindert worden wäre, stach der Angeklagte nicht mehr auf den Geschädigten ein, sondern ließ den Glasstumpf fallen. Er hielt den Geschädigten jedoch weiterhin im 'Schwitzkasten', wobei der verletzte Halsbereich verdeckt war. Dem Angeklagten war bei der Ausführung des Stiches mit dem Glasstumpf klar, daß er mit dem von ihm geführten Stich in den Hals den Geschädigten auch tödlich verletzen konnte. Diese Folge nahm er billigend in Kauf. Der Angeklagte, der zwar wußte, daß er den Geschädigten am Hals verletzt hatte, ging jedoch zu diesem Zeitpunkt, als er die Wunde noch nicht sah, nicht davon aus, daß die Verletzung des Geschädigten lebensgefährlich oder gar tödlich war." Von der Wirtin am linken Arm gezogen, ließ der Angeklagte den Geschädigten dann los. Andere Gäste ergriffen erste Hilfsmaßnahmen. Die Wirtin rief den Notarzt. Der Geschädigte wurde ins Krankenhaus verbracht und sofort operiert. Wegen Verletzung der entsprechenden Muskelpartien hat er nach wie vor Schluck- und Sprechbeschwerden. Die Narbe am Hals wird den Geschädigten dauerhaft entstellen.

Im Verlauf des Abends hatte der Angeklagte vier Pils, fünf Gläser Weizenbier und drei Schnäpse getrunken. Seine Blutalkoholkonzentration betrug zur Tatzeit maximal 2,25 Promille. Der vereinsamte, arbeitslose Angeklagte ist trinkgewohnt. Er, so stellt die Strafkammer seinen Angaben folgend fest, hat vor der Tat ein bis zweimal wöchentlich - jedoch immer nach der Arbeit - Alkohol in größeren Mengen zu sich genommen. Im Zeitraum von 1998 bis 2002 befand er sich insgesamt sechs Mal zur Ausnüchterung in Polizeigewahrsam. Nach dem Tatgeschehen hat der Angeklagte seinen Alkoholkonsum eingeschränkt , was ihm, so ließ er sich ein, nicht schwer gefallen sei, da er keinen Alkohol brauche. Die sachverständig beratene Strafkammer konnte alkoholbedingte erheblich verminderte Schuldfähigkeit des Angeklagten zum Tatzeitpunkt nicht ausschließen. Eine Alkoholabhängigkeit, einen Hang, alkoholische Getränke im Übermaß zu sich zu nehmen, verneint sie. Vorbestraft ist der Angeklagte nicht.

III.


1. Zur Revision der Staatsanwaltschaft:
Der Senat verkennt nicht, daß sich die Strafkammer von dem Bemühen leiten ließ, der Tat und dem Täter bei der Bewertung des Geschehens und insbesondere im Rechtsfolgenausspruch gerecht zu werden. Die Darlegungen der Strafkammer zum strafbefreienden Rücktritt des Angeklagten vom Tötungsversuch tragen gleichwohl nicht.
Zutreffend hat die Strafkammer für die Abgrenzung des unbeendeten vom beendeten Versuch und damit für die Voraussetzungen strafbefreienden Rücktritts gemäß § 24 Abs. 1 1. Alt. StGB - denn zur Rettung des Geschädigten beizutragen , hatte der Angeklagte nichts beigetragen (§ 24 Abs. 1 2. Alt. StGB) und sich darum auch nicht bemüht (§ 24 Abs. 2 StGB) - darauf abgestellt, ob der Angeklagte nach der letzten von ihm vorgenommenen Ausführungshandlung den Eintritt des tatbestandsmäßigen Erfolgs für möglich hielt - sogenannter Rücktrittshorizont - (seit BGHSt 31, 170; vgl. Tröndle/Fischer StGB 52. Aufl. § 24 Rdn. 15). Das Landgericht hat dies verneint. Die Strafkammer hat dabei nicht verkannt, daß bei dem mit bedingtem Tötungsvorsatz handelnden Täter Umstände festgestellt werden müssen, welche die Wertung des Gerichts rechtfertigen , der Täter habe bei Beendigung der Tathandlung einen tödlichen Erfolg nicht (mehr) für möglich gehalten (BGH - Senat - NStZ 1999, 299). Die Feststellungen hierzu sind jedoch nicht frei von Widersprüchen.
Die fehlende Vorstellung des Angeklagten von möglicherweise lebensgefährlichen Verletzungen nach der Beifügung des Stichs hat die Strafkammer allein daraus gefolgert, daß der Angeklagte zu diesem Zeitpunkt die Wunde noch nicht gesehen hatte. Der allein hieraus gezogene Schluß steht aber im Widerspruch zu den Feststellungen der Strafkammer zum übrigen Tatgeschehen. Danach bedurfte es nicht erst eines Blicks auf die Wunde, um beim Angeklagten das Bewußtsein für die möglicherweise tödlichen Folgen seines dem Geschädigten beigefügten Stichs zu wecken beziehungsweise aufrechtzuerhalten.
Wenn der Angeklagte - wie die Strafammer festgestellt hat - den Glasstumpf , gefährlich wie ein Messer, mit Wucht von vorne gegen den von ihm
gestreckten Hals des Geschädigten in dem Bewußtsein, diesen mit dem Zustechen tödlich verletzen zu können, also mit bedingtem Tötungsvorsatz führte, leuchtet es nicht ein, ist es - jedenfalls ohne weitere Darlegungen - nicht ohne weiteres nachvollziehbar, warum der Angeklagte, nachdem er wie beabsichtigt zielgenau getroffen hatte, mit einer tödlichen Folge seines Stichs nun plötzlich nicht mehr gerechnet haben soll. Nach dem Stich mag der Angeklagte über sich selbst erschrocken sein, möglicherweise hielt er deshalb inne. Er mag gewünscht und gehofft haben, daß sein Verhalten doch keine ernsthaften Verletzungen zeitigte. Ein möglicher negativer Ausgang stand ihm gerade dann aber klar vor Augen.
Der Blick auf die Wunde und den am Boden liegenden Geschädigten verschaffte ihm Gewißheit über die tatsächliche Gefahr. Für die Frage des strafbefreienden Rücktritts vom Tötungsversuch hat dies im vorliegenden Fall allerdings keine Relevanz mehr. Zu diesem Zeitpunkt war die für die Entscheidung der Frage, ob aus Sicht des Angeklagten ein beendeter oder ein unbeendeter Versuch vorlag, maßgebende Zeitspanne bereits abgelaufen, denn der Angeklagte hatte keine Angriffsmöglichkeit mehr (vgl. BGHSt 31, 170 [176]; 36, 224 [225]). Der Geschädigte war durch die Umstehenden geschützt. Den Glasstumpf hatte der Angeklagte gleich nach dem ersten Stich fallen lassen. Auf die Frage der - umgekehrten - "Korrektur des Rücktrittshorizonts" (vgl. BGH NStZ 1998, 614) kann es deshalb hier nach den bisherigen Feststellungen der Strafkammer nicht mehr ankommen.
Da neue widerspruchsfreie Feststellungen, die einer Verurteilung wegen versuchten Totschlags entgegenstehen, nicht ausgeschlossen sind, kann der
Senat den Schuldspruch nicht selbst ändern. Die Sache bedarf daher insgesamt neuer Verhandlung und Entscheidung.
2. Zur Revision des Angeklagten:

a) Es mag dahinstehen, ob die Feststellungen des Landgerichts die Annahme erheblich verminderter Schuldfähigkeit des Angeklagten zur Tatzeit tragen. Denn dies belastet ihn nicht.
Es ist frei von Rechtfehlern, daß die Strafkammer trotz verminderter Schuldfähigkeit davon abgesehen hat, den Strafrahmen gemäß §§ 21, 49 Abs. 1 StGB zu verschieben. Dies steht in Einklang mit Tendenzen der neueren Rechtsprechung zur Bewertung zu verantwortender Trunkenheit in diesem Zusammenhang (vgl. BGH NStZ 2003, 480; BGHR § 21 Strafrahmenverschiebung 32; BGH, Beschluß vom 17. August 2004 - 5 StR 93/04 -).
Der Tatrichter entscheidet über die fakultative Strafrahmenverschiebung aufgrund einer Gesamtabwägung aller schuldrelevanten Gesichtspunkte. Beruht die erheblich verminderte Schuldfähigkeit auf zu verantwortender Trunkenheit , spricht dies allerdings auch ohne einschlägige Vorverurteilungen in der Regel gegen eine Verschiebung des Strafrahmens. Einer umfassenden Darstellung aller in die Abwägung einzubeziehenden Umstände in den schriftlichen Urteilsgründen bedarf es nur in Ausnahmefällen. Es genügt die Mitteilung der ausschlaggebenden Aspekte. Revisionsrechtlicher Überprüfung ist die Entscheidung über die fakultative Strafrahmenverschiebung nur eingeschränkt zugänglich; insoweit steht dem Tatrichter ein weiter Ermessensspielraum zu. Diesen respektiert der Senat.
Die knappe, auf die Mitteilung der wesentlichen Umstände beschränkte Begründung der Strafkammer zur Ablehnung der fakultativen Strafrahmenver-
schiebung gemäß §§ 21, 49 Abs. 1 StGB genügt hier zur revisionsrechtlichen Bewertung, daß ein Ermessensfehlgebrauch auszuschließen ist.

b) Auch im übrigen ergab die sachlichrechtliche Überprüfung des Urteils keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten.
Nack Kolz Hebenstreit Elf Graf

(1) Wegen Versuchs wird nicht bestraft, wer freiwillig die weitere Ausführung der Tat aufgibt oder deren Vollendung verhindert. Wird die Tat ohne Zutun des Zurücktretenden nicht vollendet, so wird er straflos, wenn er sich freiwillig und ernsthaft bemüht, die Vollendung zu verhindern.

