Bundesgerichtshof Urteil, 03. Juni 2015 - 2 StR 473/14

bei uns veröffentlicht am03.06.2015

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
2 S t R 4 7 3 / 1 4
vom
3. Juni 2015
in der Strafsache
gegen
wegen schwerer Körperverletzung u.a.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 3. Juni 2015,
an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Fischer,
die Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Krehl,
Dr. Eschelbach,
die Richterinnen am Bundesgerichtshof
Dr. Ott,
Dr. Bartel,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Rechtsanwalt
als Vertreter des Nebenklägers,
Justizhauptsekretärin in der Verhandlung,
Justizangestellte bei der Verkündung
als Urkundsbeamtinnen der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Gießen vom 29. Juli 2014 aufgehoben; jedoch bleiben die Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen aufrechterhalten. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schwerer Körperverletzung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt, wovon es neun Monate als vollstreckt erklärt hat. Die auf eine Verfahrensrüge und die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten hat in dem aus der Urteilsformel ersichtlichen Umfang Erfolg.

I.

2
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts wohnte der zum Tatzeitpunkt 47 Jahre alte und bislang unbestrafte Angeklagte mit seiner Familie in unmittelbarer Nachbarschaft des Nebenklägers. Im vorderen Bereich ihrer beiden angrenzenden Grundstücke befand sich jeweils das Wohnhaus, dahinter ein Garten. Die Gärten waren der Länge nach durch einen Zaun getrennt und gingen nach hinten ohne eine Umzäunung ins freie Feld über.
3
Seit 2003 kam es zwischen dem Angeklagten und dem Nebenkläger zu wiederholten und fortdauernden Streitigkeiten, die regelmäßig mit wechselseitigen Beleidigungen einhergingen. Daraus entwickelte sich in einem Fall auch eine körperliche Auseinandersetzung, in deren Verlauf sich der Nebenkläger den Arm brach.
4
Am Tattag, dem 25. August 2007, arbeiteten sowohl der Angeklagte als auch der Nebenkläger in ihrem Garten. Alsbald entwickelte sich eine über den Zaun hinweg geführte verbale Auseinandersetzung, im Rahmen derer wechselseitig Beleidigungen ausgetauscht wurden. Als der Sohn des Nebenklägers, der Zeuge S. , hinzukam und sich einmischte, drohte der Angeklagte ihm, er werde beide "platt machen"; zuerst aber sei der Nebenkläger dran. Dabei stand der Angeklagte mit einem Rundspaten in der Hand am Zaun und rief in Richtung des Nebenklägers, er solle herüber kommen, er schlage ihn tot. Dem Zeugen S. , der dem Angeklagten weiter Vorhaltungen machte, rief er mit dem erhobenen Spaten zu, er solle sich da raus halten, er komme später dran. Zum Nebenkläger äußerte er wiederum, er solle herüber kommen, er warte auf ihn.
5
Der Nebenkläger ergriff nunmehr einen 95 cm langen Axtstiel und ging um den im hinteren Bereich des Gartens endenden Zaun herum und betrat das Grundstück des Angeklagten. Sein Sohn, der eine ernsthafte Auseinandersetzung befürchtete, folgte ihm kurz darauf mit einem Rechteckspaten in der Hand.
6
Der Nebenkläger ging zwischenzeitlich auf den Angeklagten zu, der zurückwich und ihn dabei aufforderte: "Komm, komm, komm!". Als der Nebenkläger mit dem Axtstiel seitlich ausholend in Richtung des Angeklagten schlug, holte dieser mit dem Spaten, den er in beiden Händen hielt, über seinen Kopf hinweg aus und schlug ihn mit voller Wucht mit dem nach unten geneigten Spatenblatt senkrecht auf den Kopf des Nebenklägers. Die Spatenkante durchschlug die Schädeldecke, drang weitere 5 cm tief in den Schädel ein und durchschnitt über eine Länge von 15 cm das Hirngewebe. Der Nebenkläger erlitt ein offenes Schädel-Hirn-Trauma 3. Grades mit Impressionsfraktur und sackte sofort in sich zusammen. Der Angeklagte erlitt durch den Schlag mit dem Axtstiel eine leichte Rötung und eine Beule.
7
Der Zeuge S. , der zum Zeitpunkt des Schlages an dem rund 10 Meter vom Tatort entfernten hinteren Ende des Zauns angelangt war, lief nun auf den Angeklagten zu und schlug mindestens einmal mit seinem Spaten in dessen Richtung. Diesen Schlag konnte der Angeklagte abblocken. Der Zeuge S. warf nun seinen Spaten weg und wandte sich seinem reglos am Boden liegenden Vater zu. Während er am Boden kniend erste Hilfe leistete , drohte ihm der Angeklagte, er werde auch ihn "platt machen", wenn er aufstehe. Als der Nebenkläger kurz darauf wieder erwachte, drohte der Angeklagte auch ihm, er bringe ihn um. Tatsächlich unternahm der Angeklagte aber nichts dergleichen und ließ es zu, dass der Nebenkläger gestützt von seinem Sohn und seiner herbeigeeilten Schwiegertochter das Grundstück verließ.
8
Der Nebenkläger wurde notoperiert. Er konnte sich nach einem Aufenthalt in der neurochirurgischen Intensivstation rund ein Jahr lang nur noch im Rollstuhl fortbewegen. Er ist nunmehr in der Lage, kurze Strecken mit einem Gehstock zurückzulegen. Als Folge der Hirnverletzung hat er sein Sprach-, Schreib- und Lesevermögen irreversibel verloren. Verblieben sind auch spastische Lähmungen in der rechten Körperhälfte, was ihm die Verrichtung von Alltagstätigkeiten erheblich erschwert. Er ist dauerhaft arbeitsunfähig.
9
2. Das Landgericht ist davon ausgegangen, dass der Spatenhieb des Angeklagten nicht durch Notwehr gerechtfertigt sei. Zwar habe dieser sich in einer Notwehrlage befunden und mit Verteidigungswillen gehandelt. Es fehle aber an der Erforderlichkeit seiner Verteidigungshandlung. Der Angeklagte sei in seinem Notwehrrecht beschränkt gewesen, da er selbst den Angriff des Nebenklägers provoziert habe, weshalb seine Verteidigung im Rahmen des solchermaßen eingeschränkten Notwehrrechts unverhältnismäßig gewesen sei. Der Angeklagte hätte zunächst ausweichen können und müssen. Da er nur dem Nebenkläger gegenüber gestanden habe, der zudem mit dem objektiv weniger gefährlichen hölzernen Axtstiel bewaffnet gewesen war, hätte es auch ausgereicht, wenn er ihn mit seinem Rundspaten auf Distanz gehalten, also insbesondere den Schlag abgeblockt (Schutzwehr) oder aber nur auf den Körper oder die Beine geschlagen hätte (Trutzwehr ohne lebensgefährliche Behandlung

).

10
Ausgeschlossen hat das Landgericht auch, dass der Angeklagte die Grenzen der Notwehr aus Verwirrung, Furcht oder Schrecken überschritten hat (§ 33 StGB), da er die Notwehrlage selbst provoziert habe.

II.

11
1. Die Verfahrensrüge hat aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts keinen Erfolg.
12
2. Die Nachprüfung des Urteils auf die Sachrüge hat indes einen durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.
13
Das Landgericht hat sich zwar rechtsfehlerfrei davon überzeugt, dass der vom Angeklagten geführte Angriff rechtswidrig war (a), nicht jedoch davon, dass der Angeklagte dabei auch schuldhaft handelte (b).
14
a) Die Annahme des Landgerichts, dass die Verteidigungshandlung des Angeklagten nicht erforderlich im Sinne des § 32 StGB war, hält revisionsrechtlicher Überprüfung stand.
15
aa) Eine in einer objektiven Notwehrlage verübte Tat ist nach § 32 Abs. 2 StGB gerechtfertigt, wenn sie zu einer sofortigen und endgültigen Abwehr des Angriffs führt und es sich bei ihr um das mildeste Abwehrmittel handelt, das dem Angegriffenen in der konkreten Situation zur Verfügung stand. Ob dies der Fall ist, muss auf der Grundlage einer objektiven ex-ante-Betrachtung der tatsächlichen Verhältnisse im Zeitpunkt der Verteidigungshandlung beurteilt werden. Auf weniger gefährliche Verteidigungsmittel muss der Angegriffene grundsätzlich nur dann zurückgreifen, wenn deren Abwehrwirkung unter den gegebenen Umständen unzweifelhaft ist und genügend Zeit zur Abschätzung der Lage zur Verfügung steht. Angesichts der schweren Kalkulierbarkeit des Fehlschlagrisikos dürfen an die regelmäßig in einer zugespitzten Situation zu treffende Entscheidung keine überhöhten Anforderungen gestellt werden (vgl. Senatsurteil vom 2. November 2011 - 2 StR 375/11, NStZ 2012, 272, 274).
16
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs erfährt das Notwehrrecht jedoch dann eine Einschränkung, wenn der Verteidiger gegenüber dem Angreifer ein pflichtwidriges Vorverhalten an den Tag gelegt hat, das bei vernünftiger Würdigung aller Umstände des Einzelfalles den folgenden Angriff als eine adäquate und voraussehbare Folge der Pflichtverletzung des Angegriffenen erscheinen lässt (vgl. Senatsbeschluss vom 23. August 1995 - 2 StR 394/95, BGHR StGB § 32 Abs. 2 Verteidigung 11 mwN; BGH, Beschluss vom 25. Juni 2009 - 5 StR 141/09, NStZ 2009, 626, 627), wenn mithin zwischen dem sozialethisch zu missbilligenden Vorverhalten und dem rechtswidrigen Angriff ein enger zeitlicher und räumlicher Ursachenzusammenhang besteht und es nach Kenntnis des Täters auch geeignet ist, einen Angriff zu provozieren (vgl. Senatsbeschluss vom 10. November 2010 - 2 StR 483/10; NStZ-RR 2011, 74, 75; Senatsbeschluss vom 2. November 2005 - 2 StR 237/05, NStZ 2006, 332, 333; BGH, Urteil vom 21. März 1996 - 5 StR 432/95, BGHSt 42, 97, 100). Wer durch ein solchermaßen sozialethisch zu beanstandendes Vorverhalten einen Angriff auf sich schuldhaft provoziert hat, darf nicht bedenkenlos von seinem Notwehrrecht Gebrauch machen und sofort ein lebensgefährliches Mittel einsetzen , auch wenn er den Angriff nicht in Rechnung gestellt haben sollte oder gar beabsichtigt hat. Er muss vielmehr dem Angriff nach Möglichkeit ausweichen und darf zur Trutzwehr mit einer lebensgefährdenden Waffe erst übergehen , nachdem er alle Möglichkeiten der Schutzwehr ausgenutzt hat; nur wenn sich ihm diese Möglichkeit verschließt, ist er zu entsprechend weitreichender Verteidigung befugt (BGH, Urteil vom 25. März 2014 - 1 StR 630/13, NStZ 2014, 451, 452 mwN; BGH, Urteil vom 15. Mai 1975 - 4 StR 71/75, BGHSt 26, 143, 145).
17
bb) Unter Zugrundelegung dieses Maßstabs ist die Annahme des Landgerichts einer dem Angeklagten vorwerfbaren Provokation der Notwehrlage und einer damit einhergehenden Einschränkung seiner Notwehrbefugnisse rechtsfehlerfrei.
18
Der Angeklagte hat durch seine mit Beleidigungen verbundene wiederholte Aufforderung an den Nebenkläger, zu ihm auf das Grundstück zu kommen , den Angriff des Nebenklägers gegen sich in sozialethisch zu missbilligender Weise vorwerfbar provoziert. Der Angeklagte wusste nicht nur bzw. hätte wissen können, dass er den Nebenkläger durch sein Verhalten zu einem rechtswidrigen Angriff veranlassen konnte (vgl. insoweit BGH, Urteil vom 12. Februar 2003 - 1 StR 403/02, NJW 2003, 1955, 1959; Senatsbeschluss vom 4. August 2010 - 2 StR 118/10, NStZ 2011, 82, 83). Er hat die körperliche Auseinandersetzung vielmehr als solche gezielt herausgefordert. Dies selbst dann noch, als der Nebenkläger sein Grundstück betreten hatte und mit dem Axtstiel in der Hand auf ihn zuging. Angesichts dessen, dass - worauf das Landgericht zu Recht abgestellt hat - der Nebenkläger in der Vergangenheit schon einmal auf das Grundstück des Angeklagten betreten und es auch bereits zu einer körperlichen Auseinandersetzung zwischen beiden gekommen war, hat der Angeklagte auch erkannt, dass seine Beleidigungen und Aufforderungen den Nebenkläger veranlassen konnten, ihn anzugreifen.
19
Richtig ist deshalb auch die Erwägung der Kammer in diesem Zusammenhang , der Angeklagte habe vor Ausführung des lebensgefährlichen Schlages zunächst ausweichen müssen oder jedenfalls von allen Möglichkeiten der Schutzwehr und einer weniger gefährlichen Trutzwehr Gebrauch machen können und müssen.
20
b) Die Begründung, mit der das Landgericht das Vorliegen eines Notwehrexzesses (§ 33 StGB) abgelehnt hat, ist indes rechtfehlerhaft.
21
Die Überschreitung der Grenzen der Notwehr aus Furcht ist entschuldigt, wenn bei dem Täter ein durch das Gefühl des Bedrohtseins verursachter psychischer Ausnahmezustand mit einem solchen Störungsgrad vorliegt, dass er das Geschehen nur noch in erheblich reduziertem Maße verarbeiten kann (BGH, Urteil vom 30. Mai 1996 - 4 StR 109/96, NStZ-RR 1997, 65 f. mwN).
22
Das Landgericht hat insoweit lediglich ausgeführt, dass es dem Angeklagten nicht folge, soweit er sich dahin eingelassen habe, er habe Todesangst verspürt, als der Nebenkläger mit dem Axtstiel in der Hand auf ihn zugekommen sei. Dem stehe "bereits entgegen, dass der Angeklagte die Notwehrlage selbst provoziert habe, weshalb eine Überschreitung der gebotenen Notwehrhandlung aus Verwirrung, Furcht oder Schrecken nicht in Betracht komme" (UA S. 51).
23
Diese Ausführungen des Landgerichts lassen besorgen, dass es von einem falschen rechtlichen Maßstab ausgegangen ist. § 33 StGB entfällt nicht schon, wenn der Täter den Angriff aus rechtlichen Gründen provoziert hat oder wenn er sich dem Angriff hätte entziehen können. Für seine Anwendung ist vielmehr grundsätzlich auch dann Raum, wenn infolge der von dem Angegriffenen schuldhaft mitverursachten Notwehrlage ein nur eingeschränktes Notwehrrecht nach § 32 StGB besteht, sofern der Täter die Grenzen der (eingeschränkten ) Notwehr aus Verwirrung, Furcht oder Schrecken überschreitet (vgl. BGH, Urteil vom 3. Februar 1993 - 3 StR 356/92, BGHSt 39, 133, 140; Beschluss vom 15. November 1994 - 3 StR 393/94, NJW 1995, 973). Die zitierte Erwägung des Landgerichts legt nahe, dass es die Frage, ob ein asthenischer Affekt im Sinne des § 33 StGB vorgelegen habe, nicht als Tatsachenfrage einer Beweiswürdigung unterworfen hat, sondern eine solche schon aus rechtlichen Gründen - zu Unrecht - ausgeschlossen hat.
24
c) Die Feststellungen zum äußeren (objektiven) Tatgeschehen werden von dem Rechtsfehler nicht berührt und können deshalb aufrechterhalten bleiben. Fischer Krehl Eschelbach Ott Bartel