(2) Sind an der Tat mehrere beteiligt, so wird wegen Versuchs nicht bestraft, wer freiwillig die Vollendung verhindert. Jedoch genügt zu seiner Straflosigkeit sein freiwilliges und ernsthaftes Bemühen, die Vollendung der Tat zu verhindern, wenn sie ohne sein Zutun nicht vollendet oder unabhängig von seinem früheren Tatbeitrag begangen wird.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 219/11
vom
4. August 2011
in der Strafsache
gegen
wegen versuchten Mordes u.a.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 4. August 2011 gemäß § 349
Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Mühlhausen vom 20. Januar 2011 mit den Feststellungen aufgehoben ; jedoch bleiben die Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen aufrecht erhalten. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Schwurgerichtskammer des Landgerichts zurückverwiesen. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchten Mordes in fünf tateinheitlichen Fällen in Tateinheit mit Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion "mit versuchter Todesfolge" in fünf tateinheitlichen Fällen sowie in weiterer Tateinheit mit Tötung auf Verlangen zu einer Freiheitsstrafe von acht Jahren verurteilt. Das Rechtsmittel ist mit der aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Einschränkung begründet.
2
Das Landgericht hat Folgendes festgestellt: Der Angeklagte und seine Ehefrau Elfriede befanden sich nach Verlust ihrer Arbeitsplätze in erheblichen finanziellen Schwierigkeiten. Nach der Zwangsversteigerung ihres Wohnhauses mieteten sie eine Doppelhaushälfte. Im Jahr 2009 kam es zu Mietrückständen und zur fristlosen Kündigung sowie zum Räumungsurteil. Elfriede H. litt seit 1990 unter Depressionen. Ärztliche Behandlungen lehnte sie ab; stattdessen gab sie sich dem Alkoholkonsum hin. Auch der Angeklagte fühlte sich hoffnungslos. Etwa drei Monate vor der Tat begannen gemeinsame Selbstmordüberlegungen , die eine Tötung durch Gas nach Einnahme von Schlaftabletten vorsahen. Für den 25. Mai 2010 war die Zwangsräumung des Hauses angekündigt ; zur Tat kam es am Tag zuvor. Gegen 10.00 Uhr fassten der Angeklagte und seine Ehefrau endgültig den Entschluss, sich zu töten. Gegen 19.00 Uhr tranken die Eheleute Sekt, dann nahmen sie Schlaftabletten ein. Elfriede H. legte sich schon im Schlafzimmer im Obergeschoss zu Bett, während der Angeklagte im Gäste-WC im Erdgeschoss an der Gastherme den Hauptanschluss öffnete, so dass Gas austreten konnte. Dann stellte er im Wohnzimmer und im Arbeitszimmer im Obergeschoß brennende Kerzen auf. Anschließend öffnete er den Gashahn vollständig, so dass ein Rauschen durch entweichendes Gas entstand. Der Angeklagte rechnete mit einer Explosion. Er ging davon aus, dass dadurch auch die andere Doppelhaushälfte zerstört werden könnte, und nahm in Kauf, dass hierdurch die Eheleute K. , deren zwei Kinder und die Freundin des Sohnes getötet werden könnten. Der Angeklagte legte sich sodann zu seiner Ehefrau auf das Bett. Gegen 20.00 Uhr vernahmen auch die Nachbarn ein Rauschen, dann hörten sie einen Knall. Hierauf lief Frank K. auf die Straße. In diesem Moment kam der Angeklagte um die Hausecke und rief dem Nachbarn zu: "hier brennt alles ab, haut ab". Dann entfernte sich der Angeklagte und Frank K. lief in seine Wohnung. In diesem Moment kam es zu einer zweiten Explosion, durch die der Dachstuhl der Doppelhaushälfte des Ange- klagten abgesprengt wurde. Mauern wurden beschädigt, Fenster flogen heraus und die Doppelhaushälfte des Angeklagten brannte. In der anderen Hälfte des Doppelhauses wölbte sich die Trennwand nach innen, das Dach und die Treppe wurden beschädigt; die dortigen Bewohner blieben aber unverletzt. Elfriede H. starb dagegen. Der Angeklagte erlitt Verbrennungen und wurde von der Feuerwehr aus dem Obergeschoss gerettet.
3
Das Landgericht hat angenommen, ein strafbefreiender Rücktritt des Angeklagten vom Versuch der Tötung der Bewohner der benachbarten Doppelhaushälfte scheide aus. Er habe die Vollendung der Tat nicht verhindert (§ 24 Abs. 1 Satz 1 StGB). Es hätten auch keine zur Strafbefreiung zumindest erforderlichen Verhinderungsbemühungen vorgelegen (§ 24 Abs. 1 Satz 2 StGB). Der Angeklagte habe zwar den Nachbarn auf einen bevorstehenden Brand hingewiesen, aber nicht auf eine bevorstehende Explosion. Außerdem wäre von ihm zu fordern gewesen, die Explosionsgefahr durch Versperren des Gashahns zu beseitigen.
4
Die Begründung für die Ablehnung eines strafbefreienden Rücktritts vom Tötungsversuch trägt nicht. § 24 Abs. 1 Satz 2 StGB setzt voraus, dass der Täter tut, was in seinen Kräften steht und nach seiner Überzeugung zur Erfolgsabwendung erforderlich ist (vgl. BGH, Urteil vom 20. Mai 2010 - 3 StR 78/10, NStZ-RR 2010, 276 f.). Dabei reicht nicht bereits ein irgendwie geartetes Bemühen aus; erforderlich ist vielmehr ein solches Bemühen, das sich in der Vorstellung des Täters als ein Abbrechen des in Gang gesetzten Kausalverlaufs darstellt. Es fehlen jedoch Feststellungen des Landgerichts dazu, welche Vorstellung der Angeklagte zur Zeit der Warnung des Nachbarn vom weiteren Geschehen hatte. Nachdem die Entzündung des Gases zu einer ersten Explosion geführt hatte, könnte der Angeklagte angenommen haben, dass danach nur noch mit einem Brand zu rechnen war. Es liegt nicht auf der Hand, dass er die Vorstellung hatte, es könne zu einer zweiten, schwereren Explosion kommen. Fehlte eine solche Vorstellung des Angeklagten, dann hätte er sich durch seinen Warnruf im Sinne von § 24 Abs. 1 Satz 2 StGB auch unter Beachtung der bei Rettung eines Menschenlebens zu stellenden hohen Anforderungen innerhalb des rasch ablaufenden Geschehens ausreichend darum bemüht, die Vollendung der Tat zu verhindern. Dass ihm Zeit verblieben war, nach der Warnung des Nachbarn auch noch den Gashahn zu schließen, ist nicht ersichtlich.
Fischer Appl Berger Eschelbach Ott