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Urteil, 03. Juni 2015 - 2 StR 473/14

Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Urteil, 03. Juni 2015 - 2 StR 473/14

Referenzen - Gesetze

Strafgesetzbuch - StGB | § 32 Notwehr


(1) Wer eine Tat begeht, die durch Notwehr geboten ist, handelt nicht rechtswidrig. (2) Notwehr ist die Verteidigung, die erforderlich ist, um einen gegenwärtigen rechtswidrigen Angriff von sich oder einem anderen abzuwenden.

Strafgesetzbuch - StGB | § 33 Überschreitung der Notwehr


Überschreitet der Täter die Grenzen der Notwehr aus Verwirrung, Furcht oder Schrecken, so wird er nicht bestraft.
Bundesgerichtshof Urteil, 03. Juni 2015 - 2 StR 473/14 zitiert 4 §§.

Strafgesetzbuch - StGB | § 32 Notwehr


(1) Wer eine Tat begeht, die durch Notwehr geboten ist, handelt nicht rechtswidrig. (2) Notwehr ist die Verteidigung, die erforderlich ist, um einen gegenwärtigen rechtswidrigen Angriff von sich oder einem anderen abzuwenden.

Strafgesetzbuch - StGB | § 33 Überschreitung der Notwehr


Überschreitet der Täter die Grenzen der Notwehr aus Verwirrung, Furcht oder Schrecken, so wird er nicht bestraft.

Referenzen - Urteile

Bundesgerichtshof Urteil, 03. Juni 2015 - 2 StR 473/14 zitiert oder wird zitiert von 5 Urteil(en).

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Referenzen

Überschreitet der Täter die Grenzen der Notwehr aus Verwirrung, Furcht oder Schrecken, so wird er nicht bestraft.

(1) Wer eine Tat begeht, die durch Notwehr geboten ist, handelt nicht rechtswidrig.

(2) Notwehr ist die Verteidigung, die erforderlich ist, um einen gegenwärtigen rechtswidrigen Angriff von sich oder einem anderen abzuwenden.

5 StR 141/09

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 25. Juni 2009
in der Strafsache
gegen
wegen gefährlicher Körperverletzung u. a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 25. Juni 2009

beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Leipzig vom 16. Dezember 2008 gemäß § 349 Abs. 4 StPO aufgehoben,
a) soweit der Angeklagte wegen gefährlicher Körperverletzung verurteilt worden ist; insoweit wird der Angeklagte auf Kosten der Staatskasse freigesprochen, die auch die insoweit notwendigen Auslagen des Angeklagten zu tragen hat;
b) im Ausspruch über die Gesamtfreiheitsstrafe.
2. Die weitergehende Revision wird gemäß § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
3. Die Sache wird zur Bildung einer neuen Gesamtfreiheitsstrafe und zur Entscheidung über die verbliebenen Kosten des Rechtsmittels an eine allgemeine Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
G r ü n d e
1
Die Schwurgerichtskammer des Landgerichts hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung in Tatmehrheit mit unerlaubtem Besitz von Kriegswaffen in Tateinheit mit vorsätzlichem unerlaubtem Besitz zweier verbotener Gegenstände und mit unerlaubtem Besitz von Munition in Tatmehrheit mit unerlaubtem Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt worden ist.
2
Die mit der Sachrüge geführte Revision des Angeklagten hat in Übereinstimmung mit dem Antrag des Generalbundesanwalts den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg. Das weitergehende Rechtsmittel ist unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO. Damit sind die Schuldsprüche wegen des Betäubungsmittel- und des Waffendelikts rechtskräftig einschließlich der dafür verhängten Strafen (sechs Monate Freiheitsstrafe und 150 Tagessätze zu je 15 € Geldstrafe).
3
1. Das Landgericht hat die Verurteilung wegen gefährlicher Körperverletzung im Wesentlichen auf folgende Feststellungen und Wertungen gestützt :
4
a) Der 31 Jahre alte, nicht vorbestrafte Angeklagte betreibt auf einem größeren Gartengrundstück ökologischen Nutzpflanzenanbau, Kleintierzucht und eine Imkerei. Er baute in einem Gewächshaus unter anderem auch Cannabis an und setzte das gewonnene Haschisch – wie das Landgericht festgestellt hat – zur Förderung der eigenen Gesundheit und bei der Imkerei – zur Beruhigung der Bienen durch Raucherzeugung – ein.
5
Bereits im Herbst 2007 war das Anwesen des Angeklagten mehrfach von Dieben aufgesucht worden. Unter anderem hatten drei junge Männer, E. , M. und der Nebenkläger Me. den Zaun des Grundstücks des Angeklagten überstiegen, die Folie des Gewächshauses durchschnitten und Hanfpflanzen gestohlen.
6
Am frühen Nachmittag des 16. Oktober 2007 überstieg E. erneut den Zaun, schnitt das Gewächshaus auf und wollte wiederum Cannabispflanzen stehlen. Der Angeklagte stellte ihn und setzte Pfefferspray ein. E. flüchtete über das Feld und ließ sein am Rande des Nachbargrundstü- ckes abgestelltes Fahrrad zurück. Der Angeklagte versteckte dieses später in einem angrenzenden Gebüsch.
7
E. informierte seine Freunde M. und den Nebenkläger. Alle drei beschlossen, das Fahrrad zurückzuholen, dem Angeklagten eine Abreibung zu verpassen und weitere Hanfpflanzen zu stehlen. M. parkte den Pkw abrufbereit; der zierliche E. wartete zunächst außerhalb des Grundstücks. Der 90 kg schwere und durchtrainierte Nebenkläger drang auf das Grundstück des Angeklagten ein, um nach dem Fahrrad sowie dem dort vermuteten Angeklagten zu suchen. Vor dem Eingang des Gewächshauses traf der sich anschleichende Nebenkläger auf den mittlerweile aufmerksam gewordenen Angeklagten, der sein bei der Arbeit verwendetes Messer (15 cm Länge; Klingenlänge 5,5 cm) in der rechten Hand hielt. Es entstand sogleich ein Gerangel. Dabei fasste der Nebenkläger dem Angeklagten an den Kragen und ging zum direkten Angriff über. Er umklammerte den Angeklagten von vorn und drückte ihm die Luft ab. Der Angeklagte geriet in Todesangst und setzte das Messer ein. „Er stieß das Messer wuchtig zunächst in den Bereich der linken Flanke oberhalb des Beckenkammes, sodann fügte er ihm durch einen weiteren Stich eine Verletzung der Zwischenrippenmuskulatur und des Rippenfelles sowie durch einen dritten Stich eine Verletzung am Kinn sowie durch eine Kopfbewegung des Nebenklägers nach links hinten zugleich an der linken Halsseite hinter dem Kopfwendermuskel zu“ (UA S. 16).
8
b) Das Landgericht hat dem Angeklagten zugebilligt, dass er sich gegen die Umklammerung zur Wehr gesetzt und sein Eigentum und sein Hausrecht verteidigt habe (UA S. 39). Indes habe er an dem Zustandekommen der Notwehrlage durch die im Verstecken des Fahrrades des E. enthaltene Provokation mitgewirkt. Der massive Einsatz des Messers habe dem Angeklagten im Rahmen seines eingeschränkten Notwehrrechts nicht zugestanden.
9
2. Diese Wertung hält der sachlich-rechtlichen Prüfung nicht stand. Zwar ist anerkannt, dass eine schuldhafte Provokation zur Einschränkung des Notwehrrechts führen kann, wenn bei vernünftiger Würdigung der gesamten Umstände des Einzelfalls der Angriff als adäquate und voraussehbare Folge der Pflichtverletzung des Angegriffenen erscheint (vgl. BGHR StGB § 32 Abs. 2 Verteidigung 11 und 18 jeweils m.w.N.). Solches ist hier jedoch nicht der Fall.
10
Es ist schon zweifelhaft, ob das Verstecken des Fahrrades überhaupt zu einer Einschränkung des Notwehrrechts des Angeklagten hinsichtlich eines Angriffs auf die körperliche Integrität führen kann. Jedenfalls stand der Angriff des Nebenklägers damit in keinem Zusammenhang. Er beruhte auf dessen Entscheidung und der seiner Freunde, dem Angeklagten wegen der Vertreibung des E. eine Abreibung zu erteilen. Hierdurch war das Notwehrrecht des Angeklagten nicht eingeschränkt.
11
3. Die drei Messerstiche des Angeklagten stellten noch eine erforderliche Verteidigung im Sinne des § 32 Abs. 2 StGB dar. Hierzu hat der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift ausgeführt:
12
„Sie waren geeignet, den Angriff zu beenden. Zwar muss der Angegriffene das mildeste Mittel gegen einen Angriff wählen. Zur Beurteilung der Frage, welches Mittel wie wirksam ist, um die endgültige Beseitigung der Gefahr zu gewährleisten, kommt es auf die Stärke des Angriffs, die Gefährlichkeit des Angreifers und die zur Verfügung stehenden Abwehrmittel an. Hierbei muss sich der Angegriffene nicht auf das Risiko einer nur unzureichenden Abwehrhandlung und des Eintritts eines mehr als belanglosen Schadens an seiner körperlichen Unversehrtheit einlassen. Die Erforderlichkeit der Verteidigung ist im Wege einer ex-ante Betrachtung objektiv zu bestimmen. Maßgebend ist, wie ein besonnener Dritter in der Lage des Angegriffenen die im Zeitpunkt des Angriffs gegebenen und objektiv erkennbaren Umstände beurteilt hätte, wobei § 32 StGB (im Prinzip) keine Güterabwägung voraus- setzt. Nach diesen Grundsätzen war der Einsatz des Messers, selbst wenn man wie das Landgericht einen bedingten Tötungsvorsatz annehmen wollte, gerechtfertigt: Der Angeklagte befand sich durch die Umklammerung des Me. nicht mehr in einer Lage, in der es ihm zumutbar gewesen wäre, den Einsatz des Messers anzukündigen (UA S. 41) oder in eine ‚weniger gefährdete’ Körperregion zu stechen. Die Umklammerung verringerte nach der unwiderlegten Einlassung (UA S. 26) des Angeklagten dessen Luftzufuhr , so dass er in Todesangst geriet.“
13
Dem stimmt der Senat zu, zumal es dem Angeklagten angesichts der eindeutigen Feststellungen zur fortdauernden Umklammerung des körperlich überlegenen Nebenklägers nicht zumutbar war, die Wirkung des ersten oder zweiten Stiches abzuwarten.
14
4. Der Senat schließt aus, dass eine neue Hauptverhandlung Umstände ergeben kann, die eine Einschränkung des Notwehrrechts gebieten könnten , und spricht den Angeklagten insoweit auf Antrag des Generalbundesanwalts frei. Die Sache ist zur Bestimmung einer neuen Gesamtfreiheitsstrafe an eine allgemeine Strafkammer zurückzuverweisen (BGH NJW 1994, 3304,