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
3 StR 78/10
vom
20. Mai 2010
in der Strafsache
gegen
wegen versuchten Totschlags u. a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 20. Mai 2010,
an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Becker,
die Richter am Bundesgerichtshof
Pfister,
von Lienen,
Richterin am Bundesgerichtshof
Sost-Scheible,
Richter am Bundesgerichtshof
Hubert
als beisitzende Richter,
Staatsanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Rechtsanwältin
als Vertreterin der Nebenklägerin,
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom 13. November 2009 mit den Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels und die dem Angeklagten sowie der Nebenklägerin dadurch entstandenen notwendigen Auslagen , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Die Staatsanwaltschaft rügt mit ihrer Revision, die vom Generalbundesanwalt vertreten wird, die Verletzung sachlichen Rechts. Nach ihrer Auffassung hat das Landgericht zu Unrecht einen strafbefreienden Rücktritt vom Totschlagsversuch sowie eine erhebliche Verminderung der Schuldfähigkeit des Angeklagten angenommen.
2
Das Rechtsmittel hat Erfolg.
3
1. Das Landgericht hat folgende Feststellungen getroffen:
4
Der nicht vorbestrafte Angeklagte lebte seit Februar 2009 wieder im Haushalt seiner 74jährigen Mutter, dem späteren Tatopfer. Diese litt an einer schweren Lungenerkrankung und war darauf angewiesen, sich täglich für mehrere Stunden über einen Nasenschlauch ergänzend Sauerstoff zuzuführen. Zwischen dem Angeklagten und seiner Mutter kam es alsbald vermehrt zu Streitigkeiten. In der Wahrnehmung des Angeklagten, die möglicherweise durch seinen regelmäßigen Cannabis-Konsum beeinträchtigt war, beruhten die Auseinandersetzungen darauf, dass seine Mutter ihn ständig grundlos kritisierte und ihn als Versager darstellte. Infolge dieses vom Angeklagten als kränkende Zurückweisung empfundenen Verhaltens, entwickelte sich bei ihm zunehmend ein Gefühl der Unzulänglichkeit und Verärgerung, aus dem heraus er drei Tage vor der Tat anlässlich einer erneuten Meinungsverschiedenheit mit seiner Mutter gegenüber seinem Schwager äußerte "die blöde Kuh wär´ sowieso besser tot".
5
Am Tattag war er nach einer aus seiner Sicht missbilligenden Äußerung seiner Mutter über seine Freundin niedergeschlagen und zog sich in sein Zimmer zurück. Nach dem Konsum von Haschisch und Alkohol sprang er gegen 21 Uhr einem plötzlichen Entschluss folgend aus dem Fenster seines im ersten Stock gelegenen Zimmers, um sich das Leben zu nehmen. Er zog sich durch den Sturz jedoch lediglich leichte Verletzungen zu und wurde auf seine Hilferufe von seiner Mutter wieder in das Haus eingelassen, wo er sich auf deren Bett legte. Währendessen forderte seine Mutter telefonisch einen Notarzt für den Angeklagten an. Nach Beendigung des Telefonats stürzte sich der Angeklagte plötzlich in Wut auf seine Mutter, die er für seine Lage verantwortlich machte, riss ihr den Bademantel herunter, warf sie auf das Bett und hielt ihr mit den Worten "jetzt bist Du dran", "Verreck´ doch endlich, Du Miststück" Mund und Nase zu in der Absicht, sie zu töten. Die Geschädigte, die Todesangst hatte, stellte sich tot. Als sich die von dem Tatopfer zuvor alarmierten Rettungskräfte mit Signalton dem Tatort näherten, ließ der Angeklagte von seiner Mutter ab, lief zur Wohnung der Nachbarn und rief um Hilfe, weil seine Mutter sterbe. Sodann ließ er die mittlerweile eingetroffenen Rettungskräfte in die Wohnung seiner Mutter ein. Das Tatopfer erlitt durch den Verschluss der Atemwege lebensbedrohliche Verletzungen und konnte nur mit Mühe gerettet werden.
6
2. Die Annahme des Landgerichts, der Angeklagte sei strafbefreiend vom (tateinheitlich begangenen) Totschlagsversuch zurückgetreten, hält auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
7
Das Landgericht ist zwar im Ansatz zutreffend davon ausgegangen, dass der Totschlagsversuch beendet war; denn der Angeklagte glaubte, dass seine Mutter an den ihr zugefügten Verletzungen versterben konnte. Die Voraussetzungen eines strafbefreienden Rücktritts vom beendeten Versuch sind hingegen nicht ausreichend belegt. Die Urteilsfeststellungen sind insoweit lückenhaft und erlauben nicht den Schluss, dass der Angeklagte entweder die Vollendung der Tat freiwillig verhindert (§ 24 Abs. 1 Satz 2 2. Halbs. StGB) oder sich freiwillig und ernsthaft bemüht hat, die Vollendung zu verhindern (§ 24 Abs. 1 Satz 2 StGB).
8
a) Ein strafbefreiender Rücktritt vom Versuch gemäß § 24 Abs. 1 Satz 1 2. Halbs. StGB kommt zwar auch in Betracht, wenn der Täter unter mehreren Möglichkeiten der Erfolgsverhinderung nicht die sicherste oder "optimale" gewählt hat (BGHSt 48, 147). Erforderlich ist aber stets, dass der Täter eine neue Kausalkette in Gang gesetzt hat, die für die Nichtvollendung der Tat ursächlich, oder jedenfalls mitursächlich wird (BGHSt 33, 295, 301; BGH NStZ 2008, 508).
9
Mit den Voraussetzungen dieser Rücktrittsregelung hat sich das Landgericht nicht ausdrücklich befasst. Es hat lediglich festgestellt, dass der Angeklagte die aus anderen Gründen herbeigerufenen Rettungskräfte in die Wohnung der Geschädigten einließ. Ausreichende Anhaltspunkte dafür, dass dieses Ver- halten im Sinne des § 24 Abs. 1 Satz 1 2. Halbs. StGB für die Erfolgsverhinderung kausal oder zumindest mitursächlich wurde, enthält das Urteil indes nicht. Es verhält sich insbesondere nicht dazu, ob der Angeklagte den Notarzt und die Sanitäter, die nicht zur Rettung seiner Mutter herbeigerufen, sondern von dieser wegen seines Selbstmordversuchs alarmiert worden waren, über die veränderte Sachlage in Kenntnis setzte und ihnen den Weg zu seiner verletzten Mutter wies und auf diese Weise deren Rettung erleichterte oder beschleunigte - was in Anbetracht der konkreten Umstände für die Annahme eines strafbefreienden Rücktritts nach § 24 Abs. 1 Satz 1 2. Halbs. StGB ausgereicht hätte -, oder ob der Notarzt die Wohnung der Verletzten auch ohne Zutun des Angeklagten ohne wesentliche Verzögerung betreten, das Tatopfer finden und dieses damit auch ohne Mitwirkung des Angeklagten retten konnte (BGH NJW 1990, 3219; BGH NStZ aaO).
10
b) Dass sich der Angeklagte - wovon das Landgericht ausgegangen ist - im Sinne des § 24 Abs. 1 Satz 2 StGB jedenfalls freiwillig und ernsthaft bemüht hat, die Vollendung zu verhindern, ist durch die Feststellungen ebenfalls nicht hinreichend belegt.
11
§ 24 Abs. 1 Satz 2 StGB setzt voraus, dass der Täter alles tut, was in seinen Kräften steht und nach seiner Überzeugung zur Erfolgsabwendung erforderlich ist, und dass er die aus seiner Sicht ausreichenden Verhinderungsmöglichkeiten ausschöpft, wobei er sich auch der Hilfe Dritter bedienen kann (BGHSt 33, 295, 301 f.; BGH NStZ 2008, 329). Allerdings sind, wenn - wie hier - ein Menschenleben auf dem Spiel steht, insoweit hohe Anforderungen zu stellen. Der Täter muss sich um die bestmögliche Maßnahme bemühen. Hilft er nicht selbst, so muss er sich zumindest vergewissern, ob die Hilfspersonen das Notwendige und Erforderliche veranlassen (BGHSt aaO).
12
Auch insoweit lässt das Urteil ausreichende Feststellungen vermissen. Das Herbeirufen eines Krankenwagens oder Arztes war hier die am ehesten zur Rettung des Tatopfers geeignete Maßnahme. Entsprechende Bemühungen entfaltete der Angeklagte jedoch nicht selbst; denn seine Mutter hatte die Rettungskräfte bereits vor der Tat verständigt. Ob sich das bloße Einlassen des aus anderen Gründen herbeigerufenen Notarztes in die Wohnung des Tatopfers in der konkreten Situation objektiv und aus Sicht des Angeklagten als die bestmögliche Maßnahme zur Rettung des Tatopfers darstellte, ist in Anbetracht der fehlenden Feststellungen zu den Umständen des Zusammentreffens des Angeklagten mit den Rettungskräften, deren Kenntnisstand und dem diesbezüglichen Vorstellungsbild des Angeklagten nicht ausreichend dargelegt. Gleiches gilt, soweit sich der Angeklagte durch Hilferufe und mit dem Hinweis, seine Mutter sterbe, an die Wohnungsnachbarn wandte; denn die Urteilsgründe ergeben bereits nicht, welche Vorstellungen der Angeklagte mit diesem Vorgehen verband (BGH NStZ 2000, 41 f.).
13
3. Da das Urteil schon wegen der rechtsfehlerhaften Bejahung eines strafbefreienden Rücktritts vom tateinheitlich begangenen Totschlagsversuchs der Aufhebung unterliegt, kommt es nicht mehr entscheidend darauf an, ob die knappen Darlegungen des Landgerichts zum Vorliegen einer erheblich verminderten Steuerungsfähigkeit des Angeklagten infolge einer tiefgreifenden Bewusstseinsstörung im Sinne der §§ 20, 21 StGB eine noch ausreichende revisionsrechtliche Nachprüfung ermöglichen. Der Senat sieht jedoch Anlass, darauf hinzuweisen, dass der Tatrichter, wenn er sich darauf beschränkt, sich der Beurteilung eines Sachverständigen zur Frage der Schuldfähigkeit anzuschließen, dessen wesentliche Anknüpfungs- und Befundtatsachen im Urteil so wiederzugeben hat, wie dies zum Verständnis des Gutachtens erforderlich ist (BGH NStZ-RR 2003, 232). Der neue Tatrichter wird darüber hinaus Gelegenheit haben , die von der Revision vermissten Umstände bei der Prüfung der Schuldfä- higkeit im Rahmen der gebotenen Gesamtwürdigung zu berücksichtigen. Er wird ferner in den Blick zu nehmen haben, ob möglicherweise ein Zusammenwirken mehrerer Ursachen zu einer Beeinträchtigung der Steuerungsfähigkeit des Angeklagten geführt hat (BGHR StGB § 21 Ursachen, mehrere 3 und 4).
14
4. Das Urteil weist - was gemäß § 301 StPO auch auf die Revision der Staatsanwaltschaft zu prüfen ist - hingegen keinen durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf. Becker Pfister von Lienen Sost-Scheible Hubert

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
4 StR 610/07
vom
13. März 2008
in der Strafsache
gegen
wegen versuchten Totschlags u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 13. März
2008, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Tepperwien,
Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Kuckein,
Athing,
Richterin am Bundesgerichtshof
Solin-Stojanović,
Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Ernemann
als beisitzende Richter,
Staatsanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Rechtsanwalt
als Vertreter der Nebenklägerin,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Paderborn vom 10. Juli 2007 aufgehoben , jedoch bleiben die Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen und zum Tatvorgeschehen aufrechterhalten.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere als Schwurgericht zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die Revision des Angeklagten gegen das vorgenannte Urteil wird verworfen. Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels und die der Nebenklägerin dadurch entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt. Die Staatsanwaltschaft rügt mit ihrer Revision, die vom Generalbundesanwalt vertreten wird, die Verletzung sachlichen Rechts. Nach ihrer Auffassung hat das Landgericht zu Unrecht einen strafbefreienden Rücktritt vom Totschlagsversuch sowie eine erhebliche Verminderung der Schuldfähigkeit des Angeklagten angenommen. Der Angeklagte rügt mit seiner Revision die Verletzung sachlichen Rechts.