3305).


Basdorf Raum Brause Schaal König

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 S t R 6 3 0 / 1 3
vom
25. März 2014
in der Strafsache
gegen
wegen Totschlags
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom
25. März 2014, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Raum
und die Richter am Bundesgerichtshof
Rothfuß,
Dr. Graf,
Prof. Dr. Jäger,
Prof. Dr. Mosbacher,
Oberstaatsanwältin beim Bundesgerichtshof
als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Rechtsanwalt
als Nebenklägervertreter,
Justizangestellte - in der Verhandlung -,
Justizangestellte - bei der Verkündung -
als Urkundsbeamtinnen der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 5. Juli 2013 wird verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels und die den Nebenklägern im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Totschlags zu einer Jugendstrafe von sechs Jahren verurteilt. Die Revision des Angeklagten, die mit der näher ausgeführten Sachrüge begründet wird, hat keinen Erfolg.

I.

2
1. Das Landgericht hat Folgendes festgestellt:
3
Der zum Tatzeitpunkt 20 Jahre und einen Monat alte und bislang unbestrafte Angeklagte lebte mit seinem 10-jährigen Bruder bei seinen Eltern. Nach anfänglichen Schwierigkeiten erlangte er den Qualifizierenden Hauptschulabschluss und absolvierte zuletzt ein Einstiegsqualifizierungsjahr im Bereich Elektroniker für Betriebstechnik in der Firma, in der auch sein Vater arbeitete.
4
Sein späteres Tatopfer, seinen fünf Jahre jüngeren Cousin A. , kannte er von klein auf; dessen Mutter ist die Patentante des Angeklag- ten. Nachdem es zwischen dem Angeklagten und seinem Cousin anlässlich einer gemeinsamen Fahrt nach Polen zu Konflikten gekommen war, hatten beide ca. drei Jahre keinen Kontakt mehr. Zum 20. Geburtstag des Angeklagten am 16. November 2012 besuchte ihn sein Cousin A. und war anschließend fast jedes Wochenende beim Angeklagten zu Besuch. Das Verhältnis der beiden war im Wesentlichen gut, aber nicht konfliktfrei. Der Angeklagte war bei einer Körpergröße von 175 cm und einem Körpergewicht von ca. 92 kg kleiner als sein sehr sportlicher und allseits beliebter Cousin A. , der bei einer Körpergröße von 189 cm etwa 90 kg wog.
5
A. war ab dem 22. Dezember 2012 bei dem Angeklagten zu Besuch und übernachtete mit in dessen Zimmer. Als seine Eltern A. am Heiligabend abholen wollten, kamen beide Familien überein, den Heiligabend gemeinsam zu feiern. Als Weihnachtsgeschenk erhielt der Angeklagte von seinem Vater ein einschneidiges, insgesamt 22 cm langes scharfes Klappmesser mit 10 cm langer spitzer schmaler Klinge; die Schärfe testete der Angeklagte noch am selben Abend, indem er sich mit dem Messer in den Unterarm ritzte. Auf Wunsch der beiden Cousins blieb A. noch weiter bei der Familie des Angeklagten.
6
Am ersten Weihnachtsfeiertag schliefen beide auf der ausgezogenen Couch des Angeklagten bis in die Mittagsstunden. Nachdem nachmittags zwei Freunde des Angeklagten zu Besuch gewesen und wieder gegangen waren, kam gegen 18.00 Uhr ein weiterer guter Freund des Angeklagten, der spätere Tatzeuge M. , der auch A. kannte. Diesem zeigte der Angeklagte auch sein neues Messer. Als M. die Klinge testete, indem er das Messer in die Couch stach, nahm ihm der Angeklagte das Messer weg und legte es aufgeklappt auf das Sofa.
7
Schließlich lagen alle drei auf dem aufgeklappten Sofa des Angeklagten. Dieser spielte auf dem an den Fernseher angeschlossenen Computer alleine das Spiel „Warcraft“, die anderen beiden schauten zu. Die Stimmung war ruhig, man machte Späße über das Spiel. Als sich der Angeklagte und A. über Arbeit unterhielten, kam es zwischen den beiden zu einer verbalen Auseinandersetzung mit gegenseitigen Beleidigungen, in deren Verlauf A. den Angeklagten als „strunzdumm“ bezeichnete. Nunmehr schlug der Ange- klagte A. mit der rechten Faust mehrmals auf die rechte Schulter. A. forderte den Angeklagten auf, damit aufzuhören und bezeichnete ihn als „Opfer“.Der Angeklagte beschimpfte A. daraufhin als „Krüppel“ oder „Spasti“. Als der Angeklagte A. erneutauf die Schulter schlagen wollte, dreht dieser sich weg, wodurch der Angeklagte ihn unabsichtlich ins Gesicht traf. A. stand auf, stellte sich hinter den im Schneidersitz auf dem Sofa sitzenden Angeklagten, packte ihn mit der linken Hand an den langen Haaren und schlug ihn nun mehrfach mit der rechten Faust ins Gesicht und auf den Hinterkopf, mindestens einmal davon auch auf die rechte Schläfe. Auch als der Angeklagte zu A. sagte, dass dieser aufhören solle, schlug A. weiterhin zu. Dabei befand er sich direkt hinter dem Angeklagten, seine Brust direkt hinter der Schulter des Angeklagten.
8
Um sich A. vom Leib zu halten, wofür ihm jedes Mittel recht war, nahm der Angeklagte das vor ihm liegende aufgeklappte Messer so in die Hand, dass die Klinge auf der Daumenseite aus der Hand herausschaute und stach mit den Worten „so, jetzt stirbst du!“ mit einer schnellen und ausholenden Bewegung über seine rechte Schulter einmal gezielt in Richtung des Oberkörpers von A. . Hierbei rechnete er mit der Möglichkeit, A. im Oberkörperbereich zu treffen und erkannte, dass eine solche Verletzung tödlich sein könnte, was er billigend in Kauf nahm. Der Stich führte zu einer Verletzung von Lunge und Herz und zu massiven Blutungen. A. fragte noch, ob der Angeklagte ihn jetzt abgestochen habe, brach dann bald bewusstlos zusammen und starb schließlich infolge massiven Blutverlustes.
9
Die Mutter von A. gab nach dem Tod ihres einzigen Kindes wegen psychischer Belastungen infolge des Tatgeschehens ihre selbständige Tätigkeit auf. Nach zunächst stationärer psychologischer Behandlung wird sie nun ambulant behandelt. Die Eltern des Angeklagten bezahlten die Beerdigung von A. , der Angeklagte will ihnen diese Kosten erstatten; zudem hat er sich bei den Nebenklägern entschuldigt.
10
2. Das Landgericht hat aufgrund des zielgerichteten Stichs mit einem spitzen und scharfen Messer gegen den Oberkörper von A. in Zusam- menhang mit den Worten „so, jetzt stirbst du!“ auf einen bedingten Tötungsvor- satz des Angeklagten geschlossen. Eine Rechtfertigung wegen Notwehr nach § 32 StGB hat die Jugendkammer verneint, weil es jedenfalls an der Erforderlichkeit der Verteidigungshandlung fehle. Ausgeschlossen hat das Landgericht auch, dass der Angeklagte die Grenzen der Notwehr aus Verwirrung, Furcht oder Schrecken überschritten hat (§ 33 StGB).
11
3. Das Landgericht hat bei dem zum Tatzeitpunkt über 20 Jahre alten Angeklagten wegen Reifeverzögerungen Jugendstrafrecht angewendet. Jugendstrafe hat die Kammer wegen der Schwere der Schuld verhängt, während sie keine schädlichen Neigungen feststellen konnte; zudem sei die Verhängung der Jugendstrafe auch zur erzieherischen Einwirkung auf den Angeklagten geboten.
12
Einen minder schweren Fall nach § 213 Alt. 1 StGB hat die Jugendkammer mit der Erwägung abgelehnt, es liege schon keine schwere Beleidigung in diesem Sinne vor. Zudem sei der Angeklagte nicht schuldlos gewesen, weil er selbst mit den körperlichen Angriffen begonnen und deshalb zur Verschärfung der Situation beigetragen habe. Nach einer Gesamtwürdigung des Tatbildes, aller objektiven und subjektiven Umstände und der Täterpersönlichkeit hat die Jugendkammer auch die Annahme eines unbenannten minder schweren Falls nach § 213 Alt. 2 StGB abgelehnt, wobei sie insbesondere berücksichtigt hat, dass der Angeklagte zwar in affektiver Erregung handelte, diese jedoch noch nicht den Grad einer affektiven Ausnahmesituation erreichte und in ihrem Maß nicht ungewöhnlich für einen Totschlag sei, sowie, dass der Angeklagte zwar unmittelbar vor der Tat von A. geschlagen wurde, der Angeklagte das Tatopfer jedoch zuerst geschlagen hatte.
13
Bei der konkreten Bemessung der Jugendstrafe hat das Landgericht eine Vielzahl von zugunsten des Angeklagten sprechenden Gesichtspunkten berücksichtigt , zu seinen Lasten jedoch die massiven psychischen Belastungen der Mutter von A. , die nunmehr ihren Beruf nicht mehr ausüben kann. Die Jugendstrafe von sechs Jahren hat die Jugendkammer auch zur erzieherischen Einwirkung auf den Angeklagten für erforderlich gehalten.

II.

14
Die Nachprüfung des angefochtenen Urteils auf Grund der Sachrüge ergibt keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten.
15
1. Die Beweiswürdigung des Landgerichts, mit der es sich vom Tötungsvorsatz des insoweit bestreitenden Angeklagten überzeugt hat, ist nicht zu beanstanden.
16
a) Die Beweiswürdigung ist Sache des Tatrichters, der sich unter dem umfassenden Eindruck der Hauptverhandlung ein Urteil über die Schuld oder Unschuld des Angeklagten zu bilden hat (§ 261 StPO). Die tatsächlichen Schlussfolgerungen des Tatgerichts müssen nicht zwingend sein; es genügt, dass sie möglich und nachvollziehbar sind und das Tatgericht von ihrer Richtigkeit überzeugt ist (vgl. BGH, Urteil vom 1. Oktober 2013 – 1 StR 403/13 mwN). Das Revisionsgericht ist auf die Prüfung beschränkt, ob die Beweiswürdigung des Tatrichters mit Rechtsfehlern behaftet ist, weil sie Lücken oder Widersprüche aufweist, mit den Denkgesetzen oder gesichertem Erfahrungswissen nicht übereinstimmt oder sich soweit von einer Tatsachengrundlage entfernt, dass sich die gezogenen Schlussfolgerungen letztlich als reine Vermutung erweisen (st. Rspr.; vgl. BGH aaO mwN; vgl. zur Beweiswürdigung hinsichtlich des Tötungsvorsatzes speziell BGH, Urteil vom 22. März 2012 – 4 StR 558/11, BGHSt 57, 183).
17
b) Diesen Anforderungen wird die Beweiswürdigung des Landgerichts gerecht. Der Schluss des Landgerichts, der Angeklagte habe mit bedingtem Tötungsvorsatz gehandelt, weil er einen – wie er erkannte – objektiv besonders gefährlichen Angriff mit einem spitzen, scharfen Messer mit dünner Klinge gegen den Oberkörper eines Menschen mit den Worten ausführte „so, jetzt stirbst du!“, ist möglich und lebensnah. Dass der Angeklagte seinen Cousin A. mit dem Messer im Oberkörperbereich treffen wollte, hat die Jugendkammer entgegen der Auffassung der Revision rechtsfehlerfrei aus der Position der beiden in der konkreten Kampfsituation (A. stand unmittelbar hinter dem Angeklagten, sein Oberkörper befand sich auf der Höhe der Schulter des Angeklagten ) und der Stichführung gefolgert (UA S. 32). Als weitere Indizien hier- für hat die Kammer den Ausruf „so, jetzt stirbst du!“ und die Schilderung des Stichs durch den Zeugen R. („zielgerichtet gegen das Tatopfer“) gewertet. Auch dies lässt Rechtsfehler nicht erkennen.
18
2. Zutreffend hat das Landgericht eine Rechtfertigung des tödlichen Stichs durch Notwehr mangels Erforderlichkeit der Notwehrhandlung ausgeschlossen.
19
a) Eine in einer objektiven Notwehrlage verübte Tat ist nach § 32 Abs. 2 StGB gerechtfertigt, wenn sie zu einer sofortigen und endgültigen Abwehr des Angriffs führt und es sich bei ihr um das mildeste Abwehrmittel handelt, das dem Angegriffenen in der konkreten Situation zur Verfügung stand. Ob dies der Fall ist, muss auf der Grundlage einer objektiven ex-ante-Betrachtung der tatsächlichen Verhältnisse im Zeitpunkt der Verteidigungshandlung beurteilt werden. Auf weniger gefährliche Verteidigungsmittel muss der Angegriffene nur dann zurückgreifen, wenn deren Abwehrwirkung unter den gegebenen Umständen unzweifelhaft ist und genügend Zeit zur Abschätzung der Lage zur Verfügung steht. Gegenüber einem unbewaffneten Angreifer ist der Gebrauch eines bis dahin noch nicht in Erscheinung getretenen Messers in der Regel anzudrohen (BGH, Urteil vom 19. Dezember 2013 – 4 StR 347/13 mwN).
20
b) Das Landgericht hat zutreffend darauf abgestellt, dass der Angeklagte den Messereinsatz zunächst hätte androhen oder zumindest mit dem Messer auf einen weniger gefährlichen Körperteil des Opfers stechen müssen wie insbesondere auf das Bein von A. . Damit standen ihm erfolgversprechende mildere Mittel zur Angriffsabwehr zur Verfügung.
21
c) Hinzu kommt Folgendes: Wer durch ein sozialethisch zu beanstandendes Vorverhalten einen Angriff auf sich schuldhaft provoziert hat, auch wenn er ihn nicht in Rechnung gestellt haben sollte oder gar beabsichtigt hat, darf nicht bedenkenlos von seinem Notwehrrecht Gebrauch machen und sofort ein lebensgefährliches Mittel einsetzen. Er muss vielmehr dem Angriff nach Möglichkeit ausweichen und darf zur Trutzwehr mit einer lebensgefährdenden Waffe erst übergehen, nachdem er alle Möglichkeiten der Schutzwehr ausgenutzt hat; nur wenn sich ihm diese Möglichkeit verschließt, ist er zu entsprechend weitreichender Verteidigung befugt. Steht fremde Hilfe – auch privater Art – zur Verfügung, so hat er auf sie zurückzugreifen. Gegen einen unbewaffneten Gegner kommt der Gebrauch einer lebensgefährlichen Waffe nur in Ausnahmefällen in Betracht; er darf nur das letzte Mittel zur Verteidigung sein (BGH, Urteil vom 30. Mai 1996 – 4 StR 109/96, NStZ-RR 1997, 65 mwN; zur Notwehreinschränkung bei Angriffsprovokation umfassend Fasten, Die Grenzen der Notwehr im Wandel der Zeit, 2011, S. 151 ff. mwN).
22
Vorliegend hat der Angeklagte als erster die körperliche Auseinandersetzung mit seinem fünf Jahre jüngeren Cousin begonnen, nachdem sich beide zuvor lediglich gegenseitig verbal beleidigt hatten. Die Schläge gegen sich hat der Angeklagte durch seinen vorherigen körperlichen Angriff auf A. schuldhaft provoziert. Richtig ist deshalb die Erwägung der Kammer in diesem Zusammenhang, der Angeklagte habe vor Setzen des tödlichen Stichs zunächst den unmittelbar neben dem Geschehen befindlichen Zeugen M. oder die in der Wohnung anwesenden Erwachsenen um Hilfe anrufen müssen.
23
d) Zur gleichen Einschränkung des Notwehrrechts könnte die Erwägung führen, dass bei einem derartigen persönlichen Näheverhältnis wie dem des Angeklagten zu seinem – zumal jugendlichen – Opfer lebensgefährliche Verteidigungsmittel nicht ohne weiteres angewendet werden dürfen, wenn nur leichte Körperverletzungen drohen (vgl. BGH, Urteil vom 25. September 1974 – 3 StR 159/74, NJW 1975, 62 f.; vgl. demgegenüber auch BGH, Urteil vom 11. Januar 1984 – 2 StR 541/83, NJW 1984, 986 f.; Urteil vom 18. April 2002 – 3 StR 503/01, NStZ-RR 2002, 203, 204; hierzu umfassend auch Fasten aaO S. 199 ff.).
24
e) Weil angesichts dieser Umstände eine Rechtfertigung durch Notwehr im Ergebnis ersichtlich ausscheidet, ist es nicht rechtsfehlerhaft, dass das Landgericht – wie die Revision rügt – unter Hinweis auf die Gesamtumstände und die vorherige körperliche Gewalt des Angeklagten gegen A. an dieser Stelle letztlich offen gelassen hat, ob überhaupt eine Notwehrlage vorlag.
25
3. Die Ablehnung eines Notwehrexzesses nach § 33 StGB hat die Jugendkammer ebenfalls rechtsfehlerfrei begründet. Die Überschreitung der Grenzen der Notwehr aus Furcht ist entschuldigt, wenn bei dem Täter ein durch das Gefühl des Bedrohtseins verursachter psychischer Ausnahmezustand mit einem solchen Störungsgrad vorliegt, dass er das Geschehen nur noch in erheblich reduziertem Maße verarbeiten kann (BGH, Urteil vom 30. Mai 1996 – 4 StR 109/96, NStZ-RR 1997, 65 f. mwN). Dies war nach den Feststellungen bei dem Angeklagten nicht der Fall. Danach war er trotz der affektiven Aufladung der Situation noch in der Lage, das Geschehen richtig zu verarbeiten (UA S. 36). Einen erheblichen asthenischen Affekt als Ursache für das Überschreiten der Notwehrgrenze (vgl. BGH aaO) hat die Jugendkammer damit rechtsfehlerfrei ausgeschlossen.
26
4. Auch der Rechtsfolgenausspruch hält revisionsrechtlicher Prüfung stand.
27
a) Die Jugendkammer hat die Voraussetzungen des § 213 StGB rechtsfehlerfrei verneint. Der Senat kann daher offen lassen, ob auch nach der Heraufsetzung des Strafrahmens von § 213 StGB durch das 6. Strafrechtsreformgesetz an der bisher zur Berücksichtigung von § 213 StGB bei der Bemessung von Jugendstrafe ergangenen Rechtsprechung festzuhalten wäre (vgl. insoweit nur Senat, Urteil vom 15. November 1988 – 1 StR 545/88, NStZ 1989, 119 f.; BGH, Beschluss vom 30. Juni 1987 – 4 StR 266/87; Beschluss vom 8. Oktober 1986 – 2 StR 394/86; Beschluss vom 1. Juli 1982 – 3 StR 190/82, NStZ 1982,

466).


28
b) Nach § 213 Alt. 1 StGB liegt ein minder schwerer Fall des Totschlags nur dann vor, wenn der Totschläger ohne eigene Schuld durch eine ihm oder einem Angehörigen zugefügte Misshandlung oder schwere Beleidigung von dem getöteten Menschen zum Zorn gereizt und auf der Stelle zur Tat hingerissen wurde. Dem steht vorliegend – wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat – ersichtlich entgegen, dass der Angeklagte die körperlichen Übergriffe auf ihn durch die vorherigen Faustschläge auf die Schulter und ins Gesicht seines 15 Jahre alten Cousins selbst schuldhaft provoziert hat, ohne dass dies nach den vorherigen gegenseitigen Beleidigungen gerechtfertigt oder entschuldigt gewesen wäre.
29
c) Rechtsfehlerfrei sind auch die Ausführungen des Landgerichts zur Ablehnung eines sonst minder schweren Falls des Totschlags nach § 213 Alt. 2 StGB. Das Landgericht hat im Rahmen seiner Gesamtwürdigung neben anderen Gesichtspunkten ausdrücklich berücksichtigt, dass der Angeklagte unmittelbar vor der Tat vom Tatopfer geschlagen wurde und dass er in affektiver Erregung handelte. Damit ist den Anforderungen der Rechtsprechung insoweit (vgl. BGH, Beschluss vom 27. Februar 2007 – 4 StR 581/06, NStZ-RR 2007, 194, 195; Beschluss vom 4. Juli 2013 – 4 StR 213/13, NStZ 2013, 580 m. Anm. Becker) Genüge getan.
30
d) Auch die Bemessung der Jugendstrafe ist nicht zu beanstanden. Entgegen der Auffassung der Revision hat die Jugendkammer hinreichend berücksichtigt , dass der Angeklagte unmittelbar vor der Tat vom Tatopfer geschlagen und verletzt wurde und die Tat in einer affektiv aufgeladenen Situation beging.
31
Die Jugendkammer hat die aus ihrer Sicht schuldangemessene Jugendstrafe auch zur erzieherischen Einwirkung auf den Angeklagten für erforderlich und ausreichend angesehen. Dass sie die Gründe hierfür an dieser Stelle nicht ausführlicher dargelegt hat, begründet keinen Rechtsfehler, zumal ohnehin fraglich ist, ob sich eine Jugendstrafe zwischen fünf und zehn Jahren erzieherisch begründen lässt (vgl. Senat, Beschluss vom 27. November 1995 – 1 StR 634/95, NStZ 1996, 232, 233; BGH, Beschluss vom 15. Mai 1996 – 2 StR 119/96, NStZ 1997, 29; vgl. demgegenüber BGH, Beschluss vom 7. Mai1996 – 4 StR 182/96, NStZ 1996, 496). Raum Rothfuß Graf Jäger Mosbacher
Nachschlagewerk: ja
BGHSt: ja
Veröffentlichung: ja
______________________
1. Der Erpresser ist in einer von ihm gesuchten Konfrontation mit dem Erpreßten
gegenüber einem wehrenden Gegenangriff des Erpreßten auf sein Leben
regelmäßig nicht arglos im Sinne des Mordmerkmals der Heimtücke,
wenn er in dessen Angesicht im Begriff ist, seine Tat zu vollenden und zu
beenden und damit den endgültigen Rechtsgutsverlust auf Seiten des Erpreßten
zu bewirken.
2. Zur Notwehr gegen eine Erpressung.
BGH, Urteil vom 12. Februar 2003 - 1 StR 403/02 - LG Nürnberg-Fürth

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 403/02
vom
12. Februar 2003
in der Strafsache
gegen
wegen Mordes
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Verhandlung am
11. Februar 2003 in der Sitzung vom 12. Februar 2003, an denen teilgenommen
haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Nack
und die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Wahl,
Schluckebier,
Dr. Kolz,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Elf,
Bundesanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
- in der Verhandlung am 11. Februar 2003 -,
Rechtsanwalt
- in der Sitzung vom 12. Februar 2003 -
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landge- richts Nürnberg-Fürth vom 15. März 2002 mit den Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere als Schwurgericht zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. Von Rechts wegen

Gründe:

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Heimtückemordes zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt. Die Revision des Angeklagten hat mit der Sachbeschwerde Erfolg. Die Annahme der Strafkammer, der Angeklagte habe heimtückisch gehandelt, ist ebenso rechtsfehlerhaft wie die Verneinung einer Notwehrlage. Zudem weisen die weiteren Ausführungen der Strafkammer zur Frage einer etwaigen Rechtfertigung des Angeklagten und zur inneren Tatseite Erörterungsmängel auf.