I.


2
1. Zwischen dem Angeklagten und seiner deutschen Ehefrau, der Nebenklägerin , die im August 2004 in der Türkei geheiratet hatten, kam es nach dem Umzug nach Paderborn zu erheblichen Spannungen. Während ihrer Schwangerschaft zog die Nebenklägerin vorübergehend in das Frauenhaus. Im September 2006 trennte sie sich von dem Angeklagten, zog mit ihrer im November 2005 geborenen Tochter erneut ins Frauenhaus und wechselte im Dezember 2006 in das Mutter-Kind-Haus in Paderborn. Dort besuchte der Angeklagte die Nebenklägerin, der vom Familiengericht die Alleinsorge für die gemeinsame Tochter übertragen worden war, fast täglich. Weil es bei diesen Besuchen häufig zu Streitigkeiten und auch zu Handgreiflichkeiten kam, wurde dem Angeklagten Ende Januar 2007 von der Leitung des Mutter-Kind-Hauses Hausverbot erteilt. Auf Grund einer eidesstattlichen Versicherung des Angeklagten , die Nebenklägerin habe die gemeinsame Tochter aus dem Fenster gehalten, die der Rechtsanwalt des Angeklagten dem Jugendamt zugeleitet hatte, veranlasste dieses eine sog. Pflege-über-Nacht-Maßnahme.
3
In der Nacht vom 24. auf den 25. Februar 2007 kam der Angeklagte an der Wohnung der Nebenklägerin vorbei. Da er am Vortage von der "Pflegeüber -Nacht-Maßnahme“ des Jugendamtes erfahren hatte, entschloss er sich, "auch deshalb, um sich nach dem Verbleib des Kindes zu erkundigen", die Nebenklägerin aufzusuchen. Diese war kurz zuvor mit dem Zeugen B. in ihre Wohnung zurückgekehrt. Dem Angeklagten wurde auf sein Klopfen von der Nebenklägerin geöffnet, die ihren neuen Freund Thorsten K. erwartete. Der Angeklagte drängte die Nebenklägerin in Richtung Wohnküche. Die Nebenklägerin rief dem Zeugen B. zu: "Schick ihn raus. Er hat hier nichts zu suchen". Als der Angeklagte den auf dem Sofa sitzenden Zeugen bemerkte, forderte er ihn auf, die Wohnung zu verlassen. Der Angeklagte griff nach einem Messer, zwang den Zeugen B. unter Vorhalt des Messers, die Wohnung zu verlassen, und beschimpfte die Nebenklägerin unter anderem als "billige Schlampe". Auf seine Frage, wo seine Tochter sei, entgegnete die Nebenklägerin , das Kind sei weg und daran treffe ihn die Schuld.
4
Als die Nebenklägerin ihr Mobiltelefon ergriff, um die Polizei zu benachrichtigen , schlug es ihr der Angeklagte aus der Hand. Er stach unvermittelt mehrfach auf den Oberkörper der Nebenklägerin ein, wobei er deren Tod „zumindest“ billigend in Kauf nahm. Als diese in die Knie ging, ließ der Angeklagte von ihr ab. Er ging davon aus, dass die Nebenklägerin an den ihr zugefügten Verletzungen versterben könnte. Der Angeklagte verließ die Wohnung und warf die Tür hinter sich zu. Im Hausflur traf er auf die Wohnungsnachbarn der Nebenklägerin. Die Zeugen Nicole N. und Ismail D. hatten die Hilfeschreie der Nebenklägerin vernommen und um 2.32 Uhr die Polizei benachrichtigt. Ohne ein Wort an die Zeugen zu richten, eilte der Angeklagte aus dem Haus und ging zu der nächstgelegenen Polizeidienststelle. Um 2.41 Uhr erschien er in der Wachschleuse der Polizeiwache und erklärte dem Wachhabenden , der ihn über die Sprechanlage angesprochen hatte, in gebrochenem Deutsch, er habe gerade mit einem Messer auf seine Frau eingestochen. Nach seinem Namen befragt, antwortete er: „Alexander E. “. Der Angeklagte wurde in die Wache gelassen und festgenommen. Da der Wachhabende annahm, dass es sich bei dem Angeklagten um die wegen des kurz zuvor telefonisch gemeldeten Vorfalls in dem Mutter-Kind-Haus gesuchte Person handelte, "fand keine weitere Kommunikation mit dem Angeklagten statt".
5
Der Nebenklägerin war es gelungen, sich bis zur Wohnungstür zu schleppen und diese auf das Klopfen ihrer Nachbarn zu öffnen. Dann brach sie im Flur ihrer Wohnung zusammen. Die Zeugen N. , B. und D. informierten sofort den Rettungsdienst und leisteten erste Hilfe. "Nur auf Grund dessen und der unverzüglich herbeigerufenen ärztlichen Hilfe konnte das Leben der Geschädigten gerettet werden."
6
2. Das Landgericht hat den Angeklagten der gefährlichen Körperverletzung nach §§ 223, 224 Abs. 1 Nr. 2 und 5 StGB schuldig gesprochen. Von dem (tateinheitlich verwirklichten) beendeten Versuch des Totschlags sei der Angeklagte "strafbefreiend" nach § 24 StGB zurückgetreten. Das Landgericht hat hierzu u.a. ausgeführt: "Der Angeklagte hat sich unmittelbar nach dem Tatgeschehen zur nächstgelegenen Polizeidienststelle begeben. Insoweit geht die Kammer zu Gunsten des Angeklagten davon aus, dass er hierdurch auch die schnelle Hilfe für seine Ehefrau veranlassen wollte, denn er durfte auch davon ausgehen, dass die Polizei alle notwendigen Maßnahmen zur Rettung der Zeugin E. unternehmen werde. Die Polizeidienststelle war zudem nur wenige Minuten (neun Minuten) von der Wohnung des Opfers entfernt, so dass der Angeklagte auch in zeitlicher Hinsicht darauf vertrauen konnte, dass seine Ehefrau noch rechtzeitig Hilfe erfahren werde. Zu weiteren Angaben des Angeklagten konnte es schon deshalb nicht kommen, weil der wachhabende Beamte keine weitere Kommunikation führte".

II.