I.

Nach den vom Landgericht getroffenen Feststellungen hatte der später vom Angeklagten getötete M. diesem in Teilbeträgen 6.000 DM abgepreßt. Er hatte ihm gedroht, ihm im Nichtzahlungsfalle wegen seines Han-
dels mit sog. Raubpressungen von Kompaktschallplatten (CDs) Schwierigkeiten bei der Polizei zu bereiten und ihn von Freunden zusammenschlagen zu lassen. Beide, M. und der Angeklagte, waren miteinander bekannt und hat- ten oft persönlichen Kontakt. Als der Angeklagte am Tattage morgens M. in dessen Wohnung besuchte, verlangte dieser weitere 1.000 DM. M. drohte ihm erneut mit einer Anzeige wegen seiner illegalen Geschäfte. Um den Angeklagten zur Zahlung zu veranlassen, rief M. über die Notrufnummer die Polizei an, um "einen Termin" zu vereinbaren. Er kündigte überdies an, er werde mit Freunden das Geld von ihm eintreiben. Der Angeklagte ließ sich jedoch nicht zur Zahlung bewegen und verließ schließlich M. s Wohnung. Abends suchte M. in Begleitung eines gewissen Ma. den Angeklagten in dessen Wohnung auf. Der Angeklagte ließ beide ein. Während Ma. Proviant und eine Flasche Wodka besorgte, stritten der Angeklagte und M. lautstark miteinander. M. hielt dem Angeklagten vor, daß er seit drei Jahren von Sozialhilfe lebe und daneben illegal CDs verkaufe. Er forderte nunmehr vom Angeklagten die Zahlung von 5.000 DM. Nach Ma. s Rückkehr tranken die drei Anwesenden schließlich - am Wohnzimmertisch sitzend - drei Viertel des Inhalts einer Flasche Wodka, der Angeklagte indessen lediglich etwa 0,2 cl. Als der Angeklagte auch auf M. s erneute, nun höhere Forderung nicht einging und diese ablehnte, drohte M. , die Wohnzimmereinrichtung zu zerstören. Der Angeklagte bot M. darauf die Übergabe von 1.200 DM an, die er in der Wohnung habe. Dies war M. jedoch zu wenig; er bestand auf der Zahlung von 5.000 DM und drohte im weiteren Verlauf erneut mit Polizei und Finanzamt sowie der Zerstörung der Sachen in der Wohnung oder aber der Mitnahme von Gegenständen im Wert von 5.000 DM. Schließlich begann M. , gegen die CD-Sammlung des Angeklagten zu treten. Der Angeklagte erklärte sich daraufhin bereit, den geforderten Betrag zu zahlen, wenn
M. "seine Sachen in Ruhe ließe". Er ging ins Badezimmer seiner "Einraum- wohnung mit offenem Küchenbereich" und holte dort eine Plastiktüte aus einem Versteck, in der sich 5.000 DM und 500 US-Dollar befanden. Zurück im Wohnzimmer überließ er Ma. die Tüte. Die Strafkammer vermochte nicht zu klären, ob Ma. dem Angeklagten die Tüte aus der Hand riß oder ob der Angeklagte sie an Ma. übergab. M. stand zu diesem Zeitpunkt mit den Händen in den Hosentaschen im Wohnzimmer. Völlig überraschend für ihn, der "keinerlei Angriff erwartete", trat der Angeklagte hinter ihn, um ihn zu töten. Er war wütend darüber, daß M. ihm das angesparte Geld wegnehmen wollte; er mochte sich von M. nicht seine Existenz zerstören lassen. Blitzschnell riß er den Kopf M. s zurück , schlug ihm mehrfach auf denselben und schnitt M. mit einem aus der Hosentasche gezogenen feststehenden, einseitig geschliffenen Küchenmesser mit einer Klingenlänge von 5,8 cm sofort mehrfach von links nach rechts durch den Hals. Dabei fügte er M. mehrere bis auf die Wirbelsäule reichende Schnittverletzungen zu. M. brach zusammen und verstarb umgehend. Der völlig überraschte Ma. rannte unter Mitnahme des Geldes aus der Wohnung. Er wurde später aufgrund seines Tatbeitrages wegen Erpressung zu fünf Monaten Freiheitsstrafe verurteilt (UA S. 32). Bei dem trinkgewohnten M. bestand zum Todeszeitpunkt eine hochgradige Alkoholbeeinflussung. Seine Blutalkoholkonzentration lag zwischen 3,03 und 3,26 Promille. Die Strafkammer geht davon aus, daß M. , der als „laut, nervig, sich aufspielend und trinkfest“ charakterisiert wird (UA S. 6), auch von anderen Personen Geldbeträge „gefordert“ hatte, ohne „hierauf einen Anspruch zu haben“ (UA S. 18).

II.

Der Schuldspruch wegen Mordes kann von Rechts wegen keinen Bestand haben. Das Landgericht hält die Tötungshandlung des Angeklagten für heimtückisch (§ 211 Abs. 2 StGB). M. sei zum Zeitpunkt der Messerattacke des Angeklagten arglos gewesen; er habe sich keines Angriffs versehen. Der Streit zwischen beiden sei beendet gewesen, als der Angeklagte der Forderung M. s nachgegeben und das Geld herbeigeholt habe. Der Angeklagte habe sich deshalb auch nicht mehr in einer Notwehrsituation befunden (§ 32 StGB). Der Angriff M. s, der seiner Geldforderung mit einem Fußtritt gegen die CDSammlung des Angeklagten Nachdruck verliehen habe, sei abgeschlossen gewesen, als der Angeklagte der Forderung M. s nachgekommen sei. Beide Erwägungen halten rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Der Annahme heimtückischen Handelns des Angeklagten steht hier entgegen, daß M. wegen seines erpresserischen Angriffs mit Gegenwehr des objektiv noch in einer Notwehrlage befindlichen Angeklagten rechnen mußte und deshalb nicht gänzlich arglos sein konnte. 1. Die Notwehrlage bestand für den Angeklagten während seiner Messerattacke auf M. noch fort. M. s erpresserischer Angriff auf das Vermögen des Angeklagten war noch "gegenwärtig" im Sinne des § 32 Abs. 2 StGB. Er war zwar vollendet, aber noch nicht beendet; denn die Beute war noch nicht gesichert (vgl. BGH bei Holtz MDR 1979, 985; siehe weiter BGHSt 27, 336, 339; BGH NJW 1979, 2053; RGSt 55, 82, 84; Lenckner/Perron in Schönke/ Schröder, StGB 26. Aufl. § 32 Rdn. 13, 15; Lackner/Kühl StGB 24. Aufl. § 32
Rdn. 4). Notwehr ist nicht darauf beschränkt, die Verwirklichung der gesetzlichen Merkmale des Tatbestandes abzuwenden. Sie ist zum Schutz gegen den Angriff auf ein bestimmtes Rechtsgut zugelassen. Dieser Angriff kann trotz Vollendung des Delikts noch fortdauern und deshalb noch gegenwärtig sein, solange die Gefahr, die daraus für das bedrohte Rechtsgut erwächst, entweder doch noch abgewendet werden kann oder bis sie umgekehrt endgültig in den Verlust umgeschlagen ist. Nur im Falle des endgültigen Verlustes handelt es sich etwa bei einem Angriff auf Eigentum und Besitz beweglicher Sachen für den Berechtigten nicht mehr um die Erhaltung der Sachherrschaft, sondern um deren Wiedererlangung, für die Gewaltanwendung jedenfalls nicht mehr unter dem Gesichtspunkt der Notwehr zugelassen ist (so schon RGSt 55, 82, 84). 2. Die fortbestehende Notwehrlage bleibt - unbeschadet der weiteren Voraussetzungen dieses Rechtfertigungsgrundes (siehe unten unter III.) - in Fällen der vorliegenden Art nicht ohne Auswirkungen auf die Beantwortung der Frage heimtückischen Handelns (§ 211 Abs. 2 StGB) des sich zur Wehr setzenden Opfers der Erpressung, des Angeklagten: Heimtücke setzt unter anderem die Ausnutzung der Arglosigkeit des Getöteten voraus (vgl. nur BGHSt 32, 382, 388). Der Erpresser ist in der von ihm gesuchten Konfrontation mit dem Erpreßten im Blick auf einen etwaigen wehrenden Gegenangriff des Opfers auf sein Leben jedoch nicht arglos, wenn er in dessen Angesicht im Begriff ist, seine Tat zu vollenden und zu beenden und damit den endgültigen Rechtsgutsverlust auf Seiten des Erpreßten zu bewirken. Das sich wehrende Erpressungsopfer handelt in einem solchen Falle mithin in aller Regel nicht heimtückisch. Arglos in dem bei heimtückischer Begehungsweise vorausgesetzten Sinn ist der Getötete dann, wenn er nicht mit einem gegen seine körperliche
Unversehrtheit gerichteten erheblichen, geschweige denn mit einem lebensbedrohlichen Angriff rechnet. Diese Arglosigkeit kann aus unterschiedlichen Gründen entfallen. Maßgeblich sind jeweils die Umstände des konkreten Falles. Die Frage, ob ein Mensch arglos ist, beurteilt sich grundsätzlich nach seiner tatsächlich vorhandenen Einsicht in das Vorhandensein einer Gefahr. Daß er einen tätlichen Angriff (hier: Gegenangriff) in Rechnung gestellt hat, kann sich allein schon aus seinem eigenen vorausgegangenen Verhalten ergeben (BGHR StGB § 211 Abs. 2 Heimtücke 13; vgl. weiter BGHSt 20, 301, 302; 33, 363, 365; BGH NJW 1980, 792; StV 1985, 235). Ist in einem Fall wie dem vorliegenden eine Notwehrlage aufgrund eines gegenwärtigen rechtswidrigen erpresserischen Angriffs durch den später Getöteten gegeben, der aktuell nicht nur im Fortwirken einer erpressungstypischen Dauergefahr besteht (Beeinträchtigung der Willensentschließungsfreiheit, etwa durch Setzen einer Frist zur Zahlung unter Übelsandrohung), sondern darüber hinaus in einer konkreten Tathandlung im Angesicht des Opfers, die unmittelbar die Verletzung eines beachtlichen Rechtsguts des Opfers besorgen läßt, so gilt: Es ist regelmäßig der Angreifer, der durch sein Verhalten einen schützenden oder trutzwehrenden Gegenangriff herausfordert, mag dieser sich nun im Rahmen des durch Notwehr Gerechtfertigten halten oder deren Grenzen überschreiten. Für die Frage der Arglosigkeit ist letzteres unerheblich. Mit seinem konkreten Angriff hat das spätere Opfer des Gegenangriffs in aller Regel seine Arglosigkeit bereits zuvor verloren. Er ist der wirkliche Angreifer. Dem Angegriffenen gesteht die Rechtsordnung das Notwehrrecht zu. Mit dessen Ausübung muß jeder Angreifer in solcher Lage grundsätzlich rechnen. Das ist von der strafrechtlichen Werteordnung und damit normativ prägend vorgegeben. Dem entspricht, daß das Notwehrrecht generell im Rechtsbewußtsein der Bevölkerung tief verwur-
zelt ist. Der Erpresser ist deshalb unter den hier gegebenen Umständen regelmäßig nicht gänzlich arglos (vgl. BGHR StGB § 211 Abs. 2 Heimtücke 13). Das Mordmerkmal der Heimtücke ist einer solchen, auch normativ orientierten einschränkenden Auslegung zugänglich. Diese gründet mit darin, daß der Gegenwehr hier ersichtlich nicht das Tückische in einem Maße innewohnt, welches den gesteigerten Unwert dieses Mordmerkmals kennzeichnet (vgl. BGHR StGB § 211 Abs. 2 Heimtücke 13). Es gilt zudem, einen Wertungsgleichklang mit dem Notwehrrecht zu gewährleisten. Gerade für ein zunächst unterlegenes Opfer kann es sich als unausweichlich erweisen, gegenüber dem überlegenen Rechtsbrecher, der gar noch von einem Tatteilnehmer unterstützt wird, bei der Verteidigung einen Überraschungseffekt auszunutzen, soll die Notwehr überhaupt Aussicht auf Erfolg haben. Unter solchen Umständen erscheint es bei wertender Betrachtung nicht systemgerecht, dem sich wehrenden Opfer, wenn es in der gegebenen Lage - in der Regel plötzlich - in den Randbereich der erforderlichen und gebotenen Verteidigung gerät oder gar exzessiv handelt, das Risiko aufzulasten, bei Überschreitung der rechtlichen Grenzen der Rechtfertigung oder auch der Entschuldigung sogleich das Mordmerkmal der Heimtücke zu verwirklichen. Der Senat läßt offen, ob gleichwohl unter besonderen Umständen Fallgestaltungen denkbar sind, bei denen ausnahmsweise eine Arglosigkeit des Erpressers tragfähig festgestellt werden kann, obgleich dieser im Angesicht seines Opfers eine Tathandlung verwirklicht und im Begriff ist, seine Tat zu vollenden und den endgültigen Verlust des Rechtsguts des Erpreßten zu bewirken. Solche besonderen Umstände sind hier weder den Urteilsgründen zu entnehmen noch sind sie sonst angesichts der Rahmenbedingungen denkbar.
Der danach anzunehmende Argwohn des später getöteten M. wird nicht dadurch in Frage gestellt, daß er den Feststellungen zufolge von dem Gegenangriff des Angeklagten "überrascht" war und diesen nicht erwartet hatte. Das belegt lediglich, daß er die Aussichten falsch eingeschätzt hat, seinen Rechtsbruch ohne Gegenwehr zu Ende führen zu können; seine Arglosigkeit hatte er - mangels entgegenstehender Umstände - bereits mit seinem (erneuten ) Angriff auf das Vermögen des Angeklagten in dessen Angesicht verloren. Dem steht nicht entgegen, daß er sich auch in der Gefährlichkeit eines möglicherweise zu erwartenden Gegenangriffs verschätzt haben mag, weil er bis zuletzt wohl die Bewaffnung des Angeklagten mit einem kleinen Messer nicht bemerkt hatte (ebenso BGHR StGB § 211 Abs. 2 Heimtücke 13). Nach allem gilt: Büßt der später Getötete wegen seines eigenen gegenwärtigen rechtswidrigen erpresserischen Angriffs nicht gänzlich seine Arglosigkeit gegenüber der Möglichkeit eines körperlichen (schutz- oder trutzwehrenden) Gegenangriffs ein, so fehlt es an der Heimtücke selbst dann, wenn der sich Wehrende das Überraschungsmoment bewußt ausnutzt. 3. Der Schuldspruch wegen Mordes unterliegt danach schon aus den genannten Gründen der Aufhebung. Es kommt deswegen nicht mehr darauf an, daß die Strafkammer auch das Bewußtsein des Angeklagten nicht hinreichend dargetan hat, einen durch seine etwaige Ahnungslosigkeit gegenüber einem Gegenangriff schutzlosen Menschen zu überraschen (vgl. zum sog. HeimtückeBewußtsein nur BGHR StGB § 211 Abs. 2 Heimtücke 9, 11, 26). Der Senat stellt allerdings klar, daß in den Fällen der Erpressung, in denen eine Drohung als sog. Dauergefahr zwischen einzelnen Angriffsakten des Täters auf die Willensentschließungsfreiheit des Opfers als gegenwärtig im Sinne des Tatbestandes fortwirkt (vgl. dazu BGHR StGB § 255 Drohung 9; BGH
NStZ-RR 1998, 135), eine Tötung des Erpressers durch sein Opfer in einer von diesem, also dem Opfer gesuchten, vorbereiteten Situation sehr wohl heimtükkisch sein kann (siehe etwa BGH NStZ 1995, 231) und dann auch nicht durch Notwehr gerechtfertigt ist. Sie wäre als Verteidigung jedenfalls nicht geboten (im Sinne des § 32 Abs. 1 StGB). Dem Opfer wäre regelmäßig die Inanspruchnahme staatlicher Hilfe zuzumuten (vgl. § 154c StPO). In solcher Lage würde weder das individuelle Schutzinteresse noch das Rechtsbewährungsinteresse, die das Notwehrprinzip prägen, eine solche "Verteidigung" tragen (so im Ergebnis auch BGH NStZ 1995, 231).