7
Die Revision der Staatsanwaltschaft hat Erfolg.
8
1. Die Annahme des Landgerichts, der Angeklagte sei von dem Totschlagsversuch strafbefreiend zurückgetreten, hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
9
Zutreffend ist das Landgericht davon ausgegangen, dass der Totschlagsversuch beendet war, denn der Angeklagte ging davon aus, dass die Nebenklägerin an den ihr zugefügten Stichverletzungen versterben könnte. Ist ein Versuch beendet, setzt ein Rücktritt voraus, dass der Täter entweder die Vollendung der Tat freiwillig verhindert (§ 24 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 StGB) oder dass er sich freiwillig und ernsthaft bemüht, die Vollendung zu verhindern (§ 24 Abs. 1 Satz 2 StGB). Beide Varianten des § 24 Abs. 1 StGB stellen unterschiedliche Anforderungen an die vom Täter zu erbringende Rücktrittsleistung (vgl. BGHSt 48, 147, 149/150, 151 f. in Abgrenzung zu BGHSt 31, 46 und BGH NStZ-RR 1997, 193).
10
a) Ein strafbefreiender Rücktritt vom Versuch gemäß § 24 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 StGB setzt zwar nicht voraus, dass der Täter unter mehreren Möglichkeiten der Erfolgsverhinderung die sicherste oder "optimale" gewählt hat (vgl. BGHSt 48, 147). Erforderlich ist aber, dass der Täter eine neue Kausalkette in Gang setzt, die für die Nichtvollendung der Tat ursächlich oder jedenfalls mitursächlich wird (vgl. BGHSt 33, 295, 301; BGH NStZ 2006, 503). Das ist nach den bisherigen Feststellungen jedoch nicht der Fall. Dass die Nebenklägerin die ihr vom Angeklagten zugefügten schweren Stichverletzungen überlebt hat, beruht vielmehr allein darauf, dass deren Wohnungsnachbarn bereits bevor der Angeklagte das Haus verließ, die Polizei benachrichtigt hatten, die Nebenklägerin ihren Wohnungsnachbarn die Wohnungstür öffnen konnte und diese umgehend auch den Rettungsdienst informierten und sofort erste Hilfe leisteten. Diese für die Verhinderung des Erfolgseintritts ursächlichen Hilfeleistungen erfolg- ten aber nach den bisherigen Feststellungen ohne Zutun des Angeklagten. Dieser hat weder auf die Wohnungsnachbarn, denen er im Hausflur begegnete, in irgendeiner Weise eingewirkt, noch hat er durch seine Äußerungen auf der Polizeiwache dazu beigetragen, dass der Einsatz der von den Nachbarn alarmierten Rettungskräfte beschleunigt oder erleichtert wurde.
11
b) Wird die Tat - wie hier - ohne Zutun des Täters nicht vollendet, kommt nur ein strafbefreiender Rücktritt nach § 24 Abs. 1 Satz 2 StGB in Frage. Dass der Angeklagte sich freiwillig und ernsthaft bemüht hat, die Vollendung zu verhindern , ist durch die bisherigen Feststellungen jedoch ebenfalls nicht belegt.
12
§ 24 Abs. 1 Satz 2 StGB setzt voraus, dass der Täter alles tut, was in seinen Kräften steht und nach seiner Überzeugung zur Erfolgsabwendung erforderlich ist, und dass er die aus seiner Sicht ausreichenden Verhinderungsmöglichkeiten ausschöpft, wobei sich der Täter auch eines Dritten bedienen kann (vgl. BGHSt 33, 295, 301/302; BGH StV 1997, 518 jew. m.w.N.). Wenn - wie hier - ein Menschenleben auf dem Spiel steht, sind insoweit hohe Anforderungen zu stellen (vgl. BGHSt 33, 295, 302). Gemessen an diesen Grundsätzen ist ein Rücktritt des Angeklagten entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin nicht schon deshalb ausgeschlossen, weil er nicht sofort mit dem Mobiltelefon der Nebenklägerin Hilfe herbeigerufen oder die Wohnungsnachbarn der Nebenklägerin hierzu aufgefordert hat. Dass ein Täter objektiv schon eher etwas und möglicherweise noch mehr hätte tun können, steht der Annahme eines Rücktritts nicht entgegen (vgl. BGH StV 1999, 211, 212; 1982, 467 m. w. N.). Maßgeblich ist vielmehr, dass der Täter, wenn er sich entschließt, die Vollendung der Tat zu verhindern, die aus seiner Sicht notwendigen Maßnahmen ergreift und sich um die bestmögliche Maßnahme bemüht (vgl. BGHSt 33, 295, 301/302; BGH StV 1999, 596). Dass der Angeklagte dies getan hat, ist durch die bisherigen Feststellungen nicht nachvollziehbar belegt.
13
aa) Durchgreifenden rechtlichen Bedenken begegnet schon die Annahme des Landgerichts, zugunsten des Angeklagten sei davon auszugehen, dass er die Polizeiwache auch deshalb aufgesucht habe, um Rettungsmaßnahmen zu veranlassen. Der Angeklagte hat sich dahin eingelassen, er habe gewusst, dass die Nachbarn, die ihn gesehen hätten, sich um seine Frau kümmern würden und ihr helfen könnten. Er selbst habe nur gedacht, dass er schnell zur Polizei müsse. Bei dieser Sachlage versteht es sich nicht von selbst, dass der Angeklagte beim Aufsuchen der Polizei in der Vorstellung handelte, er könne noch einen nennenswerten Beitrag zur Rettung der Nebenklägerin leisten (vgl. BGH NStZ 1999, 300). Zwar ist es grundsätzlich zulässig, auch hinsichtlich der Rücktrittsvoraussetzungen auf den Zweifelssatz zurückzugreifen. Dies setzt aber voraus, dass bei einer Gesamtbeurteilung der Beweistatsachen eindeutige Feststellungen nicht möglich sind (vgl. BGH NStZ 1999, 300, 301), denn es ist weder im Hinblick auf den Zweifelssatz noch sonst geboten, zu Gunsten des Angeklagten Tatvarianten zu unterstellen, für deren Vorliegen keine konkreten Anhaltspunkte erbracht sind (vgl. BGH NJW 2007, 92, 94; 2005, 1727; NStZRR 2005, 147, 148). Dass solche Anhaltspunkte vorliegen, ist nicht dargetan.
14
bb) Selbst wenn der Angeklagte, wovon das Landgericht zu seinen Gunsten ausgegangen ist, die nahe gelegene Polizeiwache aufgesucht hat, um „hierdurch auch die schnelle Hilfe für seine Ehefrau“ zu veranlassen, liegt nach den Feststellungen jedenfalls deshalb kein Rücktritt vor, weil er die Verhinderungsmöglichkeiten nicht ausgeschöpft hat. Die bloße Mitteilung des Angeklagten , er habe "auf seine Frau eingestochen" und die Nennung eines Namens waren – auch aus der Sicht des Angeklagten, der nicht wusste, dass der wach- habende Polizeibeamte bereits über den Notruf der Wohnungsnachbarn der Nebenklägerin informiert war – nicht geeignet, die sofortige Einleitung der notwendigen Rettungsmaßnahmen zu ermöglichen. Dass der wachhabende Beamte mit dem Angeklagten „keine weitere Kommunikation führte“ ist ohne Belang. Vielmehr hätte der Angeklagte die für die Einleitung von Rettungsmaßnahmen erforderlichen Hinweise auf den Tatort und darauf, dass er die Wohnungstür zugezogen hatte, von sich aus geben müssen. Dass der Angeklagte dies getan oder jedenfalls versucht hat, lässt sich den Urteilsgründen nicht entnehmen.
15
Die Sache bedarf daher erneuter Verhandlung und Entscheidung.
16
2. Da die Revision der Staatsanwaltschaft zur Aufhebung des Urteils führt, ist die mit der Revisionseinlegung erhobene sofortige Beschwerde gegen die Kostenentscheidung des angefochtenen Urteils gegenstandslos.

III.


17
Die Revision des Angeklagten ist unbegründet.
18
Die Überprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung hat, auch soweit sich der Angeklagte gegen die Höhe der gegen ihn verhängten Strafe wendet, aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts keine Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.
Tepperwien Kuckein Athing
Solin-Stojanović Ernemann

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 219/11
vom
4. August 2011
in der Strafsache
gegen
wegen versuchten Mordes u.a.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 4. August 2011 gemäß § 349
Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Mühlhausen vom 20. Januar 2011 mit den Feststellungen aufgehoben ; jedoch bleiben die Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen aufrecht erhalten. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Schwurgerichtskammer des Landgerichts zurückverwiesen. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchten Mordes in fünf tateinheitlichen Fällen in Tateinheit mit Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion "mit versuchter Todesfolge" in fünf tateinheitlichen Fällen sowie in weiterer Tateinheit mit Tötung auf Verlangen zu einer Freiheitsstrafe von acht Jahren verurteilt. Das Rechtsmittel ist mit der aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Einschränkung begründet.
2
Das Landgericht hat Folgendes festgestellt: Der Angeklagte und seine Ehefrau Elfriede befanden sich nach Verlust ihrer Arbeitsplätze in erheblichen finanziellen Schwierigkeiten. Nach der Zwangsversteigerung ihres Wohnhauses mieteten sie eine Doppelhaushälfte. Im Jahr 2009 kam es zu Mietrückständen und zur fristlosen Kündigung sowie zum Räumungsurteil. Elfriede H. litt seit 1990 unter Depressionen. Ärztliche Behandlungen lehnte sie ab; stattdessen gab sie sich dem Alkoholkonsum hin. Auch der Angeklagte fühlte sich hoffnungslos. Etwa drei Monate vor der Tat begannen gemeinsame Selbstmordüberlegungen , die eine Tötung durch Gas nach Einnahme von Schlaftabletten vorsahen. Für den 25. Mai 2010 war die Zwangsräumung des Hauses angekündigt ; zur Tat kam es am Tag zuvor. Gegen 10.00 Uhr fassten der Angeklagte und seine Ehefrau endgültig den Entschluss, sich zu töten. Gegen 19.00 Uhr tranken die Eheleute Sekt, dann nahmen sie Schlaftabletten ein. Elfriede H. legte sich schon im Schlafzimmer im Obergeschoss zu Bett, während der Angeklagte im Gäste-WC im Erdgeschoss an der Gastherme den Hauptanschluss öffnete, so dass Gas austreten konnte. Dann stellte er im Wohnzimmer und im Arbeitszimmer im Obergeschoß brennende Kerzen auf. Anschließend öffnete er den Gashahn vollständig, so dass ein Rauschen durch entweichendes Gas entstand. Der Angeklagte rechnete mit einer Explosion. Er ging davon aus, dass dadurch auch die andere Doppelhaushälfte zerstört werden könnte, und nahm in Kauf, dass hierdurch die Eheleute K. , deren zwei Kinder und die Freundin des Sohnes getötet werden könnten. Der Angeklagte legte sich sodann zu seiner Ehefrau auf das Bett. Gegen 20.00 Uhr vernahmen auch die Nachbarn ein Rauschen, dann hörten sie einen Knall. Hierauf lief Frank K. auf die Straße. In diesem Moment kam der Angeklagte um die Hausecke und rief dem Nachbarn zu: "hier brennt alles ab, haut ab". Dann entfernte sich der Angeklagte und Frank K. lief in seine Wohnung. In diesem Moment kam es zu einer zweiten Explosion, durch die der Dachstuhl der Doppelhaushälfte des Ange- klagten abgesprengt wurde. Mauern wurden beschädigt, Fenster flogen heraus und die Doppelhaushälfte des Angeklagten brannte. In der anderen Hälfte des Doppelhauses wölbte sich die Trennwand nach innen, das Dach und die Treppe wurden beschädigt; die dortigen Bewohner blieben aber unverletzt. Elfriede H. starb dagegen. Der Angeklagte erlitt Verbrennungen und wurde von der Feuerwehr aus dem Obergeschoss gerettet.
3
Das Landgericht hat angenommen, ein strafbefreiender Rücktritt des Angeklagten vom Versuch der Tötung der Bewohner der benachbarten Doppelhaushälfte scheide aus. Er habe die Vollendung der Tat nicht verhindert (§ 24 Abs. 1 Satz 1 StGB). Es hätten auch keine zur Strafbefreiung zumindest erforderlichen Verhinderungsbemühungen vorgelegen (§ 24 Abs. 1 Satz 2 StGB). Der Angeklagte habe zwar den Nachbarn auf einen bevorstehenden Brand hingewiesen, aber nicht auf eine bevorstehende Explosion. Außerdem wäre von ihm zu fordern gewesen, die Explosionsgefahr durch Versperren des Gashahns zu beseitigen.
4
Die Begründung für die Ablehnung eines strafbefreienden Rücktritts vom Tötungsversuch trägt nicht. § 24 Abs. 1 Satz 2 StGB setzt voraus, dass der Täter tut, was in seinen Kräften steht und nach seiner Überzeugung zur Erfolgsabwendung erforderlich ist (vgl. BGH, Urteil vom 20. Mai 2010 - 3 StR 78/10, NStZ-RR 2010, 276 f.). Dabei reicht nicht bereits ein irgendwie geartetes Bemühen aus; erforderlich ist vielmehr ein solches Bemühen, das sich in der Vorstellung des Täters als ein Abbrechen des in Gang gesetzten Kausalverlaufs darstellt. Es fehlen jedoch Feststellungen des Landgerichts dazu, welche Vorstellung der Angeklagte zur Zeit der Warnung des Nachbarn vom weiteren Geschehen hatte. Nachdem die Entzündung des Gases zu einer ersten Explosion geführt hatte, könnte der Angeklagte angenommen haben, dass danach nur noch mit einem Brand zu rechnen war. Es liegt nicht auf der Hand, dass er die Vorstellung hatte, es könne zu einer zweiten, schwereren Explosion kommen. Fehlte eine solche Vorstellung des Angeklagten, dann hätte er sich durch seinen Warnruf im Sinne von § 24 Abs. 1 Satz 2 StGB auch unter Beachtung der bei Rettung eines Menschenlebens zu stellenden hohen Anforderungen innerhalb des rasch ablaufenden Geschehens ausreichend darum bemüht, die Vollendung der Tat zu verhindern. Dass ihm Zeit verblieben war, nach der Warnung des Nachbarn auch noch den Gashahn zu schließen, ist nicht ersichtlich.
Fischer Appl Berger Eschelbach Ott

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
3 StR 78/10
vom
20. Mai 2010
in der Strafsache
gegen
wegen versuchten Totschlags u. a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 20. Mai 2010,
an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Becker,
die Richter am Bundesgerichtshof
Pfister,
von Lienen,
Richterin am Bundesgerichtshof
Sost-Scheible,
Richter am Bundesgerichtshof
Hubert
als beisitzende Richter,
Staatsanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Rechtsanwältin
als Vertreterin der Nebenklägerin,
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom 13. November 2009 mit den Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels und die dem Angeklagten sowie der Nebenklägerin dadurch entstandenen notwendigen Auslagen , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Die Staatsanwaltschaft rügt mit ihrer Revision, die vom Generalbundesanwalt vertreten wird, die Verletzung sachlichen Rechts. Nach ihrer Auffassung hat das Landgericht zu Unrecht einen strafbefreienden Rücktritt vom Totschlagsversuch sowie eine erhebliche Verminderung der Schuldfähigkeit des Angeklagten angenommen.
2
Das Rechtsmittel hat Erfolg.
3
1. Das Landgericht hat folgende Feststellungen getroffen:
4
Der nicht vorbestrafte Angeklagte lebte seit Februar 2009 wieder im Haushalt seiner 74jährigen Mutter, dem späteren Tatopfer. Diese litt an einer schweren Lungenerkrankung und war darauf angewiesen, sich täglich für mehrere Stunden über einen Nasenschlauch ergänzend Sauerstoff zuzuführen. Zwischen dem Angeklagten und seiner Mutter kam es alsbald vermehrt zu Streitigkeiten. In der Wahrnehmung des Angeklagten, die möglicherweise durch seinen regelmäßigen Cannabis-Konsum beeinträchtigt war, beruhten die Auseinandersetzungen darauf, dass seine Mutter ihn ständig grundlos kritisierte und ihn als Versager darstellte. Infolge dieses vom Angeklagten als kränkende Zurückweisung empfundenen Verhaltens, entwickelte sich bei ihm zunehmend ein Gefühl der Unzulänglichkeit und Verärgerung, aus dem heraus er drei Tage vor der Tat anlässlich einer erneuten Meinungsverschiedenheit mit seiner Mutter gegenüber seinem Schwager äußerte "die blöde Kuh wär´ sowieso besser tot".
5
Am Tattag war er nach einer aus seiner Sicht missbilligenden Äußerung seiner Mutter über seine Freundin niedergeschlagen und zog sich in sein Zimmer zurück. Nach dem Konsum von Haschisch und Alkohol sprang er gegen 21 Uhr einem plötzlichen Entschluss folgend aus dem Fenster seines im ersten Stock gelegenen Zimmers, um sich das Leben zu nehmen. Er zog sich durch den Sturz jedoch lediglich leichte Verletzungen zu und wurde auf seine Hilferufe von seiner Mutter wieder in das Haus eingelassen, wo er sich auf deren Bett legte. Währendessen forderte seine Mutter telefonisch einen Notarzt für den Angeklagten an. Nach Beendigung des Telefonats stürzte sich der Angeklagte plötzlich in Wut auf seine Mutter, die er für seine Lage verantwortlich machte, riss ihr den Bademantel herunter, warf sie auf das Bett und hielt ihr mit den Worten "jetzt bist Du dran", "Verreck´ doch endlich, Du Miststück" Mund und Nase zu in der Absicht, sie zu töten. Die Geschädigte, die Todesangst hatte, stellte sich tot. Als sich die von dem Tatopfer zuvor alarmierten Rettungskräfte mit Signalton dem Tatort näherten, ließ der Angeklagte von seiner Mutter ab, lief zur Wohnung der Nachbarn und rief um Hilfe, weil seine Mutter sterbe. Sodann ließ er die mittlerweile eingetroffenen Rettungskräfte in die Wohnung seiner Mutter ein. Das Tatopfer erlitt durch den Verschluss der Atemwege lebensbedrohliche Verletzungen und konnte nur mit Mühe gerettet werden.
6
2. Die Annahme des Landgerichts, der Angeklagte sei strafbefreiend vom (tateinheitlich begangenen) Totschlagsversuch zurückgetreten, hält auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
7
Das Landgericht ist zwar im Ansatz zutreffend davon ausgegangen, dass der Totschlagsversuch beendet war; denn der Angeklagte glaubte, dass seine Mutter an den ihr zugefügten Verletzungen versterben konnte. Die Voraussetzungen eines strafbefreienden Rücktritts vom beendeten Versuch sind hingegen nicht ausreichend belegt. Die Urteilsfeststellungen sind insoweit lückenhaft und erlauben nicht den Schluss, dass der Angeklagte entweder die Vollendung der Tat freiwillig verhindert (§ 24 Abs. 1 Satz 2 2. Halbs. StGB) oder sich freiwillig und ernsthaft bemüht hat, die Vollendung zu verhindern (§ 24 Abs. 1 Satz 2 StGB).
8
a) Ein strafbefreiender Rücktritt vom Versuch gemäß § 24 Abs. 1 Satz 1 2. Halbs. StGB kommt zwar auch in Betracht, wenn der Täter unter mehreren Möglichkeiten der Erfolgsverhinderung nicht die sicherste oder "optimale" gewählt hat (BGHSt 48, 147). Erforderlich ist aber stets, dass der Täter eine neue Kausalkette in Gang gesetzt hat, die für die Nichtvollendung der Tat ursächlich, oder jedenfalls mitursächlich wird (BGHSt 33, 295, 301; BGH NStZ 2008, 508).
9
Mit den Voraussetzungen dieser Rücktrittsregelung hat sich das Landgericht nicht ausdrücklich befasst. Es hat lediglich festgestellt, dass der Angeklagte die aus anderen Gründen herbeigerufenen Rettungskräfte in die Wohnung der Geschädigten einließ. Ausreichende Anhaltspunkte dafür, dass dieses Ver- halten im Sinne des § 24 Abs. 1 Satz 1 2. Halbs. StGB für die Erfolgsverhinderung kausal oder zumindest mitursächlich wurde, enthält das Urteil indes nicht. Es verhält sich insbesondere nicht dazu, ob der Angeklagte den Notarzt und die Sanitäter, die nicht zur Rettung seiner Mutter herbeigerufen, sondern von dieser wegen seines Selbstmordversuchs alarmiert worden waren, über die veränderte Sachlage in Kenntnis setzte und ihnen den Weg zu seiner verletzten Mutter wies und auf diese Weise deren Rettung erleichterte oder beschleunigte - was in Anbetracht der konkreten Umstände für die Annahme eines strafbefreienden Rücktritts nach § 24 Abs. 1 Satz 1 2. Halbs. StGB ausgereicht hätte -, oder ob der Notarzt die Wohnung der Verletzten auch ohne Zutun des Angeklagten ohne wesentliche Verzögerung betreten, das Tatopfer finden und dieses damit auch ohne Mitwirkung des Angeklagten retten konnte (BGH NJW 1990, 3219; BGH NStZ aaO).
10
b) Dass sich der Angeklagte - wovon das Landgericht ausgegangen ist - im Sinne des § 24 Abs. 1 Satz 2 StGB jedenfalls freiwillig und ernsthaft bemüht hat, die Vollendung zu verhindern, ist durch die Feststellungen ebenfalls nicht hinreichend belegt.
11
§ 24 Abs. 1 Satz 2 StGB setzt voraus, dass der Täter alles tut, was in seinen Kräften steht und nach seiner Überzeugung zur Erfolgsabwendung erforderlich ist, und dass er die aus seiner Sicht ausreichenden Verhinderungsmöglichkeiten ausschöpft, wobei er sich auch der Hilfe Dritter bedienen kann (BGHSt 33, 295, 301 f.; BGH NStZ 2008, 329). Allerdings sind, wenn - wie hier - ein Menschenleben auf dem Spiel steht, insoweit hohe Anforderungen zu stellen. Der Täter muss sich um die bestmögliche Maßnahme bemühen. Hilft er nicht selbst, so muss er sich zumindest vergewissern, ob die Hilfspersonen das Notwendige und Erforderliche veranlassen (BGHSt aaO).
12
Auch insoweit lässt das Urteil ausreichende Feststellungen vermissen. Das Herbeirufen eines Krankenwagens oder Arztes war hier die am ehesten zur Rettung des Tatopfers geeignete Maßnahme. Entsprechende Bemühungen entfaltete der Angeklagte jedoch nicht selbst; denn seine Mutter hatte die Rettungskräfte bereits vor der Tat verständigt. Ob sich das bloße Einlassen des aus anderen Gründen herbeigerufenen Notarztes in die Wohnung des Tatopfers in der konkreten Situation objektiv und aus Sicht des Angeklagten als die bestmögliche Maßnahme zur Rettung des Tatopfers darstellte, ist in Anbetracht der fehlenden Feststellungen zu den Umständen des Zusammentreffens des Angeklagten mit den Rettungskräften, deren Kenntnisstand und dem diesbezüglichen Vorstellungsbild des Angeklagten nicht ausreichend dargelegt. Gleiches gilt, soweit sich der Angeklagte durch Hilferufe und mit dem Hinweis, seine Mutter sterbe, an die Wohnungsnachbarn wandte; denn die Urteilsgründe ergeben bereits nicht, welche Vorstellungen der Angeklagte mit diesem Vorgehen verband (BGH NStZ 2000, 41 f.).
13
3. Da das Urteil schon wegen der rechtsfehlerhaften Bejahung eines strafbefreienden Rücktritts vom tateinheitlich begangenen Totschlagsversuchs der Aufhebung unterliegt, kommt es nicht mehr entscheidend darauf an, ob die knappen Darlegungen des Landgerichts zum Vorliegen einer erheblich verminderten Steuerungsfähigkeit des Angeklagten infolge einer tiefgreifenden Bewusstseinsstörung im Sinne der §§ 20, 21 StGB eine noch ausreichende revisionsrechtliche Nachprüfung ermöglichen. Der Senat sieht jedoch Anlass, darauf hinzuweisen, dass der Tatrichter, wenn er sich darauf beschränkt, sich der Beurteilung eines Sachverständigen zur Frage der Schuldfähigkeit anzuschließen, dessen wesentliche Anknüpfungs- und Befundtatsachen im Urteil so wiederzugeben hat, wie dies zum Verständnis des Gutachtens erforderlich ist (BGH NStZ-RR 2003, 232). Der neue Tatrichter wird darüber hinaus Gelegenheit haben , die von der Revision vermissten Umstände bei der Prüfung der Schuldfä- higkeit im Rahmen der gebotenen Gesamtwürdigung zu berücksichtigen. Er wird ferner in den Blick zu nehmen haben, ob möglicherweise ein Zusammenwirken mehrerer Ursachen zu einer Beeinträchtigung der Steuerungsfähigkeit des Angeklagten geführt hat (BGHR StGB § 21 Ursachen, mehrere 3 und 4).
14
4. Das Urteil weist - was gemäß § 301 StPO auch auf die Revision der Staatsanwaltschaft zu prüfen ist - hingegen keinen durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf. Becker Pfister von Lienen Sost-Scheible Hubert