III.

Die von der Strafkammer angestellten Hilfserwägungen zu einer etwaigen Rechtfertigung des Angeklagten sowie zur inneren Tatseite leiden an Erörterungsmängeln , denen der neue Tatrichter Rechnung zu tragen haben wird. 1. Die Strafkammer meint, der Angeklagte habe - eine Notwehrlage unterstellt - das Maß der objektiv erforderlichen Verteidigung überschritten. Der Angeklagte habe "weggehen können", die Polizei rufen können oder M. , als dieser mit ihm allein war, aus der Wohnung weisen können, "notfalls auch unter Einsatz adäquater körperlicher Aktion" (UA S. 40). Diese Würdigung ist lükkenhaft und wird den rechtlichen Grundsätzen zur Frage der Erforderlichkeit einer Verteidigung nicht in jeder Hinsicht gerecht.
a) Ein "Weggehen" des Angeklagten aus seiner eigenen Wohnung oder ein Herbeirufen der Polizei nach dem etwaigen Verlassen der Wohnung durch M. und Ma. , also ein Abziehenlassen der Erpresser wäre keine Verteidigung gegen den rechtswidrigen Angriff mehr gewesen. Daß ein dro-
hendes, wehrendes Vorzeigen des mit kurzer Klinge versehenen Küchenmessers sich ebenso wie der Versuch einer "körperlichen Auseinandersetzung" als aussichtsreiche Verteidigungsmittel erwiesen hätten, versteht sich im Blick auf die Übermacht zweier Angreifer nicht von selbst. Der trinkgewohnte M. war zwar hochgradig alkoholisiert, aber ersichtlich aktionsfähig und aggressionsbereit. Zuvor, als der Angeklagte mit M. vorübergehend allein war, weil Ma. Proviant herbeiholte, hatte der Angeklagte versucht, M. hinzuhalten. Als die Tat vollendet wurde, sah der Angeklagte sich indessen wieder zwei Angreifern gegenüber. Daß der Versuch einer vom Angeklagten mittels körperlicher Gewalt geübten Trutzwehr, die Androhung des Einsatzes des Messers oder aber der Versuch des Herbeirufens der Polizei in Anwesenheit zweier Angreifer aussichtsreich gewesen wären, liegt nicht nahe, hätte deshalb der näheren Darlegung bedurft. Hätte der Angeklagte den Einsatz des Messers angedroht oder hätte er sich auf eine körperliche Auseinandersetzung eingelassen, wäre zu besorgen gewesen, daß er eine Eskalation durch die Angreifer heraufbeschworen hätte. Ein nicht bloß geringes Risiko, daß ein milderes Verteidigungsmittel fehlschlägt und dann keine Gelegenheit mehr für den Einsatz eines stärkeren Verteidigungsmittels bleibt, braucht der Angegriffene zur Schonung des rechtswidrig Angreifenden nicht einzugehen. Auf einen Kampf mit ungewissem Ausgang muß er sich nicht einlassen (vgl. nur BGH StV 1999, 143; BGH NStZ 2001, 591, jew. m.w.N.). Allerdings hat der Verteidigende grundsätzlich, wenn ihm mehrere wirksame Mittel zur Verfügung stehen und er Zeit zur Auswahl und zur Einschätzung der Gefährlichkeit hat, dasjenige Mittel zu wählen, das dem Angreifer am wenigsten gefährlich ist. Ist der Angreifer unbewaffnet und ihm die Bewaffnung des Verteidigers unbekannt, so ist je nach der Auseinandersetzungslage grundsätzlich zu verlangen, daß er den Einsatz der Waffe androht,
ehe er sie lebensgefährlich oder gar gezielt tödlich einsetzt (BGHSt 26, 256, 258; BGH NStZ-RR 1999, 40, 41; NStZ 2001, 591, 592). Diese rechtlichen Grundsätze wird der neue Tatrichter zu bedenken, seiner Würdigung zugrundezulegen und die Auseinandersetzungslage mit den bei lebensnaher Betrachtung in Frage kommenden aussichtsreichen Verteidigungsmöglichkeiten zu erörtern haben.
b) In diesem Zusammenhang wird das sog. Kräfteverhältnis zwischen dem Angeklagten einerseits sowie M. und Ma. andererseits näher zu bewerten sein. Dafür spielt auch die Aktionsfähigkeit M. s eine Rolle. Dieser ging nach den Feststellungen wohl recht zielstrebig vor, obwohl er - freilich trinkgewohnt - eine Blutalkoholkonzentration von drei Promille hatte. Hingegen hat sein Mittäter Ma. als Zeuge bekundet, M. habe aufgrund seiner Alkoholisierung kaum stehen können (UA S. 30). Je nach der Bewertung der Auseinandersetzungslage und des Kräfteverhältnisses wird dann möglicherweise zu erwägen sein, ob etwa das Anlegen des kleinen Messers an den Hals des M. mit der Androhung einer massiven körperlichen Attacke eine aussichtsreiche Verteidigung gewesen wäre. Abhängig vom Ergebnis dieser Würdigung könnte sich erweisen, daß der überraschende Einsatz des Küchenmessers mit dem Ziel der Tötung M. s - objektiv betrachtet - der einzig sicher erfolgversprechende Weg zur Ausschaltung des "Hauptangreifers" war. Ob er aber auch aussichtsreich hinsichtlich des Zieles war, den endgültigen Verlust des Geldes im gegebenen Zeitpunkt noch abzuwenden, bedarf ebenfalls der Bewertung. Denn auch nach der Tötung M. s blieb Ma. - im Besitz des Geldes - handlungsfähig. Ihm gelang tatsächlich die Flucht. Das verdeutlicht, daß allein ein Gegenangriff auf M. nicht genügen konnte, den Vermögensverlust zu verhindern. Vielmehr war eine
weitere Verteidigungshandlung vonnöten, um Ma. an der Flucht mit dem Geld zu hindern. Auch insoweit kommt es auf die konkrete Lage an, in subjektiver Hinsicht zudem darauf, welche Vorstellungen der Angeklagte gegebenenfalls zum Verteidigungserfolg seiner Gegenwehr hatte (vgl. BGHSt 45, 378, 384; Tröndle/Fischer StGB 51. Aufl. § 32 Rdn. 27). 2. Die Auffassung des Landgerichts, die Tötung M. s sei "völlig unverhältnismäßig" gewesen, vermag der Senat nicht zu teilen. Eine Abwägung der betroffenen Rechtsgüter findet bei der Notwehr grundsätzlich nicht statt (anders etwa im Notstandsfall gemäß § 34 StGB; vgl. BGH NStZ 1996, 29; Tröndle/Fischer aaO § 32 Rdn. 17). Ein Fall des Mißbrauchs des Notwehrrechts wegen geringen Gewichts des angegriffenen Rechtsguts stand hier nicht in Rede (sog. Bagatellfälle; vgl. BGH MDR bei Holtz 1979, 985; Tröndle /Fischer aaO § 32 Rdn. 20 m.w.N.). Es ging bei dem Angriff M. s nicht lediglich um eine etwaige Sachbeschädigung der CD-Sammlung des Angeklagten , sondern um die Erpressung eines Bargeldbetrages in Höhe von 5.000 DM. Bei solcher Ausgangslage gilt der Grundsatz, daß das Recht dem Unrecht nicht zu weichen braucht. 3. Die bisherigen Feststellungen und die Würdigung des Landgerichts tragen schließlich nicht die Annahme, der Angeklagte habe nicht mit Verteidigungswillen gehandelt, sondern "Selbstjustiz" geübt. In den Feststellungen hebt die Strafkammer selbst hervor, daß der Angeklagte "wütend darüber war, daß M. ihm das angesparte Geld wegnehmen wollte und er sich von M. nicht seine Existenz zerstören lassen wollte" (UA S. 11). Dies kann darauf hindeuten , daß der Angeklagte sich jedenfalls auch vom Willen zur Verteidigung gegen den Verlust des Geldes hat leiten lassen. Hinzutretende andere Tatmotive schließen den Verteidigungswillen nicht aus. Eine Rechtfertigung kommt