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
4 StR 610/07
vom
13. März 2008
in der Strafsache
gegen
wegen versuchten Totschlags u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 13. März
2008, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Tepperwien,
Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Kuckein,
Athing,
Richterin am Bundesgerichtshof
Solin-Stojanović,
Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Ernemann
als beisitzende Richter,
Staatsanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Rechtsanwalt
als Vertreter der Nebenklägerin,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Paderborn vom 10. Juli 2007 aufgehoben , jedoch bleiben die Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen und zum Tatvorgeschehen aufrechterhalten.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere als Schwurgericht zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die Revision des Angeklagten gegen das vorgenannte Urteil wird verworfen. Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels und die der Nebenklägerin dadurch entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt. Die Staatsanwaltschaft rügt mit ihrer Revision, die vom Generalbundesanwalt vertreten wird, die Verletzung sachlichen Rechts. Nach ihrer Auffassung hat das Landgericht zu Unrecht einen strafbefreienden Rücktritt vom Totschlagsversuch sowie eine erhebliche Verminderung der Schuldfähigkeit des Angeklagten angenommen. Der Angeklagte rügt mit seiner Revision die Verletzung sachlichen Rechts.

I.


2
1. Zwischen dem Angeklagten und seiner deutschen Ehefrau, der Nebenklägerin , die im August 2004 in der Türkei geheiratet hatten, kam es nach dem Umzug nach Paderborn zu erheblichen Spannungen. Während ihrer Schwangerschaft zog die Nebenklägerin vorübergehend in das Frauenhaus. Im September 2006 trennte sie sich von dem Angeklagten, zog mit ihrer im November 2005 geborenen Tochter erneut ins Frauenhaus und wechselte im Dezember 2006 in das Mutter-Kind-Haus in Paderborn. Dort besuchte der Angeklagte die Nebenklägerin, der vom Familiengericht die Alleinsorge für die gemeinsame Tochter übertragen worden war, fast täglich. Weil es bei diesen Besuchen häufig zu Streitigkeiten und auch zu Handgreiflichkeiten kam, wurde dem Angeklagten Ende Januar 2007 von der Leitung des Mutter-Kind-Hauses Hausverbot erteilt. Auf Grund einer eidesstattlichen Versicherung des Angeklagten , die Nebenklägerin habe die gemeinsame Tochter aus dem Fenster gehalten, die der Rechtsanwalt des Angeklagten dem Jugendamt zugeleitet hatte, veranlasste dieses eine sog. Pflege-über-Nacht-Maßnahme.
3
In der Nacht vom 24. auf den 25. Februar 2007 kam der Angeklagte an der Wohnung der Nebenklägerin vorbei. Da er am Vortage von der "Pflegeüber -Nacht-Maßnahme“ des Jugendamtes erfahren hatte, entschloss er sich, "auch deshalb, um sich nach dem Verbleib des Kindes zu erkundigen", die Nebenklägerin aufzusuchen. Diese war kurz zuvor mit dem Zeugen B. in ihre Wohnung zurückgekehrt. Dem Angeklagten wurde auf sein Klopfen von der Nebenklägerin geöffnet, die ihren neuen Freund Thorsten K. erwartete. Der Angeklagte drängte die Nebenklägerin in Richtung Wohnküche. Die Nebenklägerin rief dem Zeugen B. zu: "Schick ihn raus. Er hat hier nichts zu suchen". Als der Angeklagte den auf dem Sofa sitzenden Zeugen bemerkte, forderte er ihn auf, die Wohnung zu verlassen. Der Angeklagte griff nach einem Messer, zwang den Zeugen B. unter Vorhalt des Messers, die Wohnung zu verlassen, und beschimpfte die Nebenklägerin unter anderem als "billige Schlampe". Auf seine Frage, wo seine Tochter sei, entgegnete die Nebenklägerin , das Kind sei weg und daran treffe ihn die Schuld.
4
Als die Nebenklägerin ihr Mobiltelefon ergriff, um die Polizei zu benachrichtigen , schlug es ihr der Angeklagte aus der Hand. Er stach unvermittelt mehrfach auf den Oberkörper der Nebenklägerin ein, wobei er deren Tod „zumindest“ billigend in Kauf nahm. Als diese in die Knie ging, ließ der Angeklagte von ihr ab. Er ging davon aus, dass die Nebenklägerin an den ihr zugefügten Verletzungen versterben könnte. Der Angeklagte verließ die Wohnung und warf die Tür hinter sich zu. Im Hausflur traf er auf die Wohnungsnachbarn der Nebenklägerin. Die Zeugen Nicole N. und Ismail D. hatten die Hilfeschreie der Nebenklägerin vernommen und um 2.32 Uhr die Polizei benachrichtigt. Ohne ein Wort an die Zeugen zu richten, eilte der Angeklagte aus dem Haus und ging zu der nächstgelegenen Polizeidienststelle. Um 2.41 Uhr erschien er in der Wachschleuse der Polizeiwache und erklärte dem Wachhabenden , der ihn über die Sprechanlage angesprochen hatte, in gebrochenem Deutsch, er habe gerade mit einem Messer auf seine Frau eingestochen. Nach seinem Namen befragt, antwortete er: „Alexander E. “. Der Angeklagte wurde in die Wache gelassen und festgenommen. Da der Wachhabende annahm, dass es sich bei dem Angeklagten um die wegen des kurz zuvor telefonisch gemeldeten Vorfalls in dem Mutter-Kind-Haus gesuchte Person handelte, "fand keine weitere Kommunikation mit dem Angeklagten statt".
5
Der Nebenklägerin war es gelungen, sich bis zur Wohnungstür zu schleppen und diese auf das Klopfen ihrer Nachbarn zu öffnen. Dann brach sie im Flur ihrer Wohnung zusammen. Die Zeugen N. , B. und D. informierten sofort den Rettungsdienst und leisteten erste Hilfe. "Nur auf Grund dessen und der unverzüglich herbeigerufenen ärztlichen Hilfe konnte das Leben der Geschädigten gerettet werden."
6
2. Das Landgericht hat den Angeklagten der gefährlichen Körperverletzung nach §§ 223, 224 Abs. 1 Nr. 2 und 5 StGB schuldig gesprochen. Von dem (tateinheitlich verwirklichten) beendeten Versuch des Totschlags sei der Angeklagte "strafbefreiend" nach § 24 StGB zurückgetreten. Das Landgericht hat hierzu u.a. ausgeführt: "Der Angeklagte hat sich unmittelbar nach dem Tatgeschehen zur nächstgelegenen Polizeidienststelle begeben. Insoweit geht die Kammer zu Gunsten des Angeklagten davon aus, dass er hierdurch auch die schnelle Hilfe für seine Ehefrau veranlassen wollte, denn er durfte auch davon ausgehen, dass die Polizei alle notwendigen Maßnahmen zur Rettung der Zeugin E. unternehmen werde. Die Polizeidienststelle war zudem nur wenige Minuten (neun Minuten) von der Wohnung des Opfers entfernt, so dass der Angeklagte auch in zeitlicher Hinsicht darauf vertrauen konnte, dass seine Ehefrau noch rechtzeitig Hilfe erfahren werde. Zu weiteren Angaben des Angeklagten konnte es schon deshalb nicht kommen, weil der wachhabende Beamte keine weitere Kommunikation führte".