nach feststehender Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auch dann in Betracht , wenn neben der Abwehr eines Angriffs auch andere Ziele verfolgt wer- den, solange sie den Verteidigungszweck nicht völlig in den Hintergrund drängen (vgl. nur BGH NStZ 1983, 117; BGHR StGB § 32 Abs. 2 Verteidigungswille 1, jew. m.w.N.). Die Beweiswürdigung genügt diesem Maßstab nicht. Die Strafkammer hätte alle bedeutsamen tatsächlichen Umstände und die Einlassungen des Angeklagten einer eingehenden Bewertung unterziehen müssen, um auf dieser Grundlage seine Beweggründe festzustellen und an den rechtlichen Maßstäben zu messen. Die Urteilsgründe geben die verschiedenen Äußerungen des Angeklagten während der Ermittlungen zu seinen subjektiven Vorstellungen wieder. Dem Kriminalbeamten H. hatte er erklärt, er habe vermeiden wollen, daß Ma. eingreift, da er M. unbedingt habe töten wollen. Er habe sich das Geld nicht wegnehmen lassen wollen; ebensowenig andere Sachen, die ihm gehört hätten (UA S. 26). Beim Ermittlungsrichter hatte er sich dahin eingelassen, er sei "sehr böse" gewesen, weil ihm sein angespartes Geld weggenommen worden sei. Um zukünftig weitere Wegnahmen zu verhindern, habe er sich zur Tötung M. s entschlossen. Das Messer habe er schon längere Zeit bei sich getragen, weil er befürchtet habe, M. könne zur Durchsetzung seiner Geldforderung mit weiteren Personen zu ihm kommen (UA S. 28). Dem Kriminalbeamten K. hatte der Angeklagte erklärt, er habe M. "aus Haß heimzahlen" wollen, "was dieser ihm die ganzen Monate vorher angetan habe" (UA S. 29). Er habe M. getötet, weil dieser durch seine ständigen Geldforderungen seine Pläne, eigentlich seine ganze Existenz bedroht bzw. kaputt gemacht habe (UA S. 30). Die Strafkammer meint, der Angeklagte habe die unberechtigte Geldforderung M. s "für immer unterbinden wollen", indem er ihn tötete. "Aus Wut über den Verlust" des Geldes habe der Angeklagte unter
Ausnutzung des Überraschungseffekts der Drucksituation ein Ende bereitet. Die Tat beruhe auf dem "normalpsychologischen Motiv" der Wut. Dabei durfte die Strafkammer nicht stehen bleiben. Sie hätte sich angesichts der Einlassung des Angeklagten, er habe sich - naheliegender Weise auch aktuell - das Geld nicht wegnehmen lassen wollen, die Frage vorlegen müssen, ob hier die Wut des Angeklagten, ein Bestreben zur Verhinderung künftiger, aber noch nicht gegenwärtiger Erpressungen sowie der Wille zur "Bestrafung" für früheres Unrecht (vgl. UA S. 40) einerseits und der Wille zur aktuellen Verteidigung gegen den Verlust des Geldes andererseits nebeneinander Beweggrund waren, oder ob die zuerst genannten Motive so stark ausgeprägt waren, daß sie den Verteidigungszweck völlig in den Hintergrund gedrängt haben. Daran fehlt es. Im letzten Falle würde Notwehr mangels mitbestimmenden Verteidigungswillens ausscheiden. Bei der nunmehr vorzunehmenden Würdigung wird indes zu beachten sein, daß der sich zur Verteidigung Entschließende in einer sich zuspitzenden Situation oft erst durch ein gewisses Maß gleichsam "natürlicher Wut" in den Stand gesetzt wird, seinen Entschluß zur Wehr zu fassen und umzusetzen. Andererseits wird auch in diesem Zusammenhang zu würdigen sein, was sich der Angeklagte aus seiner Sicht von der Tötung M. s versprach und versprechen konnte, wenn er den Verlust des Geldes zu verhindern trachtete, das Ma. in Händen hielt. Die Urteilsgründe sind überdies zur Frage des Motivs des Angeklagten widersprüchlich. In ihren Feststellungen geht die Strafkammer davon aus, der Angeklagte habe sich sein angespartes Geld nicht wegnehmen und sich von M. nicht seine Existenz zerstören lassen wollen (UA S. 11). Bei ihrer rechtlichen Würdigung hingegen legt sie ein nicht deckungsgleiches Motiv zugrunde: Dort hebt sie hervor, er habe in dem Bestreben gehandelt, M. für sein vor-
angegangenes Tun zu bestrafen und künftige Forderungen auszuschließen (UA S. 40). 4. Der neue Tatrichter wird im Blick auf die bisherigen Feststellungen und die Einlassungen des Angeklagten möglicherweise weiter zu prüfen haben, ob ein Fall der sog. Absichtsprovokation vorliegt: Der Angeklagte könnte sich nicht wirksam auf Notwehr berufen, wenn er sich absichtlich oder jedenfalls vorsätzlich in eine erwartete Verteidigungssituation hineinbegeben hätte, um dann M. unter dem Vorwand einer objektiven Notwehrlage angreifen und "vernichten" zu können. In einem solchen Fall erwiese sich seine Gegenwehr in Wahrheit als vorgeplanter Angriff auf das Leben M. s, rechtsmißbräuchlich im Gewande der Verteidigung geführt (vgl. nur BGH NJW 1983, 2267; NStZ 2001, 143; vgl. Tröndle/Fischer aaO § 32 Rdn. 18, 23). In diesem Zusammenhang bedarf es auch einer Bewertung der Äußerung des Angeklagten im Ermittlungsverfahren, wonach er auch "zukünftige weitere Wegnahmen" habe verhindern wollen. Dies kann für sich betrachtet auf den Willen zu einer Art (unerlaubter) "Präventivnotwehr" hindeuten. Für die tatsächliche Würdigung kann auch eine Rolle spielen (Indizwirkung), daß der Angeklagte M. und Ma. in Kenntnis des wiederkehrenden, vorangegangenen erpresserischen Verhaltens M. s und von dessen Ankündigung am Vormittag in seine Wohnung einließ. Die Tatsache, daß und wann der Angeklagte sich mit einem kleinen Küchenmesser bewaffnet hatte, kann im Gesamtzusammenhang des Geschehens für den Schluß auf seine Beweggründe bedeutsam sein. Dem steht nicht entgegen, daß es im Grundsatz dem Notwehrübenden nicht anlastbar ist, wenn er sich für den Fall einer ihm aufgezwungenen Auseinandersetzung bewaffnet. Auch der Stellenwert der Äußerung, er habe M. unbedingt töten wollen, ist in ihrer Bedeutung für die Motivlage zu beurteilen. Gleiches gilt für den Umstand, daß der Angeklagte sich beim gemeinsamen Wodka-Trinken
vergleichsweise zurückhielt und lediglich ca. 0,2 cl zu sich nahm. Andererseits ist aber auch im Auge zu behalten, daß M. die Intensität seines Angriffs gesteigert hatte. So forderte er einen erheblich höheren Geldbetrag als noch am Vormittag. Er ließ sich auch nicht mehr erfolgreich hinhalten, sondern begann mit Sachbeschädigungen und drohte weitere Übel an, die die Durchsetzung mit räuberischen Mitteln nicht fernliegend erscheinen ließen. Daß der Angeklagte erst dann zum Gegenangriff überging, als ihm der endgültige Verlust seines Geldes unausweichlich vor Augen stehen mußte, könnte eher gegen eine Absichtsprovokation sprechen. Nach allem muß sich der neue Tatrichter fragen, ob er sich im Blick auf einen etwaigen Mißbrauch des Notwehrrechts davon überzeugen kann, daß der Angeklagte in der vorgefaßten Absicht handelte, M. zu töten und sich nicht erst in der aktuellen Situation, weil er möglicherweise den Verlust seines Geldes nicht mehr anders meinte abwenden zu können, zur Verteidigung entschloß. Hat der Tatrichter Zweifel, wird ein mitbestimmender wirklicher Verteidigungswille des Angeklagten anzunehmen und Rechtsmißbrauch zu verneinen sein. Er wird den zeitnah zur Tat gemachten Angaben des Angeklagten naheliegenderweise größeres Gewicht beimessen als etwa solchen in einer erneuten Hauptverhandlung. 5. Der neue Tatrichter wird dann gegebenenfalls zu bedenken haben, ob das Notwehrrecht des Angeklagten einer erheblichen Einschränkung unterlag (vgl. dazu Tröndle/Fischer aaO § 32 Rdn. 2 f.) und ob der Angeklagte deren Grenzen mit seinem sofortigen Messerangriff auf das Leben M. s überschritten hat. Hierzu bemerkt der Senat im einzelnen vorsorglich:

a) Eine Einschränkung des Notwehrrechts des Angeklagten im Blick auf eine etwaige Provokation M. s durch vorwerfbares Vorverhalten würde voraussetzen , daß dieses Vorverhalten rechtswidrig oder wenigstens sozialethisch zu mißbilligen wäre; zudem müßte zwischen ihm und dem rechtswidrigen Angriff des M. ein enger zeitlicher und räumlicher Zusammenhang bestehen (vgl. zu diesen Erfordernissen: BGHSt 27, 336, 338; 42, 97, 101; siehe auch BGHSt 24, 356, 358 f.; 26, 143, 145; BGH NStZ 1998, 508; NStZ-RR 1999, 40, 41; Lenckner/Perron in Schönke/Schröder, aaO § 32 Rdn. 54, 59; Tröndle/ Fischer aaO § 32 Rdn. 24). aa) Die bisherigen Feststellungen belegen nicht, daß der Angeklagte die Notwehrlage in rechtswidriger oder sonst sozialethisch zu mißbilligender Weise herbeigeführt und M. "provoziert" hätte. Das bloße Einlassen M. s und dessen Begleiters in seine, des Angeklagten Wohnung trotz der zuvor ausgesprochenen Drohungen und der bereits erfolgten Erpressungen genügt dafür nicht. Damit hat er M. lediglich die Gelegenheit zum erneuten Erpressungsversuch gegeben und damit gleichsam fahrlässig - die Sorgfalt in eigenen Angelegenheiten betreffend - die Notwehrlage mit herbeigeführt. Ein rechtlich erlaubtes Tun - wie etwa das Öffnen der Wohnungstür gegenüber einem unbekannten Bewaffneten (BGH NStZ 1993, 332, 333) - führt jedoch nicht ohne weiteres zur Einschränkung des Notwehrrechts, auch wenn der Täter wußte oder wissen mußte, daß der andere durch dieses Verhalten zu einem rechtswidrigen Angriff veranlaßt werden könnte (so schon BGH NStZ 1993, 332, 333). Entscheidend ist nicht, ob der später Angegriffene die Entwicklung vorhersehen konnte, sondern - mit Blick auf das Rechtsbewährungsinteresse - ob der Angreifer sich durch das vorwerfbare Verhalten des von ihm Angegriffenen provoziert fühlen konnte (vgl. Roxin ZStW Bd. 75 <1963>, 497, 582). Die bloß fahrlässige oder gar leichtfertige Herbeiführung einer Notwehrlage führt nicht
zu einer Einschränkung des Maßes der gebotenen Verteidigung. Das würde selbst dann gelten, wenn der Angeklagte mit einem erneuten Angriff M. s gerechnet und dies beim Einlassen in seine Wohnung - wenn er dies hätte verhindern können - in Kauf genommen und geglaubt hätte, einen solchen Angriff hinhaltend oder sonst "schon irgendwie" abwehren zu können. Er hätte auch dann nicht im Sinne einer Provokation des Angreifers gehandelt, sondern lediglich eine notwehrträchtige Lage durch erlaubtes Tun mitverursacht, für die er sich sogar wappnen durfte. Dieses Verhalten mochte dann zwar in hohem Maße den Geboten der Vorsicht und der Lebensklugheit zuwiderlaufen; es nahm dem Angeklagten jedoch nichts von seinem Recht, sich gegen den Angriff mit den nach Maßgabe der Situation erforderlichen und gebotenen Mitteln zu verteidigen (BGH, Urteil vom 20. Juli 1983 - 2 StR 43/83 - S. 12, aber auch Urteil vom 5. Juli 1978 - 2 StR 201/78 - S. 5 f.). bb) Ebensowenig erweist sich bei dem festgestellten Sachverhalt der illegale Handel des Angeklagten mit Raubpressungen von CD's als notwehreinschränkendes vorwerfbares Vorverhalten im Sinne einer Provokation der Notwehrlage oder M. s. Dieses Verhalten des Angeklagten ist zwar von Rechts wegen ersichtlich vorwerfbar. Es richtete sich jedoch nicht gegen ein Rechtsgut gerade des M. , wie das etwa bei Tätlichkeiten oder Beleidigungen gegenüber dem späteren Angreifer der Fall ist. Betroffen waren vielmehr Rechtsgüter Dritter, nämlich der Urheberrechtsinhaber der CD-Titel. Dementsprechend fehlte auch der räumliche und zeitliche Zusammenhang mit dem Angriff M. s. Eine Notwehr des Angeklagten (wenn seine Trutzwehr vom Verteidigungswillen mitgetragen und erforderlich war) stünde "nicht im Zeichen seines eigenen Unrechts"; seiner Gegenwehr würde das eigene Unrecht nicht unmittelbar anhaften. Sie wäre mithin durch seine anderweitigen Straftaten nicht in einer Weise bemakelt, daß sie deshalb nicht mehr uneingeschränkt als Mittel
auch der Rechtsbewährung gegenüber dem erpresserischen Angriff M. s auf sein Vermögen hätte angesehen werden können (vgl. BGHSt 27, 336, 338; BGH NStZ 1989, 474; BGH, Urt. vom 25. Februar 1975 - 1 StR 702/74; BGH, Beschl. vom 15. April 1980 - 1 StR 130/80; Lenckner/Perron in Schönke/ Schröder, aaO § 32 Rdn. 59). Auch demjenigen, der früher eine strafbare Handlung begangen hat, steht grundsätzlich ein uneingeschränktes Notwehrrecht zur Seite, wenn er in anderem Zusammenhang selbst Opfer einer Straftat wird. Er hat nicht etwa deshalb, weil die gegen ihn gerichtete Tat (hier: eine Erpressung) vom Täter an seine gegen die Rechtsgüter Dritter begangene eigene Straftat angeknüpft wird, einen "Status minderen Rechts", der Erpresser nicht deswegen einen größeren, im Ergebnis nicht notwehrfähigen Freiraum für seinen Rechtsbruch. cc) Eine Einschränkung des Notwehrrechts jenseits der in der Rechtsprechung bislang anerkannten Fallgruppen wird in der Literatur für die Fälle der sogenannten Schweigegelderpressung diskutiert ("Chantage"). Typischerweise droht der Erpresser hier mit der Enthüllung kompromittierender Tatsachen , namentlich mit einer Strafanzeige wegen einer vom Erpressungsopfer seinerseits begangenen Straftat. Wehrt der Erpreßte sich oder tötet gar den Erpresser, so wird das Gebotensein der Notwehr verneint oder von einer Einschränkung des Notwehrrechts wegen verminderten Rechtsbewährungsinteresses ausgegangen. Das Interesse des Erpreßten am Schutz vor Enthüllung einer Straftat verdiene keinen uneingeschränkten Schutz (vgl. zu alledem nur Roxin, Strafrecht AT 3. Aufl. [1997] Kap. VIII § 15 [S. 593] Rdn. 89/90; Haug MDR 1964, 548, 549; Amelung GA 1982, 381; H. E. Müller NStZ 1993, 366; Novoselec NStZ 1997, 218; dazu die Erwiderung von Amelung NStZ 1998, 70; Arzt JZ 2001, 1052; weiter Eggert NStZ 2001, 225; zum Phänomen der "Chantage" siehe grundlegend schon die rechtsvergleichende Arbeit von Reinhold,
Die Chantage, Abhandlungen des kriminalistischen Seminars an der Universi- tät Berlin , 1909). Der Senat stellt dahin, ob und inwieweit einer solchermaßen begründeten Einschränkung des Notwehrrechts beizupflichten wäre. Das muß hier nicht entschieden werden. Der vorliegende Fall ist - anders als die in der Literatur zumeist erörterten Sachverhalte - dadurch geprägt, daß eine Erpressung in Rede steht, die nicht ausschließlich auf der Androhung der Anzeige von Straftaten des Erpreßten fußt. Vielmehr hatte M. dem Angeklagten schon damit gedroht, ihn zusammenschlagen zu lassen; noch am Vormittag des Tattages hatte er angekündigt, das Geld "mit Freunden einzutreiben". Ob daraus eine Leibesgefahr im Sinne des § 255 StGB folgte, die zum Vorfallszeitpunkt noch "gegenwärtig" war, bedürfte gegebenenfalls der tatrichterlichen Würdigung (vgl. zu deren Fortwirken in Erpressungsfällen BGH NStZ-RR 1998, 135; BGHR StGB § 255 Drohung 9). In der aktuell gegebenen Notwehrlage drohte M. mit erheblichen Sachbeschädigungen und der Wegnahme von Gegenständen aus der Wohnung des Angeklagten im Wert von 5.000 DM, was naheliegen -derweise durch Gewaltanwendung gegenüber dem Angeklagten oder jedenfalls durch Drohung mit weiteren Übeln durchzusetzen gewesen wäre und sich dann rechtlich möglicherweise gar als Raub oder räuberische Erpressung erwiesen hätte. Sind die Drohmittel solcherart verschieden, um gleichsam eine "gemischte Drohkulisse“ aufzubauen, so liegt kein reiner Fall der Schweigegelderpressung mehr vor; es steht eine Mischung aus Schutz- und Schweigegelderpressung in Rede. In diesen Fällen ist das, was zur Verteidigung „geboten“ ist, unter dem Gesichtspunkt eigenen strafbaren Vorverhaltens des Erpressungsopfers gegenüber Dritten jedenfalls dann nicht eingeschränkt, wenn der Angriff des Erpressers auf die Willensentschließungsfreiheit zugleich in einen gegenwärtigen Angriff auf das Vermögen übergeht, mit weiteren Übelsdrohun-
gen verstärkt wird und der Angreifer im Angesicht des Opfers dabei ist, mit aktuell realisierbaren - auch konkludenten - Drohungen gegen Sachwerte und etwa auch die körperliche Integrität des Opfers seinen Angriff auf das Vermögen zu vollenden und zu beenden. Daran ändert nichts, daß das Erpressungsopfer zuvor die Möglichkeit gehabt hätte, staatliche Hilfe zu suchen. Maßgeblich für die Beurteilung dessen , was zur Abwehr des Angriffs erforderlich und geboten ist, sind die Verhältnisse im Augenblick des konkreten Angriffs, also zum Zeitpunkt der Verteidigung durch den Angegriffenen ("Auseinandersetzungslage"; vgl. BGH NJW 1989, 3027; StV 1999, 143, 144; Tröndle/Fischer aaO § 32 Rdn. 16b).
b) In Betracht zu ziehen haben wird der neue Tatrichter für den Fall einer vom Verteidigungswillen jedenfalls mitbestimmten und erforderlichen Notwehr schließlich eine Einschränkung dieses Rechts im Blick auf M. s Trunkenheit , an deren Zustandekommen der Angeklagte durch Gestattung und Mitwirkung am Konsum von Dreivierteln des Inhalts einer Flasche Wodka beteiligt war. In der Rechtsprechung ist anerkannt, daß das Notwehrrecht gegenüber schuldlos handelnden Angreifern eingeschränkt sein kann (vgl. Tröndle/Fischer aaO § 32 Rdn. 19). Daß M. allerdings schuldunfähig gewesen sein könnte, dürfte eher fernliegen. Näher wird - zumal in Rücksicht auf den Zweifelssatz - eine erheblich verminderte Schuldfähigkeit liegen, weil er jedenfalls noch in beachtlichem Maße aktionsfähig war.
c) Der Senat hat schließlich erwogen, ob eine weitere Kategorie eingeschränkter (gebotener) Notwehr zu begründen ist, wenn mehrere Umstände vorliegen, die Anlaß zur Prüfung einer Einschränkung nach den insoweit anerkannten Fallgruppen geben, dort aber eine solche Einschränkung je für sich nicht zu rechtfertigen vermögen. Dies hat der Senat jedoch verworfen: Das liefe
auf eine Art Gesamtschau und die Gewichtung verschiedener Umstände hinaus. Damit verlöre das Notwehrrecht in solchen Fällen seine Konturenschärfe. Es muß geeignet bleiben, in den einschlägigen, oft durch die Plötzlichkeit der Entwicklung charakterisierten Fällen des Lebens dem rechtlichen Laien ohne weiteres überschaubare, grundsätzlich einfache Richtschnur für das Handeln zu sein. Allzu differenzierte Erwägungen würden seinem Zweck widerstreiten. Die anerkannten Fälle der Einschränkung des Notwehrrechts sind denn auch solche, in denen das zumutbar geringere Maß der gebotenen Verteidigung oder eine Pflicht zum Ausweichen für jedermann ohne weiteres augenfällig ist (Evidenzfälle). 6. Zur inneren Tatseite wird folgendes im Auge zu behalten sein: Handelte der Angeklagte auch mit Verteidigungswillen, kann es darauf ankommen, welche Vorstellungen er über das Maß der erforderlichen und gebotenen - und damit auch der erlaubten - Verteidigung hatte. Hierzu werden soweit möglich Feststellungen zu treffen sein. Daraus kann sich die Notwendigkeit der Erörterung von Irrtumsfragen ergeben (zu deren Voraussetzungen und Folgen vgl. nur Tröndle/Fischer aaO § 32 Rdn. 27 m.w.N.; zum übrigen: Tröndle/Fischer aaO § 32 Rdn. 26, 27, § 33 Rdn. 2 m.N.). Hätte der Angeklagte über die Eignung der Tötung M. s zur Abwendung des Geldverlustes geirrt, käme möglicherweise ein Erlaubnistatbestandsirrtum und damit fahrlässige Tötung in Betracht (vgl. § 16 Abs. 1 Satz 1 StGB; BGHSt 45, 378, 384). Läge eine Fehlvorstellung über die Grenzen der erlaubten Notwehr vor, wäre nach den Grundsätzen für den Verbotsirrtum zu verfahren (§ 17 StGB). Im Falle eines vermeidbaren Irrtums stünde eine Strafrahmenverschiebung nach § 49 Abs. 1 StGB im Raum.
7. Sollte der neue Tatrichter im Handeln des Angeklagten einen strafba- ren vorsätzlichen Totschlag sehen, wird er die Voraussetzungen des § 213 StGB (sonst minder schwerer Fall) zu prüfen haben. Die Würdigung der Frage erheblich verminderter Schuldfähigkeit des Angeklagten zur Tatzeit wird im Blick auf die im Urteil wiedergegebenen Ausführungen des psychiatrischen Sachverständigen näher zu begründen sein, sollte der neue Tatrichter vom Gutachten des Sachverständigen abweichen wollen (vgl. BGHR StPO § 261 Sachverständiger 1, 5; Tröndle/Fischer aaO § 20 Rdn. 65). Schließlich wird auch der Einfluß der Befindlichkeit des Angeklagten auf die Voraussetzungen des Strafausschließungsgrundes nach § 33 StGB zu erörtern sein (vgl. dazu auch BGH StV 1999, 145).

IV.

Nach allem ist das angefochtene Urteil aufzuheben. Auch die Feststellungen können nicht bestehen bleiben. Im Blick auf die dem neuen Tatrichter obliegende Würdigung der Auseinandersetzungslage und des Kräfteverhältnisses , insbesondere aber der Beweggründe des Angeklagten unter verschiedenen rechtlichen Gesichtspunkten muß der Tatrichter hinsichtlich der Feststellung des Sachverhalts frei sein (vgl. § 353 Abs. 2 StPO). Nack Wahl Schluckebier Kolz Elf

Überschreitet der Täter die Grenzen der Notwehr aus Verwirrung, Furcht oder Schrecken, so wird er nicht bestraft.

(1) Wer eine Tat begeht, die durch Notwehr geboten ist, handelt nicht rechtswidrig.

(2) Notwehr ist die Verteidigung, die erforderlich ist, um einen gegenwärtigen rechtswidrigen Angriff von sich oder einem anderen abzuwenden.

Überschreitet der Täter die Grenzen der Notwehr aus Verwirrung, Furcht oder Schrecken, so wird er nicht bestraft.