II.


7
Die Revision der Staatsanwaltschaft hat Erfolg.
8
1. Die Annahme des Landgerichts, der Angeklagte sei von dem Totschlagsversuch strafbefreiend zurückgetreten, hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
9
Zutreffend ist das Landgericht davon ausgegangen, dass der Totschlagsversuch beendet war, denn der Angeklagte ging davon aus, dass die Nebenklägerin an den ihr zugefügten Stichverletzungen versterben könnte. Ist ein Versuch beendet, setzt ein Rücktritt voraus, dass der Täter entweder die Vollendung der Tat freiwillig verhindert (§ 24 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 StGB) oder dass er sich freiwillig und ernsthaft bemüht, die Vollendung zu verhindern (§ 24 Abs. 1 Satz 2 StGB). Beide Varianten des § 24 Abs. 1 StGB stellen unterschiedliche Anforderungen an die vom Täter zu erbringende Rücktrittsleistung (vgl. BGHSt 48, 147, 149/150, 151 f. in Abgrenzung zu BGHSt 31, 46 und BGH NStZ-RR 1997, 193).
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a) Ein strafbefreiender Rücktritt vom Versuch gemäß § 24 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 StGB setzt zwar nicht voraus, dass der Täter unter mehreren Möglichkeiten der Erfolgsverhinderung die sicherste oder "optimale" gewählt hat (vgl. BGHSt 48, 147). Erforderlich ist aber, dass der Täter eine neue Kausalkette in Gang setzt, die für die Nichtvollendung der Tat ursächlich oder jedenfalls mitursächlich wird (vgl. BGHSt 33, 295, 301; BGH NStZ 2006, 503). Das ist nach den bisherigen Feststellungen jedoch nicht der Fall. Dass die Nebenklägerin die ihr vom Angeklagten zugefügten schweren Stichverletzungen überlebt hat, beruht vielmehr allein darauf, dass deren Wohnungsnachbarn bereits bevor der Angeklagte das Haus verließ, die Polizei benachrichtigt hatten, die Nebenklägerin ihren Wohnungsnachbarn die Wohnungstür öffnen konnte und diese umgehend auch den Rettungsdienst informierten und sofort erste Hilfe leisteten. Diese für die Verhinderung des Erfolgseintritts ursächlichen Hilfeleistungen erfolg- ten aber nach den bisherigen Feststellungen ohne Zutun des Angeklagten. Dieser hat weder auf die Wohnungsnachbarn, denen er im Hausflur begegnete, in irgendeiner Weise eingewirkt, noch hat er durch seine Äußerungen auf der Polizeiwache dazu beigetragen, dass der Einsatz der von den Nachbarn alarmierten Rettungskräfte beschleunigt oder erleichtert wurde.
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b) Wird die Tat - wie hier - ohne Zutun des Täters nicht vollendet, kommt nur ein strafbefreiender Rücktritt nach § 24 Abs. 1 Satz 2 StGB in Frage. Dass der Angeklagte sich freiwillig und ernsthaft bemüht hat, die Vollendung zu verhindern , ist durch die bisherigen Feststellungen jedoch ebenfalls nicht belegt.
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§ 24 Abs. 1 Satz 2 StGB setzt voraus, dass der Täter alles tut, was in seinen Kräften steht und nach seiner Überzeugung zur Erfolgsabwendung erforderlich ist, und dass er die aus seiner Sicht ausreichenden Verhinderungsmöglichkeiten ausschöpft, wobei sich der Täter auch eines Dritten bedienen kann (vgl. BGHSt 33, 295, 301/302; BGH StV 1997, 518 jew. m.w.N.). Wenn - wie hier - ein Menschenleben auf dem Spiel steht, sind insoweit hohe Anforderungen zu stellen (vgl. BGHSt 33, 295, 302). Gemessen an diesen Grundsätzen ist ein Rücktritt des Angeklagten entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin nicht schon deshalb ausgeschlossen, weil er nicht sofort mit dem Mobiltelefon der Nebenklägerin Hilfe herbeigerufen oder die Wohnungsnachbarn der Nebenklägerin hierzu aufgefordert hat. Dass ein Täter objektiv schon eher etwas und möglicherweise noch mehr hätte tun können, steht der Annahme eines Rücktritts nicht entgegen (vgl. BGH StV 1999, 211, 212; 1982, 467 m. w. N.). Maßgeblich ist vielmehr, dass der Täter, wenn er sich entschließt, die Vollendung der Tat zu verhindern, die aus seiner Sicht notwendigen Maßnahmen ergreift und sich um die bestmögliche Maßnahme bemüht (vgl. BGHSt 33, 295, 301/302; BGH StV 1999, 596). Dass der Angeklagte dies getan hat, ist durch die bisherigen Feststellungen nicht nachvollziehbar belegt.
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aa) Durchgreifenden rechtlichen Bedenken begegnet schon die Annahme des Landgerichts, zugunsten des Angeklagten sei davon auszugehen, dass er die Polizeiwache auch deshalb aufgesucht habe, um Rettungsmaßnahmen zu veranlassen. Der Angeklagte hat sich dahin eingelassen, er habe gewusst, dass die Nachbarn, die ihn gesehen hätten, sich um seine Frau kümmern würden und ihr helfen könnten. Er selbst habe nur gedacht, dass er schnell zur Polizei müsse. Bei dieser Sachlage versteht es sich nicht von selbst, dass der Angeklagte beim Aufsuchen der Polizei in der Vorstellung handelte, er könne noch einen nennenswerten Beitrag zur Rettung der Nebenklägerin leisten (vgl. BGH NStZ 1999, 300). Zwar ist es grundsätzlich zulässig, auch hinsichtlich der Rücktrittsvoraussetzungen auf den Zweifelssatz zurückzugreifen. Dies setzt aber voraus, dass bei einer Gesamtbeurteilung der Beweistatsachen eindeutige Feststellungen nicht möglich sind (vgl. BGH NStZ 1999, 300, 301), denn es ist weder im Hinblick auf den Zweifelssatz noch sonst geboten, zu Gunsten des Angeklagten Tatvarianten zu unterstellen, für deren Vorliegen keine konkreten Anhaltspunkte erbracht sind (vgl. BGH NJW 2007, 92, 94; 2005, 1727; NStZRR 2005, 147, 148). Dass solche Anhaltspunkte vorliegen, ist nicht dargetan.
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bb) Selbst wenn der Angeklagte, wovon das Landgericht zu seinen Gunsten ausgegangen ist, die nahe gelegene Polizeiwache aufgesucht hat, um „hierdurch auch die schnelle Hilfe für seine Ehefrau“ zu veranlassen, liegt nach den Feststellungen jedenfalls deshalb kein Rücktritt vor, weil er die Verhinderungsmöglichkeiten nicht ausgeschöpft hat. Die bloße Mitteilung des Angeklagten , er habe "auf seine Frau eingestochen" und die Nennung eines Namens waren – auch aus der Sicht des Angeklagten, der nicht wusste, dass der wach- habende Polizeibeamte bereits über den Notruf der Wohnungsnachbarn der Nebenklägerin informiert war – nicht geeignet, die sofortige Einleitung der notwendigen Rettungsmaßnahmen zu ermöglichen. Dass der wachhabende Beamte mit dem Angeklagten „keine weitere Kommunikation führte“ ist ohne Belang. Vielmehr hätte der Angeklagte die für die Einleitung von Rettungsmaßnahmen erforderlichen Hinweise auf den Tatort und darauf, dass er die Wohnungstür zugezogen hatte, von sich aus geben müssen. Dass der Angeklagte dies getan oder jedenfalls versucht hat, lässt sich den Urteilsgründen nicht entnehmen.
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Die Sache bedarf daher erneuter Verhandlung und Entscheidung.
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2. Da die Revision der Staatsanwaltschaft zur Aufhebung des Urteils führt, ist die mit der Revisionseinlegung erhobene sofortige Beschwerde gegen die Kostenentscheidung des angefochtenen Urteils gegenstandslos.

III.


17
Die Revision des Angeklagten ist unbegründet.
18
Die Überprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung hat, auch soweit sich der Angeklagte gegen die Höhe der gegen ihn verhängten Strafe wendet, aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts keine Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.
Tepperwien Kuckein Athing
Solin-Stojanović Ernemann